17. Dezember
Auch heute gibt es ein Rezept, nur etwas anders verpackt
"Mama, wann fangen wir endlich an?", fragte Kai ungeduldig, als er mit seiner Mutter in der Küche war. Hatscha räumte gerade die eingekauften Utensilien aus ihrer Tasche.
"Gleich. Lass mich nur eben noch ausräumen. Geh du dir schonmal die Hände waschen."
Der Fünfjährige rannte aufgeregt aus dem Zimmer. Die Wächterin sah ihm lächelnd hinterher und nieste. Bald war Schneevaterfest und überall in der Stadt roch es nach Gebäck. Es hatte auch schon das erste Mal geschneit. Sie hatte ihrem Sohn versprochen, wenn sie frei hatte, mit ihm selbst Plätzchen zu backen. Heute war es nun so weit. Sie hatte sich von den Näherinnen und von anderen Wächterinnen Rezepte geben lassen, die sie auf ihrem Notizblock gesammelt hatte. Selbst aus der Kindheit kannte sie den Brauch nicht. In der Wüste feierte man das Schneevaterfest nicht derart. Zumal sie in ihren Jahren in Ankh-Morpork die Erfahrung gemacht hatte, dass die kleinen Gebäckstücke, die man in der Stadt überall kaufen konnte, in der kalten Jahreszeit deutlich besser schmeckten als im Sommer.
Endlich hatte sie alle Lebensmittel verstaut. Kai kam auch schon eifrig zurückgelaufen und sah sie voller Erwartung an.
"Hol doch schonmal den großen Kochlöffel, ja? Du weißt ja, wo er ist. Und ein Buttermesser und einen zweiten Löffel können wir auch gebrauchen", wies Hatscha ihr Kind an. Sofort durchstöberte dieser sämtliche Schränke der kleinen Küche, um seinen Auftrag zu erfüllen. Die Mutter holte in der Zwischenzeit die große Rührschüssel und eine Tasse hervor und stellte sie auf den Tisch. Dann suchte sie anhand ihrer Rezeptesammlung die Zutaten, die sie brauchen würde, und stellte sie bereit.
"Hier ist alles." Kai legte das Messer und die Löffel auf den Tisch.
"Sehr gut. Jetzt setz dich hin. Als erstes brauchen wir jeweils eine Tasse vom Mehl, von den Haferflocken, von den Kokosraspeln [1] und vom Zucker."
"Soll ich alles in die große Schüssel tun?", fragte der Junge mit der Tasse voller Mehl in der Hand.
"Genau. Und dann mit dem Löffel ordentlich verrühren. Ich muss gerade am Herd etwas herrichten."
Begeistert maß Kai alle Zutaten ab und vermengte sie. "Ist's so gut?"
Hatscha drehte sich vom Herd, wo sie ein halbes Stück Butter mit einem Löffel Ahornsirup erwärmte, um und begutachtete das Werk ihres Sohnes. Selbstverständlich haben nicht alle Zutaten die Schüssel erreicht und bildeten jetzt eine weiße Schicht auf dem Tisch. "Ja, so ist's gut. Jetzt müssen wir nur noch warten, bis die Butter geschmolzen ist. Dann kommt das dazu und wir können weitermachen. Wenn du magst, kannst du solange hier im Topf umrühren, damit nichts anbrennt. Aber nur ganz vorsichtig rühren, damit es nicht spritzt."
Kai nickte eifrig und schob sich einen Stuhl an den Herd, um mit dem Kochlöffel im Topf rühren zu können. Wenig später verkündete er: "Mama, ich sehe die Butter nicht mehr, die ist verschwunden! Hab ich was falsch gemacht?"
"Nein, keine Sorge. So ist es genau richtig. Wir können den Herd jetzt ausmachen. Deine Hände sind sauber?" Kai nickte. "Dann kommt jetzt der warme Sirup in die Schüssel zu den anderen Zutaten." Vorsichtig goss Hatscha die Masse über das Mehl. "Jetzt müssen wir das alles noch verkneten, bis es ein fester, klebriger Teig wird. Willst du das versuchen?"
Ohne zu antworten steckte der Fünfjährige seine Hände in die Schüssel und matschte in den Zutaten herum. Seine Mutter lächelte und bereitete schonmal das Backblech vor, indem sie es einfettete. Dann wandte sie sich dem Ofen vor und feuerte ihn an. [2]
"Ich bin fertig, Mama", meinte Kai, der plötzlich mit Händen voller Teig vor ihr stand und schon fleißig naschte. Sie grinste.
"Komm, iss den Teig nicht vorher. Werden dann nur weniger Plätzchen." Sie nahm seine Hände und streifte den Teig über der Schüssel nochmal notdürftig unter seinem Protest ab. "Dann will ich mal sehen, ob du alles gut verknetet hast", sagte sie und schloss sein Werk selbst ab. Als sie fertig war - und Kai seine Finger sauber gelegt hatte -, wusch sie sich die Hände ab.
"Und was machen wir jetzt?"
"Jetzt kommt der Teig in kleinen flachen Häufchen auf das Backblech. Am Besten mit einem Löffel und dann plattdrücken. Versuch's mal."
Kai griff sich den Löffel und begann, kleine Kekse zu formen. Die Wächterin machte sich in der Zwischenzeit daran, den Tisch wieder abzuwischen und die Zutaten aufzuräumen. Nach einer Weile, ein Blick in die Schüssel sagte ihr, dass noch Teig übrig war, legte der Junge den Löffel zur Seite und lief einfach davon.
"Wasch dir erstmal die Hände, bevor du spielen gehst! Die sind sicherlich noch ganz klebrig!", rief sie ihm nach und schüttelte den Kopf. Dann machte sie sich an die Arbeit, die Teigmasse aufzubrauchen. Schließlich schob sie das Blech in den Ofen.
"Mama, wann sind die Plätzchen fertig?", hallte es aus dem Nachbarraum, von wo Kai angelaufen kam.
"Dauert noch ein wenig [3]", antwortete sie. "Sie müssten goldbraun sein, dann sind sie fertig. Du kannst mir ja bis dahin beim Abspülen helfen." Sie zwinkerte, aber er war schon wieder auf und davon.
Etwas später hatte sie dann auch das Saubermachen abgeschlossen. "Sind sie schon fertig?", fragte Kai wieder.
"Jetzt könnten sie fertig sein. Wir können ja mal nachsehen. Mach mal einen Schritt zurück." Sie öffnete die Ofentür und zog mit einem dicken Backhandschuh das Blech hervor. Erstmal konnten sie natürlich wegen des Qualms aus dem Ofen nicht viel erkennen.
"Ich finde, die sind schon ganz goldbraun!", sagte Kai schließlich.
Hatscha lachte, musste ihm aber recht geben. "Ja, die sind jetzt durch."
"Kann ich schon einen probieren?", freute er sich.
"Wenn du dir die Finger verbrennen möchtest. Aber ich würde sie erst abkühlen lassen. Heute Abend können wir ja Papa damit überraschen."
"Hm... Na gut." Schmollend ging Kai wieder ins Nebenzimmer. Sie legte die Plätzchen zum Kühlen auf ein Rost auf den Küchentisch. Den Ofen ließ sie zum Heizen laufen. Es war wirklich schon sehr kalt in Ankh-Morpork gewesen.
*später am Tag*
"Ich bin wieder zu Hause!", rief Melas, als er zur Tür herein kam. Kai kam ihm sofort entgegen gelaufen.
"Rate mal, was Mama und ich heute gemacht haben!", erzählte er aufgeregt.
"Hm, ich weiß nicht? Was denn?"
"Plätzchen gebacken! Mama, dürfen wir jetzt welche probieren?"
Hatscha lachte und kam auch dazu, in der Hand einen Teller mit ein paar der Gebäckstücke. "Hier. Aber nur probieren." Dann begrüßte sie Melas.
"Krieg ich noch einen?"
[1] Hatscha hatte sich zu diesem Anlass den teuren Import aus Klatsch geleistet
[2] Auf ca. 150°C-160°C, aber das geht auf der Scheibenwelt nicht so genau
[3] etwa 20 Minuten