Für RUM und Ähre

Bisher hat keiner bewertet.

von Hauptgefreite Mina von Nachtschatten (RUM)
Online seit 31. 10. 2010
PDF-Version

 Außerdem kommen vor: Septimus EbelJack NarratorFynn DüstergutOphelia ZiegenbergerLilli BaumReiner RundumschlagKolumbini

Aufgrund des Nachwuchsmangels wird das Werben der Abteilungen um die frisch beförderten Gefreiten stärker...

Dafür vergebene Note: 13

Dass sich die Abteilungsleitung auch mit Fragen der Organisation und Koordination beschäftigt liegt auf der Hand. Allerdings hält das die entsprechenden Wächter nicht vom Einsatz in ihren Spezialisierungen ab. Bei RUM scheinen diese auf den ersten Blick vielleicht weniger spektakulär als in anderen Abteilungen, das sagt allerdings nichts über Bedeutung oder Effizienz aus. Man sieht RUM nur nicht vordergründig. Aber wir sind da.
Feldwebel Romulus von Grauhaar



"Sagt mir bitte, dass das nicht euer Ernst ist!"
Unter hochgezogenen Augenbrauen ließ Romulus von Grauhaar den Blick über die anwesenden RUM-Wächter schweifen. Natürlich hatte er es gewusst - auf dem Papier und das nicht erst seit gestern. Es aber nun so vor sich zu sehen...
"Nennt ihr das eine Vollversammlung?"
Ein Versuch konnte ja nie schaden, wenn dies auch zweifelsohne ein sehr verzweifelter war.
"Nun, Sir ... das sind alle."
Chief-Korporal Ziegenberger sah ihren Vorgesetzten mit einem entschuldigenden Lächeln an. Dieser seufzte, schob unschlüssig ein paar Papiere auf seinem Schreibtisch hin und her, bevor er die versammelten Wächter erneut musterte.
"RUM hat es geschafft, neben SUSI zur kleinsten Abteilung der gesamten Wache zu werden." Der Werwolf ließ den Satz einen Moment im Raum stehen, bevor er fortfuhr: "Der letzte Rekrut, der sich nach seiner Beförderung für uns entschieden hat und dann auch tatsächlich längerfristig dabei geblieben ist, war der jetzige Korporal Sebulon Samaxsohn. Das war vor zwei Jahren ... und der hat sich jetzt zur Dienstaufsicht verabschiedet." Romulus' Blick machte nicht nur deutlich was er davon hielt, mehr noch: Er sendete damit eine stumme, dadurch allerdings nicht weniger eindringliche Botschaft an jeden Einzelnen im Raum: Dass es mir ja keiner von euch wagt, das nachzumachen! Dann traf dieser Blick auf den neuen Zwerg der Abteilung - oder besser gesagt dessen Hand, welche ungeduldig in der Luft herumwedelte. "Abgesehen von unserem Gefreiten Rundumschlag hier sieht die aktuelle Bewerbungslage eher trüb aus", fügte der Werwolf noch hinzu.
Reiner ließ die Hand wieder sinken und setzte sich besonders aufrecht, um seine 1,20 m als vollwertiges Abteilungsmitglied zu unterstreichen. Allerdings schenkte diesem Umstand momentan niemand die gebührende Aufmerksamkeit.
"Ohne die paar Spezialisten, die sich schon seit Wochen überhaupt nicht mehr oder nur noch sehr sporadisch haben blicken lassen, besteht RUM zur Zeit aus exakt zehn Wächtern - davon fünf verdeckten Ermittler. Man kann die Abteilungsarbeit daher nicht gerade als effektiv bezeichnen."
Stille. Man hätte sie "betretene" oder gar "schuldbewusste" Stille nennen können, wenn die Anwesenden wirklich einen Anteil an den Umständen gehabt hätten. So aber gingen den versammelten Wächtern nur sehr ähnliche Gedanken durch den Kopf: Man gab sich Mühe, erfüllte seine Aufgaben so gut man konnte ... aber der Personalmangel fing an, sich bemerkbar zu machen: Ermittlungen stockten, weil Jack mit den Gutachten, Befragungen und dem ganzen anderen Püscho-Kram [1] nicht hinterherkam; Thask konnte nicht an allen toten Briefkästen zugleich sein und Reiner war noch in der Ausbildung. Insgesamt ein suboptimales Spezialisierungsverhältnis. Aber woher die Mitarbeiter nehmen, wenn nicht...
"Vorschläge?" Ungeduldig tippt von Grauhaar mit einem Stift auf ein kaffeefleckiges Blatt Papier und unterbrach so das kollektive Sinnieren seiner Abteilung. Allerdings war es genau diese Frage, auf die so spontan keiner eine Antwort wusste. Diverse Gegenstände im Raum, Fußboden, Fenster oder auch die eigenen Fingernägel wurden mit einem Mal mächtig interessant.
Romulus räusperte sich lautstark. "Ich möchte nach Möglichkeit vermeiden, dass Breguyar auch nur im Entferntesten auf den Gedanken kommt, dass man uns ja mit einer anderen Abteilung zusammenlegen könnte oder anfängt Zuständigkeiten zu übertragen", meinte er wie beiläufig. Natürlich war diese Möglichkeit etwas weit hergeholt und der Abteilungsleiter wusste das, aber was sprach gegen ein wenig Druck, um den Denkprozess zu beschleunigen? Die Rechnung ging auf, wenn auch zunächst dergestalt, dass Lilli die Hand hob, auf den Kasten auf ihrem Schoß deutete und anfing, darauf herumzutippen. Nach einer Zeitspanne, die einigen kurz, aber ungeduldigeren Zeitgenossen durchaus als halbe Ewigkeit erschienen war, steckte Horatius den Kopf nach draußen und krähte:
"Sie meint, dass man sich wohl erstmal die Frage stellen sollte, warum RUM", er grinste kurz, "also waRUM unsere Abteilung bei den Neuen eher ... unbeliebt zu sein scheint." Er schaute nach oben, als erwarte er ein Lob seiner Besitzerin für die taktvolle Ausdrucksweise, wurde aber enttäuscht, da Lilli nur enthusiastisch nickte und ihre Kollegen anstrahlte. Grummelnd verzog sich der Dämon wieder in seinen Kasten.
"Naaa jaaa", meldete sich nun Thask zu Wort und starrte aus milchigen Augen nachdenklich auf den Türrahmen des Büros, als stünde dort die Antwort geschrieben. Er hatte sich in eine Ecke des Zimmers verzogen, weit von den restlichen Kollegen entfernt - doch das diente schlicht dazu, die Geruchsbelastung in Grenzen zu halten. "Daaas Probleeem ist wohl, daaass RUM einfaaach daaas nötige ... Reeepräääsentatiooonspotentiaaal fehlt, uuum die Reeekruteeen auf siiich auuufmerksaaam zu maaachen."
Mimosa nickte zustimmend. "SEALS sieht man ständig auf den Straßen", begann sie an den Fingern abzuzählen, "FROG ist eine Empfehlung an sich für alle Draufgänger - und wenn jemand gleich beim ersten Besuch länger als zehn Minuten in der Pathologie durchhält, ohne sich zu übergeben, sind die Chancen hoch, dass derjenige auch bei SUSI bleibt."
Reiner setzte eine kritische Miene auf. "Und was ist mit DOG?"
"Die haben ihre Außenstelle im Boucherie Rouge", bemerkte Kolumbini trocken.
An einem anderen Tag hätte diese Bemerkung wohl Gekicher oder zumindest das eine oder andere Grinsen hervorgerufen. Nun aber hörte man nur Septimus' geflüsterten Kommentar:
"RUM ist trotzdem die beste Abteilung!"
"Die Frage ist nur, wie bekommen wir diese Einstellung in die Köpfe der Rekruten und frisch beförderten Gefreiten?", nahm Romulus den Faden auf, "Da ich davon ausgehe, dass ihr nach diesem Gespräch nicht gleich alle zu Feldwebel Feinstich stürzen werdet, um euch als GRUND-Ausbilder zu bewerben - was im Prinzip sehr löblich ist, denn sonst könnten wir auch komplett dichtmachen - frage ich noch einmal: Vorschläge?"
Nach einem längeren Schweigen meldete sich schließlich die stellvertretende Abteilungsleiterin zu Wort:
"Eine Art ... Tag des offenen Büros vielleicht?", meinte sie langsam, schien allerdings selbst nicht ganz überzeugt von ihrem Vorschlag.
"Und was willst du den Rekruten damit zeigen?", brummte Jack missmutig, "Wächter, die in ihren Büros hocken, über Berichten brüten und vor sich hinfluchen? Oh ja, da werden sie sich überschlagen, zu uns zu kommen."
"Nun ja, man kann sie ja schlecht mit in den Einsatz nehmen ...", sagte Mina, ließ den Satz allerdings unbeendet. Denn allein schon der Gedanke daran erfüllte die meisten Anwesenden aus verschiedenen Gründen mit einem gewissen Unbehagen.
"Auf keeeinen Fall." Thask schüttelte langsam aber entschieden mit dem Kopf. "Steeellt euch vooor, ich zeigeee ihneeen die toooten Briiiefkästeeen, sie verlaaassen die Waaache und veeerschaaachern dieseee Infooormatiooonen an iiirgendweeelche krimiiinelleeen Subjeeekte!" Das Gesicht des Zombies zeigte tiefe Bestürzung und damit ein für den Untoten ungewöhnliches Maß an emotionaler Regung.
"Ungelernt würden sie nur die verdeckte Ermittlung gefährden", bekräftigte Septimus den Einwand und Kolumbini stopfte demonstrativ seine Pfeife, während er sagte: "Sie könnten höchstens daneben stehen und ein paar Notizen machen."
"Ich werde sie nicht meine püschologischen Sitzungen ruinieren lassen." Korporal Narrator klopfte entnervt mit dem Fuß auf den Boden. "Wir können doch einfach ein paar alte Fallakten zusammenheften und den Rekruten zum Selbststudium in die Hand drücken."
"Das liest doch keiner!"
"Dann mach einen besseren Vorschlag, Ebel."
"Warum denn jetzt ich?"
"Ruhe!" Die Stimme des Abteilungsleiters war autoritär genug, um jede Streitigkeit zu unterbinden, allerdings machte der Werwolf keineswegs einen verärgerten Eindruck: Er schien eher konzentriert nachzudenken, dann trat Entschlossenheit in seinen Blick.
"Gesetzt den Fall, wir hätten eine Ermittlung, die auch ein Neuer unter keinen Umständen vermasseln kann ..."




Eine verdeckte Ermittlung besteht im Grunde aus 80% Vorbereitung und 20% Einsatz, mancher mag auch von einem Verhältnis 60:40 oder 50:50 sprechen, doch das sei zunächst dahingestellt, hängt es doch auch immer zu einem nicht geringen Grad von der gestellten Aufgabe ab - es ist schon ein Unterschied, für fünf Minuten den Boten zu spielen oder sich für mehrere Tage in eine kriminelle Organisation einzuschleichen, allerdings kann man natürlich in beiden Fällen vorher nie so genau sagen, was einen erwartet...
Hauptgefreite Mina von Nachtschatten



Im fahlen Licht eines frühen Morgens lag die Rennbahn Ankh-Morporks eher verwaist da; nichts deutete auf den hektischen Betrieb hin, der hier während eines Renntages herrschte. Dicker Nebel hüllte das Gelände ein und führte dazu, dass man die Wettkampfstätte eher mit der Nase als mit den Augen wahrnehmen konnte: Auch wenn man oft sagt 'es riecht nach Pferd' so sind es doch eigentlich die Hinterlassenschaften des Pferdes, die man als am geruchsmäßig intensivsten empfindet. Und in den Stallungen direkt hinter der Rennbahn schien es eine ganze Menge davon zu geben: Irgendwann war jemand auf die Idee gekommen, dass es doch Schwachsinn war, Geld für einen Mietstall auszugeben und gleichzeitig das Risiko in Kauf zu nehmen, die Rennpferde auf dem Transport zur Bahn dem (un)lizensierten Verbrechen auszusetzen. Also hatte sich hier ein Komplex an Stallungen entwickelt, der eigentlich schon eine kleine Welt in sich darstellte und von dem der normale Besucher keine Ahnung hatte, wenn er darauf aus war, sein Geld bei einem Rennen zu verprassen. Und so rechnete auch Konstantin Laufzu nicht mit unliebsamen Überraschungen, als er mit dem Besen Strohhalme von einer Ecke des Hofes in die andere kehrte, mit halb geschlossenen Augen leise vor sich hinsummend und eingehüllt in das allgegenwärtige odeur de cheval. Verständlich, dass er vor Schreck den Besen fallen lies, als ihm plötzlich jemand auf die Schulter tippte.
"Guten Morgen. Veterinäramt Ankh-Morpork, dies ist eine unangemeldete Kontrolle."
Konstantin fuhr herum und sah sich drei ihm unbekannten Personen gegenüber: Einer dunkelhaarige Frau, einem etwas mürrisch dreinschauenden jungen Mann und einem Gnom, der hoch aufgereckt mit einer kleinen Dienstmarke wedelte, deren Aufschrift der Stallbursche beim besten Willen nicht erkennen konnte. Aber das interessierte ihn momentan auch weniger - es war vielmehr das Wort, welches die Frau verwendet hatte. Verdammt. So lange arbeitete er hier noch nicht!
"Veter ... Veti-was? Vetina..." Er wurde blass. "Äh, natürlich, selbstverständlich, schauen Sie sich nur um, kein Problem, der Chef ist im Büro."
"Besten Dank."
Die drei Gestalten verschwanden in einem der Ställe und Konstantin beeilte sich, den Besen wieder aufzuklauben und seine Arbeit fortzusetzen. Warum war er heute morgen nicht einfach im Bett geblieben?


"Geht das immer so leicht?" Rekrut Fynn Düstergut warf einen misstrauischen Blick zurück auf den Hof, aber anscheinend folgte ihnen tatsächlich niemand.
"Nein, schön wär's." Mina von Nachtschatten zuckte mit den Schultern und ließ dann denn Blick durch den Stall schweifen. Sie seufzte - synchron mit ihrem Kollegen Septimus Ebel, dem anscheinend gerade ähnliches durch den Kopf ging: Es hatte etwas Frustrierendes, an einem eigentlich schon abgeschlossenen Fall zu arbeiten. Das war irgendwie so, als wäre man dazu verdonnert worden, einen eben geschriebenen Bericht noch einmal neu zu verfassen - die Fakten blieben die selben, man verpackte sie nur anders. Aber im Sinne der Imagepolitur der Abteilung... 'Zeigt euch von eurer besten Seite', hatte der Abteilungsleiter gemeint. 'Lasst die ... beinahe-Gefreiten ruhig machen, es kann ja nichts schief gehen.' Er hatte diesen Ansatzpunkt für sinnvoller befunden, als die frisch zu den Mannschaften Beförderten direkt anzusprechen - die waren meist schon vergeben, ehe man "Bewerbungsgespräch" sagen konnte. Also musste man da eben durch, auch wenn sich die Begeisterung auf beiden Seiten in Grenzen hielt. Fynn Düstergut, der ihrer Gruppe zugeteilt worden war, hatte eine schicksalsergebene Miene aufgesetzt und war den beiden verdeckten Ermittlern auf dem Weg hierher mehr hinterher geschlurft als das er echtes Interesse gezeigt hätte. Aber vielleicht lag das auch schlicht an der Tageszeit ... sie hatten sich quasi vor dem Aufstehen auf den Weg gemacht.
Jetzt lehnte er an einem mannshohen Heuballen und versuchte dem leicht irren Blick eines Pferdes standzuhalten, welches neugierig aus seinem Verschlag schielte.
"Ich dachte, dazu gehört vor allem sich irgendwelche Geheimidentitäten ausdenken und so", murmelte er.
"Nicht unbedingt", Septimus war auf einen Schemel geklettert, um einen besseren Überblick zu bekommen. "Wir igeln uns nicht ständig wochenlang ein, nur um plötzlich mit brillanten Ermittlungsergebnissen im Büro aufzutauchen, weißt du?" Er sah sich ebenfalls um. "Na dann ... mach einfach mal", forderte er den Rekruten halbherzig auf, "Schließlich sollst du ja etwas lernen."
Fynn legte den Kopf schief.
"Worum geht es hier nun eigentlich genau?", wollte er wissen.
"Gestern ist der Favorit für das nächste Rennen, das Pferd 'Schnapsdrossel', aus dem Stall verschwunden", begann Septimus zu dozieren, "und der Besitzer Wilhelm Gerstig hat ein Erpresserschreiben über eine ... naja, im Grunde lächerlich geringe Summe bekommen." Dass man auf dem Papier schwarze Farbflecken gefunden hatte, welche sich mit etwas Fantasie als Fingerabdrücke identifizieren ließen und SUSI die Arbeit daran noch nicht einmal ganz abgeschlossen hatte, als SEALS auch schon den Stallburschen Bert Taubenklein zum Verhör ins Wachhaus brachte, musste man dem Rekruten ja nicht unbedingt unter die Nase reiben. Von da an war es aber auch wirklich leicht gewesen: Eine Quittung von Hobsons Mietstall in der Tasche, kein Alibi für die Nacht des Verbrechens ... eigentlich war die Farbe an seinen Fingern noch nicht einmal ganz trocken gewesen. Momentan schrubbten ein paar Wächter im Stall des Wachhauses das Schwarz aus Schnapsdrossels Fell, allerdings war Herr Gerstig noch nicht informiert worden - warum also das Ganze nicht noch einmal zu Demonstrationszwecken verwenden?
Fynn zuckte leicht mit den Schultern, bei "lächerlich geringe Summe" war sein ohnehin nur marginal vorhandenes Interesse noch weiter geschwunden.
"Vielleicht sollten wir uns erstmal ... den Tatort anschauen?", schlug er ohne Begeisterung vor.
Die beiden verdeckten Ermittler nickten - erneut unisono - und folgten dem Rekruten, der nun die Stallgasse entlang schlurfte, suchende Blicke nach links und rechts werfend. Schnapsdrossels Box lag ganz am Ende des Stalls ... und war wahrscheinlich von SUSI schon aufgeräumt worden. Der Tatort dürfte also in etwa noch so spektakulär sein, wie ein regulärer Tresendienst um Mitternacht...
"Und dann können wir versuchen, aus den Angestellten das ein oder andere herauszubekommen?" Fynn schien sich entschlossen zu haben, durch Kooperation die Angelegenheit möglichst schnell hinter sich zu bringen.
"Das ist eine Möglichkeit", bestätigte Mina, "wir könnten uns zum Beispiel zuerst den Stallburschen von vorhin vornehmen, da ..." Sie brach ab. Unter den Stallgeruch hatte sich ein anderer, weitaus unangenehmerer gemischt, der zumindest die Vampirin irritierte.
"Septimus?"
Der war allerdings schon wieder dabei mit dem Rekruten zu diskutieren.
"Aber warum ist dann eine verdeckte Ermittlung notwendig? Warum befragen wir die Leute hier nicht einfach ganz offiziell?"
"Na weil ..." Doch auch der Gnom brachte seinen Satz nicht zu Ende. Vergessen war das eigentliche Ziel dieser Unternehmung, denn nur ein paar Meter weiter sah man einen Fuß auf die Stallgasse ragen. Dort, in einer leeren Box, lag ein Mann auf dem Boden, das Gesicht nach unten, die Gliedmaßen unnatürlich verdreht ... und mit einer klaffende Wunde im Schädel.




Es ist schon ein nicht gerade unanspruchsvoller Tschob. Man sollte es vermeiden, die falschen Läute anzusprechen. Kenne dich und kenne dein Gegenüber, so einfach ist das. Doch bis dahin ist es ein langer Weg und deswegen heißt es vorallem am Anfang: Lärnen, lärnen, lärnen. Aber diese Mühe sollte man sich schon machen, denn wie haißt es so schön: Nicht für den Schreibtisch, sondern für die Straße lernen wir.
Gefreiter Reiner Rundumschlag



Es war toll, es war einfach toll! Diese gewisse ... Autorität. Und dabei war er noch nicht einmal fertig ausgebildet. Reiner schnaufte zufrieden und sah seine Zukunft in der Wache schon im hellsten Licht erstrahlen, denn wenn er bereits jetzt mit einer solchen Aufgabe betraut wurde, wer wusste schon, was dann als nächstes vor der Tür stand? Seine Wahl, Wächter bei RUM zu werden, erschien ihm mehr denn je goldrichtig. Goldrichtig ... ein schönes Wort. Der Zwerg wandte sich an seinen ehemaligen Mitrekruten Turgrim Kurzarm und grinste.
"So, jetzt zeig ich dir mal, wie das bei uns läuft. Es ist wirklich ... spannend! Kontaktleute heuern sich ja schließlich nicht von alleine an." Reiner hielt kurz inne und hob den Zeigefinger. "Auch wenn das heute kein Anwerben von A bis Z wird - die Vorarbeit habe ich schon gemacht. Betrachte es eher als ... ein praktisches Beispiel." Mit diesen Worten öffnete der Zwerg eine Tür, welche sich unter einem durch Zeit und Witterung unleserlich gewordenen Schild befand, während Turgrim nur nickte - und lächelte.[2] Dann betraten die beiden Zwerge eine dieser schäbigen Spelunken, von denen es in Ankh-Morpork eine nur schwer zu bestimmende Anzahl gibt. Kurz bevor sich die Tür wieder hinter ihnen schloss und damit sowohl Tageslicht als auch Frischluft einer Wolke aus Zigarettengeruch und Alkoholdunst weichen mussten, warf der Anwerber in Ausbildung noch einmal schnell einen Blick auf eine Ikonographie, die er in seiner tiefsten Jackentasche verstaut hatte. Es wäre schließlich mehr als peinlich, sprächen sie hier den Falschen an.
Zunächst gestaltete es sich allerdings als schwierig, überhaupt jemanden zu erkennen. Die Schänke war überfüllt und die vorwiegend menschliche Kundschaft schien nicht übermäßig begeistert, von Zwergenellenbogen zur Seite gedrängt zu werden. Erst im Bereich des Tresens, wo der Wirt Kraft seiner Autorität dafür sorgte, genug Luft zum Atmen zu haben, wurde die Sache ein wenig übersichtlicher.
"Ist das jetzt der Teil, in dem wir auch einen trinken dürfen, um das Vertrauen der Kundschaft zu gewinnen?", flüsterte Turgrim und sah einem Zecher zu, der einen zufriedenstellend großen Humpen leerte.
"Noch nicht ..." Reiner ließ den Blick auf der Suche nach einem ganz bestimmten Gesicht durch den Raum schweifen. "Zunächst müssen denjenigen finden, der ... ah ja."
Da saß er, nur zwei Plätze entfernt, und sah so aus, als wolle er sich dort in der nächsten Zeit auch nicht mehr wegbewegen.
"Der da, der kleine Dicke. Er ist der Senior-Hausmeister der Rennbahn, hat keine Familie und ist dem Alkohol, wie du siehst, nicht abgeneigt. Er könnte durchaus etwas gesehen haben, was uns weiterhilft. Außerdem mag er seinen Chef nicht sonderlich." Reiner zwinkerte verschwörerisch. "Eigentlich ideale Voraussetzungen, ihn von einer Kooperation mit der Wache zu überzeugen."
Turgrim nickte, diesmal anerkennend. Es dauerte nur wenige Momente, bis sie es geschafft hatten, sich ganz bis zu ihrem Klienten durchzukämpfen und wie durch ein Wunder wurden dort soeben zwei der Barhocker frei. Die Zwerge nahmen Platz und der Rekrut warf Reiner einen erwartungsvollen Blick zu, während dieser im Kopf noch einmal seine nächsten, geplanten Schritte rekapitulierte. Aber eigentlich sollte nichts schief gehen.
Der Anwerber in Ausbildung räusperte sich vernehmlich.
"Wirt, n'Bier!", rief er laut, dann schlug er seinem Nachbarn kollegial auf den Rücken. "Na, auch hier?"
Der Mann sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
"Kenn'ch dich?", wollte er dann mit schwere Zunge wissen.
"Ich habe dich an der Rennbahn gesehen und mir sagen lassen, du machst einen guten Tschob dort", umging Reiner die Frage.
Im Gesicht des Hausmeisters zuckte es kurz, dann griff er erneut nach seinem Humpen - was ihm allerdings erst im dritten Anlauf gelang.
"Nein. Der Gaul is wech", schniefte er dann, "das is' mir noch nie nich' untergekomm'. Hätt' besser aufpass'n müss'n."
"Aber das war doch bestimmt nicht deine Schuld", erwiderte Reiner versöhnlich.
Zunächst passierte gar nichts, doch dann warf der Mann so plötzlich seinen Oberkörper auf die Theke, dass die beiden Wächter beinahe geschlossen vom Hocker gefallen wären.
"Doch's is' meine Schu-hu-huld! Und wenn'sch jetz' mein' Tschob verlier', wenn das Viech nich' wieder auftaucht ..." Der Mann schluchzte hemmungslos und raufte sich das ohnehin nur noch spärliche graue Haar. Im Nu erregte die Szene die Aufmerksamkeit sämtlicher Umstehenden; es wurde verdächtig still.
"Ähm, Turgrim, kannst du bitte mal nach draußen gehen und nachsehen, ob die, äh ... ein Kollege wollte uns hier treffen und uns die Adresse eines weiteren potentiellen Kontakts vorbeibringen." Reiner war viel zu verdattert, um die Stimme zu einem Flüstern zu senken, aber auf ihn achtete im Moment ohnehin niemand. Der Rekrut unterdessen kam der Aufforderung nur zögerlich nach. Er schien äußerst ungern verpassen zu wollen, wie sein früherer Mitrekrut die Situation beruhigte.
Der RUM Wächter unterdessen beugte sich über den immer noch immer Schluchzenden, allerdings nur scheinbar um diesen aufzumuntern.
"Was soll denn das, Herr Gräulich, das war doch so gar nicht abgesprochen!", wisperte der Zwerg ärgerlich.
Der Angesprochenen grinste.
"Aber es war doch dramatisch, oder nicht, Herr Wächter? Also ich denke, das hat Eindruck auf den Grünschnabel gemacht."
Herr Gräulich setzte sich gespielt schwerfällig wieder auf und starrte noch solange vor sich hin, bis der Geräuschpegel um sie herum wieder ein für Kneipenverhältnisse normales Niveau angenommen hatte.
"Es war ausgemacht, dass du uns ein paar Kleinigkeiten über Taubenklein erzählst und dann auf mein großmütiges Angebot eingehst, der Wache in Zukunft als Kontakt behilflich zu sein." Reiner schnaubte, er fühlte sich um seine geplante Inszenierung gebracht. Das nächste Mal würde er einen seiner Kollegen von der verdeckten Ermittlung bei so etwas um Hilfe bitten, keinen Zivilisten!
"Weil ich hoffe, dass ihr irgendwann meinen Chef drankriegt." Gräulich tippte sich wissend an die Nase. "Das wäre schon noch gekommen, keine Angst. Aber so fand ich es spannender." Der Mann schien außerordentlich zufrieden mit seiner Darbietung zu sein.
"Als ob es darum ginge ..."
Der Hausmeister lachte, nahm einen ordentlichen Schluck Bier und bestellte Nachschub.
"Apropos Bert Taubenklein", meinte er dann in wesentlich nachdenklicherem Ton als zuvor, "Klar hat er's übertrieben ... aber soweit ich weiß, hat er irgendwo ein Mündel, für das er aufkommen muss. Ist eigentlich ein guter Kerl, der Bert."
"Was mit ihm passiert, habe ich nicht zu entscheiden, Herr Gräulich ..."
Die Menschenmenge um sie herum geriet wieder in Bewegung und Reiner konnte Turgrim erkennen, der mit ratlosem Gesicht zurückkehrte. Natürlich hatte er draußen niemanden angetroffen!
"Gut, können wir dann weitermachen wie geplant?", wollte er in barschem Tonfall wissen.
"Klar. Aber he, ich kann auch noch die Geschichte mit dem Stallgeist einbringen, die gefällt ihm bestimmt ..."
"Bitte, Herr Gräulich!"
"Na dann eben nicht", zuckte dieser mit den Schultern, bevor er wieder seine Zecher-und-Trauerkloß-Miene aufsetzte. "Solange meine Bezahlung stimmt ..."




Der verdeckte Ermittler ist auch nur eine Art sehr spezieller Ermittler - eine Umschulung sollte einfach sein - allerdings kann die Geheimniskremerei zum Problem werden. Einem normaler Ermittler bleiben zwar manche Wege verschlossen, die direktere Vorgähensweise sollte die Arbeit allerdings erleichtern - ernsthafter darüber nachdenken, Einzelhaiten klären, Hospititation in Erwägung ziehen, bei wem? Beiden kommt eine wichtige Rolle innerhalb der Abteilung zu - Autorität bei offitziellem Auftreten für BAUM nutzen? - und man kann sich sicher sein, nicht als Schraibtischtäter in einem Büro zu verstauben - eigentlich Bedarf an mehr Verdeckten? - Text überdenken...
Lance-Korporal Septimus Ebel



All dieser herrliche Mist! Mineralstofftechnisch sehr wertvoll! Eigentlich war es schwer vorstellbar, dass die Leute so etwas auf großen Haufen stapelten, nur um es verrotten zu lassen. Und der Geruch ließ sich leicht vergessen, wenn man ihn gegen den Nutzen aufwog. Aber abgesehen von ihr schien niemand das wirklich zu schätzen zu wissen. Lilli Baum war heute ohne Rekrut unterwegs und daher zur Unterstützung der Ermittlungsgruppe um Korporal Kolumbini abgeordnet worden, die das vielköpfige Stallpersonal befragen sollte, das erst nach und nach am Tatort eingetrudelt war. Allerdings war der Großteil der Arbeit mittlerweile schon erledigt und so hatte sie genug Zeit, ihren Plan ein weiteres Mal einmal im Kopf durchzugehen. Sie hatte sich noch etwas ganz besonderes für die Rekruten ausgedacht, wusste allerdings nicht, wann sie die Gelegenheit zur Durchführung erhalten würde...
Nur ein paar Schritte weiter befragte Kolumbini gerade noch Theo Klack, einen jungen Mann mit kupferroten Haaren, der sich immer wieder nervös am Ohr kratzte. Daneben stand ein Rekrut mit missmutigem Gesicht namens Ragnar Feuerbart und - machte Notizen. Natürlich.
"Hatte Herr Gerstig irgendwelche Feinde?"
Der Ermittler nickte in Richtung des Toten, welcher gerade von Chief-Korporal Magane für den Abtransport in die Pathologie vorbereitet wurde.
Der Kopf des Stallburschen ruckte kurz, allerdings schien er es dann doch nicht zu wagen, zu der Leiche hinüber zu schauen.
"Ich weiß nicht, ich kannte ihn nicht gut", stammelte er schließlich, "vielleicht ein Verwandter, ein Konkurrent oder die Wett-Muffia ... der Pferdesport ist ein hartes Geschäft ... sagt man. Ich kehre hier nur, wissen Sie. Ich brauch das Geld." Der Junge biss sich auf die Unterlippe. "Ich war's ganz bestimmt nicht", beteuerte er dann hastig.
Fred brummte etwas vor sich hin, das verdächtig nach "das sagen sie alle" klang, fuhr dann aber in normaler Lautstärke fort: "Kommt es hier denn öfter vor, das ein Pferd gestohlen wird?"
"Soweit ich weiß nicht." Der Rothaarige zuckte mit den Schultern. "Gerade Herr Gerstig hatte seine Pferde wohl auch schon sehr lange hier stehen und es ist nie etwas passiert."
"Pferde?"
Theo nickte eifrig, das Gespräch bewegte sich nun wieder auf einer Ebene, die ihm halbwegs vertraut war.
"Er unterhält drei: Schnapsdrossel, Gärung und Fusel."
Der RUM Ermittler hob fragend eine Augenbraue.
"Gärung und ...?"
"Ich habe gehört, dass Herr Gerstig Inhaber einer Brauerei war", erwiderte Theo langsam. Allerdings schien er mit seinen Gedanken nun ganz woanders zu sein. "Jetzt, wo Sie fragen ... Herr Gerstig ist in der Box ganz hinten rechts gefunden worden?"
Kolumbini bejahte.
"Dort steht normalerweise Fusel. Doch ich sehe gerade ... jemand muss ihn umgestellt haben, keine Ahnung wieso." Der Stallbursche wies mit dem Daumen auf ein matschbraunes Pferd in einem Verschlag schräg gegenüber des Eingangs. Anders als an den anderen Boxen war dort jedoch kein Schild angebracht, welches auf Namen und Besitzer des Tieres hinwies. "Muss mal den Chef fragen ..."
Lilli wandte sich von dem Geschehen ab, das Gespräch schien sich ohnehin dem Ende zuzuneigen. Horatius' Kasten unter dem Arm spazierte sie die Stallgasse entlang, hier und da eine Pferdenase kraulend, neugierig umherblickend ... bis sie das Knarren hörte. Lilli hielt inne. Das war kein normales Stallgeräusch gewesen, es war vielmehr von irgendwo über ihrem Kopf gekommen. Vielleicht Ratten oder Mäuse, die sollte es in Ställen ja häufiger geben ... da war es schon wieder! Also wenn das Ratten waren, dann hatten sie sehr schwere Stiefel an. Ihnen würde doch wohl keiner bei der Befragung entgangen sein? Oder am Ende gar versuchen, sich dieser zu entziehen? Das einmal zu überprüfen konnte auf jeden Fall nicht schaden. Der Korporal musste gar nicht lange suchen, da entdeckte sie in einer Nische eine enge Treppe, welche auf den Dachboden über dem Stall führen musste. Lilli reckte den Kopf nach oben - die Luke schien nicht verriegelt. Also los! Lilli stellte den Kasten ihres S.P.R.E.C.H.-Dämons auf den Boden, sie würde jetzt zwei freie Hände brauchen. Dann begann die verdeckte Ermittlerin vorsichtig die schmalen Holzstufen nach oben zu erklimmen.


Na, dann mach mal! Klar. Kaum hatte die Sache begonnen, spannend zu werden, da war er gerade noch gut genug gewesen, das Wachhaus zu informieren - und mittlerweile schien man ihn schlichtweg vergessen zu haben. Fynn trat ein paar Strohhalme zur Seite und schimpfte leise vor sich hin. Natürlich hatte er heute morgen wenig Lust auf diese Sache gehabt, aber so? Es konnte doch nicht ernsthaft erwartet werden, dass er sich still und leise in irgendeine Ecke setzte! Die schienen wirklich nicht oft mit Neuzugängen zu tun zu haben.
Mittlerweile befand sich der Rekrut in einem Teil des Stallkomplexes, der anscheinend der Aufbewahrung aller möglicher Gerätschaften und Ausrüstung des Pferdebesitzers von heute diente: Es standen diverse Kisten herum und unzählige Türen führten zu Abstell- und Lagerräumen. Das war zugegebenermaßen auch nicht gerade spannend, aber so entging er dem Trubel weiter vorn, in dem er anscheinend ohnehin fehl am Platz war. Dabei hätte er es doch ganz gern einmal probiert, so eine Befragung ... vielleicht hätte er ja sogar den entscheidenden Hinweis bekommen, der den Fall löste...
Direkt vor ihm öffnete sich eine der Türen und ein drahtiger, hochgewachsener Mann mit kurzem schwarzem Haar trat in die Stallgasse. Für einen kurzen Moment zeichnete sich Erstaunen auf seinem Gesicht ab, als er Fynn gewahr wurde.
"Suchst du etwas bestimmtes?", wollte er dann unfreundlich wissen. Arbeitsstiefel und -kleidung wiesen ihn als Stallmitarbeiter aus. Hatte er vielleicht noch gar nicht mitbekommen, was weiter vorn vor sich ging? Diese Überlegung hielt Fynn davon ab, gleich mit einem "nein" zu antworten und weiterzugehen. Mach mal? Na, das konnten sie haben!
"Allerdings, Stadtwache Ankh-Morpork", erwiderte er daher und fahndete in den Taschen seiner grünen Jacke nach Papier und Stift - erfolgreich.
"Wache, hä? Ist der Gaul vom Gerstig immer noch nicht wieder da?"
"Nein und darum bin ich hier. Ihr Name?"
"Halgar Turfig."
"Wann sind Sie heute morgen in den Stall gekommen und wann sind Sie gestern Abend gegangen?"
Das pockennarbige Gesicht des Mannes verzog sich misstrauisch.
"Ich bin morgens der Erste und abends der Letzte, aber ich weiß wirklich nicht, warum ..."
"Reine Routinefragen", erwiderte der Rekrut und war stolz, dass ihm diese Floskel auf Anhieb eingefallen war. "Es haben sich heute morgen ... neue Umstände ergeben."
"Aha." Turfig blickte finster. "Laufen hier noch mehr von euch rum?"
Fynn überging den Einwand und wies auf die Tür, durch die der Mann gerade gekommen war.
"Darf ich mal?" Er wartete die Antwort gar nicht erst ab und Turfig schien viel zu überrascht zu sein, um ihn aufzuhalten; auf jeden Fall trat Fynn ungehindert in den Raum und sah sich einer Vielzahl von Sätteln gegenüber, die in mehreren Reihen übereinander auf Gestellen an der Wand hingen. Daneben befand sich lediglich noch ein Regal mit Satteltaschen. Es sah nicht so aus, als gäbe es hier etwas, womit man jemandem eine derartige Wunde zufügen konnte, wie er sie vorhin bei dem armen Kerl im Stall gesehen hatte ... aber trotzdem wollte er es sich nachher nicht nachsagen lassen, er habe sich nicht gründlich genug umgesehen! Fynn ging in aller Ruhe eine Runde durch die Kammer und ließ sich eine Menge Zeit, alles genau zu begutachten. Turfig hingegen schien kurz vor der Explosion zu stehen.
"Hör zu, ich weiß nicht, wer du bist, aber wenn du nicht auf der Stelle hier verschwindest, dann ..."
"Nicht so eilig, ich mache hier auch nur meine Arbeit", erwiderte Fynn, "und es könnte ja durchaus sein, dass ich etwas Wichtiges finde, wenn ..." Er trat an das Regal heran und griff wahllos in eine der Satteltaschen, die sich nur darin von den anderen unterschied, dass sie ein klein wenig offen stand, "... ich mal ganz genau ...", seine Finger ertasteten etwas längliches, dünnes und beförderten es ans Tageslicht, "... nachsehe." Fynn öffnete die Hand, besah sich den Gegenstand einen Moment und musste sich eingestehen, dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte: Es handelte sich um eine leere Spritze ohne Kanüle. Der Rekrut hörte ein Klicken und hob gerade noch rechtzeitig genug den Blick, um zu sehen, wie Halgar Turfig die Tür zur Kammer von innen verriegelte. Fynns Augen wurden groß, als sich in seinem Kopf ein paar unzusammenhängende, aber dennoch ausreichende Anhaltspunkte zusammensetzten.
"Oh ..."




Man trift natüerlich auf eine Mänge Läute ... und es ist nicht ausgeschlossän, dass man aine gewise Sümpatie für die entwikelt, die die aigene wahre Iddentität nicht ainmal erahnen könnnen. Die Balangs zu halten, zwichen Proffesssionalietät und Ainfülungsfermögen, ist hirbei sähr wichtich...
Korporal Lilli Baum



Es war düster auf dem Dachboden ... obwohl der Begriff 'Heuboden' wohl einen sehr viel deutlicheren Eindruck der Szenerie vermittelt, welche sich der verdeckten Ermittlerin bot: Übereinander gestapelt lagerten hier mühsam zusammengezurrte Ballen aus getrocknetem Gras und hier und da rostete eine alte Mistgabel vor sich hin. Gelegentlich verirrte sich ein dünner Sonnenstrahl durch eine Ritze im Dach und malte einen hellen Streifen auf den staubigen Fußboden - mehr Licht gab es hier oben nicht.
Vorsichtig lugte Lilli um einen der Heutürme ... nur um sich dem Nächsten gegenüber zu sehen ... und wieder dem Nächsten. Obwohl sie die ganze Zeit nichts anderes hörte, als ihre eigenen Schritte und das leise Knacken und Rascheln, wenn sie auf ein größeres Büschel Heu trat, war sie sich sicher, sich vorhin nicht getäuscht zu haben. Wenn es keinen anderen Ausgang gab, musste er oder sie noch hier sein ... hatte sie für den Notfall eigentlich eine Waffe dabei? Lilli ertastete ein kleines Messer in ihrer Tasche und zuckte mit den Schultern. Nun, das würde reichen müssen.
Irgendwann hörte sie von unten deutliche Stimmen[3]; sie musste wohl in etwa die Stelle erreicht haben, an der sie ihren Kollegen Kolumbini vorhin zurückgelassen hatte.
"Das sollten jetzt alle gewesen sein."
Der Ermittler klang gereizt, anscheinend hatte sich die Befragung des Theo Klack doch noch etwas in die Länge gezogen - aus seiner Sicht wahrscheinlich auch noch unnötiger Weise.
"Der Stallmeister Turfig war nicht in seinem Büro, allerdings konnte uns auch keiner sagen, wo er sich zur Zeit aufhält."
"Wir haben aber eine Notiz hinterlassen, dass er sich schnellstmöglich am Pseudopolisplatz melden soll."
Mina und Septimus - dem Klang der Stimmen zufolge kamen sie aus der entgegengesetzten Richtung.
"Haben wir schon etwas, das als Tatwaffe in Frage kommt?"
"Ja, aber zu viel. Hier liegt eine Menge herum, womit man jemanden erschlagen könnte."
"Es wäre hilfreich, wenn SUSI uns sagen könnte, was genau wir suchen."
"Immer mit der Ruhe, Gerstig ist doch schon so gut wie in der Pathologie", Magane klang beleidigt, "aber zaubern können wir auch nicht ... Rekrut Feuerbart, geh von dem Tatort weg! Das Absperrband gilt auch für dich!"
Der Zwerg brummte irgendeine unverständliche Antwort, aus der man nur mit viel gutem Willen noch ein "Ja, Mä'äm" heraushören konnte.
Dann herrschte kurz Stille, bevor Mina sich erneut zu Wort meldete: "Wo ist eigentlich Fynn?"
Lilli seufzte innerlich und setzt ihren Weg über den Köpfen der Anderen fort. Verschwundene Rekruten waren momentan wirklich nicht ihr Problem, zumal es recht wahrscheinlich war, dass der junge Wächter sich einfach nur still und leise verdrückt hatte, als er hier nicht mehr gebraucht wurde.
Der Korporal musste schon fast am anderen Ende des Stalls angekommen sein, als sie schließlich in den Schatten vor sich eine Bewegung wahrzunehmen glaubte. Noch langsamer und bedächtiger als vorher setzte Lilli nun einen Schritt nach dem anderen, um so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Und tatsächlich: Strategisch recht günstig in der Nähe eines Lichtstrahls hockte eine eher schmächtige Gestalt auf dem Boden und starrte aufmerksam nach unten, auch wenn sich Lilli nicht vorstellen konnte, was es dort interessantes zu sehen gab ... abgesehen von einer sehr interessanten Holzmaserung vielleicht. Schon von ihrem momentanen Beobachtungspunkt aus konnte sie erkennen, dass es sich um einen Jungen von wahrscheinlich nicht mehr als zwölf Jahren handelte, bestimmt irgendeinen Burschen aus dem Stall. Damit würde sie schon fertig werden. Die verdeckte Ermittlerin räusperte sich und der Junge blickte auf, allerdings schien er nicht übermäßig schockiert, die Wächterin zu sehen. Vielmehr legte er den Finger an die Lippen und wandte den Blick dann wieder ab. Sein kurzes, straßenköterblondes Haar stand in alle Richtungen ab und sein Gesicht schien heute noch kein Wasser gesehen zu haben, was im Prinzip aber bei allen hier Beschäftigten der Fall gewesen war, die Lilli heute schon im Stall gesehen hatte. Dennoch ärgerte den Korporal die so offenkundige Nichtbeachtung ihrer Person. Vielleicht wusste der Kleine gar nicht, mit wem er es hier zu tun hatte? Lilli holte ihre Dienstmarke hervor, trat ganz an den Jungen heran und räusperte sich erneut. Dieser sah widerwillig in ihre Richtung, dann verharrte sein Blick auf dem glänzenden Stück Metall in der Hand der Wächterin ... und war voller Verwunderung und Unverständnis. Lilli verdrehte die Augen, bereute kurz Horatius nicht dabei zu haben, und deutete auf ihr Gegenüber. Dieser zögerte nur kurz und malte dann mit dem Finger zwei Ziffern in den Staub des Fußbodens neben sich: 25. Die verdeckte Ermittlerin schnaubte; das Alter des Jungen war momentan wirklich zweitrangig und 25 Jahre kaufte sie ihm ohnehin nicht ab. Mit etwas Mühe schrieb sie nun ihren eigenen Namen auf den Boden, wies auf sich und dann nachdrücklich auf den Blondhaarigen. Dieser runzelte nur die Stirn, zuckte dann mit den Schultern und schrieb erneut: 25. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Stelle zu, die er schon die ganze Zeit über beobachtet hatte. Jetzt erst bemerkte Lilli, dass dieser seltsame Kerl bei weitem nicht nur den Fußboden inspiziert hatte: Auch an dieser Stelle befand sich eine Lücke zwischen den Brettern und seine Aufmerksamkeit galt zweifelsohne den Vorgängen eine Etage tiefer, wo jemand genau in diesem Moment zu sprechen begann.




Püschologie? Wenn ich genau weiß, was du denkst, was du als nächstes tun wirst und welche Traumata deiner Kindheit dir noch heute den Schlaf rauben. Wenn ich auch das letzte Geheimnis aus dir herausquetschen kann ... und dich dann mit einem einzigen Satz in Tränen ausbrechen lasse. DAS ist Püschologie.
Korporal Jack Narrator



"Also dann, du warst es, noch Fragen?"
"Was? Nein, also ... wie denn? Ich war doch die ganze Zeit hier!"
"Schon einmal was von Auftragsmord gehört?"
"Ich hatte doch gar keine Möglichkeit ..."
"Wenn er nicht zahlen will, legt man ihn einfach um, wie?"
"Aber ..."
"Eine Quittung haben wir nicht gefunden, wusstest du das?"
"Aber ..."
"Ein 'aber' hilft dir nicht viel, am besten du gestehst die Sache einfach. Erspart mir und dir viel Arbeit."
Der Angesprochene klappte den Mund wieder zu. Er wusste, irgendwo in seinem Kopf versteckte sich das letzte geniale Argument, welches ihn von allen Vorwürfen freisprechen würde. Nur leider versteckte es sich außerordentlich gut. Wenn doch dieses grelle Licht nicht wäre... Irgendwo dahinter verbargen sich noch weitere Personen, er hörte ab und an ihre flüsternden Stimmen. Doch sie würden ihm wohl kaum helfen. Er sah wieder in das grinsende Gesicht des ihn Befragenden und schluckte, schauderte vor den Dingen, die noch auf ihn zukommen würden.
"Also?"
"Ich ... schön, ich habe das Pferd geklaut und den Brief geschrieben, aber ich habe den, äh ..." Wie hieß er noch? Sein Blick huschte kurz zu dem Zettel vor ihm. "... Gerstig nicht auf dem Gewissen, ehrlich nicht."
"Wer denn sonst?"
"Na, ich nicht!"
Das Grinsen wurde breiter und kam näher.
"Das glaube ich dir nicht."
Es gab keinen Ausweg, nichts, wie er sich aus der Situation noch hätte herauswinden können. Und dieses Grinsen war einfach nur unheimlich...
"Schon gut, schon gut, ich geb auf!" Er hob schicksalsergeben die Hände, seine Finger zitterten leicht. "Ich gestehe alles!"
Zufrieden löschte Jack Narrator die Verhörlampe und lehnte sich zurück, während im Hintergrund anerkennendes Gemurmel ertönte.
"Ja, so macht man das!" Der Püschologe sah in die Runde. "Möchte noch jemand?", grinste er gehässig.
Das Murmeln verstummte schlagartig. Rekrut Aaron Sorgenvoll nutzte die Gelegenheit mit seinem Stuhl etwas außer Reichweite des Korporals zu rücken. Auch wenn das alles nur gestellt gewesen war, hatte es die Sache nicht weniger beängstigend gemacht. Er konnte nur hoffen, nie wirklich in solch eine Situation zu geraten.
"War er es nun oder nicht?", warf schließlich Weon Creyente zaghaft ein.
Jack tippte auf die Akte vor sich.
"Genau das finde ich heraus, wenn ich jetzt genau das selbe wie eben nocheinmal mit Bert Taubenklein mache." Er erhob sich und verließ den Raum gen Nebenzimmer. Nicht ohne Befriedigung stellte er fest, dass niemand das Bedürfnis zu haben schien, ihm in den zweiten Verhörraum zu folgen.
Bert Taubenklein war ein Bild des Elends; er zuckte heftig zusammen, als die Tür ins Schloss fiel. Das würde ein reiner Spaziergang werden! Jack lies schwungvoll seine Unterlagen auf den Tisch vor dem Verdächtigen fallen und zog sich dann einen Stuhl heran.
"Nun?", brummte er bedrohlich.
Taubenklein schniefte und sah auf.
"Ich habe es doch nur für ihn gemacht", meinte er leise, "ich verdien eh nicht gut ... und er brauchte doch so dringend neue Sachen für den nächsten Winter ..."


"Ich verliere alles, wenn ich nichts tue! Es lief wunderbar, bis dieser Gaul verschwand und ihr begonnen habt, hier herumzuschnüffeln! Aber da kann man nichts machen, nein, kann man nicht." Ein Mann hatte begonnen im Raum unter ihnen auf und ab zu gehen. Von ihrer Position aus konnte Lilli allerdings nur sein kohlschwarzes kurzes Haar erkennen ... und dass er mit einem beunruhigend wirkenden Messer herumfuchtelte. In einer Ecke des Raumes befand sich noch eine andere Gestalt, die Lilli allerdings auch nur erkannte, weil sie sich erinnerte, die Person bei ihrer Ankunft im Stall kurz in Gesellschaft ihrer Kollegen gesehen zu haben - und der Rest ergab sich somit von selbst. Man konnte zur Ehrenrettung des Rekruten also zumindest sagen, dass er sich eben nicht wie zunächst angenommen einfach so aus dem Staub gemacht hatte. Allerdings schien es so, als würde sich Fynn momentan genau das wünschen. Konzentriert beobachtete er sein Gegenüber, als suche er nach einem Ausweg, doch war er sich wohl einfach nicht sicher, ob er es schaffen würde an dem Mann vorbei zu kommen - geschweige denn es mit ihm aufzunehmen.
"Äh, Herr Turfig ...", wagte er daher einen verbalen Versuch, sah sich aber sofort einer zitternden Messerspitze gegenüber.
"Kein Mucks, klar? Und wenn du es wagst zu rufen oder zu schreien, dann war's das!"
Fynn nickte langsam, das Messer war so nah, dass er es nur knapp schaffte, seine Nase vor einem schmerzhaften Kontakt mit der Klinge zu bewahren. Es war nicht abzusehen, in welche Richtung sich die Situation entwickeln würde ... oder besser: Wie viel Zeit noch blieb, um einen unschönen Ausgang zu verhindern.
Lilli stieß ihr Gegenüber an und kritzelte eilig in den Staub: Gärstig?
Fünfundzwanzig überlegte einen Moment, bewegte lautlos die Lippen, doch dann schien ihm die Bedeutung des Wortes klar zu werden: Er strich das 'ä' durch, malte ein 'e' darüber und schüttelte dann entschieden den Kopf.
Unterdessen schien Turfig sich langsam zu einer Entscheidung durchzuringen, er zog etwas silbern glänzendes aus der Hosentasche und nahm einen großen Schluck.
"Hilft ja nichts", murmelte er, "ich lass mir nicht alles verderben von so einem ... Wächter." Er umklammerte das Messer fester und trat einen Schritt vor.
Der Junge neben Lilli wurde auf einmal sehr hektisch, sah sich um, spähte hinunter und fuchtelte wild mit den Händen. Eine ziemlich universelle Geste; das Einzige was der Korporal dabei nicht nachvollziehen konnte, war diese übermäßige Aufregung. Natürlich musste man etwas tun, aber in der Eile war es doch viel wahrscheinlicher, etwas zu übersehen - wie zum Beispiel die feinen Linien auf dem Boden und die Scharniere im Schatten, fast vollkommen verdeckt von Heu und Staub. Vielleicht eine Art Klappe? Lillis Finger ertasteten einen Ring, doch bevor sie ziehen konnte, hatte Fünfundzwanzig seine Hände darüber gelegt und schüttelte vehement mit dem Kopf. Ärgerlich schob Lilli ihn beiseite, erhob sich und griff nach einer rostigen Mistgabel, welche mit anderen in einem Gestell nur wenige Schritte entfernt stand. Dann wies sie grimmig auf die Bodenklappe. Turfig stand genau darunter und wenn sie jetzt nichts unternahmen... Fünfundzwanzig schien zu dem gleichen Ergebnis gekommen zu sein, seine Miene war noch immer unentschlossen, aber zumindest begann er nun seinerseits an dem Ring zu zerren. Doch erst mit gemeinsamer Kraftanstrengung gelang es ihnen, die Luke zu bewegen. Die Scharniere gaben ein lautes gequältes Quietschen von sich und Turfig sah irritiert nach oben. Entweder man hatte sie von vornherein schlampig eingebaut, sie nicht gewartet oder veraltetes Baumaterial verwendet - auf jeden Fall war die Luke noch nicht einmal zur Hälfte geöffnet, als die Halterungen die Belastung nicht mehr aushielten. Ein Krachen, ein erschrockener Aufschrei und dann polterte die schwere Holzfläche nach unten, wo Turfig keine Gelegenheit mehr hatte, auszuweichen. Der Mann taumelte noch ein Stück, dann ließ er das Messer fallen und sank ohnmächtig zu Boden. Fünfundzwanzig pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte wissend.
"Ich habe mir fast gedacht, dass das passiert", meinte er. "Armer Herr Turfig." Dann sah er Lilli an und grinste. "Jetzt können wir reden."
Die verdeckte Ermittlerin zog die Augenbrauen nach oben. Jetzt hatte er also auf eimal seine Sprache wiedergefunden?
In diesem Moment rührte sich etwas im Raum unter ihnen: Fynn kam aus seiner Ecke und schielte vorsichtig nach oben.
"Hallooo?"
Lilli winkte ihm zu, bedeutete ihm allerdings noch einen Moment zu warten, was der Rekrut mit einem missgelaunten "Klar, ich hab ja auch Zeit" quittierte.
Dann warf sie erneut einen strengen Blick auf Fünfundzwanzig und wies auf ihr nun korrigiertes 'Gerstig?'. Nun, da die unmittelbare Gefahrensituation bewältigt war, konnte man sich wieder der Routine zuwenden: Eine letzte Befragung stand ja immer noch aus und da der Junge ja offensichtlich schon die ganze Zeit hier herumgeschlichen war, konnte er ihr nicht erzählen, gar nichts gesehen zu haben.
Fünfundzwanzig seufzte.
"Ja, das mit Herrn Gerstig war traurig", nickte er, "Der war letzte Nacht noch bei Fusel. Ich weiß nicht, aber er hat ihm wohl wehgetan." Der Junge zuckte mit den Schultern. "Es war wirklich traurig. Aber ich habe wenigstens das Pferd woanders hingestellt. War sicher besser. Den Anblick brauchte es ja nun nicht die ganze Nacht ertragen."




In der Verschiedenheit ihrer Mitglieder liegt im Grunde auch eine der großen Stärken der Abteilung, sich schnell und kompetent um die unterschiedlichsten Probleme kümmern zu können - auch wenn wir nicht immerzu damit beschäftigt sind, die Welt zu retten. Erst die Wächter machen eine Abteilung zu dem, was sie ist, und trotz einer unleugbaren Vielzahl an Typen kann man letztlich sagen, dass RUM doch eine Gemeinschaft ist und unser Beitrag, Ankh-Morpork vielleicht wenigstens ein klein wenig besser zu machen.
Chief-Korporal Ophelia Ziegenberger



Es war irgendwie schon ... faszinierend. Natürlich war ihr nicht verborgen geblieben, dass die von der Abteilungsleitung verordnete Rekruten-Integrations-Maßnahme nicht ganz so positiv aufgenommen worden war, wie erhofft ... und zwar von beiden Seiten. Bis auf eben diese eine Ausnahme. Ophelia Ziegenberger hatte das Schauspiel nun schon eine ganze Weile beobachtet und schüttelte amüsiert den Kopf. Zumindest einer Person schien die ganze Sache wirklich Spaß zu machen.
"Und hier, meine Damen und Herren, sehen Sie nun Funduskleid Nummer 33, ein besonders mottenzerfressenes Exemplar, mit dem Sie als Bettler stets eine gute Figur machen. Verschiedene optionale Requisiten werden Ihnen im Anschluss vorgestellt."
Nur bedingt enthusiastisch wies Horatius auf Lilli, welche schon seit einer geschlagenen halben Stunde immer wieder strahlend vor ihren Zuschauern auf- und abging, jedes Mal irgendein Objekt aus dem RUM Fundus oder auch ein Kleidungsstück auf dem dazugehörigen Bügel herumschwenkend. Applaus gab es allerdings keinen. Viel eher schien den anwesenden Rekruten der Sinn nach etwas vollkommen anderem zu stehen, dem Feierabend vielleicht, einer Portion Hackbraten aus der Kantine oder wenigstens nach ein paar Streichhölzern für die Augen...
"Kommen wir nun zum nächsten Exponat, einem Karton voller Kochmützen", leierte Horatius weiter seinen Text herunter, während er auf seinem Kasten saß und gelangweilt die Beine baumeln ließ. "In jeder Größe verfügbar, auch für Trolle und Gnome ..."
Leise schloss Ophelia die Tür zum Arsenal und machte sich auf den Weg zurück in ihr Büro. Zwar hätte sie Lilli gern noch etwas zugesehen, aber der Papierkram, der oben auf sie wartete, wollte bis Dienstschluss noch bearbeitet werden. Und da gab es einiges zu tun: Die Abteilung hatte sich stillschweigend auf die Alternative geeinigt, die Präsentation von RUM doch auf den schriftlichen Weg zu verlagern, wenn auch nicht in Form des ursprünglichen Vorschlags. Es waren mehrere einzelne Zettel mit Beschreibungen, Kommentaren und sogar kurzen Anekdoten bei ihr eingegangen, die in ihrer Gesamtheit einen ganz annehmbaren Eindruck der Abteilung vermittelten. Bis zur Druckreife musste allerdings noch einiges in punkto Rechtschreibung korrigiert und manch anderes auf semantischer Ebene entwirrt werden. Romulus hatte sich dazu bereit erklärt, eine Art Grußwort zu formulieren und der Schluss ... Ophelia lächelte. Sie zumindest mochte ihren Schluss.
Es war natürlich nicht sicher, ob jemals ein Rekrut lesen würde, was morgen der wacheeigenen Druckpresse übergeben werden würde. Denn wenn sie ehrlich war, fand selbst die stellvertretende Abteilungsleiterin jene Geschichte viel spannender, die mit einer höchst interessanten schriftlichen Zeugenaussage einherging, welche Lilli zwei Tage zuvor von den Ermittlungen zum Fall Gerstig mitgebracht hatte. Dafür, dass dies alles eigentlich als Übung gedacht gewesen war, hatte das Ganze ein ziemlich unerwartetes Ende genommen:
Ein Stallmeister, der Rennen manipulierte, und damit viel Geld verdient hatte; der Strohmänner benutze, um auf ein Tier zu setzen und allen gegnerischen Pferden ein starkes Beruhigungsmittel spritzte ...
Ein Besitzer, der das erfahren hatte und auch einmal sein Glück damit versuchen wollte ... sich dabei aber mehr als ungeschickt angestellt hatte...
Das Blut an Fusels rechtem hinteren Hufeisen ...
Und die Geschichte eines kleinen Kindes, das vor Jahren von dem Stallburschen Taubenklein auf der Zuschauertribüne der Rennbahn, in Loge 25 gefunden worden war und seitdem noch nie etwas anderes von der Welt gesehen hatte und daran anscheinend auch kein Interesse hatte. Niemand hatte den Jungen dazu bewegen können, einen Fuß aus dem Areal der Rennbahn hinaus zu setzen.
Aus diesem Stoff könnte man mit etwas Geschick einen recht unterhaltsamen Klacker machen. Oder ein Buch. Rekruten lasen Romane bestimmt lieber als Berichte ... vielleicht konnte man das nutzen. Wenn man das Ganze in eine lesbare Form brachte ... sie selbst hatte ihre diesbezüglichen Ambitionen ja nie ganz aufgegeben.
Ophelia hatte mittlerweile ihr Büro erreicht; in Gedanken versunken begann sie Tee zuzubereiten, setzte sich dann an ihren Schreibtisch und rührte sinnierend in ihrer Tasse. Ja, das könnte eine Möglichkeit sein. Vielleicht würde sie sich damit beschäftigen ... wenn sie ein wenig Zeit hatte...
Es klapperte, dann sauste eine Rohrpostkapsel knapp über den Boden und krachte gegen den Schreibtisch, begleitet vom meckernden Gelächter des Rohrpostdämonen. Ophelia seufzte und bückte sich nach der Nachricht. Nun ja, irgendwann würde sie bestimmt einmal Zeit dafür finden...


[1] Was genau der Püschologe im Dienst noch so trieb war für den ein oder anderen nicht ganz durchschaubar ... und wahrscheinlich wollte man das auch gar nicht so genau wissen.

[2] Eine überall im Multiversum äußerst beliebte und universelle Methode, um sich vor einer direkten Antwort zu drücken.

[3] Man hatte sich nicht unbedingt Mühe gegeben, die Bodenbretter hier oben lückenlos zu verlegen.

Zählt als Patch-Mission für den Verdeckte Ermittlerin-Patch.



Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Romulus von Grauhaar

01.12.2010 13:53

Wie ich dir schon im finalen Feedback kurz vorm Online-Stellen geschrieben habe, hat mir die Geschichte sehr gut gefallen, sie war flüssig zu lesen, hat von der Logik her gepasst und die Vorlage war wunderbar umgesetzt. Auch die kleinen "Zitate" als Kapitelüberschriften haben mir sehr gut gefallen. Einziger kleiner Kritikpunkt wäre (wie auch schon geschrieben), dass die Lösung des eigentlichen Falls ziemlich zufällig passiert (zufälliges Auffinden der Spritze, zufälliges Finden des verschwundenen Rekruten). Allerdings fällt das nicht sehr stark ins Gewicht, da die Pokalvorlage ja gar nicht auf den eigentlichen Fall, sondern auf den Einblick der Rekruten in die Abteilungsarbeit abzielte, und somit perfekt umgesetzt wurde.

Von Huitztli Pochtli

01.12.2010 13:53

Die Geschichte war unterhaltsam und auch spannend.Ich bin mir nicht sicher, ob die Vorlage ausreichend umgesetzt wurde. Ich finde, du hättest da noch etwas ausführlicher eingehen können, der Single insgesamt tut das aber keinen Abbruch.

Von Valdimier van Varwald

01.12.2010 13:53

An sich eine sehr solide Geschichte, die die Vorlage in meinen Augen sehr schön eingefangen hat. Dafür, dass dann aber ein "richtiger" Fall geworden ist, hat es mir doch etwas an richtiger Ermittlungsarbeit gefehlt und es war für meinen Geschmack etwas zu zufällig. Dafür hast du die Abteilung schön eingefangen und vielen Wächter etwas Screentime gegeben.

Von Ophelia Ziegenberger

01.12.2010 13:53

Eine sehr schöne Single und ebenso schöne Pokey. Besonders die Aufteilung der "Kapitel" anhand der auflockernden Zitate einzelner Abteilungsmitglieder hat mir gefallen - ausgezeichnet gewähltes Stilmittel! Immer weiter so! :)

Von Braggasch Goldwart

01.12.2010 13:53

Feines Ding. :) Genauer gesagt eine schöne Übernahme realer Probleme in unsere schöne, fiktive Welt.Sehr viel schönes Charakterspiel und ein Fall, der Hand, Fuß und noch ein oder zwei andere Extremitäten hat und zudem überraschend ist.Außerdem lässt mich der Schluss hoffen, demnächst eine Zusammenfassung der Ereignisse als Artikel für die Rohrpost vorliegen zu haben. ;)

Von Boris Machtnichts

01.12.2010 13:53

Sehr guter Schreibstil und ansprechende Dialoge. Besonders der erste Teil gibt einen guten Einblick in die Problematik der Mangelbesetzung in RUM.

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung