Joan

Bisher hat keiner bewertet.

von Hauptgefreiter Thymian Pech (RUM)
Online seit 01. 04. 2005
PDF-Version

Ein Mord in einem Bordell und alles hängt an Thymian die Sache aufzuklären...

Dafür vergebene Note: 11

Musik, die so leicht war, dass sie wie Wasser über die Haut glitt und sich die Füße nur zentimeterweise vom Boden hoben. Körper, die sich so entspannt bewegten, dass das gesamte Leben locker wirkte, als berühre es sie zum Zeitpunkt des Tanzes nicht mehr. All die Last und die Schwierigkeiten der großen weiten Stadt verschwanden in den gezupften Gitarrensaiten und den gedämpften Trompetenklängen. Ein Schlagzeug war auch in den meisten Fällen dabei, aber die Stöcke schienen die Trommeln nur zu streicheln oder mit ihnen im Hintergrund der Klänge zu verschwinden. Harmonie war das Wort, was man zu gebrauchen pflegte. Stil ein weiteres.
Es hieß, es wäre aus der Musik mit Steinen entstanden und hätte sich davon abgewandelt. Vielleicht war es auch umgekehrt gewesen. Auf jeden Fall wäre es zu plump gewesen, es einfach Musik mit Schwingungen drin zu nennen, nein, man gebrauchte einen Namen, der so leicht über die Lippen ging wie ein gehauchter Kuss, wie der rauchige samtige Gesang der Sänger.
Joan.
In Erinnerung an die großartige erbärmliche Sängerin Joan. Für ganze fünf Tage war sie seine Frau.

***



Thymian drückte sich in die schmierige Ecke, mit einem Bein stand er im Abfall, aber so wurde er wenigstens nicht gesehen. Er wartete, die Luft war schlecht und roch nach Essen. Ihm begann schon jetzt schlecht zu werden. Ein leichter Dunst lag sichtbar über dem kleinen Hinterhof. Geduldig starrte er auf die Türe bis sie sich schließlich öffnete und Viola mit einem Eimer voller Abfällen nach draußen trat. Sie kippte den Inhalt mit Schwung in die Gosse und griff dann in ihre Schürzentasche, kurz darauf hatte sie den entzündeten Glimmstängel bereits im Mund. Es konnte gründlich schief gehen, aber Thymian musste endlich herausfinden, wie sie zu ihm stand. Entschlossen trat er aus der Ecke hervor.
"Viola..."
Die junge Frau drehte sich langsam um, zuerst nicht überrascht, doch als sie die Uniform sah, griff sie rasch nach dem Eimer und wollte wieder hineingehen, aber Thymian trat mit schnellen Schritten auf sie zu.
"Viola, warte..." Das Mädchen war jedoch schon in die Küche geschlüpft und wollte gerade die Türe schließen, der Wächter sprang schnell dazwischen und kassierte dafür blaue Flecken, als die Holztüre schmerzhaft gegen ihn stieß. "Lass uns nur reden, okay?" Thymian sah keuchend in das verschlossene Gesicht des Mädchens, das die Lippen aufeinander gepresst hatte. Hellblonde lange Haarsträhnen fielen ihr wirr und leicht in sich gekringelt ins Gesicht, das etwas zu rundlich war, aber einen rosigen Teint besaß. Einzelne Sommersprossen reihten sich um ihre kleine Nase.
"Viola... ich.. wollte dich nicht anlügen." Er strich sich durch seine eigenen blonden ungeordneten Haare und konnte nicht verhindern, dass er rot wurde. "Ich brauchte doch deine Hilfe. Ich wußte nicht, was du sagen würdest, wenn du erfährst, dass ich... äh.."
"Ich komm klar, okay?", raunte sie und versuchte die Tür weiter zu schließen, obwohl der Fuß des Anwerbers noch dazwischen steckte, "bin gewohnt, dass mich Kerle anlügen. Also, kannst gehen, ich versteh, warum du das gemacht hast."
"Wirklich? Weißt du, niemand versteht so recht meine Arbeit als Wächter", redete Thymian hastig weiter, als Viola seinen Fuß langsam mit ihrem nach draußen schob. "Ich will einfach nur wissen, warum du gestern im Sechs-Schwestern-Haus warst und warum du mich verraten hast."
"Konnt ja nicht wissen, dass du nen Wächter bist", brummte das Mädchen. "Außerdem hatten alle gesehen, dass ich dich erkannt hatte. Ich war einfach zu überrascht, dich dort zu treffen." Viola zog an ihrer Zigarette. Dann sah sie Thymian missbilligend an. "Und warum eigentlich fragste mich das? Haste erwartet, dass ich meine Schnauze halte?"
"Naja, ich dachte, wir wären..." Thymian sah zu Boden.
"Hey, du verfolgst mich, beobachtest mich, schmeichelst mir, lügst mich an, erpresst mich, bedrohst mich. Is das dein verdammter Job oder bist du einfach so?"
Der Anwerber hob eine Augenbraue. "Wann habe ich dir geschmeichelt?"

***


Romulus starrte die Zimtkerze auf dem Schreibtisch an, als Thymian Pech hereinkam. Der Ermittler und Werwolf war zwar seit kurzem Stellvertreter, doch so wirklich hatte er noch keinen Zugang zu einigen der RUM-Mitglieder gefunden. Sie schienen manchmal zu gehen und zu kommen wie es ihnen beliebte. Gerade bei den Anwerbern und Kontaktern musste man regelrecht von Glück sprechen, wenn man diese einmal im Wachhaus antraf. So auch Thymian.
Vor einem halben Jahr war er einfach wieder zurückgekehrt, nachdem man ein Jahr zuvor nicht einmal mehr gewusst hatte, ob er überhaupt noch existiere. Natürlich; es gab jeden Tag regelmäßig ein Kreuz auf der Anwesenheitsliste, doch den ehemaligen Narren hatte man nie im Gebäude gesehen. Rina selbst hatte gesagt, sie hätte den Anwerber zum ersten Mal gesehen, als er sie ansprach und sie fragte, wo den Humph MeckDwarf wäre und was sie in dessen Büro mache. Wo er war?
Zwerge anwerben. Ein ganzes Jahr lang. Man munkelte aber, dass er einen Nebenverdienst als Küchenjunge in Gimlets Imbiss hatte, doch der Anwerber selber hielt sich bedeckt.
Der Chief-Korporal blickte den Hauptgefreiten an, der sich seine gerötete linke Wange hielt.
"Was ist passiert?", fragte Romulus. Thymian winkte ab und begann wie beiläufig seine verrutschte Uniform zu ordnen.
"Ich.. äh, eine Anwerbung ist fehlgeschlagen...", der Hauptgefreite brach ab. Und das war das einzige, was Romulus an Informationen bekam. Er beschloss noch einmal mit Thymian über die Wichtigkeit der Berichte zu reden. Entweder verschwanden sie auf dubiose Weise ehe Romulus einen Blick drauf werfen konnte oder der Anwerber vergaß sie gleich ganz. Vielleicht sollte er Rina vorschlagen wie Robin bei DOG einen Welpenschutz einzurichten. Natürlich würde es nicht Welpenschutz heißen, aber etwas bei dem junge noch unerfahrene Wächter mit älteren Kollegen ihre Arbeit machen würde. Er wusste nicht recht warum, aber er hatte ein mulmiges Gefühl dabei, dass ein noch nicht mal zwanzigjähriger Wächter alleine in Ankh-Morpork unterwegs war, um irgendwelche Gestalten anzuwerben.
"Was machst du in unserem Büro?", unterbrach der Anwerber Romulus Gedankengänge. Dieser räusperte sich und schob die Zimtkerze weiter in die Mitte des Schreibtisches.
"Nun... du hast ja vorher die zum Büro umfunktionierte Besenkammer im Erdgeschoss gehabt, nicht wahr?" Der Chief-Korporal strich sich über sein mit Stoppeln bedecktes Kinn. Thymian nickte, blickte Romulus dabei aber nicht an. Stattdessen fand plötzlich ein Riss in seiner Uniformjacke seine Aufmerksamkeit. "Als wir wieder die Besen reingeräumt haben, sind mir dabei rote Schmierereien an allen Wänden aufgefallen, es sah aus wie ein 'R'." Romulus entging nicht wie sich der Hauptgefreite unwillkürlich an die Brust fasste. "Hast du dazu etwas zu sagen?"
Thymian nagte an seiner Unterlippe, schien nachzudenken, schüttelte aber schließlich den Kopf.
"Wir haben so viele Püschlogen bei RUM.... vielleicht gehst du mal zu einem von ihnen", erwiderte der Stellvertreter und ging zur Türe. Kurz bevor er über die Schwelle trat, warf er noch einmal Thymian und dann der Kerze einen Blick zu. "Woher ist die Kerze dort?"
Der Anwerber runzelte kurz die Stirn, sah beinahe überrascht aus ob der plötzlichen Frage. "Ich.. äh weiß nicht, von mir nicht. Vielleicht von Myra."
"Es ist nur... ein erstaunlicher Zufall. So eine Kerze habe ich vor einer Stunde erst an einem Tatort gesehen. Myra, du und ich werden uns um den Fall kümmern. Vielleicht kann sie uns etwas über die Kerze sagen. Könnte ja sein, dass die Kerze im gleichen Geschäft eingekauft wurde, wo der Mörder sie her bekommen hat." Romulus trat aus dem Büro und Thymian folgte ihm hastig.
"Warum ist die Kerze so wichtig?"
"Es mag nichts zu bedeuten haben, aber sie war im Mund des Opfers und sie war angezündet."
"Oh."

***


Je näher sie dem Opfer kamen, desto übler wurde Thymian, obwohl er noch gar nichts von der brutalen Tat sehen konnte. Doch es reichte zu wissen wer dort lag. Es roch nach Zimt.
Joan.
Die Schritte bis zum Kreideumriss waren eine einzige bleierne Qual. Er hatte das Gefühl, dass ihm noch nie im Leben so schlecht gewesen war. Nicht einmal vergleichbar mit dem Tag in der Narrengilde, wo er drei Krüge Vanillesoße hatte trinken müssen.
Ihr Körper lag wie dahin geworfen auf einem Diwan, ihr Kopf war zurücklehnt und auf die Lehne gebettet, so dass ihre langen schwarzen Haare über den Diwan bis auf den Boden reichten. Die Augen waren offen, blickten die Decke an.
In ihrem Mund steckte tatsächlich eine Kerze. Ein wenig schief und halb heruntergebrannt. Jemand hatte sie gelöscht. Rotgoldener Wachs bedeckte ihre Lippen und war über ihre schwarzen Wangen geflossen.
Die drei Wächter blieben vor der toten Frau stehen, während vor ihnen auf dem Boden Alice kniete und eine Greifzange aus ihrer Gürteltasche holte.
"Kann ich endlich die Kerze entfernen? Wir können sie sonst nicht...", fing sie an.
"Entschuldigt mich kurz", würgte Thymian hervor und stolperte durch die lange Halle bis er in einem Seitengang verschwunden war, wo er Gelegenheit hatte sich in einem Schirmständer zu erbrechen. Erst nachdem er das Gefühl hatte, das nichts mehr in seinem Magen war, was noch heraus könnte, lehnte er sich keuchend gegen die vertäfelte Wand und schloss matt die Augen.
Joan war tot.
"Was suchst du hier? Hast du nicht versprochen-", zischte eine penetrante Frauenstimme, die Thymian sofort erkannte, weswegen er sie leise unterbrach.
"Genauso wenig wie du versprochen hast, dass ihr hier nichts passiert." Er öffnete die Augen und starrte die Frau in ihrem weißen gestärkten Kostüm an. Ihre übergeschminkten Lippen verzogen sich zu einer Erwiderung, aber sie sagte nichts. Im Halbdunkeln konnte er nicht sehen, dass sie zitterte. "Ich muss zurück und meinem Vorgesetzten sagen, dass ich gestern hier war. Er wird das wissen wollen."
Der Anwerber ließ die Frau alleine in dem schmalen Gang stehen. Er wunderte sich über sich selber; dass er so ruhig geblieben war. Am liebsten wollte er nur nach Hause, die Decke über sich ziehen und weinen, aber seine Schritte führten ihn über den gebohnerten Boden zurück zu dem Diwan.
Joan war bereits fort. Thymian sah zu Myra und Romulus, die zusammen davor standen und mit Alice sprachen.
"Alles in Ordnung?", setzte die Ermittlerin an und strich sich die hellbraunen Haare nach hinten, nachdem sie sich vor einer Zigarette auf dem ansonsten blanken Holzboden gehockt hatte.
"Nein, ich ähm....", er dehnte das letzte Wort auf der Suche nach einem Weg es zu formulieren, "ich habe gestern mit dieser Frau noch gesprochen. Hier im Sechs-Schwestern-Haus."
"Also, was hast du hier gesucht und wer ist sie?" Romulus hatte sein graubraunes Halstuch über Mund und Nase gezogen, hustete darunter aber immer noch. Ehe Thymian antworten konnte, hatte sich der Ermittler umgedreht und flüchtete mit eiligen Schritten aus dem Raum.
Er war so bleich wie sich Thymian selber fühlte, als er nach draußen trat und Romulus auf den Eingangsstufen sitzen sah.
"Es ist der verdammte Zimt. Ich kann darin nicht atmen."
Der Anwerber setzte sich vorsichtig neben ihn. "Sie hieß Joan", sagte er leise, "Ich sollte hier Frauen anwerben. Du kannst Rina fragen", fügte er hastig hinzu, als Romulus eine Augenbraue hochzog. "Ich... ich bin als Gast hingegangen. Sie haben unten, d-da wo ihre Leiche lag, den Saal, wo getanzt wird. Die Frauen singen, es läuft so eine leichte Musik und alles riecht nach Zimt. Es riecht immer nach Zimt."
"Was ist mit der Kerze? Immer noch eine Erinnerungslücke?" Der Ermittler sah Thymian an, der langsam rot anlief. Natürlich war die Kerze nicht von Myra und auch nicht von Aven oder Pyronekdan. Sie war ganz allein von ihm, aber es war dem Anwerber zu peinlich gewesen, es zu sagen. Er wollte das nicht erzählen. "Es ist nicht nur ein Tanzlokal, nicht wahr? Ich meine der Name, die Frauen..."
"Ich wusste das nicht!", platzte Thymian hervor. "Ich war seit ich ein Kind bin in der Narrengilde. Dort... äh lernt man so etwas nicht. Dort sagen sie einem nicht wie das ist mit...."
Romulus winkte ab. "Ich versteh schon. Also was ist mit der Kerze?"
"Die bekommt jeder Gast. Als äh Geschenk. Ich habe einen Weg gesucht, eine der Frauen anzuwerben. Rina sagte, dort lassen viele Männer ihre Geheimnisse. Ich wusste nicht was sie damit meint, aber nun weiß ich es."

***


"Niemand will Ärger haben." Joan warf die Zigarette im hohen Bogen auf den Boden, wo der Rauch noch leicht schwelte und dann verlosch. Sie lächelte den Mann am anderen Ende des Raumes an und stützte dann die rechte Hand herausfordernd auf ihre breite Hüfte. "Wie fandest du mich heute?", fragte sie rau, nachdem der Mann weiterhin stumm geblieben war. Über ihm brannte ein gewaltiger Kronleuchter, der seinen flackernden Schatten auf den Tanzboden warf. Knapp bis vor ihre eigenen Füße.
"Deine Stimme ist wunderschön", hauchte der Mann vom anderen Ende. Sie lächelte noch breiter.
"Komm her", raunte sie, "küsse mich."
Er hatte öfters schon mal Pärchen gesehen, die auf offener Straße Hand in Hand gingen und dann und wann sich sogar küssten, wie man es nannte. Bei jedem Anblick hatte er mit rot gewordenen Wangen schnell wegsehen müssen, aber ihm war jedes Mal der Gedanke gekommen, dass hinter diesen Küssen ein Geheimnis stecken musste.
Aufgeregt kam er herüber.
Sie zog ihn hinunter auf den Diwan auf dem sie sich bereits geräkelt hatte. Sie küsste ihn, sie drückte ihre Lippen an die seinen und er spürte ihren Atem und nahm ihren Geruch war und ihre Lippen waren weich und ein bisschen feucht und er fühlte nur wie ihm heiß wurde und die Röte in sein Gesicht schoss.
Joan löste sich von ihm und sah ihn verschmitzt lächelnd an.
"Das.... war schön", brachte er endlich hervor. Seine Wangen glühten. Er spürte ihre Hand auf seinem Knie und vermeinte immer noch, dass sie ihn küssen würde. "Aber.. was machst du denn da?", fragte er, als er Joan sah, die begonnen hatte die Träger ihres Mieders nach unten zu schieben.
"Es geht noch weiter."
"Es geht noch weiter?" Er blickte Joan verdutzt an, die dabei war sich weiter auszukleiden.

***


"Okay, okay, keine Details. Ich kann es mir denken." Romulus war abrupt aufgestanden. "Wann bist du gegangen?"
Thymian schluckte. "Um vier Uhr." Er blickte zur Eingangstüre über die ein Blechschild einer Frau hing, die mit Hilfe einer Mechanik unablässig ein Bein rauf und runter bewegte. Man hörte das leise Rattern, wenn Blech an Blech vorbeischabte.
"Hast du eine Ahnung wer es sein könnte? Wer danach bei ihr gewesen sein könnte?"
"Ich weiß es nicht... ich war noch nicht oft da...." Die Stimme des Hauptgefreiten verklang.
Der Ermittler rückte sein Halstuch wieder zurecht und sah zur Straße an der nur ein paar Menschen vorbei strichen. "Keine äußere Gewalteinwendung. Ich bin gespannt woran sie gestorben ist. Du und Myra, befragt alle im Haus. Ich bin im Wachhaus und schau mal was die Obduktion so ergibt. Verdammter Zimt."
Kurz nachdem man nur noch den Rücken des Werwolfes sah, blickte Myra aus der halb geöffneten Türe. "Du solltest dir das mal ansehen", sagte sie nur und verschwand wieder nach drinnen. Aufseufzend folgte ihr der Anwerber.
Sie gingen nicht zurück zur Tanzhalle, sondern die mit Teppich ausgeschlagene Treppe hinauf in den ersten Stock wo die Zimmer der Frauen waren. Vor dem Zimmer das Thymian nur zu gut bekannt war, hielten sie. Als Myra die Tür aufstieß, fiel der Klappspaten, der der Länge nach in der Mitte des Raumes lag, sofort ins Auge. Glasscherben lagen um ihn herum verteilt. Ein kalter Morgenwind strich durch das zerborstene Fenster, das normalerweise mit Tüchern verhangen war. Thymian vermied es auf das Bett zu sehen.
"Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat, aber das ist sicher nicht die normale Einrichtung", warf die Ermittlerin ein. Thymian blickte wie versteinert auf den Spaten. Er wollte ihm ebenfalls nichts sagen, aber das eingeworfene Fenster... die Scherben... der Spaten... Joans Zimmer. Irgendetwas rumorte bei der Verbindung in seinem Magen.
"Irgendjemand muss das vermutlich durch das Fenster geworfen haben", sagte Myra und wandte sich um, "ich hole Alice, die kann-"
Und da kam Thymian die einzig mögliche Erklärung und sie lag so klar vor ihm, als hätte ihn die Lady geradewegs mit einer Inspirationspartikelschleuder getroffen.
"Der Hammerwerfer. Ihr Mann! Er muss nach mir hier gewesen sein. Er muss den Spaten hier rein geworfen haben. Sie muss ihm gesagt haben, dass ich sie angeworben habe und dass sie alles erzählen würde. Über ihn. Er muss Angst bekommen haben, er muss sie getötet haben", sprudelte aus ihm heraus. Myra runzelte die Stirn.
"Thymian, das ist doch absurd. Was redest du da? Was hat das mit dem Spaten zu tun?"
"Es war eine Warnung an sie. Er wusste ja wo ihr Zimmer lag. Wir müssen mit den anderen Mädchen reden. Sie werden es bestätigen, glaub mir." Er hastete bereits wieder raus auf den Flur und klopfte laut gegen Violas Tür. Myra folgte ihm verwirrt. Vermutlich verstand sie gar nichts mehr, aber Thymian würde ihr beizeiten alles erklären. Ihr und Romulus.

***


Als Joans Nekrolog verlesen wurde und sie alle an ihrem Grab standen, fühlte sich Thymian schuldig und die Kerze, die er gleich Joan zu Ehren anzünden würde, wog schwer in seiner Hand. Sie würden niemals verstehen was seine Arbeit als Wächter war. Nicht mal seine Kollegen würden es begreifen.
Joan hatte es gewusst. Und er.
Wenn er nur schon an ihn dachte, wollte er sich am liebsten verkriechen und die Zeit zurückdrehen. Aber was hätte er tun sollen? Eine Hand wäscht die andere. Gefallen tauschte Gefallen aus bis man wirklich fiel.
Sollte doch der Hammerwerfer der Mörder sein, es gab keine andere Erklärung. Vielleicht war er eifersüchtig auf die anderen Freier gewesen. Vielleicht war da noch mehr gewesen, was man niemals mehr herausfinden würde. Joan war tot und der Hammerwerfer tief in einem Kerker, wo er hoffentlich niemals wieder herauskommen würde.
Es war Thymians einzige Hoffnung. Der Hammerwerfer war schuldig. Sein Name hatte auf der Heiratsurkunde gestanden. Der Anwerber klammerte sich an den Gedanken. Er hatte sonst nichts anderes.

***Vor dem Nekrolog***


"Du bist dir also sicher?"
"Nicht... es ist ja nicht wirklich eine Fälschung. Eine Änderung, genau, das will ich. Es würde meine Arbeit um so vieles leichter machen."
"Aber eine solche Änderung ist teuer, wichtige wertvolle Dokumente, amtliche Dokumente. Und du siehst nicht so aus als hättest du viel Geld."
"Ich weiß. Für das wirklich wichtige ist kein Geld und ich hab ehrlich nicht einen Cent übrig, um mir das leisten zu können."
"Und trotzdem kommst du zu mir?"
"Wieviel....?"
"Junge, warum fragst du überhaupt?"
"Ja, hast schon recht. Ich hab nichts."
"Eine Hand wäscht die andere. Das Sprichwort kennst du doch oder? Ich weiß wie man Sachen fälscht, ein Name gegen den eines anderen austauschen, das willst du doch oder? Also ist es nur rechtens, wenn du etwas für mich machst, was du kannst, ich aber haben will."
"Aber ich hab doch nichts."
"Mir wird schon eine Verwendung für dich einfallen. Bist du wirklich sicher, dass du...."
"Mein Name soll nicht auf diesem Grabstein stehen!"




Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2005 11:27

Lob: Die Szenen waren in einem wundervollen Sprachstil geschrieben. Der Einstieg durch den ersten Absatz war emotionsgeladen und versprach Spannung.

Kritik: Die Hintergründe für die Tat und auch Details, wie "Warum wurde dem Leichnam eine entzündete Kerze in den Mund gesteckt?", schienen zwar der Hauptfigur offensichtlich, waren meiner Meinung nach jedoch lediglich angedeutet oder völlig im Dunkeln belassen. Ein oder zwei aufklärende Absätze hätten der, doch sehr kurzen, Geschichte vielleicht auf die Beine geholfen?

Von Robin Picardo

01.05.2005 18:13

Also irgendetwas hat nicht gepasst, stellenweise hatte ich das Gefühl:
'Das hat doch ned Tery geschrieben?!'
Ich halte dich für eine der Top 4 Schreiber in der Wache, aber dieses mal fand ich alles ned so durchdacht und mit weniger "Liebe" geschrieben, ganz so als wärst du im Stress und das Ding raus musste....
nur so konnte ich mir das erklären....
Eine andere wäre, dass du echt nicht mit der Wortbegrenzung auskommst....
LG Robs

Von Magane

01.05.2005 18:20

Lob und Kritik verkneif ich mir mal, aber ich finds gut, dass du sie doch noch onlinegestellt hast, nach unserem Gespräch in der Nacht hab ich sie natürlich sofort gelesen und bin wohl zu einem ähnlich vernichtenden Ergebnis gekommen wie du selber, aber disqualifizieren lassen musst man sich deswegen nicht.

Von Robin Picardo

01.05.2005 18:23

oh..das wußte ich ja ned...ich dachte sie wäre nur spät dran

Von Magane

01.05.2005 22:48

Nun... ja, das auch...

(*hat arge Befürchtungen in Anbetracht der Tatsache, dass heute schon der erste Mai ist*)

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung