Das Monster aus der Tiefe

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von Hauptgefreiter Rib (FROG)
Online seit 01. 06. 2004
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Der Toilettentrilogie 2. Teil

Dafür vergebene Note: 12

"Auf dieser Toilette wohnt ein Geist, der, wenn man zu lange sch***t, von unten in die **** beißt."
Jeder kennt diesen Spruch. Ein sinnloses Geschmiere an Wänden der öffentlichsten, aber auch gleichzeitig privatesten aller Orte. Doch was wäre, wenn er doch nicht sinnlos wäre?
Nebenbei wird Rib zum Gott, aber das ist nahezu belanglos für den Fall...



WARNUNG: Dieser Text kann eine Menge ethischer, ästhetischer und religiöser Gefühle verletzen, besonders letzteres. Wer sich nicht sicher ist, derbe Späße in diese Richtung für vertretbar zu halten, den bitte ich darum, diese Geschichte nicht zu lesen. Ich möchte damit niemanden verletzten.



Was Rib MacLaut aufregen könnte, war Dummheit. Nicht das Draufgängertum, das ein echter Kerl an den Tag legte, um Frauen zu beeindrucken. Da jeder männliche Kobold im Durchschnitt ein oder zwei Schwestern und sechshundert Brüder hatte war so ein Verhalten gewissermaßen eine Überlebensstrategie. Doch das, was hier veranstaltet worden war, schlug dem Troll die Zähne aus!
Der GiGa-im-Strafdienst blickte nach oben. Immer noch fiel das Licht goldgelb durch das vergitterte Fenster. Kleine Staubflocken spielten darin miteinander fangen. Der Raum hier war riesig, nicht nur für seinen Maßstab. Eine Massenzelle, geschaffen um minderschweren Kriminelle einzupferchen, damit sie bis zu ihrer Verurteilung keinen Unfug mehr anstellen konnten.
Erinnerungen hingen schwer in der Luft, Erinnerungen an gute Zeiten[1], schlechte Zeiten[2]. Ein Schmelztiegel der Empfindungen und das war definitiv nicht das einzige, was in der Luft lag. Rib hatte schon vor vielen Jahren seinen Geruchssinn verloren, dennoch war ihm klar, daß dieser Raum mit dem übelsten Mief behangen sein mußte, die er sich vorstellen konnte. Die Luft war schwer zu atmen, die Zunge fühlte sich wie belegt an. Was der Grund dafür war, daß er sich in diesem Raum befand, zum Glück allein.
Es war schon schlimm genug, mit der Zahnbürste eines Vampirs diese Erdlochwände zu schrubben, aber mußte über dem Loch dazu noch überall Schrift stehen? Was war so toll dran, überall etwas hinzuschreiben, Wörter an Wände zu pinseln, daß diese Leute überall einen Stift mitnahmen? Und wo, an welcher Stelle des Körpers, schmuggelten die Leute den Stift in die Zelle hinein?
Wörter waren etwas Heiliges, etwas Gefährliches. In seinem Clan wurden nur die Klügsten ausgewählt, die Strophen des Kampfes zu singen. Und nur ein Narr ließ sie Realität werden, eigenständig in Substanz gebannt. (Im Eimer hatte der Kobold vor kurzem einen Affen kennen gelernt, der Ribs Meinung zu teilen schien schien. Ganz nett der Kerl, besonders, wenn man bedachte, wieviel er mit einem einfachen "Ugh!" ausdrücken konnte.)
Wie dem auch sei, diese Schmierfinken jedenfalls waren Schuld daran, daß er sich hier fast zu Tode schwitzte. Putzen, auch wenn einige Personen[3] etwas anderes behaupteten, konnte Schwerstarbeit sein. Besonders, wenn der Schmutz schon älter zu sein schien Und das Alter in diesem Fall schien nur in Generationen ausdrückbar geworden zu sein. Den Dreck hier zu beseitigen und dabei in voller Ausrüstung sich zu befinden, war grausam.
Denn es gab kaum einen Beruf in der Wache, der soviel mit sich herumschleppte wie ein GiGa: Gifte, Gegengifte, Medikamente, Wurfwaffen und in Ribs Fall als Nahkampfwaffe und Lichtquelle[4] das Schwert der MacLauts, seines Clans.
Unglaublich, was das hier für Schmierereien waren: Neben den Sprüchen befand sich oft auch ein anatomisch unkorrektes Bild der einen oder anderen Person. (Manche Wächter waren ziemlich gut zu erkennen, zum Beispiel der Kommandant, auch wenn ihm die Uniform fehlte.) Hier war irgendwie jeder mit jedem am Kopulieren auf den Bildern, sogar Tiere machten dabei mit. Auffällig war die besonders häufige Darstellung von Kühen. Waren einige Leute wirklich so krank, daß sie immer wieder Kühe mit einbringen mußten?
Fragen über Fragen, die Rib beschäftigten, während er einen Spruch zum erneuten Male abwusch. Es war nicht so, daß die Schmiererei immer wieder sich selbst an die Wand schrieb (, obwohl der Kobold ihr das zutraute). Nein, ihre Zeichen waren so hundertfach hingeschrieben worden, daß der Gift- und Gasexperte sie bald auswendig konnte, auch wenn ihre Bedeutung ihm verschlossen blieb.
Und immer war darunter ein seltsames Mal, das noch mehr Rätsel aufgab. Es war in Harnstein geschrieben. Blut, daß hätte Rib noch verstanden, besonders, wenn es das Blut anderer Leute gewesen war, aber wer nahm Urinablagerungen zum Malen?
Nun, bald würde DAS keine Rolle mehr spielen. Dies war das letzte Symbol. Rib griff in seine kleine Gifttasche und holte etwas Salzsäure hervor. Vorsichtig kippte er es auf das Zeichen und verteilte es mit der mittlerweile arg mitgenommen Bürste. Die Formen wurden weich und lösten sich schließlich auf.

***

Das WESEN hatte schon lange darauf gewartet, freizukommen. Nun war es soweit, nun war ES war soweit. Und diesmal würde niemand dem ein Ende bereiten.
'Hunger. Es fressen?' zog es durch den Körper. 'Nein.'
Unnatürliche Instinkte erwachten zum Leben und vermittelten eine Botschaft: Noch war das WESEN noch nicht stark genug. Und da war jemand, der wartete. Schon lange wartete.

***

GRRRRRRUUUUUMMMMMSSS!
Eine laute Explosion hallte durch das ganz Haus und wurde von einem Grollen begleitet, das fast menschlich klang. Aus den Tiefen des Schachtes stieg eine Fontäne auf, deren Zusammensetzung der Kobold lieber nicht wissen wollte. Richtig sauber sah es hier jedenfalls nicht mehr aus.
Der GiGa rannte zur Vertiefung und blickte hinab. Die Veränderung war nicht zu übersehen. Ein quadratisches Loch hatte sich gebildet, ganz unten, am Boden. Es ragte seitlich hinein in eine Leere, die grenzenlos schien. Es schrie geradezu nach Neugier. Rib warf den Wurfanker, damit er in den Fenstergittern Halt fand und begann sich abzuseilen.
Das schwierigste Gelände zum Abseilen, das wird jeder, der einmal geklettert hat, bestätigen, ist glitschiger, nasser Untergrund. Egal wo man seine Füße hinsetzt, man hat drauf zu achten, ob das vollständige Körpergewicht mit seiner vollständigen Kraft rechtwinklig die Füße gegen die Wand drückt. Andernfalls hatte man verloren. Und diese Umgebung lud nicht gerade dazu ein, zu verlieren und mit dem Körper gegen die Wand zu pflatschen.
Möchte man meinen. Doch dem war nicht so.
Denn die Wände des Loches waren sauber. Deutlich konnte man ein Stück Mauerwerk erkennen, aus dem ein Stein hinaus gedrückt worden war. Rib gab mehr Seil, bis seine Füße den Boden berührten. [5]
Rib kniete sich hin und zog mit dem linken Zeigefinger über den Boden. Nichts, geradezu blank gescheuert. Er leckte über den Finger. Nichts!
'Mann, bin ich gut. Meisterputze!' dachte sich der GiGa. 'Wenn ich nur wüßte, wie ich das gemacht habe? Naja, vielleicht gibt es ja eine Etage tiefer die Lösung.'
Der Wächter schwang sich durch die Öffnung. Genau in diesem Moment hörte er von oben die Stimme des IA-Agenten Rascaal hörte. Sie klang irgendwie belustigt und singend: "Oooh, Veeeniii!"
'Meine Abteilungsleiterin', drang es durch Ribs Hirnschale und er zuckte zusammen, 'das wird Ärger geben. Was für ein Glück, daß ich ab morgen bei SEALS arbeite.'
Für den Kobold war es ein Grund mehr, in die Tiefe zu gehen. Vorsichtshalber schmiß er eine Ampulle in das Dunkel. Blubbernd und brodelnd hörte er, wie sich betäubendes Gas tief unter ihm verbreitete.
Er klemmte sich das Clanschwert die Zähne, ergriff sein Seil und begann noch tiefer hinabzusteigen.

***

Zwei, an seinem Namen unschwer als fast ältester Adoptivsohn zu erkennen, hütete wieder mal die höheren Nummern Drei bis Acht. Nicht, daß dies die im Normalfall nicht die Aufgabe seines älteren Bruders gewesen wäre. Aber der trieb sich wahrscheinlich mit seinen Freunden im 'Fuchsbau' herum. Mit Sicherheit hatte der mehr Spaß als Zwei, der sich nun nicht gerade seiner Lieblingsbeschäftigung näherte.
"Fünf, halt Abstand, du kennst das Spiel doch. Du willst dich doch nicht umziehen müssen! Drei, sag dem Idioten draußen an den Statuen, er soll aufhören, den Gong zu schlagen."
Vorsichtig machte Zwei die Schnur der Windel auf und trat einen Schritt zur Seite. Der Strahl verfehlte ihn nur knapp. Sieben schüttelte den Kopf und lächelte. Jeder seiner Brüder hatte das versucht, fast jedes Mal, solange ihre Windeln gewechselt wurden. Aber mit der Erfahrung lernte man.
"So nicht, Kleiner." murmelte er, während er die weiteren Schritte ausführte. "Hier noch etwas Pulver und dann noch die Schleife hier und gut ist. FERTIG! Na, war doch gar nicht so schlimm, und jetzt, wo du wieder lächeln kannst, Acht, krabbel schön weiter. Vier, was ist mit dem Typen draußen?"
Der Angesprochene befand sich gerade in seiner Trotzphase und stemmte die Hände in die Hüften: "Darum sollte sich doch Drei kümmern. Immer beschuldigst du mich. Das ist un-ge-recht!"
"Ja, ist ja gut. Dreeeeiiii! Ist der Kerl endlich mal still?"
Sechs schmiß gerade die Vase vom Tisch, weil er nun von Vier gejagt wurde und dem krabbelnden Acht auswich, während Sieben unsicher hin und her hüpfte, um Zwei zu zeigen, wie toll er das machte.
Sieben fand langsam, daß er zu alt für so etwas wurde. Dabei war er noch gar nicht ganz ausgewachsen.
Drei kletterte gerade das Seil zu dem Vogelhaus hoch, in dem sie lebten: "Der Mensch ist ein Pfaffe. Er will erst aufhören, wenn er mit Vater gesprochen hat."
"Was will er?" fragte Zwei, der Acht etwas beiseite stupste, bevor Der über ihn fallen konnte.
"Da hab' ich mich wohl verhört."
"Warum?" mischte sich Vier ein. Sieben wurde gerade von seinem nächstälteren Bruder verhauen. Es ging um irgendein Spielzeug, das er nicht teilen wollte.
"Er will ihn anbeten. Ich hab' den Hohlkopf zur Wache geschickt."
"Oh, gut." antwortete Zwei, der sich nun Sechs gegriffen hatte und sich für eine Standpauke fertig machte. Plötzlich drehte er sich um: "ER WILL WAS?"
"Wie gesagt, hab' ihn zur Wache geschickt."
Zwei rollte mit den Augen: Es gab Tage, die waren zuviel für ihn.

***

Die Schatten zogen sich nur widerwillig zurück, als Rib mit dem leuchtenden Schwert sich dem Boden näherte. Hier lag der Staub von Äonen, bemerkte der Kobold. Er befand sich in einer Art Gang, gemauert, so gut man das unter der getrockneten Schicht vergangenen Schlammes erkennen konnte.
Dies war die verschüttete Kanalisation der Stadt, erkannte MacLaut, und eigentlich wußte er gar nicht so recht, was er hier unten suchte. Er war schon einmal hier unten gewesen, damals, als die Sache mit der Eseluntergrundbahn ihn gezwungen hatte, einen Troll zu erschießen. Es gab dem GiGa das Gefühl eines Zirkelschlusses, als ob ein Kreis sich vervollständigen wollte. Denn dieser Untergrund war Schuld daran gewesen, daß er nun den Putzdienst verrichten mußte und der Putzdienst war Schuld daran, daß er nun wieder hier war.
Was also war es, was er hier finden mußte?
Rib leuchtete sorgsam den Boden ab. Karrenspuren waren hier keine zu finden, auch Eselsspuren suchte er vergeblich... es sei denn, Esel waren von Gnomenhöhe und hatten kreisrunde Füße. Rib kniete sich über die Abdrücke und drückte seinen Daumen in die Spur. Was immer das war, es war frisch, als ob ein Tier in eine Pfütze getreten und dann hastig weiter gerannt wäre. Und es begann geradewegs hier.
Aber MacLaut hatte noch nie von einem Tier gehört, das keine Zehen besaß. Von Elefanten natürlich abgesehen. Der GiGa wußte, daß diese Tiere sehr groß waren... mindestens Zwergenhöhe.
Der Kobold betrachtete den Eindruck im Schlamm genauer. Das Gewicht dieses Wesens konnte nicht viel größer als sein eigenes sein, denn die Spur war nicht sehr tief und die Abdrücke unsauber am Rand.
'Soviel zu Stelzenläufern.' dachte er. 'Jemanden von hier unten zu befreien, wäre auch auf die Methode recht mühsam gewesen.'
Rib ließ das Schwert auf dem Boden liegen und begab sich in den schattigen Randbereich des Lichts.
Es gibt Dinge, die jedes Wesen erledigen muß, obwohl kein Buch und keine Sage darüber berichtet. Vielleicht liegt es an einer gewissen Höflichkeit, die im Alltag gepflegt wird, man schaut weg, beobachtet mehr oder minder uninteressante Dinge, wie die Maserung des herausgefallenen Steines. Sie war bläulich-grün, leicht diagonal laufend und von starker Verzweigung, soweit man es sehen konnte. Sicherlich wäre eine alchimistische Analyse der darin enthaltenden Mineralien höchst interessant. Vielleicht befände sich in seinem Inneren auch die eine oder andere Versteinerung. Dieser Stein bestach insgesamt auch eine ungewöhnliche Farbgebung, sie begann in einem gelblichen Grau und endete eher bräunlich. Näher betrachtet öffnete sich die Farbpalette und läßt an Farbschattier...
"So, dann kann's ja weitergehen." sagte Rib zu sich selbst und rückte den Kilt zurecht.
Irgend etwas hatte den Stein aus seinem Verbund heraus gepreßt. Der MacLaut nahm sich nun dieses Beweisstück genauer vor. Die Lehmreste am Rand waren sauber gerissen. Nahm man die Tatsache hinzu, daß diesem Stein kein weiterer gefolgt war, stand eines fest: Es war nicht der Druck darüberliegendem Gewichtes gewesen, der dafür gesorgt hatte, daß fünf Kilogramm Fels nun ein Dasein im Dunkeln fristen mußten. Und verdammt, es war auch kein Pulver Nummer eins. Sicherheitshalber fuhr seine Zunge über den Stein. Rib nickte. Wie hätte das auch sein können, nachdem Charlotta sich immer noch weigerte, ihm die Formel zu sagen?
Der GiGa folgte den Spuren, die wider Erwarten frisch blieben. Fast so schien es, als ob das Wesen selbst die Flüssigkeit absonderte und damit die Spuren erschuf. Ein unangenehmes Gefühl überkam MacLaut, denn nicht alle Wesen hier unten sollten harmlos sein. Es gingen Geschichten herum, unangenehme Erzählungen, von degenerierten Wasserreittieren, die durch den ständigen Konsum von verirrten Krustenbrecherfröschen in die absonderlichsten Geisteszustände gebracht hätten [6] Auch vom sagenhaften Kanaligator sprach man oft.
Vorsichtig ging der Wächter Schritt für Schritt leise voran. Minuten vergingen. Geräusche wurden an sein Ohr getragen und nicht alle waren leise Echos. Leise rasselnde Geräusche deuteten die Anwesenheit von Insekten an. Plötzlich huschte ein Schatten vor ihm am Rande der Wahrnehmbarkeit entlang, die Wand aufwärts. Ein schlagendes Geräusch ertönte. Kleinere Brocken Erdreich fielen auf den Kobold herab.
'Was passiert da oben? Über mir ist doch gar nichts, mal abgesehen vom Ankh, schätze ich.' fragte sich Rib. Er dachte über das Gesagte nach. 'Abgesehen vom Ankh..."
MacLautbeine fingen wie von selbst zu rennen an.

***

Das WESEN blickte hinauf zu seinem geschlagenen Loch. Kaum etwas war von dem zähen Schlamm in die Kanalisation getropft, zu schnell war er hart geworden. ES begriff weder, warum der Fluchtweg immer noch versperrt war, noch warum nun dieses große Wesen geflohen war. ES zog die Lippen wie zu einem Lächeln zurück: "Kobold wegklettert. Dumme Seil."
Das blaue Ding hätte sicherlich eine vorzügliche Mahlzeit abgegeben, zerquetscht von dem harten Brei. Magisch angezogen nahm das WESEN nun die Richtung wieder auf. Nun, bald würde ES vor Macht nur so strotzen.

***

"So, fassen wir also zusammen. Und Sie sind also vom..." Veni schaute den Priester Engelslicht zweifelnd an. Das konnte doch wohl nur ein schlechter Scherz sein. Ob Lazia dahinter steckte? Schließlich hatte die Neue ja ihr gemeldet, daß sich ein 'komischer Kauz' vor Ribs Spind befand.
"... vom Tempel der hoffnungslosen Götter gesandt. Höret die Stimme des Propheten Friedolin, der sagt: Ich bin der Hohe und Einzige Priester des Glaubens. Wer durch mich Die Stimme Des Herrn hört, der mag errettet werden von der Hoffnungslosigkeit der Welt, die er auf sich nahm in Seiner Gnade."
"Der Prophet Friedolin? Wann hat der denn gelebt?" fragte die FROG-Leiterin und bereute es sofort.
"Oh, ich lebe immer noch. Friedolin Engelslicht, Sein Prophet."
"Und sie glauben an..."
"Rib, Einer-Unter-Vielen-Göttern und dennoch in Seiner Allmächtigkeit allumfassend. Unser Tempel hat gestern beschlossen, ihn als Gott zu akzeptieren. Preiset Die Gnade Des Ewigen Rib!"
"Prophet?"
"Bin ich nicht auserkoren, Die Stimme meines Gottes zu hören?"
Veni nickte. Sie war sich nicht sicher, ob er wirklich über den Wächter redete, der vor einer halben Stunde die Toilette gesprengt hatte. Irgendwie paßten Aussagen wie 'allmächtig' nicht ganz deckungsgleich auf den GiGa, an den sie sich erinnerte. Die Stimme des neuen Gottes erklang meistens in Sätzen wie "Es war ein Unfall" oder "Ich kann's erklären".
Engelslicht hing auch seinen Gedanken nach. Er war ziemlich nervös, seiten das Hohe Konzil festgestellt hatte, daß MacLauts Leben hoffnungslos genug war, um in den Pantheon aufgenommen zu werden: Friedolins letzter Göttlicher Auftrag - eine Schande. Der Kerl, den das Konzil vorher für den Priester ausgesucht hatte, war ein echter Mißgriff gewesen. Diesmal wollte der Seelenhirte alles richtig machen, ansonsten drohte Exkommunizierung. Für seine Eltern wäre das der Tod, zumal der Astrologe bei seiner Geburt ihm eine steile Karriere im Tempel vorausgesagt hatte. [7]
Jupp Bimsdorf, der Auserwählte, war von Sündern ausgepeitscht und an ein Stück Holz gebunden worden. Soweit war alles in Ordnung, denn das paßte toll zu dem Leitgedanken des Gotteshauses: "Lasset alle Hoffnung fahren!"
Was für ein Volltreffer, zumal auch heiliges Salbeiöl auf seinem Körper verteilt worden war! Der Glauben des jungen Engelslicht sprühte Feuer und Flamme.
Für kurze Zeit. Dann kam zu jener schicksalhaften Tag, da einer der Erwählten[7a] des neuen Gottes ihm beichtete. Julas oder so ähnlich hieß der Denunziant, vermeinte Engelslicht sich zu erinnern. Eine Art Fesselkünstler, der Tage später bei der Ausübung seiner Lust dann auch das Zeitliche segnete. Er hatte sich mit dem Hals an einen Baum gebunden und so was ging selten gut aus.
Julas berichtete nun, daß der Neue Gott gar nicht tot gewesen war. Im Gegenteil, geradezu ständig ließ sich der Kerl quicklebendig an irgendwas binden. Das ging so weit, daß Seine Vorlieben hatten ihm schon die Beinamen "Lattenjupp" und "Der Eingeölte" verschafft. Zuerst konnte Engelslicht sich darunter nichts vorstellen, schließlich pflegte man in seinem Tempel, um das Leben noch hoffnungsloser zu machen, Enthaltsamkeit. Danach war er um so wütender.
Zu guter Letzt verwechselte ein Wächter ihn auch noch mit diesem Bimsdorf. Zwei Tage hatte es gedauert, bis Engelslicht (wieder auf freiem Fuß) für die Absetzung des Lattenjupp sorgen konnte.
Wer Spaß am Leben hatte, sollte sich gefälligst als Gott einen anderen Gebetsort suchen. Wenn das Sakrale für die Priesterschaft schon ein Scheißleben bedeutete, dann konnte man das von seinem Boss auch erwarten. (Und dieser doofe Hahn, der ihn die ganze Zeit während der Beichte verhöhnt hatte, würde auch noch in der Opferschale enden, schwor sich der Priester.)
"Also, wenn ich ehrlich bin..." fing Veni an, bemüht, einiges richtig zu stellen, als Rib wie gehetzt hereinstürzte. "Ah, da bist du ja... dann laß ich euch mal allein."
Engelslicht erschauerte im Antlitz Seines Gottes. Der Kobold war schlammverkrustet, abgehetzt und stank wie eine Jauchegrube. Er schien geradezu perfekt!
Nun lag es an ihm, Seinem Unwürdigen Diener, Das Göttliche zu offenbaren...

"Also, wenn ich das richtig verstanden habe", faßte Rib einige Zeit später zusammen. "Weil es zuwenig Hoffnungslose Götter für solch eine Riesenstadt gibt, zieht ihr los und ernennt irgendwelche Normalbürger dazu, in der Hoffnung, daß sich darunter ein echter Gott befindet? Das ist krank! Sucht euch 'nen Job! Das ist ausgemachter Unfug!"
Engelslicht nickte, denn es ziemte einem Sterblichen nicht, seinem Gott zu hadern. Dennoch sah er das Problem nicht. Solch Handeln war nicht Unfug, sondern nur ziemlich hoffnungslos. Aber vielleicht konnte man aus solcher Kritik etwas machen: "Höret Die Worte Des Allmächtigen: Ihr, die ihr falschen Glaubens seid, lasset ab von solch unsäglichem Treiben und wendet euch jenen Dingen zu, die das Wesen der Gemeinen bewegt!"
Rib blickte zu ihm auf: "Hä?"
"Und Er stellte uns in Frage, auf das wir Läuterung empfangen würden dereinst." vorsichtshalber schlug der Priester den Gong, um Kritik zu unterbinden.
Die obligatorischen Mönche in den Spitzhornbergen hatten bei diesem Gong ganze Arbeit geleistet, man konnte sogar von Überstunden sprechen. Er tönte nicht, er dröhnte. Scheiben begannen zu klirren und verspürten den Wunsch zu bersten, während der Kobold sich verzweifelt die Ohren zuhielt.
Benommen schüttelte Rib den Kopf.
"Ich geh jetzt hinaus. Ich mache jetzt eine Patroille. Ich brauch' frische Luft." knurrte er.
"Vernehmt, wie Seine Allmächtigkeit nun auszieht, um Das Gesetz in die Welt zu tragen! Denn er ist ein gerechter Gott und haßt das Übel dieser Welt."
"Schnauze!"
Das, fand Engelslicht, schrie geradezu nach einem Schweigegelübde. Eine halbe Minute schien ihm dabei durchaus angemessen.

Rib war nur ein paar Straßen weit gekommen, als er schon einen Verdächtigen sah. Weiße Handschuhe, unsichtbares Objekt tragend, das Gesicht geschminkt: Das konnte nur einer der Pantomimen sein, vor denen sich der Patrizier so fürchtete. An jedem anderen Tag hätte Rib ihm deshalb Glück wünschend zugewinkt, aber heute, mit dem Pfaffen im Schlepptau schrie alles in ihm nach berechtigter Polizeibrutalität, seiner Lieblingssportart. Leise und bedächtig schlich er sich an. Nun, er hoffte, das Bleichgesicht würde sich auch wehren.
Plötzlich ertönte wieder das Inferno von Gong. Der Ton rollte über ein paar verirrte Markstände, verwehte dabei die grünen Pullover in den gelben Schals, riß einem fein gekleideten Mann den Hut und die Terrierhaarperücke vom Kopf. Der Pantomime sah in MacLauts Richtung und gab Fersengeld.
Wütend drehte der Wächter sich zum Priester um: "So kann ich nicht arbeiten! Wie soll ich mich bei dem Lärm anschleichen? Das ist doch hoffnungslos!"
Engelslicht schaute dankbar auf. Er lächelte, denn ein so frühes Lob Seines Gottes hätte er nicht erwartet.
'Haltet mich fest. Ich hau' ihm eine in die Fresse!' dachte sich Rib bei dem Anblick. Dann erinnerte er sich daran, daß der Priester noch nicht straffällig gewordener Bürger war und er leider ein FROG im Dienst.
'Aber', so schwor er sich, 'irgendwann nehme ich Urlaub und dann geht es ab in eine schattige Ecke.'
Da plötzlich fiel ihm ein, wie er Urlaub bekommen konnte...

***

Jerecho, der ehemals Mächtige, nun Jerecho Saubermann, stellvertretender Buchprüfer der Klempnergilde beklagte mal wieder still sein Leben, während er bei schlechter Beleuchtung in seinem fensterlosen Raum Mitgliederanträge überprüfte. Nicht, daß es besonders viele gewesen wären. Müde rieb er sich die Augen.
Dieser besondere Antrag erschien ihm etwas seltsam. Auf die Frage: 'Warum möchtest du Mitglied werden?' kam die Antwort: 'Weil ihr streikt.' Deutlich war hierbei der feine Schreibstil eines Diktierdämons zu erkennen.
Nun, mit diesem MacLaut würde er noch reden müssen.
'Gott', fluchte Jerecho und meinte niemanden spezielles, 'ich hasse meine Arbeit. Sie ist so langweilig.'
Nichts zum ersten Mal wünschte er sich in die Beschwörergilde zurück. Das waren noch Zeiten gewesen...
Saubermann erinnerte sich gerne an die Zeiten. damals hatte er Teil an einem besonderen Beschwörungszirkel, der nur Ikonographiedämonen beschwor. In aller Stille verstand sich, denn diese Dämoneninstrumente wurden in die Schlafzimmer jener Leute geschickt, die der Zirkel unter seine Kontrolle bekommen wollte.
Immer in Aufregung, immer in der Gefahr erwischt zu werden. Wie es auch schließlich gekommen war. Wenn er sich nur an den Namen des Wächters erinnern würde. So würde es schwerer sein sich zu rächen...
Er legte die Anträge auf das Stundenbuch mit den Abrechnungen und drehte sich um. Ein Schatten flog auf sein Gesicht zu und entpuppte sich als eine sirupartige Masse unangenehmer Zusammensetzung.

***

"Hallo?" rief Rib, als er das Haus betreten hatte. "Jemand Zuhause? Ich komme wegen dem Antrag auf einen Streikposten! Man sagte mir, der Bücherwurm der Gilde würde zuhause arbeiten."
Ein Kichern hallte durch die Zimmer. Es klang nicht sehr geistig stabil und es schien nicht aufzuhören. Der Wächter ging den Lauten nach, bis er zu einem Arbeitszimmer kam.
"Wahrlich, der Prophet Friedolin sagt, es sei das Haus gesegnet, das die Gegenwart des Herrn erfährt!" wieder dröhnte der Gong. Rib schüttelte den Kopf und ging weiter, denn ihm Gegensatz zu ihm schien den Lachenden das Dröhnen nicht zu stören. Eindeutig nicht gesund. Was ein Wunder an sich war, denn die Mauern zeigte die ersten Risse.
Inmitten eines Raumes, auf dessen Boden Bücher mit der Kraft eines ungleichen Kampfes verteilt worden waren, saß ein alter Mann. Er verteilte den Kot, der sein Gesicht verzierte wie Rouge das Gesicht einer Frischpubertierten auf dem Boden und malte ein Symbol. Kichernd nahm er die Hereinkommenden nicht zur Kenntnis.
"Das kenn' ich doch!" rief Rib beim Anblick der Schrift aus. "Engelslicht! Macht euch einmal in eurem Leben nützlich, Bürger, und malt das ab."
"Oh mein Gott, wie fehlbar bin ich in deiner Gegenwart!" intonierte der Seelenhirte.
"Was soll das denn heißen?"
"Deinen Wüschen zu folgen, mein Gott, ist wie ein Weg, der Hoffnungslosigkeit zu entfliehen."
Der GiGa kletterte an dem Prediger empor, bis er sich an dem Kinnbart festhalten konnte. Seine geballte Faust hielt er unter diese menschliche Nase.
"Wenn das 'NEIN' heißem soll", drohte er, "ist dir der Zorn deines Gottes gewiß."
Priesterliche Finger tasteten in den Falten des Gewandes nach einem Notizblock.
Jerecho, die Tintenflecke an seinen Fingern ließen darauf schließen, daß es sich um diesen Schreiber handelte, hatte aufgehört zu kichern. Er murmelte statt dessen.

"An die Toilette geschrieben,
War ne Warnung angebracht,
Was die Leut' auch dort getrieben,
Sie haben an andere gedacht."

Dann kicherte er weiter. MacLaut sprang von Engelslicht herunter und näherte dem offensichtlich Verrückten.
"Hallo?" fragte er. "Was meinst du?"
Doch der Mann rührte sich nicht. Seine Augen erschienen leer, an einem anderen Ort gefangen.
"Selig sind die Bekloppten, denn sie brauchen keinen Hammer mehr." kommentierte der Kobold, bevor er merkte, daß er damit einen Fehler begangen hatte. Denn Engelslicht holte mit dem Gongschlegel wieder aus...

***

Das WESEN fühlte sich nun besser. Derzeit hockte ES in einem Dachstuhl über seinem Opfer.
Runen und Bannkreise zierten den Raum. Beschwörungsmaterialen lehnten an der Wand, geordnet nach dem Wusch des jeweiligen Käufers. Was immer an illegal und nicht lizensierten Dämonen beschworen werden mußte, Albrecht Feilenstahlsohn, genannt Albrecht der Wissende, konnte es liefern.
'Da ist Bannwerkzeug. Das hilft ihm nicht.' dachte das WESEN, während ES sich herabfallen ließ. 'Er ist mein.'
Als der Zwerg sich herumdrehte, sah er etwas, das einem Alptraum entsprungen sein mochte. Es besaß zwei Arme und war von seiner Größe, doch das war die einzige Ähnlichkeit zwischen ihnen. Erkennen erfüllte seine Augen, eine Art Hand sich über seinen Mund legte und ihn dem Wahnsinn entgegensandte.

***

"Bregs, du mußt mir dabei helfen. ich komme nicht weiter." bat MacLaut, längst wieder in der Wache angekommen. "Ich glaube, jemand unter den Beschwörern versucht, sich Konkurrenten vom Hals zu schaffen. Dieser Typ, Jerecho, ist noch durchgedrehter als diese Vorsitzende des 'Gewichtsbeobachterclubs' letzte Woche. Du weißt schon, diese Wochenendbulemistin, die SEALS vor drei Tagen im Pralinenladen verhaftet hat."
"Haben wir Anhaltspunkte?"
"Nur so ein Zeichen, das ich Pyro gesendet habe. Dasselbe wie auf der Toilette. Den Reim, den er immer wieder labert, der hat auch was mit dem Örtchen zu tun.
Mann, ich hoffe Regie kommt bald mit einer Antwort. Der Rest dürfte unter dem Schutt der Hausmauern begraben sein. Sid befragt gerade die Beschwörergilde."
Engelslicht starrte wortlos betrübt auf seinen verbeulten und anschließend gefalteten Gong. Dennoch, daß war es wert gewesen: Aus der Geschichte mit den Mauern von Jerecho ließ sich bestimmt etwas machen. Und aus der Geschichte, wie sein Gott dem Erdreich entstieg auch.
"Es gibt nur einen Rib - und Friedolin ist Sein Prophet" zitierte er sein neu erfundenes Mantra.
Bregs nickte in Richtung des Priesters und blickte den GiGa fragend an.
"Ich will nicht darüber reden", meinte MacLaut, "wenn jemand nach mir fragt, ich bin im Umkleideraum, nutze meinem Spind. Ach ja: Falls du das brauchst: Nimm die Flaschen hier.
Im grünen Fläschchen ist Beruhigungsmittel, falls das ganze zu viel für den Kerl wird. Im blauen befindet sich Riechsalz. Beides nur kurz einatmen lassen. Aber laß das lieber Lazia machen. Ich brauch 'ne Pause."

***

Sid wurde die Tür von einer Rogi geöffnet. Die Nähte waren allerdings deutlich gröber als bei seiner Kollegin, so das eine Verwechslung ausgeschlossen war. Auch die zwei Köpfe bildeten dafür einen Beleg, das es sich um jemand anderen handelte.
"Ja..." sagte der rechte Kopf.
"... waf gib ef?" vervollständigte der linke den Satz.
"Ich würde gerne die Gildenleitung sprechen."
"Wenn Fie mir folgen würden..."
"... ich bringe Fie dorthin."
Der Werwolf folgte der schlurfenden Gestalt in einen Raum. Männer und Frauen unterschiedlichen Alters standen um einem Tisch herum, an dem zwei Kinder Karten spielten. Auf den Karten standen kleine Figuren, die sich wie lebensecht bewegten.
"Ha! Nimm das! Damit greife ich deinen Wächterdämon an." rief das Kind, das dem FROG-Mitglied am nächsten saß. Es legte eine weitere Karte auf den Tisch. Über der Karte bildete sich violetter Rauch aus dem ein kleiner Dämon heraustrat. Das Wesen begann sofort damit, eine etwas unzüchtige Waffe gegen die Figur des Mitspieler zu schwingen, die sich ebenfalls als belebt oder beschworen entpuppte.
Einer der Männer zückte einen Holzkasten und hielt ihn in Richtung des Waffenschwingers: "Dildomon. Kampfpokedämon im Krieg der Geschlechter. Besonderer Angriff: Schamlos. Kampfstufe LILA."
"Ich dachte, wir hätten uns geeinigt, die Karte aus der Kollektion heraus zu nehmen? Wir leben hier nach einem bestimmten Kodex." fragte der Kastenträger.
Die Frau neben ihm wurde rot. Verlegen lächelte sie und zuckte mit den Schultern.
"Aber er ist doch so süß!" entgegnete sie und streichelte dem Wesen über sein Köpfchen. "Sieh doch nur dieses Stummelschwänzchen!"
"Hmm. Befindet sich das nicht normalerweise auf der gegenüberliegenden Seite des Körpers?"
"FÖR? Ein Wächter möchte Fie spreche, För!"
"Ja?" Pleuteneus[9] gab den Kasten weiter und wandte sich dem Werwolf zu. "Wie kann ich ihnen zu Diensten sein?"
"Bitte, was ist DAS?" fragte Sid immer noch überrascht über die Art der Waffe. So etwas wurde sonst nur in der Boucherie öffentlich gezeigt.
"Unser neuestes Produkt. Beschwörungskarten für ein Freizeitspiel. Wir betreiben gerade Markforschung und wie es aussieht, wird es ein Renner." kam stolz die Antwort. "Jedenfalls, wenn gewisse Damen ihre Triebe beieinander behalten können."
Das Rot auf den weiblichen Wangen wurde immer deutlicher.
"Ich fand ihn ganz bezaubernd." flüsterte sie entschuldigend.
"Ich möchte mit ihnen über einen gewissen Jerecho sprechen. Jerecho Saubermann." fing Sid das Verhör an. "Ist ihnen der Name ein Begriff?"
"Jerecho... Wir hatten mal einen Jerecho, doch der wurde aus der Gilde ausgeschlossen."
"Warum, Sir, wenn ich fragen darf?"
"Das müßten sie als Wächter doch ebensogut wissen wie ich. Ihr habt ja schließlich die drei verhaftet."
"Verhaftet? Weswegen?"
"Soweit ich mich erinnere, bildeten sie ein Art Erpresserring. Peinliche Dinge, wissen sie?"
"Sie sprachen von drei Personen. Wer war noch dabei?"
"Hmm, ich glaube, sie hieß Nasziella und ihr damaliger Freund Albrecht. Wir haben alle drei entfernt."
"Sir, halten sie es für möglich, daß jemand einen Dämon beschwört, mit dem Jerecho in den Wahnsinn getrieben wurde? Um die Ehre der Gilde zu retten, zum Beispiel?"
Es begann als kleines Schmunzeln um den Tisch herum, wuchs über ein Grinsen und ein belustigtes Husten zu einem Lachkrampf heran, der alle Gildenmitglieder erfaßte. Einige kugelten sich über den Boden. Selbst die Rogi hielt sich Hände vor die Münder.
"Na klar." japste die Frau, die sich für die besondere Magick-Karte stark gemacht hatte. "Und solche Spiele machen wir zum Spaß. Hören Sie, wenn ich so etwas beschwören könnte, dann säße ich auf dem Patriziersessel und würde keine Brötchen verkaufen."

***

ES jagte. Nichts machte mehr Spaß. Voller Angst flüchtete sein Opfer durch die Hyazinthen und versuchte sich zu verstecken. Ein neues Opfer, dennoch waren sie alle gleich, gleich schuldig. Sie hatten ihn gerufen, nur um ihn zu bannen.
"Wo ist die kleine Frau?" rief das WESEN und lachte innerlich. Als ob sein Sinn nicht lauthals, wie mit der Kraft eines Magneten ES in Richtung der Büsche zog. "Ich komme und hole dich!"
Besonders viel Spaß machte es ihm, aus Teilen des Kompostes Abbilder entstehen zu lassen, um dieses Opfer zur Aufgabe ihrer so vermeintlich guten Deckung zu bewegen.
Nasziella, ökologische Freizeitbeschwörerin, kletterte auf ihren neuesten Versuch, eine lebende, sich selbst bewegende Kutsche. Heutzutage beschwor die Frau nichts mehr. Sie versuchte statt dessen sich dem Leben selbst zu widmen. Die Räder aus Haselnuß, den Korpus aus Weide und die Lenkvorrichtungen aus Nachtschattengewächsen. Besonders das Tabaksteuer hatte es ihr angetan. Zusammen, von dem Rest der Magie, die sie besaß, getränkt, würde es ohne Pferde laufen können. Hoffte sie jedenfalls.
"Komm schon, bitte. Spring an." flehte sie. Dies war der ultimative Test, begriff sie. Selbst als eine kinderkopfgroße Klaue von hinten nach ihr griff und sie am Schreien hinderte, war ihr nicht klar, daß nicht nur das Gefährt die große Prüfung verloren hatte.

***

Eine Stunde Pause war genug, fand Rib und ließ seinen Priester wieder hinaus. Zurück in Bregs Arbeitszimmer fanden Rib und Engelslicht den schlafenden Jerecho vor. Die ganze Abteilung war um den Träumer versammelt.
"Nichts zu machen." seufzte der Püschologe. "Er ist völlig gefangen in seiner Welt. Sid hat übrigens herausgefunden, daß er mit zwei anderen eingesessen hatte. Wahrscheinlich in der Zelle mit den Symbolen. Was Pyros Erkundigungen Angeht, Maggie versucht ihm noch etwas Wissen zu entlocken."
"Erpressung." warf der Werwolf ein. "Deswegen saß er."
"Wissen wir, wer die anderen sind?" fragte Rib.
Veni nickte: "Ja, sie befinden sich nebenan."
"Gut." grinste Rib. "Dann befragen wir sie, irgendeine Erklärung..."
Aus dem Raum nebenan erklang ein zweistimmiges Kichern.
"... wohl eher nicht. Was machen wir jetzt?"
"Das beratschlagen wir gerade." Veni breitete die Arme aus und zeigte damit in die Runde. "Es scheint, als wären uns die Spuren ausgegangen."
"Bregs", überlegte MacLaut weiter, "sind alle in der selben Traumwelt gefangen?"
Schulterzucken: "Ich nehme es an."
"Dann haben wir noch eine Chance. Verdammt, ich dachte, ich müßte das nie wieder machen."
"Wovon sprichst du?"
"Ist schwer zu erklären. Lazia, ich verlaß' mich darauf, daß er nicht aufwacht. Nimm' verdünntes Chloroform... oder was immer dein Zettelkasten da meint. Du mußt ihn auf dem Traumlevel halten, nicht mehr und nicht weniger. Bekommst du das hin? Mein Leben hängt davon ab."
"Das schaffe ich schon. Rib, was hast du vor?"
"Keine Zeit." der Kobold trat seitwärts.

Kobolde, wie der Clan MacLaut, entstammen dem Elfenreich. Sie waren die Diebe der Elfenkönigin gewesen. Sicher, sie stahlen auch Kühe und ähnliches, aber das war nicht ihr Hauptzweck gewesen. Viel wichtiger war, was sie in den Träumen anstellten, in die sie eindringen konnten. Und was sie dort entwendeten.[10]
Anscheinend befand er sich in einer Zelle. Der Zelle, um genau zu sein. Ein Zwerg, eine Frau und dieser Jerecho waren um das Loch versammelt.
"Bist du dir sicher, daß es funktioniert?" fragte die Frau.
"Sicher, ich habe lange die Bücher gewälzt. Der Dämon ist brillant darin, in Schlösser zu kriechen und sie zu öffnen. Bald sind wir frei." antwortete Jerecho.
"Aber du sagtest, der Spruch verlangt Echsenhumus..."
"Organisches Material ist organisches Material. Was wir hier haben mußt ausreichen. Was denkst du Albrecht?"
"Einen Versuch ist es wert."
Die drei rezitierten leise Sprüche. Rib lief ein Schauder über die Nackenhaare. Idioten, dachte er bei sich. Mit Wörtern spielt man nicht. In den Tiefen des Loches grollte es und eine Klauenhand, die einem Troll mit komischer Grundsubstanz gehören könnte griff von innen nach dem Beckenrand. Es fühlte sich an, als ob das nackte Grauen das Herz umschloß und sanft zu massieren begann.
Entsetzt schrie die Frau auf und die Beschwörung verstummte. Die Hand sackte in sich zusammen.
"Verdammt, was war das?" stöhnte Jerecho auf.
"Ich hab keine Ahnung, aber ich hab das Gefühl, es ist immer noch da. Wir müssen das Loch versiegeln." murmelte Albrecht.
"Ich hab einen Stift mit!" warf eine vierte Person in den Raum, aus dem Schatten heraus, in den sie sich zurückgezogen hatte.
"Gut, dann dürften Bannsiegel kein Problem sein. Wie hast du den Stift..."
Die Gegend verschwamm vor Ribs Augen. Wieder waren die drei Beschwörer um das Loch versammelt.
"Bist du dir sicher, daß es funktioniert?" fragte die Frau.
Rib hörte nicht mehr zu. Es interessierte ihn eher, wer sich dort in der Dunkelheit verbarg.

"DU!" Rib erschien plötzlich unter den anderen FROGs. "Du warst dabei!"
"Ich hab nichts getan." Engelslicht wich zurück an die Wand. "Nur den Stift geliehen."
"Er war mit in der Zelle. Die Drei haben versucht, einen Dämon zu beschwören, der ihnen das Zellenschloß knackt." erklärte Rib den anderen. "Was immer sie beschworen haben, es ist auf der Jagt nach ihnen. Denke ich."
Der GiGa hielt es für besser im Moment nicht zu erklären, daß seine Putzaktion das Wesen befreit hatte. Wie würde es Engelslicht ausdrücken? Offenheit ist Balsam für die Seele... Und Balsam ist nicht gerade hoffnungslos.
Alle starrten den Seelsorger an, der sich noch vor Minuten sehr daran interessiert gezeigt hatte, daß sein Gott in Träumen zu einem sprechen konnte. Nun aber wirkte der Geistliche nicht gerade zuversichtlich.
"Und was machen wir jetzt?" fragte Maggie.
"Woher soll ich das wissen? Was wir auch machen, auf keinen Fall Magie. Das Ding ist noch da."
Veni schüttelte den Kopf: "Woher willst du das wissen?"
"Weil es nach Kerkerdimension...roch. Ich kann's nicht anders ausdrücken. Es ist das selbe Gefühl, das ich habe, wenn ich weiß, ein Fall hat etwas mit Magie zu tun. Das ist halt was elfisches.
Versteht, ihr, wir haben Lücken in Träumen genutzt und die Dimensionsviecher waren unser größter Konkurrent, was die Besitznahme der Lücken angeht.
Jedenfalls: Sie müssen nach einer Vorstellung leben und eine gute Geschichte verlangt, daß alle Anwesenden gejagt werden."
"Anwesenden???" bibberte der Priester, doch niemand nahm darauf Rücksicht.
"Und wenn es alle erwischt hat? Was dann?" hackte Maggie nach.
"Ich bin mir nicht sicher, ob es ein danach gibt. Nicht für sie... und vielleicht auch nicht für uns."
"Gut", nickte Veni und blickte zu Engelslicht, "oder auch nicht gut. Hier ist der Plan..."

***

Zum Glück war ein Einstieg über das Loch im Hier-gibt's-alles-Platz immer noch möglich gewesen. Obwohl FROG eher auf einen Ausstieg hoffte.
"Hier ist nichts. Aber das Ding wird kommen. Geschichte, du weißt. Durch dieses hohle Loch muß es kommen, es führt kein anderer Weg vorbei. Die FROGs gehen schon in Stellung." Rib fragte sich langsam, wozu er den Dollar bezahlt hatte. Wie lang sollte das Loch hier noch klaffen?
Engelslicht schwieg dazu höflicherweise. Derzeit beschäftigten ihn theologische Deutungsprobleme.
Rib hatte, als sein Schwert kurzzeitig den Geist aufzugeben schien, es gegen die Wand gehauen und angeflucht. Falls er das Monster verfolgen sollte, wollte er nicht im Dunkeln stehen. Ob, da religiose Schriften jugendfrei bleiben sollten, er das einfach mit dem Satz "Es werde Licht" abkürzen sollte? Und ob der Beiname "Lichtträger" seinen Gott schmücken würde?
Die Finsternis jedenfalls dort unten wirkte beklemmend... obwohl...so eine Geschichte, in der sein Gott dem Dunklem Einhalt gebot machte sich bestimmt gut im Lebenslauf.

***

Nicht weit davon entfernt, an der nächsten Häuserecke, ging Laiza in die Hocke.
"Wir setzen alles auf eine Karte, oder?"
Veni nickte: "Fällt dir was besseres ein? Ribs Argumente waren dürftig, aber ein Versuch ist es wert. Wir verlieren damit ja nichts. Im schlimmsten Fall war's ein unnötiges Training."
"Was ist, wenn Was-immer-es-auch-ist eine normale Straße benutzt?"
"Die riegelt SEALS mit Rekrutenunterstützung ab. Nein, wenn es kommt, dann durch dieses Loch."
Die Wächter schauten zu dem gähnenden Abgrund.
"Wenn es doch nur losgehen wurde. Das Warten bringt mich noch um." murmelte Laiza.
"Dein Ausbilder hätte das auch gesagt." grinste Veni.

***

"Ich komm mir vor, als ob ich Löwen vorgeworfen würde." murmelte Engelslicht eine halbe Stunde später. Er und Rib hatten es sich auf zwei großen Bruchsteinen gemütlich gemacht.[11]
Rib lächelte: "Wo ist dein Gottvertrauen?"
Engelslicht seufzte und erinnerte sich daran, welcher Kirche er angehörte: "Oh, ich habe völliges Vertrauen in das Wesen meines Gottes... das ist es ja."
"Möchtest du eine Tablette? Dies ist die einzige Chance, die du hast. Ein leerer Platz und ein Monster das vielleicht kommen wird. Oder willst du warten, daß es sich den Zeitpunkt aussucht?" Rib wendete den Blick ab und betrachtete den Signalturm. 'Team 2 bereit.' meldeten die Signale gerade. "Hast du das Tuch dabei?"
"Ja, hier." Engelslicht fummelte gerade in seinen Taschen herum, als ein kleiner Stein ihn im Nacken traf. Ein kleiner Junge an einem Fenster hinter ihm lachte.
"Verschwinde David!" schrie Rib und warf den Stein zurück. "Entschuldige. Das macht der Junge ständig. Hab ihn erst gestern deswegen zu seiner Mutter geschleppt, nachdem ich sah, daß er in einen Töpferladen traf."
"Dann, oh mein Gott, verstehe ich nicht, warum er mich traf. Sollte er nicht Dir zürnen, Unsterblicher?"
"Unsterblicher? Bin ich befördert worden? Nein, daß hat er wahrscheinlich auch versucht. Der Junge trifft nie, was er treffen will. Schielt so sehr, daß er nicht mal einen Spiegel braucht, um das festzustellen."
'Der Stein', meldete sich des Priesters Ausbildung, kann man ihn nicht als Übel auffassen, daß zurückgesendet wurde?'
"Wie bist du eigentlich Priester geworden?" schreckte der Wächter ihn aus seinen Gedanken hoch. "Was treibt einen so dazu?"

Der Seelenhirte behielt sein Schweigen bei, diesmal aber genaugenommen deshalb, weil er nicht darüber reden wollte. Er dachte an Kerel, der früher mal sein bester Freund gewesen war. Kein Geldbeutel war vor ihm sicher gewesen. Beide waren zusammen in den Schatten aufgewachsen, einem Ort, an dem ein Sterbender nicht wimmert, weil er Angst hat, jemand kommt und hat noch seinen Spaß, bevor vollständig verreckt war. In Kerels Welt hatte Güte wenig Platz.
Im Grunde ging es um den Begriff der Gewißheit. Friedolin war immer voll davon gewesen war voll davon, von Haus aus ein sehr gläubiger Mensch, wie auch sein Vater. Der trug immer mindestens fünf nachgemachte Reliquien von verschiedenen Glaubensrichtungen mit sich herum.
"Man kann nie wissen." pflegte sein Vater immer zu sagen. Und dann sprach er immer über den Herrn der Finsternis, der in der Tiefe lauerte. Engelslicht war sich fast sicher, daß damit kein Zwergenkönig gemeint gewesen war.
Tag für Tag wurden dennoch die unglaublichsten Geschichten von ihm erzählt, zum Beispiel die vom Sendboten Uriel, der eine Schale voll Feuer transportieren sollte. Eine Arthritis, Folgeerscheinung eines Lebens in feuchtkalten Luftschichten, zwang ihn dazu, das Gefäß fallen zu lassen. Aber Om wäre kein gnädiger Gott, wenn er daraus nicht auch ein gnädiges Wunder gemacht hätte: Frauen, die sich damals nach dem Ereignis umdrehten, erstarrten zur Salzsäule. Dies freute nicht nur die Ehemänner.[12]
Friedolin wuchs in dem Glauben an einen Gott auf, der einen Pflaumenbaum in die Mitte eines Parks stellte und seinem Volk dann befahl, nicht davon zu essen. Allwissend, allmächtig und gütig sollte er sein. Kerel hatte mit dem Konzept Probleme. Er gab zu bedenken: Ein allwissender Gott hätte zum Zeitpunkt der Erschaffung Seines Volkes genau gewußt, daß wenn er es SO erschaffen würde, sein Volk es entweder pflücken würde oder nicht. Und als Allmächtiger hätte er die Wahl gehabt. (In diesem Sinne wurde es für einen solchen Gott auch keinen Freien Willen geben.) Warum also die Leute bestrafen für etwas, wozu sie geschaffen worden waren? War das Güte? Freidolin hatte daraufhin für die Feststellung, daß nur zwei dieser drei Eigenschaften jeweils zusammen passen würden, sich fast zwei Wochen nicht mehr mit dem Taschendieb getroffen.
Friedolin verstand Kerel nicht. Aber er liebte ihn.
Irgendwann wurde der Taschendieb gefaßt, nicht von der Wache natürlich. Die Diebesgilde knüpfte ihn auf und benutzte ihn als Wetterhahn. Und Engelslicht stand an Fuße des Gebäudes mit den Schriften Oms in der Hand und konnte nichts tun.
Die Stimme Kerels klang wieder in seinen Ohren, er hörte seinen Spott. Eine Geschichte handelte über eine Wette seines Gottes, ob ein bestimmter Gläubiger am Ende ("Soviel zum Thema Allwissenheit...") nachdem auf göttliches Geheiß Frau, Kind und Heim vernichten wurde, ihn immer noch für gütig hielt. Der Gläubige zerbrach erst, als sein Gott ihm die doppelte Anzahl 'belohnte'. Aber über diesen Nervenzusammenbruch schwiegen die Schriften. Alltägliche Eheprobleme, meinten die Gelehrten und ließen es weg.
Freidolin zerbrach schon hier. Wenn er als Priester schon einem Gott dienen sollte, dann lieber einem, von dem er wußte, daß er hoffnungslos inkompetent war. Der nicht mit soviel Güte um sich warf.

Der GiGa hatte währenddessen den Platz beobachtet. Jetzt wo der Gong fort war, möchte er den Priester sogar irgendwie. Rib glaubte nur an sich selbst. Es war verwirrend, wenn es noch jemand anderes tat.
"Dann erzähl es halt nicht." murmelte Rib.
Engelslicht schüttelte den Kopf und kniete sich hin: "Entschuldigung, Allmächtiger. Würde es Dir etwas ausmachen Dein Werk ein paar Meter weiter zu vollbringen? Ich glaube, ich würde gern in aller Stille beten."
"In aller Stille?" entfuhr es Rib. "Hallo? Ich denke, du betest zu mir."
"Ja, aber wenn du nicht da bist, fällt es mir leichter... Ehrfurcht zu empfinden."
Rib ging grummelnd ein paar Schritte weg. Langsam fand er Gefallen an der Situation. Ob das allen Göttern so gegangen war? War Io irgendwann einmal in den Straßen Pseudopolis' herumgeirrt, nach dem er sein Augenlicht an Selbstgebranntem verloren hatte?
Auf dem Weg hierhin hatte Rib sogar drei Leute heilig gesprochen. Er war sehr stolz darauf. (Im Grunde hatte er nur gesagt, daß die drei es ziemlich eilig hatten, aber sein Prophet hatte sich verhört.) Man konnte sozusagen von einer steilen Karriere sprechen.
Als nächstes würde er ein Gebot gegen all den Schmutz hier entwerfen. Der Boden klebte ja geradezu.
Rib blickte herab. Die Schicht aus Losung, die auf dem ganzen Boden verstreut war, floß wie magisch um seine Beine und wurde dort hart. Es zog ihn hinunter, in den Pflasterstein!
"Engelslicht!!!" rief er und ließ ein kleines Fläschchen fallen, dessen Inhalt sofort grün zu glosen begann.
Max, der sich auf einem nahen Dach verschanzte hatte, sah das Zeichen und signalisierte Veni Alarmbereitschaft. Fassungslos betrachtete der Schwarze Mann die trollgroße Gestalt, die dem Loch im Boden entstieg. Er nahm seine Pfeife und stieß einen Pfiff aus. Es war dringend Verstärkung nötig, wie es schien.
In der Erde grollte es. Charlotta hatte mit Pulver Nummer Eins den Rückzug des Wesens endgültig verschlossen.
Team eins, die Schützen Sidney, Massiv und Maggie tauchten in den Hauseingängen von drei Wohnungen auf, die ein Dreieck über den Platz bildeten. Sie schossen und ließen ihre Armbrüste fallen, um im Nahkampf zu unterstützen..
Entsetzt beobachtete der Späher, wie selbst der MUT-Bolzen durch das Ungeheuer schlug, ohne Schaden anzurichten. Wo war Rib hin? Die Stelle, an der er gestanden hatte schien leer. Jetzt sollte sein Gifteinsatz kommen. Er ließ das Seil herab und begann sich abzuseilen.
Team zwei lief los, das echte Nahkampfteam. Lazia hielt ein Blasrohr in der Hand, Veni rannte auf vier Beinen an ihrer Seite. Mindy konnte kaum Schritt halten. Ihre Aufgabe war es, den anderen die Zeit zu verschaffen, sich einmischen zu können.
Doch das Monster stieß einen Schrei aus und der Kot unter ihnen, der die Straße säumte, klammerte sich um ihre Beine. Rogi, die sich als Sani im Hintergrund halten sollte, beobachtete entsetzt, wie die Kollegen zu versinken begannen. Leider, stellte sie fest, teilte sie ihr Schicksal.

Rib wurde immer tiefer ins Erdreich gezogen. Moderige Erde drang in seinen Mund ein, als er versuchte Luft zu holen. In ein paar Minuten war er tot, soviel schien gewiß. Oder besser gesagt, wieder im Reich der Lebenden. Lar'as Bild tauchte vor seinen Augen auf.

Die WESENHEIT erhob sich und reckte sich zu ganzer Größe empor. SEINE Klauen griffen in den eigenen Unterleib, rissen etwas von der eigenen Substanz heraus und formten daraus einen Ball aus Exkrement und Energie.
Bald, nachdem all jene Peiniger, die ES zu einem bedeutungslosen Dasein ohne Substanz verurteilt hatten, in Macht und Seele dafür bezahlt hatten, war vollkommene Verankerung auch in Körperwelten möglich. In viele Welten, nicht nur dieser seltsamen von einer Schildkröte getragenen. ES war der dunkle Eine, der kommen wurde. Und es duldete keine Götter neben sich.
Ohne eine Regung ruhte der Blick der WESENHEIT auf dem Priester. Der Kobold daneben, der verzweifelt auf den Boden einschlug, war relativ unwichtig dagegen. Kobolden fehlte es an Glauben.
"Waren wir ein guter Junge, brav und anständig und gottvertrauend?" fragte ES zynisch, als es zum Wurf ausholte. "An wen glaubst du, tief in deinem Inneren, Priester, im Dunkel der Nacht?"
Engelslicht wich fassungslos zurück. Das war es, wovon sein Vater immer gesprochen hatte, der Dämon aus der Tiefe, der Hölle. Und nun würde es ihn holen kommen.
"Oh mein Gott", flüsterte Engelslicht, mehr zu sich selbst, denn er wußte, daß er bald sterben würde, "hilf mir!"
All sein Glaube fokussierte sich auf diesen Punkt. Die Zeit selbst schien im Schneckentempo zu vergehen. Doch Tod und Verderben mit sich führend warf ES sein vernichtendes Geschoß.
Aber der Glaube fand ein mögliches Ziel um sich auszudrücken. Und selbst Offler schaute kurz aus seinem Weinglas empor, um zu erfahren, was geschah. Und war beeindruckt.

Rib Der Unaufhaltsame entstieg dem Erdreich, um die Gläubigen zu schützen.
Rib Der Beschützer gebot Einhalt dem Dunklem, befahl den Stillstand der Zeit.
Rib Der Gerechte sandte das Übel tausendfach zurück, das es gewirkt.
Preiset Die Gnade Des Ewigen Rib!

Als das WESEN fiel, wart getroffen die Mißgeburt.
Als das WESEN fiel, gab es nichts in ihm mit Bestand.
Als das WESEN fiel, da schien die Welt geheilt.
Alles war gut, als das WESEN fiel. /i>

Rib Der Gott, erfüllt mit schier endloser Macht... war plötzlich wieder Rib, der Wächter, abgeschoben zum Toilettenputzdienst. Der Kobold drehte sich und hob den Blick fassungslos von seinen Händen.
Engelslicht hatte blanke, stumme Wut im Gesicht. Wütend griff der Priester die Reste seines Gongs und ging von dannen. Schon wieder war der Tempel gescheitert.

***

"Moment!" unterbrach Veni den GiGa an dieser Stelle, als er ihr abends bei einem Bier die ganze Geschichte erzählte. Die Nacht war inzwischen so weit fortgeschritten, daß Mitternacht wie eine ferne Erinnerung erschien. Herr Käse stand neben dem Tisch, putzte ein staubiges Glas und hörte interessiert zu. "Warum war er jetzt wütend? Warum bist du jetzt kein Gott mehr? Ich mein, daß war doch eindeutig ein Wunder."
"Eben." Rib nickte.
"Das verstehe ich nicht..."
Der Kobold nahm einen tiefen Schluck aus dem Bierkrug, in dem er stand: "Ein Wunder paßt nicht zu dem Tempel. Ein Gott der Wunder vollbringen kann, ist denen einfach nicht hoffnungslos genug."
Die beiden schwiegen sich an.
"Möchtest du auch eine Zigarre?" fragte Rib nach einer Weile und zog einen braunen Stengel aus dem Beutel.
"Nein, danke, wenn ich ehrlich bin, kann ich auch nicht verstehen, wieso du Kuhfladen rauchst."
"Bei der Tabaksteuer? Ich hab' 'ne Menge Blagen zu ernähren!" Rib blies den ersten rauch durch seine Nase. "Weißt du eigentlich, was das Tolle daran ist, daß ich morgen nachmittag den Dienst bei den SEALS antrete?"
"Nein, was?"
"Herr Käse! Noch ein Bier für uns beide! Oh... nein... Die Dame darf ja kein zweites! Na, dann bringen sie mir die Zwei und ihr nur ein Wasser!" Ribs Lächeln schrie geradezu nach einem Fausthieb, fand Veni. Und manchmal, da mußte man seinen Gefühlen halt nachgeben.

***

Engelslicht erfuhr das Ergebnis der Wahl eines neuen Gottes am späten Nachmittag und versuchte sich immer noch dran zu gewöhnen. Wenn er schon früher einmal aufgeregt gewesen war, so kam nun sein Herzrasen einem Infarkt gleich. Hoffentlich war er dem gewachsen, denn würde er auch dies vermasseln, wäre sein Rausschmiß aus dem Tempel sicher. Er öffnete den Mund.
"Höret Die Stimme Gottes!"
Engelslicht zuckte zusammen. Wenn dieser verdammte Priester nur nicht immer den Gong schlagen würde...

ENDE



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* Epilog *
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[13] Die Kraft des Wunders ruhte noch auf der Erde, als der Regen begann. Zusammen mit dem gewöhnlichen Abfall der Stadt sickerte das Wasser durch den Boden. Seine neu gewonnene Macht trieb die Würmer aus dem Körper des hier an der Kreuzung Begrabenen. Kaum ein Ort hatte eine größere Kreuzung als der Platz, er an dieser Stelle zum Glück nicht zerstört worden war. Man wollte sichergehen, daß dieser Mörder nie wieder kam.
Und man scheiterte damit. Das geheiligte Wasser restaurierte die Zellen des Verbrechers, der Gift- und Werwolfsopfer gleichermaßen war. Zentimeter um Zentimeter stieg die Leiche auf. Als sie gegen Morgengrauen die Oberfläche berührte, floß Luft in die wiederbelebte Lunge. In dem Körper schrie alles nach Rache.
'Zuerst zerstöre ich sein Leben, dann hole ich mir seine Familie. Erst wenn nichts mehr da ist, auf was er noch stolz sein kann, erst dann werde ich ihn wirklich töten.' dachte der ehemalige Tote. 'Doch bevor ich damit anfangen kann, brauche ich Macht!'
Doppler stand auf und verschwand in den Schatten der Stadt.



[1] "Na, Süßer?"

[2] "Na, Süßer?"

[3] größtenteils Männer mit einer Frau im Haushalt

[4] Ein Unfall, der im Zusammenhang eines Kampfes mit einem magischen Besen passierte. Sein Schwert, das magisch in der Nähe von Anwälten leuchten sollte, reagierte nun auf Wächter. Bis Rib das herausgefunden hatte, war eine ziemlich schlaflose Woche vergangen.

[5] Was, wenn der Grund wie sonst ausgesehen hätte, ein ziemlich ekliger Selbstmord für einen Kobold gewesen wäre.

[6] Anscheinend gibt es die in allen Welten des Multiversums in der einen oder anderen Form. Ihr vergnügungssüchtiger Zustand bringt ihnen oft den Namen "Happy Hippo" ein.

[7] Zu diesem Zeitpunkt war das Sternenbild so deprimierend gewesen, daß einige Galaxien sogar Selbstmord begingen, um ihm zu entkommen.

[7a] Er war, wie alle dieser 12, jünger und deshalb in des Gottes Augen an Gestalt wohlgefälliger als ein ihm Gleichaltriger.

[9] Dies war sein Gildenname. Sein bürgerlicher Name und sein normaler Beruf waren so langweilig, daß Schafe die Vorstellung zum Einschlafen nutzten.

[10] Viele Gelehrten behaupteten, solch eine Fähigkeit wäre schlichtweg unmöglich, bis sie mitten im Schlaf von einer Horde Kiltträger verprügelt wurden. Die blauen Flecken zumindest waren so real wie eine Firma König und ein Hohepriester Ridcully.

[11] Um genau zu sein, saß Rib auf einem Pflasterstein.

[12] Der Herr fand immer schon großen Gefallen an Hirten und Schäfern. Und nichts tut einer Ziegenherde so gut, wie eine Salzlecke in der Einöde.

[13] Dies der Ausgangspunkt einer Singlekampagne.




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