Darf´s noch eine Axt mehr sein

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von Hauptgefreiter Valdimier van Varwald (FROG)
Online seit 23. 08. 2003
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Ein geheimnisvoller Brief wird in der Wache abgegeben und Valdimier trifft auf den schlimmsten Feind eines Wächters. Den Zivilisten.

Dafür vergebene Note: 13

Mich kann man kaufen und es gibt mich im Sonderangebot,
ja ich bin käuflich und zwar täglich, rund um die Uhr.
Also kauf MICH!!


-- "Kauf Mich" von den Toten Hosen



Es war einer dieser typischen Tage in Ankh-Morpork. Jeder Bewohner ging seiner üblichen, schönen oder weniger schönen, Tätigkeit nach. Die Wächter wachten, die Diebe stahlen, die Assassinen mordeten, die Näherinnen nähten und die Näherinnen vö...[1]verdienten sich auch ihr Geld.

Die letzten Uhren von Ankh-Morpork verstummten gerade von ihrer Bekanntmachung, dass es nun 4 Uhr Nachmittags war.

Valdimier saß in der Kantine des Wachgebäudes am Pseudopolisplatz. In seinen Händen befand sich ein Buch und er war so sehr darin versunken, dass er der Realität um sich herum keine Beachtung mehr schenkte. Vor ihm auf dem Tisch stand eine Tasse Kaffee. Der fehlende Dampf ließ schon erahnen, dass sie dort schon länger stand und der Kaffe sicherlich nicht mehr die benötigte Temperatur hatte, um noch irgend jemanden zu schmecken.
"Hey Val", erklang eine weibliche Stimme und die Hauptgefreite Kanndra Mambosamba trat an den Tisch. In ihren Händen befand sich eine Tasse mit dampfenden Kaffee.
"Valdimier?", fragte sie erneut.
Die einzige Reaktion des Vampirs war das Umblättern einer Seite.
Die Späherin schaute sich in der Kantine um.
"Hey Bregs!", rief sie. "Komm mal her. Das musst du dir ansehen."
Araghast Breguyar kam, ebenfalls mit einer Tasse Kaffee bewaffnet, zu den 2 Wächtern.
"Hier siehst du jemanden, der sich gerade geistig nicht mehr auf der Scheibenwelt befindet.", erklärte Kanndra und deutete auf den lesenden Vampir.
Der Lance-Korporal folgte der Richtung, die Kanndras Finger vorgab.
"Val?", fragte er. "Alles in Ordnung mit dir?"
Keine Reaktion. Seine Augen huschten über die Wörter in seinem Buch.
Der Püschologe schaute zu Kanndra und grinste breit.
"Mal sehn, wie schnell man den Geist wieder nach Ankh-Morpork zurückholen kann."
Sie setzten sich gegenüber von Valdimier und stellten ihre Tassen ab. Araghast lehnte sich nach vorne und wartete einen kurzen Moment.
Plötzlich schlug er mit einer Hand auf den Tisch und schrie: "ALLLLAAAARRRRMMMM. DAS WACHHAUS WIRD ANGEGRIFFEN."
Schlagartig wurde der Geist in das hier und jetzt zurück katapultiert und übernahm wieder die Kontrolle über den Körper. Während dieses Vorganges führt der Körper meistens eine Folge von unkontrollierten Bewegungen aus.
Bei Valdimier sah es folgendermaßen aus:
Der Vampir versuchte aufzuspringen. Da sich aber seine Beine unter dem Tisch befanden stieß er gegen die Tischplatte. Durch den Schlag gerieten die Tassen ins Wanken und etwas Kaffee verteilte sich auf dem Tisch. Da der Weg nach vorne abrupt endete, entschied sich der Körper dazu, es in die andere Richtung zu versuchen. Valdimier viel zurück auf den Stuhl, der darauf nach hinten umzufallen drohte. Der Vampir wedelte wie wild mit den Armen, um das
Gleichgewicht zu halten. Dabei rutschte ihm das Buch aus der Hand und flog im hohen Bogen durch den Raum. Kurz darauf schlug er mit einem lauten Krachen auf dem Kantinenboden auf.

Valdimier blickte an die Decke. Er hörte 2 Personen lachen und versuchte sich an die Ereignisse der letzten drei Sekunden zu erinnern. Vor kurzem hatte er noch an einem Tisch gesessen und gelesen, als plötzlich jemand schrie und er sich plötzlich auf dem Fußboden wieder fand.
Langsam gewann er wieder die Kontrolle über seinen Körper und rappelte sich auf. Als er seine Uniform zurechtrückte und einen Blick durch die Kantine warf bemerkte er die Blicke der anderen Wächter in der Kantine, die auf ihn gerichtet waren. Auf manchen Gesichtern zeigte sich ein leichtes Grinsen, andere schauten ihn nur fragend an. Nur zwei Personen vielen mit ihrem Verhalten aus dem Rahmen. Sie saßen ihm gegenüber und lachten so sehr, dass man Angst haben musste, dass sie jeden Augenblick platzen könnten.
"Ich dachte ein FROG muss immer auf alles gefasst sein", lachte Araghast.
"HAHA, sehr witzig ihr beiden", antwortete Valdimier trotzig. Es war ihm peinlich, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren und hätte man seine Laune als Punktzahl bei einer Rateshow angegeben, so wäre er schon vor dem Ende der ersten Runde aus dem Studio geflogen.
"Es war einfach zu verlockend" Kanndra wischte sich eine Träne aus ihrem Auge. "Wie du dagesessen hast und nur auf deinen alten Schinken fixierst warst."
"Meinen was?"
"Das Buch."
Genau, mein Buch.
Valdimier stellte den Stuhl wieder auf und schaute suchend auf den Boden.
"Ihr habt nicht zufällig gesehen, was damit passiert ist, oder?", fragte er die zwei, den Blick noch immer auf den Boden gerichtet.
"Das letzte mal als ich es gesehen hab, flog es da lang.", kicherte Araghast und zeigte in die Richtung.
Valdimier musste nicht lange schauen, um es zu finden.
Oder besser gesagt, die Person zu finden, die sich in der Flugbahn befand.
"Ah, Dennis", rief er. "Wie ich sehe hast du mein Buch äh... gefangen."
Die erhöhte Geschwindigkeit, mit der das Buch zurückflog, deutete darauf hin, dass sich Dennis wieder schnell davon trenne wollte. Valdimier musste sich strecken, um es zu fangen.
"Danke!" Ein verkrampftes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. "Ich hoffe die Beule verschwindet bald wieder."
Er setzte sich und warf einen letzten Blick auf den Hauptgefreiten Dennis Schmied.
"Er macht keinen sehr erfreuten Eindruck", sagte Kanndra und setzte ein unschuldiges Lächeln auf.[2]
"Ach, ich frage mich woran das wohl liegen mag?", erwiderte Valdimier sarkastisch, seine Augen wieder auf das Buch gerichtet.
Er lies die Seiten über seine Finger laufen um zu kontrollieren ob sie beschädigt worden waren.
"Jetzt ist er eingeschnappt", flüsterte Bregs Kanndra zu.
"Eingeschnappt? Ich?" Gespielte Empörung machte sich auf dem Gesicht des Vampirs breit. "Niemals. Ich bin nie eingeschnappt."
Ein kurzer Augenblick der Ruhe verging und auf seinem Gesicht zeigte sich ein fieses Grinsen.
"Aber du solltest dich trotzdem nicht wundern, wenn du irgendwann in deinem Sarg liegst und der Deckel auf einmal zugenagelt ist."
"Also so schlimm war es nun auch nicht", protestierte Bregs. "Du solltest besser auf deine Umgebung aufpassen." Sein Blick fiel auf das Buch. "Was liest du eigentlich da? Es scheint ja eine sehr anziehende Wirkung auf dich zu haben."
"Das...", antwortete Valdimier stolz und stellte das Buch vor ihnen auf den Tisch. "... ist das neue Werk von John Boo."
Die zwei Wächter lasen den Titel und fragten ungläubig: "Weich gebraten?"
Valdimier verzog das Gesicht.
"Ich weiß. Mit der Titelwahl hat er so seine Probleme."
Er betrachtete erneut das Buch und seine Mine erhellte sich.
"Aber das ändert nichts daran, dass er einer der besten Autoren der Scheibenwelt ist."
Auf Araghasts Gesicht hob sich eine Augenbraue.
"Findest du nicht, dass du ihn etwas zu hoch lobst?", fragte der Püschologe.
"Nenne mir einen, der besser schreibt als John Boo", antwortete Valdimier trotzig und einen kurzen Moment später wurde ihm schlagartig klar, wen er gerade herausgefordert hatte.
So kam es auch, dass er selbst die Antwort gab.
"Eddie Wollas."
"Ich sehe, wir sind einer Meinung", erwiderte Bregs und grinste breit.
"So meine ich das nicht. Das Wollas als Antwort kommt, war so sicher wie das Erscheinen von Frau Willichnicht um 7:05 Uhr."
Das Grinsen auf dem Gesicht des Püschologen schien noch breiter zu werden.
"Die Bücher von Wollas sind ja auch besser als die von Boo"
Valdimiers Augen verengten sich zu Schlitzen und fixierten den Püschologen. Kanndra bemerkte die Blicke und kommentierte sie mit einem kurzem: "Ohoh" Hastig stand sie auf und eilte zu dem Kaffeedämonen. Die Diskussion, die bevorstand, würde sicherlich sehr interessant werden und die wollte sie auf keinen Fall verpassen.
"Ich bitte dich. In Wollas Romanen ist die Atmosphäre viiieeel düsterer und unheimlicher.", sagte Bregs und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Seine Arme verschränkten sich provokativ vor seiner Brust. "Boo beschränkt sich hauptsächlich darauf, möglichst viele abgeschossene Pfeile und Armbrustbolzen unterzubringen. Das reinste Rumgeballere."
Valdimiers Augen weiteten sich wieder auf die normale Größe und er erhob protestierend den Zeigefinger.
"Also das stimmt schon mal nicht. Bei ihm stehen hauptsächlich die Schicksale der Charaktere im Vordergrund. Die Schießereien dienen nur als Zugabe."
"Das mag zwar sein, aber lass uns mal folgendes Festhalten." Bregs streckte eine Hand aus und deutete auf seinen Daumen.
"1. Die Atmosphäre. Wie gesagt, viiieelll düsterer und unheimlicher." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "So richtig schöne Sarglektüre."
Er deutete auf seinen Zeigefinger.
"2. Die Schicksale der Charaktere. Wollas geht mehr auf die püschischen Störungen der Charaktere ein. Das ist ganz wichtig."
"Für einen Püschologen vielleicht", erwiderte Valdimier trotzig.
Bregs führte seine Aufzählung weiter fort, ohne näher auf Vals Bemerkung einzugehen.
"3. Der Mörder oder die Gegner. Ich möchte gerne mal wissen, wie viele Achate Triaden Boo noch verwenden möchte."
Valdimier schüttelte den Kopf.
"Als ob Wollas da bessere Ideen hätte. Bei ihm ist der Mörder entweder der Butler oder der Gärtner."
"Manchmal ist es auch der Hausarzt", warf Kanndra ein, als sie wieder Platz nahm.
"Oh, hat Eddie mal was neues probiert?", fragte der Vampir sarkastisch. In den Wollas Romanen, die er gelesen hatte, saßen am Schluss immer alle Verdächtigen in einem Zimmer und der ermittelnde Inspäktor sagte dann: "Und der Täter ist..."
Es erfolgte eine Pause, die seiner Meinung nach, nur dazu diente die Spannung künstlich zu steigern.
"James soundso, der Butler." oder "Karl soundso, der Gärtner."
"Und wenn wir schon bei der Eintönigkeit sind", erklärte Valdimier. "Wenn sich bei Wollas drei oder mehr Personen treffen, dann kann man doch zu hundert Prozent davon ausgehen, dass mindestens eine von ihnen dem ominösen Killer zum Opfer fällt."
Araghast zuckte mit den Schultern.
"Aber das ist doch gerade das Schöne an der Sache. So kann man immer rätseln, wer als nächstes über die Klinge springen wird."
Val schaute ungläubig.
"Naja, ich finde das zeigt nicht gerade großen Einfallsreichtum."
Sein Gegenüber winkte gelassen ab.
"Geschenkt. Kommen wir zu Punkt 4. Die Logik. Kannst du mir mal erklären, welcher normale Mensch immer beidhändig schießt? Da hat man doch nur Probleme mit dem Nachladen."
Sieht aber verdammt cool aus, dachte Valdimier und in Gedanken sah er sich, wie er, mit zwei Armbrüsten bewaffnet, in einen Raum sprang und die Gegner niederstreckte.
"Aber die Probleme...", redete Bregs weiter und riss so den Vampir aus seinen Gedanken, "... scheint bei John Boo keiner zu haben. Die Waffen scheinen immer geladen zu sein, wenn es von Nöten ist."
Da hatte Bregs nicht ganz unrecht. Wenn es darum ging zu erklären, wie man am besten zwei Pistolenarmbrüste nachlud, während man sich mitten in einem Seitwärtssprung befand, verschwendete Boo nicht eine Textzeile dafür.
Aber Valdimier wusste schon, wie er diesen Vorwurf entkräften konnte.
"Und du denkst wirklich, dass Wollas immer auf den Pfaden der Logik bleibt?" Diesmal war er es, der sich zufrieden in seinem Stuhl zurücklehnte.
Kanndra blickte zu Bregs und wartete gebannt auf seine Antwort. Für sie war es immer amüsant, wenn zwei Personen ihren Standpunkt mit allen Mitteln verteidigten, als würde es um Leben und Tod gehen.
"Was erscheint dir denn so unlogisch?", kam schließlich als Gegenfrage.
"Wie wär's damit. Nehmen wir wieder drei Personen, die sich in einem großen Anwesen treffen und eine Leiche finden. Nachdem sich die hysterisch schreienden Frauen wieder beruhigt haben, wird erstmal darüber beraten, was als nächstes gemacht werden sollte. Soweit so gut. Aber was machen sie dann?" Er hielt inne und blickte fragend in die Runde. "Sie trennen sich erstmal, um den Mörder zu suchen."
Es folgte ein Kopfschütteln seinerseits.
"Ich meine. Welche normale Person trennt sich von der Gruppe, wenn im selben Haus ein wahnsinniger Mörder umherstreift? Das nenn ich mal unlogisch."
Ein bestätigendes "Genau!" erklang hinter dem Vampir.
Als sich der Armbrustschütze umdrehte sah er, dass die Unterhaltung schon mehrere Zuschauer gewonnen hatte. Die Gesichter von verschiedenen Wächtern waren auf ihn und Bregs gerichtet. Das Lächeln, was mancher von ihnen hatte, deutete darauf hin, dass sie die Diskussion spaßig fanden. Andere schüttelten wiederum nur mit dem Kopf. Er nahm an, dass es sich um ein "Wenn ihr sonst keine Probleme habt" Schütteln handelte.
"Das ist doch nicht unlogisch.", antwortete Bregs mit gespielter Verwunderung. "Das ist der Menschliche Dummheitsfaktor."
Valdimier schaffte es nur ein kurzes: "Häh?" als Antwort zu bringen. Er hatte jetzt mit Antworten wie: "So kann man aber eine größere Fläche absuchen." oder "So kann man Täter schneller finden." gerechnet.
"Ist doch ganz klar." Der Püschologe setzte seine Erklärermine auf. "Der Menschliche Dummheitsfaktor verhindert in einer solchen Situation, dass sich die betroffenen Personen logisch verhalten. Deswegen verhalten sie sich alle unlogisch, was dann wieder logisch ist."
"Aaaah jaaa.", antwortete Valdimier vorsichtig. Er merkte, dass er langsam den Boden unter den Füßen verlor. Es war ein Fehler gewesen zu versuchen, einem Püschologen etwas über menschliche Verhaltensweisen zu erzählen.
"Ich weiße da nur auf den Cthulhupalhulhu-Mythos hin."
Was ist denn das schon wieder?, überlegte Valdimier und der Boden schien jetzt ganz verschwunden zu sein.
"Cthulha... Cuschull..." Er gab entnervt auf. "Was für'n Ding? Das kann man ja gar nicht richtig aussprechen."
Bregs lachte kurz, wurde aber sofort wieder ernst.
"Der Cthulhupalhulhu-Mythos. Ein Paradebeispiel absoluter Dunkel- und Verdorbenheit. Tief im inneren jeden Individuums schlummert diese Dunkelheit."
Er sah die misstrauischen Blicke.
"Allerdings nicht so tief wie die Verzweiflung, die in jedem steckt."
"Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?", fragte Kanndra.
"In jedem ruht die Verzweiflung über sein bisheriges Leben.", erklärte Araghast. "Sie kann jederzeit zum Ausbruch kommen und einen in den Wahnsinn treiben."
"Und warum haben wir dann noch nicht alle kollektiven Selbstmord begangen?" Valdimier war auf die Antwort gespannt. Für ihn klangen diese Geschichten sehr weit hergeholt und höchst unlogisch...
"Dafür gibt es uns Püschologen.", erwiderte Bregs. In seinen Gedanken bereitete er schon einen Vortrag vor, den er gleich zum Besten geben würde.
Valdimier wollte gerade antworten, als er von jemandem unterbrochen wurde.
"Valdimier?"
Er drehte sich und vor ihm stand die Obergefreite Will Passdochauf. In ihren Händen, hielt sie ein Paket und die Anspannung in ihrem Gesicht ließ darauf schließen, dass es einiges an Gewicht mit sich brachte.
"Ein Bote hat das eben für dich am Tresen abgegeben. Scheint aus Überwald zu kommen."
Valdimiers Mine erhellte sich schlagartig.
"Aus Überwald?"
"So steht es jedenfalls hier."
Valdimier nahm das Paket dankend entgegen und stellte es vor sich auf den Tisch.
"Wer schickt dir denn was aus Überwald hierher?", fragte Araghast. Er war enttäuscht, dass seine Erzählung über den Cthulhupalhulhu-Mythos so schnell ein jähes Ende gefunden hatte.
"Rudi von Kalkstein", antwortete Valdimier und fing an das Paket auszupacken.
"Und wer ist Rudi von Kalkstein?", fragte Kanndra neugierig.
"Die Kalksteins hatten mit uns, den Varwalds, ein Bündnis. Jeder half dem anderen Clan, wenn er mal in Schwierigkeiten geraten sollte. Sei es, wenn ein paar Vampirjäger umherstreiften oder ein größerer Aufstand drohte." Während er erzählte, schnitt er vorsichtig die Paketschnüre durch. "Wir hatten auch untereinander ausgemacht, dass jede Familie ein paar Sachen der anderen in seinem Schloss verstaut. Für den Fall, dass es eine Familie erwischt."
"Erwischt?" Denkfalten bildeten sich auf Kanndras Stirn.
Valdimier unterbrach seine Auspackversuche und schaute die Hauptgefreite an. "Für den Fall, dass man doch gelyncht werden sollte und das Schloss niedergebrannt wird."
"Tut mir leid", antwortete die Späherin. Sie wusste, was mit Valdimier Eltern passiert war. Doch der Vampir winkte gelassen ab. "Ist schon gut. Was passiert ist, ist passiert und kann nicht mehr geändert werden."
Und du lagst besoffen in irgendeinem Keller als es passiert ist, erklang eine Stimme in seinem Kopf.
Er ignorierte sie. Mit der Zeit hatte er gelernt mit der Tatsache umzugehen, dass er für den Tod seiner Eltern verantwortlich war.
Zumindest glaubte er es.
"Und was für wichtige Sachen, werden dann gesammelt?" Araghast beobachtete ihn neugierig beim Auspacken.
"Das werden wir gleich sehen."
Er entfernte das Papier und eine Holztruhe kam zum Vorschein.
"Es hätte gereicht, mir nur den Inhalt zu schicken Rudi", sagte Valdimier laut. "Wahrscheinlich ist die Truhe schwerer als der Inhalt."
Vorsichtig entriegelte er die zwei Scharniere.
"So, mal schau'n." Er griff hinein und holte ein paar Bücher heraus. "Da hätten wir ein paar Tagebücher und die Geschichte der van Varwalds."
"Und was nützen einem solche Sachen, wenn man gelyncht wurde?"
"Also, das wichtigste für einen Vampir ist, dass sein Name auch noch nach seinem Tod...", er zögerte kurz, "... also wenn er richtig tot ist, noch lange bekannt sein wird. Außerdem könnte es ja doch jemanden geben, wie in meinem Fall, der bei dem Tumult nicht vernichtet wurde."
Er griff erneut in die Truhe und holte eine Pergamentrolle und eine Holzplatte heraus.
"Der Stammbaum und das Familienwappen."
Er legte die Pergamentrolle zur Seite und betrachtete das Wappen. Es bestand nur aus zwei Farben. Außer der roten Spitze war der Hintergrund des Wappens schwarz. In der Mitte befanden sich zwei Reihen mit roten Friedhofskreuzen. Die untere wies 5 von ihnen auf, während die Reihe darüber nur 3 hatte. Über ihr befand sich mittig ein größeres Kreuz, neben dem sich links und rechts jeweils zwei Wörter befanden. Es war der Satz, den sein Ururururgroßvater damals zum Familienmotto gemacht hatte.
Er seufzte leise. Alte Erinnerungen, an seine Eltern und sein untotes Leben in Überwald, keimten wieder auf. Erneut überkam ihn der Stolz, den er immer fühlte wenn er daran denken musste.
"Hier." Er legte das Wappen vor Kanndra und Araghast auf den Tisch.
"Cum mortuo vita incipit", las Kanndra langsam vor.
"Heißt in etwa: Mit dem Tod beginnt das Leben erst", übersetzte Valdimier.
"Trifft aber nicht gerade auf jeden zu." Der zynische Unterton in Araghasts Stimme war nicht zu überhören.
"Auf uns schon." Valdimier grinste, dass dabei seine spitzen Eckzähne zum Vorschein kamen.
Mit einem weiteren Griff fischte er einen versiegelten Brief aus der Truhe, öffnete ihn und überflog ihn kurz.
"Du erlaubst?" Kanndra hielt eins der Bücher hoch.
Valdimier warf einen kurzen prüfenden Blick auf den Titel, antwortete: "Sicher." und wand sich wieder dem Brief zu.
"Von Rudi?", fragte Bregs neugierig.
Ein knappes "Ja" war alles, was er als Antwort bekam.
"Was steht drin?"
"Er ist sehr bestürzt darüber, was meinen Eltern zugestoßen ist und wünscht mir viel Glück in Ankh-Morpork."
Valdimier las noch ein Stück weiter und musste kurz kichern
"Unser Igor ist jetzt bei ihm gut untergekommen und verschönert die Kerker. Die Spinnenweben seien von ausgezeichneter Qualität."
"Eure Aktivitäten in Überwald müssen ja sehr aufreibend gewesen sein." Bregs hatte eins der Bücher genommen und blätterte darin herum.
Valdimier hob den Kopf und sah denn Titel des Buches.
Oh nein, nicht dieses.
Seine Hand schoss nach vorne und zog es dem Püschologen aus den Händen.
"Entschuldige bitte. Aber das ist sehr privat", sagte er mit fester Stimme.
Bregs zuckte mit den Schultern.
Valdimier wollte das Buch wieder in die Truhe legen, als er etwas entdeckte was er vorhin übersehen haben musste.
Was zum?, dachte er und holte einen, in Stoff eingewickelten, länglichen Gegenstand heraus.
Ein Schwert kam zum Vorschein, als er den Stoff entfernte.
"Deins?", fragte Kanndra.
Valdimier nahm das Schwert in die Hand und betrachtete es. Die Klinge wies mehrere Dellen auf und kleinere Stücke waren heraus gebrochen. Der Griff machte einen abgenutzten Eindruck.
"Ja.", antwortete er auf Kanndras Frage.
Sein Gesicht warf tiefe Falten.
"Macht nicht gerade den besten Eindruck", kommentierte Araghast das Schwert. "Du solltest es mal zu einem Schmied bringen."
"Ich weiß", erwiderte der Vampir abwesend. Sein Blick war noch immer auf das Schwert gerichtet.
"Val?"
Valdimier zog ruckartig den kopf nach oben.
"Wiewas?"
Er starrte auf die Sachen, die vor ihm verteilt auf dem Tisch lagen.
"Äh, entschuldigt mich bitte." Hastig fing er an, alles wieder in die Truhe zurück zu räumen.
"Alles klar bei dir?", fragte Kanndra. Verwirrtheit und Besorgnis standen ihr ins Gesicht geschrieben. Noch nie hatte sie den Vampir dermaßen abwesend erlebt.
"Jaja, alles bestens." Valdimier schloss die Truhe. "Ich muss jetzt nur in mein Büro."
Er nahm die Kiste und verschwand schnellen Schrittes aus der Kantine.
Die zurück gebliebenen FROG Wächter schauten sich verwundert an.
"Was war das denn jetzt?", fragte der Püschologe schließlich.

***


Die Öllampe in Valdimiers Büro war heruntergedreht und tauchte so den Raum in ein schummriges Orange. Verschiedene Schatten wurden an die Wände geworfen und tanzten dort mit den Bewegungen des Kerzenlichts.
Valdimier saß still an seinem Schreibtisch. Den Inhalt der Truhe hatte er in den Schubladen verstaut. Nur das Schwert und das Buch, was er Bregs aus den Fingern gerissen hatte, lagen vor ihm auf den Tisch. Seine Augen ruhten auf den zwei Gegenständen.
Schließlich nahm er das Schwert erneut in die Hand. Die Klinge schimmerte matt im Licht der Lampe und er konnte seinen Namen erkennen, der im unteren Teil der Klinge eingraviert war.
Du hast Schande über deine Familie gebracht junger Varwald, schallte es in seinem Kopf. Doch diesmal war es nicht die Stimme seiner Gedanken die zu ihm sprach. Es war eine Stimme, die in seinen Erinnerungen hauste und er hatte gehoffte, sie nie wieder hören zu müssen.
Das wirst du mir büßen Varwald. Die Stimme zog ein Echo hinter sich her und durchzog seinen Kopf. Am liebsten hätte er sich das Schwert durch seinen Schädel gerammt, in der Hoffnung, so die Stimme zum schweigen zu bringen.
Er legte das Schwert in eine Schublade und schob sie zu. Im Gegensatz zu den anderen schloss er diese doppelt ab.
"Ich hatte dir doch gesagt, dass du es vernichten solltest." Seine Zurechtweisung war an Rudi gerichtet, der Meilen weit weg war. "Und jetzt schickst du es mir hierher. Was hast du dir nur dabei gedacht?"
Er griff nach dem auf dem Schreibtisch liegenden Buch. Es war um einiges dünner als die anderen Bücher, die ihm zugeschickt wurden waren.
Es war ein spezielles Buch seines Vaters. Tagebuch von Helmig van Varwald las Valdimier. Später hatte sein Vater noch Die Zeit der tausend Feuer hinzugefügt.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Vater dieses Buch an Rudi übergeben hatte.
Ob Rudi darin gelesen hatte?
"Hey du!" Reggies Stimme erklang aus dem Postrohr. "Post vom Boss."

Nachdem Venezia vor kurzem ein paar ernste Worte mit dem Zustellungsdämon gewechselt hatte, wurden die Nachrichten mit einer geringeren Geschwindigkeit zugestellt als sonst.
So kam es, dass der Nachrichtenbehälter nicht, wie üblich, an die gegenüberliegende Wand schmetterte, sondern es nur in die Mitte des Büros schaffte und dort auf dem Fußboden liegen blieb. Seufzend erhob sich der Hauptgefreite von seinem Stuhl und hob das Behältnis auf. Er hatte mal versucht, seinen Schreibtisch so zu positionieren, dass die Behälter direkt darauf landen würden. Doch nach dem ersten Test verwarf er dieses Vorhaben wieder. [3]
Bitte sofort in mein Büro kommen. Gez. OLt. Venezia Knurblich, stand auf der kleinen Nachricht.
Valdimier verstaute den Behälter und das Tagebuch in seinem Schreibtisch, löschte die Öllampe und verließ das Büro. Mal sehen, was die Schäffin von ihm wollte.

***


Ein schnelles "Herein" ertönte, als Valdimier an die Tür des Oberleutnants klopfte. Er öffnete und trat ein.
Venezia saß auf ihrem Schreibtisch und war gerade damit beschäftigt, verschiedene Akten zu ordnen. Neben ihr standen ein mit Kaffee gefüllter Fingerhut und ein kleiner Teller, auf dem ein Stück von Schnappers Würstchen lag. Er stellte sich vor den Schreibtisch und salutierte.
"Du wolltest mich sprechen?"
"Ah Valdimier." Sie erwiderte den Gruß. "Setz dich."
Valdimier kam der Aufforderung nach und setzte sich in einen der Sessel.
"Also, ich brauche heute Abend deine Hilfe.", erklärte Venezia.
"Um was geht es denn?"
"Schau selbst." Sie deutete auf einen Zettel, der vor ihr auf dem Tisch lag. "Ein Junge hatte den Brief heute Mittag am Tresen abgegeben."
Valdimier nahm das Blatt Papier und las:

An die Wache:

Ich benötige Ihre Hilfe. Ich bin der Besitzer eines Waffenladens und ich werde seit kurzem von einer unbekannten Organisation unter Druck gesetzt. Sie wollen, dass ich mein Geschäft in drei Tagen aufgebe, oder sie sorgen dafür, dass ich keinen Laden mehr brauche. Da mir auch mit dem Tode gedroht wurde, wenn ich mit jemanden über diese Angelegenheit reden würde, kann ich nicht persönlich vorbeikommen. Daher bitte ich Sie, sich mit mir heute Abend um 8 Uhr in der Taverne "Die goldene Blutaxt" zu treffen. Fragen sie einfach nach Gorie.


"Was soll das denn?", fragte Valdimier und legte den Brief wieder auf den Tisch. "Auf der einen Seite will er nicht, dass er mit einem Wächter gesehen wird und dann will er sich mit uns in einer Taverne treffen?"
"So ganz verstehe ich das auch nicht. Vielleicht will uns auch nur jemand auf den Arm nehmen." Der Oberleutnant zuckte mit den Schultern. "Wie auch immer. Da wir keinen Hilferuf ignorieren dürfen und Gorie, wie er hier so schön heißt, anscheint nicht zu uns kommen will, müssen wir wohl zu ihm."
"Wir?"
"Natürlich. Ich würde schon gerne selber hören, was Gorie zu erzählen hat und falls es unangenehm wird, kann man immer etwas Rückendeckung gebrauchen."
"Verstehe."
"Und du glaubst doch wohl etwa nicht, dass ich den ganzen Weg dorthin laufen werde?"
Ich habe es doch gewusst.
"Natürlich nicht."
"Dann ist ja gut und jetzt zieh dir was Schönes an. Wir werden dort natürlich in zivil erscheinen."

***


Um halb acht stand Valdimier wieder im Büro des Oberleutnants. Seine Uniform hatte er gegen einen seiner Abendanzüge getauscht. Der Anzug bestand aus einer schwarzen Hose, einem weißen Hemd und einem schwarzen Jackett. Unnötig zu erwähnen, dass er seinen Umhang nicht vergessen hatte.
Venezia trug eine dunkelbraune Wildlederhose und ein eng geschnürtes Hemd, was in einem hellen Braun gehalten war.
"Sieht schick aus", antwortete Valdimier ungefragt.
"Danke. Aber findest du deinen Auftritt nicht etwas protzig?" Sie musterte seinen Anzug eindringlich. "Wir gehen in eine Taverne und sind nicht bei Adel geladen."
Der Vampir blickte an sich herunter und kontrollierte seine Kleidung.
"Das ist doch nicht Besonderes. In Überwald waren meine Anzüge aus feinsten Stoff und..."
"Schon gut schon gut.", unterbrach ihn Veni.
"In meiner Familie wurde eben Wert auf ein sicheres und gepflegtes Auftreten gelegt."
Valdimiers Stimme wurde ernster. Auch wenn er nicht mehr in Überwald lebte, wollte er doch etwas von seinem Stolz bewahren.
Der Oberleutnant schaute zu Boden und fing an zu murmeln.
"Mit anderen Worten hochnäsig."
Doch der Vampir hörte ihre Worte und verzog das Gesicht.
"So drücken es Personen aus, die keine Ahnung davon haben oder einfach nur neidisch sind."
"Vorsicht mein Freund." Sie hob mahnend den Zeigefinger. "Ich bin immer noch deine Vorgesetzte Herr Hauptgefreiter."
Den Dienstgrad betonte sie extra deutlich.
"Jawohl Ma'am. Ich habe verstanden Ma'am." Er richtete sich auf und stand still.
Sie blickten sich an und auf beiden Gesichtern erschien ein Lächeln. Damit schienen alle Differenzen ausgebügelt zu sein.
"OK, dann verstehen wir uns also." Erfreut klatschte sie in die Hände. "Dann wollen wir mal!"
Mit einer Fingerbewegung forderte sie den Vampir auf, näher zu kommen.
Als er vor dem Tisch stand, sprang sie auf, griff nach seinem Kragen und schwang sich auf seine Schulter.
"Wo befindet sich Die goldene Blutaxt eigentlich?" Grummelnd brachte er seinen Kragen wieder in die richtige Position.
"Wir müssen in die Frusthausstraße. In der Nähe vom Hide Park."
"Alles klar."
Zusammen verließen sie Venezias Büro und kurz darauf das Wachhaus.

***


Um kurz vor acht standen sie vor der Taverne mit dem, wie Valdimier fand, recht komischen Namen und betrachteten den Eingang.
"Eigentlich hätte uns der Name schon darauf bringen können, dass es eine Zwergen Taverne ist" Venezia rutschte auf der Schulter des Armbrustschützen umher. "Und Gorie klingt auch sehr zwergisch."
Sie beobachteten, wie ein paar Zwerge die Taverne betraten. Als die Tür sich für einen kurzen Moment öffnete, drang der für Zwerge typische Gesang auf die Straße. Valdimier konnte sich gut vorstellen, das er von einem bei Zwergen sehr beliebten Edelmetall handelte.
"Wenn wir Helme aufhätten, würden wir sicher nicht sehr auffallen." Valdimiers Stimme triefte vor Sarkasmus. Er musste an seinen letzten Tavernenbesuch denken[4]. Damals wäre es fast schief gegangen. Und diesmal waren sie nur zu zweit.
"Sehr witzig." Venis Stimme klang ernst. "Aber was wollen wir machen? Wir haben keinen Zwerg bei FROG und außerdem sind wir jetzt hier. Also lass uns reingehen."
"Moment noch." Valdimier schaute sich um und zog sich in eine dunkle Ecke zurück.
Nachdem er sich versichert hatte, dass ihn niemand beobachtete, griff er hinter sich und holte eine Pistolenarmbrust hervor.
Venezia verfolge die Aktion misstrauisch.
"Was wird das denn?"
"Nur eine kleine Sicherheitsmaßnahme", antwortete der Vampir.
Er lud die Armbrust und hängte sie, nachdem er die Sicherung überprüft hatte, wieder an den Gürtel. Sein Umhang verdeckte die geladene Waffe und er konnte sie ohne große Mühe erreichen.
Er blickte zur Seite und schaute direkt in die ernsten Augen seiner Vorgesetzten.
"Keine Sorge. Ich benutz sie nur im absoluten Notfall."
"Ich glaube...", Ihr Tonfall war so trocken wie die Wüste in Djelibeby, "...wenn es zum absoluten Notfall kommen sollte, hilft dir das Ding auch nicht mehr viel"
Valdimier ignorierte den Kommentar und begab sich zur Eingangstür.
Als er nur noch ein paar Schritte von der Tür entfernt war, hörte er schon die lauten Geräusche aus dem Inneren der Taverne. Neben den allgemeinen Gesängen hörte man auch verschiedene lautstarke Diskussionen. Nur das Geräusch von splitternden Holzmöbeln blieb aus. Wahrscheinlich waren die Zwerge dazu noch nicht betrunken genug.
Doch all der Lärm verwandelte sich in absolute Stille, als Valdimier die Tür öffnete und in das Innere trat. Er konnte nicht genau sagen, wie viele Zwerge in der Taverne anwesend waren, doch er war sich sicher, dass zurzeit alle Augen auf ihn und die Gnomin auf seiner Schulter gerichtet waren.
Plötzlich brach Venezia das Schweigen und fing, zu Valdimiers Überraschung, an zu singen.
"Gold Gold Gold"
Nachdem sie an der zweiten Strophe angelangt war.[5], fingen die ersten Zwerge an, mit in den Gesang einzusteigen. Als sie dann bei der dritten angelangt waren, sang fast die gesamte Taverne mit.
"Anscheinend finden sie jeden sympathisch, der ihre Liebe zum Gold teilt", flüsterte Valdimier leise. Vorsichtig machte er sich auf den Weg zum Tresen. Dabei musste er eine gebückte Haltung annehmen, um sich nicht an den Deckenpfosten den Kopf zu stoßen.
"Das ist eigentlich immer so", flüsterte Veni zurück. "Man muss nur ihre Vorlieben kennen. Dann ist alles ganz leicht. Aber sei vorsichtig. Wir werden immer noch beobachtet."
"Ich weiß.", antwortete der Vampir.
Auch ihm war aufgefallen, dass noch immer ein paar Augenpaare auf sie gerichtet waren.
"Überlass mir das Reden, wenn wir am Tresen sind", flüsterte Venezia.
Kurz nachdem Valdimier am Tresen angelangt war, erschien auch schon der Wirt und musterte die Neuankömmlinge erst einmal misstrauisch.
"Was kann ich denn für euch zwei tun?"
"Wir sind hier um Gorie zu sprechen", erklärte Veni. "Er erwartet uns schon."
"Ihr wollt zu Gorie? Der sitzt dort hinten." Mit dem Finger zeigte der Wirt auf einen Zwerg, der alleine in einer dunklen Nische saß. Als hätte er die Blicke der Wächter auf sich gespürt, drehte er den Kopf und blickte finster zurück. "Was wollen denn ein Blutsauger und ein Winzling von einem Zwerg?"
Bei der Bemerkung zuckte Valdimier unweigerlich zusammen. Venezia ignorierte den "Winzling" und beugte sich etwas nach vorne.
"Mein Name ist Caroline von Naggefels. Ich bin Händlerin aus Überwald und ich bin hier um mit Herrn Gorie ein Geschäft abzuschließen."
"Und der Blutsauger?"
"Das ist mein Butler James."
Valdimier konnte nur mit Mühe vermeiden laut "Dein Butler??" zu rufen. So blieb es bei einem leichten Zucken seiner Mundwinkel.
"Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn sie statt Blutsauger Vampir sagen würden."
Der Wirt zuckte mit den Schultern und widmete sich dem nächsten Kunden.
"Butler?", fragte Valdimier Veni, als er sich auf den Weg zu Gorie machte.
"Was ist daran falsch? Jede größere Geschäftsfrau hat ihren Butler."
Valdimier konnte sich das Grinsen auf ihrem Gesicht deutlich vorstellen.

Sie erreichten ohne größere Probleme die Nische und der am Tisch sitzende Zwerg, der angeblich Gorie war, würdigte sie keines Blickes, als sie sich neben ihn stellten.
"Arr, wer seit ihr?"
"Sie wollten mit uns sprechen", erklärte Venezia, ohne sich vorzustellen..
"Arr, wie kommt ihr denn darauf?"
"Sie sind doch Gorie oder?"
"Arr, genau der bin ich."
Diesmal war es Valdimier der fragte.
"Dann haben Sie uns doch den Brief zukommen lassen, oder?"
Der Zwerg hob den Kopf
"Arr, Ihr seit von der Wache?"
"Wollen Sie unsere Marken sehen?" Der Vampir steckte die Hand in eine Tasche. Er hatte keine Lust, länger als nötig in dieser Kneipe zu bleiben und ein langes Fragen und Antworten Spiel war unnötig. Doch der Zwerg hob beschwichtigend die Hand.
"Arr, schon gut schon gut. Lass das Ding stecken. Ich will nicht, dass mich jemand mit der Wache sieht." Der Zwerg schaute sich kurz um. "Setzt euch."
Valdimier nahm gegenüber dem Zwerg Platz. Venezia sprang auf den Tisch und suchte sich eine Stelle, die noch halbwegs sauber war, um sich ebenfalls setzen zu können.
"Arr. Du bist sicher der Boss." Gorie blickte Valdimier erwartungsvoll an.
"Falsch, ich bin der Boss", erwiderte Venezia.
Der Zwerg starrte auf den Oberleutnant.
"Arr. Ein Gnom?"
"Eine Gnomin wenn schon."
"Arr. Ich hatte eigentlich mit jemand größerem gerechnet", erwiderte Gorie. "Ich hätte nicht geglaubt, dass man jemanden schickt, der kleiner ist als ich."
"Wir können auch gerne wieder gehen, wenn Ihnen meine Größe nicht passt." Die Gereiztheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Sie war sicherlich nicht hierher gekommen, um eine Diskussion über ihre Größe zu führen.
"Arr. Schon gut." Er räusperte sich. "Also mein Name ist Gorie Blutsberg. Und wie ihr aus meinem Brief entnehmen könnt, brauch ich eure Hilfe."
"Das wissen wir bereits. Was genau ist denn jetzt vorgefallen? Wer bedroht Sie denn so sehr?"
"Arr. Ich weiß nicht. Es fing alles vor zwei Tagen an, als ich..."
Er stoppte, als der Wirt an den Tisch herantrat.
"Kann ich euch was zu essen oder zu trinken anbieten?"
"Für mich nichts", antwortet Veni.
Valdimier bestellte ein Wasser.
"Ein Wasser?", rief der Wirt verwundert.
Erneut füllte sich die Taverne mit einem bedrückenden Schweigen und alle Augen waren auf den Vampir gerichtet. Hätten hier Ratten gelebt, hätte man sicher ihr krabbeln hinter den Holzwänden hören können.[6]
"Äh.." Er versuchte etwas zu sagen, doch er wusste nichts Sinnvolles.
Gorie schien seine aussichtlose Situation zu bemerken und rief etwas in Zwergensprache.
"Gru'k bakr'kru'kkg Sk'urk'kk ga'sk."
Kurz darauf verfielen erst er und dann der Rest der Taverne in schallendes Gelächter.
Valdimier schaute sich verlegen um. Ein Haufen Zwerge, die über ihn lachten und er nicht wusste warum, waren nicht gut für seine Selbstsicherheit.
"Also gut. Ein Wasser für dich", lachte der Wirt, nachdem er sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte und verließ kichernd den Tisch.
"Dürfte ich erfahren, was Sie da eben über mich gesagt haben?" Der Vampir versuchte mit fester und entschlossener Stimme zu reden.
"Arr, dass dir deine Mutter verboten hat, Bier zu trinken."
"Sind Sie übergeschnappt?" Die Wut schoss in ihm empor. "Jetzt hab ich gar keine Achtung mehr vor Ihren Kollegen hier."
"Arr, hör mir mal gut zu Freundchen. Nur ein Narr bestellt ein Wasser in einer Taverne wie dieser."
Valdimier betrachtete ein paar der anwesenden Zwerge. Viele von ihnen hatten große Streitäxte an den Rücken gebunden. Ohne dass er es richtig mitbekam, glitt seine Hand hinter seinen Rücken und kontrollierte, ob die Armbrust noch an ihrem Platz war.
Wenn hier die Hölle losbricht, wäre eine direkte Flucht durchs Fenster angebrachter.
"Da wir das jetzt geklärt haben", ergriff Venezia das Wort. Sie hatte den letzten Sätzen mit Belustigung gelauscht und wollte nun wieder zurück zum eigentlichen Thema kommen. "Können Sie uns jetzt genau sagen, was passiert ist?"
Blutsberg versicherte sich noch einmal, dass niemand in seiner Nähe war und fing an zu erzählen.
"Arr, also. Es begann alles vor zwei Tagen. Ich betreibe einen kleinen Waffenladen in der Rieselgasse und, wie gesagt, vor zwei Tagen kamen zwei Personen herein und scheuchten erst mal alle Kunden raus. Einer von ihnen sah vom Körperbau aus wie Arnoldo Schwarzwälder. Er war groß und muskelbepackt."
"Und der andere?"
"Der war etwas kleiner. Er sah aber genauso bullig aus wie der andere. Als wir dann alleine waren, zog der kleinere von ihnen eine Armbrust und zielte auf mich. Ich dachte erst, dass die mich ausrauben wollten, doch dann packte mich der zweite am Kragen und hob mich von den Füßen."
"Was passierte dann?"
"Psst!" Valdimier deute auf den Wirt, der sich ihrem Tisch näherte.
"So, ein Wasser", rief er lauter als benötigt und stellte das Glas ab.
An verschiedenen Tischen war ein vereinzeltes Kichern zu hören.
Als der Wirt wieder gegangen war, fuhr Gorie mit seiner Erzählung fort.
"Arr, er hielt mich genau vor sein Gesicht und erklärte mir, dass sein Boss wolle, dass ich mein Geschäft innerhalb von drei Tagen aufgebe."
"Hat er auch gesagt warum?"
"Nein, hat er nicht. Als ich fragte, was passieren würde, wenn ich mich weigern oder zur Wache gehen würde, sagten sie mir, dass man mich dann mit meinem Laden aus dem Weg räumen würde."
"Und was war dann?"
"Arr, dann haben sie mein Geschäft verlassen. Aber nicht ohne vorher eins meiner Regale umzuwerfen."
"Und sind die Typen wieder gekommen?"
"Arr, nein. Ich dachte ja erst, dass es ein Scherz war. Aber in der folgenden Nacht hat man mir eins meiner Fenster mit einem Stein eingeworfen. Daran war ein Zettel befestigt auf dem Lass dir lieber nicht zulange Zeit stand. Das Fenster ließ ich am nächsten Tag von einem Glaser erneuern, doch in der nächsten Nacht, warf man mir das andere ein. Diesmal stand auf dem Zettel Bist du immer noch hier?"
"Können Sie sich vorstellen, wer hinter der Drohung stecken könnte?", fragte Valdimier und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Zu seiner Überraschung schmeckte es nach normalem sauberem Wasser. Er hatte eher damit gerechnet, dass ihm der Wirt etwas von dem Spülwasser einschenken würde.
"Arr, nein. Ich hab keine Ahnung wer dahinter stecken könnte."
"Klingt fast nach einem Konkurrenten, der Sie aus dem Weg haben möchte."
"Arr, ich wüsste nicht, wer das sein soll. In der näheren Umgebung gibt es keinen anderen Schmied oder Waffenhändler, dem ich das Geschäft abstreiten könnte."
"Dann werden wir es wohl herausfinden müssen", antwortete Venezia. "Wir lassen Ihren Laden einfach bewachen und..."
"Arr, das kommt überhaupt nicht in Frage", unterbrach sie Gorie. "Diese Typen haben gedroht mich umzubringen, wenn ich zur Wache gehe."
"Und was sollen wir sonst machen?", fragte Valdimier.
"Arr, woher soll ich das wissen. Was bringt mir ein Beobachter, wenn man mich kurz darauf tot auf dem Ankh findet?"
Venezia schien über eine weitere Lösung nachzudenken. Valdimier fragte sich, wo das Problem war. Sollten doch alle wissen, dass dieser Blutsberg zu ihnen gegangen war. Wenn man dann versuchen würde ihn umzubringen, wären sie zur Stelle und der Fall wäre gelöst.
"Betreuen Sie irgendwelches Personal?", fragte die Gnomin schließlich.
Doch Gorie schüttelte den Kopf.
"Arr, jetzt nicht mehr. Meine Aushilfe hat heute Morgen aus lauter Angst gekündigt."
Das würde ich auch machen, wenn man meinem Chef mit dem Tode droht.[7]
"Was sind denn die Aufgaben ihrer Aushilfe?"
"Arr, nichts Besonderes. Man gibt nur die Waffen an die Kunden raus und sorgt für Ordnung und Sauberkeit."
Valdimier setzte sein Glas erneut an und nahm einen tiefen Schluck. Plötzlich bemerkte er aus den Augenwinkeln, dass ihn die Gnomin anscheute. Langsam setzte er das Glas ab und erwiderte ihren Blick.
"Nein, kommt überhaupt nicht in Frage."
"Warum denn nicht?"

***


Eine halbe Stunde später schlenderte Valdimier, mit seiner Vorgesetzten auf der Schulter, durch die dunkeln Gassen von Ankh-Morpork. Um etwaige Verfolger zu erkennen nahmen sie einen größeren Umweg durch die verschiedenen Seitengassen, die die Stadt so mit sich brachte.
"Was ist denn los?" Den amüsierten Tonfall in Venis Stimme hätte selbst ein schwerhöriger Elefant nicht überhören können.
"Mein neuer Job bereitet mir nicht gerade sehr große Freude."
"Warum das denn?"
Der Hauptgefreite war in Gedanken versunken und ließ sich das hinter ihm liegende Gespräch durch den Kopf gehen. War es wirklich passiert? Hatte sie dem Zwerg wirklich zugesichert, dass Valdimier morgen als verdeckter Bodyguard bei ihm arbeiten würde?
"Ich bin nicht zu FROG gekommen, um einen Verkäufer zu mimen. Das hätte man mir vorher sagen sollen."
"Ach komm schon." Sie versuchte ihn aufzumuntern. "Das wird sicher interessant. Außerdem muss ein FROG flexibel sein und sich immer der Situation anpassen können."
"Ja, aber ich mein..", Er zögerte kurz um zu überlegen, "..ich mein, das ist doch ein verdeckter Einsatz oder? Wieso machen das dann nicht die Leute von RUM?"
"Weil es auch Personenschutz ist. Das ist, wie du sicher weißt, unser Gebiet." Ein leises Kichern ertönte auf der Schulter des Armbrustschützen. "Aber ich muss schon sagen. Die Broschüre, die er dir gegeben hat, hat was."
"Du findest es sicher unglaublich witzig." Er griff in seine Seitentasche und holte einen kleinen Prospekt heraus. Gorie hatte ihn ihm gegeben, bevor sie sich verabschiedet hatten.
"Die 10 besten Tipps und Tricks zum guten Verkäufer", las er vor.
Venezia lachte laut auf.
"Du musst deinen Job ja auch anständig erfüllen." Er spürte, wie sie seine Schulter tätschelte.
"Das mir ja keine Klagen kommen. Gorie möchte sicher nicht seine restliche Kundschaft verlieren."
Ein Seufzen erklang als Antwort.
"Ich wünschte ich hätte deinen Humor."

***


Nachdem sie wieder im Wachhaus angekommen warn, saßen sie wieder in dem Büro der Abteilungsleiterin. Valdimier hatte sich in einem der Sessel bequem gemacht und Veni saß auf ihrem Schreibtisch.
"Also gehen wir die Sache noch mal durch. Du begibst dich morgen früh zu dem Laden von Herrn Blutsberg."
Valdimier wiederholte gelangweilt seinen Auftrag.
"Dort werde ich dann auf den Zwerg aufpassen und versuchen herauszufinden, wer hinter den Drohungen steckt."
Plötzlich kam ihn eine Idee.
"Warum kann Sidney den Job eigentlich nicht machen? Er hat mehr Erfahrung als ich und ist sogar schon Korporal."
Die Gnomin blickte abwesend zur Seite.
"Weil mir der Umstand nicht gefällt, dass die Wörter Sidney und Waffenladen in einem Satz genannt werden."
Valdimier musste kurz lachen.
"Das ist nicht witzig.", antworte Veni. "Kommen wir zurück, auf deine Aufgabe. Ich möchte, dass du morgen Abend einen Bericht über die Vorkommnisse schreibst. Ich schicke dir dann jemanden vorbei, der ihn abholt."
"Wäre es nicht einfacher, wenn ich eine Taube losschicke?"
"Nein, das lassen wir lieber. Gorie vermutet ja, dass er beobachtet wird. Wenn das stimmt, und du schickst eine Taube, könnte das unsere Tarnung auffliegen lassen"
"Aber so würden wir auch herausfinden, wer hinter der Sache steckt und wir könnten eine Falle stellen."
"Und Gorie unnötig in Gefahr bringen." Sie schüttelte mit dem Kopf. "Du nimmst zwar eine Taube mit, aber die benutzt du nur im Notfall."
"Ich bin trotzdem für die direkte Methode."
Venezia seufzte angenervt.
"Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass du alles daran setzt, diesen Job zu umgehen."
"Weil ich denke, dass es ein dummer Job ist", antwortetet Valdimier trocken. Für ihn klang es recht langweilig, verschiedenen Leuten etwas über Waffen zu erzählen und Staub zu wischen.
"Ach Val. So schlimm wird?s schon nicht werden. Du brauchst keine Angst zu haben."
Es war nicht zu überhören, dass der letzte Satz reine Provokation war.
Valdimier stand auf und ging zur Bürotür.
"Ich hab keine Angst." Er öffnete die Tür und drehte sich noch mal zum Oberleutnant um.
"Ich fürchte nur, dass mich der Job mehr Nerven kosten wird, als ein Raum voller unlizenzierter Diebe und Mörder. In Ankh-Morpork gibt es Zivilisten, die schlimmer sind als die brutalsten Schwerverbrecher. Nur haben sie noch nie jemanden umgebracht."

***


Valdimier öffnete die Augen.
Wo war er?
Er schaute um sich. Dichter Nebel umhüllte ihn. Selbst der Boden bestand aus der undurchdringbaren Wand aus grauem Dunst. Er ging wahllos in eine Richtung. Seine Schritte bewirkten dabei keinerlei Geräusch, die die gespenstische Stille um ihn herum durchschneiden könnten.
Plötzlich erklangen Schreie. Es waren die Schreie eines Kindes. Eines Babys.
Er lief in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Sie wurden lauter und das weinen einer Frau drang an sein Ohr.
Tiefe Beunruhigung stieg in ihm auf. Doch sein Verstand teilte ihm mit, dass es nicht möglich sein konnte, was er befürchtete.
Die Schreie wurden lauter und in dem Nebel kamen die Umrisse eines Hauses zum Vorschein.
Valdimier verlangsamte seine Geschwindigkeit. Was sollte das alles? War das hier real?
Langsam bewegte er sich auf das Haus zu. Er konnte verschiedene Personen vor dem Gebäude ausmachen. Zwei von ihnen knieten auf den Boden und drei weitere standen vor ihnen.
Die Gewissheit traf ihn wie ein Hammerschlag. Er wusste wo er war. Er wusste, dass er der Linke der Stehenden war und die knieenden die Bewohner des Hauses und Mann und Frau waren.
Und er wusste, was passieren würde.
"Tu es Varwald", sprach die mittlere Gestalt mit einer Stimme, die ihm das Blut in den Adern gefrieren lies. Er hasste den Träger dieser Stimme. Er hatte ihn schon immer gehasst.
"Bitte nicht." Es war der auf dem Boden knieende Mann der die drei Stehenden anflehte. "Bitte habt Gnade mit uns."
Valdimier würde sein Flehen nie vergessen.
Die Frau neben dem Mann weinte. In ihrem Armen hielt sie ihr schreiendes Kind.
Doch es sollte nichts ändern.
"Tu es Varwald. Sie haben uns betrogen und dafür müssen sie büssen"
Es war wieder die mittlere Gestalt, die die Befehle erteilte.
Valdimier sah, wie sein zweites Selbst sein Schwert langsam hob.
Dieses Schwert kannte er nur zu gut. Es war die Waffe, die Rudi ihm geschickt hatte.
Valdimier rannte los und stürmte auf sich zu. Doch egal, wie sehr er sich anstrengen würde. Er konnte sich nicht rechtzeitig erreichen.
Das Schwert sauste auf den Mann herab.

Ein lauter Schrei drang durch den Pensionskeller von Frau Kuchen. Gefolgt von einem lautem Knall, als Valdimier gegen den Sargdeckel stieß.

***


Als ein neuer Morgen heran brach, lag Valdimier still in seinem Sarg und starrte an die Decke. Wie sich herausstellte, war es unnötig gewesen, dass er den Sargdeckel nach oben geklappt hatte. Es war für ihn unmöglich gewesen, für den Rest der Nacht ein Auge zuzudrücken. Zu groß war die Angst davor, dass er erneut an diesen Ort zurückzukehren würde und mit ansehen zu müsste, wie er den Mann umbringen würde. Es hatte Jahre gedauert, die Vergangenheit aus seinem Gedächtnis zu verdrängen und es hatte Jahre gedauert, bis er wieder ruhig schlafen konnte. Nun klopfte die Vergangenheit an die Tür und fragte spöttisch: "Hast du mich vermisst?"

Während er sich umzog, verfluchte er Rudi von Kalkstein. Doch dann fluchte er auch über sich selbst. Wie naiv war er eigentlich gewesen? Ihm hätte doch klar sein müssen, dass der Alptraum wiederkam, wenn er an diese Nacht zurückdenken würde.
Es ist vor langer Zeit geschehen und du kannst es nicht mehr ändern. Nun wirst du damit leben müssen.
Er schüttelte den Kopf und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Vor ihm lag eine Aufgabe und er hoffte, so auf andere Gedanken kommen.

***


Eine Viertelstunde später verließ Valdimier die Pension. Auf seinem Rücken befand sich ein Rucksack und in einer Hand trug er einen kleinen Käfig. Darin befand sich die Notfalltaube, die er von Rogi erhalten hatte. Natürlich nicht ohne ein paar ermahnende Worte mit auf den Weg zu bekommen.
Eigentlich hatte er vorgehabt Frau Kuchen zu bitten die nächsten 2 Tage nach seinem Zimmer zu schauen. Doch bevor er überhaupt die Frage formuliert hatte, antwortete sie schon mit einem: "Kein Problem. Aber die Miete verlang ich trotzdem."
Das Frühstück in der Pension lies er ausfallen. Er war sich sicher, dass die andere Bewohner der Pension von dem Ereignis letzte Nacht etwas mitbekommen hatten und er wollte unangenehmen Fragen und Blicken aus dem Weg gehen. Er würde sich einfach beim nächsten Bäcker und Metzger ein paar Brötchen mit Blutwurst besorgen.

***


Zirka 20 Minuten später bog er in die Rieselgasse ein und schaute sich etwas um. Auf der Strasse hatten ein paar Kinder mit Kreide verschiedene aneinanderhängende Quadrate gezeichnet und sprangen von einem in das andere. Gelegentlich waren kurze Rufe wie "Ätsch, du bist raus" zu hören. Meistens folgten sofort wilde Protestschreie, in denen behauptet wurde, dass man genau auf der Linie gelandet war.
Er beobachtete sie für einen kleinen Augenblick und ging dann auf einen kleinen Jungen zu, der gerade unter Gelächter seiner Freunde das Spiel verloren hatte. Als er Valdimier bemerkte rannte er zu den anderen und zeigte mit dem Finger auf den Vampir. Mit großen Augen musterten sie ihn, als er vor sie trat und mit einem kurzen "Hallo" begrüßte.
"Was wollen Sie, Mister?", fragte der Verlierer. "Wollen Sie sich etwa auch über den Lärm beschweren?"
"Lärm?", fragte Valdimier verwundert. "Welcher Lärm?"
"Ach, die doofe fette Frau Dickhaut beschwert sich immer, wenn wir hier unten spielen. Angeblich würden wir sie bei ihrem Schönheitsschlaf stören?"
"Ist das wahr?"
Auf seine Frage hin nickten alle Kinder unschuldig mit dem Kopf.
"Ja, die Frau Dickhaut ist voll blöd."
"Und was wollen Sie dann von uns Mister?", fragte ein anderer Junge.
"Ich suche jemanden und vielleicht wisst ihr ja, wo ich ihn finden kann."
Die Kinder wechselten einen kurzen Blick untereinander.
"Wen suchen Sie denn, Mister?"
"Einen gewissen Zwerg Namens Gorie Blutsberg. Er hat einen Laden hier in der Strasse und ich hab gehört, dass er Arbeit zu vergeben hat."
Ein Mädchen in der Gruppe hob die Hand.
"Ich glaub ich weiß wen Sie suchen, Mister."
Mit dem Finger deutete sie die Strasse entlang.
"Einfach da entlang, bis Sie auf der rechten Seite so ein Geschäft sehen. Da hängt auch ein kleines Schild an der Tür. Das sollte er eigentlich sein."
Valdimier kramte einen Vierteldollar aus seiner Tasche und gab ihn dankend dem kleinen Mädchen.
"Aber schön teilen, versprochen?"
"Versprochen, Mister."
Valdimier wollte gerade weitergehen, als erneut ihre Stimme hinter ihm erklang.
"Hey, Mister!!"
Valdimier drehte sich um.
"Warum sind Sie so blass? Sind Sie krank?"
Er überlegte kurz. Sollte er ihnen die Wahrheit sagen?
"Nein", antwortete er schließlich. "Nur todmüde."[7a]

***


Kurze Zeit später stand er vor einem kleinen Laden. Er war sich ziemlich sicher, dass es das Geschäft von Herrn Blutsberg war. Das Schaufenster hatte ein großes Loch, welches notdürftig mit Pappe verschlossen worden war. An der Tür hing ein kleines Schild, auf dem Aushilfe gesucht stand. Ein weiteres Schild hing darunter. Darauf stand Wer hier anfängt, geht drauf. Die verschiedenen Schriftarten ließen vermuten, dass die Schilder von verschiedenen Personen geschrieben worden waren.
Der Vampir schüttelte den Kopf.
Das kann ja noch was werden.
Er klopfte an die Tür, welche kurz darauf von Gorie geöffnet wurde.
"Arr, da bist du ja. Komm rein."
Valdimier betrat den Laden und stellte den Taubenkäfig auf den Boden. Ihm viel sofort auf, dass die Zimmerdecke für einen Zwergenladen recht hoch war. Er konnte mühelos stehen und es war noch genug Platz zwischen ihm und der Decke. Er hatte eigentlich damit gerechnet, entweder gebückt oder auf allen vieren durch den Laden gehen zu müssen.
Er ging zurück zur Tür um die zwei Schilder abzunehmen und zeigte Gorie das mit der Drohung.
"Hing das gestern Abend schon da?"
Abscheu bildete sich auf dem Gesicht des Zwerges.
"Arr, nein. Das muss heute Morgen aufgehängt wurden sein. Diese Schweine."
"Und das Fenster?" Er deutete auf die zerbrochene Scheibe. "Wann war das passiert?"
"Arr, als ich gestern aus der Taverne zurückkehrte, war es schon zerstört. Der Glaser kostet mich wieder ein Vermögen."
Valdimier klopfte ihm locker auf die Schultern und schloss die Tür.
"Bleiben Sie ruhig. Es ist noch zu früh, um sich aufzuregen. Da Sie erst in einer Stunde öffnen, würde ich vorschlagen, dass ich erstmal mein Gepäck verstaue und dann können Sie mir mal den Laden zeigen."

***


Frankie Blorök fragte sich, warum ausgerechnet ihm dieser langweilige Überwachungsjob zugeteilt wurde und warum ausgerechnet dieser, in seinen Augen durchgedrehter, Gnom sein Partner sein musste.
Sie steckten nun schon seit 2 Tagen in diesen Zimmer und dieser Gnom trieb ihn langsam in den Wahnsinn.
"Na los Zwerg", ertönte es vom Fenster. "Was willst du jetzt machen? Ich bin auf alles vorbereitet. Du hast keine Chance gegen mich."
Frankie schaute von seiner Times auf und blickte zu dem Gnom, der auf der Fensterbank saß.
"Ich sage es dir jetzt zum letzten Mal, Kogän." Er bemühte sich, nicht zu schreien. "Wir sollen ihn nur beobachten und Bericht erstatten, wenn etwas Außergewöhnliches passiert."
"Und was ist, wenn er zum Gegenangriff übergeht? Wir müssen doch vorbereitet sein."
"Der Boss hat dir doch erklärt, dass von diesem Blutsberg keine Gefahr ausgeht. Er wird sicher nicht zum Gegenangriff übergehen."
"Und was ist, wenn er seine Zwergenfreunde um Hilfe bittet? Ich hab keine Lust, mir die Kniescheiben abhacken zu lassen."
"Bei dir werden sie erst gar keine Kniescheiben finden."
"Auch darum brauchen wir uns keine Sorgen machen. Hast du überhaupt zugehört?"
Der Gnom warf ihn einen kurzen Blick zu und schaute dann wieder finster auf den sich auf der anderen Straßenseite befindenden Laden.
"Aber ich warne dich, Gorie. Bis jetzt hat sich noch niemand mit mir, Kogän Babarius, angelegt. Ich kann dein schlimmster Alptraum werden, wenn du einen Fehler machst. Selbst auf der Strasse weicht man mir aus lauter Angst aus."
Aus Angst, dich zu zertreten, dachte Frankie und stand auf.
"Ich geh mal kurz vor die Tür", rief er Kogän zu. "Etwas frische Luft schnappen."
Der Gnom schenkte ihm nicht sehr viel Aufmerksamkeit. Seine Blicke waren weiter aus dem Fenster gerichtet und er suchte irgend etwas wichtigem.
"Pass auf, dass er dich nicht sieht."
Ohne eine Antwort zu geben, verlies Frankie das Zimmer und ging die Treppe in Richtung Haustür hinab.
Warum hatte er nur diesen Job angenommen? Als man ihm in dieser Kneipe eine Arbeit angeboten hatte, bei dem sich angeblich ein paar leichte Ankh-Morpork Dollar verdienen ließen, hatte er gleich zugeschlagen.
Du musste nur aufpassen, was dieser Zwerg macht, hatte man ihm aufgetragen.
Hätte er gewusst, dass er zusammen mit diesem kleinen größenwahnsinnigen Gnom in einem Zimmer hocken würde, hätte er dankend abgelehnt.

Gerade als er die Haustür öffnete sah er, wie sich auf der anderen Straßenseite die Tür von Blutsbergs Waffenladen schloss. Sofort stachen ihm die fehlenden Schilder ins Auge.
Was zum Teufel?
Sofort drehte er sich um und lief die Treppe hoch.

***


Kogän starrte weiter aus dem Fenster, als sich die Tür hinter Frankie geschlossen hatte. Warum nahm Frankie diesen Job nur auf die leichte Schulter? Was ist wenn sich der Boss geirrt hatte und der Zwerg schon seinen Gegenschlag plante? Dann würde es an ihm hängen, die Situation zu retten.

Hier sollte kurz die Persönlichkeit von Kogän erläutert werden. Wie jeder weiss, gibt es Menschen, die mit ihrem körperlichen Erscheinungsbild nicht sehr zufrieden sind. Entweder findet man sich zu dick, zu dünn oder zu hässlich. Bei Kogän ist es der Fall der Kurzheit. Er hatte immer ein Problem damit, dass damals dem Schöpfer allen Anschein nach das Material ausgegangen war, als er an der Reihe war. So kam es, dass Kogän seinen Mangel an körperlicher Größe mit einem Überschuss an Selbstbewusstsein ausglich. Mit den Jahren fing er an sich einzubilden, dass die Menschen vor ihm Angst hatten. Wenn ihm in einer Kneipe auf den Tresen geholfen wurde, dann war er davon überzeugt, dass dies geschah, weil man ihn fürchtete. Das es aber in Wirklichkeit daran liegen sollte, weil man Mitleid mit ihm hatte, war in seinen Augen völliger Blödsinn. Dass er mit dieser Überzeugung noch lebte und nicht schon längst von einer Faust zu Gnomenmus verarbeitet worden war, sprach dafür, dass ihn der Schöpfer auch mit einer gehörigen Portion Glück ausgestattet hatte. Kogän sah darin allerdings nur eine Bestätigung seiner körperlichen Überlegenheit.

"Die werden schon sehen", murmelte er. "Wenn es so weit ist, werde ich diesen Zwerg aus dem Weg räumen."
Auch wenn der Boss gesagt hatte, dass er und Frankie nur beobachten sollten, hatte Kogän schon einen, in seinen Augen vorzüglichen, Kampfplan ausgearbeitet.
"Na warte nur, Blutsberg. Wir sehen uns noch. Dann werde ich..."
Seine Beschwörung brach ab, als eine Person auf der Strasse auftauchte und sich den Laden anschaute. Der Statur her war es ein Mann. Auf seinem Rücken befand sich ein Rucksack und in einer Hand hielt er einen kleinen Käfig, in dem sich etwas bewegte. Kogän beobachtete, wie der Fremde an die Tür klopfte. Die Tür öffnete sich und er verschwand im Inneren des Gebäudes.
Wer ist das und was will er von Blutsberg?
Seine Frage schien sich zu beantworten, als der Fremde wieder in der Tür erschien und die Schilder an sich nahm. Danach verschwand er im Laden und die Tür schloss sich wieder.
Aufgeregt rieb sich der Beobachter die Hände.
"Anscheinend haben wir einen neuen Spieler auf dem Brett."
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Frankie stürmte in den Raum und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
"Was war das eben?", keuchte er. "Gorie hat nur die Schilder abgehängt. Oder?"
Kogän starrte weiter auf den Laden.
"Ich glaube, dieser Blutsberg hat kein Interesse daran, das Geschäft aufzugeben." Er bemühte sich, Bewegungen im Inneren auszumachen. "Jedenfalls scheint er einen neuen Mitarbeiter zu haben."
"Was? Hat der die Warnung nicht gelesen? Wie sah er denn aus?"
"Ich konnte ihn nicht richtig sehen, aber sehr gesund scheint er nicht zu sein."
"Wie kommst du denn darauf?"
"Seine Haut sah ziemlich ausgebleicht aus."
Frankies Magen krampfte sich zusammen.
"Ein Vampir?"

***


"Arr, und das hier ist der Schießstand." Gorie hatte Valdimier in den Hinterhof geführt. "Hier können Kunden Waffen testen, die sie kaufen wollen."
Der Zwerg hatte zwei menschenförmige Zielscheiben in dem Hof platziert. Beide wiesen schon eine große Anzahl von Löchern auf. Was Valdimier allerdings mehr beeindruckte, war die Anzahl von Einschusslöchern, die sich in der Mauer hinter den Scheiben befanden. Er begutachtete die Beschädigungen. Manche Positionen der Einschüsse, ließen vermuten, dass der Schütze allen Anschein nach betrunken gewesen war.
Er ging zurück zu Herrn Blutsberg und fragte: "Lassen Sie eigentlich jeden mit einer Waffe Probe schießen oder gibt es da gewisse Ausnahmen?"
"Arr, wenn man nicht gerade wie ein wahnsinniger Mörder aussieht, dann lassen wir jeden schießen."
"Wir?"
"Arr, schon vergessen? Du arbeitest jetzt für mich. Wenn je.."
Doch der Vampir unterbrach ihn in seiner Erklärung.
"Ich arbeite nur so lange für Sie, bis der Täter gefasst wurde."
"Arr, schon gut. Also, wenn jem.."
"Und das ohne Bezahlung Ihrerseits, möchte ich nur mal anmerken."
"Arr, sei still!" Das Gesicht des Zwerges schien rot anzulaufen. "Ich hab auch so schon genug Probleme, ohne mich jetzt mit dir streiten zu müssen."
Valdimier hob verteidigend die Hände.
"Ich wollte es nur gesagt haben."
"Arr, vergessen wir es. Also, wenn jemand eine Waffe ausprobieren möchte, wirst du ihn hierher begleiten und aufpassen, dass er keinen Unfug anstellt. Ich passe in der Zeit darauf auf, dass niemand etwas im Laden klaut."
Er zeigte auf die Tür, die zum Geschäft zurückführte und forderte den Wächter auf, ihm zu folgen.
"Arr, jetzt nur noch meinen Arbeitsplatz und wir sind fertig mit dem Rundgang."
"Ihr Arbeitsplatz?", fragte Valdimier, als sie den Laden betraten.
"Neben dem normalem Waffenverkauf biete ich noch einen Gravurservice. Jeder Kunde kann seine Waffe mit einer besonderen Gravur veredeln lassen."
Zusammen gingen sie durch eine andere Tür. In dem angrenzenden Zimmer stand ein kleiner Arbeitstisch, neben dem zu beiden Seiten verschiedene Waffen hingen. Über dem Tisch war ein Brett befestigt, an dem das Gravurwerkzeug befestigt war.
"Und was wollen die Kunden so alles in ihre Waffen reingraviert haben?" Neugierig begutachtete Valdimier ein Schwert, welches neben dem Tisch in einer Halterung hing. Es war mit einer Kletterpflanze verziert, die sich vom Griff bis zur Mitte der Klinge zog. Gorie schien sein Handwerk zu verstehen. Die Gravur war sauber und das Metall wies keine Beschädigung auf.
"Arr, alles mögliche. Entweder so Schnickschnack wie auf dem Schwert, was du da hast oder auch der eigene Name."
"Aha"
"Arr, aber es gibt auch Leute, die geben ihren Waffen Namen und lassen die dann eingravieren. Dabei kommen sie manchmal auf recht seltsame Ideen."
"Wie meinen Sie das?" Fragend blickte der Vampir auf den Zwerg.
Gorie nahm zwei Kurzschwerter vom Tisch und überreichte sie dem Vampir. Auf jeder Klinge war ein Name eingraviert.
"Bimmel und Bommel?" Er warf Gorie einen misstrauischen Blick zu. "Das kann doch nicht Ihr ernst sein oder?"
Der Zwerg zuckte mit den Schultern.
"Arr, wie gesagt, es kommen öfters recht komische Aufträge."
Valdimier gab mit einem Kopfschütteln dem Zwerg die Schwerter zurück.
Kein normaler Mensch nennt seine Schwerter Bimmel und Bommel.
Er ging mit Gorie zurück in den Laden. An den Wänden standen Aussteller für die verschiedenen Arten von Schwertern und Armbrüsten.
"Arr, wir öffnen in einer halben Stunde. Hast du die Broschüre gelesen, die ich dir gegeben hatte."
"Ja, hab ich."
"Arr, dann sag mir doch mal, was die drei Grundregeln für einen guten Verkäufer sind."
Valdimier begutachtete gerade eine Armbrust. Seine Stimme war ruhig und er schien mehr zu sich selbst als zu dem Zwerg zu reden.
"Ich bin hier, um auf Sie aufzupassen und um zu erfahren, wer Sie bedroht. Sie erwarten doch wohl nicht ernsthaft, dass ich jetzt mit Ihnen das komplette Programm durchgehen werde."
"Arr, aber du musst auch überzeugend rüberkommen. Sonst könnte man Verdacht schöpfen und wir hätten dann ein großes Problem."
Der Hauptgefreite in Zivil zuckte mit den Schultern und legte die Waffe zurück.
" Was soll's." Seine Stimme wurde monoton und er leierte die Punkte herunter. "1. Freundlich sein; 2. Ein gepflegtes Aussehen und 3. Auf den Kunden zugehen."
"Arr, das war schon mal richtig. Aber ich erwarte etwas mehr Elan von meinen Angestellten."
"Ich bin aber nicht Ihr Angestellter. Ich bin nur zu Ihrem Schutz hier."
"Arr, aber die nächsten zwei Tage wirst du meinen Angestellten spielen. Dazu gehört nun mal auch die richtige Einstellung."
In Valdimier flammte die Wut auf. Erst die Ereignisse der letzten Nacht und nun der hier? Was bildete sich dieser Zwerg eigentlich ein? Er sollte lieber froh sein, dass ihm jemand half. Er hatte das starke Verlangen, den Job einfach sausen zu lassen, zum Wachhaus zurückzukehren und den Zwerg einfach Zwerg sein zu lassen.
Doch dann meldete sich sein Ehrgefühl. Die Option der Aufgabe stand für einen van Varwald einfach nicht zur Verfügung. Egal wie wenig ihm der Job bedeutete.
Außerdem hätte er sich sicher nie wieder bei Veni blicken lassen dürfen.
Außerdem muss ein FROG flexibel sein und sich immer der Situation anpassen können.
Valdimier schloss die Augen. Auch wenn es ihm missfiel, er musste diese Aufgabe auf dem besten Wege für ihn und Blutsberg erfüllen. Auch wenn ihn dieser Zwerg wahrscheinlich noch ziemlich nerven würde, so musste er doch damit zurechtkommen.
Du hättest schon längst diese Hochnäsigkeit ablegen sollen. Du bist nicht mehr in Überwald. Hier bist du nur ein normaler Wächter, der Befehle von oben bekommt.
Ein neuer Seufzer verließ seinen Hals und er blickte wieder zu Herrn Blutsberg.
"Wollen Sie mich sonst noch was fragen?"

***


Frankie bereute, dass er hierher gekommen war und von den neusten Ereignissen berichten sollte. Sein Boss, eine Zwergin mit dem Namen Roberta, stand vor ihm.
"Was soll das heißen, er hat einen neuen Angestellten?" Die Zwergin schien vor Wut zu kochen und starrte Frankie an. Ihre Hände hatte sie in die Hüften gestemmt. "Haben Boris und Paulus etwa keine Vorkehrungen dagegen getroffen?"
"Doch, sie haben eine Drohung für mögliche Interessenten an der Tür angebracht", antwortete Frankie. "Außerdem können wir nicht genau sagen, ob er ein neuer Angestellter von diesem Blutsberg ist."
"Eine Drohung?"
"Äh.. ja."
"Und was noch?"
"Ähem.. sie dachten wohl, dass es ausreichen würde."
Roberta schaute ihn fassungslos an. Er spürte, wie langsam der Schweiß auf seine Stirn trat. Er wollte nicht in der Nähe sein, wenn ein Zwerg gerade dabei war, die Beherrschung zu verlieren. Er hatte schon von grässlichen Vorfällen gehört, wo ein sofortiger Verlust der Gehfähigkeit eine wichtige Rolle spielte.
"Was war mit dir?", fragte ihn die Zwergin plötzlich. "Glaubtest du, dass es ausreichend war?"
"Ich äh.." Frankie spürte, wie er in eine Zwickmühle geriet. Wenn er ja sagen würde, hätte Roberta allen Grund dazu ihn zu bestrafen. Mit nein konnte er auch nicht antworten. Dann müsste er ihr sicher erklären müssen, warum er keine Verbesserungen vorgenommen hatte. Er versuchte einen Mittelweg zu nehmen.
"Ich dachte, dass das Schild und das eingeworfene Fenster genug seien, um etwaige Interessenten abzuschrecken."
"Aber allem Anschein nach hast du falsch gedacht oder wie siehst du das?"
"Mag sein, aber das ist auch nicht..."
"Es ist was nicht?" Robertas Tonfall war so scharf wie die Axt, die sie auf ihrem Rücken trug.
"Äh..." Frankie fasste all seinen Mut zusammen und bemühte sich, die Furcht in seiner Stimme zu unterdrücken. "Unsere Aufgabe beschränkte sich darauf, den Laden zu überwachen und diese Aufgabe haben Kogän und ich pflichtbewusst erfüllt. Wenn jemand seine Arbeit nicht richtig gemacht hat, dann waren das Paulus und Boris."
Ihm wurde klar, dass er doch lieber Kogän hierher hätte schicken sollen. Er wusste, dass Roberta den Gnom sympathisch fand. Sie mochte seine Einsatzbereitschaft und sein selbstsicheres Auftreten. Nur deswegen hatte es der Gnom auch in die Gruppe geschafft.
"Ach so ist das also. Du dachtest dir, was nicht meine Aufgabe ist, interessiert mich auch nicht."
"Nein, ich war der Meinung, das Paulus und Boris schon wüssten, was sie tun müssten, um diesen verdammten Zwerg einzuschüchtern."
Sofort bereute er seine letzten Worte und wartete nur darauf, das Roberta ihm die Beine abhackte. Doch die Zwergin blieb ruhig und drehte ihm den Rücken zu.
"Verdammter Zwerg", murmelte sie leise.
"Anwesende natürlich ausgeschlossen", erwiderte Frankie und hoffte somit, sein Leben entscheidend zu verlängern.
"Nein, du hast schon Recht" Sie drehte ihm wieder ihr Gesicht zu. "Er ist ein verdammter Zwerg und ich will, dass er diesen Laden endlich aufgibt."
"Warum lassen wir ihn einfach nicht aus dem Weg räumen? Das würde viel schneller gehen."
Robertas Augen funkelten ihn böse an.
"Niemand krümmt Blutsberg auch nur ein Haar, solange ich es nicht sage."
"Aber.."
"Niemand. Hast du verstanden?"
"A.. Aber warum denn? So würde es viel schneller gehen."
Robertas Hand schnellte hinter ihren Rücken und ehe Frankie reagieren konnte, befand sich die Axt an einem seiner unteren Körperteile.[9] Er spürte einen leichten Druck und versuchte sich auf die Zehenspitzen zu stellen.
"Weil ich es sage. Niemand, außer mir, wird Blutsberg töten oder verletzen. Hab ich mich jetzt verständlich ausgedrückt?"
"J-j-j-j-j Ja!!", stotterte Frankie. Seine Stimme war zwei Oktaven höher als normal und dicke Schweißerlen rannen über sein Gesicht.
Roberta warf ihm einen letzten grimmigen Blick zu und zog die Axt zurück. Mit einem lauten Keuchen fiel der Handlanger auf seine Schuhsolen zurück.
"Wir lassen ihm noch eine Nacht, um seine Meinung zu ändern."
"Und was ist, wenn er die Wache verständigt? Was machen wir dann?" Mit zittrigen Händen zog Frankie ein Tuch aus einer Tasche und wischte sich den Angstschweiß von der Stirn. "Dann könnten wir ernsthafte Probleme bekommen."
"Dafür hab ich ja dich und Kogän eingeteilt. Wenn ihr eine stärkere Wächterpräsenz auf der Strasse oder dem Laden ausmacht, werden wir der Sache ein schnelles Ende bereiten."
"Ich.. ich verstehe."
"Wenigstens etwas, dass du kapierst. Und jetzt verzieh dich."
Frankie war gerade dabei, dass Zimmer auf schnellstem Wege zu verlassen, als Roberta noch mal nach ihm rief.
"Und beobachtet den Neuankömmling. Vielleicht steckt hinter dem mehr als wir denken. Wenn er den Laden verlassen sollte, will ich, dass sich einer von euch an seine Fersen heftet."
"Alles klar Boss", antwortete Frankie und war froh, dass er endlich das Zimmer verlassen konnte.

***


"Vielleicht wird der Job ja doch nicht so übel.", murmelte Valdimier, während er in der aktuellen Ausgabe der Times las.
Außer ihm war niemand im Laden anwesend. Aus Blutsbergs Arbeitszimmer ertönten diverse Geräusche, die darauf schließen ließen, dass der Zwerg seiner Tätigkeit als Graveur nachging. Gorie hatte zwar gesagt, dass sie mit einem immensen Kundenansturm rechnen müssten, doch in den ersten zwei Stunden waren gerade mal zwei Personen in den Laden gekommen. Und die hatten noch nicht einmal was gekauft. Der erste hatte nur gefragt ob er mal kurt den Abort benutzen dürfte und der zweite wollte nur etwas Wechselgeld haben.
Er legte die Zeitung beiseite und ging in das Arbeitszimmer. Der Zwerg war gerade damit beschäftigt, einem Dolch eine passende Gravur zu geben. Valdimier lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete den Zwerg.
"Arr, was gibt es?", fragte Blutsberg, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen.
"Nicht besonderes. Ich wundere mich gerade nur, wie Sie solch eine ruhige Arbeit vollbringen können. Ich dachte immer, dass Zwerge nur die groben Aufgaben erledigen."
Gorie legte sein Werkzeug beiseite und sah Valdimier an.
"Arr, grobe Aufgaben? Du meinst sicher solche Sachen, wie Schächte ausgraben und Waffen schmieden."
"Das trifft so meine Erwartungen."
"Arr, jeder Zwerg ist anders. Mir liegt mehr an der Feinarbeit."
Valdimier überlegte kurz. Die ruhige Zeit hatte er damit verbracht, sich ein paar Gedanken über die ganze Angelegenheit zu machen.
"Bezahlen Sie eigentlich Gebühren an die Graveurs- und Händlergilde? Vielleicht stecken die ja hinter dieser Angelegenheit."
"Arr, natürlich. Mit den Gilden hab ich keine Probleme. Dahinter steckt sicher jemand anderes."
"Und wer könnte das Ihrer Meinung nach sein?"
"Arr, ich sagte doch schon, dass ich es nicht weiß."
"Vielleicht ein Kunde, der nicht sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit war?"
"Arr, bei mir verlässt jeder zufrieden den Laden. Unzufriedenheit gab es bei mir noch nie."
Valdimier wollte gerade antworten, dass er es für sehr unwahrscheinlich hielt, dass seine Kunden den Laden nur im zufriedenen Zustand verlassen würden, als die kleine Glocke an der Ladentür klingelte.
Ein etwas dickerer Mann betrat den Laden und warf einen flüchtigen Blick auf den Vampir, der sich wieder in den Verkaufsraum begab.
"Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?" Valdimier versuchte das höfliche Lächeln aufzusetzen, welches er immer am Wachetresen hatte.
Gott, wie ich das hasse.
Der Mann erwiderte kurz das Lächeln und schüttelte mit dem Kopf.
"Ich will mich nur etwas umschauen. Trotzdem vielen Dank."
Valdimier nickte.
"Wenn Sie etwas brauchen, lassen Sie es mich wissen."
"Danke, werde ich machen.", antwortete der Unbekannte.
Anscheinend hatte er die Eckzähne des Vampirs gesehen. Anders konnte sich Valdimier die Unsicherheit, die für einen kurzen Moment über das Gesicht des Gastes huschte, nicht erklären. Viele Menschen, nicht nur in Ankh-Morpork, hatten noch große Angst vor Vampiren. [10] Auch wenn es noch viele andere Merkmale gab, an denen man einen Vampir erkennen konnte, so waren es immer die Eckzähne, die bei normalen Menschen für Unbehagen sorgten.
"Haben Sie hier neu angefangen?"
Er zuckte zusammen, als ihn die Stimme des Kunden aus seinen Gedanken riss.
"Was meinen Sie?"
"Ich war vorgestern schon mal hier", antwortete sein Gegenüber. "Da war jemand anderes da."
"Ach, Sie meinen bestimmt meinen Vorgänger. Er hat leider gekündigt. Ich bin jetzt der Neue."
"Aha, ich verstehe." Der Mann zuckte mit den Schultern. "Naja, ich sehe schon. Sie haben eh nicht das, wonach ich suche. Einen schönen Tag noch."
Mit schnellen Schritten verließ er den Laden.
"Hey warten Sie...", rief Valdimier noch, doch der Mann war schon verschwunden.
Komischer Typ, dachte er sich und widmete sich, ohne einen weiteren Gedanken an den Besucher zu verschwenden, wieder seiner Zeitung.
Hätte er durch das Schaufenster nach draußen geschaut, hätte er gesehen, wie Frankie die Strasse überquerte und in einem Haus verschwand.

***


"Götterverdammt" Frankies Flüche waren schon vom Flur aus zu hören. "Wie ich Vampire hasse."
Mit einem lauten Donnern warf er die Tür ins Schloss und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Mit vielem hatte er gerechnet. Nicht aber damit, dass nun auch noch ein Vampir zu seinen Gegnern gehören würde.
Der Gnom warf ihm einen verächtlichen Blick von der Fensterbank zu und schaute wieder auf die Strasse.
"Was stellst du dich so an, Frankie? Mit einem Vampir werden wir auch noch fertig."
Das glaubst auch nur du, du Winzling.
"Du hast wohl noch keine dieser schrecklichen Geschichten gehört, die man sich so über Vampire erzählt oder?"
"Das sind doch alles nur billige Schauermärchen. Diesen Blutsauger werden wir eine Abreibung verpassen, dass er sich wünschen wird, niemals Unterwiese verlassen zu haben."
Frankie verdrehte genervt die Augen. Sein Kollege war einfach zu blöd, um es zu verstehen.
"Du meinst sicher Überwald, Kogän"
Mit einem Murren schaute der Gnom einer Frau hinterher, die gerade den Laden verlassen hatte.
"Wie auch immer. Was hat der Boss gesagt? Sollen wir den Flattermann kalt machen?"
Frankie schüttelte den Kopf.
"Nein. Wir sollen uns weiter ruhig verhalten und aufpassen, dass keiner von den beiden auf dumme Gedanken kommt."
"Das heißt?"
"Sollte der Vampir den Laden verlassen, wirst du ihm folgen."
"Warum ausgerechnet ich?", protestierte Kogän.
"Ganz einfach. Mich hat er schon gesehen und dich noch nicht. Außerdem bist du klein und unauffällig."
Schlagartig färbte sich das Gesicht des Gnomes rot wie eine überreife Tomate.
"Ich bin nicht klein!" Er sprang auf und hüpfte wütend auf der Fensterbank herum. "Der Schöpfer hat mich in der Größe erschaffen, die er für richtig hielt."
Frankie versuchte, ihn zu beruhigen.
"Schon gut, tut mir leid." Er hatte ganz vergessen wie empfindlich Kogän reagierte, wenn man ihn auf seine Körpergröße ansprach. "Aber ich bin mir sicher, dass du trotzdem besser dafür geschaffen bist, den Vampir zu beobachten."
"Und warum?"
"Du bist..."
Frankie überlegte kurz.
"Du bist sicher viel schlauer als er und lässt dich nicht so schnell überlisten."
Und außerdem bin ich dich endlich los, wenn er dich erwischen sollte.

***


Valdimier verdrehte die Augen und versuchte erneut zu erfahren, was sein Gegenüber eigentlich von ihm wollte. Er schätzte den Herrn auf Mitte fünfzig und obwohl er erst 15 Minuten mit dem Mann redete, spielte er mit dem Gedanken, die Person mit einem Fußtritt aus dem Laden zu scheuchen.
"Können Sie mir vielleicht endlich sagen, was genau Sie brauchen?"
"Was ich brauche? Ach, wissen Sie, junger Mann. Eigentlich wollte ich nur schauen, was es hier so Neues gibt.", seufzte der ältere Herr.
"Na dann schauen Sie sich doch in aller Ruhe um. Sie können mich ja rufen, wenn Sie etwas wiss.."
"Hab ich Ihnen eigentlich schon erzählt, dass mein Sohn auch mal in einem Waffenladen gearbeitet hat?"
"Schon zum dritten Mal", antwortete Valdimier trocken. "Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden. Wie Sie sicher sehen, es gibt noch andere Kunden und ich möchte..."
"Ach, was bin ich stolz auf ihn. Heute hat er seinen eigenen Laden. So weit hat er es gebracht." Ein Auge des Mannes zwinkerte dem Vampir zu. "Vielleicht schaffen Sie es auch eines Tages so weit."
"Hören sie mal, entweder Sie sagen mir jetzt.."
Valdimier stockte, als ihm der Mann auf einmal die Hand entgegenstreckte.
"Naja, war schön mit Ihnen geredet zu haben. Ich werde dann mal wieder gehen."
Verwundert und nach den richtigen Worten suchend, nahm er die Hand des Kunden und schüttelte sie kurz. Darauf verließ der Herr pfeifend das Geschäft. Der Vampir blieb wie angewurzelt stehen und überlegte, was gerade in den letzten Minuten geschehen war.
Ein plötzliches Räuspern ließ ihn aufblicken und eine junge Frau stand vor ihm. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt und trippelte ungeduldig mit einem Fuß auf den Boden. Auch ihr verärgerter Gesichtsausdruck ließ Valdimier vermuten, dass sie schon länger wartete. Umso weniger überraschend war die Frage, die Valdimier entgegenschlug, bevor er sie nach ihren Wünschen fragen konnte.
"Wissen Sie eigentlich, wie lange ich schon warte?"
Sie hatte eine Stimme die man am Besten als schrill und empört bezeichnen konnte.
Valdimier versuchte, ein freundliches Lächeln über seine Lippen zu bringen.
Das hat gerade noch gefehlt. Erst ein bekloppter Geschichtenerzähler und nun so eine Furie.
"Tut mir Leid Ma'am. Aber Sie sahen ja, dass mich der letzte Herr etwas länger in Anspruch genommen hatte."
"Der hat doch eh nichts gekauft. Da hätten Sie mich ruhig zuerst bedienen können."
"Wie kann ich Ihnen denn helfen?" Er ging erst gar nicht auf ihren Vorwurf ein.
Wortlos hielt ihm die Frau eine zerstörte Armbrust unter die Nase. Der Bogen war in der Mitte gebrochen und beide Teile hingen an der Sehne herunter.
"Wie Sie sicher unschwer erkennen können, ist diese Waffe allem Anschein nach kaputt."
"Kann man wohl sagen. Was haben Sie denn mit der Waffe gemacht?" Der Armbrustschütze in Zivil starrte auf die losen Teile.
"Gar nichts. Ich wollte die Waffe normal spannen und dabei ist der Bogen zersplittert. Das ist minderwertige Ware und ich möchte sofort mein Geld zurückhaben."
Valdimier nahm die Armbrust in die Hand und begutachtete sie. Die Bruchstellen erweckten den Eindruck, als hätte jemand mit einem spitzen Gegenstand mehrmals in das Holz gestochen. Auch an anderen Stellen der Waffe waren die Spuren zu sehen. Er brauchte nicht lange zu überlegen, wo er solche Spuren schon einmal gesehen hatte.
"Was schauen Sie denn so? Davon wird die Waffe auch nicht wieder ganz."
"Sie haben nicht zufällig einen Hund als Haustier oder?" Er runzelte die Stirn und warf der Frau einen ernsten Blick zu.
"Ich äh.. Nein. Ich habe keinen Hund." Unsicherheit zeigte sich auf dem Gesicht der Frau. "Wie kommen Sie darauf?"
"Vielleicht einen Wolf?"
"Was? Was soll das?"
"Also, wenn ich das richtig sehe, dann hat ein Tier auf dieser Waffe herumgekaut. Und dafür werden wir Ihnen die Armbrust nicht ersetzen können."
"Also hören Sie mal", rief die Frau empört. "Wie können Sie es wagen, mir so etwas zu unterstellen?"
"Also, wenn ich mich mit etwas auskenne, dann sind das Bissspuren. Und die Spuren an dieser Waffe, sind Bissspuren. Da Sie sicherlich nicht auf Ihrer Waffe herumkauen, nehme ich mal an, dass es Ihr Haustier war. Und für solche Schäden kommen wir leider nicht auf. Da sind Sie selbst dran schuld."
"Das ist ja unerhört. Mir so etwas zu unterstellen. Ich will sofort Ihren Chef sprechen." Der Zorn stand der Frau regelrecht in das Gesicht geschrieben.
"Der wird Ihnen sicher das gleiche sagen wie ich."
"Na das werden wir ja sehen."
"Wenn Sie wünschen."
Entnervt ging Valdimier zu Blutsberg und erklärte ihm auf die Schnelle die Situation. Kurz darauf ging Gorie zu der jungen Dame und versuchte, die Angelegenheit zu klären. Während der Unterhaltung stand Valdimier etwas abseits und unterhielt sich mit einem weiteren Kunden. Doch die Lautstärke, in der sich der Zwerg und die Frau unterhielten, ließen alle Anwesenden dran teilhaben. Nach einem kurzen Wortgefecht [11]verließ die Frau wütend und mit den Worten " In diesem Scheißladen werde ich nie wieder etwas kaufen" das Geschäft.
"Arr, auf solche Kunden können wir auch verzichten", rief Blutsberg der Dame hinterher.

***


Langsam öffnete Kogän die Augen. Um für die Nachtschicht ausgeruht zu sein hatte er sich hingelegt und versuchte, zu schlafen. Doch ein plötzlich auftretender Gestank ließ ihn erwachen.
"Bäh, was mieft denn hier so?"
Sein Blick fiel auf Frankie, der am Tisch saß und sich gerade ein Brot schmierte.
"Bist du für diesen Gestank verantwortlich?"
Sein Kollege schenkte ihm keine Beachtung und beschäftigte sich weiter mit seinem Brot.
"Hey Frankie. Ich rede mit dir."
Er kletterte aus seinem Bett und versuchte, sich am Hosenbein seines Partners hochzuziehen. Doch Frankie griff mit einer Hand nach Kogäns Kragen und hievte den Gnom auf die Tischplatte. Kogän fand sich zwischen Knoblauchknollen wieder, die verstreut auf dem Tisch lagen. Frankie hatte eine von ihnen in kleine Stücke geschnitten und bestreute damit sein Brot.
Sich nun näher an der Gestanksquelle befindend, hielt sich der Gnom angewidert die Nase zu.
"Das Zeug stinkt ja widerlich. Willst du das etwa essen?"
Durch die blockierte Nase hatte seine Stimme einen quäkigen Ton angenommen, der Frankie kichern ließ.
"Natürlich, wonach sieht's denn sonst aus? Ich rüste mich gegen den Vampir."
Entsetzt musste der Gnom mit ansehen, wie sein Gegenüber das Brot zum Mund führte und hineinbiss.
"Was willst du machen? Ihn mit deinem schrecklichen Mundgeruch vertreiben?"
Frankie schluckte den nächsten Bissen hinunter und räusperte sich.
"Wie du sicher weißt, hassen Vampir Knoblauch. Es ist sozusagen ihr geheimer Schwachpunkt."
"Und woher kennst du dann diesen geheimen Schwachpunkt, wenn er so geheim ist?"
Frankie musste einen kurzen Moment überlegen, um eine passende Antwort zu finden.
"Es ist ein offenes Geheimnis. Jeder der es wissen will, weiß es und der Rest weiß es eben nicht."
Kogän musterte seinen Kollegen skeptisch.
"Also musst du ihn nur anhauchen und er fällt tot um?"
"So erzählt man es jedenfalls."
Frankie verzehrte den Rest des Brotes und fing an, sich ein neues mit Butter zu bestreichen, als Kogän ihn fragte: "Schmierst du mir auch eine Scheibe?"

***


Langsam neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen. Valdimier saß allein im Laden und war gerade dabei, seinen Bericht für seine Vorgesetzten zu beenden. Der Tag war recht ruhig verlaufen. Die größte Aufregung war entstanden, als jemand versuchte, mit seinem Finger die Schärfe einer Axtklinge zu überprüfen. Den Finger würde man aber sicher wieder annähen können.
Plötzlich öffnete sich die Tür und die Eingangsglocke gab ihr unverkennbares Klingeln zum Besten.
"Tut mir leid, aber wir haben schon geschlossen", erklärte er, ohne den Blick von seinem Bericht zu nehmen.
Ein Lachen erklang.
"Ah, das ist aber schade. Ich wollte mir doch nur ein paar Bolzen kaufen."
Valdimier wusste sofort wer vor ihm stand und als er den Kopf hob, bestätigte sich seine Vermutung, als Korporal Sidney in seinem Blickfeld erschien. Ein dickes Grinsen war auf dem Gesicht des Werwolfes zu sehen.
"Wir gefällt dir denn dein neuer Job?"
"Ach, weißt du", begann Valdimier im Plauderton. "Man lernt eine Menge interessanter und netter Menschen kennen."
"Das klingt gar nicht so schlimm."
"Sagen wir es mal so. Auf so manche Bekanntschaft würde ich liebend gerne verzichten."
Der Werwolf schaute ihn amüsiert an.
"Ich glaube ich kann doch froh sein, dass ich nicht hier sitze."
Valdimier bedachte seinen Vorgesetzten mit einem finsteren Blick und gab ihm den Tagesbericht.
"Hier. Mit freundliches Grüßen an Veni."
"Werde ich ihr ausrichten. Zusammen mit der Information, dass du deinen Auftrag mit vollem Elan angehst."
"Und geh ein paar Umwege, falls dir jemand folgen sollte", wies Valdimier seinen Kollegen zurecht, ohne auf dessen Bemerkung einzugehen.
"Glaubst du, man beobachtet den Laden?"
"Indizien hab ich dafür noch keine gefunden, aber vorstellen kann ich es mir. Immerhin hat man Gorie gedroht, ihn umzubringen wenn er mit der Wache in Kontakt tritt. Wie sollten sie das sonst überwachen?"
"Das könnte aber auch nur eine leere Drohung gewesen sein."
"Ja. Könnte."
Ein kurzer Moment der Stille trat ein und die Wächter wechselten ein paar ernste Blicke.
Schließlich sagte Sidney: "Wenn es Ärger gibt, rufst du uns."
"Natürlich. Falls es zu einem finalen Showdown kommen sollte, möchte ich nicht alleine dastehen" Der Vampir stand auf. "Und wenn Sie mich bitte nun entschuldigen möchten- Ich würde jetzt gerne den Laden schließen."

***


Im Gegensatz zum Laden und dem Schlafgemach des Angestellten war das Mobiliar der restlichen Räume in Zwergengröße gehalten. So kam es, dass Valdimier vor dem Tisch kniete, anstatt auf dem Stuhl zu sitzen. Blutsberg hatte darauf bestanden, dass er mit ihm zu Abend essen solle. Normalerweise würde er immer für sich selbst kochen, doch irgendwie müsse er sich ja erdenklich zeigen.
Kurze Zeit später kam Gorie in das Zimmer. Auf einer Hand balancierte er ein für Zwergenverhältnisse sehr großes Tablett und stellte es auf den Tisch.
"Arr, hier meine Spezialität. Geröstete Ratte mit Ketchup."
"Mit etwas anderem hätte ich bei einem Zwerg auch nicht gerechnet, Herr Blutsberg."
"Arr, als ob Zwerge nichts anderes essen würden."
Skeptisch hob Valdimier eine Augenbraue.
"Arr, was ist mit Ratte gekocht, Ratte gebraten, Ratte gedünstet, Ratte..."
"Schon gut, schon gut" Lachend schnitt sich der Wächter ein Stück Fleisch zurecht. "Sie haben mich überzeugt."
Für Valdimier war es das erste Mal, dass er Rattenfleisch aß und er war angenehm überrascht. Dafür, dass es von einem Tier stammte, welches hauptsächlich in der Kanalisation lebte, war es sehr zart und schmeckte vorzüglich.[12]
"Hmm, schmeckt gar nicht mal schlecht."
"Arr, sag ich doch."

***


Still saß Roberta in ihrem kleinen Zimmer und schliff ihr Axt. Nur das Geräusch des Schleifsteines der über die Klinge fuhr schnitt sich durch die ansonsten stille Stille.[13] Sie achtete nicht auf die Klinge und den Stein. Man hätte ihr auch die Augen verbinden können und sie würde die Waffe immer noch perfekt schärfen. Für sie war es selbstverständlich, dass ein Zwerg in jeder Situation perfekt mit seiner Waffe umgehen konnte. Ihr grimmiger Blick war auf eine eingerahmte Ikonographie gerichtet.
Sie würde Gorie noch bis morgen Abend Zeit geben. Wenn er bis dahin nicht verschwunden war würde sie alles tun, um die Tradition der Familie aufrecht zu halten. Egal wie schwer es ihr fallen würde.

***


Valdimier kniete vor dem Esstisch und versuchte mit einem Zahnstocher ein widerspenstiges Stück Rattenfleisch aus einer Zahnritze zu bekommen. Solche Probleme hatte er in Überwald nie gehabt. Bis auf einige Ausnahmen war die Nahrung dort immer flüssig gewesen.
"Arr, hast du eigentlich schon etwas über die Drahtzieher der Erpressung herausgefunden?" Gorie lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und hielt sich zufrieden den Bauch.
Valdimier schüttelte den Kopf.
"Arr, und was machen wir jetzt?"
"Damit wir nicht auffallen, machen Sie das, was Sie jeden Abend machen. Was wäre das?"
"Arr, ich arbeite noch etwas und lege mich dann ins Bett."
"Das ist alles?", fragte der Vampir verwundert. "Sie gehen nicht in die nächste Taverne und machen ordentlich Rabatz?"
"Arr, nur einmal die Woche."
"Das ist sehr ungewöhnlich Herr Blutsberg. Soviel ich weiß, verbringen Zwerge die meiste Zeit in irgendwelchen Tavernen."
"Arr, da sieht man es wieder. Für euch Mens.. Vampire sind wir Zwerge nur biersaufende und prügelnde kleine Wichte."
Unter all den Barthaaren konnte Valdimier die Wut erkennen, die sich über das Gesicht des Zwerges legte.
"Also, sooo drastisch würde ich es jetzt nicht ausdrücken, aber Sie..."
"Arr, und wenn es stimmen würde. Ich bin nicht wie die anderen."
"Wie meinen Sie das? Was ist bei Ihnen anders?"
"Arr, ich benehme mich nicht wie die anderen Zwerge. Ich sitze nicht jeden Abend in einer Taverne und singe irgendwelche Goldlieder. Ich genieße lieber die die Ruhe des eigenen Hauses."
"Dann sind Sie wirklich etwas anders, Herr Blutsberg."
"Arr, oder damals die Ruhe des Meeres", murmelte der Zwerg weiter. Mit den Gedanken schien er gerade ganz woanders zu sein
"Wie bitte?" Valdimier horchte auf. "Dem Meer?"
"Was?" Erschrocken schaute der Zwerg den Wächter an.
"Sie haben eben über das Meer gemurmelt."
"Arr, verdammt."
Valdimier fing an zu lachen.
"Man könnte fast meinen, dass Sie mal auf einem Schiff angeheuert hatten."
Ein tiefes Schweigen füllte den Raum und Gorie blickte verlegen auf seinen leeren Teller.
"Sie hatten früher auf einem Schiff angeheuert?" Die Skepsis in seiner Stimme war nicht zu überhören. Einen Zwerg auf einem Schiff konnte er sich nur schwer vorstellen. Er würde eher damit rechnen, einen Troll in einer Algebraschule zu treffen.
"Arr, ja. Ist es so seltsam, wenn ein Zwerg auf einem Schiff anheuert?"
Valdimier starrte den Zwerg fragend an.
"Meinen Sie das jetzt ernst? Ich meine, schauen Sie mal. Zwerge leben ja normalerweise in ihren Minen, graben dort tiefe Stollen und suchen nach Gold. Richtig?"
"Arr, richtig."
"Natürlich leben viele Zwerge auch in Ankh-Morpork oder anderen Stätten und gehen dort ihrer zwergischen Arbeit nach. Richtig?"
"Arr, auch das ist richtig."
Der Zwerg warf dem Vampir einen missmutigen Blick zu. Wahrscheinlich wusste er, was jetzt für eine Frage kommen würde.
"Ich habe aber noch nie von einem Zwerg gehört, der auf einen Schiff anheuerte und auf das weite Meer hinaussegelte."
"Arr, das dürfte wirklich nicht sehr oft passieren."
"Also?"
"Arr, was also?"
"Mich interessiert es, wie es dazu kommen konnte, dass Sie auf einem Schiff anheuerten. Hat es Ihnen etwa nicht in Ihrer Mine gefallen?"
Gorie schien kurz nachzudenken und seufzte schließlich.
"Arr, nun gut. Aber du erzählst niemanden davon."
"Versprochen."
"Arr, also...", begann Gorie und erzählte seine Geschichte.

***


Während Valdimier der Geschichte von Gorie Blutsberg zuhörte, war im Wachhaus Venezia Knurblich damit beschäftigt, den Bericht zu lesen, den Sidney ihr gebracht hatte.
Sie hatte den Korporal noch gebeten, ihr den Bericht vorzulesen, doch er musste noch eine dringende Angelegenheit erledigen und hatte das Büro verlassen. Nun lag das für Gnome sehr große Stück Papier vor ihr auf dem Tisch und langsam flogen ihre Augen über die Wörter.

Von: Hauptgefreiter Valdimier van Varwald

An: Oberleutnant Venezia Knurblich

Bertreff: Bericht über Ereignisse im Fall Blutsberg


Hallo Oberleutnant. Zu allererst gebe ich zu Protokoll, dass diese Aufgabe alles andere als einfach ist. Ich dachte immer, als Wächter würde man auf die verrücktesten Menschen treffen, doch ich hatte mich geirrt. Hier trifft man auf Individuen, von denen ein Wächter nur träumen kann. Da war zum Beispiel ein Kunde der sich total komisch verhalten hat und wollte...


Sie übersprang ein paar Zeilen.

... und als ich ihr sagte, dass sie Pech habe, wollte sie den Chef sprechen und der sagte ihr das gleiche. Darauf verließ sie wutentbrannt den Laden und schrie, sie würde nie wieder kommen. Der Nächste wollte dann eine ganz bestimmte Armbrust haben, die wir aber nicht hatten. Dann war da jemand, der wollte nur etwas Geld gewe...

Sie sprang zum Ende des Berichtes.

.. und das wäre eigentlich alles, was an diesem Tag passiert war.

P.S.

Ich konnte leider keine Informationen über den oder die Täter in Erfahrung bringen. Melde mich, wenn es was Neues geben sollte.


"Und dafür eine ganze Seite?", fragte sie den nicht anwesenden Armbrustschützen. "Ich glaube, du musst noch lernen, vernünftige Berichte zu schreiben."

***


Kogän merkte schnell, dass man Gerüche nicht mehr wahrnahm, wenn man selbst danach roch. Frankie und er hatten den Knoblauchvorrat aufgebraucht und füllten so den Raum mit einem unverkennbaren Duft.
"Hier wird sich das Bleichgesicht sicher nicht reinwagen.", spottete der Gnom und rülpste hingebungsvoll. "Und wenn doch wird er...", ein kurzes Kichern erklang. "...sein stinkendes Wunder erleben."
Die von ihm erwartete Reaktion blieb aus. Statt dessen erwiderte Frankie trocken: "Trotzdem hoffe ich, dass er uns nicht besuchen wird. Mit einem Vampir ist nicht gut Kirschen essen."
"Sollte es nicht lieber Knoblauch heißen?", witzelte Kogän von seiner Fensterbank aus.
"Du scheinst ja richtig wild darauf zu sein, diesen Vampir zu treffen." Frankie fragte sich noch immer, woher sein Begleiter diese Zuversicht nahm. "Was wäre, wenn er jetzt einfach hier reinspazieren würde?"
"Dann gäbe es einen Blutsauger weniger in Ankh-Morpork."
Frankie biss sich auf die Lippen. Er hatte keine Lust, sich erneut mit Kogän auf eine Diskussion einzulassen. Wenn sie beide diesem Vampir wirklich begegnen sollten, könnte er ihn ja vorausschicken. Dann würde der Gnom endlich verstehen, dass eine große Klappe auch sehr unangenehme Folgen haben konnte.
Am liebsten würde er zu Roberta gehen und ihr sagen, dass er den Job abbrechen wollte und sie sich jemand anders suchen sollte, der sich mit diesem Möchtegernverbrecher in dieses Zimmer hockte. Doch er war sich ziemlich sicher, dass dann wieder ihre Axt ins Spiel kommen würde.
Nur dieses Mal würde die Klinge sicherlich nicht kurz vor seinem Schritt zum Stillstand kommen.
Er konnte auch einfach abhauen und sich einen anderen Job suchen. Aber was wäre, wenn Roberta es schaffte, ihn aufzuspüren? Am Besten wäre es, wenn er Ankh-Morpork verlassen würde. Doch wollte er das? Wollte er den Rest seines Lebens in Angst vor einer wütenden Zwergin verbringen? Er könnte auch...
Schnell verdrängte er den nächsten Gedanken, bevor er überhaupt sein Gehirn erreichte. Er stand auf und griff nach seiner Jacke.
"Wo willst du hin?", fragte ihn Kogän.
"Ich muss über ein paar Sachen nachdenken. Und das geht besser, wenn ich an der frischen Luft bin."
"Was für Sachen?"
"Private Sachen", antworte Frankie und schloss die Tür hinter sich.

***


Valdimiers Gehirn versuchte, die soeben gewonnenen Informationen aus Gories Lebensgeschichte zu verarbeiten. Nachdenklich rieb er sich das Kinn.
"Um noch mal die wichtigsten Punkte zu wiederholen: Sie lebten früher wie jeder Zwerg in einer Mine."
"Arr, genau."
"Bis Sie eines Tages die Mine verließen und durch Zufall auf einem Schiff landeten."
"Arr, so ist es."
"Und auf diesem Schiff verbrachten Sie die nächsten 5 Jahre. Daher haben sie auch dieses komische Arr."
"Arr, was ist daran komisch? So ziemlich jeder Matrose, ja selbst der Kapitän spricht so."
"Ist mir noch nie aufgefallen. Jedenfalls erhielten Sie eines Tages einen Brief aus Ankh-Morpork."
"Arr, ich kann froh sein, dass ich ihn überhaupt erhielt."
"Darin stand, dass Ihr Onkel verstorben sei. Wie war sein Name noch mal?"
"Arr, er hieß Poliz Blutsberg. Er besaß früher diesen Waffenladen hier und vermachte ihn mir."
"Wusste er, dass Sie die Mine in Überwald verlassen hatten?"
"Arr, ich nehme es mal an."
"Wusste er den Grund?"
"Arr, er ist.. war einer der wenigen, die darüber Bescheid wussten."
"Und dann vermacht er Ihnen ein Waffengeschäft. Obwohl er wusste, das Sie..." Valdimier räusperte sich. "Obwohl er wusste, dass Sie gegen jede Art von Gewalt sind?"
"Arr, ich hab..."
"Wobei ich sagen muss, dass ich es nicht seltsam finde, wenn jemand Pazifist ist. Allerdings habe ich bis heute noch keinen pazifistischen Zwerg gesehen, der dazu noch einen Waffenladen führt."
"Arr, ich wusste, dass das jetzt kommt. Bis jetzt hat es noch niemand sofort auf Anhieb kapiert."
"Was soll das denn heißen?", fragte Valdimier beleidigt. Es passte ihm überhaupt nicht, dass ihn jemand des Nichtverstehens bezichtigte. "Was gibt es da nicht zu kapieren? Sie führen einen Waffenladen und sind gegen Gewalt. Sie müssen zugeben, dass das ziemlich seltsam klingt."
"Arr, so ist es nicht. Wenn sich in einer Kneipe zwei Personen gegenseitig den Schädel einschlagen ist das deren Sache. Einer ordentlichen Kneipenschlägerei bin ich ja nicht abgeneigt. Allerdings nur als Zuschauer. Mir käme niemals in den Sinn, mich daran zu beteiligen oder gar eine Waffe gegen ein lebendes Wesen einzusetzen."
"Und woher kommt diese Abneigung? Haben Sie diese Einstellung schon seit Ihrer Geburt oder was war los?"
"Arr, angefangen hat alles nach einem traumatischen Erlebnis in meiner Kindheit."
"Traumatisches Erlebnis", wiederholte Valdimier.
"Arr, es war damals, als ich noch ein kleiner Zwerg war... " Er sah den Gesichtsausdruck des Vampirs. "Arr, als ich noch jung war verdammt noch mal."
Valdimier verdrehte die Augen.
"Schon gut. War nicht so gemeint. Sie sind ziemlich leicht aus der Ruhe zu bringen."
"Arr, wie auch immer. Jedenfalls übte ich gerade mit meinem besten Freund Gulbo den Umgang den Umgang mit der Breitschwinger Doppelschliff."
"Was ist das denn?"
"Arr, das ist die Standardkampfaxt in unserer Mine gewesen. Die hatte so ziemlich jeder Zwerg dort."
Valdimier nickte.
"Aha, und was ist dann passiert?"
"Nun ja, während der Übung ereignete sich dann ein schrecklicher Zwischenfall. Durch ein kleines Missgeschick rutschte mir die Axt aus der Hand und traf Gulbo."
"Hmm, ich verstehe. Nun kamen Sie nicht über den Tod ihres Freundes hinweg."
Gorie schaute ihn fragend an.
"Wer sagt, dass er tot ist?"
"Äh, er hat die Begegnung der scharfen Art überlebt?"
"Arr, natürlich. Gulbo ist hart in Nehmen. Er verlor bei dem Unfall nur ein Bein."
"Na wenn?s nur das Bein war."
"Arr, genau das sagte Gulbo auch. Für ihn war es ein ganz normaler Unfall, der beim Trainieren passieren kann. Wir hatten schon von Leuten gehört, die sich beim Waffentraining angeblich selbst geköpft hatten."
"So etwas kann schnell passieren, wenn man nicht aufpasst", antwortete Valdimier und versuchte sich dieses Ereignis bildlich vorzustellen.
"Arr, seit diesem Tag konnte ich keine Waffe mehr in die Hand nehmen. Sobald ich auch nur eine Waffe anfasste, erschienen immer die Bilder des Unfalls vor meinen Augen und mein Körper blockierte einfach."
"Aber das ist der Sinn von einer Waffe. Sie ist dazu da, um anderen Lebewesen Leid anzutun."
"Arr, das ist ja mein Problem, nur früher war es viel schlimmer. Jetzt kann ich wenigstens noch ein Schwert oder eine Axt in die Hand nehmen, um sie zu gravieren. Aber sobald ich damit in die Nähe eines Lebewesen komme, überkommt mich noch immer diese Angst."
"Und trotzdem haben Sie es die ganze Zeit geschafft, einen Waffenladen zu führen?"
"Arr, für den Umgang mit den Kunden ist ja auch meine Aushilfe zuständig."
"Aha." Valdimier überlegte kurz. Wollte ihn der Zwerg auf den Arm nehmen? Die Geschichte klang zu abgedroschen, um wahr zu sein. Aber warum sollte Gorie ihn und die Wache belügen? Und es war schon etwas seltsam, dass sich ein Zwerg von 2 Menschen einschüchtern ließ.
Die wenigen Zwerge die Val kannte hätten mit den Erpressern entweder sofort kurzen Prozess gemacht oder hätten sich ein paar Freunde zur Verstärkung geholt. Zusammen hätten sie dann dem Gegner gezeigt, dass Kleinwüchsigkeit beileibe kein Nachteil sein mußte.
"Warum sind Sie eigentlich wegen dieser Angelegenheit zur Stadtwache gekommen, Herr Blutsberg?"
"Arr, warum denn nicht? Ist es etwa kein Verbrechen mehr, wenn man jemanden erpresst?"
"Natürlich ist es ein Verbrechen." Valdimier versuchte, einen weiteren Wutausbruch des Zwerges zu verhindern. "Zwerge kommen nicht oft zur Wache. Sie helfen sich untereinander. Warum haben Sie nicht einfach ein paar Kumpane zusammengetrommelt und haben sich helfen lassen?"
"Arr, wie stünde ich denn da, wenn mein Problem in allen Tavernen Ankh-Morporks zum Gesprächsthema Nummer eins werden würde?"
Für einen kurzen Moment war es still, als beide darüber nachdachten.
"Wissen Sie, ich denke..."
"Arr, ich könnte mich nirgends mehr blicken lassen." Gorie unterbrach den Vampir einfach, weil er sich sicher war, dass sie nicht zu demselben Ergebnis kommen würden. "Überall würde es nur heißen, dass ich nicht zu ihnen gehören würde, weil ich keiner Fliege etwas zuleide tun kann."
"Ich glaube nicht, dass es so schlimm wird. Vielleicht hätten Ihre Freunde eingesehen, dass Sie ein ernsthaftes Problem haben."
"Arr, du hast ja keine Ahnung und ich hab nun keine Lust mehr darüber zu sprechen. Ich hab mich halt an euch gewandt und deswegen bist du hier."
Damit war die Diskussion von seiner Seite aus beendet.
"Das habe ich gemerkt, Herr Blutsberg." Valdimier wollte zurück zu seiner eigentlichen Aufgabe kommen. "Damit Sie mir nachher nicht vorwerfen können, dass ich mir keine Mühe geben würde, habe ich mir auch schon ein paar Gedanken über das weitere Vorgehen gemacht."
"Arr, und was willst du jetzt tun?"
"Als Ihnen in den letzten Nächten jemand die Steine durch das Fenster geworfen hat. Wie spät war es da?"
Gorie überlegte kurz.
"Arr, so etwa kurz nach Mitternacht. Wieso fragst du? Denkst du, es wird heute Nacht wieder passieren?"
"Könnte gut sein."
"Arr, und wir warten dann auf den Steinewerfer und lauern ihm auf?"
"Ichlauere ihm auf. Sie machen das, was Sie jeden Abend machen."
"Arr, mach doch was du willst."
"Und genau das werde ich auch machen Herr Blutsberg."

***


Frankie merkte schnell, dass Knoblauch nicht nur ein erstklassiges Mittel war um Vampire abzuschrecken. Es zeigte auch sehr großen Erfolg wenn es darum ging, sich andere Lebewesen vom Hals zu halten. Die wenigen Personen die neben ihm an der Theke saßen hatten einen respektvollen Sicherheitsabstand eingenommen. Doch es war ihm egal, was man über ihn denken würde. Er war hier, um seine Nerven zu beruhigen. Und was würde dabei besser helfen als ein Krug Bier.
Mit langsamen, aber tiefen Schlucken leerte er seinen Bierkrug und stellte ihn auf den Tresen zurück.
Er gab dem Wirt ein Zeichen.
"Hey George. Noch mal das Gleiche bitte."
Da er die Kneipe recht häufig besuchte, kannte er den Wirt schon beim Vornamen. Dies war außerdem der Grund, warum er nicht schon längst des Geruches wegen hinausgeworfen worden war.
Es dauerte es keine 2 Sekunden, bis ein frisches Bier vor ihm auf den Tresen stand.
"Bitte sehr Frankie", sagte der Wirt. "Willst du vielleicht auch noch ein Pfefferminz?"
Frankie sah wie sein Gegenüber mit einem Auge zwinkerte.
"Wie bitte?"
Der Wirt hob abwehrend die Hand.
"Um Himmels Willen. Hauch mir bloß nicht ins Gesicht. Ich hab schon so manchen übelriechenden Kunden gehabt aber du bist echt ein Ausnahmefall."
Der Wirt kramte etwas aus seiner Tasche heraus und hielt es ihm vor die Nase. Es war ein in grünes Papier eingewickeltes Bonbon.
"Hier, nimm eins davon. Geht aufs Haus. Die bekommen normalerweise die Gäste, deren Frauen nicht am Biergeruch erkennen sollen, dass der Ehemann heimlich etwas getrunken hat."
Frankie lehnte dankend ab.
"Tut mir leid. Es ist zu meinen eigenen Schutz."
Der Wirt hob misstrauisch eine Augenbraue.
"Schutz? Wofür?" Plötzlich lächelte er. "Willst wohl, dass dich deine Alte heute Abend in Ruhe lässt."
Frankie nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug.
"Du weißt doch genau, dass ich keine Alte habe. Der Geruch schützt mich vor der beißenden Fledermaus."
"Beißende Fledermaus?", fragte der Wirt misstrauisch. "Du hast erst dein zweites Bier, Frankie."
Für ihn war es normal, dass die Gäste nach ein paar Bier wirres Zeugs redeten. Viele sahen dann rosa Mäuse oder weiße Elefanten. Aber dass zwei Bier schon dazu führten, dass jemand an Verfolgungswahn litt, war ihm neu.
"Vampir. Ich schütze mich gegen einen gemeingefährlichen Vampir." Mir großen Augen starrte er auf den Wirt. "Du kennst die doch sicher auch. Diese bleichen Typen, die einem das Blut aussaugen."
"Ach Vampire meinst du. Natürlich kenne ich sie." Beruhigend klopfte er seinem Gast auf die Schulter. "Aber ich kann dich beruhigen. Ich hatte hier noch nie Vampire als Gäste."
Frankie leerte sein Bier.
"Noch so eins bitte."

***


Valdimier befand sich in seinem kleinen Schlafgemach und betrachtete das Bett. Hätte er nicht irgendwie seinen Sarg mitnehmen können?
Er setzte sich auf die Matratze und schüttelte den Kopf, als sie sich in Richtung Boden durchbog. Für ihn würde es immer ein Geheimnis bleiben, wie man auf so einem Ding vernünftig schlafen konnte. Natürlich war sein Sarg gepolstert. Doch in einem Sarg bekam man nie das Gefühl, darin zu versinken. Wenn er hier schlafen wollte, musste er wohl mit der Gardinenstange vorlieb nehmen.
Nachdem er Rogis Taube gefüttert hatte nahm er das Tagebuch seines Vaters aus seinem Rucksack und setzte sich an den kleinen Tisch, auf dem eine Kerze brannte.
Er blätterte zu einem bestimmten Datum und begann an zu lesen.

4. Juni im Jahre des klaustrophobischen Hammerhais

Schwere Zeiten werden auf uns zukommen. Die Ereignisse der letzten Nacht werden sich sicherlich schon herumgesprochen haben. Das Bündnis mit den Florencus ist zerstört und somit steht uns ein weiterer Feind gegenüber. Gustav wird uns den Tod seines Sohnes Constantin niemals verzeihen. Besonders nicht unter diesen Umständen. Wenn ich nur wüsste, was meinen Sohn zu seinem Handeln getrieben hat und ob es stimmt, was man über ihn sagt. Sollte es wirklich wegen ein paar Sterblichen gewesen sein?


Valdimier klappte das Buch zu.
Sein Vater hatte ja keine Ahnung gehabt. Constantin hätte ihn getötet, wenn er es nicht zuerst getan hätte und es wäre gelogen, wenn er behaupten würde, dass er nicht froh war, es getan zu haben. Es hatte lange gedauert, biss er mit seinen Eltern darüber sprechen konnte.

Mit einem kurzen Schütteln versuchte er, die Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen. Warum hatte er dieses Buch überhaupt mitgenommen? Seine Aufgabe zehrte schon genug an seinen Nerven und es missfiel ihm, dass er auf den ersten Zug seiner Gegner warten musste. Es war wirklich ein schlechter Zeitpunkt, sich jetzt noch mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Vorsichtig verstaute er das Tagebuch in seinem Rucksack und pustete die Kerze aus. Draußen hatte die Nacht die Strassen schon mit ihrer Finsternis eingehüllt. Wenn er Glück hatte und es der Steinewerfer wieder versuchen würde, würde es bald soweit sein müssen.

***


Von seinem Platz auf der Fensterbank beobachtete Kogän, wie das letzte Licht in dem Haus gegenüber erlosch.
"Ich wünsche eine gute Nacht, ihr Bastarde." Erwartungsvoll rieb er sich die Hände. "Es wird eure letzte sein."
Sein kleines Gnomengehirn war damit beschäftigt, alle möglichen Szenarien für den morgigen Abend durchzuspielen. Der einzige Unterschied war allerdings nur die Weise, wie er den Zwerg und den Vampir erledigen würde. Frankie und die anderen spielten in seinen Vorstellungen keine große Rolle. Er würde auch alleine mit dem Feind fertig werden.
Was mache ich eigentlich hier? Dabei hätte alles schon vorbei sein können.
In seinen Augen war es Zeitverschwendung, was sie hier taten. Blutsberg würde seinen Laden niemals freiwillig aufgeben. Daran würden auch die Einschüchterungsversuche nichts ändern.

Hätte er hier etwas zu sagen, wären der Zwerg und sein Gehilfe schon längst Geschichte.

***


Vorsichtig schloss Valdimier die Hintertür von Blutsbergs Laden und betrat den Hof. Von einem *PLOP* begleitet, verwandelte er sich in eine Fledermaus und brachte sich mit ein paar Flügelschwüngen über die Dächer der Stadt. Wenn er noch einen Herzschlag gehabt hätte, so wäre dessen Frequenz sicher in die Höhe geschnellt. Es gab nicht viele Ereignisse, die bei Valdimier diese Reaktion hervorriefen. Aber Ankh-Morpork aus der Luft zu sehen, gehörte definitiv dazu. Besonders in der Ruhe der Nacht [14] konnte man diesen Anblick immer genießen.
Er bedauerte, dass er nicht länger herumfliegen konnte aber versprach sich selbst, dass er es so bald wie möglich nachholen würde.
Nach kurzer Suche fand er schließlich einen geeigneten Dachpfosten, an den er sich hängen konnte. Von hier aus hatte er Gories Laden und die gesamte Strasse im Blickfeld. Wenn sich jemand an dem Laden zu schaffen machen sollte, würde er ihn sofort aufhalten können.

Er musste auch gar nicht lange warten. Allerdings hatte er mit jemand älterem gerechnet. Die Armbrust würde er sicherlich nicht brauchen

***


Jonny Ramon ging gelassen die Strasse entlang. Natürlich hatte er mit seiner Gang schon öfters Scheiben eingeschlagen oder anderweitig für Randale gesorgt. Nicht umsonst zählten die Höllenengel zu den am meisten gefürchteten Banden in ihrem Viertel. Aber dafür auch noch Geld bekommen? Das war nun wirklich etwas Außergewöhnliches. Das waren die leichtesten 5 Dollar, die er sich je verdient hatte und es würden noch 5 hinzukommen, wenn er heute Abend hier fertig war. Erneut vergewisserte er sich, ob sich der Stein noch immer in seiner Hosentasche befand. Seine Neugier hatte ihn dazu getrieben, die beiden Nachrichten zu lesen, die sich an den letzten Steinen befanden. Allem Anschein nach versuchte dieser dicke Typ, von dem er das Geld bekommen hatte, den Geschäftsinhaber dazu zu überreden, den Laden zu schließen. Wahrscheinlich war er einer von diesen Gildenfuzzis und der Laden drückte keine Beiträge ab.
Doch was kümmerte ihn es, worum es bei der ganzen Sache ging? Er war nur hier, um einen verdammten Stein in ein Fenster zu werfen und dann sofort wieder in der Dunkelheit zu verschwinden. Anfangs war er sich nicht sicher, ob er es nach seinen Steinwürfen der letzten Nächte überhaupt riskieren sollte, nochmals hierher zurück zu kommen. Vielleicht lauerte man ihm auf? Oder vielleicht hatte man auch die Wache verständigt? Doch man hatte ihm 5 Dollar extra versprochen, wenn er es in beiden Nächten tun würde. Und er wäre nicht Anführer der Bande geworden, wenn er nicht vorsichtig wäre. Seine Späher hatten ihm erzählt, dass der Zwerg nicht zur Wache gegangen war. Er war nur bei einem Glaser gewesen und dann am Abend in einer Taverne, die er erst recht spät wieder verlassen hatte. Sie hatten ihm auch von einem Mann erzählt, der Arbeit suchte und sie deswegen nach dem Weg gefragt hatte. Er hatte ihnen sogar einen Vierteldollar gegeben.
Es sollte also kein Problem darstellen. Und selbst wenn- Jonny war auch für seine Schnelligkeit bekannt. Beim geringsten Anzeichen von Ärger würde er Fersengeld geben und würde sicher in die Nacht entschwinden.

Doch hatten es die Höllenengel noch nie mit Vampiren zu tun gehabt. Viele von ihnen wussten nicht einmal, wie man Vampir richtig schrieb.

Er stand vor Gories Waffenladen und holte gerade zum Wurf aus, als hinter ihm eines leises *PLOP* ertönte. Noch bevor er reagieren konnte, fühlte er, wie sich eine Hand um seine Schulter schloss. Er wollte sich loszureißen, doch der Griff war zu stark. Er versuchte, seinen Kopf zu drehen um seinen Gegner zu sehen, doch er konnte nur die Hand in sein Blickfeld bekommen. Doch sie reichte schon aus, um Jonny in Angst und Schrecken zu versetzen. Sie als blass zu bezeichnen wäre noch stark untertrieben gewesen. Das wenige Licht, welches der Mond spendete, ließ die Haut weiß strahlen.
Er wollte schreien, doch seine Stimme versagte und es hörte sich eher wie ein heiseres Krächzen an.
"Was willst du von mir? Lass mich los!"
Die unbekannte Person hinter ihm verstärkte den Druck auf seine Schulter und flüsterte ihn ins Ohr:
"Wenn du nicht in noch größere Schwierigkeiten geraten möchtest, solltest du jetzt lieber ganz ruhig sein und mir ein paar Fragen beantworten."
Jonny erstarrte. Mit dem Flüstern zog ein kalter Hauch über seine Wange. Seine Furcht wuchs, als er sein Spiegelbild in dem Fenster gegenüber sah. Von dem Unbekannten hinter ihm fehlte jede Spur. Nur er stand mit weit aufgerissenen Augen da und starrte sich an.
"Beeindruckend, nicht wahr?" Allem Anschein nach hatte der Unbekannte seinen Blick bemerkt. "Nur das Kämmen und Rasieren fällt einem etwas schwer."
Jonny schluckte tief und fing an zu stottern.
"Wa-wa-wa-was wollen S-s-sie von m-m-mir?"
"Ich will nur ein paar Informationen von dir. Und wenn du klug bist, wirst du sie mir auch schön beantworten."
"I-i-i-ich weiß ni-ni-ni-nichts."
Tränen schossen Jonny in die Augen. Für einen Bandenchef war es üblich, dass man immer Rückendeckung hatte wenn es brenzlig wurde. Doch nun stellte er fest, dass es nichts nützte Bandenchef zu sein, wenn die Bande nicht da war.
"Wie ist dein Name Junge?", fragte die unheimliche Stimme.
"Jo-jo-jonny."
"Also gut, Jonny. Ich will nur wissen, für wen du die Scheibe einwerfen solltest."
"I-i-i-ich weiß nicht." Er merkte, wie sich die Person nach vorn beugte und ihm wieder ins Ohr flüsterte.
"Ich würde dir raten, mich nicht anzulügen. Es gibt noch keinen, der danach noch atmete."
Die Furcht in Jonnys Körper stieg weiter an.
"I-i-i-ich weiß nicht, wie e-e-e-er heißt. Es war ein kl-kl-kleiner, dicker M-m-m-mann."
Der Tonfall des Unbekannten klang nicht sehr zufrieden.
"Das hilft mir nicht sehr viel weiter. Das trifft auf ziemliche viele Menschen in Ankh-Morpork zu."
"M-m-m-mehr weis i-i-ich nicht. Bitte."
Immer mehr Tränen flossen das Gesicht des Jungen hinunter.
"Bleib ganz ruhig. Du hast es bald hinter dir. Nur noch eine Frage, OK?"
Jonny nickte. Sein Blick war noch immer nach vorne gerichtet.
"Wo habt ihr euch getroffen?"
"Da-da-das war in de-de-der Kneipe, in der Knapp-knapp-knappbachstrasse."
Der Griff um seine Schulter lockerte sich etwas.
"Da belügst mich doch nicht etwa, oder?"
"Ne-nein."
Der Unbekannte schwieg für einen kurzen Moment. Entschied er gerade, was er mit ihm machen sollte?
Plötzlich löste sich die Hand von Jonnys Schulter.
"Also gut. Ich vertraue dir mal. Aber wenn ich herausbekommen sollte, dass du mich belogen hast, werden wir uns wiedersehen. Und nun mach dich besser nach Hause."
Jonny rannte los. Er wollte eine möglichst große Distanz zwischen sich und den Unbekannten bringen.
Plötzlich hörte er ihn hinter sich etwas rufen.
"Und bleib ja anständig"
Jonny beschleunigte. Er wollte nur noch weg. Er wollte nur noch nach Hause.

Nach einem kurzen Sprint schaffte er es auch. Nachdem er in sein Zimmer geschlichen war, versteckte er sich in seinem Bett und verbrachte den Rest der Nacht unter seiner Bettdecke. Der nächste Tag sollte wie immer beginnen, nur dass er seiner Mutter, zu ihrer eigenen Verwunderung, beim Abwasch half.

***


Mit einem Grinsen auf dem Gesicht schaute Valdimier dem Jungen nach. Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob er es nicht etwas übertrieben hatte. Vielleicht würde der Junge für immer eine püschische Störung erleiden.

Er verwandelte sich und flog in Richtung Knappbachstrasse.

***


Entsetzt beobachtete Kogän die Szenen, die sich auf der Strasse abspielten. Erst hatte er den Jungen gesehen, der die Scheibe einwerfen wollte, doch plötzlich materialisierte sich der Vampir hinter ihm und schien ihn festzuhalten. Sie schienen einen Augenblick lang zu sprechen und dann ließ der Vampir den Jungen los, der darauf wegrannte. Kogän war sich sicher, dass der Junge ausgepackt hatte. Doch was wusste er? Kannte er ihren Beobachtungsposten hier? Wusste er die Namen von ihm und Frankie?
Nein. Er konnte sie nicht wissen. Frankie hatte ihm erzählt, wie er den Jungen vor dieser Bar aufgegabelt hatte und...
"Die Bar!" Er wäre vor Aufregung beinah von der Fensterbank gefallen. "Frankie, ich hoffe du bist nicht so dumm gewesen und bist wieder dorthin gegangen!"

***


"Und nun befürchtest du, dass dich dieser Vampir verfolgen könnte, um dich zu töten?"
Frankie nickte schwach mit dem Kopf und hatte ernsthafte Probleme, nicht vom Stuhl zu fallen.
"Isch glaube, dasch er weisch, dasch ich ihn mit meinem Koll-l-l-llegen schuschammen beobachte."
"Und wie kommst du darauf?", fragte der Wirt.
"Isch weisch esch einfasch."
Er trank sein Glas aus und schob es zu dem Wirt George.
"Gib mir noch einsch."
George schüttelte den Kopf.
"Ich glaube du hast für heute genug getrunken, Frankie"
"Wie kommscht du darauf?
"Nenne es Instinkt des Wirtes."
"Inschtinkt des Wirtesch? Waschn dasch?"
"Ein Wirt weiß immer, wann ein Gast genug hat und du hast definitiv genug."[15]
"Bischt du dir da schischer?"
"Ja Frankie. Du solltest wirklich nach Hause gehen."
Frankie schien zu überlegen. Dabei neigte sich sein Kopf bedrohlich dem Tresen entgegen. Kurz bevor es zu Kollision kam, riss er ihn plötzlich zurück.
"Isch denke du hascht re-re-recht George." Er holte ein paar Münzen aus seinem Beutel und legte sie auf den Tresen. Dann torkelte benommen zum Ausgang.
"Soll dich jemand nach Hause bringen?", rief im George hinterher.
"Nein nein, lascht misch nur. Ich schaff dasch auch alleine."
Langsam schritt Frankie durch die Tür und verschwand in den Schatten der Nacht.
"Man, selten so einen Schwachsinn gehört", lästerte einer der Gäste, der neben Frankie gesessen hatte. "Ich hab noch nie von Vampiren gehört, die hier in Ankh-Morpork Menschen umgebracht haben."
George schüttelte den Kopf.
"Der hat einfach nur einen zuviel getrunken. Ihr werdet sehen. Wenn er das nächste Mal hierher kommen sollte, wird er sicher darüber lachen."
Ein anderer Gast meldete sich zu Wort.
"Und hoffentlich hat er dann nicht dieses widerliche stinkende Zeug gefressen. Der roch ja fast schlimmer als Ron."
Der Raum füllte sich mit hämischem Gelächter, bis plötzlich ein spitzer Schrei von draußen zu hören war.
"ARRRGH, geh weg von mir!"
Das Gelächter verstummte und die Gäste starrten sich mit großen Augen an.
"War das Frankie?"
"Klang jedenfalls nach ihm."
George stürmte hinter seinem Tresen hervor und lief, dich gefolgt von ein paar Gästen, auf die Strasse. Frankie war verschwunden. Nur an einer Wand lehnte eine unbekannte Person und schien sich gerade heftigst zu übergeben. Was George allerdings am meisten verunsicherte, waren die blasse Hauptfarbe der Person und der Umhang, den sie trug.

<***>center

Valdimier hing ruhig an einem Dachbalken und beobachtete den Eingang der Kneipe, die den Namen "Blechender Krug" hatte. Er hatte versucht, einen Blick durch die Fenster zu werfen, doch sie waren zu schmutzig und er konnte nicht genau erkennen ob dort ein Gast saß, oder es ein Fettfleck auf der Glasinnenseite war. Normalerweise hätte er den direkten Weg gewählt und wäre einfach in das Etablissement gegangen, doch wollte er dieses Mal keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Also entschied er sich dafür, hier zu warten. Vielleicht hatte er ein weiteres Mal Glück und ein Gast, auf den die Beschreibung des Jungen passte, würde die Kneipe betreten oder verlassen.

Um nicht vor Langeweile einzuschlafen, das lange Kopfüberhängen machte ihn recht müde, zirpte er ein paar Melodien der Untoten Socken vor sich hin. Seit dem Konzert [16] erwischte er sich immer öfter dabei, wie er eins ihrer Lieder nachsummte oder pfiff. Auch die anderen aus der Abteilung hatten allem Anschein nach Gefallen daran gefunden. Araghast hatte zum Beispiel sein T-Shirt erst Tage später wieder gegen die Uniform getauscht und das auch erst, nachdem ihn Veni darum gebeten hatte.

Während er gerade bei Eselskarren-Gang war, erweckte eine Person die gerade die Kneipe verließ seine Aufmerksamkeit. Es war dieser dicklichere Mann, der sich heute Morgen so seltsam im Laden verhalten hatte. Steckte er etwa hinter dieser Erpressung? Dann würde seine neugierige Fragerei jedenfalls Sinn machen.
Über seine Unachtsamkeit verärgert, löste sich Valdimier aus seinem Versteck und flatterte zu Boden. Wäre er damals etwas aufmerksamer gewesen, hätte er vielleicht jetzt schon wieder in seinem Sarg in der Pension liegen können. Doch das würde er jetzt nachholen.

Allerdings hatte er nicht mit den Vorbereitungen gerechnet, die Frankie getroffen hatte und nach der einfachen Befragung des Jungen war er wohl etwas leichtsinnig geworden.

Hinter dem Rücken des Mannes verwandelte er sich zurück und lenkte mit einem "Entschuldigen Sie bitte", dessen Aufmerksamkeit auf sich.
Doch anstatt, wie es Valdimier eigentlich erwartet hatte, sich einfach umzudrehen, wirbelte der Mann herum und starte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
Als er Valdimier erblickte, stieß er einen lauten Schrei aus und dem Vampir schlug eine übelriechende Duftwolke entgegen.
"ARRRGH, geh weg von mir!!"
Valdimier wich zurück. Ein brennender Schmerz legte sich über sein Gesicht. Ein Schmerz den er nur zu gut kannte. Sein Gegenüber hatte eine Knoblauchfahne, die sich gewaschen hatte. Der dazukommende Alkoholgestank schien die Wirkung noch zu verschlimmern. Die Augen des Vampirs fingen an zu tränen und der Schmerz schien sich auf seinen ganzen Körper zu auszubreiten. Er stolperte nach hinten und hob abwehrend die Hände vor sein Gesicht. Die Gassenwände schienen sich plötzlich um ihn zu drehen und er verlor das Gleichgewicht. Mit einem lauten "Uffz" fiel er zu Boden und ein Anflug von Panik machte sich in ihm breit. Wenn sein Gegner zu einem weiteren Angriff übergehen sollte, wäre er ihm chancenlos ausgeliefert.
Doch durch seine verschwommene Sicht konnte er erkennen, wie der Unbekannte die Flucht ergriff. Er rappelte sich auf und stolperte dem Flüchtendem hinterher. Beim Versuch, laut "Halt!" zu rufen, schaffte er nur ein leises Keuchen. Nach ein paar Schritten durchzogen plötzlich starke Krämpfe seinen Körper und drohten ihn zu übermannen. Mit einer Hand stützte er sich gegen eine Wand und versuchte die Krämpfe unter Kontrolle zu kriegen.
Die Knoblauchattacke war ziemlich stark gewesen und es hätte nicht mehr viel gefehlt, um ihn in ein kleines Häufchen Asche zu verwandeln.
Die Krämpfe erreichten ihren Höhepunkt und brachten ihn dazu unter starkem Würgen dazu, der Gasse seine letzte Mahlzeit zu schenken.
Plötzlich erklang eine Stimme hinter ihm.
"Hey, was ist denn hier los?"
Langsam, sich noch immer den Magen haltend, drehte er sich um und blickte in 5 verwirrte Gesichter. Allem Anschein nach wurden sie von dem Schrei auf die Strasse gelockt.
Wieder mal typisch Ankh-Mopork, dachte sich der Vampir. Kaum hören sie einen Schrei, stürmt die halbe Belegschaft zum Tatort.
Eine der Personen, die zu den Gesichtern gehörten, trug eine große Schürze. Er vermutete, dass es sich hierbei um den Wirt der Kneipe handeln musste. Die anderen vier Gestalten schienen normale Gäste zu sein. Einer von ihnen hielt sogar noch sein Bierglas in der Hand.
"Alles in Ordnung", erwiderte er mit schwacher Stimme. "Ich bin von der Sta..."
Plötzlich deutete einer der Schaulustigen mit dem Finger auf ihn.
"Oh Gott!! Das ist ein Vampir. Frankie hatte also doch keinen Blödsinn geredet."
Valdimier kniff die Augen zusammen.
"Ach, Sie kennen ihn? Dann wissen Sie auch sicher, wo er wohnt."
"Warum willst du das wissen, du Blutsauger?", fragte ein anderer. Seine Stimme wies ein erhebliches Maß an Erregtheit auf. "Willste ihn etwa aussaugen? Das kannste gleich vergessen."
Valdimier schüttelte den Kopf.
"Nein, ich will ihn sicher nicht aussaugen. Ich bin von..."
"Du lügst doch wie gedruckt", unterbrach ihn jemand. "Du wolltest Frankie umbringen. Das hat er George hier erzählt."
Er deute auf den Mann in der Schürze, der daraufhin merklich zusammenzuckte.
"Hat er das?", fragte Valdimier und schaute zu George, der versuchte, den Blick des Vampirs zu meiden.
"Äh, nun ja. Er erzählte, dass er Angst vor einem Vampir hätte, der ihn angeblich töten will."
"Genau. Deshalb hat er auch so nach Knoblauch gestunken. Er wusste sicher, dass der hier...", er deutete auf Valdimier, " ...ihn angreifen würde."
"Ich glaube, es war eher Zufall, Tim." George versuchte, seinen Gast zu beruhigen. "Frankie wusste nicht, dass es heute passieren würde."
Die Person, die Tim genannt wurde, schüttelte den Kopf.
"Ist doch vollkommen egal. Fakt ist, dass der Vampir hier Frankie töten wollte. Und so was können wir nicht zulassen. Hab ich recht, Jungs?"
Den letzten Satz brüllte er regelrecht in die Menge hinein und die Antworten kamen sofort.
"Genau!"
"Nicht mit uns, Bürschchen!!"
"Unser Blut bekommst du nicht!!"
Der Unterstützung gewiss, bildete sich ein Grinsen auf dem Gesicht des Mannes. Nur der Wirt schien nicht ganz überzeugt. Er hatte sich etwas zurückgezogen und musterte Valdimier.
"Du, Tim. Ich wäre vorsichtig. Mit Vampiren ist nicht zu spaßen."[17]
"George", erwiderte Tim. "Er ist allein und wir zu viert. Außerdem scheint ihm Frankie schon gut zugesetzt zu haben. Warum sollte er sich sonst die Seele aus dem Leib gekotzt haben?"
"Vielleicht ein Trick?"
Valdimier hob beschwichtigend die Hände und ging vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. Dieser Tim hatte nicht ganz unrecht. Noch immer plagte ihn ein leichtes Schwindelgefühl und ganz bei Kräften war er auch nicht.
"Meine Herren. Wenn Sie mich bitte ausreden las.."
Doch Tim unterbrach ihn erneut. Dieses Mal schrie er allerdings.
"Sei ruhig!! Los Leute. Wir zeigen diesem Blutsauger, was wir hier in Ankh-Morpork mit einem machen, der unser Blut will!"
Valdimier wollte noch etwas erwidern, doch die Gruppe hatte sich schon in Bewegung gesetzt. Nur George stand noch immer an seinem Platz und wartete entsetzt auf die nächsten Ereignisse. In seinen Gedanken strich er Tim und die anderen schon von seiner Stammkundenliste. Doch was sollte er auch machen? Ihnen helfen? Niemals. Wenn es etwas wichtigeres für einen Wirt gab als das Wohlbefinden des Gastes, dann war es sein eigenes.

Sich durch Tims Worte in Sicherheit wiegend, stürmten die anderen auf den Vampir zu. Doch kurz bevor sie ihn erreichen konnten, verschwand er plötzlich. Tim, der sich an die Spitze des Sturmtrupps gesetzt hatte, geriet vor Schreck ins Straucheln und stürzte. Er rutschte über den Steinboden und blieb nach einigen Metern liegen. Die anderen hinter ihm konnten ihm nicht mehr rechtzeitig ausweichen und so bildete sich auf der Gasse ein Knäuel aus vier Menschen, aus dem man laute Schmerzensrufe hören konnte.
"Autsch, wo ist er hin?"
"Nimm gefälligst deinen Fuß aus meinem Gesicht."
Tim versuchte, sich von seiner Last zu befreien, und starrte dabei in den dunklen Nachthimmel. Er konnte für einen kurzen Moment eine Fledermaus ausmachen, die gerade über den Dächern der Stadt verschwand.
"Hey, komm zurück, du feiger Blutsauger!" Sein Brüllen hallte durch die Gasse. "Oder hat man dir schon deine Zähne gezogen?"

***


Mit schnellen Flügelschlägen flog Valdimier durch die Nacht. Diese Möchtegern-Vampirjäger konnten ihm gestohlen bleiben. Normalerweise würde er einer Konfrontation diesen Kalibers nicht aus dem Weg gehen, doch da war etwas, was ihn lieber den Rückzug antreten ließ. Es war ein Verlangen, dass er nur allzu gut kannte und er hatte gehofft, es nie wieder zu spüren.

Es war das Verlangen nach Blut, und es wurde immer stärker.

Hätte er sich auf eine Prügelei mit den Gästen eingelassen, so wäre es für viele von ihnen die letzte Schlägerei ihres Lebens gewesen. In seinen Gedanken sah er sich, wie er seinen Gegner erst niederschlug und dann seine spitzen Eckzähne in den Hals seines Opfers vergrub.

Er schüttelte sich um sich von seinen Gedanken zu befreien und beschleunigte seinen Flug. Er brauchte schnellstmöglich etwas von dem roten Lebenssaft und er wusste auch schon, wo er es am Besten bekommen würde.

So kam es, dass Umbertus Beilhieb, Inhaber einer kleinen Metzgerei in der Plattsteingasse, am nächsten Tag eine höchst ungewöhnliche Entdeckung machen sollte.

Eins seiner Riesensteaks, welche zu seinen Spezialitäten gehörten, lag ausgetrocknet auf seiner Schlachterbank. Bei näherem Betrachten fielen dem Metzger mehrere kleine, runde Einstiche auf. Neben dem Steak lag ein kleiner Zettel, auf dem jemand etwas in krakeliger Schrift geschrieben hatte. Darauf lagen ein paar Münzen. Verwundert nahm Beilhieb den Zettel und las die Notiz.

"Sehr geehrter Beilhieb,

ich möchte mich erstmal für das zerbrochene Fenster in Ihrem Hinterhof entschuldigen. Leider fand ich keinen anderen Eingang. Ich benötigte eines ihrer "Jumbo Deluxe" Steaks für einen akuten Notfall. Qualität war wieder einmal vorzüglich. Das beiliegende Geld ist für das Fleisch und die Reparatur des Fensters."


***


Gesättigt, aber immer noch in Eile, flog Valdimier zurück zu Blutsbergs Laden. Viele Gedanken hausten in seinem Kopf. Die Aktion vor der Kneipe war gründlich in die Hose gegangen und dieser Frankie wusste nun, dass er hinter ihm her war. Seine Tarnung als harmlose Aushilfe war damit hinüber. Vielleicht würde man sogar auf den Gedanken kommen, dass er zu Wache gehören könnte. Dann wäre Blutsbergs Leben in ernster Gefahr.
Erneut flammte Ärger über sich selbst in ihm auf. Er hätte lieber Veni eine Nachricht zukommen lassen sollen. Sie hätte sich dann mit jemanden um diesen Frankie kümmern können.


***


Mit einem Keuchen stürmte Frankie in das Zimmer und warf die Tür ins Schloss. Mit Panik in den Augen stemmte er sich gegen die Tür, als wolle er verhindern, dass jemand in den Raum eindrang.
"Frankie!! Frankie!!" Aufgeregt rutschte Kogän an der Gardine hinunter. "Dieser Vampir hat den Jungen abgefangen und ist dann davongeflogen und..." Er sah den Ausdruck in Frankies Gesicht. "Oh je! War er bei dir?"
"Der Junge? Welcher Junge?"
"Der Junge, den du vor dem blechenden Krug aufgegabelt hattest. Der Junge, der gestern schon die Scheibe eingeworfen hatte."
"Oh Mist!! So wusste er also, wo ich mich aufhielt." Frankies Gesicht schien immer bleicher zu werden. "Dieses Gesicht. Es war kreidebleich." Das Adrenalin in seinem Körper schien den Alkohol verdrängt zu haben und zurück blieb nur die blanke Angst. "Ich hab ihm direkt in die Augen geschaut."
Kogän lief auf seinen Kollegen zu.
"Frankie!"
"Sie waren so finster."
"Frankie!!"
"So finster wie dir Nacht."
"FRANKIE!!"
Mit einem Satz sprang Kogän auf Frankies Fuß und gab dem Knöchel eine leichte Kopfnuss. Sie war nicht sehr schmerzhaft, aber sie reichte aus, um seinen Partner wieder in die Realität zurückzuholen.
Erschrocken zuckte sein Bein nach vorne und beförderte den Gnom durch die Luft.
"Wie? Was? AUTSCH!! Was soll das??" Er blickte auf seinen Kollegen herab, der etwas unsanft auf seinem Hintern gelandet war. "Bist du bescheuert?"
Kogän rieb sich sein schmerzendes Hinterteil.
"Du warst nicht ganz bei der Sache."
"Du weißt nicht, was ich durchgemacht habe. Er wollte mich umbringen. Er wollte mich einfach umbringen."
"Der Vampir?"
"Nein, mein Großvater." Ein böser Blick traf den Gnom. "Natürlich der Vampir!! Wer denn sonst??"
"Beruhig dich, Frankie. Hier bist du sicher."
Doch Frankie wollte sich nicht beruhigen. Seine Angst hatte ihn in ein Stadium der absoluten Panik getrieben.
"Sicher?? Hier?? Genau vor der Tür von diesem Vampir?? Niemals!! Ich hau ab. Soll Roberta alleine mit den beiden fertig werden." Er drehte sich um und öffnete die Tür.
"Und du meinst, damit ist die ganze Sache für dich erledigt?" Kogän sprach plötzlich mit einer sehr ruhigen Stimme. "Du weißt doch, was man sich über Zwerge erzählt, die man betrogen und hintergangen hat."
Frankie blieb auf halbem Weg in der Tür stehen. Die Worte des Gnomes hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Mit ein paar schweren Atemzügen versuchte er, sich zu beruhigen. Es fiel ihm schwer, es zuzugeben, doch Kogän hatte recht.
"Sie suchen dich." Leise schloss er wieder die Tür. "Und wenn sie dich gefunden haben, hacken sie dir die Kniescheiben ab."
Sein Partner nickte langsam mit dem Kopf.
"Und das ist erst der Anfang."
Erschöpft setzte sich Frankie auf einen Stuhl und stützte seinen Kopf mit einer Hand. Die Anstrengung und der Alkohol schienen nun ihren Tribut zu fordern. Er fühlte, wie die Kraft seinen Körper verließ und sein Schädel zu brummen anfing.
"Was sollen wir jetzt nur machen, Kogän? Er weiß sicher, dass wir hier sind."
"Woher soll er das wissen? Hast du ihm etwa etwas erzählt?"
"Nein", antwortete Frankie mit einem Kopfschütteln. "Es ging alles so schnell und ich kann mich nicht mehr so richtig daran erinnern. Ich glaube, ich hatte gerade die Kneipe verlassen, als er plötzlich hinter mir war und mich angriff."
Kogäns Augen weiteten sich.
"Und dann? Hat er dich gebissen?"
Erschrocken sprang Frankie auf. Sollte er sich deswegen nicht mehr an alles erinnern können? Würde er sich bald selbst in einen Blutsauger verwandeln? Mit Panik in den Augen tastete er seinen Hals ab.
Mit einem tiefen Seufzer lies er sich zurück auf seinen Stuhl fallen, als er keine Bissspuren erfühlen konnte.
"Ich weiß nicht mehr genau", erzählte er. "Ich erinnere mich nur noch daran, wie ich geschrieen habe und dann weggelaufen bin."
"Und er hat dich nicht verfolgt?"
"Ich glaube nicht. Ich hatte mich auch nicht nach ihm umgeschaut. Mein Ziel war es, einfach nur von dort zu verschwinden."
Kogän kratzte sich nachdenklich am Kopf. Auf die Frage:"Es könnte also sein, dass du ihn direkt zu uns geführt hast?" verzichtete er lieber.
Angestrengt suchte er nach einer Lösung.
"Wir sollten zu Roberta gehen", antwortete er schließlich. "Die Sache ist zu ernst, um selbst darüber zu entscheiden."
"Bist du dir da sicher?", erwiderte Frankie. "Ich glaube nicht, dass sie sehr erfreut darüber sein wird, wenn sie erfährt, dass ich in einer Kneipe war."
"Es ist glaube ich besser, wenn sie es von dir erfährt, als von jemand anderem. Außerdem wird sie es sicher sehr interessieren, dass uns dieser Vampir hinterher schleicht."
"Willst du jetzt etwa da rausgehen? Vielleicht wartet er ja nur auf uns."
"Ach, das wird schon, Frankie. Ich werde schon auf uns aufpassen. Du scheinst unsere Knoblauchvorkehrungen zu vergessen."
Frankie schaute den Gnom unsicher an.

Irgendwie hatte er die Überheblichkeit schon vermisst.

***


Valdimier flatterte in Gories Hinterhof und betrat, nachdem er sich zurückverwandelt hatte, das Haus. Er war zu der Entscheidung gekommen, dass es für Gories Sicherheit am Besten war, wenn er an einen anderen Ort gebracht wurde.
Er ging zu einer kleinen Tür, von deren anderen Seite er ein lautes Schnarchen hören konnte und klopfte.
Das Schnarchen endete mit einem lauten Grunzen und die verschlafene Stimme des Zwerges war zu hören.
"Arr, was los? Wer da?"
"Ich bin's, Herr Blutsberg", antwortete Valdimier. "Stehen Sie auf. Es ist wichtig."
Ein dumpfes Poltern erklang und Valdimier konnte hören, wie sich der Zwerg der Tür näherte.
"Arr, nicht mal seine Ruhe kann man haben."
Während sich die Tür öffnete, fing Valdimier an zu reden. Je schneller sie den Laden verlassen konnten, um so besser.
"Wir müssen so schnell wie möglich hier weg. Es könnte..." Er starrte auf den Zwerg. "Schlafen Sie immer so?"
"Arr, was stimmt denn daran nicht?" Gorie stand vor ihm und stemmte die Hände in die Hüften. Er trug ein blau gestreiftes Nachthemd und eine große Zipfelmütze kleidete seinen Kopf. Was Valdimier allerdings mehr irritierte, waren die roten Pantoffeln, die der Zwerg an den Füßen trug.
"Ähh, nichts." Valdimier schüttelte den Kopf. "Kommen Sie. Es ist besser, wenn wir von hier verschwinden."

***


"Dieser Vampir hat dir aufgelauert?", donnerte Roberta. Ihre schlechte Laune, die sie immer hatte, wenn sie mitten in der Nacht geweckt wurde, hatte sich noch erheblich verschlechtert. "Was hattest du eigentlich in dieser Kneipe zu suchen Frankie?"
"Ich äh... ich war..."
"Er war dort, weil er versucht hatte, mehr Informationen über den Vampir herauszufinden und nur durch seine Knoblauch-Sicherheitsmaßname konnte er dem Vampir entkommen."
Frankie nickte schweigend. Es war das erste Mal, dass er dankbar war, dass sich Kogän in seiner Nähe aufhielt.
"Das erklärt, warum ihr so komisch riecht." Misstrauisch betrachtete Roberta den Gnom. "Naja, ist auch egal. Jetzt wissen wir jedenfalls, dass dieser Vampir mehr als nur eine Aushilfe ist."
"Was sollen wir jetzt machen?", fragte Kogän. "Vielleicht weiß er auch, dass wir sie beobachten."
Die Zwergin schüttelte den Kopf.
"Das wird ihm nicht mehr viel bringen. Wir werden jetzt Boris und Paulus holen und dann werden wir die ganze Sache beenden."
"Aber... aber die Frist." Frankies Stimme geriet ins Stottern. "Was ist mit der Frist?"
"Ich habe die Frist gerade vorverlegt."
"Warum..."
Erneut schüttelte Roberta den Kopf.
"Das ist doch eindeutig. Wieso hat der Vampir wohl auf dich gewartet? Gorie hat ihm sicher von der ganzen Sache erzählt."
"Du denkst also..." Kogäns Körper spannte sich an.
"Ich denke, dass er entweder zur Wache gehört oder ein Leibwächter ist."
Frankie spürte plötzlich, wie Kogän auf seiner Schulter aufgeregt auf- und absprang.
"Soll heißen, wir machen dem Blutsauger den Garaus?"
"Genau das soll es heißen." Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht der Zwergin. "Ich sehe schon, Kogän. Du bist nicht so unterbelichtet wie der da."
Sie deutete auf Frankie, der sich im Moment nicht im klaren war, worüber er sich am meisten Sorgen machen sollte. Dass er gerade als unterbelichtet bezeichnet wurde, dass Kogän ihm wohl bald die Schulter brechen würde oder dass sie jetzt noch mal bei dem Vampir vorbeischauen würden.
"Ähm... Boss, dafür brauchen Sie mich doch nicht wirklich." Vielleicht konnte er sich ja aus der ganzen Aktion raushalten. "Sie, Kogän, Paulus und Boris schaffen das doch sicher alleine. Ich warte lieber hier und..."
Er verstummte, als er den bösen Blick der Zwergin sah. Mit beiden Händen hielt sie den Griff ihrer Axt umklammert.
"Hier wird nicht gekniffen, Freundchen. Du kommst schön mit."

***


"Verdammt, Herr Blutsberg. Kämmen Sie sich etwa noch den Bart oder was dauert da so lange? Sie sagten, Sie wollen sich nur kurz umziehen." Erneut klopfte Valdimier an die Tür. "Wir sollten eigentlich schon längst von hier verschwunden sein."
"Arr, ich bin gleich fertig. Hättest du es nicht vermasselt, wäre diese Hektik gar nicht nötig."
Valdimier bereute, dass er dem Zwerg erklärt hatte, warum sie so plötzlich aufbrechen mussten und langsam drohte ihm der Geduldsfaden zu reißen.
"Machen Sie schneller. Sie sind da jetzt schon geschlagene 10 Minuten drin."
Das hab ich nun davon, dass ich ihm erlaubt habe, sich kurz umzuziehen
Plötzlich öffnete sich die Tür und Blutsberg trat heraus. Er hatte sich ein Kettenhemd übergezogen und ein Helm zierte seinen Kopf. Allem Anschein nach stellte sich der Zwerg auf das Schlimmste ein.
Für einen Moment verflog Valdimiers Hektik und er musste grinsen.
"Fehlt nur noch die Waffe."
"Arr, sehr witzig. Ich hab dieses Kettenhemd das letzte Mal getragen, als ich noch in der Mine lebte. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir noch passen würde."
"Ist ja schön und gut, aber wir müssen nun wirklich los", drängelte Valdimier und schob den Zwerg in Richtung Ladentür. "Was hat Sie eigentlich da drinnen so lange aufgehalten?"
"Arr, mein Bart hat sich öfters in dem Kettenhemd verfangen. Anscheinend bin ich etwas aus der Übung gekommen."
Valdimier konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken.
Als sie an der Tür angelangte waren, verlangte er von Gorie den Schlüssel und öffnete vorsichtig die Tür. Mit einer Handbewegung gab er dem Zwerg zu verstehen, dass er warten sollte und ging nach draußen.

Er musterte die Umgebung. In einer Hand hielt er eine Pistolenarmbrust, während eine zweite einsatzbereit an seinem Gürtel hing. Würden sie auf Widerstand treffen, würde er nicht unbewaffnet sein. Um ihn herum herrschten die typische Stille und Dunkelheit, die die Nacht mit sich brachte. Ein leichter Wind wehte und ließ seinen Umhang auf- und abflattern. Nirgends gab es Anzeichen dafür, dass man sie beobachten würde. Die Fenster der anderen Häuser waren verschlossen und nirgends brannte Licht. In dem Vampir stieg die Zuversicht. Wenn alles so lief, wie er es sich gedacht hatte, würden sie ihren Zielpunkt ohne Probleme erreichen.
Nachdem er sich sicher war, dass sie alleine waren, ging er zu dem wartenden Zwerg zurück und flüsterte: "Ok, Herr Blutsberg. Die Luft scheint rein zu sein."
Leise verließen sie den Laden und nachdem Valdimier die Tür abgeschlossen hatte, gab er dem Zwerg den Schlüssel zurück.
"Arr, mir gefällt es gar nicht, den Laden jetzt unbewacht zu lassen."
"Keine Sorge Herr Blutsberg." Valdimier versuchte, ihn zu beschwichtigen. "Sobald ich Sie woanders untergebracht habe, komme ich hierher zurück und passe schon darauf auf."
"Arr, wo willst du eigentlich mit mir hin?"
Valdimier hatte gehofft, dass der Zwerg ihn das erst fragen würde, wenn sie schon auf dem Weg waren. Er war sich sicher, dass es ihm nicht sehr gefallen würde.
"Auf jeden Fall nicht zur Wache." Er ging ein paar Schritte voraus und forderte den Zwerg auf, ihm zu folgen.
"Immer in der Nähe von der Hauswand bleiben. So haben wir mehr Deckung."
Der Zwerg folgte ihm. Doch gab er sich mit der letzten Antwort nicht zufrieden.
"Arr, wohin? Sag schon."
Valdimier seufzte leise.
"Ich hatte an mein Zuhause gedacht?"
"WAS??" Der Zwerg war so erschrocken, dass er seine Seemannsprache ganz vergaß. "Du willst mich in so eine Gruft stecken? Vergiss es! Nicht in so ein feuchtes und verschimmeltes Kellerloch."
"Jetzt beruhigen Sie sich mal wieder." Der Vampir war sichtlich in seinem Stolz gekränkt. "Bei mir ist es weder feucht noch schimmelig. Ich hab ein normales Zimmer in einer Pension."
Sie brachten ein paar Meter hinter sich.
"Mit dem Keller haben Sie allerdings schon recht."
"Arr, sag ich doch. Sicher ist es auch voller Spinnwe... Was ist los?"
Der Vampir vor ihm war plötzlich stehengeblieben.
"Da vorne kommt jemand."
"Arr, was wo?"
Gorie schaute an dem Wächter vorbei und sah in der Dunkelheit 4 Personen auf sich zukommen. Zwei von ihnen hoben sich durch ihre Körpergröße von den anderen ab. Die anderen beiden waren etwas kleiner. Bei der letzten Person konnte es sich sogar um einen Zwerg handeln. Auch wenn er sie nicht richtig erkennen konnte, war er sich sicher, dass er die zwei großen kannte.
"Arr, die zwei großen sind die, die mich vor drei Tagen besucht hatten."
"Sind Sie sicher?", fragte Valdimier. Da seine Augen noch besser in der Dunkelheit sehen konnten als die eines Zwerges, erkannte er, dass die Gestalten bewaffnet waren. Die zwei bullig aussehenden Personen hielten jeweils eine Armbrust in ihren Händen und an ihren Gürteln hatten sie ein Schwert hängen. Der Zwerg, der ganz rechts lief, war mit einer großen Streitaxt bewaffnet.
Noch zirka 15 Meter trennten sie und die Unbekannten voneinander.
"Arr, natürlich. Die zwei werde ich nie vergessen."
"Gehen Sie sofort zurück und schließen Sie die Ladentür wieder auf. Ich komme sofort nach", erwiderte der Vampir, ohne die Augen von den Unbekannten zu nehmen.
Noch 13 Meter.
"Arr, was hast du vor? Die sind zu viert und du..."
"Gehen Sie schon!! Ich verschaffe uns etwas Zeit."
Valdimier ging los. Er hörte hinter sich, wie sich die hastigen Schritte des Zwerges entfernten. Einen Kampf auf offener Strasse wollte er nicht riskieren. Zu groß war die Gefahr, dass Blutsberg von einem Querschläger getroffen werden konnte.
Noch 11 Meter.
Da Blutsberg nun erstmal aus der Gefahrenzone verschwunden war, ließ die Anspannung in seinem Körper etwas nach. Mit ruhigen Schritten ging er auf die Unbekannten zu, die ihn allem Anschein nach auch bemerkt hatten. Sie hatten ihre Waffen in Stellung gebracht und ihr Schritttempo verlangsamte sich.
Valdimier hatte eigentlich gehofft, dass sie es zu der Pension von Frau Kuchen schaffen würden, doch eine Konfrontation war nun unausweichlich.
Aber sie schien interessant zu werden.
Er musste an die Stelle in seinem Boo Roman, den er gerade las, denken. Ku-Fung-Fett war dort in eine ähnliche Situation verwickelt. Er alleine gegen 6 Triaden Mitglie...
Für einen kurzen Moment vergaß er alles um sich herum und ihm wurde klar, dass Bregs doch nicht ganz unrecht hatte.
Noch 8 Meter.
Mit seiner freien Hand griff er nach seiner zweiten Armbrust und hielt beide Waffen hinter seinem Rücken versteckt.
5 Meter
Er blieb stehen. Im Mondlicht konnte er die Gesichter seiner Gegenüber erkennen und eines kannte er nur zu gut. Es war dieser Frankie, den er vor der Kneipe verloren hatte. Außerdem erkannte er einen Gnom auf der Schulter des Mannes, der nicht bewaffnet zu sein schien. Da eine Knoblauchattacke jetzt sicherlich nicht gut für ihn ausgehen würde, änderte er seinen Plan.
4 Meter
Mit einem Ruck riss er die Armbrüste empor und seine Stimme hallte durch die Strasse.
"Jetzt mal schön stehen bleiben!!"
Mit einer Waffe zielte er auf die zwei Armbrustträger, während er versuchte mit der anderen den Zwerg und den Menschen in Schach zu halten. Seine Finger am Abzug habend, wechselten seine Blicke von einem Gegner auf den anderen. Die beiden Armbrustträger hatten ihre Waffen hochgerissen und zielten auf seinen Kopf.
Es vergingen ein paar Sekunden, in denen sie sich wortlos gegenüberstanden. Jeder wartete auf eine Aktion des anderen. Plötzlich machte der Zwerg einen Schritt nach vorne.
"Ich denke, wir haben hier eine kleine Pattsituation."
Valdimier war überrascht, als er die Frauenstimme hörte. Eine kurze Unsicherheit überkam ihn.
Eine Zwergin?
Außer einer fetten Haushälterin, die mit einem Besen bewaffnet war[18], hatte er noch nie eine Frau als Gegner gehabt.
"Das sehe ich anders", erwiderte er mit fester Stimme. "Wenn ihr leben wollt, lasst eure Waffen fallen und ergebt euch."
Doch anstatt seiner Aufforderung nachzukommen, fingen seine Gegner an zu lachen. Valdimiers Finger fingen an zu zucken. Am liebsten hätte er ihnen gezeigt, dass sie lieber auf ihn hören sollten. Doch er ermahnte sich zur Ruhe. Sollten sie sich ruhig in Sicherheit wiegen.
"Und für wen hältst du dich, dass du glaubst uns Befehle geben zu können?" Die Zwergin beobachtete ihn eindringlich. Sie schien förmlich auf eine Antwort zu warten.
"Ich gehöre zur Stadtwache von Ankh-Morpork."
Jetzt war es eh egal, ob sie die Wahrheit wussten oder nicht.
"Ich hab's doch gewusst", rief der Gnom plötzlich. "Der Blutsauger ist ein verdammter Wächter. Wir hätten ihn gleich kaltstellen sollen."
"Ich wollte schon immer mal einen Wächter umlegen", murrte einer der Armbrustschützen. "Man genießt ein hohes Ansehen in gewissen Organisationen, wenn man für den Tod eines Gesetzeshüters verantwortlich ist."
"Verdammt seiest du, Blutsberg", zischte die Zwergin. Die Waffe in ihren Händen fing an zu zittern. "Das war eine private Angelegenheit und du bringst die Wache mit ins Spiel."
Ihre Augen waren auf den Vampir gerichtet. Er konnte das Feuer, das in ihr brannte, sehen.
Für einen kurzen Moment, der Valdimier wie eine kleine Ewigkeit vorkam, herrschte wieder die gespenstische Stille, während sie sich gegenseitig anstarrten.

Doch dann begann es...

Die Zwergin atmete aus.
"Legt ihn um!"
Valdimier sah, wie die zwei Männer ihre Abzüge durchzogen und warf sich zur Seite. Er spürte einen Luftzug, als einer der Bolzen haarscharf an seinem Kopf vorbeischoss. Der zweite schien ihn gestreift zu haben. Ein merkwürdiges Gefühl ging von seiner linken Schläfe aus und er merkte wie Blut an seinem Gesicht hinunterlief. Sich noch mitten im Fall befindend, riss er seine Waffen herum und feuerte auf einen der Armbrustschützen.
Ein Schrei erklang.
Er rollte sich auf dem Boden ab und flüchtete, ohne einen weiteren Blick auf seine Gegner zu werfen, in Richtung Ladentür. Er hatte nicht genau gesehen, wo er den Mann getroffen hatte, doch dem Schrei nach zu urteilen, war es sehr schmerzhaft.
"AAARGH!! Das Schwein hat mich getroffen."
"Hinterher, Männer. Ich will diesen Vampir tot sehen."
"Boss, schau da. Er blutet. Was blutet, kann auch getötet werden."
Valdimier fasste sich an seinen Kopf und konnte eine größere Wunde erfühlen. Der Bolzen hatte ihn wohl schlimmer erwischt, als er dachte. Er nahm seine Hand zurück und betrachtete sie. Sie war mit Blut bedeckt und er fühlte, wie es langsam an seinem Arm hinunterlief.
Er konnte hören, wie sich seine Verfolger in Bewegung setzten. Er drehte den Kopf, um sie in sein Blickfeld zu bekommen. Er hatte eine größere Distanz zwischen sich und sie bekommen können. Er sah aber auch, dass er den Angeschossenen nicht kampfunfähig gemacht hatte. Er hielt sich zwar die linke Schulter, doch schien sonst nicht weiter verletzt zu sein.

Als er sich der Tür von Blutsbergs Laden näherte, erkannte er den Zwerg, der vorsichtig hinter dem Türrahmen hervorschaute und auf ihn zu warten schien.
"Rein da!!", brüllte der Hauptgefreite.
Sofort verschwand der Zwerg im Inneren des Gebäudes und nach einem kurzen Sprint erreichte auch Valdimier den Laden.
Krachend fiel die Tür in das Schloss und Valdimier riss dem Zwerg, der mit großen Augen auf die Wunde an dem Kopf des Vampirs starrte, den Schlüssel aus der Hand.
"Arr, dein Kopf. Er blu..."
"Das wird schon", erwiderte Valdimier hastig und schloss die Tür ab.
Doch er war sich sicher, dass sie so ihre Feinde nicht lange aus dem Laden fernhalten konnten. Er spurtete zu dem nächstliegenden Regal und warf es um. Verschiedene Armbrüste und Schwerter fielen scheppernd zu Boden.
Hinter ihm erklang Blutsbergs empörte Stimme.
"Arr, was tust du denn da? Willst du denen die Arbeit abnehmen und mein Geschäft lieber selbst in Schutt und Asche legen?"
"Reden Sie keinen Blödsinn" Er wuchtete das Regal vor die Tür. "Ich versuche uns nur etwas Zeit zu verschaffen."
Plötzlich erschütterte ein heftiger Schlag die Ladentür.
"Gebt auf. Ihr habt keine Chance." Es war die Stimme der Zwergin.
Kaum hatte er die Worte vernommen, erstarrte Blutsberg.
"Arr, das... das kann nicht sein", stammelte er.
"Was ist los?" Valdimier hatte den starren Gesichtsausdruck des Zwerges bemerkt. Doch der Zwerg schüttelte nur den Kopf.
"Arr, nichts."
Plötzlich brüllte er los. "Arr, wir werden uns niemals ergeben. Wir werden kämpfen bis zum bitteren Ende."
"Beim Barte von Kalbutus Spalthammer." Die Zwerginnenstimme war voller Wut. "Wir werden euch vernichten. Das schwöre ich euch." Unterstützt wurde sie von einem erneuten Rütteln an der Tür.
"Wir werden kämpfen bis zum bitteren Ende?", fragte der Vampir misstrauisch. Er hatte einen Tisch umgeworfen und war dahinter in Deckung gegangen. Vorsichtig schaute er hervor und beobachtete die Eingangstür und das danebenliegende Fenster. Ein leises Klicken war zu hören, als er seine Waffen neu lud.
"Ich brauche meine Taube. Der Käfig steht in meinem Zimmer", sprach er zu dem Zwerg, ohne seine Augen von möglichen Einbruchsstellen zu nehmen. "Und schauen Sie ja nicht aus dem Fenster."
"Arr, was hast..."
"Los jetzt."
Mit einem leisen Murren machte sich der Zwerg auf den Weg zu Valdimiers Schlafgemach. Dabei versuchte er sich so gut wie möglich in den vielen Schatten, die durch das einfallende Mondlicht entstanden, zu verstecken. Valdimier kramte einen kleinen Zettel und einen Stift aus seiner Tasche und kritzelte ein paar Wörter auf das Papier.

"Werden angegriffen; Blutsbergs Laden; 5 Gegner

Als Gorie mit dem Taubenkäfig zurückkam, befestigte Valdimier hastig die Nachricht an dem Bein des Tieres.
"Gehen Sie in den Hinterhof und lassen Sie die Taube frei."
"Arr, und dann?"
"Dann gehen Sie zurück in Ihr Schlafzimmer, schließen die Tür ab und verstecken sich dann dort unter dem Bett", erwiderte Valdimier trocken. Einen Zwerg, der ihm nur im Weg herumstehen würde, konnte er jetzt nicht gebrauchen.
Es überraschte ihn etwas, dass Blutsberg seiner Aufforderung ohne ein Widerwort folgte. Kurz bevor er den Raum verließ drehte er sich noch mal zu dem Vampir um. Ein angespanntes Lächeln war auf seinem Gesicht zu sehen.
"Arr, viel Glück."
Valdimier erwiderte das Lächeln kurz.
"Wird schon schief gehen."
"Arr, aber unter dem Bett werde ich mich nicht verkriechen."

***


Nun gab es nur noch ihn und seine Gegner. Die Schläge gegen die Tür waren verstummt und gedämpfte Stimmen waren von der Außenseite zu hören. Man arbeitete anscheinend an einem Angriffsplan. Valdimier war es nur recht. Sollten sie sich doch am besten so lange Zeit lassen, bis die Verstärkung eintreffen würde.
Doch ein großer Stein, der plötzlich durch das Schaufenster flog, machte diese Hoffnung schlagartig zunichte. Laut klirrend verteilten sich die Glasscherben auf dem Boden.
Soso, sie probieren es also durch das Fenster
Er hielt sich bereit. Der erste der versuchen würde einzudringen würde ein ernsthaftes Problem bekommen. Doch plötzlich vernahm er die spitze Stimme des Gnomes.
"Lasst mich!! Ich mach ihn fertig!!"
"Ja genau. Kogän soll ihn ablenken."
"Halt den Mund, Frankie!!" Die Stimme schien dem Verwundeten zu gehören. "Du Blödmann verrätst uns noch."
"Das wird dem Blutsauger auch nicht mehr helfen." Man hörte die Aufregung des Gnomes. "Los! Helft mir da rein."
Für einen kurzen Augenblick war nichts zu hören, als plötzlich eine kleine Gestalt brüllend durch das zerstörte Fenster flog. Allem Anschein nach hatte man ihn geworfen.
"BBOONNNSSSAAIII!!"
Valdimier war überrascht als er sah, wie elegant sich der Gnom auf dem Boden abrollte und sofort wieder auf den Beinen stand. Er erhob sich aus seiner Deckung und feuerte auf die kleine Gestalt, doch Kogän reagierte schnell. Mit einem Hechtsprung brachte er sich in Sicherheit und der Bolzen bohrte sich neben ihm in den Boden. Mit einer, für Gnome, enormen Geschwindigkeit raste er auf den Vampir zu, der seine zweite Waffe hochriss und abdrückte. Dieser Bolzen bohrte sich vor dem Angreifer in den Fußboden. Valdimier wich zurück. Auf so kleine und schnelle Ziele hatte er noch nicht oft geschossen. Ehe er sich versah, sprang ihm der Gnom ans Bein und ein stechender Schmerz durchzog es. Dieser kleine Bastard schien doch tatsächlich hineingebissen zu haben.
Valdimier schrie auf. Der Schmerz breitete sich in seinem Bein aus und er drohte umzuknicken. Verzweifelt versuchte er die Gestalt abzuschütteln, doch sein Widersacher hatte sich regelrecht darin verbissen.
Entschlossen griff er nach dem Gnom und zog.
Er spürte, wie ein Stück Fleisch aus seinem Bein gerissen wurde und eine brennende Wunde hinterließ. Er hielt den Gnom umklammert und schaute ihn grimmig an. Er würde ihn einfach zerquetschen. Kogän erwiderte seinen Blick. An seinen Mundwinkeln hingen kleine Hautfetzen.
"Du kleiner mieser..."
Doch der Gnom spuckte ihm ins Gesicht und biss in seine Hand.
"ARGH!!"
Valdimier ergriff mit der anderen Hand Kogän und beförderte ihn mit einem festen Wurf aus dem Fenster.
"Verdammte Scheiße!!", brüllte er ihm hinterher. "Hat heute etwa die ganze Stadt Knoblauch gefressen?"
Er hörte, wie Kogän auf der Strasse aufschlug. Leider wurde sein Wunsch, dass er sich dabei das Genick brach, nicht erfüllt. Die spitze Stimme war immer noch zu hören.
"Autsch!! Du verdammter Blutsauger. Ich mach dich alle."
Die anderen schienen ihm zu Hilfe zu eilen.
"Kogän, ist alles in Ordnung?" Es war die Stimme der Zwergin.
"Mir geht?s gut. Aber dem Vampir hab ich?s gezeigt. Dem geht?s jetzt ziemlich dreckig."
Valdimiers Bein schmerzte und mit der verletzten Hand würde er eine Zeitlang nicht mehr schießen können.
"Wie sieht es da drinnen aus? Was hast du gesehen?"
Valdimier konnte nicht hören was der Gnom den anderen erzählte, aber er würde ihnen sicher den Raum und seinen Standort genauestens erklären.
"So, das reicht", rief die Zwergin plötzlich. "Genug gespielt. Jetzt bin ich an der Reihe."
Ein lauter Knall ertönte und in der Tür erschien ein Stück einer Axtschneide. Ein weiterer Schlag erschütterte die Tür und Holzstücke brachen heraus. Sie versuchte, die Tür einzureißen.
Valdimier lud seine Waffen, legte sie beiseite und spurtete zu dem Regal hinter sich. Er griff nach einer Starkimarm Tühp 45Abwehrarmbrust und verkroch sich wieder hinter seiner Deckung. Es war schon schwierig genug, eine Pistolenarmbrust mit nur einer Hand zu laden, doch diese Waffe war noch widerspenstiger. Hinter ihm erklang das Geräusch von splitterndem Holz. Die Tür würde den wiederholten Einschlägen sicher nicht mehr lange standhalten können.
Mit einem lauten Klacken rasstete der Abzug ein und Valdimier schulterte die Waffe. Auf der Tischkante stützte er das Vorderteil ab und zielte auf die Tür. In ihr war schon ein großes Loch und die Axt vergrößerte es mit jedem weiteren Schlag.
Valdimier wartete gebannt.
Plötzlich wurden die Schläge eingestellt. Ein großes Loch klaffte in der Tür. Doch die Öffnung war nicht groß genug, um allen Durchlass zu gewähren.
Das war der Vorteil, den sich der Vampir versprach. Er würde den ersten der versuchte hier hereinzukommen einen gebührenden Empfang bereiten. Für die anderen würde er dann einfach seine Reservewaffe nehmen. Seine Gegner gehörten sicher zu der Sorte Feind, die Ku-Fung auch immer bekämpfen musste. Sie würden sicher einer nach dem anderen versuchen hier einzudringen.
Doch so war es in Büchern. Die Realität sah leider ganz anders aus.
Er hörte schnelle Schritte, die sich dem Eingang näherten. Einer der großen Typen warf sich gegen die beschädigte Tür, die unter der großen Last endgültig nachgab und zersplitterte.
Valdimier feuerte.
Doch sein Gegenüber stolperte und ging krachend zu Boden
Der Bolzen bohrte sich mit einem lauten "PLOCK" über ihm in die Wand.
Verdammt
Der zweite Hüne stürmte in den Laden und griff Valdimier an. Er warf sich auf den Vampir und mit seinem Körpergewicht drückte er den Wächter zu Boden. Valdimier versuchte, sich zu befreien, doch sein Gegner machte es ihm nicht leicht. Verwandeln konnte er sich jetzt auch nicht. Als Fledermaus würde ihn sein Feind einfach zerquetschen. Plötzlich zog der Mann ein Messer aus seinem Gürtel und versuchte, es ihm in das Herz zu rammen. Mit knapper Not konnte Valdimier die angreifende Hand ergreifen und so verharrte das Messer kurz vor seiner Brust. Der Druck, mit dem jeder versuchte, das Messer in die gewollte Richtung zu bringen, ließ es erzittern. Valdimier starrte auf die Klinge. Sein Widersacher hatte die bessere Position und konnte mehr Druck ausüben. Bedrohlich näherte sie sich seinem Körper.
"HAHAHAHA." Der Hüne lachte hämisch. "Dein letztes Stündlein hat geschlagen, du bleichgesichtiger Freak."
Valdimier versuchte, den Druck zu erhöhen, doch es wollte ihm nicht richtig gelingen. Seine verletzte Hand protestierte schmerzend und mit der anderen allein konnte er die Bedrohung nicht abwenden. Er blickte zur Seite. Seien Augen suchten etwas, mit dem er sich einen Vorteil erkämpfen konnte.
Und sie fanden auch etwas. Eine seiner Pistolenarmbrüste lag neben ihnen.
Wer sagts denn!
Sein Widersacher schien seinen Blick bemerkt zu haben. Seine Augen huschten auf die Waffe und als er wieder auf den Vampir schaute, trafen sich ihre Blicke.
Sie ließen beide das Messer los und griffen nach der Waffe.
Doch Valdimier war schneller.
Er zog die Waffe zu sich und drückte sie dem Angreifer an den Hals. Für einen kurzen Moment verharrten sie in dieser Position und er drückte ab.
Der Bolzen bohrte sich durch den Hals des Mannes und trat aus dem Hinterkopf wieder heraus. Eine kleine Blutfontäne schoss aus der Halswunde und besudelte den Vampir.
"AARR..."
Ein kurzer Schrei erklang und der leblose Körper seines Gegner fiel auf ihn. Er spürte, wie sich seine Kleidung mit dem Blut des Mannes vollsaugte. Er spürte auch das Blut, welches an seinem Gesicht hinunterlief und ein wohliges Gefühl überkam ihn. Er vergaß das ganze Drumherum und genoss es. Seine Zunge leckte die vereinzelten Tropfen von seinen Lippen und ein tiefes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Das letzte Mal, als er in den Genuss von Menschenblut gekommen war, lebte er noch in Überwald. Wie sehr hatte er diesen Geschmack vermisst. Seine Blicke haftete an dem Hals des Mannes.
Warum eigentlich nicht? Er ist ja schon tot.
Doch die Schreie des anderen Hünen rissen ihn aus seiner Trance.
"PAAUULLUUUSSS!!! NNNEEEIIIINNNNN!!"
Boris hatte die Waffe fallen gelassen und starrte auf die Leiche seines Freundes. Sein Gesicht war von purer Verzweiflung geprägt.
Seine Blicke fielen zurück auf Valdimier, der sich wieder aufgerappelt hatte. Er sah, wie sich der Vampir genüsslich die Lippen leckte. Die Verzweiflung des Mannes wich der blanken Wut und wie in Raserei stürzte er auf den Wächter zu. Mit einer Hand umklammerte er den Hals des Vampirs und rammte ihn gegen die Wand. Valdimier spürte wie er den Boden unter den Füßen verlor. Boris schob ihn nach oben und fixierte ihn mit seinen hasserfüllten Augen.
"Du mieses Schwein!", brüllte er. "Ich werde dich zerquetschen, wie eine Fliege."
Valdimier spürte, wie der Griff um seinen Hals enger wurde. Doch er konnte nur müde lächeln. Sein Gegner war so sehr in Rage, dass er ganz zu vergessen schien, mit wem er sich anlegte.
Es machte leise PLOP und er war verschwunden. Überrascht stolperte Boris nach vorne und stieß gegen die Wand. Entsetzt schaute er sich um. Was war passiert? Doch bevor er reagieren konnte, spürte er einen entsetzlichen Schmerz, der seinen Unterleib durchzog. Mit einem kleinen Flugmanöver hatte sich Valdimier hinter ihn gebracht und hatte ihn mit voller Wucht in die Weichteile getreten. Boris krümmte sich vor Schmerzen und er Wächter schlug ihn mit der Faust auf den Hinterkopf. Mit einem lauten Seufzer ging sein Gegner zu Boden.
Valdimier wirbelte herum. Er sah die Zwergin und Frankie im Eingang stehen. Sie hatte die Kämpfe mit angesehen und er konnte erkennen, das Frankie kreidebleich geworden war. Sein Körper zitterte und Schweiß perlte ihm von der Stirn. Aller Anschein wollte er gar nicht hier sein.
"Was machen wir jetzt?" Frankies Stimme zitterte vor Angst. "Boris ist ohnmächtig und Paulus ist...ist..."
"Ist tot", antwortete die Zwergin genervt. "Ich hab es gesehen."
"Mach ihn alle, Frankie. Du hast immer noch deinen Knoblauchgeruch."
Erst jetzt bemerkte Valdimier den Gnom, der auf der Schulter der Zwergin saß. Zu seiner eigenen Belustigung stellte er fest, dass sein Gegner den Wurf auf die Strasse nicht ohne größere Blessuren überstanden hatte. Sein Gesicht war geschwollen und seine Kleidung wies vereinzelte Blutflecke auf.
"Ich würde euch raten, endlich abzuhauen", zischte Valdimier scharf. "Dann muss niemand mehr sterben."
"Wir geben niemals auf", erwiderte Kogän. "Oder, Boss?"
Die Zwergin nickte. "Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Frankie!!"
Frankie zuckte zusammen.
"J-j-j-ja?"
"Mach den Vampir fertig."
"I-i-ich? Aber ich..."
"Mach schon, Frankie. Vor der Kneipe hast du es doch auch geschafft."
Frankie näherte sich dem Vampir. Valdimier ging einen Schritt zurück und ergriff ein auf dem Boden liegendes Schwert. Die Klinge schnellte nach vorne und kam wenige Zentimeter vor dem Gesicht des Menschen zum Stillstand.
"Komm mir bloß nicht zu nahe." Valdimier bewegte die Klinge etwas im Kreis und beobachtete wie ihr die Augen des Mannes folgten. "Geh lieber ein paar Schritte zurück."
"Wenn du das tust, bring ich dich eigenhändig um", donnerte die Stimme der Zwergin.
"Wenn du es nicht tust, werd ich es sein, der dich umbringt", antwortet Valdimier.
"Bitte!", flehte Frankie. "Ich wollte doch nur etwas Geld verdienen."
"Wenn du nicht tust, was ich dir sage, wirst du nur den Tod verdienen, Frankie. Mach ihn kalt."
"Versuchs erst gar nicht."

"Ich...ich..." Frankie geriet in Panik. Was sollte er nur tun? Vor ihm der Vampir, der ihn sicherlich zuerst töten würde und hinter ihm die irre Zwergin, die ihn in Stücke schneiden würde, wenn er ihr nicht gehorchen würde. Der Schweiß rann von seiner Stirn. Seine Augen waren auf die Schwertspitze gerichtet, die nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht kreiste. In seinen Gedanken sah er die Axt, die hinter seinem Rücken auf ihn warten würde. Egal wie er sich entscheiden würde, er würde sicher sterben. Sein Herzschlag schnellte in die Höhe und ein plötzlich auftretendes Schwindelgefühl machte sich in seinem Kopf breit. Der Raum schien sich um ihn zu drehen und bevor er noch etwas sagen konnte, wurde es plötzlich schwarz um ihn herum.

Alle Anwesenden starrten auf den am Boden liegenden Menschen. Valdimier hatte gesehen, wie sein Gegenüber die Augen verdrehte und dann wie eine Ziehharmonika zusammengeklappt war.
"Frankie! Frankie!!" Kogän zappelte auf der Schulter der Zwergin herum. "Sag doch was!"
"Hmmm, auch eine Möglichkeit, sich aus er Affäre zu ziehen." Valdimier betrachtete den Bewusstlosen. "Die Aufregung war wohl etwas zu viel für ihn."
"Verdammte Anfänger." Die Zwergin schien kurz vor der Explosion zu stehen. "Alles muss man selber machen."
Sie betrachtete Valdimier finster und ging langsam auf ihn zu.
Plötzlich erklang Blutsbergs Stimme.
"Genug jetzt!"
Drei Köpfe drehten sich und sahen den Zwerg.
"Arr, hör endlich auf Roberta! Noch mehr Blutvergießen ist unnötig."
"Verdammt, Herr Blutsberg", brüllte Valdimier. "Ich sagte Ihnen doch, dass Sie in ihrem Zi..." Erst jetzt bemerkte er eine kleine Ungereimtheit. "Ihr kennt euch?"
"Arr, natürlich. Sag ihm, wie du heißt, Roberta."
"Verdammt sollst du sein, Gorie", schrie die Zwergin. "Lässt zu, dass sich die Wache in Familienangelegenheiten einmischt. Das ging nur uns beide was an."
"Arr, ich hätte wissen müssen, dass du hinter allem steckst. Seit wann bist du hier in Ankh-Morpork, Roberta?"
"Könnte mich mal bitte jemand aufklären?" Valdimier war sichtlich verwirrt. "Wer sind Sie denn jetzt überhaupt?", fragte er die Zwergin. Doch sie schwieg.
"Arr, das ist Roberta Blutsberg. Meine Schwester."
"Ihre Schwester?", fragte Valdimier verwirrt.
"Schwester?" Kogän starrte die Zwergin an.
"Die Schwester von jemanden, der Schande über die Familie gebracht hat. Weißt du, wie sie dich in der Mine nannten, als sie erfuhren, dass du auf einem Schiff angeheuert hattest? Pazifistensegler haben sie gesagt. Vater wäre vor Scham beinahe gestorben."
"Und deswegen wollten Sie ihn umbringen?" Valdimier schüttelte den Kopf. "Ihr Zwerge seid schon ein komisches Volk."
"Halt den Mund!", bellten Gorie und Roberta gleichzeitig.
"Und dann vererbt dir auch noch Poliz, dieser Trottel, den Laden hier. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was bei uns los war. Die ganze Mine hat über uns gelacht."
Valdimier schwieg lieber. Nicht, dass er noch den Zorn von zwei Zwergen auf sich ziehen würde.
"Arr, und warum dann das alles hier? Warum der anonyme Brief und die Drohungen? Wir hätten doch über alles reden können?"
Das wäre aber nicht sehr zwergisch gewesen, dachte Valdimier.
"Damit Vater noch mehr in Ungnade fällt? Vor den anderen tat er immer so, als wäre er stolz auf dich. Doch in Wirklichkeit schämte er sich für dich."
"Arr, dazu hat er keinen Grund. Der Laden läuft gut und ich schicke euch sogar regelmäßig etwas Geld."
"Sei ruhig. Unsere Familienehre wird wiederhergestellt. Ich werde von nun an dieses Geschäft leiten und gebe dir eine letzte Chance, aufzugeben."
"Arr, und was soll ich dann machen?"
"Du wirst Ankh-Morpork noch heute Nacht verlassen und nie wieder zurückkommen. Du suchst dir einfach einen neuen Platz zum Leben."
"Arr, vergiss es. Ich bleibe hier."
Valdimier hob sein Schwert. Robertas Reaktion würde sicherlich nicht sehr positiv ausfallen.
"Dann lässt du mir leider keine andere Wahl", sprach sie leise.
Sie wirbelte herum und preschte in die Richtung ihres Bruders. Kogän verlor den Halt und fiel auf den Boden. Dabei stieß er sich den Kopf und verlor ebenfalls das Bewusstsein. Valdimier sah, wie Gorie zurückwich, und hastete der Angreiferin hinterher. Er erreichte beide in einem Hinterzimmer. Gorie stand mit dem Rücken zur Wand und Valdimier konnte in letzter Sekunde den tödlichen Axtschlag mit seinem Schwert abwehren. Doch durch die Wucht des Aufpralls wurde ihm die Waffe aus der Hand gerissen.
Die Zwergin fixierte ihn mit einem finsteren Blick.
"Jetzt hab ich aber genug von dir!"
Valdimier wich zurück und die Axt verfehlte nur um Haaresbreite seine Beine. Doch die Zwergin wiederholte ihre Angriffe in einer unglaublichen Geschwindigkeit und drängte den Vampir immer weiter zurück. Er stolperte und stürzte rückwärts zu Boden. Er hörte Robertas zufriedenes Lachen und sah die Axtklinge auf sich zurasen.
Doch bevor die Waffe seinen Kopf spalten konnte, wurde sie von etwas getroffen und die Schneide grub sich neben seinem Kopf in den Holzboden. Er rollte sich zur Seite und sprang auf.
Was war passiert?
Er sah Roberta. Ihre Waffe steckte noch immer im Boden, doch sie schien das Interesse daran verloren zu haben. Mit großen Augen schaute sie auf Gorie, der nur wenige Schritte von ihr entfernt war. Valdimier musste zweimal hinschauen, bevor er glauben konnte, was er sah. Denn in den Händen des Zwerges ruhte eine Bratpfanne.
"Gorie, wie?"
"Arr, auf dem Schiff war ich der Kajütenkoch."
Ohne ein Wort zu sagen, zog Roberta einen kleinen Dolch aus ihrem Gürtel und wollte ihn angreifen. Doch Gorie war schneller. Die Pfanne macht eine Aufwärtsbewegung und traf die Zwergin am Kinn. Mit einem Ausdruck der Überraschung auf ihrem Gesicht verlor sie das Gleichgewicht und fiel nach hinten.
"NEEII..." TSCHOCK
Valdimier verzog das Gesicht.
"Also, das zählt sicher zu den sonderbarsten Sachen, die ich bis jetzt gesehen habe", kommentierte er die Szenerie.
Roberta war in ihre eigene Axt gestürzt und die scharfe Klinge hatte ihr den Kopf sauber abgetrennt. Eine kleine Blutlache hatte sich bereits um den Körper gebildet und vergrößerte sich von Sekunde zu Sekunde.
Er schaute auf Herrn Blutsberg. Der Zwerg schien keine größeren Verletzungen zu haben.
"Bei Ihnen alles in Ordnung?"
"Arr, ja."
"Das mit Ihrer Schwester tut mir sehr leid."
Auch wenn sie mich zerstückeln wollte., fügte er in Gedanken hinzu.
Doch der Zwerg zuckte nur mit den Schultern.
"Arr, ist halt passiert. War ein Unfall. Wie Gulbo damals sagte. Unfälle passieren eben."
Gulbo hat aber nur ein Bein verloren.
"Wie Sie meinen, Herr Blutsberg. Kommen sie. Wie geh..."
Plötzlich erklangen Schreie aus dem Verkaufsraum.
"Stadtwache Ankh-Morpork!! Waffe weg!!"
"ARGH. Verdammte Wächter. Ich mach euch..."
Valdimier hörte wie Armbrüste abgefeuert wurden ein Körper zu Boden fiel.
"Arr, wer war das?", fragte Gorie.
"Das werden Sie gleich merken", antwortete der Hauptgefreite und ging mit ihm vorsichtig in den Laden.
Vor ihnen standen Araghast und Sidney. Auf der Schulter des Püschologen saß Venezia und alle drei starrten ihn mit großen Augen an.
"Was ist denn hier passiert?", fragte Venezia und überblickte das Schlachtfeld.
"Eine gescheiterte feindliche Geschäftsübernahme", antwortete Valdimier. Seine Blicke fielen auf den leblosen Körper von Boris, der vor den drei Wächtern auf den Boden lag.
"Wollte wohl abhauen", erklärte Sidney. "Pech für ihn, dass er eine Waffe in der Hand hielt."
Bregs betrachtete die Leichen. In seinen Händen hielt er das Koboldophon.
"Wie es aussieht, bin ich völlig umsonst mitgekommen. Hier sind ja alle tot."
"Also, ich höre?" Venezia hatte die Arme vor ihrer Brust verschränkt und wartete demonstrativ.
Valdimier erzählte ihr alles. Von dem jungen Steinewerfer und dem Vorfall vor der Kneipe. Er erzählte auch von Gories Schwester und dem Angriff auf den Laden. Dass er dabei jemandem beinahe an den Hals gegangen war, ließ er sicherheitshalber aus.
"Soso", erwiderte der Oberleutnant. "In die eigene Axt gestürzt."
"Arr, es war ein Unfall", antwortete Gorie.
"Das werden wir trotzdem genauer untersuchen." Sie deutete auf Frankie und Kogän, die noch immer bewusstlos auf dem Boden lagen. "Was ist denn mit den zwei?"
"Die gehörten auch zu der Gruppe. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, dann waren es Beobachter."
"Verstehe. Am Besten fesseln wir die zwei schon mal und verfrachten sie auf den Karren. Sonst scheint es hier nicht mehr viel für uns zu erledigen geben Ich lasse ein paar Leute von RUM und den SEALS kommen. Die sollen hier aufräumen." Sie blickte wieder zu Valdimier.
"Gute Arbeit. Herr Blutsberg lebt noch und die Erpresser sind auch gefasst worden. Eine weniger intensive Ermittlung wäre mir aber lieber gewesen."
"Ich tue was ich kann, Ma'am." Ein fieses Grinsen zog über sein Gesicht. "Wie seid ihr eigentlich so schnell hierher gekommen?"
"Mit Schusi natürlich." Bregs war gerade damit beschäftigt, den Koboldophon-Dämon zu beruhigen, der in seiner Metallröhre leise vor sich hinschimpfte. "Langsam klappt es sogar richtig mit dem Steuern."
"Das passt ja perfekt. Auf dem Rückweg müssen wir noch dringend bei einer Metzgerei vorbei."

***


Eine Woche später

Valdimier betrat Gories Laden. Von den Verwüstungen war nichts mehr zu sehen. Alle Regale standen wieder an ihren Plätzen und auch die Fenster schienen wieder wie neu zu sein. Ein paar Kunden standen im Raum und beschäftigten sich mit den Waren. Gorie stand hinter einer kleinen Theke und als er Valdimier bemerkte, winkte er ihn zu sich.
"Sie haben den Laden ja wieder gut auf Vordermann gebracht."
Er schüttelte die Hand des Zwerges.
"Arr, hat mich aber auch ein kleines Vermögen gekostet."
"Aber es scheint ja wieder gut zu laufen. Wenn ich mir die vielen Kunden hier so anschaue."
"Arr, ja. Ich könnte auch langsam eine zweite Hilfskraft gebrauchen. Wenn du..."
"Sparen Sie sich den Atem", unterbrach in Valdimier. "Aber ich hab schon einen festen Job." Er tippte an seine Uniform. "Und der fordert mich schon mehr als genug."
"Arr, ein Versuch war es wert."
"Entschuldigen Sie bitte, aber wie Sie sehen, ich bin noch im Dienst und hab leider nicht viel Zeit. Warum sollte ich denn nun bei Ihnen vorbeikommen?"
"Arr, ich hatte noch keine richtige Gelegenheit gehabt, mich bei dir zu bedanken."
Valdimier winkte ab.
"Brauchen Sie auch nicht. Es war meine Aufgabe und ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass es mir immer Spaß gemacht hat."
"Arr, aber das lass ich mir nicht nehmen. Warte hier."
Der Zwerg verschwand in seiner Arbeitszimmer und kam kurz darauf mit einem breiten Kästchen zurück. Vorsichtig stellte er es vor sich auf die Theke und öffnete es.
"Die sind für dich."
"Wow." Valdimier wusste nicht recht, was er sagen sollte. Zwei schwarz lackierte Pistolenarmbrüste lagen vor ihm in dem Kästchen. "Das kann ich nicht annehmen."
"Arr, aber auf niemand anderes passt die Gravur."
"Gravur?"
"Arr, schau sie dir doch mal an."
Vorsichtig nahm er eine der Waffen in die Hand und betrachtete sie. In dem Griff waren seine Initialen in goldenen Buchstaben eingearbeitet.
Er legte die Waffe zurück in das Kästchen.
"Arr, sie gehören dir."
Er schaute den Zwerg einen Moment lang an.
"Arr, jetzt nimm die verdammten Dinger endlich. Ich will mir die ganze Arbeit nicht umsonst gemacht haben."
"Na wenn Sie es so sagen."
"Arr, na endlich."
"Vielen Dank, Herr Blutsberg."
"Arr, wenn etwas damit sein sollte: Ich kümmere mich sofort darum."
"Ich werd's mir merken."
Valdimier strecke dem Zwerg die Hand entgegen, worauf dieser sie schüttelte.
"Ich muss leider weiter. Wir werden uns sicher wiedersehen, Herr Blutsberg."
"Arr, ich hoffe es doch."

***


In einer dunklen Zelle

"Verdammte Wache. Sperren uns hier in so ein feuchtes Loch."
"Ja, Kogän."
"Aber sie werden schon sehen. Wenn wir hier wieder rauskommen, werden wir Rache nehmen. Dann wird Kogän Babarius Rache nehmen."
"Kogän?"
"Ja, Frankie?"
"Halt einfach die Fresse."

ENDE



[1] Hier erfolgte eine kurze Denkpause des Autors

[2] Es war diese Art von Lächeln, dass man aufsetzt wenn man gerade etwas verbrochen hat und dann bei der Vernehmung fragt: "War ich das etwa?"

[3] Es hatte etwas gedauert, bis das blaue Auge abgeheilt war.

[4] Siehe Single von Rince "Außendienst wider Willen"

[5] Die, im Gegensatz zur ersten, mit Gold Gold Gold begann

[6] Allerdings war keine Ratte so selbstmordgefährdet, dass sie sich ein Zuhause in einer Zwergen Taverne suchen würde

[7] Kleine Anmerkung des Autors: Natürlich würde Valdimier diesen Gedanken nur in die Tat umsetzen, wenn er wirklich nur als Aushilfe in einem Geschäft und nicht in der Wache arbeiten würde

[7a] Der Autor möchte hier nur anmerken, dass er sich der Flachheit des Witzes bewusst war

[9] Und damit sind jetzt nicht die Kniescheiben gemeint

[10] Es kursierten die wildesten Gerüchte darüber, was für schreckliche Sachen sie mit jungfräulichen Damen anstellen würden. Natürlich waren die meisten davon wahr.

[11] Im Allgemeinen ging es um die Bedeutung der Wörter Selbstverschulden und verlorene Quittung

[12] Ausnahmsweise schmeckte es nicht nach Hühnchen

[13] Eigentlich herrscht immer Stille. Nur ist der Geräuschpegel von Stille so niedrig, dass sie von jedem anderen Geräusch übertönt wird.

[14] Wenn nicht gerade ein Schrei aus den Schatten zu hören war

[15] Außerdem möchte der Wirt sichergehen, dass der Gast auch wiederkommt und nicht besoffen in den Ankh fällt

[16] Siehe Single "Ewig währt am längsten"

[17] Auch hier zeigt sich wieder: Ein Wirt ist immer um die Gesundheit des Gastes bemüht

[18] Siehe Multi: Adel vernichtet

Diese Mission ist eine gültige Patchmission.



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