Das letzte Bellen, Part 2

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von Oberleutnant Daemon Llanddcairfyn (DOG)
Online seit 22. 11. 2001
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 Außerdem kommen vor: SteingesichtPtracyValeriaaRinceHarryRascaal OhnedurstLewtonVenezia KnurblichIkari GernetodMückensturm

Nach einem Anschlag auf Erzkanzler Ridcully ist Daemon schwer verletzt...

Dafür vergebene Note: 13

Hiermit wird angemerkt, dass wichtige Teile der Handlung sowie der Gestaltung von Venezia stammen. Es war ihre Idee mit den Hosenbeinen und als ich es endlich verstanden hatte, war ich wirklich froh, sie gefragt zu haben.



Etwas klackt in der Finsternis, Dunkelheit rumpelt, dann kommt der Stoß.
Licht. Stecknadelkopfgroß. Größer. Größer! Überall.
Wind zerrt an seiner Kleidung, den Haaren, versucht, ihn vom Rücken des Tieres zu reißen. Er und der Vogel kreischen, rasen auf die Wand zu, er zieht an den Federn, will den Vogel nach oben lenken. Er kann die Risse im Mörtel der Wand erkennen. Plötzlich entfalten sich die Flügel des abgeschossenen Bündels, er steht horizontal in der Luft. Dann verschwindet die Mauer, die Straße fällt hinter ihnen zurück und frei schwebend nähern sie sich der Sonne. Langsam dreht sich die Welt um sie herum und die Taube mit ihrem Passagier fliegt über die unglaublichste aller Städte des Multiversums: Ankh-Morpork.

***


Dies ist der Berg Cori Celesti, Heimstatt der Götter. Von hier aus hat Io, Herrscher der Herrscher, die myriadenlangen Kriege jenseits der Dimensionen gegen die grauenhaften Eisriesen geführt. Kontinente zersplitterten zu dieser Zeit und verloren ihre Symmetrie, Meere erhoben sich und bedeckten vormals hoffnungsvolle Länder, Inseln erschienen, wo zuvor nur brodelnder Ozean war und Vulkane spieen den Groll des Göttervaters über die gesamte Scheibe. Und schließlich gaben ihm die Eisriesen den ausgeliehenen Rasenmäher zurück.
Dies ist Cori Celesti, Heimstatt der Götter.

Die Götter der Scheibenwelt verbringen ihre Zeit noch immer mit Spielen wie Wenn der König fällt, ist's aus, Inquisitor-ärgere-Dich-nicht oder Der größte Kreuzzug gewinnt. Darüber können die Bewohner der Scheibe - sogar die hartnäckigsten Atheisten - froh sein. Wer weiß, wie die Welt aussähe, wenn Offler von Drachenpoker erfahren würde?

"Eine weitere Partie, Eure Ladyschaft?", Schicksal lehnte sich zurück vom Scheibenweltspielbrett, das gar keins war. Ein winziger Teil in der Nähe der randwärtigen Wüsten schien in Flammen zu stehen. Die Lady ließ sich keinen Ärger anmerken, ihre grüningrünen Augen sahen ruhig über die Welt. Schließlich und ebenso unabwendbar fiel ihr Blick auf die größte Stadt der Scheibenwelt. Ein dunkler Fleck an der Mündung des Ankh in das große Meer, die Große Wahoonie, Ankh-Morpork.
"Wir haben ein Spiel noch nicht zu Ende geführt.", stellte sie fest.
"Diese Wächter-Sache?", Schicksal sah missmutig auf die Stadt, "Was ist daraus geworden?"
"Sieh selbst.", sie bewegte die Hand über die Wolken, die über das Spielbrett der Götter wanderten. Schicksal schaute eine Weile ins Leere.
"Angeschossen und suspendiert.", sagte es schließlich, "Ich fürchte, ich habe im Spielverlauf einen Fehler gemacht."
"Es könnte die Pläne einiger ... Leute ... durcheinanderbringen. Die Geschichte hat mit ihm geplant, soweit ich weiß.", die Lady ließ eine Spur Schadenfreude in ihrer Stimme zu.
"Denkst Du, es wäre möglich, das Spiel...?", Schicksal dachte an den Groll der 'Leute'.
"Ob wir noch einmal von vorne beginnen können?", fragte die Lady ausdruckslos.
"Ja, so etwas meinte ich.", Schicksal sah sie erleichtert an.
"Ich könnte TOD vielleicht überreden, ein wenig zurück zu gehen. Allerdings...", sie lächelte, "...hat das seinen Preis."
Schicksal nickte langsam: "Von nun an spielen wir mit Deinen Würfeln.", sagte es gepresst.
"Außerdem erhalte ich eine Bonuskarte.", fügte die Göttin hinzu und nahm ein rechteckiges Pappstück von einem Stapel neben der Welt.

***
11. April, 9:30. Helles Licht.
Viertel käuflicher Zuneigung, Ankh-Morpork


Wie bin ich eigentlich hier hinein geraten?

... Fallen ... Schmerz ... Brennen ... Feuer ... Flammen verbrennen ... Fleisch ... Licht ... so hell


"Tja, das war's ja dann wohl.", Lewton holte einen Block Papier hervor, "Wenn Du bitte hier einmal unterschreiben würdest, Chef?", Rince sah den Werwolf empört an.
"Was soll das denn heißen: Das war's ja dann wohl? Und was soll ich da unterschreiben?", fragte er.
"Nichts weiter, Kommandeur, nur Deine Bestätigung, dass der Fall jetzt R.U.M. gehört."
"R.U.M.? Wie kommst Du da drauf?", Rince runzelte die Stirn.
"Das war doch eindeutig ein unlizenzierter Mord. Oder hast Du eine Quittung bei ihm gefunden? Links unten dann. Vorname reicht."
"Lewton!", rief Venezia vom Bett her, "Jetzt aber Schluss. Er ist nicht tot. Noch nicht.", fügte sie zweifelnd hinzu.
"Na toll.", ärgerte sich der Werwolf über diese Attacke, "Kann mir irgendwer erklären, weshalb sich die Knallfrösche hier einmischen? Hier, Rince, unterschreib einfach."
"Jetzt hör schon auf.", wehrte Rince langsam ab, "Du siehst doch, das der Bolzen eventuell vielleicht das Herz wahrscheinlich wohl gar nicht direkt getroffen hat. Unter Umständen."
"Ich glaube, er atmet noch!", rief Venezia überrascht vom Kopfkissen her.
"Nur eine Reaktion des Körpers, der sich noch nicht an die neue Situation gewöhnt hat.", winkte Lewton ab und schob dem Kommandeur wieder den Papierblock unter die Nase.
"Seht nur, es hat aufgehört zu bluten!", freute sich die Gnomin.
"Na also. Der Leib gibt auf. Es ist aus. Unterschreib, Chef.", folgerte der Werwolf.
"Seine Augen öffnen sich!", Venezia hüpfte aufgeregt auf und ab.
"Nur ein letztes Aufbegehren gegen das Unvermeidliche.", zweifelte der Hauptmann, "Warte, Rince, Du kannst meine Schreibfeder benutzen."
Daemon öffnete die Augen und sah sich selbst in einem mit roten Satin bezogenen Bett liegen. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass über dem Bett ein Spiegel hängen musste. Leise stöhnte er.
"Tja.", resümierte Lewton, "Der hat es hinter sich. War ein guter Kerl. Einfach unten auf der Linie, Rince."
Der Oberstleutnant richtete den Oberkörper halb auf und stützte sich mit den Ellenbogen auf die weiche Matratze. Venezia setzte zum Sprechen an, doch der Werwolf winkte ab.
"Nur die einsetzende Leichenstarre. Wenn Du jetzt endlich unterschreiben würdest, Kommandeur?", doch Rince näherte sich statt dessen vorsichtig dem Bett.
"Alles in Ordnung mit Dir?", fragte er Daemon. Der verzog das Gesicht.
"Autsch.", stieß er aus und fasste sich an die Brust.
"Bist Du... am Leben?", der Kommandeur sah ihn unsicher an.
"Ich denke schon."
"Vielleicht ist er nur untot. Das gilt nicht.", Lewton gab noch nicht alle Hoffnung auf, einen äußerst lukrativen Fall für seine Abteilung zu gewinnen. Sicher, er hatte nichts gegen Daemon, ganz im Gegenteil. Manchmal, wenn die Situation es erforderte, ließ er ihn bei sich übernachten und zeigte ihm dann sogar seine Postkartensammlung, was er ganz bestimmt nicht bei Jedem tat. Aber der unlizenzierte Tod eines Offiziers hätte sich gut in den Akten der Abteilung gemacht. Na ja, er musste eben bis zum nächsten Mal warten. So schlimm war der Oberstleutnant dann auch nicht.
"Na gut, er lebt also noch.", gab der Werwolf zu, "Wurde Dir vielleicht etwas gestohlen?", Daemon schüttelte mühsam den Kopf.
"Das wird Dich erst mal eine Weile ruhig stellen.", grinste Venezia, jetzt wo klar war, dass dem Wächter nichts Ernstes passiert war, fand sie wieder zur alten Gnomen-Form zurück, "Da wird sich Dein Stellvertreter aber freuen."
"Habt ihr irgendwelche Hinweise gefunden, wer den Anschlag durchgeführt hat?", fragte Daemon mühsam.
"Mach Dir da drum mal keine Sorgen.", sagte Rince ruhig.
"Hah.", der Oberstleutnant fuhr auf und gab einen leisen Aufschrei von sich, bevor er wieder in die Kissen zurück sank, "Du denkst wohl,", sagte er leise, "nur, weil ich hier liege, lasse ich den Fall los, was? Aber da hast Du Dich geirrt, ich habe hier sogar viel Zeit, um über die ganze Sache nachzudenken.", er sah ihn stur an.
"Nein.", widersprach der Kommandeur, "Ich meine nur, Du musst Dir da drum keine Sorgen machen. Du solltest Dich lieber wegen dem Feuer sorgen, das den halben Patrizier - Palast in Schutt und Asche gelegt hat und während eines Einsatzes ausbrach, den Du geleitet hast.", Rince sah ihn ernst an, "Vetinari erkennt die guten Absichten, aber der Verlust von mehreren hundert Kunstgegenständen, Möbeln und etwa zwei Dutzend Zimmern ist ebenfalls nicht übersehbar."
"Ikari sollte doch...", begann Daemon.
"Als Steingesicht und Valeriaa im Saal ankamen waren sie froh, ihn noch retten zu können. Er ist Wächter und kein Feuerwehrmann.", erinnerte ihn Venezia.
"Mückensturm und Harry?", der Oberstleutnant sah sie fragend an.
"Sind über das Dach vor den Flammen geflohen. Sie haben übrigens auch gesehen, wohin Du ranntest. Hätten wir Dich später gefunden...", Lewton ließ den Satz unvollendet.
"Wondie sollte zu Hause sein. Nachdem er sah, dass man nichts weiter für Dich tun konnte, ist er gegangen."
"Ich möchte alle so schnell wie möglich hier sehen. A pro pos... Wo bin ich eigentlich?"
"Och."
"Ähm."
"Tja."
"Nun ja."
"Hey.", der Oberstleutnant verzog das Gesicht, "In wessen Bett liege ich hier?"
"Na ja, Du warst ja noch nicht weit weg... ich meine... Du hast die Beiden schon nach kurzer Verfolgung gestellt. Und der Brand war schon gelöscht. Und Lord Vetinari hatte nichts dagegen. Hätte wahrscheinlich nichts dagegen, wenn wir ihn fragen würden. Er hat nach dem Fest noch gearbeitet und wollte sowieso nicht schlafen. Und Du warst angeschlagen, Du weißt schon. Und da dachten wir...", Venezia trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
"Ich liege im Bett des Patriziers?", fragte Daemon entgeistert, "Und er hat einen Spiegel darüber hängen?", Venezia grinste schelmisch.
"Reingefallen. Wir würden Dich doch niemals in Vetinari's Bett legen.", Daemon sah forschend zu Rince und Lewton, die noch immer verlegen zu Boden sahen, "Es ist Frau Palm's.", fuhr die Gnomin im Plauderton fort.
"Aber das ist doch - Phft - im Bett des Patriziers?", fragte Daemon entgeistert. - Phft - "Als Steingesicht und Valeriaa im Saal ankamen waren sie froh, ihn noch retten zu können. Er ist Wächter und kein Feuerwehrmann.", erinnerte ihn Venezia. - Phft - Rince sah ihn ernst an, "Vetinari erkennt die guten Absichten, aber der Verlust von mehreren hundert Kunstgegenständen, Möbeln und etwa zwei Dutzend Zimmern ist ebenfalls nicht übersehbar." - Phft - "Tja, das war's ja dann wohl.", Lewton holte einen Block Papier hervor, "Wenn Du bitte hier einmal unterschreiben würdest, Chef?" - Phft - Als Daemon mit dem Gesicht im Schlamm der Kurzen Straße landete, fragte er sich kurz, wie er nur in diese Situation geraten war. - Phft - "Halt!", brüllte er durch die Nacht. - Phft - Das habt ihr euch wohl so gedacht, wie?, der Wächter schlidderte nach links auf die Kurze Straße. - Phft - Daemon taumelte und blieb schwer atmend stehen. Japsend schaute er sich durch den Regenschleier in der Nacht um. Keuchend wischte er sich die tropfenschweren Haare aus dem regenüberströmten Gesicht und kniff die Augen zusammen. Zwei minimale Bewegungen waren ein gutes Stück die Straße hinunter zu sehen. - Phft - Der Wächter verzog das Gesicht und spurtete mühsam los.
Daemon hielt an. Langsam wandte er sich um und schüttelte den Kopf. Irgendetwas war gerade geschehen.
"Verdammte Zauberer.", knurrte er und rannte hinter den beiden verhinderten Attentätern her.
Schließlich holte er sie ein.
"Halt!", rief er, dass es durch die dunkle, regnerische Nacht hallte. Die Assassinen hielten.
"Das hast Du Dir wohl so gedacht.", sagte einer von ihnen und hob seine Armbrust.
"Oh Mist!", fluchte Daemon und duckte sich. Im Schlamm glitt er aus und fiel zu Boden, pfeifend sauste der Bolzen über ihn hinweg.
"Das war nichts. Weg hier.", zischte der zweite Assassine, drehte sich um, lief los und prallte gegen einen Troll.
"Ihr festgenommen seid.", brummte er. Daemon sah ungläubig vom schlammigen Boden aus zu, wie andere Wächter erschienen und die beiden Attentäter abführten. Rascaal trat aus einem Hauseingang und grinste ihm zu.
"Hab ich mir doch gedacht, dass Du Hilfe brauchen könntest.", sagte er und half dem Oberleutnant hoch, "Auf Dich muss man auch ständig aufpassen."
Einige Zeit später war die Straße leer. Einsam fiel Regen auf den Boden, der vom Wasser schon lange genug hatte.

"DAS MUSS REICHEN. WEITER ZURÜCK KANN ICH DIE GESCHICHTE NICHT BRINGEN."
"Ich danke Dir."
"ES KAM ZU ÄNDERUNGEN."
"Ich werde darauf achten."
"WIE SOLL ES WEITERGEHEN?"
"Beschleunigen wir die Sache ein wenig."

- Phft -

***
6. Asche, 16:30. Fahles Licht.
Stadtwache Pseudopolis-Platz, Ankh-Morpork


Die Büro-Tür stand offen. Staub flimmerte in den Lichtbalken, die durch das Fenster auf den Boden stießen. Gelblich-rotes Spätnachmittagslicht füllte den Raum mit trockener, herbstlicher Luft [1]. Daemon betrat langsam das Zimmer. Das Holz der Dielen knarrte unter seinen Schuhen. Er erreichte den Schreibtisch und stellte den Karton darauf. Er sah sich um. Alle Akten, Notizen und Memos waren verschwunden. Leer gähnten ihm Schränke und Regale von den Wänden des langsam dunkler werdenden Raumes entgegen. Der Tisch war frei bis auf den Karton, einer der älteren Sessel stand dahinter. Auf dem Boden hinter der Tür lag ein Zettel. Daemon ging zu ihm, hob ihn auf und las, was darauf stand. 'D.O.K.' Jemand hat das K durchstrichen und durch ein G ersetzt, darunter ist ein kleiner Hund gemalt. Der Oberleutnant seufzte, faltete das Blatt und warf es in den leeren Papierkorb neben dem Schreibtisch. Lautlos landete es auf dem Boden des Korbs. Daemon trat zu dem Karton und holte eine kleine Statue hervor. Sie sah aus wie eine Siegertrophäe und in gewisser Weise war sie das auch. Auf einem Sockel aus schwarz-braunem Holz stand eine kleine Figur, die entfernte Ähnlichkeit mit Venezia hatte, die einen Verband um den Kopf trug. Die Statue wurde auf eines der Regale gestellt. Matt glänzte sie in dem nun roten Licht der untergehenden Sonne. Langsam nahm Daemon einige in Holzrahmen gefasste Ikonographien aus der Pappkiste. Behutsam strich er mit den Fingern Staub von den Bildern. Die Belegschaft der Dienststelle zur Observierung von Gildenaktivitäten lächelte ihm vom vergilbten Schwarzweiß entgegen, ein weiteres zeigte ein paar der Damen des Boucherie Rouge, die dem Oberleutnant diese Farb-Ikonographie als 'Andenken' geschenkt hatten. Daemon sah sich um. Nachdem er einige Zeit im letzten, grellroten Licht gesucht hatte, entdeckte er schmale, lange Schatten, die die tiefstehende Sonne auf die Wand warf. Er hing die Bilder an die Nägel, richtete sorgfältig aus, bis sie gerade hingen und kehrte zum Schreibtisch zurück. Der Karton war jetzt beinahe leer. Daemon nahm ein paar Papiere heraus, dazu eine Schreibfeder mit verstärkter Spitze, ein versiegeltes Tintenfass und eine schmale, schwarze Rolle, die zum Trocknen von feuchter Tinte diente. Das Fässlein passte in eine Vertiefung der Schreibtischplatte, die Rolle fand in einer der oberen Schubladen ihren Platz. Daemon stellte den Karton auf den Boden und setzte sich in den knarrenden Sessel. Nach ein paar Minuten rückte er den Papierstapel zurecht und schob ihn in eine Ecke des Tisches. Draußen versickerte das letzte Tageslicht und die Laternen wurde angezündet. Daemon saß alleine in seinem dunklen, staubigen Büro. Er nahm die Feder und legte sie ordentlich neben die Blätter.
Minuten vergingen.
Er zog den Stapel in die Mitte der Schreibtischplatte und richtete die Feder an dessen oberer Kante aus. Seine Gedanken schwebten durch das Universum der Staubpartikel im Raum.
Vor dem Fenster wurde es Nacht. Schritte tönten vom Pflaster des Platzes zu Daemon hoch und entfernten sich wieder.
Dann war es wieder still. Es verging einige Zeit, in der Daemon in seinem Büro saß. Ein Hund bellte in einiger Entfernung. Der Hund hörte mit dem Bellen auf.
Es war wieder ruhig im nächtlichen Ankh-Morpork. Daemon grübelte in seinem finsteren Büro. Irgendwo schrie jemand kurz.
Stille. Daemon fuhr mit dem Finger über die fleckige Schreibtischplatte. Ein leises Quietschen tönte zitternd durch das lichtlose Zimmer.
Stille. Er sah zum Fenster. Stille. Langsam erhob er sich und trat zu der Glasscheibe. Wieder knarrten die Dielen. Er erreichte das Fenster.
Stille. Er sah durch das Glas auf den Platz.
Stille. Stille...
'Wo ist der verdammte Regen?'

***
7. Asche, 07:05. Gekrümmtes Licht.
Stadtwache Pseudopolis-Allee, Ankh-Morpork


Kommandeur Mumm betrat das alte Stadthaus, das seit einiger Zeit als Wache diente.
Nobby saß am Wachtresen.
"Ruhige Nacht gehabt, Nobby?", fragte Mumm und zündete eine Zigarre an.
"So ruhig, wie jede andere, Boss."
Mumm nickte.

Daemon schreckte auf und wich zurück. Polternd fiel der Sessel hinter ihm um. Mit weit aufgerissenen Augen sah er durch den Raum. Er war an seinem Schreibtisch eingeschlafen. Morgenlicht dämmerte langsam in das Zimmer. Daemon hielt sich schwankend an der Kante des Tisches fest.
"Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.", murmelte er.
Er verließ den Raum.

Unten im Wachraum war alles ruhig. Erst, als er vor dem Tresen stand, fiel dem Oberleutnant die unmittelbare Gefahr auf, in der er sich befand. Doch bis auf ihn und einem Gefreiten - Daemon hatte bereits vor einiger Zeit den Überblick über die jungen Wächter verloren - war der größte Raum des Wachhauses leer.
"Sag, Obergefreiter... ähm", wandte er sich an den Wächter.
"Cim Bürstenkinn, Sir.", half dieser ihm.
"Ja, Obergefreiter Bürstenkinn, gutgut.", Daemon sah sich misstrauisch um, "Sag, wie spät ist es?"
"Es ist 7 Uhr und 8 Minuten, Sir.", antwortete der Angesprochene. Panik leuchtete in den Augen des Oberleutnants.
"Und... war heute schon jemand hier?"
"Außer Ihnen, meinen Sie, Sir?"
"Ähm. Ja."
"Nein, Sir. Wer sollte schon so früh hierher kommen?"
"Nun. Frau Willichnicht...", Daemon wurde unsicher.
"Dieser Name sagt mir nichts. Ich sitze bereits seit zwei Wochen jeden Morgen hier und bisher kam nie jemand vor neun Uhr hierher."

Einige Minuten später taumelte Daemon in das Büro des Kommandeurs.
"Ah ja, Daemon, grade wollte ich jemanden zu dir rüberschicken.", begrüßte Rince sein Auftauchen.
"Sie ist nicht da.", stieß der Oberleutnant hervor. Der Kommandeur sah verständnislos auf.
"Wen meinst du?"
"Frau Willichnicht.", Daemon sah seinen Chef entsetzt an.
"Eine... Bekannte von dir aus der D.O.G.?", Rince hoch eine Augenbraue, "Ich denke nicht, dass du deine 'Freundinnen' während des Dienstes..."
"Wovon redest du?", unterbrach ihn der Oberleutnant, "Ich sagte, Frau Willichnicht ist nicht gekommen! Seit zwei Wochen nicht!"
"Ist das ein Scherz, den ich nicht verstehe?", fragte Rince misstrauisch, "Nun, vielleicht,", er suchte nach Worten, "Kannst Du später gehen und nach ihr sehen?", riet er ins Blaue hinein. Das schien Daemon zu beruhigen.
"Eine gute Idee, das werde ich tun."
"Gut.", der Kommandeur war froh, diese Klippe umschifft zu haben, "Warum ich dich rufen lassen wollte: Du bist derzeit abteilungslos.", der Oberleutnant sah auf, "Das kann natürlich nicht so bleiben. Ich möchte, dass du dich umsiehst und so schnell wie möglich eine Bewerbung abgibst. Ich kann schließlich meine Offiziere nicht frei herumlaufen lassen.", Rince lächelte schelmisch.
"Äh, ja, wenn Du das sagst.", Daemon nickte, "Dann werde ich mich mal umsehen.", er runzelte die Stirn, irgendetwas war da noch, etwas, dass er am Abend zuvor aufgespürt hatte und sich jetzt wieder vor ihm versteckte. Etwas so Offensichtliches, dass man hindurch sah, weil man so nah davor stand, dass man sich darin war.
"Gleichzeitig könntest du dich nach Möglichkeiten umsehen, die Effizienz der Abteilungen zu erhöhen, als Außenstehender mal einen Blick drauf werfen. Was hältst Du davon?"
"Ja, nicht schlecht.", erwiderte Daemon abwesend. Es wich vor ihm zurück, glitt ihm immer wieder durch die Finger. Es war, als wolle man seinen eigenen Schatten aufheben. Wenn es ihm nur einfallen würde.
"Bei dem schönen Wetter heute könntest du noch mal rüber zur DOG laufen und dich dort umsehen. Der Herbst zeigt uns heute seine milde Seite, hat jedenfalls meine Frau gesagt. Daemon? Ist wirklich alles in Ordnung mit Dir?"

Der Oberleutnant beschloss, zunächst seine alte Abteilung DOG aufzusuchen. Er hatte aus seiner Zeit dort bereits eine Idee, die er bisher nicht durchgeführt hatte.. Außerdem dachte er, der Spaziergang durch das morgendliche Ankh-Morpork würde seine Gedanken in Ordnung bringen. Daran sieht man, wie verwirrt er bereits zu diesem Zeitpunkt gewesen war.

***
7. Asche, 08:10. Schnelles Licht.
Viertel käuflicher Zuneigung, Ankh-Morpork


"Wo ist Rince?", fragte Ptracy langsam und beherrscht.
"Kommandeur Rince wurde vom Patrizier der Stadt auf eine wichtige Mission geschickt.", erklärte der Präsident ruhig und sachlich, ohne auf die drei Dutzend wirklich mies gelaunter Wächter um ihn herum zu achten, "Wenn ich Euch nun bitten dürfte, das Büro zu verlassen, ich habe hier viel Papierarbeit zu erledigen, die mein Vorgänger hier zurück gelassen hat."

Selbst mitten am Tage blitzte die magische Leuchtwerbung des Boucherie Rouge an der Front des Hauses auf. Daemon schritt über den Hof und trat durch die Eingangstür.
"Daemon ist da!", rief eine helle Frauenstimme, "Wer von euch ist dran?"
"Ähm, schon gut.", rief er den Flur hinunter, "Ich muss nur kurz nach oben.", ihm war, als höre er ein Kichern aus dem hinteren Teil des Hauses, als er die Stufen hochging.
Kurze Zeit später er saß bei Mückensturm im Büro. Der Raum hatte sich nicht sehr verändert, seitdem vor ein paar Tagen die Leitung der Abteilung übergeben worden war. Noch immer lagen Akten herum, anders geordnet, aber noch immer nach einem komplexen System im Zimmer verteilt, das nur dessen Bewohner wirklich durchschaute. In einigen Regalen sah man Armbrüste, Schwerter und andere Waffen, Mückensturm hatte sich anscheinend bereits komplett eingerichtet, was das anging.
"Daemon.", rief der Fähnrich als er hereinkam fröhlich, "Du willst doch wohl nicht schon wieder hier einziehen, oder?", fügte er misstrauisch hinzu.
Der Oberleutnant betrachtete Mückensturm nachdenklich. 'Merkwürdig', dachte er bei sich, 'In einem Moment beschweren sie sich, dass ihr Webel zu klein ist, und im nächsten führen sie Abteilungen in einen Kampf gegen das Verbrechen in diesem Sumpf. Vielleicht sollte ich es tun. Vielleicht sollte ich aufstehen und ihm sagen, dass ich den Laden wieder übernehme, dass er sich noch mal neben mich setzen soll und sich verdammt noch mal alles genau anschauen soll, damit ihm nichts passiert.'
"Daemon?", Mückensturm kam vorsichtig näher, "Das war ein Scherz, das weißt Du, oder? Ich weiß doch längst, weshalb Du hier bist.", der Fähnrich sah den vor ihm Sitzenden aufmerksam an, "Bist Du in Ordnung?", Daemon schüttelte den Kopf.
"Ich glaube, ich...", er seufzte, "Ich werde mich im Wachhaus mit Venezia darüber unterhalten.", murmelte er.
"Ah ja.", Mückensturm verzichtete auf weitere Fragen. Wer sich mit der Püschologin der Wache über etwas unterhielt, wollte sicher mit niemand Anderem darüber reden, "Nun, du schaust Dich also auf höchste Order nach Verbesserungsmöglichkeiten um.", er setzte sich auf den Sessel hinter dem Schreibtisch des Abteilungsleiters. Einen winzigen Augenblick lang zuckte es in Daemon's Gesicht. Mückensturm schob eine kleine Armbrust beiseite, die auf der Schreibplatte lag und deren Bolzen genau auf den Oberleutnant gezielt hatte.
"Nun. Was denkst Du, könnte man in der D.O.G. ergänzen?", interessierte Blicke wanderten quer durch den Raum voller Papier, Waffen und Matratzen[2].
"Ich habe auf dem Weg hierher darüber nachgedacht.", Daemon räusperte sich, "Die Dienststelle ist ein ganzes Stück vom Wachhaus entfernt und wenn hier etwas geschieht, kann es sein, dass Nachrichten sehr schnell zum Pseudopolisplatz gelangen müssen."
"Dafür haben wir unsere TK-Anlage, wie Du weißt.", Mückensturm runzelte die Stirn, "Du hast sie selbst installieren lassen. Und mittlerweile kommen fast alle Tauben an ihr Ziel."
"Das schon. Aber was ist, wenn man eine längere Nachricht übermitteln muss? Oder ein Bericht muss überbracht werden?", der Oberleutnant beugte sich vor und sah den Abteilungsleiter fragend an.
"Das wird schwierig. Die Kapseln können nur kleine Papierstreifen aufnehmen."
"Genau.", bestätigte Daemon, "Und was ist, wenn im Wachhaus Verstärkung gebraucht wird? Die Wächter müssten durch die halbe Stadt laufen, bis sie am Einsatzort sind. Und dann sind sie erschöpft."
"Hm.", machte Mückensturm, "Das ist eine schwierige Aufgabe. Was denkst Du? Sollen wir eine stets bereite Kutsche vor der Tür stehen haben, damit wir im Notfall sofort los können?" Daemon winkte ab.
"Wenn ihr sie bräuchtet, hättet ihr weder Räder noch Pferde an der Kutsche. Außerdem Würdet ihr bei der Verkehrslage in der Stadt noch länger brauchen, als wenn ihr laufen würdet."
"Und was hast du dir dann ausgedacht?"
Daemon erklärte es ihm.
"Unmöglich! Das wird er niemals mitmachen."

Lautes Gezeter hallt den Flur entlang. Schritte folgen, ein undeutliches Gespräch, etwas Schweres fällt zu Boden, dann wird eine Tür aufgerissen.
"Das ist ja wohl das Letzte!", Harry stampfte wütend aus seinem Büro. Dicht gefolgt von Daemon und Mückensturm.
"Aber es ist doch nur...", rief Fähnrich.
"... für die Abteilung.", endete der Oberleutnant.
"Denk nur an die Verbesserung..."
"...der Einsatzbereitschaft."
"Und all die tollen..."
"...aufregenden..."
"...schnellen..."
"...tollkühnen Aufträge."
Harry blieb stehen und wandte sich zu den beiden Offizieren um, die furchtsam hinter ihm gestoppt hatten.
"Die Tauben fliegen gegen die Wand.", rief er.
"Das wurde repariert."
"Viele der Vögel schaffen's."
"Die meisten."
"Fast alle."
"Und ihr wisst, dass ich diese Tiere... dass ich nicht... dass ich.", Harry stammelte und sah trotzig zu den beiden hoch, die ihrerseits versuchten, sich hintereinander zu verstecken. Jetzt witterten sie eine Chance und begannen wieder mit ihrer Argumentation.
"Das ist alles in Ordnung."
"Die Tauben sind zahm."
"Sie fressen nur... nun... Körner und so."
"Es besteht kein Grund, Angst zu habe..."
"Ich habe keine Angst!", schrie der Gnom. Die Offiziere wichen erschrocken bis an die Wand hinter ihnen zurück.
"Ich ehre nur das Andenken an meine Großtante.", fügte Harry leise hinzu. Daemon kam langsam auf ihn zu.
"Sieh mal. Vielleicht braucht die Wache Dich irgendwann dafür. Und dann wäre es doch besser, wenn wir vorher schon mal geübt hätten, oder?", der Oberleutnant sah vorsichtig herunter. Harry seufzte.
"Und es ist sicher ungefährlich?", ein Lächeln erschien wie aus dem Nichts auf Daemon's Gesicht.
"Absolut."

Die TK-Anlage, ein komplexes Gebilde aus Gummibändern, Röhren, Zahnrädern, Taubenkäfigen und Hebeln, nahm mehr als die Hälfte von Mückensturm's ehemaligen Büro ein. Harry saß auf einer großen Taube, die verhalten gurrte. Daemon legte dem Gnom gerade einen Gurt um und schnallte ihn so sicher auf dem Vogel fest.
"Und es wird alles gut gehen?", fragte Harry zum wiederholten Male.
"Aber sicher.", der Oberleutnant zog den Gurt noch ein wenig fester, Gnom und Vogel ächzten leise, "Wir kennen uns doch mit so etwas aus. Hab ein kleines bisschen Vertrauen."
"Äh, Daemon?", der Hauptfeldwebel klang verunsichert, "Du hast der Taube gerade die Flügel mit festgeschnallt.", der Oberleutnant sah ihn zweifelnd an, der Vogel versuchte vergeblich, die kleinen Schwingen zu bewegen.
"Oh.", machte Daemon und begann von vorne.
"Ein bisschen Vertrauen, wie?", Harry funkelte den Wächter an. Daemon achtete nicht darauf, stülpte einen kleinen Helm auf Harry's Kopf, packte Gnom und Vogel, stopfte sie in eine Öffnung des Apparates und schloss eine dicke Eisenluke davor.
"Alles klar, Mücke, starte das Ding!"

Etwas klackt in der Finsternis, Dunkelheit rumpelt, dann kommt der Stoß.
Licht. Stecknadelkopfgroß. Größer. Größer! Überall.
Wind zerrt an Harry's Kleidung, den Haaren, versucht, ihn vom Rücken des Tieres zu reißen. Er und der Vogel kreischen, rasen auf die Wand zu, der Hauptfeldwebel zieht an den Federn, will den Vogel nach oben lenken. Er kann die Risse im Mörtel der Wand erkennen. Plötzlich entfalten sich die Flügel des abgeschossenen Bündels, Harry steht horizontal in der Luft. Dann verschwindet die Mauer, die Straße fällt hinter ihnen zurück und frei schwebend nähern sie sich der Sonne. Langsam dreht sich die Welt um sie herum und die Taube mit ihrem Passagier fliegt über Ankh-Morpork.

Die beiden Offiziere sahen dem schnell am Horizont verschwindenden Punkt nach.
"Bevor er zurückkommt...", begann Daemon langsam.
"Ich werde sie entfernen lassen.", Mückensturm verstand, was der Oberleutnant sagen wollte. Einzelne Federn waren am First des gegenüberliegenden Hauses hängen geblieben. Daemon nickte.
"Wir wollen ihn nicht beunruhigen."
"Denkst du, der Vogel braucht die große da, um richtig fliegen zu können?", die entsprechende Feder wurde vom Wind erfasst und schwebte zu Boden. Der Oberleutnant runzelte die Stirn.
"Du bist der Experte für solche Sachen.", die beiden wandten sich vom Fenster ab und verließen langsam den Raum des Kommunikationsexperten der DOG. Leise gurrten die Tauben in ihren Verschlägen, froh, noch einmal davon gekommen zu sein.
"Wann denkst du, werden wir von ihm hören?"
"Wir werden sehen, wir werden sehen."

Ein langgezogener Schrei zog über die Dächer der Stadt hinweg.
AAAAAAaaaaaaaaaaaaaaaaaahhh!!!
Die Taube erreichte den Pseudopolis-Platz, raste an ihm vorbei, breitete die Flügel aus stürzte in einer Kehrtwende um das Opernhaus in die Tiefe auf das Wachhaus zu. Der Vogel sauste auf das Gebäude zu, steuerte grob das obere Stockwerk an, zischend blieben die letzten Meter zwischen Oper und Wache hinter ihnen, das Tier zog ein wenig nach oben und - schwebte sanft in den Innenhof der Wache. Langsam lenkte sie zum Taubenschlag und landete lautlos in einem der Fensterchen. Zufrieden begann sie zu gurren und einzelne Körner vom Boden zu picken.

Nach einer Weile löste Harry ganz, ganz vorsichtig den Sicherheitsgurt. Dann sank er gemächlich zur Seite und fiel stöhnend zu Boden, wo er verträumt in seinem eigenen kleinen Universum aus Todesangst, Schock und Erleichterung ein wenig liegen blieb.
Kamikhan, Kommunikationsexperte der SEALS, hatte die Ankunft des Vogels bemerkt und erschien einige Minuten später im Taubenschlag.
"Harry?", fragte er verblüfft, als er den Hauptfeldwebel sah, "Was tust du hier bei den Tauben?", der Gnom starrte ihn grimmig an, "Oh!... Ich meine... wenn du lieber alleine mit ihnen sein möchtest... ich wollte nicht stör... also, ich geh dann mal wieder.", der Gefreite wandte sich ab, doch Harry war schneller, stampfte an ihm vorbei aus dem Raum und verließ kurze Zeit später das Wachhaus mit einem stetigen Gemurmel, dass mehrere Zeugen später als ein 'IchbringihnumIchbringihnum' bestätigten. Kamikhan machte sich über diese Aussage große Sorgen, bis das Ende der Welt ihm solche Kleinigkeiten ersparte.
Als Rince Meldung von Harry's 'Besuch' erhielt, war er zufrieden, denn er war sich sicher, dass Daemon seinen Auftrag ausführte. Ein guter Kommandeur kennt alle seine Leute in- und auswendig.

Daemon hatte inzwischen das Boucherie verlassen und hatte sich auf den Weg zum randwärtigen Ankh-Ufer gemacht. Ikari hatte die Dienststelle kurz nach Harry's Abflug erreicht und von einem FROG-Einsatz berichtet. Der Oberleutnant wollte die gute Gelegenheit nutzen und sich diese Abteilung in Aktion ansehen. Diese Entscheidung erwies sich später als glücklich, da er so den Weg von Harry's Rückkehr umging und den Gnom erst nach dessen Beruhigung begegnete. Zu keinem späteren Zeitpunkt in der Geschichte der Scheibenwelt war Mückensturm jemals so froh über die vielen Matratzen in seinem Büro.

***
7. Asche, 10:45. Schweres Licht.
Irgendwo in Ankh, Ankh-Morpork


Detritus legte mit der Armbrust an und trat einen Schritt nach vorn.
Es pochte dumpf. Mumm sah nicht, wie das Pfeilbündel die Waffe verließ. Vermutlich bestand es nur noch aus Splittern, als es dreißig Zentimeter zurückgelegt hatte. Auf halbem Weg zur Tür fing die sich ausdehnende Splitterwolke von der Luftreibung Feuer.
Was die Tür traf, war ein Feuerball, der ebenso wütend wie unaufhaltbar war wie der Fünfte Elefant und mit einem beträchtlichem Bruchteil der lokalen Lichtgeschwindigkeit flog.
"Bei den Göttern, Detritus", brummte Mumm, als das Donnern verklang, "Das ist keine Armbrust, sondern ein nationaler Notstand."
Einige verkohlte Türteile fielen auf das Kopfsteinpflaster.

Die FROGs waren auf einem Anwesen auf der Ankh-Seite der Stadt versammelt. Ein altes, recht renovierungsbedürftiges Haus dominierte das Grundstück gegenüber den ungepflegten Hecken und überwucherten Statuen des umgebenen Gartens. Vor dem Gebäude stand eine Kutsche mit der Heckaufschrift: 'Wer wiehert, mag Drachen'. Daemon trat verwirrt durch das Tor im Zaun, der das Gelände umgab. Rascaal überwachte eine Übungsstunde seiner Abteilung. Späher schlichen zwischen den Hecken her. Sidney prüfte den Zustand der Armbrüste. Detritus... nein Malachit spannte die gewaltige Armbrust, die ihm als ballistische Überlegenheitswaffe zugeteilt war. Mit ihr war man in vielerlei Hinsicht überlegen.
"Ah, Daemon.", Hauptmann Ohnedurst kam auf den Oberleutnant zu, "Rince ließ uns mitteilen, dass du auftauchen könntest.", der Vampir sah etwas unschlüssig drein, "Eigentlich ist es nicht zulässig, dass jemand, der nicht zur Abteilung gehört, beim Training mitmacht.", Daemon nickte.
"Sag, Rascaal, was tut ihr hier? Wie kommt ihr an diese Villa?"
"Oh, das hier.", Rascaal machte eine Geste, die dem Garten und dem Haus galt, "Es gehört Lady Käsedick, einer Adligen der Stadt, mächtig reich und etwas... eigenartig. Hängt seit Jahren nur mit diesen Sumpfdrachen zusammen und will wohl mal etwas Leben in ihr Haus bringen, deswegen lässt sie uns hier in 'stadtähnlicher' Umgebung üben.", ein leiser Knall ertönte aus einem Schuppen, der neben der Villa stand, "Oder sie hat einfach einen Faible für die Wache.", grinste der Vampir.
Malachit stellte seine Waffe in der Nähe ab. Daemon seufzte und ging auf die Belagerungsballista zu.
"Sieh mal einer an.", er warf Rascaal einen unschlüssigen Blick zu, "Ich bin ja gleich weg, aber wie soll ich Rince Vorschläge machen, wenn ich nichts sehe?", er fuhr mit der Hand über das Holz der 'Arm'brust, "So was hatten wir früher auch, weißt du noch? Wir hatten einen Stuhl dran gebaut und Stellräder zum Justieren und haben das Ding mit Pferden rankarren lassen, wenn wir es brauchten."
"Sicher.", antwortete Rascaal, "Der 'Öffner' steht heute im Museum der Wache in der Kröselstraße. Dae? Ist alles in Ordnung?", der Vampir sah ihn unsicher an. Der Wächter peilte probeweise mit entrücktem, erinnerungsschweren Blick über den riesigen Bolzen.
"Wir sind nie auf die Idee mit einem Troll gekommen. Vielleicht... in anderen Welten...", Daemon zupfte an der straff gespannten Sehne.
"Daemon?", Rascaal trat vorsichtig näher, "Venezia sollte zur Zeit im Wachhaus sein. Du könntest einfach mal bei ihr vorbeischauen? Ich schick ihr eine Taube, dass du kommst. Was hältst Du davon?", Daemon sah erschrocken auf, dann klärte sich sein Blick.
"Ja. Ja, wieso eigentlich nicht. Das hatte ich...", er blinzelte, als ob er sich nicht recht erinnern könne, "... das hatte ich sowieso vor. Glaube ich.", fügte er hinzu. Der Vampir atmete etwas auf - im metaphorischen Sinne. Der Oberleutnant drehte sich noch mal zu der gespannten Waffe um.
"Aber was schreibe ich Rince in den Bericht über die FROGs?", er klopfte nachdenklich auf die Ballista und summte leise.
Die Sehne löste sich. Krachend stieß sie die eingelegten Bolzen fort, die Waffe ruckte im Gras nach hinten. Polternd fiel die Waffe zur Seite, die Geschosse summten durch die Luft, brausten ihre Flugbahn auf ein nicht gewolltes Ziel entlang. Mit lautem Getöse barsten sie an die Frontseite der Käsedick'schen Villa und ließen die Mauern des Gebäudes erzittern. Das Dach der Veranda stürzte zusammen, Fensterscheiben zersprangen, einzelne, erschreckte Knalle kamen aus dem Schuppen, Staub erhob sich und umwallte die Wächter.
Eine Zeitlang standen Rascaal und Daemon still nachsinnend da.
Schließlich hob der Vampir eine Hand und öffnete den Mund, doch Daemon unterbrach ihn mit einem nachdenklichen Blick auf das Trümmerfeld vor ihnen.
"Ein Sicherungsmechanismus zur Verhinderung vom ungewollten Auslösen des MUT.", sagte er langsam, "Kein schlechter Vorschlag, findest Du nicht auch?"

Daemon entschied spontan, dass ein Vorschlag reichte und verließ den Ort des Geschehens. Er lenkte seine Schritte randwärts in Richtung Pseudopolis-Platz. Es gab noch mehr Abteilungen zu besuchen.

***
7. Asche, 12:00. Dunkles Licht.
Wachhaus Pseudopolis-Platz, Ankh-Morpork


Hauptmann-Oberst von Zitzewitz schlug mit seiner Reitgerte auf den Tisch.
"Was fällt Dir ein, du impertinente Person?", schrie er, dass die Spitzen seines Bartes zitterten.
Ptracy wich verängstigt an die Wand des Vernehmungsraum zurück.

Ptracy's Gesicht schwebte in einer Wolke aus... nun... Schmerz.
"Daemon?", fragte sie.
Der Wächter stöhnte und richtete sich auf.
"Myra und Charlotta haben dich draußen auf der Sentimentalen Brücke gefunden. Du musst wohl... zusammengeklappt sein.", die Frau Hauptmann sah ihn besorgt an, "Sie hielten es für das Beste, dich zu uns zu bringen.", Ptracy kniff die Augen zusammen, "Wie fühlst du dich?"
"Es... es ist schon wieder in Ordnung.", Daemon schwang sich von dem Tisch herunter, auf dem er gelegen hatte, "Es war nur... Ptracy, was ist aus diesem Oberst-Hauptmann geworden?"
"Diesem Verrückten Von Zitzewitz?"", sie rümpfte die Nase, "Der soll im Palastverlies ruhig vergammeln.", sie zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn scharf an, "Daemon! Was - ! - ist los?"
"Ich weiß es nicht. Irgendetwas Komisches geht vor, aber...", er sah sie zweifelnd an, "Ich scheine der Einzige zu sein, der es bemerkt.", er seufzte, "Oder ich bin der Einzige, dem es passiert."
"Weißt Du, Daemon,", Ptracy sprach langsam und vorsichtig und entfernte sich langsam von dem Tisch, "Wie wär's: Du gehst mal zur Venezia rüber und redest mit ihr darüber?", sie erwähnte mit keiner Silbe die Berichte, die sie inzwischen von Mückensturm und Rascaal erhalten hatte und vor Daemon's Verbesserungsvorschlägen warnten.
"Ja.", sagte Daemon, "Ich denke, das werde ich tun.", er nahm ein kleines Glas von dem Tisch und sah hinein.
"Ptracy. Was ist das?", er schüttelte den Behälter und fummelte an dem Korken herum, "Es ist gar nicht beschriftet."
"Äh.. das ist...", die Frau Hauptmann hob einen Finger, ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Daemon löste den Stopfen und ließ erschrocken das Glas fallen. Die Flüssigkeit floss über den Boden.
"Verdünntes Riechstarköl.", stöhnte Ptracy.

Nach einiger Zeit hatten die Wächter in den oberen Stockwerken der Wache mit Hilferufen auf sich aufmerksam machen können und einigen Golems gelang es, Ptracy und Daemon aus dem Keller zu evakuieren. Nach einer Weile der olfaktorischen Ohnmacht begab sich der Oberleutnant zur Püschologin der FROGs.

***
7. Asche, 13:30. Vielfaches Licht.
Wachhaus Pseudopolis-Platz, Ankh-Morpork


"Und seit wann, sagst du, hast du diese 'Visionen'?", Venezia sah von der Tischkante zu Daemon und fächelte sich Luft zu. Im ersten Stock des Wachhauses war der Gestank nicht mehr ganz so schlimm.
"Seit heute morgen.", antwortete der Oberleutnant, "Ich habe es für einen Traum gehalten."
"Und dann gibt es noch andere ... Dinge?", die Gnomin fragte vorsichtig. Daemon nickte, er hatte irgendwie das Gefühl, auf einer Couch liegen zu sollen. Venezia blätterte durch ihr Notizbuch.
"Na gut. Reden wir darüber, dass es nicht regnet.", sie schaute auf.
"Na ja.", druckste der Wächter, "Du weißt doch, eigentlich... es regnet doch irgendwie immer, du weißt schon... wo ich bin.", die Püschologin runzelte die Stirn.
"Was denkst du, weiß ich noch alles?", fragte sie.
"Ähm, zum Beispiel, dass Frau Willichnicht jeden Morgen hier auftaucht und ihre Beschwerden loswerden will."
"Frau Willichnicht.", notierte Venezia, "Ein ungewöhnlicher Name. Wann meinst Du, kommt sie?"
"Jeden Morgen um 7.05 Uhr."
"Ah- ha.", machte sie, "Und seit wann tut sie das?"
"Nun... sehr lange. Eigentlich schon immer. Jeder Wächter kennt Frau Willichnicht."
Venezia hob eine Augenbraue.
"Soso. Nun, Daemon, siehst Du. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das alles zu erklären.", sie stand auf und lief über die Tischplatte, "Die wohl einfachste wäre, zu sagen, die ganze Sache mit der Abteilungsleitung und der Wächterarbeit hätte dich ein wenig, nun, überlastet.", Daemon sah sie argwöhnisch an.
"Du meinst, meine Schrauben sitzen locker?", fragte er.
"Ich sagte, dies wäre die einfachste Möglichkeit, deinen Zustand zu erklären.", sie nahm ein Blatt Papier und malte etwas darauf. Dann schob sie den Zettel zu ihm herüber.
"Ein Y?", fragte der Oberleutnant. Venezia machte eine vage Handbewegung.
"Eine... Abzweigung.", sie begann wieder, auf und ab zu laufen. "Weißt du, jede deiner 'Visionen', so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben doch eines gemeinsam: Es gibt immer eine Stadtwache. Nicht unsere Wache, aber etwas in der Richtung ist da. Vielleicht denkst Du, ", sie malte einige verwirrende Zeichen auf einen weiteren Zettel, verband sie mit Pfeilen, malte Kästchen darum und unterstrich hier und da etwas, "in diesem Zusammenhang an 'Hosenbeine der Zeit'. Sagen wir, irgendjemand, vielleicht die Geschichte selbst, hat irgendwann etwas in Ankh-Morpork vor, wobei eine Stadtwache da sein muss. Dafür muss es Jemanden gegeben haben, der sie aufbaut. Und das muss nicht unbedingt Rince sein, der Geschichte ist es egal, ob es ein Rince oder ein Mumm oder sogar ein Von Zitzewitz ist, solange es eine Wache gibt.", sie sah auf, "Was denkst du?"
"Das denkst du dir doch gerade aus, oder?", Daemon kniff die Augen zusammen und musterte die Gnomin argwöhnisch.
"Es passt immerhin zu den Fakten, oder?"
"Das würde bedeuten, dass ich nicht... hierher gehören würde? Kein sehr fröhlicher Gedanke."
"Hm.", machte Venezia, "Wenn man es so sieht, könnte das tatsächlich so sein. Aber es gibt bestimmt noch ein halbes Dutzend anderer Möglichkeiten, was hier vorgehen könnte. Das letzte Mal hat sich Normalität angesammelt, weißt du noch, was da los war?"
"Das ist hier auch passiert?", Daemon schöpfte Hoffnung.
"Ja, natürlich!", rief Venezia, "Vorletzten Monat mussten wir das Nekrotelicomnicom über den Rand werfen, eine ziemlich heftige Geschichte.", Daemon's Mine zerbrach, "Oh, das war nicht die Geschichte, die du kanntest, oder?", Venezia verzog das Gesicht.
"Nein.", sagte Daemon leise.
"Weißt du, ich denke, wir müssen einfach abwarten, was passiert. Und dich von irgendwelchen Glasbehältern mit starkriechenden Flüssigkeiten fernhalten."
"Das klingt nach einer hervorragenden Lösung.", brummte der Wächter.
"Du kannst auch zur Unsichtbaren Universität gehen und die Zauberer fragen. Aber denk dran, dass Rince noch immer auf deinen Bericht wartet."

Daemon beschloss, zuletzt noch die GRUND zu besuchen. RUM und SEALS verschob er aufgrund kürzlich eingetretener Ereignisse, die ihm nach aller Wahrscheinlichkeit temporär die Sympathie einiger Wächter am Pseudopolis-Platz gekostet haben würden. Das Öffnen der Fenster hatte Beschwerden der Anwohner nach sich gezogen.

***
7. Asche, 14:10. Neues Licht.
Wachhaus Kröselstraße, Ankh-Morpork


Der König trat aus dem Palast hervor. Entschlossen sah er über die Menge.
"Hiermit sind alle Gilden abgeschafft. Ich werde für eine neues Ankh-Morpork sorgen. Ich werde...", der Pfeil kam schnell, raste auf den neuen Monarchen der Stadt zu. Schrecken weitete seine Augen. Eine Gestalt warf sich in die Flugbahn des Geschosses. Ein Schmerzensschrei erschall, dann fiel der Körper zu Boden. Der König sah hinab.
"An Angehöriger der Wache. Und wieder hat ein Wächter dafür gesorgt, dass der Fortschritt weitergeht. Helft ihm, so helft ihm schon!"

Daemon betrat das Wachhaus in der Kröselstraße. Geschmackvolle Skelettornamente bedeckten die Wände. Oberfeldwebel MeckDwarf stand in der Mitte des Raumes vor einigen jungen Leuten und rang sichtlich um seine Fassung.
"Werdet ihr jetzt wohl mal einen Moment ruhig sein?", fragte er betont ruhig und schaffte es beinahe, nicht die Fäuste zu ballen. Der Oberleutnant ging auf ihn zu und begrüßte ihn.
"Daemon.", der Ausbilder flüsterte in dessen Ohr, "Diese angehenden Rekruten treiben mich in den Wahnsinn, wollen am Besten sofort in den Einsatz und hören auf keinerlei Ratschläge oder Befehle. Wenn das so weiter geht, werde ich noch zum Mörder.", Daemon lächelte und antwortete:
"Gar kein Problem, lass mich nur machen.", Humph kamen mit einem Male Zweifel, "Manchmal braucht es Sterne, wo Streifen nicht ausreichen, pass nur auf.", der Oberleutnant wandte sich grinsend zu den Rekruten um. Einige von ihnen nahmen angesichts hoher - oder unbekannter - Abzeichen Haltung an, andere sahen weniger interessiert drein.
"Ah ja. Ihr wollt also Wächter werden.", Daemon legte dem ersten, einem etwas kurz geratenen Zwerg, die Hand auf die Schulter, "Ein ehrenhafter Job. Ich weiß noch, damals, wie ich zur Wache kam.", der Wächter sah verträumt über ihre Köpfe hinweg, "Ich hatte mein Elternhaus verlassen und es war kalt und nass und es war überhaupt nicht schön in Ankh-Morpork zu landen und nicht zu wissen, wohin, aber das muss ich euch ja wohl nicht erzählen, ihr kennt das, nicht wahr? Aber sicher kennt ihr das.", er sah die Rekruten an, die den Blick unbeeindruckt erwiderten,
"Aber ihr habt euch richtig entschieden. Ihr habt euch für die Wache entschieden. Jawohl. Einem Ort, an dem ihr... na ja... also eigentlich... Ich will es nicht beschönigen: Euch stehen harte Tage und noch härtere Nächte bevor. Klirrende Kälte in nassen Löchern, ständig in Lebensgefahr oder Schlimmeren, unter einsamen Mondlicht allein auf den Türmen der Stadtmauer stunden- und tagelang Wache halten, Regenfluten auf den Streifen durch die dreckigsten und verdorbensten Stadtteile, hundgemeine Mörder hinter jeder Ecke, die Rekruten wie euch zum Frühstück verputzen, Pfeile aus dem Hinterhalt und Dolche im Dunkeln, endlose Berichte nach jedem Fall und jede Menge Möglichkeiten, mit irgendeinem Chef Probleme zu bekommen.", er sah den Rekruten, die mittlerweile etwas weniger lebhaft schienen, in die Augen, "Das Ganze für einen läppischen Sold, eine miese Unterkunft und die Anerkennung einiger Weniger der weit über eine Millionen Einwohner dieser Stadt. Und trotzdem seid ihr hier.", wieder klopfte er dem kleinen Zwerg auf die Schulter, "Ja, das seid ihr. Und das hat einen guten Grund. Einen verdammt guten Grund. Den besten Grund von Allen.", er nickte bedeutungsvoll, "Und der...", er hob den Zeigefinger, viele der Rekruten folgten ihm mit den Augen, "... wird euch jetzt von Oberfeldwebel MeckDwarf erklärt werden.", Daemon wandte sich um. Zaddam bekam große Augen und begann zu stottern. Der Oberleutnant lächelte ihn an.
"Schön, dass ich helfen konnte.", sagte er und verließ das Wachhaus.

"Was ist denn nun der Grund, Herr Oberfeldwebel?"
"Wieso machen wir es denn nun?"
"Ich habe Angst."
"Ich auch."
"Bitte sagen sie es uns, sonst kann ich heute Nacht nicht schlafen."

Daemon hatte seine Arbeit für diesen Tag beendet und er beschloss, dieser 'Hosenbein-Theorie' nachzugehen. Seine Recherchen sollten mit Hilfe der intelligentesten Leute der Scheibenwelt zum Erfolg gelangen. Und wenn diese nicht da waren, sollten ihm wenigstens die Zauberer helfen.

***
7. Asche, 16:00. Durchleuchtendes Licht.
Unsichtbare Universität, Ankh-Morpork


Mumm war danach, in seinen Schlagstock zu beißen.
"Diese verdammten Zauberer.", er sah zu Karotte, "Was denken sie sich dabei?"
"Sie wollen nur wieder Ordnung in die Stadt bringen. Seit Lord Vetinari's Tod..."

Der Wächter hatte sich erst gar nicht die Mühe gemacht, an die Pforten der Unsichtbaren Universität zu klopfen und sofort den 'Nebeneingang' benutzt. Er hasste es, dieses Klischee zu erfüllen, aber er hatte es mittlerweile ziemlich eilig und konnte sich nicht die Verzögerung einer Konversation mit den Brüllern erlauben. Vorsichtig stieg er auf der Innenseite der Mauer hinab und ging direkt zum Speisesaal, beziehungsweise dorthin, wo sich bei seinem letzten Besuch der Speisesaal befunden hatte, an einem magischen Institut herrscht eine gewisse lokale Unsicherheit.
Der Wächter hatte Glück[3] und fand den Saal an alter Stelle. Mehrere Zauberer nahmen gerade eine Mahlzeit zu sich. Daemon trat auf sie zu und entdeckte ohne große Überraschung den Erzkanzler der Universität unter ihnen.
"Erzkanzler...", sagte gerade einer der Zauberer, den Daemon als den Obersten Hirten kannte, "bist du sicher, dass es klug ist, soviel von dieser Soße da drauf zu schütten?"
"Ein wenig Würze hat noch Niemandem... Was willst DU denn schon wieder hier?"

Etwa eine dreiviertel Stunde später hatte der Wächter ihnen die Lage erklärt.
"Du sagst also, dass wir uns in einer Hose befinden?", fragte Ridcully.
"Ich habe IMMER Hosen an!", rief der Dekan.
"Alles Andere wäre unhygienisch.", warf der Oberste Hirte ein.
"Ugh!", fügte der Bibliothekar hinzu.
"Wie kommt er dazu?", empörte sich der Professor für Unbekannte Runen.
"Eigentlich nicht ihr,", ignorierte Daemon die Zwischenrufe, "nur ich."
"Willst du damit sagen, ich hätte keine Hose an?"
"Das geht zu weit."
"Ugh Ugh!"
"Da sieh, ich habe sie heute morgen erst aus dem Schrank genommen. Und da liegen noch weitere."
"Ich fürchte,", schloss der Erzkanzler, "wir können dir mit deinem Bekleidungsproblem nicht weiterhelfen. Vielleicht versuchst du es in ein paar Tagen noch mal, dann sollte Stibbons von seinen Forschungen in der Sto-Ebene zurückgekehrt sein."

Daemon schloss seinerseits beim Verlassen der Unsichtbaren Universität, dass ihm Niemand helfen konnte. Er dachte darüber nach. Eigentlich war die Wache nicht anders als sonst. Und er gewöhnte sich langsam daran, NICHT durchnässt zu sein. Ganz allmählich begann er, sich mit dieser neuen Situation abzufinden. Schließlich geschah ihm außer gelegentlicher Visionen von anderen Zeitmöglichkeiten nichts weiter. Zumindest ein paar Tage ließ es sich so aushalten und dann würde er weitersehen. Vielleicht würde ja alles gut werden.

***
7. Asche, 17:15. Zitterndes Licht.
Unsichtbare Universität, Ankh-Morpork


Die Stadt kippte. Feiernde Menschen liefen durch die Stadt. Fahnen wurden geschwungen, Daemon stand inmitten der Menge und wurde mit ihnen zum Platz des Gebrochenen Mondes getragen. Er hörte die Leute immer wieder einen Namen rufen, hörte, das der König lang leben solle, hörte die Freude über den Sturz eines System, mit dem alle glücklich gewesen waren, außer den Unglücklichen. Auf dem Platz sah ereine gewaltige Guillotine und daneben... Er war allein auf dem Platz und starrte auf einen leeren fleck. Schnapper näherte sich ihm mit seinem Bauchladen. Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Händlers. Er setzte zu einer freundlichen und einschmeichelnden Begrüßung an, hatte Daemon beinahe erreicht... Der Platz war aufgerissen, Feuer brannten, die Häuser am Platz waren verbarrikadiert, Menschen liefen grimmig schreiend durch die einsetzende Dunkelheit, Pfeile flogen, Daemon warf sich zu Boden, ein Zwerg mit einer gewaltigen Axt und einem wütenden Gesichtsausdruck erschien vor ihm, holte aus... Eine Hand schob sich ihm entgegen. "Kann ich dir aufhelfen, Herr?", Schnapper griff nach der Hand des Wächters und zog ihn in die Höhe, "Nun bist Du sicher auch bereit, eines meiner hervorragenden und billigen... Trolle schlurften an ihm vorbei. Dutzende der steinernen Gestalten zogen durch die wüste Ebene, Daemon entdeckte einzelne Höhlen, wandte sich um und erkannte eine gewaltige, roh aus Felsen geschlagene Stadt der Trolle, die sich bis zum Runden Meer erstreckte, er sah weiter und... die Stadt stand in Flammen, Ankh-Morpork verbrannte ein weiteres Mal, Häuser stürzten um ihn herum ein, der Oberleutnant wandte sich entsetzt in alle Richtungen, sah nichts als Feuersbrunst um sich herum, er atmete Rauch ein, hustete, taumelte, er fiel ein weiteres Mal... Regen prasselte auf seinen Rücken, ein wahrer Wolkenbruch ergoss sich über ihn, er sah benommen zum Himmel. 'Zu Hause?', dachte er. Dann konnte er erkennen, dass unter ihm... Ein Feuerwerk wurde am dunklen Himmel entzündet, Chrysanthemen aus Licht erstrahlten über der Menge, laut riefen die Leute ihre Begeisterung hinaus, Daemon sah sich vorsichtig um, er selbst war irgendwie auf einer Bühne gelandet. Direkt vor ihm standen zwei Menschen. Sie hatten Kronen auf dem Köpfen. Und die Bürger Ankh-Morpork's jubelten ihnen zu.
"Was geht hier vor?", wollte er fragen, doch die Frage wurde hinter ihm gestellt. Der Oberleutnant wandte sich um, sah Oberst-Hauptmann von Zitzewitz auf sich zu kommen, ihn mit irgendetwas ausholen, dann wurde es ein letztes Mal dunkel um ihn.

Dae fand sich recht benommen in einer Zelle wieder. Nach einiger Zeit des wilden Rumschreiens, versuchte er sich an einer objektiven Reflektion der bisherigen Ereignisse und einer Lösungsfindung der aktuellen Situation.

***
8. Asche, 2:00. Leitendes Licht.
Verließ des Königs-Palastes, Ankh-Morpork


"Was soll das alles?", seufzte Daemon und setzte sich auf die Pritsche an der Zellenwand.
"Starke, göttliche Magier spielt ein Spiel mit dir.", antwortete die Lady, die vor ihm stand, wo sich gerade noch leere Luft befunden hatte.
"Na toll. Das hat mir noch gefehlt auf meiner Liste.", der Gefangene sah sie mürrisch an, "Und DU hast mir die ganze Zeit über gefehlt.", fügte er hinzu.
"Du trudelst durch die Möglichkeiten der Zeit. Jemand scheint beim Spiel gegen die Regeln verstoßen zu haben." Daemon's Selbsterhaltungstrieb war noch groß genug, die Frage, ob dieser Jemand die Lady selbst gewesen sein könnte, auf seinen Lippen abzufangen., "Das Ganze bringt alles etwas durcheinander. Die Chance, dass alles wieder ins Lot kommt, ist furchtbar schlecht", die Lady sah auf ihn herab. Göttinnen zwinkern nicht, aber es schien ein Beben in einer Dimension weit draußen vor den Toren der Realität zu geben, die Daemon mitteilte, dass die Lady ein Zwinkerpartikel erschaffen hatte, dass ihn eines Tages erreichen würde. Entweder das, oder sein Magen wollte darauf aufmerksam machen, dass er schon längere Zeit nicht mehr gefüllt worden war.
"Eins zu einer Million."
"Was werden diese Verrückten mit mir anstellen?", fragte der Wächter.
"Du hast das Königspaar angegriffen..."
"Habe ich nicht!"
"Es ist etwas unhöflich, eine Göttin zu unterbrechen, findest du nicht auch? Man wird dich vom Kunstturm stoßen."
"Aber...", Daemon dachte kurz nach, "... ich werde bestimmt während des Sturzes in ein anderes Hosenbein fallen, stimmt's? In eines, in dem ich das Königspaar nicht 'angegriffen' habe!?"
"Ich denke, es würde dir egal sein, ob du hier oder woanders vom Kunstturm fällst."
"Oh.", machte der Gefangene, "Was kann ich tun?"
"Leute versuchen zur Zeit, die Realität zu reparieren. Doch es wird etwas Magie vor Ort nötig sein. Ein paar kleine Thaum... bei DIR."
"Na toll. Eine ganze Welt voller Magie und Unmöglichkeiten und ich sitze an dem einzigen Ort, an dem ich keine Chance habe, an irgendetwas Magisches heran zu kommen. Kannst du mir sagen, was ich jetzt machen soll? Hey! Wo bist du hin?"

Nach einigen Stunden, die Daemon damit zubrachte, in der Zelle nach magischen Strohhalmen und thaumaturgische Steinsplitter zu durchsuchen, kamen einige kräftig gebaute Wächter herein und führten ihn aus dem Palast in Richtung Unsichtbare Universität.

***
8. Asche, 5:30. Brechendes Licht.
Spitze des Kunstturms, Ankh-Morpork


Ankh-Morpork lag zu ihren Füßen. Weit konnten sie über die Stadt und die dahinterliegende Sto-Ebene mit ihren schachbrettartigen Kohlfeldern sehen. Auf der anderen Seite lag das Runde Meer. Ein kühler Wind blies hier oben auf der Plattform auf der Spitze des höchsten Gebäudes der Scheibenwelt. Daemon sah in die Tiefe.
"Na toll. Und was jetzt", gerne hätte er ein Fragezeichen angefügt, aber einer der Wächter hatte ihn plötzlich gestoßen und er stürzte den Turm hinab.
"Das ist ganz und gar nicht fair.", schrie der Oberleutnant. Er spürte einen vagen Ruck, dann veränderte sich die Stadt, auf die er zuraste, geringfügig.
'Na toll. Das hat geholfen.', dachte Daemon, als er trotz des Wechsels in ein anderes Hosenbein weiter zu Boden fiel, 'Ich gehe nie wieder ohne einen magischen Gegenstand aus dem Haus. Eieiei, das sieht diesmal gar nicht gut aus. War der Turm immer schon so hoch?'
Die Taube war plötzlich da. Sie schien mit großer Geschwindigkeit zur Unsichtbaren Universität geflogen zu sein.
"Dae!", rief Harry vom Rücken des Tieres, das sich im Sturzflug neben dem Oberleutnant hielt.
"Harry!", schrie der zurück, "Ich brauch unbedingt einen magischen Gegenstand. SCHNELL!"
"Ich weiß, ich habe hie reinen dieser Disorganizerdämonen, etwas besseres war nicht aufzutreiben."
"Einen Dämonen?", fragte der Oberleutnant und sah den Boden rasend näher kommen, "Ist der magisch?"
"Immerhin werden die Dinger von einem Zauberer beschworen.", Harry hielt ihm einen kleinen Kasten entgegen, "Nimm!"
Daemon starrte in die immer kleiner werdende Tiefe.
"Woher wusstest du, dass ich...?"
Harry und die Taube blieben langsam aber sicher hinter ihm zurück, als der Vogel anfing, seinen Sturzflug abzubremsen.
"Du willst jetzt sicher nicht über die Wahrscheinlichkeiten völlig unmöglicher Zeitvarianten diskutieren. NIMM DEN VERDAMMTEN DÄMONEN!", der Hauptfeldwebel ließ das Kästchen fallen, als der Vogel die Flügel ausbreitete und schnell hinter dem stürzenden Wächter zurückblieb.
Daemon fing den Kasten.
'Ich hoffe, das reicht.', die grundsätzliche Konstante eines harten Bodens erlaubte keine weitere Formulierung dieses Stoßgebets, der Wächter öffnete die Schachtel.
"Herzlich Willkommen! Schön dass Sie sich für den..."
"Oh Miiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiist!", schrie Daemon.

- Phft -

***
7. Asche, 7:05. Licht Aus.
Wachhaus am Pseudopolis-Platz, Ankh-Morpork


Daemon krachte auf den Boden. Benommen blieb er eine Zeitlang liegen, dann erhob er sich vorsichtig und stellte den Sessel wieder an den Schreibtisch. Verwirrt sah er sich in seinem Büro um. Regentropfen platschten kräftig und frisch an die Fensterscheibe, durch die das Morgenlicht durch einige Lücken in der Wolkendecke hinein fiel.
'Ich muss an meinem Schreibtisch eingeschlafen sein. Junge, war das ein verrückter...'
"Traum?", fragte die Lady.
"Was ist geschehen?"
"Du bist in einer Alternative der Geschichte gelandet, in der du unmöglicherweise gerettet worden bist.", antwortete die Göttin.
"Ich frage mich, wie hoch die Chance für einen solchen Fall gewesen ist."
Die Lady lächelte ihn hintergründig an, dann lachte sie glockenhell auf und verschwand. Daemon ordnete einige Papiere, die durch seinen Sturz vom... vom Sessel, heruntergefallen waren. Dann schritt er mit leichten Schritten aus dem Zimmer und trat die Treppe herunter. Im Wachraum befanden sich zwei Personen.
"Sir!", rief Cim Bürstenkinn, als er ihn sah, "Bitte!", er hob flehend die Arme.
"Tut mir leid, Obergefreiter, da müssen alle mal durch. Ich habe zu tun.", er warf sich seinen Mantel über und öffnete die Tür des Wachhauses. Im Wachraum hörte er Frau Willichnicht weiterhin ihre täglichen Beschwerden heraus keifen. Daemon lächelte. Bald würde er sich für eine Abteilung entscheiden müssen. ein neues Aufgabengebiet lag vor ihm. Er würde Fälle lösen, Verbrecher fangen und Berichte schreiben. Er würde vielleicht sogar eines Tages wieder seine eigene Abteilung haben. Aber jetzt hatte er zu tun. Er schloss die Tür hinter sich und lief mit geschlossenen Augen durch den Regen, der kühl und neu auf ihn niederfiel.


- Ende -




Quellen:
Der fünfte Elefant, Terry Pratchett, Goldmann Verlag, München, 2000
[1] Das ist natürlich nur ein literarisches Bild. Licht kann keinen Raum mit Luft füllen. Ganz gleich, was einige Leute in Ephebe sagen.

[2] Der Raum des Abteilungsleiters war vormals ein Versammlungsraum der besonderen Art gewesen. Das Büro des stellvertretenden Abteilungsleiters diente auch jetzt noch als Lager für die weniger gut erhaltenen Exemplare der Matratzen.

[3] Alles ist irgendwie relativ, außer im Absolutem, einem kleinen Dorf in der Nähe von Schnitte.




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