Eisiges Silvester

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von Korporal Magane (SUSI), Feldwebel Laiza Harmonie (SUSI)
Online seit 31. 12. 2008
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Es war eine kalte und stürmische Nacht... der 3. und letzte Teil der Thiemwörkreihe

Dafür vergebene Note: 11

Laiza Harmonie


Laiza Harmonie saß verkehrt herum auf ihrem Bürostuhl, die Arme auf der Rückenlehne abgelegt und blickte hinaus in den dunklen Abend, der über Ankh-Morpork lag. Die Eisblumen, die noch heute Morgen die Fensterscheibe verziert hatten, waren längst der molligen Wärme gewichen, die der kleine Ofen in der Ecke aus spie.
Den Papierkram, der sich im Laufe des Knollen-Jahres auf Laizas Schreibtisch angesammelt hatte, hatte sie auf einen kleinen Stapel reduzieren können. So konnte das Jahr der Knolle ausklingen und das Jahr ...
Sie drehte sich halb zu ihrem Schreibtisch um, um einen Blick auf die Kopie des jährlichen Schreibens der Unsichtbaren Universität zu werfen.
... der hysterischen Blattlaus beginnen.
Möglich ruhig, dachte die Überwaldianerin im Stillen. Was wohl das neue Jahr mit sich brachte? Ein weiteres Jahr Abteilungsleitung? Neue oder altbekannte Abteilungsmitglieder?
In der Ferne schlug der Alte Tom lautlos halb sechs, als es gerade an der Türe klopfte.
Laiza nahm sich die Zeit und setzte sich richtig herum an ihren Schreibtisch, goss sich eine weitere Tasse überwaldianischen Kräutertee ein und rief dann erst laut 'Herein'.
Die Tür knarzte und schwang nach Innen auf.
"Magane", begrüßte sie ihre Stellvertreterin, "mach die Tür zu, es wird kalt. Aber bitte leise."
"Das kannst du wohl laut sagen", meinte Magane und schloss aus eigenem Interesse schnell die Tür. "Wieso sind diese Flure nur so saukalt?"
Sie hatte sich für den kurzen Weg von ihrem Tatortwächterbüro zum Abteilungsleiterbüro in einen Mantel gehüllt. Sie setzte sich auf den Besucherstuhl, ohne sich ihres Mantels zu entledigen.
Laiza lächelte: "Also..."
"Fang gar nicht erst an", unterbrach Magane sie harsch, "ich weiß dass es in Überwald noch viel kälter ist, aber wir sind hier in Ankh-Morpork und diese verdammte Stadt ist mir schon viel zu kalt!"
"Kalt ... einen heißen Tee vielleicht?" Der Feldwebel deutete auf die Teekanne, die auf einem Stövchen stand und von einer kleinen Kerze warm gehalten wurde.
Bei dem Gedanken an frischen Kaffee, den sie nachher zu Hause zu sich nehmen konnte, lehnte sie danken ab. Es reichte schon, dass das ganze Büro nach den Kräutern roch.
Der Korporal lies ihren Blick über den fast leeren Schreibtisch gleiten: "Anscheinend haben sich die Überstunden der letzten Tage gelohnt. Sag mal, ist dass da mein Kerzenhalter?"
Sie deutete auf einem kleinen Messingteller mit einem Dorn in der Mitte, er stand auf drei Beinen aus Messingblättern und weiße Wachsrückstände hafteten am Rand.
"Ja, ich wollte ihn dir die Tage zurück bringen", meinte Laiza und schob ihn über den Tisch herüber.
"Hab ich ihn dir nicht im Sommer geliehen?"
"Du weißt ja wie das ist, man denkt immer wieder dran, aber im Grunde vergisst man es doch wieder. Hast du nicht noch ein Kochbuch von mir?"
"Stimmt, ich muss nur noch dieses eine Rezept raus schreiben ... ich bring es dir Morgen wieder."
Die zwei Frauen schwiegen eine Weile.
"Das neue Jahr klingt mal wieder furchtbar", meinte Magane, "habs heut Mittag auf dem schwarzen Brett gesehen. Da war sicher mal wieder jemand auf Froschpillen."
Laiza grinste: "Wer weiß, Hauptsache es wird ein erfolgreiches Jahr."
"Wie erfolgreich war denn das Jahr der Knolle in deinen Augen?"
"Wir hatten gut zu tun, nur ich hätte mir eine deutlich höhere Erfolgsquote gewünscht. Aber ich denke es liegt an der geringen Mitgliederanzahl. Kaum einer ist nicht überarbeitet."
Magane lehnte sich zurück: Wem sagst du das!
"Ich brauche Urlaub", meinte sie plötzlich und zog einen Zettel aus ihrer Manteltasche.
"Urlaub? Sonst arbeitest du doch immer über das Fest hinweg."
"Ja... ich weiß ... aber dieses Jahr nicht", sie entfaltete das Blatt und reichte es Laiza herüber.
"Nicht? Urlaubsantrag, okay. Du hast kein Enddatum eingetragen."
"Ja, ich weiß ja nicht wie es nächstes Jahr aussieht. Das Abteilungskarussell dreht sich ja wieder. Also wenn du bleibst und Hilfe brauchst bin ich natürlich zur Stelle, ansonsten würd ich gerne erst Ende Ick zurückkommen."
"Mal schauen was passiert, bezüglich des Karussells. Aber der Urlaub ist genehmigt."
"Sehr schön."
Laiza schlürfte leise an ihrem Tee und Magane beobachtete, wie hinter den Doppelfenstern erste Schneeflocken herunter fielen.
"Draußen ist es kalt, hier drinnen knistert das Feuer im Ofen", sie seufzte, "weißt du noch? Damals?"
~~~~~

"... Vorsichtig ergriff er die Türklinge. Er war mutig, zumindest glaubten das alle Übrigen... "
Magane legte eine Pause ein und blickte in die kleine Runde.
Schatten tanzten über das Gesicht des Lance-Korporals und ihrer Zuhörer. Die zwei Rekruten, deren Namen sie schon wieder vergessen hatte, hingen an ihren Lippen und warteten darauf, dass sie die Geschichte weiter erzählte.
Die Vierte in der Runde, hatte sich allerdings gelangweilt auf ihrem Stuhl zurückgelehnt. Dasselbe würde Maggie gerne tun, doch sie hatte sich die nächst beste Sitzgelegenheit gekrallt, es war ein wackeliger Hocker ohne Lehne.
"... Er war sich da allerdings nicht mehr so sicher ... nicht nach dem was er die letzten Wochen gesehen hatte. Es war kalt, viel kälter als es sein sollte, deshalb - nur deshalb - wollte er die Tür nicht öffnen ..."
Die Vierte in der Runde lachte hämisch.
Magane versuchte die unangebrachte Störung zu übergehen und erzählte ihre Geschichte weiter: "...Die Raumtemperatur war in den letzten Minuten merklich gesunken ... das geschah immer wenn Sie böse waren. Da niemand von Ihnen hier war mussten sie auf der anderen Seite dieser Tür sein."
Die Ermittlerin blickte zum nahen Tresen herüber, auf dem eine große, rote Kerze stand.
Der Dezember war der Monat der Zwiespältigkeit schlechthin, es gab nur zwei Möglichkeiten die Bewohner der Scheibenwelt einzuteilen:
Leute die sich auf das Schneevaterfest und den Schneevaterabend freuten und jene die dies nicht taten.
Maggies Magen knurrte und erinnerte sie dran, dass sie ehr zu der zweiten Kategorie gehörte. Die Omnianerin seufzte innerlich, während die andere Kategorie nichts anderes tat als zu essen und zu trinken, fastete und betete sie und...
... arbeitete. Das Schneevaterfest und seine Anhänger waren schon schlimm genug, aber dann auch noch am Schneevaterabend die Nachtschicht zu übernehmen war übel. Aber was beschwerte sie sich?
Hier konnte sie sich beschäftigen und ablenken, wenn sie zu Hause wäre würde sie sich nur unnötige Gedanken machen.[1]
"Er nahm allen Mut zusammen und drückte die Türklinge herunter. Sie fühlte sich an wie Eis und brannte kalt in seiner Hand. Sie mussten sehr nahe sein ... oder sehr böse. Für einen Moment überlegte er ob er die Augen schließen sollte, doch dann verzichtete er darauf. Egal ob jetzt oder später, sehen würde er sie so oder so. Mit einem Ruck stieß er die Tür auf. Die Kerze in seiner Hand flackerte...", sprach Magane und blickte wieder zu der Kerze auf dem Tresen.
Sie dachte an heißen Kaffee mit Whiskey. Natürlich, es war Fastenzeit und Alkohol gehörte zu jenen Dingen die sie meiden musste, aber die Sonne war schon seit Stunden untergegangen und Om sah im Dunkeln nicht sehr gut.
Natürlich waren noch ein paar Wächter mehr im Wachhaus vertreten, allerdings hatten sie sich in ihre Büros verkrochen und hofften auf eine ruhige Nacht. Was sprach also dagegen, den armen Rekruten am Tresen Gesellschaft zu leisten?
Draußen fiel der Schnee und der Wind pfiff eisig durch die kleinen Gassen der Stadt. Es war ein Tag an dem niemand freiwillig das Haus verlassen würde. Es stand wohl eine ruhige Tresennacht bevor. Ruhig und totlangweilig.
In den Öfen im Eingangsbereich knisterte und knackte das brennende Holz und gab seine wohlige Wärme ab, ihre Sichtfenster waren rußgeschwärzt und ließen den Raum im Dunkeln.
Nur die Kerze auf dem Tresen leuchtete und warf seltsame Schatten und Schemen auf die Wände.
Es gab kaum eine Bessere Atmosphäre um eine Gruselgeschichte zu erzählen, als eine kalte ungemütliche Dezembernacht vor der Tür und ein warmer, spärlich beleuchteter Raum.
Maggie betrachtete den Chief-Korporal, der ihr gegenüber saß. Laiza Harmonie war eine Frau, die an nichts glaubte und gleichzeitig an alles. Natürlich kannte die Überwaldianerin das Schneevaterfest, doch für sie war es eine Nacht wie jede andere. Morgen würde die Sonne aufgehen, dass letzte Mal in diesem Jahr.
Wie brachte man eine Okkultismusexpertin bloß dazu sich zu gruseln?
"... und drohte zu erlöschen. Er konzentrierte sich ganz auf die Kerze und gönnte sich so noch einige Augenblicke Zeit, bevor er aufsehen musste. Plötzlich war es da!", hob Maggie ihre Stimme, die Rekrutin quiekte, leise sprach der Lance-Korporal weiter: "... nur für einen kurzen Augenblick, ein kleines Gesicht. Ein Kind? Der Gedanke, beim nächsten Mal eine richtige Lampe mitzunehmen und nicht nur eine offene Kerze, schoss ihm durch den Kopf. Das Flackern der Flamme ließ die Schatten tanzen. Doch es gab noch andere Bewegungen im Raum. Sie kamen auf ihn zu. Die Kerze in seiner Hand flackerte stärker und erlosch..."
Wieder legte Maggie eine Pause ein um das Gesagte wirken zu lassen. Doch plötzlich zischte es und sie saßen im Dunkeln.
Die Rekrutin schrie erschrocken auf.
"Keine Angst, die Kerze ist nur ausgegangen", meinte Laiza. Jetzt wo es ganz dunkel war konnte man die Öfen erahnen, deren verrußte Sichtfenster einige kleine freie Stellen aufwiesen. Aber sie erhellten den Raum nicht.
Laiza fragte sich wo sie ihre Tasche gelassen hatte, sie tastete um ihren Stuhl herum. Die Beine des Hockers scharten über den Boden, als der Lance-Korporal aufstand.
"Ich mach sie sofort wieder an", ertönte Maggies Stimme und Streichhölzer raschelten.
Die Rekrutin räusperte sich in der Dunkelheit: "Mir ist kalt..."
"Du fürchtest dich nur", meinte Laiza und versuchte die Geräusche zu verfolgen während sie weiter nach ihrer Tasche suchte.
Pappe strich über Pappe als die Omianerin ihre Streichholzschachtel öffnete: "Hinter ihm, war die Tür ins Schloss gefallen", ein Zischen ertönte als der Schwefelkopf über die Reibefläche der Schachtel gezogen wurde. Maggie betrachte die Flamme, "Panisch suchte er mit der linken Hand seine Taschen ab. Unter keinen Umständen wollte er mit ihnen im Dunkeln alleine sein."
Sie stand unmittelbar vor der Kerze und streckte die Hand aus, um den Docht zu entzünden bevor das Zündholz erlösch.

Ein eisiger Schauer durchfuhr Magane, als sie genau hinter der Kerze zwei rot unterlaufene Augen erblickte.
Sie schrie und ließ das Streichholz fallen.
Kameradschaftlich hatte die Rekrutin ebenfalls geschrieen, ohne genau zu wissen wieso sie dies tat.
"Was ist passiert?" fragte der Rekrut erschrocken und war aufgesprungen. Sein Stuhl fiel nach hinten und schlug dumpf auf dem Boden auf.
Laiza starrte auf dem Fleck am Boden, an dem das Streichholz erloschen war. Ein Schauer breitete sich über ihren Rücken aus und verursachte Gänsehaut.
"Was war denn los?" fragte sie und stand ebenfalls auf, inzwischen hatte sie sogar ihre Tasche gefunden und kramte nach ihren Streichhölzern.
"Da... da war wer!" meinte Maggie entsetz, verzichtete allerdings mit dem Finger in die entsprechende Richtung zu zeigen. Natürlich würde es niemand sehen, aber vielleicht biss es auch.
"Mach noch mal ein Streichholz an..."
"Du spinnst wohl!" entgegnete sie ihrer Kollegin.
Rascheln. Eine Streichholzschachtel wurde entdeckt. Wieder streifte Pappe übereinander, diesmal kam das Geräusch aus zwei Ecken.
Wächterstiefel bewegten sich über den Boden.
"Aua! Das war mein Fuß", motzte Magane.
"Tschuldigung... Ich hab auch Streichhölzer."
"Ich hab auch schon wieder eins in der Hand..."
Ein weiteres Mal wurden Schwefelköpfe an den Reibeflächen der Schachteln entlang gezogen. Zwei Flammen wurden zischend zum Leben erweckt und Magane und Laiza blickten sich an.
Ihr Atem kondensierte in kleinen weißen Wölkchen und ihre Wangen waren durch die plötzliche Kälte ganz gerötet.
"Irgendwas geht hier ziemlich schief."
"... schief ja..." Laiza drehte den Kopf zum Tresen.
Magane hatte nicht gelogen, dort stand jemand, stumm und reglos.
Der Lance-Korporal schrie erneut und Laiza stimmte ein.
Die Streichhölzer fielen zu Boden und verglühten.
"Wieso hast du das getan?!"
"Ich habe mich verbrannt!"
"... verbrannt, aber natürlich", meinte Laiza und seufzte in der Dunkelheit.
Neben ihnen raschelte es und nach einem weiteren zündenden Streichholz hatte der Rekrut eine weitere Kerze entzündet, die nun sein ängstliches Gesicht beleuchtete.
Er schluckte einmal und richtete sich zu seiner vollen Größe auf.

"Es ist nur ein Mädchen", er versuchte das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Während die Beiden Unteroffiziere ihren Blick von ihm abwandten.
Hinter dem Tresen stand ein Mädchen oder vielleicht doch eine junge Frau, was das betraf war sich Laiza nicht ganz sicher.
Zwei Haselnussbraune Augen starrten die vier Wächter an. Die Augäpfel waren mit roten Äderchen durchzogen und unter ihren Unterliedern zeichneten sich dunkle Ringe ab.
"Willkommen bei der Stadtwache von Ankh-Morpork", begann der Rekrut das Gespräch und fügte seinem Satz ein leises Lachen hinzu, wahrscheinlich glaubte er, damit seine Unsicherheit überspielen zu können.
Mit der zusätzlichen Kerze in der Hand trat er an den Tresen heran und stellte sie neben die Erloschene.
Laiza betrachtete das Mädchen. Irgendwas schien seltsam zu sein. Erst als der Rekrut auch die zweite Kerze angezündet hatte und sie sehen konnte, wie der Schnee gegen die Fenster peitschte wurde ihr bewusst was seltsam war.
Das Mädchen trug nur ein weißes Kleid mit kurzen Puffärmeln und leuchtend rote Pantoffeln.

Magane

Das Kleid erinnerte stark an ein Nachthemd und der Eindruck eines schlaflosen Kindes wurde verstärkt durch den Teddy den das Mädchen im Arm hatte. So verließ man nicht das Haus, erst recht nicht in einer solch kalten Nacht.
"Du musst ja ganz durchgefroren sein", hörte sich Magane sagen, die Mutter genug war um die Eltern dieses Kindes ohne sie zu kennen zu verabscheuen, "hast uns nen ganz schönen Schrecken eingejagt."
Das Mädchen blieb unverändert stehen und starrte die Wächter an, der Lance-Korporal dachte an ihre Gruselgeschichte, Sie hätten sicher auch so gestarrt und es war wirklich erstaunlich kalt geworden seit die Kerze das erste Mal geflackert hatte, da musste sie der Rekrutin - eine Schande, dass sie sich nicht an den Namen erinnern konnte - recht geben.
Der Rekrut, der offensichtlich der Meinung war den starken Mann spielen zu müssen, ging betont lässig zur Tagesordnung über und fragte die ungewöhnliche Besucherin was denn die Wache für sie tun könne. Daraufhin reagierte sie, drehte sich um und zeigte stumm auf die Tür.
"Nun äh... wenn äh... wenn sie nicht mit uns reden, dann können wir äh... auch nichts tun..." Der Rekrut wand sich, er hatte keine Ahnung von Psychologie und wollte auch nicht raus, selbst wenn er den Tresen hätte einfach verlassen können. Wahrscheinlich erahnte er, dass es seiner Kollegin ähnlich ging. Seine Kollegin, das hätte ein einziger Blick verraten, war im Moment gar nicht in der Lage irgendetwas zu tun, sie war zu starren übergegangen und hatte sichtlich Angst.
Das Mädchen hatte sich wieder den Wächtern zugewandt und drückte ihren Teddy an sich. Der Teddy hatte schon bessere Zeiten gesehen, er erinnerte an Dinge die man bei Frühlingsanfang, also wenn aus gefrorenem Schneematsch Schmutzwasser wurde, in der Gosse fand - schmutzig, patschnass, tot. Das stille Mädchen selbst war allerdings strahlend sauber, das weiße Nachthemd war weder nass noch hatte es graubraune Flecken und auch die roten Plüschpantoffeln an ihren Füßen sahen nicht aus als wäre sie durch die Stadt damit gewandert. Ihre Haut hingegen war so blass wie der Mond in klarer Nacht. Der durchdringende Blick hatte etwas Gespenstisches...
"... vielleicht könnte einer der Püschologen..." , versuchte der Rekrut einen sinnvollen Beitrag zu leisten wurde allerdings durch einen mahnenden Blick von Magane zum Schweigen gebracht. Nach einem kurzen Blickwechsel der beiden erfahreneren Wächterinnen, die sich die ungestellten Fragen mit einem Seufzen und einem Nicken beantworteten, sagte Laiza: "Scheint als würde das eine lange, kalte Nacht."
Das Mädchen starrte die beiden Frauen noch einen Augenblick an, drehte sich denn wieder zur Tür, zeigte noch einmal darauf und machte einen Schritt in die entsprechende Richtung.
"Ganz offensichtlich will sie uns irgendetwas zeigen", sprach Laiza aus, was sie beide dachten. Uns... die beiden Wächterinnen waren alles andere als ein Team, die meiste Zeit gingen sie sich aus dem Weg. Dennoch kam es für keine der beiden in Frage allein zu gehen, was natürlich kein Zeichen von Furcht war, natürlich schätzten sie nur das Fachwissen der jeweils anderen und misstrauten selbigem zutiefst. Außerdem sollte sich niemand einfach so einen Fall allein unter den Nagel reißen können. Beide hatten für den Fall des Falles eines Falles ihre Mäntel mit nach unten gebracht, man konnte ja nie wissen was so geschieht und schließlich konnte ein Wächter nichts tun ohne über ein Verbrechen zu stolpern.

Es war bitterkalt als das seltsame Gespann in die graue Düsternis der ankh-morporker Winternacht hinaustrat.

Laiza Harmonie


Das Mädchen ging voran. Ihr weißes Kleid wehte im Wind unnatürlich sanft um ihre Beine.
Dies ist nicht real, sagte sich Laiza und fror.
Mit jedem Jahr verweichlichte sie mehr und was war ein ankhmorporkianischer Winter schon im Vergleich zu einem in Überwald? Nichts!
Noch nicht einmal der Schnee knarzte anständig unter den Stiefeln
Sie ist nicht real, korrigierte sich die Okkultismusexpertin.
Daraufhin blieb das Mädchen stehen.
Erschrocken verharrte Magane und Laiza lief gedankenverloren in sie hinein.
Es drehte sich zu den beiden Frauen um und drückte ihren Teddy fest an sich. Ihre schwarzen Haare umrahmten ihr bleiches Gesicht auf gruselige Art.
"Wie heißt du?" hörte sich Laiza fragen. Es war eine der wichtigsten Fragen, die ein Okkultismusexperte stellen konnte. Alles was einen Namen hatte verlor ein Stück seines Schreckens.
"Alisa." Die Stimme des Mädchens wurde wie aus weiter Ferne zu den Wächtern hinüber getragen, obwohl sie nur zwei Meter auseinander standen.
Die Straßenlaterne, die die Straßenszene erhellte flackerte.
"Alisa! Wohin führst du uns?"
"Wir haben keine Zeit für Kinderspiele", wisperte Magane.
"Ich werde es euch zeigen."
Alisa drehte sich um und der Teddy blöckte gequält, als sie ihn an der Tatze baumeln ließ.

Magane


"Ich glaube nicht, dass das ein Spiel ist", flüsterte Laiza zurück. Natürlich glauben sie das beide nicht, die vergangenen Jahre hatten ihnen gezeigt, dass man in der Silvesternacht nichts auf die leichte Schulter nehmen konnte. In dieser Nacht war die Verbindung zwischen den Welten brüchig, allerlei seltsames geschah in der dunkelsten Winternacht. Und jetzt folgten sie einem merkwürdigen Mädchen durch Ankh. Magane sah zu Boden, da waren keine Spuren von kleinen Kinderfüßen. Alisa hinterließ keine Spuren, war sie überhaupt körperlich? Laiza hatte gesagt, dass das Mädchen uns anscheinend etwas zeigen wollte, nur war sich Maggie nicht mehr sicher, dass sie es auch sehen wollte.
Sie liefen an dem Friedhof, wo ihr Freund Jason sein Unleben fristete, vorbei. Der Lance-Korporal hatte sich in Ankh nie sehr wohl gefühlt, auch nicht als sie hier gelebt hatte, bevor sie zur Wache ging. Man hatte das Gefühl, dass die Menschen hier etwa genauso viele Leichen pro Quadratmeter Keller hatten wie die Bewohner der anderen Hälfte der Zwillingsstadt, nur dass die Keller hier größer waren. Dennoch das Leben war hier besser, die Luft sauberer, der Schnee weißer, weniger Leute wurden auf offener Straße getötet... die ideale Umgebung für Kinder, wenn man denn das nötige Kleingeld hatte.
Als sie von der Chrononhotonthologosstraße in den Bachlosen Weg einbogen war das Mädchen plötzlich verschwunden. Die beiden Wächterinnen blieben schlagartig stehen und sahen sich an, hatten sie etwas übersehen?
"Alisa?" Die Stimme des Chief-Korporals hätte wahrscheinlich etwas lauter und sicherer klingen sollen, aber das interessierte grade niemanden. Die Straße war wie ausgestorben, nur hinter einigen Fenstern flackerten Kerzen, die mit ihrem Licht wohlige Wärme in den Herzen der Suchenden sähen sollten. Tatsächlich machten sie Einsamen und Suchenden allerdings nur klar, wie kalt es in ihrem Leben war, während andere es warm hatten. Statistisch geschahen in dieser Nacht die meisten Selbstmorde, Magane konnte gut verstehen warum.
"Alisa, wo bist du?"Von irgendwo hörte man schräges Flötenspiel, der Geruch von Bratäpfeln und Gänsebraten hing in der Luft und lud zum Träumen ein, es wurde Zeit, dass endlich das Fest der Erleuchtung kam, damit die Fastenzeit ein Ende nahm. Laiza ging zwei Schritte weiter die Straße herunter und rief ein drittes Mal.
"Alisa, wir wollen nicht verstecken spielen."
Einen Moment war es ganz still, dann flüsterte ein eisiger Windhauch "Ich will auch nicht spielen" und das Mädchen trat durch die Mauer direkt neben Laiza. Sie sah die beiden Wächterinnen auffordernd an, drehte sich um und ging durch die Gartenmauer.
Die frierenden Wächterinnen sahen an der Mauer hoch, sie war schätzungsweise 2 Meter und 10 hoch und hatte als Krönung schmiedeeiserne Stacheln, außerdem war sie mit angeschmolzenem und überfrorenen Schnee bedeckt. Da brauchten sie nicht lange drüber zu reden, sie waren schon Jahre nicht mehr bei FROG und selbst damals hätten sie einen anderen Weg gesucht. Andererseits war es vielleicht nicht so günstig den Bewohnern des Hauses zu erzählen, dass der Geist eines Mädchens sie hergeführt hatte und nun in ihrem Garten auf sie wartete. Trotzdem war der Weg durchs Haus der bessere. Kurzentschlossen gingen sie zu dem Haus, das wahrscheinlich zu diesem Garten gehörte und klopften.
Nichts tat sich. Den Fenstern nach zu urteilen war das Haus bewohnt, es standen Dinge auf den Fensterbrettern und lieblos aufgehängte Gardinen versperrten halbherzig den Blick ins Innere, aber es brannte kein Licht. Magane klopfte nochmal, diesmal bestimmter. Wieder geschah nichts.
"Scheint niemand zuhause zu sein. Was meinst du, ist Gefahr im Verzug?" Magane strich sich ansatzweise durch die Haare, es war ihr entschieden zu kalt um draußen herum zu stehen.
"Ich glaube ehr nicht, aber vielleicht solltest du bevor du deine Haarnadeln zückst noch ein drittes Mal klopfen", die Betonung auf dem dritten Mal ließ keinen Zweifel, Laiza hatte eine Idee.
Beim dritten Klopfen öffnete sich die Tür wie von Geisterhand und sie betraten eine empfindlich kalte Wohnung. Gleich auf den ersten Blick sahen sie, dass die Verandatür, die der Wohnungstür genau gegenüber auf der anderen Seite des recht großen Wohnraumes lag, weit offen Stand, als hätte der Wind sie aufgeweht.
Die beiden Wächterinnen fanden eine kleine tragbare Öllampe an der Garderobe, die sie mit den daneben bereitliegenden Streichhölzern entzündeten. Das flackernde warme Licht reichte zwar nicht weit, aber so konnten sie sich wenigstens ein Bild der Räumlichkeiten machen. Die Wohnung wirkte alles andere als einladend, zwar zeigte sie Spuren vergangenen Glanzes und schien auch durchaus bewohnt zu werden, aber anscheinend wurden große Teile hauptsächlich als Abstellraum genutzt. Alisa war nirgends zu sehen, wahrscheinlich wartete sie draußen. Magane schlug vor zunächst etwas mehr über den oder die Bewohner des Hauses herauszufinden bevor sie sich wieder auf das Rätsel konzentrierten, stieß dabei allerdings auf weitgehend taube Ohren.
Laiza, die sowohl die Lampe trug als auch die Streichhölzer eingesteckt hatte, ging zielstrebig auf die Verandatür zu und trat hinaus in den großen Garten, eilig gefolgt von Magane, die die Nähe der Lampe der Erkundung des Hauses vorzog. Der von Mauern umgebene Garten schien wie in einer anderen Welt zu liegen, er war eingehüllt in eine gespenstische Stille, die Schneeschicht war hier noch absolut unberührt, die Bäume und Stäucher zeigten keinerlei Spuren von gärtnerischer Aktivität und waren zum großen Teil mit Efeu durchsetzt, dass auch die Mauern auf der Innenseite bewucherte. Der Chief-Korporal murmelte: "Fast perfekt, fehlt nur noch der Nebel." Während Maganes Assoziationen ehr in Richtung eines alten Friedhofes deuteten, sie verzichtete aber darauf von fehlenden Grabsteinen zu reden, zumal sie aus den Augenwinkeln zu sehen glaubte wie in der Nähe die hinteren Mauer Nebel aufzusteigen begann.
Dann entdeckten sie nahezu gleichzeitig Alisa. Das kleine Mädchen kauerte einige Meter entfernt unter den tiefhängenden kahlen Zweigen einer alten Trauerweide im Schnee. Als sie sich ihr näherten bemerkten sie, dass Alisa ihren ramponierten Teddy ganz fest an sich drückte. Ihre Haltung strahlte eine wahnsinnige Angst aus.
"Alisa, was willst du uns zeigen?" Zur Antwort starrte sie Laiza einen kurzen Moment lang an und stand dann in einer unnatürlich fließenden Bewegung auf.
"Hier ist es", sie deutete auf den Boden unter der Weide.
"Bei diesen Temperaturen können wir unmöglich graben, vorallem nicht ohne Werkzeuge", der Lance-Korporal hätte gerne zumindest Verstärkung herausgehandelt, wurde allerdings sofort gebremst.
"Wir können zumindest den Schnee wegmachen, vielleicht müssen wir nicht graben."

Sie begannen an genau dem Punkt den Alisa ihnen zeigte und stießen schon bald auf eine verwitterte Holzplatte, die sie mit vereinten Kräften zügig vom Schnee befreiten, die Platte war quadratisch und hatte etwa achtzig Zentimeter Kantenlänge. Früher einmal schien sie mit dicken eisernen Nägeln zusammengehalten worden zu sein, die waren allerdings inzwischen allesamt weggerostet, so dass die Platte jetzt nur noch aus losen Brettern bestand die ebenfalls nicht mehr den besten Erhaltungszustand hatten.
"Das sieht aus wie eine alte Brunnenabdeckung", stellte Laiza fest und Magane erschauderte bei dem Gedanken an den mutmaßlich tiefen Schacht, der sich direkt unterhalb dieser morschen Bretter befand auf denen sie eben noch gehockt hatten um sie komplett schneefrei zu bekommen.
Die beiden Wächterinnen räumten nach und nach die verwitterten Bretter zur Seite. Aus dem alten Brunnenschacht schlug ihnen ein fauliger Geruch entgegen. Welch einen betörenden Geruch wir hier entdeckt haben, Magane schüttelte sich und schaute zu Laiza.
"Du schlägst vermutlich gleich vor dass wir dort herunter klettern um mal nach dem Rechten zu sehen."
"Gute Idee, weißt du auch wie?"
"Ähm... nö, also Leiter seh ich hier keine und wir wissen ja auch gar nicht wie tief es runter geht." Laiza sah sich um und fand in einer entlegenen Ecke einen kleinen Werkzeugschuppen.
"Ich schau mal nach ob ich dort drüben etwas hilfreiches finde", sie griff nach der abgestellten Lampe und stapfte los.
Allein im Dunkeln mit einem stinkendem Abgrund vor der Nase und einem gespenstischen kleinen Mädchen als Gesellschaft wünschte sich Magane nichts sehnlicher als daheim in ihrem warmen Bett zu liegen und das alles nur zu träumen. Um sich abzulenken summte sie ein Kinderlied vor sich hin.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Laiza endlich mit einem dünnen aber langem Seil über dem Arm zurück, daran band sie wortlos die Lampe fest und ließ diese langsam in den Schacht hinunter. Auf den ersten Metern sahen sie nichts ungewöhnliches, ein offensichtlich alter Schacht mit jeder Menge aus den Wänden kommenden Wurzeln. Tiefer unten sahen sie das glitzern gefrorenen Schlamms und als die Lampe diesem Grund näher kam entdeckten sie den Teddybären, der auf einer kräftigen Wurzel lag und daher zwar schmutzig, aber nicht verfault war. Neben ihm im Schlamm steckten kleine Knochen.
"Es ist an der Zeit Verstärkung zu holen", meinte Magane, "da sollten zuerst die Tatortwächter ran."
Laiza nickte nur und begann die Lampe wieder herauszuziehen.
Als der Schein der Lampe wieder den Garten beleuchtete war Alisa nirgends mehr zu sehen. Sie wanden sich um und machten sich auf den Weg zurück zur Wache, da fuhr ein Windstoß in die herunterhängenden Zweige der Trauerweide und für einen Moment waren die beiden Wächterinnen sicher noch einmal wie von weit her Alisas Stimme zu hören die sich bei ihnen bedankte.

Die Tage darauf brachten Licht in die Geschehnisse. Die Tatortwächter bargen die Knochen und alles was sonst von dem kleinen Mädchen geblieben war. Sie machten Abgüsse von den Kratzspuren in den Wänden und nahmen das Haus genauer unter die Lupe. Die noch lebenden Verwandten des Mädchens wurden vorgeladen und obgleich sich einzig ihr Vater kooperativ zeigte gelang es Magane dennoch ein klares Bild der Ereignisse aus den Aussagen des Vaters und des Stiefbruders Alisas zusammenzusetzen. Anscheinend hatte die Stiefmutter das kleine Mädchen in den Schacht gesperrt und dem Vater erzählt es sei fortgelaufen. Die Stiefmutter war vor einigen Wochen gestorben und hatte ihr Geheimnis mit ins Grab genommen.

Laiza Harmonie


"Saukalt und ich erinnere mich noch an die ätzenden Gespräche, die wir nach der Sache führen mussten", antwortete Magane und schauderte bei den Gedanken an die inoffiziellen Internal Affärs Gespräche.
"Knollenkaffee..." murmelte Laiza, "Aber wir hatten ja Glück, dass mein Bericht so akzeptiert wurde."
"Wer weiß wo wir ansonsten jetzt wären!"
Magane stand auf: "Ich werd jetzt nach Hause gehen, wünsch dir noch einen ruhigen Abend!"
[1]  Ich verzichte jetzt hier auf den Hinweis auf Maggies vielleicht irgendwann kommende Single, sondern beschränke mich auf die entscheidende Info: Magane stürzt sich über die Feiertage in Arbeit, weil sie nicht daran erinnert werden will, dass Ktrask Silvester 2005 gestorben ist.

Zählt als Patch-Mission für Laiza Harmonie



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

08.01.2009 00:21

für Laiza HarmonieDas Lob gilt für euch beide, ich muss sagen, ich habe keinen Unterschied zwischen den Schreibstilen gefunden, es war wie aus einer Feder.

Von Kannichgut Zwiebel

08.01.2009 00:21

für Laiza HarmonieEin weiteres gegenseitiges Drüberlesen hätte sicher noch ein paar Verrechtschreiber ausmerzen können. Ansonsten: Obacht vor den Türklingen!

Von Braggasch Goldwart

08.01.2009 00:21

für MaganeSchaurig... Das meine ich natürlich im positiven Sinne, ich konnte mir manche Dinge dank eurer Beschreibungen zu gut vorstellen...

Von Kannichgut Zwiebel

08.01.2009 00:21

für MaganeNach einer spannenden Geschichte ein ernüchterndes Ende. Schade.

Von Magane

08.01.2009 08:37

Argh!

Wie oft hab ich diesen Absatz in den vergangenen 2 Jahren gelesen... Türklinge...

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