VERSCHOLLEN

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von Oberfeldwebel Ophelia Ziegenberger (RUM)
Online seit 12. 01. 2016
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 08. 03. 2013 datiert
Dauer: Über ein Jahr

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Es ist eine Weile her, dass das Wachhaus am Pseudopolisplatz im Zentrum vieler Gerüchte und Skandale stand. Nachdem das geheime Netzwerk der Verdeckten Ermittler aufgrund des Versagens einer einzigen Wächterin aufgeflogen war, konnte eine Katastrophe größeren Ausmaßes haarscharf verhindert werden. Das Nachrichtensystem der Untoten Briefkästen wurde komplett ausgetauscht, die Zusammenarbeit mit vielen Informanten wurde - um deren Leben willen - aufgegeben. Die Schuldige hingegen war spurlos verschwunden. Die Gefühle darüber waren sehr unterschiedlich, ebenso wie die Meinungen zu der Ursache ihres Verschwindens. War sie aus dem verhängten Arrest geflohen? War sie Teil einer Verschwörung? Oder war sie gar wirklich, wie einige munkelten, entführt worden?

Doch letztlich... der Staub hatte sich gelegt, Routine war eingekehrt bei den Stadtwächtern.

Zumindest bei den meisten...



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Hinweis: Diese Geschichte läuft hauptsächlich unter dem Oberbegriff "Charakterentwicklung", sie ist keine klassische Kriminalgeschichte, die mit klassischem Spannungsbogen, einer Plotjagd oder Ermittlungsetappen aufwarten würde. Es wird keine fertige Lösung für das "Ziegenbergerproblem" geboten werden - denn das ist in dieser Geschichte auch nicht vorgesehen! ;-)

Wer sie als zusätzlichen Schmankerl liest, um zu wissen, was fernab der offiziellen Ereignisse mit einer bestimmten Wächterin geschieht, für den bietet sie dennoch aufschlussreiche Unterhaltung für spätere Folgeereignisse. Viel Spaß!





Dafür vergebene Note: 12

Die Kammer


Das schwache Flackern des herunterbrennenden Kerzenstummels in der Ecke schreckt mich aus meiner trägen Benommenheit auf. Mehr aus Gewohnheit, denn aus praktischem Nutzen, beginne ich von Neuem damit, die Stäbe meines Käfigs zu zählen. Es sind nicht viele. Wenn ich mich bemühe, kann ich sie mit ausgestrecktem Arm rundum ertasten. Das bedingt lediglich, dass ich den Schmerz in den Knien akzeptiere, wenn ich mich auf das Bodengitter vortaste, anstatt auf der schmalen Strohmatte in der Mitte zu verharren. Und dass ich es während dessen schaffe, in meiner schwankenden Behausung das Gleichgewicht zu wahren.

Erstes Erwachen


Ich erinnere mich an mein allererstes Erwachen. Damals noch woanders, nicht in diesem Käfig. Es war mühsam, zu mir zu kommen. Heute weiß ich, dass es an dem Betäubungsmittel in meinem Blutkreislauf lag, welches diesen nur zögerlich verließ und so den Moment des Schreckens hinauszögerte. Doch selbst ohne klar denken zu können ahnte ich, dass etwas daran nicht normal sein konnte. Ich hätte eine selbstverständliche Vertrautheit spüren sollen, ein instinktives Wissen darum, wo ich mich aufhielt. Doch da war nichts. Ich war verunsichert und ich wurde nervös. Ich war nicht mehr im Wachhaus? Der Gedanke löste eine merkwürdig träge Panik aus: Wenn Breguyar davon erführe…
Ich blinzelte, langsam und unter bewusster Kraftanstrengung. Dennoch sah ich nichts. Ich hob wie trunken meine Hand zum Gesicht und tastete über meine geschlossenen Lider – ehe ich sie wieder öffnete. Nichts änderte sich. Das Gefühl für meinen Körper verfestigte sich allmählich. Ich lag offenbar leicht seitlich gewandt auf dem Rücken. Auf einer harten Strohunterlage. Bekleidet. Das Armgeschirr drückte mir mit seinen harten Riemen und kantigen Metallschnallen in die Rippen.
Ohne jegliche Vorwarnung kehrte die Erinnerung zu mir zurück, klar umrissen, lückenlos.
Die beiden Handlanger, die auf mich gewartet hatten, sahen wenig vertrauenswürdig aus. Aber das hatte Rach in seinen Zeilen bereits angedeutet gehabt. Meine Ahnungen, seine geheimnisvolle Profession betreffend, ließen genug Spielraum, um auch den Mitstreitern seiner Sache ein gewisses mysteriöses Moment zuzugestehen. Wie dankbar ich bei ihrem Anblick dafür war, dass sie ihren Feierabend nach einem vermutlich anstrengenden Einsatz uns zuliebe aufgeschoben hatten! Ihre Anspannung war so greifbar, dass ich keinen Moment daran zweifelte, dass sie unter Zeitdruck standen, dass sie die Kollegen waren, von denen Rach geschrieben, die er mir angekündigt hatte. Diejenigen, die ihm einen Gefallen schuldeten. Die mir an seiner Statt erklären würden, was ihn aufgehalten hatte und was es damit auf sich hatte, dass alles „noch komplizierter“ werden würde. Eine Formulierung, die mir unheilvoll vertraut war, die mich voll und ganz einnahm und meine Angst um ihn... um uns... ins Unermessliche steigerte. Hinter mir das Wachhaus, ein Chaos beinahe kopfloser Hast, während die Kollegen zu einem Großeinsatz ausrückten. Ihre Hektik hatte meinen Puls zusätzlich befeuert. Und vor mir zwei Unbekannte, die im Begriff standen, mir eine der vielleicht schlimmsten Nachrichten in einer ohnehin schon unerträglichen Woche zukommen zu lassen! Ich war ausgegrenzt und allein. Das einzige, worin ich mir in diesem Moment einen Halt erhoffte, so winzig dieser auch sein mochte, war der Zugang zu Informationen! So lange schon war ich von handfesten Fakten ferngehalten worden, nachdem ich zuvor immer im Mittelpunkt eines weit gespannten Informationsnetzwerks gestanden hatte, Tag für Tag Unmengen von brisantem Wissen jonglierend. Kann man mir die Hoffnung, die mich in diesem fatalen Augenblick ergriffen hatte, wirklich vorwerfen?
Wie schnell sich meine Dankbarkeit in Verwirrung wandelte, als mich noch während meiner fahrigen Begrüßung Hände ergriffen und in den Schatten des Gefährts zogen! Sie waren zweifellos gut instruiert worden. Den Stich der Nadel spürte ich gar nicht. Durch die leichte Kleidung hindurch in den gefühllosen Arm platziert, entfaltete die Injektion bereits ihre Wirkung, ehe ich auch nur der leeren Glasampulle in der Hand meines Gegenübers ansichtig wurde. Es ging alles so schnell! In der einen Sekunde eilte ich ihnen, erfüllt von ängstlicher Wissbegier, entgegen. In der nächsten schon versuchte ich mich verwirrt wieder zurückzuziehen und dem Griff um meinen Oberarm zu entkommen. Fast zeitgleich begann mein Blickfeld zu verschwimmen und dann gaben meine Beine unter mir nach. Die fremden Hände fingen mein Gewicht mit wissendem Selbstverständnis ab, hielten mich zum Schein aufrecht, während mir unter freundlichen Worten in den bereitstehenden Wagen "geholfen" wurde.

Erinnerungen


Ich lasse mich auf meine Fersen sinken und setze mich so wieder auf die durchgelegene Strohmatte zurück. Das leise Quietschen der Kettenglieder über mir, die den Käfig tragen, begleitet dabei jede meiner Bewegungen. Ich ziehe die heruntergerutschte dünne Decke wieder fester um mich herum. Heute scheint einer jener Tage zu sein, in denen ich von Erinnerungen heimgesucht werde. Oder eine dieser Nächte? Ich weiß es nicht und ich habe auch keine Möglichkeit dazu herauszufinden, welchen Stand Sonne und Mond weit über meinem Kopf einnehmen mögen. Ich schließe müde die Augen.

Ein gewöhnlicher Zwischenfall


Die Erinnerungen, die damals, bei meinem ersten Erwachen, in der Finsternis durch meinen Geist zogen, halfen mir zwar, das Geschehene zu rekonstruieren. Jedoch... sie halfen mir nicht, mich zu beruhigen, um gefasst dem entgegen zu treten, was da auf mich zukommen mochte. Meine Sorge um Rach wuchs von Minute zu Minute. So wenig ich auch verstand, was hier vor sich ging, in einem war ich mir bereits absolut sicher: Dieser Brief war nicht durch ihn an mich gerichtet worden! Solch eine Behandlung hätte Rach mir niemals zugemutet, zumal ohne jegliche Erläuterung der Vorgänge. Ich war auf eine Täuschung hereingefallen, auf eine List, die mit meiner Rastlosigkeit und meiner liebesblinden Vertrauensseligkeit gespielt hatte. Ich dachte an den Brief, der im Wachhaus verblieben war. Man würde mein Verschwinden ihm zur Last legen. Ihm, der gänzlich unschuldig daran sein musste, der sicherlich nicht grundlos so lange nichts von sich hören lassen hatte; man konnte also davon ausgehen, dass er ohnehin schon mit irgendeiner Schwierigkeit zu kämpfen hatte. Dazu noch der Umstand, dass er schnell zu dem Schluss kommen musste, dass ich nicht freiwillig gegangen sein konnte... mir war das Herz schwer geworden bei diesen Gedanken. Und dann natürlich die Frage, was mir bevorstehen mochte. Wer konnte sich von mir einen Vorteil erhoffen? Wem war so viel daran gelegen gewesen, mich heimlich aus dem Wachhaus zu locken, dass er damit bereitwillig die Gefahr einging, die Wache gegen sich aufzubringen? Das alles kündete von einer Hinterlist, die nichts Gutes erwarten ließ. Dass ich noch lebte, wertete ich zwar als guten Ansatz. Doch selbst darin war ich mir nicht ganz sicher. Irgendwann ging unvermittelt ein Schlüssel im Schloss. Ich richtete mich so gut es eben ging auf, dabei das starke Schwindelgefühl ignorierend. Ein breiter Lichtstrahl ergoss sich in den Raum und ich kniff die Augen zusammen. Der Raum wurde heller, dann fühlte ich mich schweigend beobachtet. Ich blinzelte vorsichtig zur geöffneten Tür und zu der schlanken Silhouette, die dort in entspannter Pose verharrte. Der Mann war groß und schlank, mit scharfkantigen Gesichtszügen, dunklen Augen und schulterlangem, schwarzem Haar. Fraglos attraktiv. Doch zugleich strahlte er gelassene Boshaftigkeit aus. Und vor allem: Er war ein Vampir!
Ich wich zurück, instinktiv und ohne über die Signale nachzudenken, die ich ihm damit sandte. Oder über die möglichen Konsequenzen solcher Signale. Stroh rutschte jedes Mal unter meiner Hand weg, wenn ich mich abzustützen versuchte auf meinem teilweise gekrochenen, teilweise gewankten Weg tiefer in den Raum hinein, möglichst weit fort von ihm. Als ich auf die kalte Wand aus gemauerten Steinen in meinem Rücken traf, bemerkte ich das Zittern, das meinen ganzen Körper erfasst hatte. Ich hatte zu viel mit ihresgleichen erlebt, um in dieser Situation an naivem Optimismus festhalten zu können.
Seine Mine blieb nahezu unverändert abweisend, während er mich von oben herab durch den Raum hindurch betrachtete, die Petroleumlampe neben sich ruhig in die Höhe haltend. Seine Augen wurden schmaler, als er mich dermaßen mit seinem Blick fixierte, als wenn er durch mich hindurch zu schauen versuchte. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ seine Konzentration nach, er zog verächtlich eine Braue in die Höhe. Seine Stimme klang kultiviert, als er mich aburteilte.
"So gewöhnlich."
Es war mir nicht möglich, etwas zu erwidern. Mund und Kehle waren trocken vor Angst. Und selbst, wenn ich gekonnt hätte... was hätte ich schon sagen sollen? Lass mich gehen? Was willst du von mir? Es war offensichtlich, dass er mein erstes Anliegen ignorieren würde. Und was Letzteres anbetraf... wollte ich es wirklich wissen?
Der Vampir löste sich aus seiner ruhigen Haltung. Er schlenderte auf mich zu, bis er kaum eine Armeslänge entfernt wieder innehielt und vor mir in die Hocke ging. Er stellte die Lampe knapp außerhalb meiner Reichweite auf dem Boden ab und ließ seine feingliedrigen Hände locker gekreuzt vor sich hängen, die Arme auf den Knien abgestützt.
Ich drückte mich inzwischen so fest gegen die Steine hinter mir, dass deren Kälte mir schmerzhaft in die Muskeln kroch. Ein frischer Geruch wie von Minze ging von ihm aus und umschmeichelte mich.
"Nun? Möchtest du nichts sagen... Ophelia?"
Natürlich war absehbar gewesen, dass er meinen Namen kennen würde. Nach all dem Aufwand, mich mit einem gefälschten Brief aus dem Wachhaus zu locken! Dennoch zuckte ich bei seinen Worten zusammen. Und schwieg weiter.
"Kein Flehen um Gnade?" Er wartete geduldig auf eine Reaktion - die ich ihm vorenthielt. Ein Lächeln schlich sich in seine Mundwinkel, konnte die Aura von unberechenbarer Gefahr aber nicht relativieren. "Schade eigentlich!" Rein körperlich befand er sich durch das Hocken auf Augenhöhe mit mir – geistig fühlte er sich aber ganz offensichtlich weit überlegen. Er seufzte leise, als wenn er seine folgenden Worte bereits bedauern würde. „Uns stehen jetzt zwei Optionen zur Verfügung. Ich befürchte... entweder, werden wir nur wenig Zeit miteinander verbringen. Sehr wenig Zeit. Das scheint mir momentan die wahrscheinlichste zu sein. Oder wir werden viel Zeit miteinander verbringen. Keine dieser beiden Möglichkeiten schließt für dich Erfreuliches ein. Letztere hätte zumindest für mich einen gewissen Unterhaltungswert versprochen. Nun ja, man kann nicht immer Glück haben, nicht wahr? Ich hatte eigentlich gehofft gehabt, dich etwas... mitteilsamer vorzufinden. Nun scheint mir der Aufwand umsonst gewesen zu sein. Wer hätte das gedacht, dass dieses simple Serum einem weitaus erhabeneren Zweck dienen würde, als lediglich dem zügigen Ausschalten einer Zielperson?“
Seine Worte stießen etwas in mir an und meine Verwirrung wuchs. Gleichzeitig begannen meine Gedanken endlich wieder, geraderen Bahnen zu folgen. Seine Betonung auf den Begriff des Mitteilsamen...
Ich blinzelte und sog überrascht die Luft ein. Mein Blick war noch immer in seinem verfangen, so dass ich erkennen konnte, wie sehr ihn meine trägen Reaktionen amüsierten.
„Es fällt dir jetzt erst auf?“
Ich fasste mir unwillkürlich an die Schläfe und zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, schweifte meine Aufmerksamkeit von ihm fort, unfokussiert, höchst irritiert.
Er war ein Vampir und doch empfing ich keinerlei Gedanken von ihm! Wie konnte das sein?
Ich horchte in mein Inneres und auch dort herrschte ungewohnte Ruhe. Die zuletzt so steten Stimmen innerhalb meiner Gedanken, das dauerhafte Plappern und Fluchen unzähliger Geistsphären, die sich im endlosen Strom der Passanten über den Pseudopolisplatz ergossen hatten und wie Ameisen durch meinen schrankenlosen Geist gewimmelt waren, war einer verrauschten Kulisse gewichen, einem allgegenwärtigen „Geräusch“, das sich wie Blätter im Wind im Hintergrund hielt. Seit Monaten schon hatte ich mich nicht mehr so losgelöst aus dem pulsierenden Netz ständiger Kommunikation um mich herum gefühlt!
Mein Blick flog wieder zu ihm zurück und dennoch... es erfolgte kein gedanklicher Kontakt zu ihm, wie dies beispielsweise zwischen Breguyar und mir ab und an passiert war.
Sein Lächeln verblasste und was blieb, war die steinerne Mimik einer Person, deren Erwartungen sich nicht erfüllt hatten.
Ich ließ meine Hand wieder sinken, schlang den Arm ahnend um mich.
Konnte es sein...
Ich befeuchtete mir vorsichtig die Lippen und räusperte mich. Meine Stimme klang krächzend und zaghaft.
„Bist du... bist du Racul?“
Er lachte laut auf. Der Kontrast zu seiner direkt vorangegangenen Haltung war so stark, dass ich unwillkürlich dachte, es würde mich nicht überraschen, wenn er sich als wahnsinnig herausstellte.
„Nein. Du bist gewissermaßen nahe dran aber, nein, ich bin nicht er.“
Er schien zufrieden damit, mich im Unklaren zu lassen, sollte ich nicht von selbst auf des Rätsels Lösung kommen. Doch jetzt hatte seine Art zu reden, sein Verhalten, etwas entfernt Vertrautes an sich. Ich war ihm nie direkt begegnet aber da er Racul zu kennen schien und dessen Einfluss beim Anblick des Fremden etwas in mir zum Klingen brachte...
„Bist du... Sebastian?“
Er stand abrupt auf und sah mit finsterem Blick auf mich hinab.
Eine leise Stimme flüsterte wie weit entfernt in meinem Sinn.
“Ich hatte so viel Hoffnung in diesen Ansatz gesetzt. Was für ein Fehlschlag!“
Raculs Enttäuschung hallte in meinem Inneren wider wie in einem hohlen Gefäß und ich schloss kurz die Augen. Bis mir Sebastians Anwesenheit wieder bewusst wurde. Ebenso wie der warnende kleine Gedanke der Erinnerung an ein lange zurück liegendes Gespräch. Die gedankliche Fessel hielt mich an den greisen Vampir gebunden, gewiss. Aber er hatte damals ungewollt deutlich gemacht, was mit mir geschehen würde, wenn es diese Kette zwischen uns nicht mehr gäbe! Sie war Zwang und Sicherheitsleine zugleich. War ich soeben nur knapp einem Todesurteil entkommen?
Ich rieb mir mit der Hand frustriert über das Gesicht und versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
„Du bist sein Handlanger. Das bedeutet, Racul steckt hinter all dem? Er hat mich entführen lassen?“ Ich kam seiner Antwort zuvor, indem ich jenen selber kontaktierte. Mein Blick richtete sich ins Leere, als ich nicht nur mental vor Entsetzen flüsterte: „Warum hast du das getan? Warum hast du mich verschleppen lassen?“
Die missmutige Antwort wisperte wie von Ferne durch meine Gedanken.
"Das fragst du noch? Du bist unerträglich leichtfertig. Man kann dir nicht trauen, in keinerlei Hinsicht! Erst diese unverschämten Gedankenräubereien, denen du Tür und Tor geöffnet hast. Dann die Zauberer... reiner Zufall, dass sie dich nicht umgebracht haben! Danach die eindrucksvolle Dame aus älterer Blutlinie, die sich anschickte, das Werk der Zauberer zu vollenden... alles das wohl gemerkt, ohne die leiseste Gegenwehr deinerseits! Was sollte denn noch geschehen? Ich sehe mich nicht als dein Kindermädchen, beileibe nicht. Wenn du allerdings darauf bestehst, dich jede wache Minute in Gefahr zu begeben und obendrein aufmüpfig wirst... du hast sämtliche meiner Warnungen missachtet! Es war an der Zeit einzugreifen."
Die Drohung hing in der Luft. Ich reagierte sowohl verbal, als auch in Gedanken mit angsterfülltem Nachfragen.
"Was hast du mit mir vor?"
Raculs Bediensteter ging wieder vor mir in die Hocke und beobachtete mich ganz genau von Nahem. Sein Blick war dabei seltsam. Misstrauisch und... etwas anderes? Allerdings war es mir kaum noch möglich, weiter zurückzuweichen und überhaupt war meine Konzentration gerade mehr nach innen gerichtet, so dass ich meinen Blick lediglich abwandte. Während dessen erklangen die Worte seines Herrn hinter meiner Stirn, leise aber glasklar.
"Ich ziehe dich aus dem Verkehr. Du wirst ab heute verwahrt werden. Jeglicher Kontakt zu der Welt dort draußen ist dir von nun an untersagt."
Sebastians Nähe irritierte mich immer mehr während der Debatte mit seinem Herrn. Es fiel mir mit jedem verstreichenden Moment schwerer, ihn zu ignorieren. Sein beißend frischer Duft umnebelte mich inzwischen regelrecht.
"Du ziehst mich aus dem Verkehr? Wie..." Sebastian war so nahe, dass ich seinem Blick unmöglich länger ausweichen konnte. Trotzdem versuchte ich mich auf das Gespräch zu konzentrieren. "...wie willst du das machen? Du hast selber gesagt, dass du mich nicht töten kannst, weil die Gefahr der Nebenwirkungen für dich zu groß ist." Ich empfing Bilder aus dem Sinn des älteren Vampirs, wie üblich ungewollt mit mir geteilt. Sie zeigten mir eine karge Landschaft in der Sto Ebene, eine Hütte, weit außerhalb der Stadt, nicht viel mehr als ein Bretterverschlag mit gemauerter Unterkellerung. Gleichzeitig spürte ich seine Verärgerung bei der Feststellung, dass trotzdem noch ein Kontakt zwischen uns beiden zustande gekommen war. Die Distanz bewirkte nicht wie erhofft eine Trennung unserer Gedankensphären, sondern schien ihn lediglich daran zu hindern, seinen Einfluss auf mich geltend zu machen. Er würde mich nicht, wie mehrmals in den letzten Monaten geschehen, von Ferne in diese Bewusstlosigkeit zwingen können? Eine unerwartete Schwachstelle des Plans. Ich verriet mich, als ich an meine Freunde in Ankh-Morpork dachte, daran, dass ich sie vielleicht selbst von hier noch erreichen könnte...
Sebastians Blick war in den letzten Sekunden von ungeduldig und verstimmt, zu deutlich verärgert gekippt. Sein Verhalten verursachte mir fröstelnde Gänsehaut und ich beendete meinen Gedankengang ganz anders, als ich ihn begonnen hatte. "Wobei ich gestehen muss, dass die Situation hier seltsam ist. Wenn ich die anderen Stimmen einfach nur nicht mehr höre, weil sie derzeit so weit weg sind... warum höre ich dann deinen Diener nicht?"
Sebastian funkelte mich wütend aus seinen dunklen Augen an und flüsterte: "Allerdings... das würde ich auch zu gerne wissen."
War ich etwa ausgerechnet hier, im Nirgendwo, auf den ersten Vampir getroffen, der nicht augenblicklich in mir lesen konnte - obwohl er dies anzustreben schien?
"Du kannst meine Gedanken wirklich nicht erreichen?", fragte ich ihn.
Seine Augen verengten sich zu bösartig funkelnden Schlitzen inmitten seiner reglosen Mimik.
Die Ironie der Situation war fast unerträglich. Ich wich seinem Blick aus.
Raculs Stimme wollte dazu soeben etwas anmerken.
"Überaus seltsam sogar. Er ist der bei weitem effektivste Telepath, dem ich in den vergangenen Jahren begegn..."
Der Vampir griff nach mir und seine Hand schloss sich grob um mein Kinn.
Blendend weiße Laken fielen um mich herab. Geräuschloses Nichts erstreckte sich in alle Richtungen und meine Welt beschränkte sich augenblicklich auf uns beide. Die daraus resultierende Orientierungslosigkeit war so vollständig, dass mich Schwindel überkam. Kein Oben, kein Unten. Ich sah nur ihn, hörte nur ihn.
"Ah! Sieh an! So kommen wir der Sache doch schon näher. Es liegt nicht an dem Serum. Eine Art natürlicher Schutzmechanismus meinerseits? Ihre Gedankenwellen lösen eine automatische Blockade bei mir aus... Wie seltsam! Aber nicht unwillkommen. Es bedarf also des direkten Körperkontaktes. Vermutlich von Vorteil. Es wäre mir nicht recht gewesen, auf ähnliche Weise wie der Herr auf sie zu reagieren." Er ignorierte mein wachsendes Entsetzen. Ich war für ihn ebenso bedeutungslos, wie ein streunender Straßenhund. Ein Mensch eben, um den er sich kümmern sollte. Er sichtete meine Persönlichkeit, als wenn er einen eingestaubten Karteikasten durchblättern würde, bei dem hier und da einige Kärtchen miteinander verklebt waren. Schranken fielen, Gedankenansätze brachen entzwei, wie wenn er sie mit spitzen Fingern auseinanderhebelte. "Oh! Das ist... hochinteressant!" Aufregung mischte sich in seine Überlegungen. "Der Kontakt zum Herrn ist derweil für uns beide abgebrochen! Meine automatische Blockade ist immer noch aktiv, auch wenn ich die Wächterin berühre. Nur dass sich unsere Einflüsse nun überlagern und stattdessen alles um uns herum als Angriff von außen gewertet wird..." Sebastian hielt ehrfürchtig inne. Ein beinahe wortloser Gedanke manifestierte sich in ihm - der mich zusätzlich verwirrte. Freiheit...
Die Desorientierung bei seiner Berührung war so unerwartet über mich hereingebrochen, dass ich im ersten Moment außerstande gewesen war, abwehrend zu reagieren. Im Gegenteil! Etwas in mir hielt sich an dem Vampir fest, nur um nicht in dieser formlosen Schwerelosigkeit aufzugehen. Ich bemerkte mein Verhalten erst mit Verzögerung. Dann aber erfüllte es mich mit Grauen. Ich versuchte, mich von ihm zu lösen, ihn von mir zu stoßen, mich seinem Zugriff zu entziehen. Was ihn wieder - oder überhaupt erst - auf mich aufmerksam machte. Er verfestigte seinen Griff um mich. Zufriedenheit breitete sich in diesem grellweißen Kosmos aus und er lachte, plötzlich wieder so entspannt wie zu Beginn.
"Da wird wohl jemand wach." Ich hatte das seltsame Empfinden, in dieser dimensionslosen Realität näher zu ihm hin gezogen zu werden. "Ophelia, ich denke ich habe dir Unrecht getan, als ich mein Urteil vielleicht etwas zu vorschnell über dich fällte. Wir werden viel Spaß miteinander haben, da bin ich mir sicher."
Meine Gegenwehr prallte einfach an ihm ab und seine vergnügten Worte machten mir zusätzliche Angst. Was ihn wiederum noch mehr zu erheitern und anzustacheln schien. Etwas in mir rief, dass wir uns bereits in der klassischen Gewaltspirale seiner Spezies befanden, dass ich aufhören und die Ruhe bewahren müsse. Doch... er las meine Gedanken - ich die seinen.
Weg! Ich muss weg von ihm! - Niemals wieder! Ich werde dich behalten. Der Herr kann dich nicht mehr gehen lassen, dafür ist er viel zu festgefahren in seinen Ängsten und Überzeugungen. Und ich will dich nun nicht mehr gehen lassen. Diese seltsame Fähigkeit... du bietest mir eine unvergleichliche Möglichkeit! - Beide werden mich niemals wieder gehen lassen? Das kann nicht sein! Das ist Unrecht! - Dein Idealismus beschämt dich. Du warst Wächterin und du weißt, wie diese Welt funktioniert. Sieh' der Wirklichkeit ins Angesicht! Es kann und es wird so sein. - Nein! NEIN!
Ich fiel. Die grelle Helligkeit verblasste, ein dumpfes Rauschen strömte in meine Sinne zurück. Scharfer Minzgeruch brannte bei jedem keuchenden Atemzug in meiner Lunge und Stein drückte sich scharfkantig in meine Wange. Neben mir hörte ich leises Lachen.
Unvermittelt erklang Raculs Stimme und im selben Moment verstummte Sebastian abrupt. Offenbar konnte auch er die Stimme seines Herrn vernehmen.
"Was war das eben? Sebastian? Ich wünsche eine Erklärung, auf der Stelle!"
Der Vampir, der sich gemeinsam mit mir in dem Kellerraum aufhielt, erhob sich aus der lockeren Hocke und schlenderte in Richtung der Tür. Dabei ignorierte er mich. Seinem leicht gesenkten Kopf und der sacht wechselnden Mimik nach, war er in eine gedankliche Diskussion vertieft, der ich nicht mehr folgen konnte. Zwar spürte ich Raculs harsche Vorwürfe in meinem Sinn widerhallen, ebenso wie ich Ungeduld und Zorn spürte. Aber die dazugehörigen Worte waren zerfasert, wie von Nebelschwaden aufgeweicht, so vereinzelt, dass ich ihnen keinen Sinn entnehmen konnte.
Raculs Beschwerde seinem Diener gegenüber hatte etwas Gutes. Sie waren beide abgelenkt. Und ich hatte endlich die Möglichkeit, durchzuatmen und meine Situation zu überdenken. Sie hatten mich aus dem letzten Rest selbst bestimmter Existenz herausgerissen. Sie wollten mich wegsperren, ohne eine Aussicht darauf, jemals wieder meine Familie und Freunde zu sehen. Niemand wusste, wo ich nun war! Wenn ich mich jetzt nicht augenblicklich zur Wehr setzte, dann konnte das bedeuten, dass ich damit alles fortwarf, was von meinem Leben noch übrig war.
Ich rappelte mich mühsam auf, zog mich an der hinter mir liegenden Wand hinauf und holte tief Luft, darum bemüht, das Schwanken meines Körpers zu unterbinden.
Sebastian streifte mich mit einem gleichgültigen Blick, während er sich auf das unhörbare Gespräch konzentrierte. In meinem Kopf nahm ich Raculs Frustration war, als die beiden offenbar über einen Punkt diskutierten, der ihn äußerst unzufrieden machte.
Zu meinen Füßen stand die Lampe, gefüllt mit brennbarer Flüssigkeit. Die Tür hinter dem Vampir stand offen. Und er selber schien noch immer geistesabwesend. Eine bessere Gelegenheit zur Flucht mochte nicht mehr in Reichweite geraten.
Ich machte einen weiteren vorsichtigen Schritt vor, vergewisserte mich mit einem Blick seines Standortes und dann beugte ich mich vor, um die Lampe aufzunehmen und sie nach ihm zu werfen. Ich spürte dabei einen kräftigen Stich schlechten Gewissens, natürlich. Es war schließlich Ziel des Ganzen, ihn möglichst effektiv aufzuhalten, das konnte ohne eine ernsthafte Gefährdung wohl kaum geschehen. Aber hier galten nicht die üblichen Regeln. Ich musste mich zur Wehr zu setzen.
Mein Arm wurde beiseite geschlagen, die Lampe flog krachend gegen die Mauer und verlöschte abrupt. Ich hastete dorthin, wo ich die Tür vermutete, wurde aber mitten im Lauf gerammt und am Hals gepackt.
Wieder dieses blendende Nichts, Orientierungslosigkeit. Und das rücksichtslose Ego des jungen Vampirs mitten in meinen Gedanken.
"Habe ich dir erlaubt, zu gehen? Habe ich das?"
Ich hatte Angst, schreckliche Angst! Ich versuchte seine Stimme zu ignorieren, so wie man einen viel zu nahen Donnerhall wahrnimmt. Alles in mir verlangte danach, loszukommen und zu rennen, soweit mich meine Beine tragen würden.
"Nein, das habe ich nicht!", beantwortete er sich seine Frage selber. "Aber gut. Wenn du schon so vehement meine Aufmerksamkeit einforderst, dann sehen wir doch mal, inwiefern ich mich nützlich machen kann."
Sein Eingriff in mein Innerstes war gezielt und brutal. Der Schmerz war schrecklich. Fackeln, die mich bei lebendigem Leibe in Brand steckten, Messerklingen, die mich aufschlitzten! Sogar noch innerhalb dieser vollständig abschottenden Verbindung merkte ich eine Art Flimmern, das alle Eindrücke erfasste. Er bringt mich um... bald habe ich es hinter mir... frei von der Qual... von Racul...
Das blendende Nichts ließ mich fallen. Alles tat mir weh, jede Bewegung brannte wie Feuer, sogar das Atmen.
Raculs Stimme gellte durch meinen Sinn.
"...dich gewarnt! Unterstehe dich, meine Geduld im Übermaß zu erproben, Sebastian!"
Ich presste die Lippen aufeinander und mir zusätzlich die zitternde Hand vor den Mund. Ich durfte nicht aufgeben. Auf keinen Fall! Jetzt erst recht nicht! Die Vampire hatten mir nur zu deutlich gemacht, was mir bevorstehen mochte. Solange sie noch miteinander stritten, achteten sie vielleicht nicht auf mich, Sebastian schien den direkten Hautkontakt zu benötigen, um von meinen Gedanken zu erfahren, Racul schien sich zumindest auf mich konzentrieren zu müssen, um sie zu verstehen. Wenn ich mich genug beruhigen könnte, um ihrer beider Aufmerksamkeit wenigstens lange genug zu entgehen... Ich krabbelte auf meinen Knien in Richtung der kaum zu erahnenden Tür. Aber auch bei dieser zweiten Verzweiflungstat war ich nicht schnell genug. Seine Schritte folgten mir, dann krallte sich die Hand des Vampirs von hinten in mein offenes Haar und riss mich zurück. Ich keuchte auf und konnte ein frustriertes Schluchzen nicht unterdrücken.
"Schön hier geblieben!" Er hielt mich dieserart in Schach, die entscheidenden Zentimeter auf Distanz, um nicht nochmals in meine Gedanken einzubrechen. Seine Stimme genügte allerdings völlig, um mir zu vermitteln, dass ich mich nun konstant in realer Gefahr befand. Er war wütend, sehr wütend. Und wenn ich Raculs Gedankenimpulse richtig interpretierte, dann hing das damit zusammen, dass mein Entführer mich nicht in dem Ausmaß für meine Fluchtversuche strafen durfte, wie er es für angemessen empfunden hätte. Er fasste kräftiger nach, was nicht nötig gewesen wäre, mich aber dazu veranlasste, nach meinen Haaren zu greifen, um den Zug an ihnen zu entlasten. Er schlug meine Hand fast beiläufig weg, was für Sekunden einen heftigen emotionalen Kontakt aufblitzen ließ - getränkt von Hass! Ich wusste: Mit meinem Fluchtversuch und Raculs gleichzeitigem "Schutz" vor Sebastians geplanter Vergeltung hatte ich mir soeben einen Feind für' s Leben gemacht, einen grausamen Feind, der keine Vergebung kannte. Ich blieb zitternd und schluchzend an der Wand sitzen. Instinktiv flehte ich im Stillen um Hilfe, sehnte mich nach irgendjemandem, der mir beistehen könnte. Ich dachte an Rach und an Mina, sogar an Romulus und Breguyar! Breguyar konnte wunderbar kämpfen, er hätte selbst jetzt noch einen Weg gefunden, um sich zu verteidigen, da war ich mir sicher!
Raculs Stimme wies mich zurecht, doch er klang so leise, dass es inmitten des schmerzhaften Infernos, das mein Körper darstellte, leicht fiel, ihn als fast irreal abzutun.
"Reiß dich zusammen! Er hat sich zwar unnötig brutal benommen aber einen Versuch war es immerhin wert. Auch wenn ich es schon befürchtet hatte. Wie mir scheint, hatte dieser blasse Zauberer mit seinen Untersuchungsergebnissen Recht. Was bedeutet, dass wir mit einem gewaltsamen Vorgehen nicht zum Ziel kommen. Im Gegenteil. Das bedeutet dann wohl, dass ich nicht drum herum kommen werde, dich persönlich zu unterrichten. Du musst deine gedanklichen Barrieren vollständig neu errichten. Was für eine Zumutung! Ich bin mir nicht einmal sicher, ob solch eine Mission von Erfolg gekrönt sein kann! Nun denn... Sebastian wird dich zu mir bringen müssen. Das macht es natürlich anspruchsvoll und etwas heikel. Aber es hat ja auch keinen Sinn, dich dort draußen ihm zu überlassen, das ginge auf Dauer nicht gut. So bist du jedenfalls zu weit weg von mir, als dass ich etwas ausrichten könnte."
Die Kernaussage kam an, klar und deutlich: Racul wollte mich zu sich holen!
Meine Angst machte einen Sprung und geriet außer Kontrolle. Meine Gedanken griffen weit aus, streckten ihre brennenden 'Fingerspitzen' flehentlich in Richtung Ankh-Morpork.
"Hilfe? Bitte! Kann mich irgendjemand hören? Bitte, helft mir doch!"
Raculs Stimme wurde drohender und ich spürte, wie er sich mir gedanklich regelrecht in den Weg stellte. "Ophelia! Lass den Unfug! Du bist verwirrt. Willst du wirklich andere in Gefahr bringen?"
Ich war augenblicklich wirklich verwirrt, dümpelte in einem finsteren Meer aus Seelenschmerz. "...was meinst du damit?"
Mein Hilferuf verebbte und Racul wirkte sofort gnädiger. "Denkst du wirklich, dass ich es zulassen könnte, dass irgendwer deiner Freunde dir zur Hilfe eilt? Willst du, dass sie mir in die Quere kommen? Ich denke, das möchtest du nicht, richtig? Du bist doch im Grunde deines Herzens eine verständige Frau."
Sebastian rief durch die offen stehende Tür hinauf: "Igor!"
"Ja, Herr?"
"Hole den Tee!"
Ich zog meine Knie dicht an mich heran und legte meinen Arm um sie, wie um mich schützend zusammenzufalten und möglichst wenig empfindliche Angriffsfläche zu bieten. Sebastian hielt noch immer mein zerzaustes Haar gespannt zwischen uns, gleich einer seltsamen Leine.
Da tauchte auch schon das Flackern einer Kerze auf, deren Lichtschein die Treppen hinunter getragen wurde, begleitet von einem hinkenden Schlurfen. Im Türrahmen stand ein Igor mit einem Teetablett. Heißer Wasserdampf kräuselte sich in die kalte Kellerluft und ein herber Geruch erfüllte den Raum. Raculs Stimme lenkte mich ab, als er weiter auf mich einredete.
"Und eine verständige Frau wird einsehen, dass sie sich manchmal geschlagen geben muss. Du hast keine Wahl. Ich bewundere natürlich bis zu einem gewissen Grad deine Sturköpfigkeit. Aber wenn der Punkt gekommen ist, an dem das Ganze zu einer Gefahr für dich wird, dann musst du wirklich zur Vernunft kommen. Wie wäre es, wenn du dich jetzt einfach fügst und deine kleinen Fluchtpläne stattdessen später weiter verfolgst, hm? Wenn du wieder etwas mehr bei Sinnen bist und nicht deine armen Freunde mit hineinziehst? Schau, du hast jetzt alle Zeit der Welt, um Pläne zu schmieden. Das ist doch gut, oder?"
Das Tablett wurde sacht vor mir auf dem Boden abgestellt und der Igor goss einen großen Steingutbecher mit der stinkenden Flüssigkeit voll. Der Geruch kam mir vage vertraut vor, allerdings konnte ich mich nicht erinnern, woher. Der Igor sah zu mir auf und sein vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen, als er mir den Becher reichte. Von ihm konnte ich keine Hilfe erwarten.
Ich nahm den Becher wortlos entgegen, starrte in die dunkle Flüssigkeit.
Sebastian zog an meinem Haar, so dass ich mit einem Ruck zu ihm aufsehen musste.
"Los! Trink!"
"Es... der Tee ist noch zu heiß."
Sein Blick war unerbittlich.
Ich leckte mir dezent über die trockenen Lippen, ehe ich ein letztes Mal aufbegehrte.
"Was ist darin? Warum besteht ihr so darauf, dass ich das trinke?"
Sebastian schüttelte nur langsam den Kopf und betonte ein weiteres Mal seine Anweisung: "Ich sagte: Trink!"
Die Antwort auf meine Frage erhielt ich auf anderem Wege. Racul sandte sie mir unbeabsichtigt: Teemischung 42! Nun wusste ich, woher mir der Geruch vertraut war. Sie hatten nicht nur draußen vor dem Wachhaus auf mich gewartet. Sie mussten auch einen Spitzel hinein geschickt und diesen Teilerfolg der Experimente Maganes aus der Pathologie entwendet haben!
Ob sie die Mischung vermisst?
Ich blickte in den unergründlichen Sud.
Sie werden mich wirklich zum Schweigen bringen. Der Gedanke hatte etwas Endgültiges. Und zugleich etwas seltsam Tröstliches. Denn die Teemischung ließ alles verstummen, nicht nur mich. Auch die Stimmen der anderen in meinem Kopf. Magane hatte sie ursprünglich in dem Versuch zusammengemischt, mir zu helfen. Und letztendlich war ihr dies, wie es nun schien, gelungen. Sie werden nicht mehr an mich heran kommen. Ruhe... eine Gnadenfrist, um mich zu sammeln, um Kraft zu tanken, einen Weg zu finden... einen Ausweg. Um echte Gegenwehr aufzubauen.
Ich ergab mich für den Moment in mein Schicksal und trank.

Das Hier und Jetzt


Die Kerze ist niedergebrannt und der Raum um mich herum eine tiefschwarze Endlichkeit. Ich habe es schon vor Langem aufgegeben, das Verstreichen der Zeit messen zu wollen. Sämtliche Abläufe hier unten - und dass es sich um ein Unten handelt ist so ziemlich das einzige, von dem ich fest überzeugt bin - sind darauf eingestellt, eben dies zu verhindern. Ich weiß das, weil ich es in Sebastians Gedanken gesehen habe. Er ist für mich verantwortlich und wo immer es ihm möglich ist, zieht er für sich daraus einen gewissen Unterhaltungswert. Wobei das was er als "unterhaltsam" ansieht, nicht jedermanns Definition wäre. Die Beleuchtung kündet am deutlichsten davon. Mal stellt Igor eine Öllampe in meine Zelle, mal ist es eine Kerze, manchmal sogar nur eine kümmerliche Transchale. Alle mit unterschiedlicher Brenndauer. Und es ist auch nicht so, dass diese Lichter zu einer festbleibenden Zeit gebracht würden, die einen Tagesrhythmus auch nur annähernd spiegeln würden. Im Gegenteil! Kurze Episoden der Helligkeit wechseln sich immer wieder ab, unterbrochen von Phasen der Großen Dunkelheit, wie ich sie nenne. Eine Dunkelheit, die sich mit fortschreitender Dauer zielsicher auch auf mein Gemüt auswirkt. Egal, wie sehr ich mich darum bemühe, mich innerlich zu wappnen und gegen Sebastians zermürbende Pläne gegenzuhalten... irgendwann knicke ich jedes Mal unter der schleichenden Furcht ein, ich könne vergessen worden sein. Dann füllen schreckliche Bilder meinen Sinn, in denen meine Kerkermeister irgendwelchen Unfällen zum Opfer gefallen sind, so dass niemals wieder ein Licht zu mir gebracht werden wird und es selbst fraglich wäre, ob irgendwann meine Leiche gefunden werden würde! Sobald Igor dann doch unerwartet auftaucht, überwältigen mich für einige Sekunden Erleichterung und Dankbarkeit. Ein Gefühlsmischmasch meinen Kerkermeistern gegenüber, welches ich sofort darauf als ebenso unerträglich empfinde, wie die Angst und die Verzweiflung zuvor.
Ich versuche, mich von diesen frustrierenden Gedanken zu distanzieren.
Es ist nicht wichtig, zu wissen, wie lange sie mich hier bereits festhalten. Ebenso wenig wie eine stete Beleuchtung etwas an der Gesamtsituation verbessern würde.
Das "Hier" ist noch so eine Sache. Ein Zimmer mit einer verschließbaren Tür hätte es sicherlich auch getan. Wo mir doch keinerlei Hilfsmittel gewährt wurden, die auch nur den kleinsten Nutzen bei einem Ausbruchsversuch hätten haben können. Aber Sebastian entschied sich für "die Kammer"! Eine alte Gefangenenzelle, die bereits vor Jahrzehnten als unnütz in Vergessenheit geraten war. Als es aus der Mode kam, unangenehme Gegenspieler von der Straße weg zu fangen und sie zu Tode zu foltern oder schlichtweg auszuhungern. Igor war ziemlich aufgeregt, dass die Kammer zu seinen Lebzeiten wieder in Betrieb genommen wurde. Sie besteht aus nicht viel mehr als einem fensterlos gemauerten quadratischen Raum mit tiefem Schacht in der Mitte - über dem ein Käfig hängt. Der Käfig ist kaum hoch genug für mich, um darin zu stehen. Bei Bedarf decken sie den Schacht mit einem Brett aus schweren Bohlen ab, um den Käfig per Seilwinden darauf herab zu lassen. Doch normalerweise... der Vorteil für die Herren Gefängniswärter besteht darin, dass sie erheblich weniger Zeit damit vergeuden müssen nach mir zu sehen, als sie es sonst müssten, denn dieserart braucht sich niemand um etwaige Hinterlassenschaften kümmern. Tief unter mir höre ich das Rauschen von fließendem Wasser und ich spüre stetig den feuchtkalten Hauch von dort aufsteigen. Zwar wäscht der unterirdische Strom so auch den Geruch meiner Notdurft mit sich fort, doch die klamme Kälte hat sich längst im Gemäuer eingenistet und setzt mir sehr zu. Es gibt Tage, an denen das mentale Seilziehen zwischen Sebastian und mir zu meinen Ungunsten ausschlägt und ich in Folge auf die wärmenden Decken verzichten muss. Dann zittere ich auf meiner Strohmatte, den Arm um mich geschlungen und mit so laut klappernden Zähnen, dass es mich nicht wundern würde, wenn Racul es hören und Sebastian entnervt auftragen würde, mir die Decken zurück zu geben.
Meistens ist es dann aber die Igorina, die sie mir durch das Gitter hinauf reicht. Sie ist Igors Frau. Beide sind schon sehr alt und länger im Dienste des greisen Vampirs, als manch ein Mensch lebt. Sie sind ihm treu ergeben und würden eher sterben, als mir - entgegen seinem Willen - zu helfen. Aber während Igor sich auf fast senile Art über jede Gelegenheit freut, meine Gefangenschaft "traditioneller" zu gestalten, scheint sie für sich gewisse Grenzen gezogen zu haben, was das anbetrifft. Manchmal frage ich mich, ob die beiden deswegen abends Ehestreitigkeiten haben. Aber das würden sie natürlich nie zeigen.
Soweit ich es verstanden habe, folgt Igorina mit ihren selten auftretenden mitfühlenden Anwandlungen auch einer Anweisung Raculs, laut der ich "bei passabler Gesundheit gehalten" werden muss. Was nicht viel mehr heißt, als dass Sebastian mich nicht direkt angreifen darf und dass ich weder erfrieren, verdursten, verhungern, noch an einer Erkältung mit ernsterem Verlauf sterben darf. Hinterhofhühnern in den Schatten geht es teilweise besser, als mir. Aber das ist ein ungünstiger Vergleich, immerhin endet deren Existenz normalerweise mit einem gezielten Genickbruch. Und so provokativ ich Sebastian gegenüber auch oft auftrete, das ist ein Schicksal, welches ich zu vermeiden versuche. Mein Leben ist kümmerlich - aber ich hänge nichtsdestotrotz daran. Ein Fakt, den Racul mich nicht vergessen lässt.
Wieder einmal beordere ich meine Gedanken zu mir zurück und versuche, mich auf etwas Positives zu besinnen.
Am naheliegendsten für etwas Schönes und Angenehmes wäre es, meinen Erinnerungen an Rach nachzuhängen. An ihn zu denken zerreißt mir zwar fast das Herz vor Sehnsucht. Aber es schenkt mir auch Wärme und Geborgenheit. Dann stelle ich mir vor, wie es sich anfühlte, wenn er meine Hand in die seinen nahm. Oder wie sich seine Arme um mich schlossen, sobald ich meinen Kopf vertrauensvoll an seine Brust anlehnte. Dann meine ich, wieder das weiche Tuch einer seiner unzähligen Westen an meiner Wange zu fühlen und seinen kräftigen Herzschlag zu hören. Das leise Lachen, wenn er sich über etwas freute. Das federleichte Gewicht seiner Hand auf meinem Haar, wenn er in dieser anrührenden Bewunderung darüber strich, als wenn ich etwas unendlich Kostbares für ihn wäre...
Aber solche Gedanken sind gefährlich! Sie sind stark und unkontrollierbar und sprengen schnell meine mickrigen bisherigen Fähigkeiten, meinen Geist zu unauffälliger Ruhe zu zwingen.

Ja, Racul hat seine Warnung des ersten Entführungstages wahr gemacht. Ich erhalte inzwischen Unterricht von ihm. Er schult mich darin, mein Inneres in eine lethargische Ödnis zu verwandeln, die jedem zufälligen Blick von außen entgehen soll. Seiner Aussage nach wäre diese Unauffälligkeit ein Eckstein. Sozusagen das Fundament, auf dem wir aufbauen können, zum Errichten echter geistiger Mauern um mein Wesen. Zwar ein Umweg in meiner Ausbildung, jedoch ein nötiger, so sagt er, wo ich als Mensch nicht mit den Fähigkeiten der natürlichen Gedankenleser daherkomme. Das Hauptziel unserer Übungen ist durch ihn vorgegeben: mein vollständiges Verschwinden von der Bildfläche, nicht mein persönliches Wohl! Seine Forderungen erinnern an die Einstellung besonders konservativer Großeltern: Kinder soll man sehen - aber nicht hören! Wenn er mich schon nicht töten und alsdann entsorgen lassen kann, so wünscht er sich von mir zumindest, dass ich quasi unsichtbar werde, irrelevant für seinen Alltag.

Als Araghast mich damals zu den Zauberern schickte, gab es einen schriftlichen Bericht zu den Ergebnissen. Wenn ich so darüber nachdenke... ich habe ihn nie selber zu Gesicht bekommen. Warum eigentlich nicht? Nun ja, jetzt ist das auch nicht mehr wichtig. Mir wurde davon erzählt. Aus dem Bericht ging unter anderem hervor, dass meine Problematik von einem übermäßigen Kontakt zu Vampiren herrühren mochte. Eine Aussage, die ich nicht im Geringsten in Zweifel ziehe! Ich hatte viele Berührungspunkte mit dieser Spezies, die deutlich meisten davon waren von unschöner Natur, wenn nicht sogar eine Gefahr für meinen Körper und Geist. Der Bericht legte aber auch den Schluss nahe, dass ich theoretisch von selbst wieder heilen könne, insofern man mich völlig isoliert von telepathischen Einflüssen unterbringen würde. Meine rückhaltlose geistige Zugänglichkeit ist sozusagen das Gegenstück zu einer sehr tiefen, offenen Fleischwunde. So, wie man einem Kind verbietet, an dem Schorf seiner Verletzungen zu pulen, so müsste man mich vermutlich einige Wochen oder Monate fernab von anderen Gedankensphären zur Ruhe kommen lassen, um den Effekt des immer wieder unterbrochenen Heilungsprozesses zu vermeiden. Jeder neue Gedankenkontakt mit Racul oder Sebastian ist wie das Abreißen eines Verbandes von meiner Seele und wirft mich wieder auf den Anfang zurück. Die Herren sind sich dessen durchaus bewusst. Aber es ist ihnen egal. Die benötigte Zeit, um den Defekt ursprünglich zu beheben, wird mir keinesfalls zugestanden. Immerhin bedürfte es dazu einer weiten Reise, um mich zu isolieren, auch – oder vor allem – von Raculs Einfluss. Und diesen will er sich nicht mehr nehmen lassen! Es besteht schließlich immerzu die Gefahr, dass mich jemand ortet, der dies nicht darf. Das Erarbeiten einer gedanklichen Barriere steht unabhängig davon auf meinem vorgegebenen Tagesplan. Und da Maganes Kräutermischungsvorrat sich allmählich seinem Ende nähert, so dass der Tee streng für etwaige "Notfälle" rationiert werden muss, bleibt Racul nur noch das ferngesteuerte Ausschalten meines Bewusstseins, um mich kurzfristig vor "Dummheiten" zu bewahren. Wozu ich mich wieder in seiner direkten Umgebung befinden muss. Wie man sieht, ein dämonischer Kreislauf ohne echte Hoffnung.

Trauerschleier


Meine Rückkehr nach Ankh-Morpork geschah in jener Nacht, die auf die erste Einnahme der Teemischung folgte. Ich stand voll unter ihrer Wirkung, war eingehüllt in Stille. Und in das schlichte Gewand einer Witwe. Mein Armgeschirr hatte ich, nach dem Anlegen der gereichten Kleidung, in der Hütte zurücklassen müssen. Raculs Handlanger legte mir eine schwarze Augenbinde an und zog mir zuletzt den weit herunterreichenden Trauerschleier über das Gesicht. Dann hakte er mich unter und führte mich aus dem Keller heraus ins Freie. Der Wind war frisch und roch kräftig nach Kohl. Wir stiegen in eine geschlossene Kutsche und ließen die Sto-Ebene hinter uns. Es war ein extremes Gefühl, die ganze Strecke über mit verbundenen Augen dicht neben einem so tödlichen Gegner zu sitzen. Jede Unebenheit des Weges ließ das Gefährt rucken und schwanken, so dass ich ständig mit meinen Ellenbogen und den Beinen gegen ihn stieß. Und doch... keiner von uns sagte ein Wort. Er, weil er es für unter seiner Würde betrachtete, ich, weil es mir seit dem Trunk nicht mehr möglich war. Meine Stimmbänder waren verstummt, meine Gedanken in meinem Kopf verschlossen. Und beides würde auch noch viele Stunden über so bleiben. Lange genug, um mich in das neue Haus zu schaffen, ohne einen lauten Zwischenfall auf offener Straße zu riskieren. Wir erreichten die Stadt und damit die Torkontrollen. Meine Hoffnung, vielleicht entdeckt und heroisch befreit zu werden, zerschlug sich schnell.
"Eine falsche Bewegung und deine Kollegen dürfen einen weiteren verschwundenen Kameraden betrauern, haben wir uns verstanden?"
Dieser Hinweis war mir Warnung genug gewesen. Und wie sich herausstellte, musste ich dazu nicht einmal schauspielerische Leistungen vollbringen. Es wurden zwar strenge Fuhrwerkskontrollen durchgeführt – aber ausschließlich an den Kutschen, die die Stadt verließen! Ich hörte die Torwachen, wie sie einander zuriefen und hin und her eilten. Unser Gefährt wurde flüchtig bemerkt, der Wächter sah auf Sebastians Seite des Wagens zu diesem auf, bestand aber nicht einmal darauf, dass wir den Verschlag hätten öffnen sollen. Nach einem ebenso kurzen wie bedeutungslosen Wortwechsel winkte er uns weiter, um zum nächsten Wagen zu eilen, der in die entgegen gesetzte Richtung unterwegs war.
Sebastian an meiner Seite lachte amüsiert in sich hinein, als man uns passieren hieß. Ich wandte mein verschleiertes Gesicht ab und musste schwer schlucken.
In der Stadt angekommen fuhren wir eine verhältnismäßig lange Zeit über umher, ehe wir endgültig hielten und ich zum Aussteigen gezwungen wurde. Allerdings wage ich nicht, daraus irgendwelche Rückschlüsse auf die zurückgelegte Strecke innerhalb der Stadtmauern ziehen zu wollen. Es wäre geradezu zu erwarten, dass Sebastian dafür gesorgt hat, dass wir eine Zeit lang sinnlos herumfuhren.
Beim Aussteigen muss meine ansteigende Nervosität sehr offensichtlich gewesen sein. Sebastians Griff um meinen Unterarm war unnachgiebig. Doch die kräuterinduzierte Barriere um mein Selbst hielt uns eisern getrennt, es kam kein innerer Zugriff zustande. Der steife Schleierstoff raschelte penetrant an meinen Ohren. Es waren Leute unterwegs, doch sie waren zu weit weg, um mir von Nutzen zu sein. Zumal Sebastian mich nun recht hastig voran zog. Ich wurde über einen kleinen Treppenabsatz geführt, ehe es in das Innere eines Hauses ging. Ein Flur führte erst geradeaus, dann um eine Ecke. Ich hörte eine dünne Brettertür gehen, dann folgte eine Treppe hinab. Diese war schmal und zog sich unerwartet in die Länge. Und dann... ja, dann folgte das, was ich nur "das Labyrinth" nennen kann. Ein wirrer unterirdischer Irrgarten verwinkelter Gänge und Flure.

Überzeugungen


Ich fröstele bei der Erinnerung an meine Ankunft hier. Der Abend, an dem ich Racul kennen lernen sollte, das erste Mal von Angesicht zu Angesicht. Den Vampir, der sich für meinen Besitzer hält! Allein der Gedanke daran, wie grausam überheblich sein Standpunkt in dieser Sache ist, völlig ignorant was meine Bedürfnisse und Wünsche anbetrifft, so archaisch, veraltet... falsch! Ich gehöre niemandem! Aber was nützt mir diese Überzeugung, wenn ich sie ihm nicht begreiflich machen kann? Er ist ungerührt von allem, was ihn umgibt. Er ist wahrhaft alt, unverändert von den verstreichenden Jahrzehnten, unbelehrbar. Für ihn hat nur Bedeutung, was ihn interessiert. Und das ist vornehmlich sein eigenes Wohl. Er ist wahnhaft paranoid, seine Zurückgezogenheit von der Außenwelt ist meiner Meinung nach krankhaft, was alles noch schlimmer macht. Denn er hat sich schon so lange selber vor den Augen der Scheibe verborgen, dass es nahezu unmöglich werden könnte, mich in seinem Unterschlupf aufzuspüren. Falls meiner Familie oder meinen Freunden ernsthaft daran gelegen sein sollte, das zu versuchen. Je länger ich hier bin, desto deutlicher wird mir das. Es ist Sebastian, sein Sprachrohr, der den Kontakt zur Außenwelt für ihn aufrechterhält. Sebastian ist der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um Notwendigkeiten oder Annehmlichkeiten der Versorgung hier geht. Racul hingegen hat sich in der Finsternis eingenistet, wie eine Kakerlake im Dreck. Ihm genügt es, die geistigen Fühler auszustrecken, seine kriminellen Machenschaften aus dem Verborgenen heraus zu lenken, während sein unsterblicher Körper in der Eiseskälte eines Sarkophags verrottet. Und "verrotten" ist dabei kein allzu hoch gegriffener Begriff!

Erste Begegnung


Ich stand inmitten eines kahlen Raumes, als Sebastian meine Hand abschüttelte und wortlos damit begann, mir Schleier und Augenbinde abzunehmen. Irgendwo außerhalb des Raumes musste er ein Licht abgestellt haben, ehe wir ihn betraten, doch das Flackern erreichte uns durch den Türdurchbruch nur noch als vager Abglanz, der leicht unsere Konturen betonte. Ich sah mich nervös um, konnte aber nichts erkennen, was unseren Stopp erklärt hätte.
Sebastians frischer Minzgeruch entfernte sich leicht von mir, als er etwas hinter mich trat und dort, wie ich überrascht bei einem Blick über meine Schulter feststellte, mit vor dem Körper ineinander gelegten Händen abwartend stehen blieb.
Ein Strudeln erfasste die Luft vor mir und ich wich instinktiv zurück. Etwas nahm Form an. Gleichzeitig breitete sich ein unangenehmer Geruch aus. Säuerlich, bitter und staubig. Die Gestalt wurde zu einem großen, dürren Mann, sein Schädel kahl mit tief liegenden Augenhöhlen und faltiger, fleckiger Haut. Lediglich zerzauste Augenbrauen wie aus grauem Draht waren ihm geblieben und schmale Lippen, so blass und dünn, dass sie wie ein Schnitt zwischen schlaffen Hautfetzen wirkten. Die extrem langen Eckzähne eines Vampirs ließen keinen Zweifel an seiner Spezieszugehörigkeit. Sie ragten ungewöhnlich schmal über sein Kinn herab, spitzer und schärfer, als ich jemals zuvor welche gesehen hatte, wie in einem ewig währenden Angriff ausgefahren. Seine Augen richteten sich mit kaltem Funkeln aus den umschatteten Bereichen des Gesichts auf mich.
Eine Aura aus Macht traf mich. Ich blinzelte stumm den Schmerz aus den Beinen fort, als ich plötzlich kniend zu ihm aufsah.
Hatte ich zuvor bei meiner Vermutung Sebastian gegenüber eine gewisse Unsicherheit verspürt, waren in diesem Augenblick sämtliche Zweifel dazu, mit wem ich es hier zu tun haben mochte, restlos beseitigt. Racul!
Seine Lippen teilten sich, um ihm einen tiefen Atemzug zu ermöglichen. Der Vorgang schien ihm schwer zu fallen. Er atmete ebenso mühsam wieder aus. Ein Schwall dermaßen Übelkeit erregender Luft traf mich, Leichengeruch der schlimmsten Sorte, dass mir bittere Galle in der Kehle emporstieg.
Er beugte sich etwas näher zu mir herab, um mich zu begutachten, und ich hielt so lange wie möglich die Luft an. Seine Stimme war kaum mehr als ein leises Flüstern, rau und krächzend, in keiner Weise mit der wohl tönenden Präsenz zu vergleichen, die ich normalerweise auf gedanklichem Wege von ihm empfing.
"So siehst du also aus." Er runzelte die Stirn und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. "Ich dachte mir, es wäre angemessen, dich in persona willkommen zu heißen. Sieh' es als Ehre an! Es geschieht nicht mehr oft dieser Tage, dass ich meinen Körper erhebe, richtig, Sebastian?"
Die Stimme des Angesprochenen klang ungewohnt demütig, als er wie gewünscht antwortete.
"Ja, Herr, eine seltene Ehre, die ihr da zuteil wird."
In mir stiegen verzweifelte Fragen empor - die ich jedoch nicht auszusprechen imstande war. Mühsam kam ich wieder auf die Beine, während ich meine Hand frustriert zur Faust ballte und dieses Monstrum anstarrte.
Racul betrachtete mich eine Zeit lang schweigend. Seine dürren Krallenhände hoben sich fast wie von selbst und falteten sich in einer unbewussten Geste locker über seinem Brustkorb. Seine heisere Stimme wisperte kaum hörbar zwischen den Wänden umher.
"Lass dich nicht von meinem Äußeren täuschen. Dieser Körper hat wahrlich schon bessere Tage gesehen. Das ist mir bewusst. Aber, wie du aus eigener Erfahrung wissen solltest: Meinem Geist hat die lange Ruhe nichts anhaben können! Du hingegen bist noch so jung und trotzdem schon dermaßen... verdreht und unbrauchbar. Es ist zur Abwechslung höchst erfreulich, dass dein Mitleid heischendes Gejammer verstummt ist." Ich konnte nicht verhindern, dass ich mich bei diesen Worten unwillkürlich verkrampfte. Woraufhin er gespenstisch lächelte. "Wenn es nach mir ginge, bekämst du nichts anderes mehr zu trinken. Leider, leider war deine Kollegin nicht vorausschauend genug, einen größeren Vorrat dieser Wundermischung anzusetzen. Die Wirkung wird also nicht ewig anhalten. Und dann ist es an mir, den Schaden auf andere Art einzudämmen. Es wird dir nur gut tun, deine Gedanken endlich zu zügeln und den dir zustehenden Platz einzunehmen."
Tränen der Frustration und des Verlustes drohten sich Bahn zu brechen und in Ermangelung einer sprachlichen Alternative gab ich dem kindischen Impuls nach, meine Hand vorzustrecken und den greisen Vampir von mir zu stoßen.
Er wurde tatsächlich überrascht. Er fing sich mit einem torkelnden Schritt wieder und starrte mich wortlos an.
Sebastian war sofort an meiner Seite gewesen und hielt meine noch immer erhobene Hand mit schmerzhaft festem Griff am Gelenk umklammert. Ich ignorierte ihn und richtete stattdessen meinen unnachgiebigen Blick auf die dunklen Augen mir gegenüber, während ich den Kopf schüttelte.
"Ach?", bemerkte Racul mit trockenem Unterton in seiner heiseren Raspelstimme. "Du möchtest also nicht mit mir zusammenarbeiten, sehe ich das richtig?"
Ich starrte ihn weiter böse an.
Er hob einen der Mundwinkel leicht an, was fast wie eine Gewebezuckung aussah. Seine Stimme wurde leiser, bis sie sich nahezu verlor. "Ist das so? Nun, was hätte ich auch anderes erwarten sollen, nicht wahr? Ich bin kein Unmensch. Ich gewähre dir eine Bedenkzeit." Er wandte sich von mir ab. "Sebastian, du wirst dich um sie kümmern. Ich wünsche keinerlei Vorfälle. Ich lasse dir aber freie Hand darin, was ihre Unterbringung und Betreuung anbetrifft. Du wirst etwas Angemessenes finden, um sie Dankbarkeit und Respekt zu lehren, da bin ich mir sicher. Und dann sehen wir weiter."
"Ja, mein Herr. Wenn das dann alles wäre?"
Racul sah mich für einen Moment direkt an, ehe er meine Existenz so weit wie möglich verdrängte. "Das wäre in der Tat vorerst alles, Sebastian." An der Stelle, an der er eben noch dicht vor mir gestanden hatte, fiel ein tiefschwarzer Strudel zu einem wabernden Wolkenberg in sich zusammen, ein eisiger Wind fegte durch den Raum, verwehte den Fäulnisgestank... und dann waren Sebastian und ich plötzlich allein.
Er zog mich durch den Wanddurchbruch mit sich. Noch im Gehen nahm er die Kerze auf. Gemauerter Gang reihte sich an gemauerten Gang, unzählige Türen und andere Gänge zweigten ab, bis wir vor einer Tür stehen blieben, die deutlich mehr Metallbeschläge als die übrigen aufwies. Sie wirkte auf archaische Weise alt; stabil und trutzig, heruntergekommen und vernachlässigt. Er schloss sie mit einem schweren Schlüssel auf und schob mich voran ins Dunkle, während er die Kerze davor abstellte. Hier war es nasskalt. Ich hörte gedämpft das Rauschen und Plätschern schnell fließenden Wassers. Er schloss die Tür hinter uns und die Finsternis wurde vollkommen.
"Bleib stehen! Genau dort!" Seine Stimme entfernte sich, dann klirrende und scheppernde Ketten, laut vernehmliches Quietschen von einem Handrad und einer Seilwinde, Metallglieder, die aneinander schlugen. Das Geräusch kam zu großen Teilen von über uns und es senkte sich herab. Es endete in einem lauten Pochen von schwerem Metall auf festem Holz. Der Laut eines quietschenden Metallgitters, das geöffnet wurde. Die Geräuschkulisse jagte mir Schauer über den Rücken.
Sebastian packte mich wie aus dem Nichts heraus im Genick und schob mich voran. Ich stolperte über eine Metallkante und fiel mit meiner freien Hand voran, versuchte mich dabei abzustützen. Ich landete auf einer Strohmatte, unter der ich die festen Stangenverstrebungen eines Gitters ertastete. Hinter mir fiel krachend die Käfigtür zu und schon setzte wieder das Quietschen ein. Ein Ruck ging durch das Gehäuse. Ich fiel ungeschickt auf die Seite, in dieser stark schwankenden Gitterbox, während das Kettengerassel vom ohrenbetäubenden Kreischen des Metalls begleitet wurde. Bald schon schwang ich frei in der Luft, ein Umstand, den ich nicht zu sehen brauchte, um ihn zu wissen. Ein lautes Schaben und Poltern unter mir war zu hören. Das Rauschen wurde lauter - eine Abdeckung war entfernt worden und ich spürte Schwindel erregende Tiefe unter mir. Dann begann ich zu frieren.

Überlebensstrategie


Und im Grunde habe ich seit dieser Ankunft hier nicht mehr damit aufgehört, zu frieren. Ich möchte nicht behaupten, man könne sich daran gewöhnen. Aber man lernt, damit umzugehen. Manchmal mache ich - im Rahmen meiner räumlichen Möglichkeiten - kleinere Übungen, wie der Kommandeur sie mir für unser Training beigebracht hatte. Wenn ich einen guten Tag erwische, wärmt mich das eine Weile. An schlechten Tagen geht dieses Bemühen allerdings nach hinten los und resultiert nur in kaltem Schweiß und Kreislaufproblemen. Dann wieder schmeichele ich den beiden Igors und bitte sie aufs Freundlichste, mir wärmenden Tee zu bringen. Bei ihr funktioniert das besser, als bei ihm. Und zu meiner Schande muss ich gestehen: Zu meinem Weg, mit der Kälte umzugehen, gehört es auch, einen Teil der Konfrontationen mit Sebastian zu vermeiden, wenn es sich denn so anfühlt, als wenn ich weitere dunkle Stunden ohne eine der Decken nicht überstehen könnte.
Inzwischen denke ich aber, dass ein nicht unerheblicher Teil der Kälte mit meinem Kopfproblem zu tun hat. Bei weitem nicht der größte! Diese Folterkammer ist schlicht und ergreifend ein klammes Loch in der Erde! Aber wann immer es an der Zeit ist, mich meinem Unterricht durch Racul zu unterziehen, wird es deutlich schlimmer.

Sturmschäden


Magane hatte damals nicht die Zeit gestoppt. Meines Wissens müssen es aber etwa 18 Stunden gewesen sein, die die Teemischung ihre Wirkung auf mich beibehielt. Zu lange für einen normalen Verdauungszyklus, zu kurz für eine rein magische Wirkung. Irgendwie war es genau diese abgemilderte 'Kraft' in Maganes Mischungen, die mich echtes Vertrauen in ihr Können fassen lassen hatte. Aber auch 18 Stunden laufen irgendwann aus und so kam schon sehr bald, nach meiner Gefangennahme im Hause Raculs, der unausweichliche Moment, in dem die Wirkung des Tees nachließ.
Ich merkte es sofort. Und ich war nicht die einzige!
Noch ehe ich den Entschluss fassen konnte, mich mithilfe dieses Gedankenfluches an die Außenwelt zu wenden, war da die allumfassende Präsenz des alten Vampirs. Seine Gedanken tröpfelten und rannen in mein Inneres, wie Regengüsse in ein schwer sturmgeschädigtes Haus! Ich fror so erbärmlich, bei dieser ersten unbeabsichtigten Invasion seines Geistes in den meinen, dass mir sofort klar war, dass diese Kälte unnatürlichen Ursprungs war und mit keiner Decke der Welt gemildert werden konnte.
Für einen Sekundenbruchteil erinnerte ich mich an unseren allerersten gemeinsamen Moment, diese schrecklich verfahrene Situation, als der große Vampirclan die Stadt belagert hatte und wir Wächter dazu genötigt wurden, zum Schutze Ankh-Morporks geistige Bündnisse mit denjenigen heimischen Vampiren einzugehen, die dazu bereit gewesen waren. Ich hatte das damalige Empfinden verdrängt gehabt aber jetzt war es mir plötzlich wieder glasklar vor Augen: eisiger Schmerz! Racul hatte mich rücksichtslos mit seiner Persönlichkeit eingenommen, hatte regelrechte Eis-Schneisen durch mein Selbst geschlagen, wie ein Orkan aus frostigen Glassplittern. Und dann hatte er mich aus der Ferne gelenkt, gleich einer Marionette, mit deren Handhabung er seit Jahren vertraut war. Ich hatte es überstanden. Natürlich! Immerhin gab es damals Dringenderes als meinen Zustand! Und als er von mir abgelassen und mir wieder selbständiges Handeln zugestanden hatte, fand ich mich damit ab, dass das zwar keine angenehme Erfahrung gewesen war, dass ich ihr aber irgendwie auch zugestimmt hatte, als ich ihm den Zutritt zu meinem Geist gewährt hatte. Er hatte nur getan, was Nötig gewesen war, die Situation war nun einmal brenzlig gewesen, wie hätte er sich da die Zeit für Feingefühl nehmen sollen? Und ich sagte mir, dass er mir mit seiner eigenmächtigen Dominanz letztlich das Leben gerettet hatte. Das musste Vieles entschuldigen.

"So beginnt es nun also. Ich hatte nicht mit einer dermaßen angewachsenen Reichweite gerechnet. Ich denke, es ist noch einmal schlimmer geworden. Aber ich werde dem Ganzen einen Riegel vorschieben!
Ein Strom aus Bildern, Gedanken, Eindrücken und Erinnerungen sickerte allerorten in mich hinein!

Ein leeres Haus, finster und heruntergekommen, dem Verfall preisgegeben.
Ein leuchtend goldener Sonnenfleck auf dem Dielenboden, warm und wunderschön aber auch gefährlich.
Der durchdringende Schrei eines Raubvogels inmitten des üblichen Stadtlärms.
Das Lachen einer Frau, tief und melodisch, erotisch.
Eine zitternde Hand, überzogen von frischem Blut... das sichtliche Nachlassen des Zitterns... dann das ruhige Schließen der Hand zu einer Faust.
Ein Streit zwischen zwei Männern, erhobene Stimmen... ein großes Bedauern in der Brust, ein Klumpen so schwer wie Blei... ein Verblassen... Vergessen... Gleichgültigkeit.
Verstreichende Zeit, Jahre, Jahrzehnte...
Die Einsamkeit des Mächtigen, Zurückgezogenheit, Sicherheit, Zufriedenheit ohne Zweifel... Zweifel...

Raculs Worte donnerten wie mächtige Sturmböen durch mich hindurch. Du spionierst mich aus? Nein! Das gestatte ich dir nicht!" Und sofort darauf traf mich ein geistiger Schlag, der mein gesamtes Selbst zu Boden schickte. Der Strom aus Eindrücken kehrte sich um und ich hatte das Gefühl, zu verbluten. Und wenn ich so etwas denke, dann spreche ich dabei aus Erfahrung! Ich weiß immerhin wirklich, wie es ist, wenn einen Sekunde um Sekunde das verlässt, was einen am Leben erhält!
Ich blinzelte, als die schwere Kerkertür sich nach lautem Schlüsselgeklirre öffnete und Sebastian mit hoch erhobener Lampe die Kammer betrat. An seiner Seite die Igorina.
Ich konnte mich kaum rühren, so schwer wog die Last der unsichtbaren Fessel um meinen Geist! Mein Gesicht lag auf dem Bodengitter und ich blickte in einen lichtlosen, scheinbar bodenlosen Abgrund. Racul hielt mich umklammert, ich kann es nicht anders beschreiben. Er drückte mich gestaltlos nieder, zermalmte allein mit der Kraft seines Willens jeden meiner Gedanken an Widerstand. Ich konnte nicht verhindern, dass mir die Tränen kamen. Es hatte keinen Sinn, gegen ihn anzukämpfen!
Die Igorina schob die schwere Bohlenplatte an ihren Platz unter meinen Käfig und ließ diesen herab, während Sebastian lediglich im Türrahmen stehen blieb, um die Lichtquelle zu halten. Mein Käfig landete auf den Brettern und wurde geöffnet. Sie packte mich mit kräftigem Griff und drehte mich auf die Strohmatte zurück. Als ich dort auf dem Rücken lag, begann sie mich systematisch zu untersuchen. Als ich mir sicher war, dass sie meinem Blick bewusst auswich, schloss ich resigniert die Augen, ließ die Tränen lautlos laufen und die unpersönliche Fürsorge schweigend über mich ergehen.
"Der Herr schröpft fie. Wenn wir nicht auf fie achten, könnte ihr Körper deutlich stärker auskühlen, als er ef berücksichtigt. Vorsichtshalber würde ich fagen: Decken und etwas Warmes zu Trinken. Dringend!"
Mein Blickfeld wurde dunkler, als wenn die Lampe heruntergedreht würde und das omnipräsente Stimmenrauschen aus dem Hintergrund vermischte sich mit einem anschwellenden Rauschen im Vordergrund. Eine Hand legte sich an meinen Hals und wärmte ihn, die Stimme der Igorina wurde leiser, veränderte sich. "Ich bin mir nicht sicher, ob dem Herrn bewusst ist, wie ftark er in ihren Kräftehaushalt eingreift. Vielleicht solltet ihr ihn darauf hinweisen, Herr? Wenn er fo weitermacht, dann..."

Schule des Lebens


Racul hat mich nicht umgebracht. Weder an diesem ersten Tag, noch später. Er gibt sich Mühe, sein Temperament zu zügeln. Was ihm nach so langen Jahren ohne direkte Widerworte schwer fällt. Und dazu kommt, dass ich es ihm nicht leicht mache. Oftmals nicht einmal mit Absicht! Es gibt eben Instinktreaktionen, die sich kaum abschalten lassen. Seine Gedankenkontrolle ist beeindruckend. Doch sie ist nicht perfekt. Wie oft bin ich inzwischen mit mörderischen Gedanken aus einem leichten Schlummer aufgeschreckt, mit Planungen für Angriff und Vergeltung, die nicht meine eigenen waren? Ich weiß von Verbrechen, die er in Auftrag gegeben hat, von denen ich niemals etwas hätte wissen wollen oder sollen. Was seine Haltung, mich niemals wieder gehen lassen zu können, leider unterstreicht. Als wir uns noch nie begegnet waren und die zwischen uns liegende Entfernung es etwas einfacher machte, bestimmte Bereiche seines Geistes vor mir abzuschirmen, da hatte ich ernsthaft gedacht, er sei vielleicht eine missverstandene Seele, ein mächtiger alter Geschäftsmann, den ein erfülltes Leben Verlust gelehrt und ihn so verhärtet hatte. Doch jetzt, wo unsere Gedanken ineinander übergehen, werde ich niemals wieder zu dieser naiven Hoffnung zurückkehren können. Er ist ein Mörder. Und zwar ein vielfacher und ein reueloser! Er nimmt sich, wonach es ihn verlangt und lediglich Männer und Frauen seiner eigenen Art ringen ihm einen Moment des Zögerns ab, wenn sie ihm im Wege sind. Andere Spezies, vor allem wir Menschen, sind nahezu bedeutungslos für seine Weltsicht. Allein der Nutzen, den man ihm mit der eigenen Existenz bieten kann, entscheidet im Ernstfall darüber, ob er einen am Leben lässt oder nicht. Oder eben in meinem Fall der Schaden, den das eigene Verschwinden ihm zufügen könnte.
Mein Einstand in seiner Domäne war Weichen stellend, wenn man so will. Er hat es sich zur Gewohnheit gemacht, das Lästige mit dem für ihn Nützlichen zu verbinden. Es gibt Phasen, in denen ich das Empfinden habe, mich langsam zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen. Dann beginne ich Pläne zu schmieden, vorsichtige Pläne. Ich versuche, einen Teil des mentalen Schirms, den Racul um mich herum aufrechterhält, abzuzweigen, um meine Gedanken auch vor ihm zu verbergen. Dabei gebe ich mir größte Mühe, das Gelernte aus seinen "Unterrichtseinheiten" anzuwenden, es für meine heimlichen Zwecke zu nutzen. Meine vorsichtige Zurückhaltung zu diesen Zeiten kommt seinen großen Plänen stark entgegen, weswegen er mich manchmal eine Zeit lang in dem Glauben lässt, es würde mir gelingen, meine Absichten zu verschleiern. Dann verhält er sich nahezu freundlich, indem er mich nur selten gedanklich heimsucht. Er gibt mir geduldige Erklärungen zur Theorie der Gedankenkontrolle und weist großzügige Essensrationen an, mehr Decken, mehr warmen Tee, Kerzen und manchmal sogar Wasser, Seife und gewärmte Handtücher. Doch sobald meine Pläne sich konkretisieren oder ich sogar offen rebelliere, indem ich einen weiteren Versuch unternehme, seine Gedankenbarriere um mich einzureißen und mich nach Draußen zu strecken... wann immer etwas davon geschieht, zeigt er wieder sein wahres Gesicht. Und das besteht darin, dass er mich als leicht zugängliche Energiequelle auserkoren hat! Der Moment meines Aufbegehrens, in welcher Form auch immer, ist für ihn nunmehr das Zeichen dafür, dass die Reserven sich wieder gefüllt haben, gleich einer Regentonne, und dass diese Kräfte ihm ab sofort zur Verfügung stehen. Jeder Versuch meinerseits, einen Ausweg aus meiner Situation zu finden, endete deshalb bisher damit, dass er auf mich zugriff und mich auslaugte. Igor und Igorina finden sich in solchen Zeiten sehr schnell an meiner Seite ein. Und stets sind sie es, die ihm eine Warnung zukommen lassen, sobald der Verlust mir merklich zuzusetzen beginnt. Ich denke, dass er kein gutes Empfinden dafür hat, wo die Grenzen dessen liegen, was ich aushalten kann. Vielleicht sind wir uns dafür zu nahe? Ich weiß jedenfalls aus dem, was ich von ihm empfange, dass er mich normalerweise kaum wirklich wahrnimmt, ich bin für ihn wie ein kleines Insekt, dessen sirrendes Geräusch ihn umschwirrt und ihm lästig ist. Unsere Konfrontationen sind für ihn kurze Momente, die sich in Zwischenfälle der angenehmen und solche der unangenehmen Sorte unterteilen lassen. Als unangenehm empfindet er es, wenn ich ihn mit meiner Trauer oder meinem Zorn behellige, wenn ich ihn um etwas bitte oder schlichtweg zu erschöpft bin, um mich seinen Anweisungen zu fügen. Die für mich so schrecklichen Momente, in denen er mir meine Kraft raubt, sind hingegen für ihn Zeiten der Behaglichkeit. Er empfindet den Energiestrom als ‚wärmend’. Im Anschluss hat er zudem Ruhe vor mir, da ich lange brauche, um mich von seinen Attacken zu erholen. Und der Kreislauf beginnt von Neuem. Besonders bitter daran ist seine Argumentation, dass ich selber Schuld sei, wenn er von mir nehmen müsse, da ich es schließlich sei, die zuvor von ihm genommen hätte - wegen der benötigten Energie für unsere gemeinsame Gedankenmembran!

Es liegt nahe, dass ich mich in meiner unbeaufsichtigten Zeit vermehrt der Frage nach seinen Schwächen widme. Einige sind unübersehbar. Er ist paranoid und übertrieben vorsichtig. Er meidet das Sonnenlicht in einem so umfassenden Maße, dass er längst den Bezug zur Außenwelt verloren hat. Er ist überheblich und arrogant. So sehr, dass er es billigend in Kauf nimmt, mich aus dem Blick zu verlieren, solange ich mich nicht durch Unvorsicht oder Ungeschick von selbst in seinen Fokus rücke. Er ist so ungeduldig mit mir, dass er seine eigene Energie darauf verwendet, nicht nur meine Tarnung aufrechtzuerhalten, sondern auch eine Art ‚Sichtschutz’ zwischen unser beider Gedanken zu speisen! Womit ihm Details schlichtweg entgehen. Und er ist beunruhigend rücksichtslos in seinen Ernährungsgewohnheiten! Was noch vorsichtig formuliert ist.

Raculs paranoide Ängste schließen mich gewissermaßen ein. An vielem in unserem Verhältnis zueinander können wir schlichtweg nichts zum Positiven ändern, wir sind dazu verdammt, immer wieder an unseren Erwartungen aneinander zu scheitern. Er wünscht sich ebenso von mir erlöst zu sein, wie ich es von ihm ersehne. Nur wäre er dafür mit Freuden bereit, über meine Leiche zu gehen. Ist es Feigheit? Allein der Gedanke, ihn für meine Freiheit zu töten... ich will ihn nie wieder sehen, ganz gewiss! Ich wünschte, ich hätte ihm niemals den Zugang zu meinem Innersten gestattet! Aber ihn zu vernichten? Nicht, dass ich mich rein körperlich dazu überhaupt imstande sehen würde...
In seinen Überlegungen hat sich jedenfalls der Gedanke festgesetzt, dass er mich meiden muss. Ich lebe also zumindest in der einen Gewissheit, dass er nicht einen Tropfen meines Blutes anrühren wird. Ebenso wenig, wie er dies seinem Handlanger gestatten würde.

Sonnenaufgang


Ich stutze. Warum schleichen sich gerade jetzt diese Gedanken in meinen Geist? Ich setze mich mit einem Ruck aufrecht und mein Blick hastet sinnlos durch die finstere Kammer. Ich spüre den bodenlosen Schacht unter mir. Ich schlucke schwer und strecke die Hand aus, um mich klammernd am Gitter meiner Behausung festzuhalten, um dem Schwindelgefühl etwas entgegen zu halten. Der befürchtete Hunger bricht sich in mir Bahn und mir wird übel.
„Nein! Nein, bitte nicht!“, flüstere ich verzweifelt. Meine Stimme wird nahezu verschluckt vom Widerhall des fließenden Wassers in der Tiefe. Ich versuche krampfhaft die Augen offen zu halten, nicht zu blinzeln, denn wenn ich sie schließe, sei es auch nur für kurz, dann werde ich damit meinen ganzen Körper abschotten, das Außen ausblenden und in das Innen versinken. Dann wäre ich dem ausgeliefert, was gleich in mir klingen wird, wie es das inzwischen schon mehrmals tat, seitdem ich hier festgehalten werde...
Meine Augenlider schließen sich und...
Begehren! Ein Bedürfnis, das tiefer reicht, als bloße Körperlichkeit.
Ich reiße die Augen verzweifelt auf, meine Hand verkrampft im Gitter.
„Bitte nicht!“ Ich kann nicht anders, ich springe auf, krieche auf den Knien zu der Käfigtür, rüttele am Gitter – das natürlich nicht nachgibt. Ich atme zu schnell aber das ist mir egal. Meine Stimme wird lauter, als ich flehentlich rufe, wenn auch ohne die geringste Hoffnung darauf, erhört zu werden. „Nicht! Racul, bitte, tue das nicht! Lass sie laufen!“
Ekstatische Vorfreude lässt mein Herz rasen, meinen Körper beinahe kollabieren vor Aufregung. Ich fühle mich zugleich leicht und beschwingt und so elend, dass ich schreien möchte.
Der Käfig schwankt inzwischen bedenklich aufgrund meiner wilden Verzweiflung, die Kettenglieder der Aufhängung protestieren quietschend.
Hitze flammt in meiner Kehle auf, rinnt in heißen Bächen aus Feuer durch mich hindurch, fällt gleich zerberstender Glut in meinen Magen, züngelt sich wie winzige Lavaströme in die tausend Verästelungen meiner Lunge. Ich schnappe keuchend nach Luft, pralle zurück von der Wucht der Empfindungen.
Genugtuung! Erfüllung! Irgendwo in der Fülle der Emotionen flattert ein schwaches Zünglein aus Hoffnungslosigkeit, wie die weiße Feder, die inmitten eines Sturmes von den Böen gepackt umhergeschleudert wird, zum Landen verurteilt, niemals wieder danach dazu imstande, sich zu erheben, dazu bestimmt, zertreten zu werden. Dann das kurze Staunen, das Verlöschen!
Meine Stirn senkt sich gegen das kalte Metall der Streben. Ich schmecke Blut. Die Barriere zwischen seinem und meinem Geist verblasst, wie der Sichtschutz eines dünnen Schleiers, durch den sich das intensiver werdende Licht eines prächtigen, tiefroten Sonnenaufgangs abzeichnet. Die Bilder seiner Leidenschaft sinken in mich hinein. Er ist in vielem traditionell eingestellt, nicht jedoch in der Frage der Zustimmung. Die junge Frau hatte, nachdem sie Sebastian in die Fänge geraten war, nicht die geringste Überlebenschance.
Ich will ihren leblosen Körper dort auf dem Boden seiner Gruft nicht sehen. Ich will nicht seine wohlige Zufriedenheit in mir selber spüren, die fremde Wärme in meinen kalten Gliedern!
Der Ekel steigt als unaufhaltsame Welle in meinem Magen auf und kurz darauf hänge ich würgend über dem Bodengitter.
Doch auch wenn ich die Augen davor verschließen will, ich weiß, dass ich den Anblick nicht wieder vergessen werde. Ebenso wenig wie die Bilder der vorangegangenen Opfer. Diese Frau war das zwanzigste Opfer, von dessen Tod ich seit meiner Ankunft hier Zeuge zu werden gezwungen war. Ich versuche, daraus Wahrscheinlichkeiten abzulesen, was die verstrichene Zeit angeht, allein schon deswegen, weil es mich von der Brutalität der Zwischenfälle ablenken soll. Doch es ist mir nicht möglich. Ich weiß nicht, ob seinen Taten Regelmäßigkeiten oder pure Genusssucht zugrunde liegen. Und ich will es auch nicht wissen! Die Gesichter der Toten verfolgen mich in den dunklen Stunden und mit ihnen die panische Frage, ob ich irgendetwas hätte tun können, um ihn aufzuhalten.

Distanz


Mein Geist versucht sich von alldem zu distanzieren. Ein Teil von mir will mir weismachen, dass es irgendeinen Nutzen hätte, Profile der Opfer zu erstellen, nach einem Muster im Verhalten des Täters zu suchen, nach Wahrscheinlichkeiten Ausschau zu halten, was sein zukünftiges Handeln betrifft. Diese Idee ist lächerlich, doch ich gebe mir Mühe, mich zu konzentrieren. Das Offensichtliche an Raculs Vorlieben springt mir wie jedes Mal auch jetzt wieder vor Augen: Er trinkt ausschließlich von jungen Frauen. Sie sind auf schlichte Weise ansehnlich, doch dabei unauffällig. Sie kommen nicht aus den Schatten, eher aus der ärmeren Mittelschicht. Vermutlich hält Sebastian sorgsam nach ihnen Ausschau, denn es dürfte schwieriger sein, solche Frauen zu entführen, als es das bei Mädchen aus den Schatten wäre. Aber jede von ihnen wirkte gepflegt und in einem bescheidenen Rahmen auf ihr Äußeres bedacht. Mir fallen immer mehr Details ein, die ich vor langer Zeit in den stillen Abendstunden gelesen und notiert habe. Unzählige Akten, die ich aus dem Archiv holte, um nach Ungereimtheiten Ausschau zu halten, nach unauffälligen Überschneidungen, nach Lücken in Aussagen von Zeugen, die in mehreren Fällen aussagten. Es war mir so wichtig gewesen, Informationen aus allen unseren Abteilungen zusammenzutragen, sie zu vergleichen. Zumindest, als mir das noch möglich war.
Der Gedanke an meine interne Verbannung und die rasend schnell wachsende Distanz der Kollegen zu mir, versetzt mir einen Stich, ehe ich das verhindern und ignorieren kann.
Ich lenke mich mit den Erinnerungen an die Aktenberge ab, die ich in meinem Büro angesammelt hatte. Hunderte handschriftlicher Notizen zu ungeklärten Vorfällen... auch zu Vermisstenanzeigen! Es gab ein Muster, das sich abgezeichnet hatte. Ich erinnere mich daran, dass sich mir irgendwann der schwer zu greifende Verdacht aufgedrängt hatte, dass es Zusammenhänge geben könnte und dass es vielleicht wirklich um nur einen einzigen Auslöser ging, bei einem Teil der Fälle, in denen wir es mit verschwundenen Frauen zu tun gehabt hatten. Frauen, deren Familien sich an die Wache gewandt hatten. Denen wir aber nie wirklich hatten helfen können. Ich erkenne in diesen vielen Hinweisen Raculs Geschmack wieder. Seine Vorlieben. Seine Aufträge!
Ich schlage mit der flachen Hand voller Wut gegen das Gitter.
„Frauen sind doch keine austauschbaren Güter, die vom Eselskarren fallen und vergessen werden, sie müssen doch gesucht werden, verflucht! Wie konnten wir nur aufgeben und sie im Stich lassen?“
Vielleicht, wenn die gesammelten Informationen damals nicht zuallererst zu dem für Rogi so fatalen Großeinsatz geführt hätten... vielleicht hätten sie mich dann, in einem zweiten Schritt, unbeabsichtigt ausgerechnet direkt auf Raculs Spur geführt? Waren meine Notizen ein weiterer Grund für ihn gewesen, mich aus dem Verkehr zu ziehen, bevor ich sozusagen schwarz auf weiß eine nachvollziehbare Indizienkette gegen ihn vorliegen gehabt hätte? Aber dazu hätte ich die Notizen doch erst noch viel genauer auswerten müssen?
Ich denke mit einem erstickten Keuchen daran, dass diese Notizen noch immer im Wachhaus liegen! Wenn man sie auswerten würde... wenn man sich die Zeit nehmen würde, meine begonnene Arbeit daran fortzuführen... dann könnte man vielleicht...
Ich schließe frustriert die Augen und lege den Kopf in den Nacken.
Niemals! Diese Notizen waren schon, als ich noch Stellvertretende Abteilungsleiterin bei RUM war, ein Sinnbild für meinen überdurchschnittlichen Arbeitseifer. Romulus ließ mich zwar an ihnen arbeiten aber auch nur deswegen, weil ich keine meiner eigentlichen Aufgaben vernachlässigte, die in seinen Augen wichtiger waren. Selbst wenn irgendwem in der Wache an der Fortführung meiner abendlichen Extrarecherchen gelegen gewesen wäre, durfte es inzwischen nahezu ausgeschlossen sein, die dafür nötige Zeit aufzubringen. Die Wache war schon immer unterbesetzt gewesen aber meine Entführung hatte gewiss zusätzliche Nachteile für die Kollegen nach sich gezogen. Meine Hinterlassenschaften waren sicherlich vor langer Zeit fortgeräumt worden, gesichtet nach Aktuellem... und Nebensächlichem, das keine Aufmerksamkeit beanspruchen durfte. Mina hatte schon zuvor alle Hände voll damit zu tun gehabt, sich in die laufenden Fälle einzuarbeiten und die Routinen am Laufen zu halten. Wie sollte da noch irgendwer die Notwendigkeit erkennen, alte Kartons aus dem Lager zurück zu holen, die man zusammen mit einer guten Portion von Erschöpfung und Enttäuschung eben erst in die hinterste Ecke verfrachtet hatte und zu vergessen trachtete?

Nein, es besteht für Racul keine Gefahr, aufgrund meiner alten Notizen ins Fadenkreuz zu geraten. Er wird weitere Frauen heranschaffen lassen, sich an ihnen nähren... unerkannt weiter morden. Wie gesagt: Es scheint, als wenn dieser Tod nicht für mich bestimmt ist. Aber ich verorte Raculs tödlichere Gewohnheiten innerhalb meiner gedanklichen Auflistung in der Kategorie ‚Schwäche’.

Ich seufze resigniert und zögere noch einen Moment, ehe ich das Unausweichliche akzeptiere. Ich werde wohl erst einmal ohne Wasser auskommen müssen, es wirkt nicht so, als wenn jemand nach mir sehen würde. Also hebe ich mit einigem Widerwillen meinen zerschlissenen Rocksaum, um mir Mund und Kinn abzutupfen. Dann krauche ich auf meine Strohmatte zurück und lege mich zusammengerollt darauf. Ich streiche mir mit zitternden Fingern das Haar aus dem Gesicht. Mein Körper strahlt regelrecht vor imaginärer Hitze, während ich zugleich zittere in der klammen Kammer.

Wenn ich doch nur wüsste, wie ich dieses Morden aufhalten könnte! Ich bin so nahe daran und doch hilflos! Racul und mich können nur wenige Räume trennen, einige Meter Luftlinie. Ich befinde mich in unmittelbarer Nähe zu einem Serienmörder und kann ihm nicht Einhalt gebieten.
Es geschieht nicht zum ersten Mal, dass sich mir die Überlegung aufdrängt, es müsse mir irgendwie möglich sein, auf geistiger Ebene einzugreifen. Fast bin ich versucht, diesen Ansatz von vornherein zu verwerfen. So oft liefen meine Versuche ins Leere. Ein Fehlschlag reiht sich an den nächsten. Wie sollte ich in einer Sache Erfolg haben können, in der ich meine Unfähigkeit bereits zur Genüge bewiesen habe? Dann rührt sich aber der Geist der Rebellion in mir. Diese Idee verfallen zu lassen, würde den ersten Schritt dahingehend bedeuten, aufzugeben. Es würde meinem Entführer in die Hände spielen. Und ich habe mir fest vorgenommen, nicht zu einem wehrlosen Ding zu verkommen, das man einfach irgendwo verwahren kann!
Ich flüstere: "Mina, du hattest Unrecht. Ich werde dir beweisen, dass ich kein Opfer bin!"
So schwer es mir fällt wieder einmal der Hoffnung Raum zu geben... ich lege mich auf den Rücken und beginne vorsichtig, das Gewölbe meiner Gedanken abzutasten, mein geistiges Territorium abzuschreiten.

Bodennebel auf tiefer Ebene


Die Grenze zwischen Sein und Mein verschwimmt. Das warme Glühen seiner Zufriedenheit steht zwischen uns. Es ist ausnahmsweise die Kälte, die ich suchen muss, in die ich mich langsam zurückziehe. Fort von ihm. Ich versuche einen Überblick zu gewinnen. Welche Gedanken gehören zu wem? Diese Einsamkeit, die sich wie ein staubiger Film über jede Regung gelegt hat, ist sie wirklich von mir? Die öligen Schlieren der Angst gehören ganz bestimmt zu mir. Oder etwa nicht? Ich taste nach der Angst und zucke zurück. Seine! Es ist die Angst davor, Kontrolle zu verlieren! Ich stelle mir vor, wie die schillernden Spuren sich zu ihm zurückziehen, wie sie sich mit dem roten Dunst seines Blutrausches vermischen, bis sie darin verschwinden. Es ist ein seltsam visueller Versuch, damit umzugehen. Ich habe wenig Hoffnung, dass er gelingen könnte. Aber ich gebe nicht auf. Nach und nach taste ich mich so an die Emotionen heran, die mich durchziehen wie schwebende Unterwasseralgen. Ich schicke sie zu ihm zurück, sanft, dezent, unauffällig. Es fühlt sich an, wie gelassenes Aufräumen. Ich fühle mich ruhig, ausgeglichen. Ich bin erschöpft aber ich bin auch erleichtert. Es ist, als wenn ich um mich herum Freiraum geschaffen hätte. Ich weiß wieder, wer ich bin: Tochter einer Mutter und eines Vaters, Schwester einer Schwester, Verlobte eines wundervollen Mannes, Kollegin, frühere Wächterin. Jetzt Gefangene. Aber auch Kämpferin aus eigenem Willen!
Ich atme durch und fühle, wie sich etwas tief in meinem Inneren lockert, wie aus diesem Kern meines Wesens heraus ein Impuls seinen Weg an die Ränder findet, wie diese Welle mich durchläuft, ausläuft, und wie sich etwas Unsichtbares, Zähes um mich manifestiert. Ich ruhe in mir selbst. Sämtliche Stimmen verstummen.
Ich müsste aufgeregt sein. Ist das jener Zustand, den Racul mich lehren wollte? Habe ich es geschafft? Konnte ich eine eigene Gedankenbarriere errichten? Stattdessen bin ich nur unsagbar müde und dankbar, erleichtert. Der Knoten in meiner Brust löst sich. Als wenn Gewichte von mir abfallen würden. Meine Peiniger sind weit fort, unbedeutend. Ich bin ganz bei mir. Inmitten der auferlegten Schranken: Freiheit. Ich lausche der Stille in meinem Inneren. Meine Gedanken ruhen in mir, wie seidiger Bodennebel über einer dämmrigen Heidelandschaft. Keine fremden Fußspuren, die sie aufwirbeln würden. Aus einem Impuls heraus entscheide ich, dass es genug ist und dass Racul, auch wenn er das wollte, im Moment einfach keinen Zugang zu mir haben soll. Ich werde ihn an den Rändern meines Selbst abweisen. Dieser Gedanke fühlt sich eigenartig selbstverständlich an, als wenn ich mich bisher nur noch nicht richtig mit der Thematik beschäftigt hätte. All die Kämpfe, die seither in meinem Inneren tobten, scheinen unnötig gewesen zu sein. Dieser alte Tyrann hat die Grenzen guten Anstands überschritten und jegliches Recht darauf verwirkt, von mir empfangen zu werden. Es würde einfach falsche Signale setzen, sein anmaßendes Auftreten mir gegenüber weiter zu dulden. Großtante Pätrischa war immer ein Verfechter konsequenten Handelns gewesen und auch, wenn sie selber einen guten Teil ihres Rates außer acht ließ, so wusste ich doch, was sie proklamiert hätte: „Man kann solchen Personen nicht einfach alles durchgehen lassen! Wer es in einem geschlossenen Raum nicht über sich bringt, den Hut zu lüften, der ist zu wer weiß was imstande, nur um diesen elendigen Hang zu gesellschaftlichem Aufruhr auszuleben!“
Mein Geist lässt eine Übung nach der anderen Revue passieren, all die vielen fruchtlosen Versuche, mein Denken abzuschirmen. Raculs fordernde Stimme tritt bei diesen Erinnerungen mehr und mehr in den Hintergrund und weicht der geduldigen Stimme der Kollegin, wie sie mir einzelne Absätze aus den vergilbten Aufzeichnungen vorliest oder sich darin versucht, die Aussagen der überwäldischen Bücher mit eigenen Worten zusammenzufassen. Die Erinnerung ist mir so gegenwärtig, als wenn jene dicht neben mir sitzen würde. Weitere Reminiszenzen gesellen sich hinzu. Der Duft im Wachhaus, diese Mischung aus Kohle, Staub, Papier, Wäschestärke, Teearoma, Bratenfett und Kaffee. Die winzigen Raumgeräusche durch das Arbeiten des Holzes, das leichte Vibrieren des Bodens aufgrund des geschäftigen Trabens so vieler Schritte im Gebäude, das kaum hörbare Stimmengemurmel aus dem Erdgeschoss.
„...So ähnlich wie bei Grellsang, du erinnerst dich... so wie sich Licht an einer spiegelnden Oberfläche bricht. Somit würde der Eindringling sich in seinen eigenen Reflexionen verlieren... es geht nicht um Feinheiten..."
Minas Stimme, wie sie mich wieder durch die Lektionen zu leiten versucht. Das Gelesene war uns beiden unverständlich gewesen. Ein Blinder, der einem Blinden Farben zu erklären versuchte! Und im Resultat ein anwachsender Berg aus Frustration, Hilflosigkeit, Schuldgefühlen und Kummer. Dabei bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass viele gute Ansätze dabei gewesen waren. Erst recht mit den neu hinzu gewonnenen Erfahrungen der harten Schule, die Racul mich durchwandern lässt. Auch er spricht oft von vorgestellten „Barrieren“ und „Blockadereflexionen“, wenn er meinen Geist nach seinem Willen zu verbiegen versucht.
Eine andere Stimme schleicht sich in meine Erinnerungen, glasklar und spöttisch. Sie verkündet eine unwillkommene Wahrheit, die mich damals zutiefst verletzte... die mir jetzt plötzlich allerdings, in dieser ruhenden Seelensee, wie eine kindlich einfache Erleuchtung erscheint:
"...Sag mal, gehst du gerade wirklich nach Lehrbuch vor? Also, der Ansatz ist ja nicht dumm. Aber du bist viel zu verkrampft. Dir fehlt die intuitive Note. Hör doch einfach auf darüber nachzudenken, warum du das tust, sondern mach es einfach..."
Er hatte Recht! Ich werde nicht mehr länger über das „Wie“ nachdenken oder mein Können in Frage stellen. Ich werde es „einfach machen“. Ich habe Anspruch auf meinen gedanklichen Bereich. Und selbst, wenn Vampire es von Natur aus leichter haben, diese Gedankenräume gegen Eindringlinge zu verteidigen... es ist mir nicht unmöglich! Selbst jetzt nicht, in diesem „kaputten“ Zustand.
Eine andere Erinnerung schließt zu den vorigen auf und bestärkt mich darin, dass ich mehr Zutrauen in meine Möglichkeiten haben sollte, gleichgültig wie lange das Ereignis zurück liegt und wie viel seit dem passiert ist. Ich konnte es! Ich kann es wieder können!
Es ist ausgerechnet das Erinnerungsecho der Stimme der Königin. Der Vampirin, auf deren intrigantes Verwirrspiel ich mich einst eingelassen hatte; um Rogis Vermächtnis willen. Es ist fast schon lustig, dass ich mich hier an ihren Worten erbaue. Wo sie mir niemals wirklich wohl gesonnen gewesen war – und obendrein Raculs erklärte Gegenspielerin darstellte!
"Du brauchst dir nicht die Mühe machen... Aber ich muss anerkennen, dass Du für eine Anfängerin nicht schlecht bist."
Ich war „nicht schlecht“ gewesen, in meinem naiven Versuch, einen Schleier zwischen unser beider Gedanken zu ziehen! Unwissend, ungeschult und dennoch wenigstens zu einem minimalen Grad effektiv! Was hatte ich damals anders gemacht, was instinktiv richtig, trotz meiner bewussten Konzentration darauf?
Ein Gedanke dämmert mir.
Ich hatte, im Unterschied zu all den späteren Experimenten, ein klares Feindbild vor Augen gehabt. Diese eine Frau! Direkt vor mir! Alles was danach folgte, war im Vergleich dazu ein hysterisches Herumgefuchtel gewesen, mit weit ausgebreiteten Armen. Ich hatte den Eindringling außerhalb des Wachhauses beispielsweise nie in seiner humanoiden Form gesehen, nur als Fledermausschwarm. Sich ungeübt und unwissend gegen eine Ansammlung einzelner Wesenssplitter zu verteidigen, war auf geistiger Ebene gewiss ebenso auslaugend, wie es das buchstäblich gegen einen angreifenden Wespenschwarm gewesen wäre! Und was die Versuche anging, die willkürlichen Passanten von mir fernzuhalten... auch das ein Schlagen in konturlosen Dunst. Meine Versuche, mich gegen Racul zu behaupten... bis zu meiner Gefangennahme hatte ich ihn niemals persönlich gesehen, nein, nicht einmal eine Ikonographie war mir vor Augen gekommen!

Das hat sich inzwischen geändert!
Grimmige Zuversicht wächst in mir, ich kann es spüren. Und mit ihr die Entschlossenheit. Ich kann es schaffen! Ich muss nicht meine wenigen Kraftreserven damit vergeuden, die gesamte Welt auf einmal abzuschirmen, nein, ich muss meine Aufmerksamkeit auf einen Punkt konzentrieren! Ich darf nicht zulassen, dass dieser angreifende „Punkt“ meinen kleinen schützenden Schild umrundet!

Weit entfernt höre ich das Scheppern eines Schlüsselbundes im Schloss. Ein schweres Knarren, Licht das über meine geschlossenen Lider tanzt.
Ich ruhe noch immer in mir, entschlossen, Sebastian zu ignorieren, als ein unangenehmer, beißender Geruch meinen schützenden Kokon durchbricht. Racul!
Ich reiße die Augen auf und setze mich verstört auf.
“Was will er hier? Er betritt diese Kammer doch sonst nie! Und warum habe ich ihn nicht 'gehört'?“
Etwas in meinem Inneren reißt, zersplittert. Seine Präsenz bricht über mich herein und schockgefriert mich, seine Gedanken pressen die meinen an die Innenwände meines Schädels.
“Tatsächlich! Ich musste mich selbst davon überzeugen, dass es nicht daher rührt, dass du unbemerkt verstorben wärst. Endlich ein ernsthafter Fortschritt! Damit können wir arbeiten!“
Neben seinem Herrn steht Sebastian im Rahmen der geöffneten Kerkertür und hält eine Kerze in die Höhe. Sein Gesichtsausdruck ist undeutbar.

Zugeständnisse


Racul schreitet mit gelassener Eleganz um meinen hängenden Käfig herum. Diese muntere Leichtfüßigkeit an ihm ist wenig überraschend, immerhin hat er eben ausgiebig gespeist. Er hält seine Hände in den Rücken gelegt, sein fleckiger, kahler Schädel wirkt in dem hüpfenden Kerzenlicht bleich wie eine schwebende Totenkopf-Fratze.
Ich beobachte ihn nur aus dem Augenwinkel, versuche alles gleichzeitig zu sehen. Ein Teil von mir bringt es nie über sich, Sebastian gänzlich aus dem Blick zu lassen, wenn dieser sich im Raum befindet. So richte ich mein Hauptaugenmerk auf meine eigene Hand, die auf dem Stoff meiner Röcke ruht. Die Röcke sind ausgeblichen, von Dreck und altem Schweiß steif geworden. Meine Fingernägel unansehnlich, mit schwarzen Rändern, eingerissen und spröde. Die Standorte der beiden Männer im Raum sind mir in jeder Sekunde präsent, ebenso bedrohlich wie der tiefe Abgrund unter mir.
Ich werde geprüft. Raculs Gedanken durchsieben die meinen. Eine heitere Note durchdringt mich, als er auf meine eben erst durchlebte Überzeugung stößt, ich könne es unter Umständen schaffen, mich ihm gewachsen zu zeigen.
“Oh, denkst du das? Möchtest du es darauf ankommen lassen? Vielleicht jetzt gleich, wo ich schon hier bei dir bin und du einen Triumph mit eigenen Augen auskosten könntest? Nun, möchtest du?“
Ich sehe, wie meine Hand sich langsam zur Faust ballt. Und auch die beiden Männer können dies sehen.
Es ist zu früh. Er glüht regelrecht vor pulsierender Energie, auf dem Zenit seiner Leistungsfähigkeit. Er ist gut gelaunt wie selten zuvor, beinahe übermütig, mein Erfolg von vor wenigen Sekunden hingegen scheint zu verblassen, je länger er mit mir im selben Raum verweilt. Seine Selbstsicherheit untergräbt meine keimenden Hoffnungen. Es würde nicht gelingen! Ich kann bei einem Versuch in diesem Moment nur verlieren.
Ich zwinge mich dazu, die Hand wieder zu öffnen.
“Nicht?“ Der alte Vampir stößt ein keuchendes Schnaufen aus und ich kann nicht anders, als ihn anzustarren. In meinem Inneren kichert er. “Soso! ‚Noch nicht!’ Große Pläne, mit denen du dich wappnest. Vielleicht gestehe ich mir schon mal ein wenig Vorfreude zu.“
Er hat seine Runde beendet und bleibt nachdenklich vor mir stehen, so dass er seinen Blick leicht anheben muss, um mir in die Augen zu sehen. Ich spüre den hypnotischen Sog dieser schwarzen Augenhöhlen unter den drahtigen grauen Brauen sofort – und reiße mich davon los, blicke hastig zur Seite, ins Leere.
Ohne ihn sehen zu müssen, weiß ich, dass seine Lippen sich zu einem nadelscharfen, farblosen Grinsen verzogen haben. Seine nächsten Worte überraschen mich jedoch so sehr, dass ich automatisch wieder zu ihm zurückschaue, nur um meine Vermutung bestätigt zu sehen. Seine krächzende, raue Flüsterstimme unterstreicht das Bild des feixenden Greises.
„Sebastian! Heute ist eine Nacht zum Feiern! Sie macht sich. Sie hat eine Belohnung verdient und zwar eine besondere. Ich möchte ihr deutlich machen, dass es ihr Schaden nicht sein soll, so sie meinen Wünschen Folge leistet.“ Seine Gedanken eilen seinen Worten euphorisch voraus. Sein Gefolgsmann und ich atmen scharf ein, nahezu synchron, wenn auch aus gänzlich unterschiedlichen Beweggründen heraus. „Sebastian... solange sie sich in diesen neu entdeckten Fähigkeiten übt und es ihr gelingt, sich mehr und mehr selber geistig abzuschotten, so lange untersage ich dir, sie zu berühren!“
„Aber Herr! Wie wollt ihr euch dann sicher sein, dass sie nicht...“
Mein Gehirn blendet für einen Sekundenbruchteil alles andere aus. Das Gesagte ist zu bedeutungsvoll, um es sofort in seinem vollen Umfang zu erfassen! Momente tauchen in meiner Erinnerung auf, in denen Sebastian sich arrogant als Folterknecht aufführt, Nächte, in denen er sich einen Spaß daraus macht, bei abgedecktem Schacht unter meinem Käfig umherzustreifen und mich an einem Hand- oder Fußgelenk zu fassen zu bekommen. Er kostet diese seltsam abgeschottete Zweisamkeit zwischen uns, meine Hilflosigkeit in seiner blendend weißen Gedankenwelt aus, wann immer er die Zeit dafür erübrigen kann. Der ältere Vampir sieht darin nichts weiter als unbedeutende Kindereien, Ablenkungen, denen er bis zu einem gewissen Grad freien Lauf lässt. Seine gleichgültige Verachtung mir gegenüber verbot mir von Anfang an, darüber zu jammern.
Racul sieht noch immer mich an, als er beinahe lauernd eine Frage an Sebastian richtet: "Oder möchtest du mich mal wieder belehren?"
Der jüngere Vampir versucht es erneut: "Herr, das ist leichtsinnig! Du weißt, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass... sie hat es schon geschafft, deiner Aufmerksamkeit zu entgehen, wenn du anderweitig beschäftigt warst und direkt im Anschluss an diesen letzten Trunk könnte es sein, dass es dir etwas schwerer fällt, die Situation objektiv einzusc..."
Raculs Stimme ist plötzlich scharfkantig, als er Sebastian quer durch den Raum mit einem spöttischen Blick bedenkt.
„Genug! Suche dir ein anderes Spielzeug! Weitere alberne Interventionen würden diesen ersten Erfolg gefährden!“ Er spricht nahezu gelangweilt in die Luft, woraufhin hinter ihm der bucklige Bedienstete auftaucht. „Igor!“
„Ja, Herr?“
„Sorge dafür, dass es ihr für die nächsten Stunden an nichts fehlt!“
Igor ist für einen Sekundenbruchteil irritiert, starrt mich an, dann seinen Meister. Die Worte kommen ihm nur zögerlich über die Lippen. „Foll... foll ich ihr ein Bad einlaffen, Herr?“
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich richte mich hoffnungsvoll auf meinen Fersen auf, ohne es zu wollen.
Racul sieht mir mit einem verschlagenen Lächeln in die Augen.
„Soll er das, mein Kind? Wäre das dein Wunsch?“
Ich traue mich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Doch das brauche ich auch nicht. Er lacht wieder auf diese keuchende Art.
„Wie es scheint, wäre das eine gute Idee. Nun denn, Igor, du wirst wissen, was zu tun ist.“ Er hebt einen knöchernen, krallenbewährten Zeigefinger und blickt nun warnend. „Aber merke dir, Ophelia: Meine Gunst ist an dein verständiges Verhalten gebunden! Ich kann sie dir jederzeit wieder versagen. Ein Fehler und du hast dir die Folgen selber zuzuschreiben!“
Racul verlässt den Raum, während der Igor ihm hastig folgt.
Sebastian bleibt mit mir allein zurück und sein Blick ist mörderisch! Die Stille zwischen uns ist fast unerträglich, die Luft fühlt sich zu dick zum Atmen an.
Mir ist bewusst, dass seine Stimmung im Ursprung nicht mir gilt - das ist eine Sache zwischen den beiden Vampiren und wie es scheint, sogar eine uralte Sache. So sorgfältig der Jüngere sich auch um seine Verpflichtungen dem Älteren gegenüber kümmert, so denke ich doch nicht, dass deren Beziehung den Begriff 'Loyalität' von irgendeiner Seite aus verdient hätte. Es muss etwas anderes sein, das sie aneinander bindet. Vielleicht eine Tradition? Es ist ein sehr unglücksseliger Zufall gewesen, der mich zwischen sie geführt und mich zu einer Art Spielball in ihren Grabenkämpfen gemacht hat.
Sebastians hasserfüllte Aufmerksamkeit rührt an meinen Urängsten und das weiß er. Ich versuche mir einzureden, dass er mir nichts tun darf, dass Racul ihm soeben die effektivste Möglichkeit dazu genommen hat und dass das genau der Grund dafür ist, warum er mich so anstarrt. Aber meine Zweifel sind hartnäckig und wohlbegründet. Bei seinem Blick beginne ich unwillkürlich zu zittern.
Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem bösartigen Grinsen.
"Er denkt, er wäre unangreifbar. Dass er die Regeln willkürlich festlegen und damit durchkommen kann. Dass ich keine Möglichkeiten habe, um..." Er lässt den Satz unbeendet im Raum stehen. Er zwingt sich, tief durchzuatmen und rollt seinen Kopf lockernd über Schultern und Genick. Es knackt leise. Er schiebt seine Hände tief in die Hosentaschen. "Aber weißt du was?" Ich schüttele vorsichtig den Kopf und wieder blitzt diese zerstörerische Boshaftigkeit in seiner Mimik auf. Er tritt dicht an den Abgrund, ist mir so nahe wie möglich, bevor er wispert: "Du warst von Anfang an sein Stolperstein. Und es gibt so viele wundervolle Arten, dich zu treffen. Dazu muss ich dich gar nicht berühren!"

Berührung und Nähe


Es geht mir gut. Ich schwebe in einer Wolke des Wohlbehagens. Es ist Wochen, Monate, ach, ein ganzes Leben her, seit ich mich das letzte Mal so friedlich gefühlt habe, so frei von Schmerzen oder Kälte. Ich bin ernsthaft in Versuchung, einfach nicht wieder wachzuwerden oder besser gesagt, so zu tun, als wenn ich noch immer tief und fest schlafen würde. Das Bettzeug riecht zwar etwas seltsam, eine Mischung aus frisch und muffig. Aber wie lächerlich nebensächlich ist diese Feststellung, im Vergleich zu der mich gleichzeitig einhüllenden Wärme, der weichen Geborgenheit eines Federbettes! Das leise Knacken und Knistern eines Kaminfeuers lullt mich ein, indem es Gefühle von einem sicheren Zuhause weckt. Und vielleicht trägt auch der Wein dazu bei, den Igorina mir zu der kräftigen Mahlzeit gereicht hatte und den mein Körper wohl nicht mehr ganz so selbstverständlich wegsteckt.
Ein Teil von mir ist enttäuscht von meinem Mangel an Widerstand. Natürlich ist mir bewusst, was Racul mit diesen Zugeständnissen bezweckt! Ich müsste meinen kärglichen Rest an Stolz und Selbsterhaltungstrieb zusammenkratzen, den gereichten Zucker ausschlagen. Der andere Teil aber ist erschöpft, ausgelaugt bis in die Zehenspitzen. Und dieser nickt mir stumm zu. Eine Auszeit, eine einzige, bevor ich die Gunst der Stunde freiwillig von mir weise, indem ich einen weiteren hoffnungslosen Fluchtversuch unternehme.
Ich merke, wie meine heitere Stimmung verfliegt und sich die vertrauten Gewichte auf meine Schultern senken, als die Realität sich unerbittlich ihren Weg in meinen Traum bahnt. Das alles hier, es ist eine Farce, ein Spiel mit gezinkten Karten, ein Bluff. Ich mache mir etwas vor, wenn ich denke, aus den wenigen angenehmen Minuten in diesem zweiten Verliesraum etwas Nachhaltiges ziehen zu können, für ein späteres Aufbegehren. Sicher, es ist gut, dieses ausgiebige Bad in der riesigen Zinkwanne genossen zu haben. Schon allein, um schleichender Krankheit vorzubeugen. Das sporadische Spülen meines Körpers mit handgeschöpftem Wasser aus dem Eimer, wie ich es die letzten Wochen oder Monate über praktizieren durfte, kann kein vollwertiger Ersatz sein. Und auch der Schlaf und das Essen haben mir gut getan. Aber sie können dem anhaltenden Schröpfen meiner Reserven nichts entgegen halten! Ich habe mein Spiegelbild gesehen. Ein Geist verfügt über mehr Substanz, als ich sie derzeit habe! Endlich weiß ich, wie es aussieht, wenn jemand wirklich nur noch aus "Haut und Knochen" besteht - auch wenn ich gut darauf hätte verzichten können, das zu wissen. Ich muss länger hier sein, als ich es vermutet hatte. Mein frisch gewaschenes Haar, nicht mehr zerzaust und verknotet, sondern noch feucht und glatt gekämmt, hing mir weit über die Schultern herab. Länger, als es bei meiner Ankunft hier war.
Unwillkürlich stelle ich mir vor, wie Rach reagieren würde, wenn er mich in diesem Zustand zu Gesicht bekäme: Kaum mehr als ein wandelndes Skelett, dunkle Augenringe, die Haare strähnig, die Haut kränklich wächsern und stellenweise fast durchscheinend...
Ich balle meine Hand zur Faust und taste mit dem Daumen nach dem Verlobungsring, um ihn wieder und wieder zu drehen.
Nicht aufgeben! Fest daran glauben, dass ich irgendwann einen Weg finden und zu ihm zurückkehren werde!
Ich presse die Lippen aufeinander, als sich mit quälender Trägheit die Einsicht erhebt, dass ich mir keinen weiteren Aufschub gestatten darf.
Das ging schnell! Aber wenn es so sein soll, gut. Dann verabschiede ich mich wohl besser von all diesem Luxus und akzeptiere den Gedanken, mich als Bestrafung gleich in der vertrauten Kälte des Käfigs wieder zu finden. Diese kostbar eingerichtete, wenn auch völlig veraltete Schlafkammer, durchzogen von kunstvoll arrangierten Spinnweben, ausgeleuchtet von frisch bestückten Kandelabern und an Wänden, Boden und Decke ausgeschlagen mit Samt und Seide... ist nur eine andere Form von Käfig. Ein Käfig, dessen Schlösser ich noch nicht getestet habe.
Ich will heim!
Der Gedanke trifft mich schmerzhaft im Innersten, zusammen mit einer lebhaften Erinnerung an Rach. Mein Verlobter, mein Ein und Alles! Ich vermisse ihn dermaßen heftig, dass ich seinen Duft zu riechen meine und ein Knoten im Hals es mir schwer macht, zu schlucken.
Ich öffne die Augen - nur um sie erschrocken weit aufzureißen! Ich versteinere regelrecht unter der Decke.
Neben dem hohen Bett, direkt in Blickrichtung, sitzt mit locker überschlagenen Beinen Sebastian und beobachtet mich. Er schweigt, ebenso wie ich. Mein erster Gedanke ist lächerlicherweise, dass er mich nicht berühren darf. Mein zweiter Gedanke relativiert diese Feststellung trocken mit dem überaus hilfreichen Hinweis, dass man jemanden nicht unbedingt direkt berühren muss, um ihn beispielsweise mit einem Kissen zu ersticken. Wir sehen einander regungslos an. Das amüsierte Funkeln in seinen Augen nimmt zu, ohne dass er etwas sagt. Er wartet! Ich weiß nur nicht worauf. Irgendetwas irritiert mich zunehmend, macht mich rastlos und ängstlich. Ich sehne mich immer mehr danach, dass Rach hier sein möge...
Ein Detail erregt meine Aufmerksamkeit, eine Unregelmäßigkeit im Augenwinkel. Ein Stoffstück neben meinem Kissen, das nur knapp in mein Blickfeld hineinreicht, durch die Platzierung zwischen mir und meinem Beobachter unscharf. Sebastian beugt sich plötzlich vor. Meine Konzentration blendet ihn nahezu aus, als sie sich voll auf diesen vertrauten Stoff fokussiert. Ich strecke meine Hand langsam unter dem Daunenbettzeug hervor, vorsichtig, tastend. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich mir den geliebten Duft nicht nur eingebildet habe. Ich streiche mit bebenden Fingerspitzen über das Hemd und weiß sofort, ohne den geringsten Zweifel, dass es eines von seinen ist. Meine Hand versinkt langsam in dem Stoff, zieht ihn zögerlich näher, bis ich mein Gesicht darin vergraben kann. Ich atme tief ein, halte mich daran fest. Ich wage es nicht, zu denken. Nur diesen Moment nicht zerstören! Was auch immer Sebastian damit bezw... nein! Nicht denken!
Meine Finger ertasten eine klamme Stelle, eine krustige Steifheit. Ich öffne wieder die Augen, schmiege mein Gesicht weiter an den Stoff, während ich die Hand aus ihm löse. An meinen Fingern klebt etwas, farbige Spuren, halb getrocknet, einst eher rote Flüssigkeit die sich nun rostigbraun verfärbt hat. Spuren der Sorte, wie ich sie nach den schlimmsten Tatorten kaum mehr aus den Kleidersäumen bekam. Farbe von der Sorte, die einen ganz eigenen, dezenten Duft mit sich führt, den man nie wieder vergisst. Obgleich ich liege, wird mir schwindlig und die befleckte Hand verschwimmt mir vor Augen. Ich höre das einsetzende Rauschen einer Ohnmacht. Mein Herz rast und ich atme viel zu schnell, trotzdem schaffe ich es, mein Augenmerk wieder scharf zu stellen - an meiner Hand vorbei auf den Mann an meiner Seite.
Sebastian ist in seinem Element. Er wirkt überaus zufrieden, regelrecht beglückt. Seine Augen funkeln vor Freude und sein Fuß wippt fröhlich.
Irgendwo in mir drinnen erwacht Raculs Stimme. Doch sie klingt hohl, weit weg, kaum hörbar in dem aufziehenden Sturm meiner Seele.
"Ist dir meine Gunst so schnell zu Kopfe gestiegen? Ich hatte dich doch gewarnt, was deine fatalen Versuche angeht, Aufmerksamkeit von Außen auf dich zu lenk... was... Sebastian! Verfluchter..."
Ich kann sehen, wie er unter der direkten Kontaktaufnahme seines Herrn zusammenzuckt, doch anstatt in Reue zu zerfließen, bricht er in schallendes Gelächter aus. Mein Blick fliegt von Rachs Hemd zu Sebastians Schadenfreude. Meine Gedanken überschlagen sich im Sekundentakt und begraben Raculs erboste kleine Stimme dabei einfach unter sich. Ich rappele mich mühsam auf, schlage die Bettdecke beiseite, wanke auf den lachenden Vampir zu, das blutige Stoffstück anklagend vorgestreckt.
"Was hast du getan? Was?!"
Sebastians Lachen verebbt, er reibt sich schmerzerfüllt die Schläfen, behält aber dennoch ein selbstzufriedenes Grinsen bei. Er blinzelt mir unter Schmerzenstränen zu und fragt: "Wonach sieht es denn aus, hm? Ich dachte, du wärst so gut darin, Spuren zu lesen?"
Meine Furcht wird zur Gewissheit.
Rach ist tot. Er ist tot! Ermordet im egoistischen Wahnsinn dieses Irren!
Die schreckliche Wahrheit ist einfach zu viel für mich, als dass ich sie irgendwie mit Trauer verarbeiten könnte. Stattdessen brechen sich Gefühle in mir Bahn, die ich niemals zuvor in dieser mörderischen Intensität ausgekostet habe: Zorn und Wut!
Ich gehe einen weiteren Schritt auf Sebastian zu und scheitere lediglich daran, dass ich es weder über mich bringe, das feine Hemd als Henkersstrang zu missbrauchen, noch, es auch nur eine Sekunde aus meiner Hand zu legen.
Hinter ihm öffnet sich mit Schwung die Tür und Racul steht im Rahmen. Er kocht vor Wut und es ist klar ersichtlich, dass er sich kaum entscheiden kann, wen von uns beiden er zuerst angehen wird.
Sebastian springt von dem Stuhl auf und lacht wieder auf diese allumfassend glückliche Weise. Er klatscht begeistert in die Hände. "Allein dafür war es das wert!"
Racul wirft ihm einen mörderischen Blick zu, entscheidet sich dann aber dafür, zuerst mir meine Schranken aufzuzeigen. Wozu ich es gar nicht erst kommen lasse. Hasserfüllt zeige ich mit anklagendem Finger auf ihn und schreie ihn an:
"Duuuuuuuu! Du bist genauso Schuld daran! Wenn du mich nicht hierher verschleppen lassen hättest... und du lässt ihm alles durchgehen, jede Grausamkeit, weil es dich nicht interessiert! Er hatte euch nichts getan! Gar nichts! Sie hatten ja nicht einmal die kleinste Chance, mich überhaupt zu finden! Und ihr habt nichts Besseres zu tun, als anderer Leute Leben zu ruinieren! Ihr seid Abschaum, alle beide!"
Racul schließt die Augen und senkt die Stirn, als wenn er sich gegen einen unsichtbaren Sturm stemmen müsste. Kurz kommt mir der Gedanke, dass er mich wohl geistig heimsuchen und ausschalten wird, wie schon so oft. Gewiss sende ich in meinem verletzten Toben auffälliger denn je! Und ich gebe mir auch nicht die allerkleinste Mühe, meine Gefühle abzuschirmen oder mich selber zu schützen! Doch die Sekunde vergeht, ich rase vor Vergeltungssucht und gerechter Empörung, nichts hält mich auf.
"Ihr seid nichts weiter als dreckige Mörder, Verfluchte und Verdammte, verabscheuungswürdiger Bodensatz! Es wäre sogar noch zu gut, euch in die Skorpiongrube zu werfen! Euch sollte man im Ankh ersäufen, mit Gewichten an den Füßen!"
Racul blickt fassungslos und verwirrt in meine Richtung, dann blafft er seinen feixenden Handlanger an: "Bring sie zum Schweigen! Sofort!"
Ein Befehl, der nur neuerliche Heiterkeit bei dem Jüngeren hervorruft. Er hebt in scheinbar unschuldiger Weise lachend die Hände. "Oh, das tut mir jetzt aber leid! Ist das ein neuer Befehl? Denn ich meine mich zu erinnern, dass du mir genau das vor gar nicht allzu langer Zeit verboten hast. Ich will doch keinem deiner Befehle zuwider handeln!"
Igor und Igorina tauchen hinter ihrem Meister auf und bieten unisono ihre Hilfe an.
"Follen wir fie niederschlagen, Herr?"
Ich brause zu neuen Höhen auf. Diese feigen Speichellecker haben mir gerade noch gefehlt.
"Wagt es nicht, auch nur einen Schritt näher zu kommen, sonst..." Ich lasse die Drohung unausgesprochen im Raum stehen. Ich weiß, dass ich der reinen Kraft von einem Igor nichts entgegen zu setzen habe. Wie dann erst den versammelten Kräften zweier Igor und zweier Vampire, wenn sie an einem Strang ziehen würden. Gleichzeitig ist das egal. Ich beuge mich keiner Logik. Wie aus dem Nichts, blitzt eine Erinnerung in mir auf, die nicht die meine ist. Jedenfalls nicht direkt. Raculs Gedankenstimme klingt geradezu panisch, als er registriert, dass ausgerechnet dieser eine verräterische Wissensfunke es durch meinen emotionalen Gegenwind hindurch und bis in mein Bewusstsein schafft.
"Um der Ahnen willen, sie darf sich nicht daran erinnern, wie sie ihn eingeäschert hat!"
Er reißt seinen Arm in die Höhe, ebenso wie seine Stimme, um die beiden Bediensteten zu bremsen.
"Nein, nicht! Ich kümmere mich selbst darum!"
Ich beginne instinktiv zu verstehen, weiß, dass er sich an Parsival Aschers Schicksal erinnert. Mir fallen Behauptungen ein, die ich bis jetzt nie nachvollzogen habe, weil ich nicht verstanden hatte und weil ständig etwas dazwischen gekommen war. Selbst Mina hatte mir im Streit vorgeworfen, man sei sich in einschlägigen Vampirkreisen einig gewesen, ich hätte mich damals selber um meinen hartnäckigen Verfolger "gekümmert" gehabt. Ich blinzele, als sich weitere Erinnerungen zu den Ahnungen und Andeutungen hinzugesellen.
Racul schreitet entschlossen auf mich zu und redet dabei mit ungehaltener Reibeisenstimme auf mich ein.
"Hör sofort auf damit! Reiß dich zusammen! Es ist nicht so, wie es aussieht! Er hat dich vorgeführt. Das ist nicht Flanellfuß' Blut, sondern aus den hauseigenen Reserven. Er ist bei deinem Flanellfuß in dessen Abwesenheit eingebrochen und hat ihn nicht einmal gesehen! Hör mir zu! Dieser Mensch ist nicht tot, hast du das verstanden?"
Ich glaube den beiden kein Wort mehr. Er will mich nur beschwichtigen, jetzt, wo ich endlich genug Schwung aufbringe, um ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Er will mich zum Schweigen bringen und dafür wäre ihm jede Lüge recht. Er würde das Blaue vom Himmel lügen, auch behaupten, dass Rach noch lebt...
Ich wisch mir schnell die aufsteigenden Tränen fort, füge sie dem Blut in Rachs Hemd hinzu.
Racul steht fast vor mir und ich weiche zurück, zische ihn an.
"Rühr mich nicht an!"
"Schluss jetzt, Ophelia! Ich bin nicht länger bereit, dieses Spektakel zu dulden. Sebastian hat seinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht und ich gebe zu, dass ich die breite Angriffsfläche unterschätzt habe, die dieser Palastangestellte in deinem Geist darstellt. Wir werden diese Gefahr jetzt bannen."
Von der Seite höre ich ein abwertendes "Hört! Hört!"
Racul streckt blitzschnell seine Krallenhand in Richtung des jüngeren Vampirs aus und eine Sekunde später kracht dieser gegen die entfernte Wand.
"Um dich kümmere ich mich später. Zuerst muss ich das hier stoppen." Er sieht mich mit zusammengezogenen Brauen an. "Sieh es ein, dass du diesen Mann aus deinen Gedanken verbannen musst!"
Ich weiche das letzte Stück zurück, stoße mit den Beinen an das hinter mir stehende Bett. Ich schüttele vehement den Kopf.
"Nein! Niemals!"
Racul folgt mir mit festem Schritt und streckt seine Hand nach mir aus.
"Du bringst ihn nicht nur noch mehr in Gefahr mit deinem Verhalten. Er ist auch deine ureigenste Schwachstelle."
"Ich liebe ihn!"
"Das lässt sich kurieren!"
Ich versuche, seinem Zugriff auszuweichen. Er bekommt mich am Arm zu packen.
Der geistige Kontakt ist plötzlich wieder voll vorhanden, seine Stimme nicht mehr außen, sondern in meinem Inneren. Nicht diese krächzende Stimme eines Greises, sondern die vollmundige Präsenz eines machtvollen Willens.
"Liebe ist eine Blöße, die nur darauf wartet, ausgenutzt zu werden. Aber du glaubst mir wieder einmal nicht. Ich werde es dir beweisen!"
Ich will mich wehren, ihn ebenso feurig abschmettern wie ich es damals unbewusst Ascher angetan habe...
Ein Moment verstreicht, so kurz und sacht wie ein Wimpernschlag...
Ich öffne wieder die Augen...
...und halte den Atem an.
Sein Blick... er ruht glücklich auf mir. Sicherlich wirke ich ähnlich gefesselt von seinem Anblick. Wie könnte es auch anders sein, wo es doch nichts Schöneres gibt, als nahe bei ihm zu sein?
Seine Stimme schmeichelt.
"Madame?"
Ich taste mit meinen Fingerspitzen sachte nach seinem Gesicht und es bricht mir fast das Herz vor Glück, ihm einfach nur so nahe sein zu können.
"Was ist, Ophelia? Träumst du? Du wirkst so geistesabwesend."
Ich merke, dass ich weine und weiß doch nicht, warum. Es ist mir peinlich und ich wische mir verstohlen die Tränen mit dem Handrücken fort.
"Es tut mir leid! Ich hatte für einen schrecklichen Augenblick solche Angst, du könntest... es könnte dir etwas passieren."
Ein nervöses Flimmern zuckt über sein Gesicht, als wenn eine starke Böe alle Kerzen im Raum zugleich geneigt und nahezu zum Verlöschen gebracht hätte. Oder als wenn meine Augen überanstrengt wären. Ich reibe sie mir.
Er lacht leise, legt seinen Zeigefinger in dieser vertraulichen Geste unter mein Kinn, wie er es immer macht, wenn er mir einen Kuss entlocken möchte. Ich lasse mich nicht lange bitten. Unsere Lippen berühren einander und...
Etwas ist falsch!
Mir wird schlecht, schwindlig. Ich muss mich an Rach abstützen. Ein beißender Gestank durchdringt den romantischen Moment. Ich muss die Stirn runzeln und mir wird so übel, dass ich in der Bewegung innehalte und meine Augenlider zu flattern beginnen. Ein scharfer Stich von etwas Festem drückt von unten gegen mein Kinn. Ich hebe die Lider und...
Fäulnisgestank hüllt mich ein. Ich lehne – mehr als vertraulich – an Racul, seinen widerlichen Geschmack auf meinen Lippen, seinen verbogenen Fingernagel fest gegen meine Haut gedrückt.
Ich stoße mich entsetzt von ihm ab.
"Nein!", nicht mehr als ein Flüstern. Mein Geist verfällt in Schockstarre. Ich erlaube mir nicht mal ansatzweise, über das eben Geschehene nachzudenken. Es kann nicht sein, was nicht sein darf!
Racul wirkt angewidert, er greift nach einem blütenweißen Stofftaschentuch, welches Igor ihm eilfertig anreicht, um sich den Mund abzuwischen.
Es ist plötzlich still im Raum.
"Glaubst du mir jetzt, dass dieser Mann eine Gefahr für dein emotionales Gleichgewicht ist, eine Gefahr, die du meiden solltest? Allein schon deine Erinnerungen an ihn sind ein zweischneidiges Schwert - für uns beide. Ich bin nicht erpicht darauf, ein weiteres Mal deine lebhafte Fantasie heraufzubeschwören und sie zu kanalisieren. Das ist nicht nur anstrengend, sondern auch unangenehm. Aber ich würde es in Erwägung ziehen, so du nicht endlich damit aufhörst, Probleme zu machen."
Igorina umrundet Racul hastig mit einem Tablett. Und einer vertrauten Teekanne auf diesem.
Diesmal greife ich fast begierig nach dem Becher. Und es ist mir egal, ob der Sud noch zu heiß ist, um ihn zu trinken. Ich will nichts sehnlicher, als den übelkeiterregenden Geschmack fortspülen und meine Gedanken für mich allein haben.

Eine Frage der Zeit


Ich bin wieder in vertrauter Umgebung. Unter mir platt gelegenes Stroh zwischen Lumpen, harten Eisenstreben und zugigem Abgrund. Um mich her feuchtkalte Dunkelheit. Mein Kopf ist leer. Ebenso wie mein Herz. Dumpfe Empfindungslosigkeit. Und Stille. Mischung 42 wird noch eine Weile ihre erlösende Wirkung auf mich beibehalten und so dafür sorgen, dass ich ganz für mich bin. Was mir recht ist.
Es gibt nur einen Gedanken, der mir etwas bedeutet. Ich bin froh, dass Rach doch noch lebt. Die Gewissheit dessen, war in dem Moment von Racul zu mir übergesprungen, als seine Scharade ihre Wirkung auf mich verlor.
Wie viel Sebastian sich diesen morbiden Spaß doch kosten lassen hat! Seine selbstsüchtige Überheblichkeit hat eine Schlucht zwischen den beiden Vampiren aufgetan, die zwar auch vorher schon vorhanden gewesen war, die aber bis dato niemals so deutlich zu Tage trat. Es ist nicht nur ein Generationskonflikt, der zwischen den beiden Männern schwelt. Es ist Hass! Sie arbeiten rein zweckmäßig zusammen, doch sie würden jede Schwäche des jeweils Anderen erbarmungslos ausnutzen. Sebastian wird für sein eigenmächtiges Handeln büßen. Vermutlich sogar so sehr, dass er sich eine Zeit lang nicht mehr bei mir blicken lassen kann.
Auch ich fühle mich verletzt. Das Erlebte... ich bin entschlossen, es nicht an mich ranzulassen, es zu vergessen. Es war ein Versehen, ein Ausrutscher, eine heimtückisch eingeforderte Illoyalität Rach gegenüber, die... nein, er wird niemals davon erfahren!
Ich verberge mein Gesicht voller Schuldgefühl in den stinkenden Lumpen.
Rach war immer der Inbegriff von Verständnis gewesen, trotz der vielen Dinge, die ich ihm nicht hatte erzählen können. So vertrauensvoll, so hoffnungsvoll!
Ich erinnere mich an seine Stimme, an dem Tag, als ich im Wachhaus unter Arrest gestellt wurde und nicht mehr aus noch ein wusste – dem Tag, als er mich liebevoll belog: „Wir finden eine Lösung!“
Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn er in diesem Drecksloch neben mir säße und meine Gedanken ebenso leicht lesen könnte, wie es so vielen Anderen sonst möglich war. Wenn ich nichts mehr vor ihm geheim halten könnte, es nicht einmal mehr müsste.
Er war nicht nur verständnisvoll und hoffnungsvoll gewesen. Ich bin mir sicher, wenn er jetzt an meiner Seite wäre, dann wäre er es auch in diesem Moment. Er würde mich wieder in seine Arme ziehen und selbst in Anbetracht der Käfigstäbe, der Türen, der Schlösser, der Vampire und ihrer Bediensteten, die uns von der Freiheit trennen mochten, behaupten, dass das alles nebensächlich sei. Und ich würde zwar meine Zweifel an der Aussage hegen, so wie ich seine optimistische Lüge auch damals nur zu gerne unangetastet im Raum stehen ließ. Aber ich würde seine Zuneigung vertrauensvoll erwidern!
Ich werde nicht zulassen, dass Racul sich zwischen uns drängt! Diesen Sieg wird sich die wandelnde Leiche nicht auf die Fahne schreiben dürfen! Ich werde meine Erinnerungen und Hoffnungen nicht meiden und ich werde Rachs Abbild auf keinen Fall aus meinem Sinn bannen! Racul will mir weismachen, er könne Rachs und meine gemeinsame Vergangenheit vergiften? Nur, wenn ich es zulasse – und das werde ich nicht!
In mir reift ein Plan und dieses Mal ist es nicht Erschöpfung, die mir den Vorteil von Gefügigkeit aufzeigt, sondern Berechnung. Diese Kammer ist für mich nicht aus eigener Kraft zu überwinden. Um mir auch nur die kleinste Chance auf eine Flucht erarbeiten zu können, muss ich als allererstes sowohl den Käfig, als auch die Kammer verlassen dürfen. Das ist ein schlichter Fakt. Um den Käfig wiederum zu verlassen, muss ich Racul glaubwürdig Gehorsam vorgaukeln. Es wird Zeit kosten, ihn davon zu überzeugen, dass ich eine bessere Unterbringung verdiene. Aber wenn er den Köder erst mal geschluckt hat, ihn wirklich geschluckt hat, dann wird er mit Genugtuung dafür sorgen, meine Situation Stück für Stück aufzuwerten – schon allein, um damit Sebastian zu brüskieren, der schließlich den größten Unterhaltungswert und die meiste Genugtuung daraus zieht, mich möglichst unwürdig untergebracht zu wissen.
Es stimmt mich zufrieden, ihnen beiden mit meinem Plan gleichermaßen entgegenzuwirken, sie gegeneinander auszuspielen.
Ich werde dafür diesen gelassenen Geisteszustand aufbauen müssen, der mir vor einigen Stunden das erste Mal gelang. Und ich werde diese Gedankenblockade irgendwie aufrechterhalten müssen. Alles andere verdrängt und verborgen, muss dieses eine Ziel ununterbrochen im Mittelpunkt meiner Konzentration stehen. Ich muss Racul den Gedanken vermitteln, dass seine Illusions-Strategie mich so tief getroffen hat, dass ich mich nur noch verbergen und abschotten und jeglichen Kontakt zu ihm vermeiden will. Das an sich dürfte nicht allzu schwer werden. Aber ich darf keine Zweifel aufkommen lassen.
Normalerweise würde der alte Greis eine von mir erschaffene Barriere liebend gern unangetastet belassen. Mir kommt aber der Gedanke, dass Sebastians letzte Machenschaften daran etwas geändert haben könnten. Vielleicht wird Racul misstrauisch sein und mich testen wollen? Ich brauche einen Notfallplan, um nicht beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten panisch zu reagieren und damit alles zu gefährden. Ich muss ihn effektiv davon abbringen.
Diese Einäscherungssache! Er weiß, dass ich jetzt ebenfalls davon weiß. Wie weit mein Wissen reicht, wird er nicht einschätzen können. Aber er schien echte Angst davor zu haben, mir durch unsere Gedankenübertragung versehentlich gewisse Möglichkeiten zu eröffnen. Ich bezweifle, dass ich einfach nur daran denken muss, um es zu bewirken. Damals spielte Existenzangst eine große Rolle in meinen Reaktionen. Aber solange er noch nicht wieder vollen Zugriff auf meine Gedanken hat, könnte ich ganz eventuell Glück haben und mit einem Bluff Eindruck schinden?
Es ist kein guter Plan. Aber es ist immerhin einer.
Auf eine tatsächliche Umsetzung der Idee als Angriff kann ich mich ohnehin nicht einlassen. Es ist nicht so, dass ich noch Hemmungen verspüren würde, Racul umzubringen. Ich denke, wenn es eine realistische Chance dazu gäbe, würde ich das Risiko inzwischen wagen. Selbst auf die Gefahr hin, mich zugleich selber damit zu treffen. Er hat zu viel Schaden angerichtet, zu viele Menschen umgebracht, keinerlei Reue gezeigt. Er ist ein Monster, wie es im Buche steht.
Aber für das höhere Ziel, eine Flucht, darf ich die Gedankenbarriere nicht schwanken lassen. Ich muss sie auf Anhieb richtig hinbekommen, sobald die Kräutersud-Mischung ihre Wirkung verliert. Und ab dann muss ich sie Stunde um Stunde aufrechterhalten. Ob die Fähigkeit dazu zur Routine werden kann? Kostet mich das eher mehr Kraft oder eher weniger, wie wenn ich mich einfach noch tiefer in eine dieser Meditationen fallen lassen würde, die Magane und Rea mir näher zu bringen versuchten? Wie lange werde ich das schaffen können?
Nicht darüber nachdenken, nicht zweifeln!
Ich schaffe das! Irgendwie, ganz sicher!
Es ist nur eine Frage der Zeit.
Ich komme hier raus!







~ ENDE ~







Und hier die Musikstücke, die maßgeblich zur Atmosphäre während des Schreibens dieser Single beitrugen; der Soundtrack:
- Kamelot "March of Mephisto"
- David Guetta "Dangerous" (feat. Sam Martin)
- Miriam Bryant "Finders Keepers"



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Feedback:

Von Pismire

25.1.2016

Ein gut zu lesendes, recht düsteres Schreibexperiment, bei dem der innere Monolog Ophelias sehr gut geschrieben ist. Handlung? Klar, wenig bis gegen Null, aber interessant ist es zu sehen, wie die unterschiedlichen Phasen der Wächter-Gefangenen-Interaktion verlaufen. Die Entwicklung von Resignation zu Widerstand zu schildern ist dir gut begründet, eindrücklich und sprachlich sehr sicher gelungen! Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.

Von Rabbe Schraubenndrehr

17.1.2016

Soo, nun ist es also endlich soweit. Ophelia in Gefangenschaft Raculs.. Zunächst möchte ich deutlich machen dass ich sehr schön finde endlich zu erfahren was genau mit ihr passiert ist, auch wenn sie immernoch nicht frei gekommen ist... Die Zusammenhänge als ganzes finde ich recht glaubhaft, die ganze Art wie Ophelia langsam lernt doch ihren Geist zu kontrollieren ist nachvollziehbar geschildert und man kann sich gut vorstellen dass es so funktionieren könnte. Das man Rach als Waffe gegen sie einsetzen kann macht Sinn - die Illusion als Racul ihr vorgemacht hat, er wäre Rach war aber... uach. Schon seeeehr eklig. ;) Ansonsten kann ich kaum etwas anmerken. Das alles in Ich-schreibform (Kudos dass du das konsequent durchgehalten hast! Ich hätte das nicht geschafft.)ist und die story wirklich ausschließlich auf Ophelia fokussiert ist, ist stellenweiße leider ein wenig sehr anstrengend. Es ist zwar verständlich dass es ihr dreckig geht und dem auch entsprechend Ausdruck verliehen wird, für mich als Leser ist der Endstand aber einfach ein wenig unbefriedigend. Demzufolge freue ich mich sehr auf die Folgegeschichte in der sie hoffentlich frei kommt :)

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