Der Tod des Salzsieders

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von Feldwebel Romulus von Grauhaar (RUM)
Online seit 01. 06. 2007
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 Außerdem kommen vor: Akkhuna LupusOphelia ZiegenbergerKolumbini

Ein alter Salzsieder wurde getötet. An sich sieht alles nach einem unspektakulären Fall aus, aber das ganze entpuppt sich zu einer hochbrisanten Angelegenheit, die RUM schwer zu schaffen macht.

Dafür vergebene Note: 11

"Todesursache?"
"Der Mörder hat seinem Opfer anscheinend mit einer langen Nadel direkt ins Herz gestochen."
"Mit einer Nadel?"
Romulus von Grauhaar, seines Zeichens Abteilungsleiter der Abteilung für Raub und unlizensierten Mord der Stadtwache von Ankh-Morpork starrte ungläubig in den Bericht der Gerichtsmedizin. Sein Gegenüber, der zuständige Ermittler und auch seit langem gute Freund des Feldwebels, Korporal Kolumbini, nickte und schaute den Werwolf mit ernstem Gesichtsausdruck an.
"In der Tat, mit einer Nadel. Eine ziemlich unkonventionelle Tatwaffe, wenn du mich fragst."
"Gibt es schon neue Informationen über das Opfer?"
"Nichts, was wir nicht schon wüssten. Karl Wasserkocher war ein Mann mit einem etwas unkonventionellem, aber trotz allem durchweg redlichen Lebenswandel, soweit wir das feststellen konnten."
Romulus nickte.
"Familienangehörige leben keine mehr", fuhr Kolumbini mit seiner Zusammenfassung der Fakten fort, "zumindest nicht in Ankh-Morpork. Auch engere Freunde scheint Wasserkocher nicht gehabt zu haben. Er hat sein Leben ganz seinen Studien über die Zusammensetzung von Ankh-Wasser gewidmet. Die einzige Person mit der er regelmäßig in Kontakt trat, war seine Haushälterin, eine gewisse Frau Martha Heimfroh, die uns aber auch keine möglichen Hinweise zum Mordfall geben konnte."
Der Abteilungsleiter nickte erneut. Die Fakten waren ihm natürlich aus den Berichten bereits bekannt, aber er hatte sie unbedingt noch einmal aus dem Mund de zuständigen Ermittlers hören wollen, da er sich so ein besser Bild von der Angelegenheit verschaffen konnte.
"Danke, Inspäctor. Wir sollten schauen, dass wir diesen Fall schnell und ohne großes Aufsehen lösen. Thask und Ilona haben herausgefunden, dass Wasserkocher die Sympathien des Patriziers hatte, und wenn das wirklich so ist, woran ich keinen Zweifel hege, dann könnte es sich bei dieser ganzen Angelegenheit auch um einen politischen Mord handeln."
Der kleine Ermittler klopfte sich gegen sein Glasauge. Dann erhellte sich seine Miene, als wäre ihm gerade ein wichtiger Gedanke gekommen. Er stand abrupt auf, nickte Romulus kurz zu, murmelte etwas von dem der Abteilungsleiter nur ein "...mal eben was überprüfen..." verstand, und verließ das Büro.
Der Werwolf musste kurz grinsen. So ziemlich jedem anderen aus seiner Abteilung hätte er ein derartiges Verhalten übel genommen, doch bei Kolumbini sah er darüber hinweg. Er kannte das Wesen seines erfahrensten Ermittlers besser als die meisten anderen in der Stadtwache, und wusste, dass er ihn nicht unterbrechen durfte. Stattdessen nahm er einen Schluck aus der geöffneten Superbulle-Dose auf seinem Schreibtisch und machte ein paar Eil-Rohrpost-Schreiben fertig, um seine Stellvertreterin Lance-Korporal Ziegenberger, die Püschologin und Gefreite Fromm sowie die beiden Ermittlerinnen Lance-Korporal Magane und Gefreite Namida in sein Büro zu rufen.

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Brandeas Brandhaus zählte seine Einnahmen. Bereits zum fünften Mal. Und entgegen seiner Erwartungen oder besser gesagt Hoffnungen wurden sie leider immer noch nicht mehr. Die Arbeit eines Übersetzers, fand er, wurde einfach viel zu gering bezahlt. Da konnte man noch so meisterhafte Arbeiten liefern, die Namen der Protagonisten schnell noch mal mit ein paar Alliterationen versehen, um sie zu verbessern, und wunderschöne Titel für die neu übersetzte Version erfinden. Ein Hungerlohn. Und dann erst die Kritiker. Es gab glücklicherweise nicht viele Überwalder, die der Ankh-Morporkianischen Sprache so sehr mächtig waren, dass man seine kleinen Kunstfehler, die auch einem Genie wie ihm ab und zu unterliefen, erkannten. Aber wenn doch jemand mal ein Original gelesen und verstanden hatte, wurden aus Mücken Elefanten gemacht und in eingeweihten Kreisen gnadenlos verrissen. Kein Wunder, dass der Beruf nicht sonderlich angesehen war. Und so gab es auch keine eigene Gilde für Übersetzer von Romanen, sondern dieser Berufszweig war der Schriftstellergilde angegliedert. Die "richtigen" Schriftsteller beäugten Übersetzer auch immer ziemlich misstrauisch, allerdings waren sie sich nicht zu fein, sich dieser billigen Arbeitskräfte zu bedienen, wenn ein Werk in eine Fremdsprache übersetzt werden musste. Brandhaus hatte auch selbst schon einmal versucht, sich mit eigenen Romanen ein wenig dazuzuverdienen, war aber kläglich gescheitert, da kaum jemand seine Werke kaufen geschweige denn lesen wollte. Nun hatte er wenigstens eine verhältnismäßig lukrative Arbeit bekommen, indem er die Werke eines aufstrebenden Schundroman-Autors über eine fiktive, kugelförmige Welt ins Überwaldische übersetzte. Gerade hielt er seinen Lohn für "Bekloppte Beuteltiere" in der Hand, einen Roman über einen Kontinent namens Australien, der ziemlich starke Ähnlichkeiten mit Viericks aufzuweisen schien. Da der Roman eigentlich "Der Kontinent auf der Unterseite" hieß, hatte ihn nicht von der Änderung des Titels in einen, wie Brandhaus dachte, verkaufsfördernderen Namen abgehalten.
"Martha Heimfroh will fie fprechen, Meifter!"
Der Übersetzer fuhr zusammen. Er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass Igor grundsätzlich ohne eine Vorwarnung hinter seinem Rücken auftauchte.
"Da-danke Igor. Hol sie doch herein. Und mach uns dann einen Tee."
Brandhaus war froh, dass er Igor hatte. Dieser vergaß zwar ab und an die ein oder andere Sache, was mit einem minderwertigen implantierten Gehirn zusammenhing [1], aber dafür hatte er ihn nichts gekostet. Er war Teil seiner Bezahlung zur Übersetzung von "Langweilige Zeiten" - diesen Titel musste er aus offensichtlichen Gründen einfach in "Zauberhafte Zauberstücke" umbenennen - gewesen. Das tröstete ihn jedes Mal über die kleinen Aussetzer Igors hinweg, wenn dieser wieder einmal unter akutem Gedächtnisschwund zu leiden schien.


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Der Raum war düster und verraucht. Eigentlich dürfte das hier eine meiner leichtesten Übungen werden, dachte sich Ophelia Ziegenberger. In letzter Zeit hatte sie weniger mit ihrem Tschob als verdeckte Ermittlerin zu tun gehabt, als mit dem Papierkram den sie nun als frischgebackene Abteilungsstellvertreterin zu erledigen hatte. Wenn sie nicht die Papierstapel auf Feldwebel von Grauhaars Schreibtisch gesehen hätte, hätte sie geglaubt, dass der Abteilungsleiter jegliche Schreibarbeiten auf sie abwälzen wollte. Nun hatte er ihr aber endlich mal wieder einen kleinen, aber doch recht interessanten Auftrag gegeben. Sie sollte sich in der Kneipe "Zum Fass ohne Boden" umhören, die nicht weit von der Wohnung des ermordeten Herrn Wasserkocher entfernt war. Vielleicht konnte man hier etwas über das Privatleben des Toten erfahren.
Der Lance-Korporal hatte sich vor dem Einsatz intensiv mit der geschicktesten Verkleidung für diesen Einsatz auseinandergesetzt. Da hätte Ophelia auch bleiben lassen können, denn in dieser heruntergekommenen Kneipe sah man kaum die Hand vor Augen. Sie unterdrückte den kratzenden Hustenreiz, den der Qualm bei ihr verursachte und versuchte, trotz der schlechten Sicht die Besucher der Taverne zu mustern. Hauptsächlich fand sich hier der Bodensatz der Gesellschaft, von grobschlächtigen Kerlen mit offen zur Schau getragenen Totschlägern am Gürtel über zwielichtige Gestalten, von denen man erwartete in Kürze eingeleitet von einem "Hey, du!" zu einem illegalen Geschäft aufgefordert zu werden, bis hin zu armen Schluckern, die ihr mühsam auf den Straßen der Stadt erbetteltes Geld in hochprozentige Alkoholika umsetzen.
Frauen waren hier nur wenige, weshalb Ophelia sich auch erstmal aufs Hören beschränkte, anstatt mit ihrer weiblichen Stimme in der Menge aufzufallen. Die unterschiedlichsten Gesprächsfetzen drangen an ihr Ohr.
"... ich sach's dir, die haben doch einen anner Waffel, wenn man sich die heutigen Preise für Alk..."
Nichts Interessantes.
"... psst, wie wär's mit einem Konzentrat aus echt druidischen Rauchkräutern?"
Auch nichts für sie wirksames. Darum konnten sich höchstens mal die SEALS kümmern, aber für den Mordfall brachte sie das nicht weiter.
"... hat der alte Salzsieder anscheinend den Löffel abgegeben..."
Salzsieder? Da musste sie mehr erfahren. War Wasserkocher nicht irgendsoetwas von Beruf gewesen? Sie erinnert sich daran, mitbekommen zu haben, dass der Verstorbene sich vor seinem Tod mit der Salzgewinnung aus Ankh-Wasser beschäftigt haben soll. Eine ziemlich verrückte Idee, keine Frage, aber deswegen bringt man so jemanden doch noch lange nicht um. Ophelia versuchte, unauffällig näher an den Tisch heranzurücken, von dem sie glaubte, den Gesprächsfetzen mitbekommen zu haben.

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Romulus betrachtete die neuen Berichte auf seinem Schreibtisch. Magane sollte eigentlich mit der Haushälterin von Karl Wasserkocher noch einmal intensiv befragen. Er hatte ihr sogar extra noch die Püschologin Frän Fromm zur Seite gestellt, die ihr dabei helfen sollte. Leider war Frau Heimfroh nicht zu Hause, allerdings hatten die beiden Wächterinnen von Nachbarn erfahren, dass sie einen alten Freund, den Übersetzer Brandeas Brandhaus, besuchen wollte. Eine Taube hatte den Abteilungsleiter erreicht, aus der er diese Informationen bekommen hatte und erfuhr dass Magane und Frän am Haus von Martha Heimfroh warten wollten, bis die Dame zurückgekommen war.
Ophelia war noch immer nicht von ihrem kurzen Auftrag in der Taverne zurück, das konnte zweierlei bedeuten: Entweder hatte sie etwas herausgefunden und ging der Information weiter nach, oder, und daran wollte der Feldwebel gar nicht denken, ihr war etwas zugestoßen. Wenn sie sich nicht bald rührte, würde er wohl reagieren müssen.
Der Bericht von Ayure Namida war kurz und ohne die erhofften Ergebnisse geblieben. Romulus hatte die junge Gefreite geschickt, um noch mal wie im Ermittler-Lehrbuch geschrieben, den einzelnen am Tatort gefundenen Indizien nachzugehen. Leider konnte von der Ermittlerin auch mit dem absolut vorschriftsmäßigen Vorgehen nichts Neues herausgefunden werden, das über die bereits durch Kolumbinis unkonventionelle Methoden bekannten Tatsachen hinausging.
Der Abteilungsleiter unterdrückte einen Fluch, öffnete eine Dose Superbulle und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. Eine sichtbare Veränderung, innerlich wie äußerlich, fand an dem Werwolf statt. Romulus spürte förmlich, wie das Koffein neuen Tatendrang in seinen Körper spülte. Er erhob sich von seinem Schreibtischstuhl, und verließ das Büro. Vielleicht fand er ja im Archiv Informationen zu diesem Brandhaus. Irgendetwas an dem Namen kam ihm vage bekannt vor.

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"Leisetreter" stand in großen Buchstaben auf den Karton geschrieben. Inspäctor "Fred" Kolumbini schnupperte kurz daran und ein Geruch nach frischem Leder drang in seine Nase.
"Das ist interessant", murmelte der kleine Ermittler und legte den Schuhkarton auf die Seite. Die Schuhe schienen nagelneu gewesen zu sein. Ob es Zufall war, das er diesen leeren Schuhkarton unweit der Wohnung von Karl Wasserkocher gefunden hatte? Vielleicht konnte einer der Werwölfe etwas darüber herausfinden, ob da ein Zusammenhang bestand.
"Leisetreter" war eine Schuhmarke, wie sie gerne von lizenzierten Dieben oder Assassinen benutzt wurde, weil man sich mit ihnen nahezu lautlos fortbewegen konnte. Allerdings nutzten sich diese Schuhe sehr schnell ab, weshalb man ständig Nachschub brauchte. War Wasserkocher einfach nur von einem Assassinen getötet worden? Wo war dann die Quittung? Wollte jemand die Wache an der Nase herumführen? Der Korporal beschloss, dieser Sache auf den Grund zu gehen. Er verließ sein Büro, und machte sich auf den Weg durch das Wachhaus, um SUSI aufzusuchen. Irgendein Tatortwächter-Werwolf würde sich schon finden, der diesen Tschob übernehmen konnte.

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Es war keine angenehme Aufgabe, sich vor dem Haus von Brandeas Brandhaus versteckt zu halten und darauf zu warten, dass der Übersetzer mal einen Schritt vor die Tür wagte, um ihm unauffällig zu folgen. Aber wenn irgendjemand dafür in Frage kam, so war sich Septimus Ebel sicher, dann war er es. Das Haus, genauer gesagt, dessen Keller kannte der Gnom bereits, er hatte es einmal mit Brandhaus' Igor zu tun bekommen, als dieser seine Organsammlung vermisst hatte. Deshalb war der Chef auch gleich auf ihn gekommen, um diese Aufgabe zu übernehmen, auch wenn sie seine Zuständigkeit als verdeckter Ermittler nur am Rande tangierte, war es doch eigentlich eher eine Späher-Tätigkeit. Trotzdem konnte man ja nicht einfach die FROGs einschalten, wenn noch nicht mal klar war, ob Brandhaus eine Rolle in diesem Fall spielte, oder ob sich das ganze als ein Greifen nach einem Strohhalm in diesem bisher so erfolglos verlaufenen Fall entpuppen sollte, welches auch keinen weiteren Fortschritt bringt.
Während der Gnom noch intensiv über seinen derzeitigen Tschob nachdachte, öffnete sich die Tür des beobachteten Hauses, und ein Mann mittleren Alters kam heraus, er wechselte einige Worte mit dem Igor des Hauses und dieser verschwand kurz darauf mit einer Verbeugung, die aufgrund des obligatorischen Igor-Buckels eher wie ein missglückter Versuch wirkte, sich mit einer obskuren Verrenkungsmethode selbst das Rückgrat zu brechen, wieder im Inneren. Septimus schloss, dass es sich bei dem Mann um Brandhaus handeln musste. Die Haushälterin des ermordeten Karl Wasserkocher war schon vor über einer halben Stunde gegangen. Der Gefreite sprang aus seinem Versteck und machte sich daran, Brandhaus unauffällig zu verfolgen.

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Die Obergefreite Akkhuna Lupus schnupperte. Ja, eindeutig. In dieser Wohnung waren nagelneue Schuhe anwesend gewesen, die sich offensichtlich nicht mehr darin befanden. Der Geruch von neuem Leder zog sich aus dem Zimmer, in dem die Leiche des Salzsieders gefunden worden war, durch mehrere Räume des Hauses bis zur Eingangstür. Dann verlor sie sich in der allgemeinen unangenehmen Geruchsflut der Großstadt. Die Werwölfin verwandelte sich zurück in ihre menschliche Gestalt und zog ihre Uniform wieder an. Dann verließ sie das Haus. Draußen erwartete sie Korporal Kolumbini bereits mit fragendem Blick.
"Sie hatten Recht, Sör. Der Besitzer der Leisetreter befand sich im Haus."
"Danke schön, Gefreite. Fragt sich nur, ob die Schuhe dem Opfer oder einer anderen Person, vielleicht sogar dem Täter gehört haben."
"Also im Schuhkarton konnte ich die typischen Geruchsspuren von Herrn Wasserkocher nicht wahrnehmen. Dafür kann ich aber sagen, dass die Schuhe sich aus dem Haus hinausbewegt haben müssen."
"Und weiter kannst du sie nicht verfolgen?"
Akkhuna zuckte mit den Schultern.
"Der allgemeine Geruch der Stadt überlagert hier alles. Ich würde wahrscheinlich nicht weiter als wenige Meter kommen."
"Schade. Aber trotzdem vielen Dank. Du warst mir eine große Hilfe!"
Kolumbini tippte ich an die Stirn um einen Gruß anzudeuten und schlug den Weg zur Wohnung von Frau Heimfroh ein.

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Ophelia kauerte hinter einer niedrigen Mauer und beobachtete durch eine halb vertrocknete Hecke hindurch, was auf der anderen Seite derselbigen geschah. Nachdem sie im "Fass ohne Boden" das Gespräch zweier zwielichtiger Gestalten mitangehört hatte, war ihr klar geworden, dass dies der Hinweis sein könnte, den die Abteilung die ganze Zeit gesucht hatte. Nachdem kurz über den Tod des "alten Salzsieder" gesprochen worden war, war das Gespräch sehr schnell auf ein anderes Thema übergeschwenkt, und zwar zu Ophelias Verwunderung zum Thema Kunst. Die beiden da am Tisch hatten nicht gerade wie Kunstkenner ausgesehen. Einer der beiden war klein und von rundlicher Gestalt, mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck und sich hektisch bewegenden Schweineäuglein, der andere ein schlaksiger Kerl mit spinnenartigen Fingern, Stoppelbart und verfilzter Mähne auf dem Kopf. Der stellvertretenden Abteilungsleiterin war das ganze äußert suspekt vorgekommen und sie hatte sehr schnell beschlossen gehabt, den beiden zu folgen, falls diese irgendwann die Taverne verlassen würden. Das ganze dauerte aber leider deutlich länger, als sie erhofft hatte. Doch schließlich waren die beiden doch noch aufgebrochen. Die verdeckte Ermittlerin in kurzem Abstand hinterher.
Und jetzt stand sie vor einem Haus am Rande der Schatten und schaute den Gestalten dabei zu, wie diese sich mit wenigen Worten verabschiedeten. Der Kleine ging dann pfeifend davon, während der Lulatsch im Gebäude verschwand. Ophelia überlegte. Sollte sie hier bleiben und dabei versuchen, einen Weg ins Gebäude zu finden, oder zumindest durch ein Fenster einen Blick ins Innere zu erhaschen? Oder sollte sie versuchen, der kleinen Person zu folgen? Sie entschied sich für ersteres.

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Akkhuna stand immer noch vor dem Haus von Karl Wasserkocher und haderte mit sich selbst. Sie hätte es doch wenigstens einmal versuchen können, den Geruchsspuren der Leisetreter zu folgen. Unschlüssig, was nun zu tun sei, überlegte sie hin und her. Sollte sie ins Wachhaus zurückgehen? Sollte sie Kolumbini nachlaufen und ihm mitteilen, dass sie es doch versuchen wollte, den Spuren zu folgen? Schließlich fasste sie einen Entschluss: Je länger sie wartete, desto unwahrscheinlicher würde sie noch irgendeine Spur zum Verfolgen finden. Also begab sie sich in eine Häuserecke und verwandelte sich. Dann begab sie sich zurück zur Eingangstür des Hauses und sog die schmutzige Abendluft Ankh-Morporks in ihre Nase ein. Ja, da war es, gut versteckt zwischen Kloake, Ankh und anderen üblen Gerüchen nahm sie ein winziges Düftchen frischen Leders wahr, welches in eine schmale Seitengasse führte. Die Werwölfin folgte dem Schuhgeruch und schnupperte weiter. Um eine Ecke ging es, dann machte die Gasse eine kleine Kurve. Der Leisetreter-Geruch wurde stärker. Eine Kreuzung zweier Gassen, dann eine weitere Kurve. Der Geruch der Schuhe war jetzt intensiv wie nie. Und er sollte das letzte sein, was Akkhuna Lupus in ihrem Leben spürte. Denn ein silberner Bolzen traf die Tatortwächterin mitten in Herz.

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Kolumbini, Magane und Frän kamen gemeinsam wieder im Wachhaus an, entmutigt durch ein Kreuzverhör ohne weitere Ergebnisse. Die beiden Frauen begaben sich zu Romulus' Büro um dem Abteilungsleiter Bericht zu erstatten. Der Halb-Brindisianer allerdings wollte noch mal in aller Ruhe über die Schuhe nachdenken und begab sich zu seinem Büro. Dort angekommen wartete bereits eine ungeduldige Chief-Korporal Harmonie auf ihn.
"Ah, du bist wieder da. Wo ist denn die Gefreite Lupus geblieben? War die nicht mit dir unterwegs? Wir brauchen sie dringend für eine Tatortsicherung am Platz der Gebrochenen Monde. Ein Verkehrsunfall mit anschließendem Diebstahl einiger Wertgegenstände."
"Gefreite Lupus? Die müsste eigentlich schon längst wieder im Wachhaus sein. Nachdem wir in der Wohnung von Wasserkocher fertig waren, bin ich zum nächsten Einsatzort gelaufen und ich dachte, sie sei direkt in Wachhaus zurückgekehrt, da ihre Hilfe nicht mehr von mir benötigt wurde."

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"Bilder! Hunderte Bilder!" schoss es Ophelia durch den Kopf. Und wenn ihr Kunstverstand sie nicht täuschte, waren da sogar einige sehr bekannten Gemälde darunter. Sie erkannte unter anderem die "Mona Ogg" von da Quirm, "Stillleben mit Weißkohl, Broccoli in grün und rot, Rosenkohl, Krauskohl und älteres Pärchen welches von einem Werwolf angegriffen wird" von Remnant und das "Krankheitsbild" von Eduart Milch. Einige waren sogar mehrfach vorhanden. Entweder sie war zum Atelier eines redlichen Gemälde-Kopierers gelangt, oder, was sie eher vermutete, sie war hier auf der Spur von Gemälde-Fälschern.
Ophelia beschloss, dass sie genug gesehen hatte und begab sich auf den Rückweg zum Wachhaus, um Romulus Bericht zu erstatten.

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Nach einer kurzen Suche war die Leiche von Akkhuna Lupus schnell gefunden. Die Tatwaffe, eine Burlich & Starkimarm des Typs "Zuferlässige Armbrust Tühp 5", lag direkt neben ihr und außerdem befand sich am Tatort noch ein paar Lederschuhe der Marke "Leisetreter". Kolumbini runzelte die Stirn. War das ganze eine gut geplante Falle gewesen? Und wieso hatte es ausgerechnet die SUSI-Werwölfin getroffen, die doch eigentlich nicht viel mit dem Fall zu tun hatte?
Die Okkultismus-Expertin und stellvertretende SUSI-Abteilungsleiterin hatte bereits eine Taube zum Wachhaus geschickt, um die Spurensicherung anzufordern, was aufgrund der Tatsache, dass sich die meisten SUSIs im Einsatz befanden, eine Weile herauszögern konnte. Kolumbini und der zur Suche mitgekommene Feldwebel von Grauhaar machten sich daran, den Tatort nach weiteren Spuren abzusuchen.
"Was ist denn hier passiert?" ertönte plötzlich eine erschreckte Stimme von einer Seitengasse aus.
Die drei Wächter drehten sich um und sahen einen Mann mit schütterem, grauen Haar und Brille, der entgeistert auf die erschossene Wächterin starrte.
Der Werwolf hatte die Überraschung als erstes überwunden und trat auf den Hinzugekommenen zu.
"Ein schweres Verbrechen, wie es scheint. Wären sie so freundlich uns Ihren Namen zu nennen? Stadtwache von Ankh-Morpork."
"Ähhhm... J-ja, natürlich", erwiderte der Mann überrascht.
"Nuuuuun?" dehnte der RUM-Abteilungsleiter.
Kolumbini kannte Romulus gut, und er wusste, dass es kein gutes Zeichen war, wenn er so übertrieben ruhig reagierte. Die Tatsache, dass eine Kollegin, noch dazu eine Werwölfin ermordet worden war, machte ihm zu schaffen. Und wenn der Passant nicht schleunigst seinen Namen nennen würde, dann könnte hier gleich der Vassenego los sein.
"Ich heiße Brandeas Brandhaus und bin Mitglied der Schriftstellergilde."
Inspäctor ließ den angehaltenen Atem entweichen. Seine Gedanken rasten und drehten sich um den Zusammenhang zwischen der Tatsache, dass Brandhaus mit der Haushälterin des Salzsieders befreundet zu sein schien und dessen Aufkreuzen an einem weiteren, mit dem Mord an Wasserkocher zusammenhängenden Tatort. Auch Romulus gingen derartige Gedanken durch den Kopf, und er überlegte nicht lange.
"Soso, Herr Brandhaus. Was halten sie davon, uns ins Wachhaus zu begleiten und ein paar Fragen zu beantworten?"

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Lance-Korporal Ziegenberger war ins Wachhaus zurückgekehrt und hatte das Büro ihres Abteilungsleiters leer vorgefunden. Sie beschloss, während sie auf seine Rückkehr wartete, nicht untätig zu sein, und sich vom Diebesgildenspezialisten der DOG Informationen über derzeitig bekanntermaßen von der Diebesgilde gestohlene Gemälde zukommen zu lassen.
Wenig später erhielt sie vom Gefreiten Schattig die angeforderten Daten und machte sich sofort daran, diese nach dem "Krankheitsbild" abzusuchen, jenes Gemälde aus dem zufällig entdeckten Haus, welches ihr am besten im Gedächtnis geblieben war. Doch das war nicht darunter. Ebenso fehlten Angaben zu einem lizenzierten Diebstahl der Mona Ogg. Also war schon mal nicht die Diebesgilde verantwortlich. Ophelia beschloss, eine Mögliche Verbindung zum Ermordeten herzustellen und einen Ermittler zu Martha Heimfroh zu schicken, um diese über eventuelle Gemälde befragen zu lassen, die Karl Wasserkocher besessen hatte.

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Septimus hatte den Übersetzer eine ganze Weile durch die Gassen Ankh-Morporks verfolgt. Es schien ihm, als würde sich Brandhaus verfolgt fühlen [2] und versuchen, den Verfolger abzuschütteln. Jedoch blieb ihm der Gnom hartnäckig auf den Fersen, seine geringe Körpergröße ausnutzend. Nach einiger Zeit blieb Brandhaus wie angewurzelt stehen. Er hatte, was Septimus noch nicht sehen konnte, gerade den Tatort des Mordes an Akkhuna Lupus betreten. Der verdeckte Ermittler bemühte sich, die Deckung ausnutzend rasch näher zu treten und bekam so auch das Gespräch zwischen Brandhaus und Feldwebel von Grauhaar mit. Ebel erkannte die Sachlage recht schnell und entschied sich, seine bisherige Unbemerktheit auszunutzen, um wieder einen Späherposten zu beziehen. Vorher wollte er allerdings noch einem der anwesenden Wächter eine kurze Mitteilung hinterlassen, damit sie wussten, was er vorhatte. So wunderte sich Laiza Harmonie kurz darauf nicht unbeträchtlich als ihr plötzlich aus scheinbar unsichtbarer Hand ein Zettel in die Uniformtasche gesteckt wurde, und sie, als sie sich umschaute niemanden erblickte. Erst als sie auf dem Zettel die Notiz des Gefreiten fand, wurde ihr klar, dass der Gnom unauffällig an sie herangeschlichen sein musste. Sie beschloss, Romulus im Wachhaus über Septimus' Vorhaben in Kenntnis zu setzen, sobald sie dies von Brandhaus unbemerkt tun konnte.

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Die ältliche Haushälterin öffnete zögernd die Tür und sah vor ihrem Haus eine Wächterin stehen. Schon wieder. Was wollte diese Wache eigentlich von ihr? Nur weil sie die Haushälterin eines kürzlich ermordeten Mannes war, musste das doch noch lange nicht bedeuten, dass sie eine unredliche Person sein. Sie war - soweit war sie sich sicher - mit Sicherheit eine redlichere und respektablere Person als dieses ganze Wächterpack zusammen.
Die Wächterin vor der Tür allerdings entsprach so ganz und gar nicht Martha Heimfrohs Vorstellung einer typischen Wächterin.
"Entschuldigen sie die erneute Störung Frau Heimfroh. Mein Name ist Lance-Korporal Ziegenberger. Ich kann mir vorstellen dass es ihnen absolut nicht behagt, ständig von uns ausgefragt zu werden. Allerdings hätte ich da noch eine kleine Frage, bei der sie mir vielleicht weiterhelfen können. Keine Angst, es wird nichts unangenehmes sein."
Martha war positiv überrascht. Diese Frau Ziegenberger hier schien deutlich höflicher zu sein als alle Wächter mit denen sie es vorher zu tun bekommen hatte. Also nahm sie sich zusammen, schluckte den säuerlichen Kommentar, der ihr auf der Zunge lag, herunter, und bat die Wächterin herein und bot ihr eine Tasse frisch gekochten Tee an. Ophelia nahm dankend an und setzte sich in den angebotenen Sessel.
"Nun, was wollen sie denn noch von mir wissen", fragte die Haushälterin.
Ophelia nahm einen Schluck Tee, bevor sie antwortete.
"Eigentlich nicht viel. Ich wüsste nur gerne, ob Karl Wasserkocher irgendwelche Gemälde besessen hatte. Ein hübsches Bild an der Wohnzimmerwand vielleicht. Vielleicht sogar eine Kopie eines bekannten Kunstwerkes?"

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Berny Brenner und Niklas Hühnerauge hielten so eine Art Krisensitzung. Die beiden waren brenzlige Situationen mittlerweile gewohnt, und so schienen sie trotz allem nicht sonderlich nervös zu sein. Doch der Eindruck täuschte. Selbst in ihrer Eigenschaft als unlizenzierte Kunstfälscher und -diebe hatte sie noch nie mit derartigen Problemen zu kämpfen gehabt. Die Wache war zwar bisher keine besonders große Gefahr gewesen, die hatten anscheinend von der ganzen Sache keinen blassen Schimmer, aber diese Werwölfin, hätte ihnen beinahe im Alleingang einen Strich durch die Rechnung gemacht, war sie doch auf dem besten Wege ihr geheimes Atelier zu finden. Aber dann war da noch dieser Übersetzer.
"Was machen wir jetzt mit Brandhaus?" wollte Berny, der kleinere von beiden, wissen.
"Ich war es nicht, der zu blöd war, diesem armen Schlucker ein Gemälde andrehen zu wollen", reagierte Niklas, der Schlaksige, ungehalten.
"Konnte ich wissen, dass er keine Kohle hat? Der sah eigentlich recht wohlhabend aus. Außerdem habe ich die Leiche der Werwölfin mittlerweile beseitigen können. Auch diese vermaledeiten Schuhe!"
"Musstest du auch unbedingt die neusten Leisetreter überhaupt haben?"
"Natürlich! Nur so konnte ich unbemerkt aus Wasserkochers Wohnung fliehen."
"Außerdem hast du dir mit dem Beseitigen ein wenig arg viel Zeit gelassen."
"Ich musste ja rechtzeitig am Kunstmuseum sein, um das Gemälde unauffällig wieder auftauchen zu lassen. Erst dann konnte ich mich um die Leiche kümmern."
"Also, was machen wir jetzt?"
"Wir klauen uns einen Wagen und verladen die restlichen Bilder. Mit ihnen und unserer Kohle können wir uns in Brindisi ein nettes und angenehmes Leben finanzieren."
Gesagt, getan. Während Hühnerauge das Gebäude verließ, um einen brauchbaren Wagen aufzutreiben, machte sich Brenner daran, die noch nicht verkauften Fälschungen zusammenzupacken. Nachdem er damit fertig war, wollte er eigentlich nur noch weg und hoffte, dass Niklas in der Zwischenzeit fündig geworden war. Er öffnete die Haustür ... und blickte direkt auf den Bolzen einer gespannten Armbrust. Am anderen Ende der Waffe stand ein grimmig aussehender Vampir in grüner Uniform.

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Abschließender Bericht zu den Mordfällen Karl Wasserkocher und Akkhuna Lupus

Die beiden gefassten Täter Bernhardt "Berny" Brenner und Niklas Hühnerauge betätigten sich unlizenziert als Kunstdiebe und Kunstfälscher. Dabei [3] wurden bekannte Gemälde entwendet, und von Hühnerauge, der eine Ausbildung bei der Malergilde erhalten hatte, aber vor den Prüfungen auf die schiefe Bahn geriet, und somit nie einen fertigen Abschluss als Maler vorweisen konnte, erstaunlich gut kopiert. Danach wurden die Fälschungen für große Summen an private Kunstsammler verkauft, während das Original irgendwann später wieder irgendwo auftauchte.
Dieses sollte auch mit dem Original von Eduart Milchs "Krankheitsbild" geschehen, welches in widerstandsfähiger Verpackung auf den Ankh geworfen wurde. Dort fand es bei seinen Untersuchungen der Ankhwasser-Zusammensetzung der Salzsieder Karl Wasserkocher. Dieser war kein Kunstkenner, so dass er sich lediglich freute, ein schönes Bild gefunden zu haben, welches er in sein Wohnzimmer hängte. Beim Versuch, dieses Bild unbemerkt wieder in seinen Besitz zu bekommen, wurde Brenner von Wasserkocher überrascht, dieser drohte, die Wache zu rufen, was Brenner dazu veranlasste, den schwächlichen Wissenschaftler mit dem nächstbesten Gegenstand, den er greifen konnte, einer langen Nadel, zu erstechen und dann zu fliehen.
Bei unseren Untersuchungen konnten lediglich die Schuhe, die Brenner getragen hatte, identifiziert werden und zwar durch den Geruch. Die Obergefreite Lupus versuchte, diesem Geruch zu folgen, allerdings hatte Brenner zufällig die Vorgänge an Wasserkochers Wohnung in Bezug auf die Schuhe mitbekommen und der Tatortwächterin eine Falle gestellt. Er vereitelte die Aufspürung des geheimen Quartiers, indem er sie erschoss. Dass das Quartier bereits von Lance-Korporal Ziegenberger entdeckt worden war, wussten zu diesem Zeitpunkt weder die Ganoven noch die restlichen Stadtwächter. Als die Leiche der Obergefreiten Lupus gefunden wurde, legte sich dort der Gefreite Ebel auf Späherposition, und informierte die Abteilungsleitung sofort, als Brenner die Spuren am Tatort vertuschen wollte. Bei der anschließenden Besprechung deckten sich die Personenbeschreibungen von Lance-Korporal Ziegenberger und Gefreiter Ebel. Ziegenberger konnte außerdem noch den Zusammenhang mit dem Gemälde bestätigen, da sie von der Haushälterin des Mordopfers, Frau Martha Heimfroh, den Hinweis erhielt, dass ein derartiges Bild im Wohnzimmer des Salzsieders gehangen hatte. Dies reichte uns als Hinweis, um FROG zu alarmieren, die die beiden Ganoven kurz darauf beim Versuch, sich mit der Beute aus dem Staub zu machen, festnahm.
Brenner und Hühnerauge sind geständig und wurden der Gerichtsbarkeit des Patriziers zugeführt.


gez. von Grauhaar, Feldwebel und Abteilungsleiter RUM


ENDE
[1] siehe LIVE "Organ-isiertes Verbrechen"

[2] was er ja auch tatsächlich wurde

[3] an dieser Stelle fällt ein dunkler Fleck auf, der offensichtlich von Kaffee stammt




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