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von Chief-Korporal Rib (SEALS)
Online seit 01. 12. 2005
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Lar'a stirbt.

Dafür vergebene Note: 11

--- Stadtwache Ankh-Morpork ---
--- Besprechungsraum ---
--- Abenddämmerung ---


"Rogi meint, da wäre nicht viel zu machen. Das Gehirn ist quasi tot, auch wenn der Rest noch atmet", sagte Cim nach einer Weile. "Es tut mir leid."
Was sagte man einem Trauernden? Wie teilte man sein Leid, ohne selbst in Mitleidenschaft zu geraten? Ohne selbst in der Trauer zu ersticken, die nur der andere bewältigen konnte? Denn es war sein Leid, das man dann trug, ertrug, duldete. Oder man ging weg und wischte den Gedanken an den Leidenden fort, um weitermachen. Geteiltes Leid war nicht halbes Leid. Nur zwei Leute mit demselben Grund für Schmerz.
Natürlich gab es Sprüche für diese Situation, Dinge die besagten, dass man das Leben wie einen Trampolinspringer ansehen sollte, der immer, wenn es abwärts ging, nur um so höher wieder aufstieg. Das Leben ging weiter. Irgendwann - das war auch eine Möglichkeit, etwas zu sagen - tat es nicht mehr so weh.
Cim kannte Tausende solcher Sprüche, gesellschaftlich gefordert und deshalb nur leere Hüllen.
"Was ist passiert?"
"Ich weiß es nicht genau, vielleicht war sie nur zur falschen Zeit am falschen Platz. Vielleicht wollte ihr jemand eine Lektion erteilen und schlug sie deshalb so zusammen? Oder ein sadistischer Kund..."
Zur Unkenntlichkeit bandagiert blickte die kleinste Mumie der Scheibenwelt ruhig in Cims Augen.
'Definiere Gnumie. Ein Dezimeter bandagierter Ärger.' dachte Cim bei sich. "...Kund...Kund...Kundschafter. Es kann alles sein."
"Raub?"
Cim schüttelte dem Kopf: "Deiner Exfrau war anzusehen, dass sie kein Gold bei sich trug. Die Kleidung, du weißt."
Rib starrte weiter hoch.
"Naja, etwas luftig... ein klein wenig jedenfalls. Io, ist dir auch so warm? Ich mach mal das Fenster auf. Kein Wunder, dass sie gekleidet war wie eine Näherin. Äh... du weißt, was ich meine... äh... nicht meine!"
Rib stand und ging an den Rand der Krankenbahre. Lar'a wirkte so verlassen in diesem Menschenbett für Menschen. Ein sterbender Gulliver im Land der Riesen. Jeder Untote wusste, dass er seine Angehörigen irgendwann sterben sieht. Nur, fand Rib, nicht so früh.
"Rib? RIB!"
Die Gnumie drehte sich um und seufzte.
"Was wirst du tun?", fragte Cim.
"Kein Raub, kein Mord. Es ist unser Fall. MEIN Fall."
"Nein Rib, du bist zu wütend. Lass es. Steven übernimmt den Fall."
Rib starrte weiter zurück.
"Lass es."
Rib drehte sich um und ging. Dabei klopfte er sich ständig gegen die Stelle an der sein rechtes Ohr sich befinden müsste. Komisch, der Empfang musste gestört sein.

--- Ribs Arbeits- und Beschwörungszimmer ---
--- Eine Stunde nach Sonnenuntergang ---


"Aktenzeichen 08/14.
Eintrag Chief-Korporal Rib M'Laut, Kommunikationsexperte.
Meine Exfrau stirbt. Ich kann es nicht verhindern. Sie stirbt, jeden Tag ein Stück mehr. Ein Organ nach dem anderen versagt, jetzt wo die oberen Hirnfunktionen tot sind, wie Rogi das nennt. Oder sagt man Umbringen werden? Sie hat mehr Prellungen als ein ausgespucktes Kaugummi. Ich habe kaum Anhaltspunkte, um die zu finden, die sie umgebracht haben. Ich, denn es ist mein Fall. Soll Cim mich feuern. Ich will das Arschloch kriegen."
KommEx Rib M'Laut legte die Feder beiseite und drehte den Kopf. Eine einzelne Kerze, sinnlos für untote Augen, brannte. Um Lar'as Willen. Der Uhrendämon schlug seinen Kopf ein Dutzend Mal gegen den Gong. Lar'a lag immer noch so da, als würde sie schlafen in ihrem schwarzen Zigarrenkästchen. Nur ein regelmäßiges Piepen zeigte an, wie schlecht es ihr ging. Er liebte sie so, nach all der Zeit. Sie war... alles. Zehn Zentimeter Welt.
Wie von selbst wanderten seine Hände zu ihren Schultern, streichelten sanft, dann immer fester darüber, bis sie schließlich zupackten und die Liegende zu schütteln begannen.
"Wach auf", flüsterte Rib. "Wach auf! WACH AUF!"
Ein Klopfen, plötzlich, hart und abrupt riss ihn aus seinen Gedanken. Der Wächter hob sein Antlitz und blickte in die dunkle, rußgeschwärzte Ecke. Seine Augen tasteten die Tür ab.
"Ja?", flüsterte er. Sollte es Kommandeur Tod sein, beschloss er, würde er kämpfen. "Die Tür ist offen."
Ein Räuspern, direkt hinter ihm. Rib drehte sich um. Wenn jemand räuspert, um sich bemerkbar zu machen, enden hastige Bewegungen oft contraproduktiv oder blutig. Mitten im Zimmer hockte eine Gestalt, ein Knie gebeugt. Sie war noch kleiner als die Mumie an sich.
Rib ließ Lar'a los und wandte sich dem Neuankömmling zu.
"Ja, Zam'?"
"Die Nachrichten von SUSI sind überbracht."
Rib nickte der Gestalt in Abendgarderobe zu. Zampano, kurz Zam' war ein Dämon, um genau zu sein, ein Kommunikationsdämon. Seit Rib Mitglied der Beschwörergilde war, setzte er sich sehr für die Nutzung dieser Wesen ein. Dämonen kamen überall vor. Sie kochten Kaffee, zeichneten Bilder, nahmen Verhöre auf. Fast jeder Gegenstand konnte potentiell mit einer Besessenheit aufwarten und dadurch seinem Anwender viel Arbeit abnehmen. Theoretisch. Und Rib beschwor sie, fütterte sie und brachte ihnen das wichtigste bei[1]. Oftmals mit der Hilfe von Nägeln.
Doch Zampano war mehr als ein Diener. Er war Vertrauter, Freund, Ratgeber.
"Ob ich sie wiedersehen werde, Zam?"
Der Dämon schüttelte bedauernd den Kopf: "Nimmermehr."
Zam' nahm den Zylinder ab und entblößte zwei kleine Hörner auf seiner blauen Kopfhaut. Seine Mimik zeigte deutliche Unsicherheit: "Bitte, Meister. Der Bericht der Spurensicherung."

Die Gnumie nickte ihrem Gehilfen zu, legte das Blatt auf den Fußboden und ging Zeile für Zeile ab.
Laiza, als eine gute Freundin, hatte versucht, es vorsichtig und sanft zu formulieren, aber manche Wahrheiten ließen sich einfach nicht akzeptabel beschönigen. Lar'a MacLaut war nicht zusammengeschlagen worden. Man hatte sie überfahren, mit einem Karren. Da sie dabei noch am Rad klebte, stieg der Fahrer ab und kratzte die Verletzte vom Reifen, wie ein Stück Scheiße vom Schuh. Im Rinnstein, neben einer halbverwesten Ratte fand man sie auf. Zum Schluss warf er sie in die Gosse und fuhr weiter. All das schloss die Abteilung aus Lar'as Wunden, ein paar Abdrücken und dem Spachtel, an dem sie klebte.
Rib senkte den Blick. Jede Zeile brannte sich in sein ausgestopftes Hirn. Immerhin hatte man ihr etwas zu essen hingelegt.
"Zam'?"
"Ja, Meister?"
"Bring die Verkehrsexperten zu mir. Der Rekrut unten am Schalter dürfte wissen, wo sie für den Notfall zu finden sind."
Der Kommdämon hörte, verneigte sich und ging.

--- Eine halbe Stunde später ---


Johan und Silicic wirkten etwas angetrunken und verwirrt. Immerhin waren sie von einem Vorgesetzten herbestellt worden, mitten aus der wenigen freien Zeit gerissen worden, die sie hatten. Außerdem, stellten sie in ihrem leicht angetrunkenen Zustand fest, stand mitten im Raum ein Bett mit seiner Exfrau. Konnte Rib das nicht zuhause machen?
Der kleine Chief-Korporal lief vor ihnen auf und ab. Bisher war nicht einmal sein Gesicht zu ihnen empor gewandert.
"So", fing der Winzling an. "Ihr hattet also was zu feiern. Ach was..."
Die beiden Gefreiten schauten sich verwirrt an. Waren sie nur herbestellt worden, um einen Vortrag über das Verhalten in der Öffentlichkeit zu bekommen? Und selbst wenn, von Rib?
Silicic zuckte mit den Schultern: "Wir feiern neues System. Stadt bald reich sein."
"Schilder", warf Johan hilfreich ein. "Wir haben die verfluchte Gasse neu beschildert. Du ahnst gar nicht, was ein Einbahnstraßenschild in Kombination mit einem Halteverbot in einer Sackgasse anrichten kann. Das funktioniert echt prima. Einer von uns winkt eine Umleitung, der andere steht direkt in der Gasse und verteilt die Strafzet..."
Die Mumie fuchtelte mit dem rechten Arm in der Luft.
"Später. Was ich jetzt wissen will, ist, ob ihr was über den Verkehrsfluss am Milzweg kennt."
"Wir kennen."
"Gut, was ich wissen will, was ich wissen muss, ist: Wer fährt normalerweise mit einem Karren daher?"
"Richtung Pansenallee oder Lastallee?", hakte Johan nach.
"Pansenallee. Ein breiter Karren, Spurbreite um die ein Schritt zwanzig. Stark beladen."
"Farbe?"
"Keine Ahnung, wir haben nur Spuren."
Johan grübelte nach[2]: "Gut, Milzweg ist Teil des Gewerbegebietes. Da du dort mal in der Ecke gewohnt hast, dürfte dir klar sein, dort sind Parfümerien und Schlachtereien. Parfüm braucht wenig Stauraum, da glaub ich auch nicht so recht dran. Und das Perlendock. Ich schließe mal private Karren aus, wer die besitzt, lebt oder fährt nicht durch die Schatten.
Bleibt also nur Transportwesen. Tja, fürs Dock nimmt man üblicherweise die Route am Fluss, wo man nur in eine Richtung sichern muss. Ich würde sagen, entweder hat da jemand eine Armee zu versorgen oder es sind Felle von einem Gerber."
"Danke. 'Ne Ahnung, wer?"
"Sein viele Gerberfahrer", murmelte Silicic. "Viele viele."
Das, fand Johan, traf die Sache auf den Kopf. Eher fand man ein Sandkorn in Ios Augen.

--- Schinkengasse---
--- nächster Morgen ---


Es gibt Tage, da hat ein vernünftiger Wächter das Gefühl, schon ewig auf Streife zu sein. Regen und dichter Nebel sorgten dafür, dass die nächste Straßenecke der letzten zum Verwechseln ähnlich sah. Zahnstein befühlte noch einmal den Boden. Katzenpflaster, relativ billig. Schinkengasse, hier war er richtig.
'Furchtbar, diese Kälte', dachte sich der Troll. 'Über Nacht wurde es hier wie im Eishaus.'
Zahnstein zählte die Haustüren bis viele ab und klopfte. Nach einer Weile hörte er schlurfende Schritte, ein Guckloch wurde geöffnet und dann mehrere Riegel zur Seite geschoben. Die Haustür öffnete sich ein Stück.
"Jaaa?" Ein Gesicht, etwas verschlafen, schob sich in den Spalt. Das mochte auch die fleckige Nachtmütze erklären, deren Bommel die Nase beim Hin- und herpendeln reizte: "Tschie! Ach Sie sind's, Herr Zahnstein."
"Gesundheit. Ja, ich bin's, Herr Erwin. Verzeihen Sie die Störung. Kann ich eintreten? Es ist wichtig."
Erwin schlurfte zu Seite, damit Zahnstein eintreten konnte. Der Troll nahm aus Gewohnheit den Weg rechts zur Küche und hockte sich auf seine Hacken.
Wie immer glich dieser Raum einem Backofen.
"Uaaah." Der Hausherr gähnte ausgiebig und streckte sich. Wie immer blieben die Augen des Trolls an den hölzernen Händen haften, doch Erwin bemerkte dies absichtlich nicht. Und er wollte auch nicht, dass dies Erwähnung fand, soviel wusste der Troll. Hilflos schaute er an die weiße Decke, während ein Schoppen Wasser auf den schon brennenden Herd gestellt wurde. Noch zwei Holzscheite mehr verwandelten die Temperatur dieses Raumes von Bachofen in Gluthölle.
"Verzeiht mir, ich kann euch immer noch keinen Stuhl anbieten, der euer Gewicht trägt."
"Das macht nichts, Herr Erwin, daran bin schon gewöhnt ich. Außerdem, wenn man auf Streife geht, ist Toll Stillstehen."
"Gut." Erwin nahm den nun pfeifenden Wasserkessel vom Herd und brühte sich einen Kaffee auf. "Was führt euch zu mir? So direkt vor meiner Schicht?"
Zahnstein zuckte zusammen. Es gab keine Schicht, nur jemanden, der es nicht ertragen konnte, arbeitsunfähig zu sein. Tag für Tag tauchte Erwin in den Schlachtereien auf und verbrachte den Tag mehr oder minder mit Warten.
"Nun, Herr, ich haben schwierig Problem. Sein einen Karren, den auffinden ich muss. Ich müssen... Erwin, Herr, möchten Sie aufmachen Fenster?"
"Oh! Selbstverständlich." Zahnstein beugte sich in die Kälte hinaus und atmete tief ein und aus. Manchmal hasste er die Temperaturfühligkeit der Trolle. Immer dann, wenn es kalt genug war.
"Nun, Herr Erwin", fuhr er fort. "Sie waren doch Schlachter. Und da dachte ich, sie könnten uns helfen."
Zahnsteins Informant nickte und schaute auf seine Hände. In dieser Stadt waren nicht nur Tauben intelligenter als gewöhnlich. Es gab sprechende Hunde, architektonisch veranlagte Ameisen und, bis vor kurzem, die Kamikaze-Ente. Nachdem dieses Mistvieh herausgefunden hatte, dass Potzblitzsoße mit Schwefel und Salpeter hergestellt wurde, ließ sie sich nach dem Verzehr von Holzkohle lebend marinieren. Ihr Zeichen pro Vegetarismus war ein Knall, der selbst Alchimisten neidisch machen konnte. Erwin verzog bei der Erinnerung das Gesicht und eine Träne kullerte leise die Wange herunter.
"Darum geht es nicht." Zahnstein hob abwehrend die Hände. "Ich brauche nur einen Namen. Gestern wurden die Felle von Gerbern abgeholt?"
Die Antwort war ein Nicken.
"Nun, wir brauchen, wie gesagt, den Namen des Fahrers. Oder seiner Firma."
Zahnstein zückte ein kleines Röhrchen auf dem "Vor Gebrauch schütteln" stand. Als er die Hand auf und ab bewegte, kamen kleine dämonische Schmerzenslaute aus dem Gefäß. Rib würde sich über die Nachricht freuen.

--- Firma König ---
--- nächster Morgen ---


Von hier aus sah er nichts. Rote Sachen sollte das Opfer anhaben. Oder zumindest grelle. Wenigstens auffällige. Damien hoffte auf ein Pastellfarbenverbot. Beim letzten Mal war alles daran gescheitert, dass der Szenekenner die für ihn abgelegte Leiche nicht gefunden hatte. [3] Da drüben schien was zu sein.
'Mein Name ist Bleicht, Damien G. Bleicht, mit der Lizenz zum Dungschüppen.' dachte der Wächter Damien bei sich. Bei der Wache einen echten Mistkerl spielen, das hatte er sich immer anders vorgestellt. Hätte er doch nie diesen Fall mit dem Müllskandal angenommen. Der Wächter stieg weiter herauf und entdeckte, auf einem Nebenhaufen die für ihn hinterlegte Leiche. Der Szenekenner seufzte. Das hatte er Rib zu verdanken, ihm und seinen neuen Ideen im Feldversuch. Ständig war irgendwas in Testphase. Wer musste das ausbaden? Natürlich die Mannschaft ganz unten.
Damien wechselte den Standort bis er sich neben dem Toten befand. Herkunft klatschianisch, vermutete der Szenekenner. Todesursache: Wahrscheinlich der Schnitt in dem Bauch. Damien fasste in die Wunde.
"Toter Briefkasten. Ganz tolle Idee. Ist das ekelig. Bah!" Angewidert schaute der Wächter auf den kleinen schwarzen Kasten.
"Ekelig?" Die Leiche richtete sich auf. "Was für eine Unverschämtheit. Sucht euch doch nächstes Mal einen anderen Zombie."
Brummelnd stand der Klatschianer auf und ging, weiterhin über seinen Zorn murmelnd. Irgendwann wachte Damian auch wieder aus seiner Ohnmacht auf und schaute auf den schwarzen Kasten in seiner Hand. Das also war Ribs Erfindung für den Umgang mit FROGS und Szenekennern. Neugierig öffnete er den Deckel. In dem Kasten befand sich ein kleiner Nanodämon.
"Hallo", sprach der Dämon in einem näselnden Ton. "Hier spricht Rib. Ich habe Probleme. Probleme, die ich allein nicht lösen kann.
Ich muss wissen, welcher Fahrer von Tills Gerberei vorgestern eine Gnomin überfahren hat. Sag niemanden, auf keinen Fall Cim was davon, bis wir miteinander gesprochen haben. Wir treffen uns bei dem Bäcker bei dir um die Ecke, sobald du kannst.
Solltest du von einem der anderen hierüber ausgefragt werden, werde ich abstreiten, diesen Kontakt aufgenommen oder von irgendeiner Kontaktaufnahme Kenntnis zu haben. Bitte beeil' dich. Dieser Dämon zerstört sich in fünf Sekunden selbst. Vier... Drei... Zwei... Eins... Null... Willst du mich nicht aufhalten?"
Flehend schaute der Dämon hoch, als er die Pistolenarmbrust hinter seinem Rücken hervorzog. Damian wollte bei diesem kleinen Drama nicht zuschauen und schloss den Kasten wieder. Dienst war Dienst, auch für beschworene Kreaturen. Schwefelrauch quoll kurze Zeit später an dem Deckelrand entlang.
Damian nahm die Schaufel in beide Hände und machte sich an den Abstieg.
"Herr König?", rief er seinem angeblichen Chef zu. "Ich muss mir mal den Nachmittag frei nehmen. Was familiäres."

Eine halbe Stunde blickte Damien auf das passende Ladenschild: "TiLLs FeHle uNd Feinez LedeR."
Er räusperte sich und schob die Tür auf: "Hallo?"
Ein etwas dicker, rundlicher Mann mit einer schweren Schürze vor dem beleibten Bauch blickte auf: "Sie wünschen?"
"Ich... ich suche Arbeit. Egal was." Damien zog schluchzend die Nase hoch und bereute das sofort. Auch Gerber verwenden Jauche. "Ich hab gehört, bei Ihnen ist noch eine Stelle als Fahrer frei, Herr Till."
"Wer soll das gesagt haben?"
"Na, einer ihrer Fahrer. Der Knabe, der vorgestern Abend die Fuhre Felle geholt hat."
"Akki! Komm mal her."
Aus dem hinteren Raum schlurfte eine jüngere Ausgabe des Verkäufers heran.
"Hast du dem Kerl hier gesagt, wir bräuchten noch'n Fahrer?"
"Äh... nein. Ich kenn den gar nicht."
"Klar hast du, kurz nachdem du den Spachtel mit dem Mist vom Reifen weggeworfen hast. Nicht wahr?" Damian zwinkerte, während sein Gesicht ernst blieb.
"Mist... Reifen... Oh! Äh... Ja, hab ich wohl. Das hatte ich ganz vergessen."
Herr Till musterte seinen Sohn schweigend. Dann sah er Damien ernst an: "Nun, ist auch nicht so wichtig. Wir sind ein Familienunternehmen. Und dabei bleibt's. Und wenn du tausendmal irgendein Saufkumpan von Akki bist."
Damien atmete tief ein und öffnete kurz den Mund, wie um etwas sagen zu wollen. Sein Kiefer klappte langsam zu.
"Ich verstehe. Dann schönen Tag noch."
Der Szenekenner trat durch die Tür und fing an zu zählen. Bei acht stand Akki vor ihm.
"Sag mal, was soll der Mist? Ich würde dich kennen und so?" Der Junge sah Damien wütend an.
"Kapierst du's nicht? Ich brauch 'nen Job und hab gesehen, wie du die kleine Gnomin umgefahren hast."
"Willst du mich erpressen oder was?"
"Nein, ich will die Schnauze halten, wenn du ein gutes Wort für mich einlegst. Oder willst du mir erzählen, das warst du nicht?"
"Hmmm."
"Was ist? Du warst das doch, oder?"
"Ja, schon, aber... Ich weiß nicht, ob ich da was machen kann. Und wenn mein Vater das spitzkriegt, schlägt er mich tot."
Das, fand der Wächter, war ein Geständnis. Nun musste er nur noch klären, wie der Junge verhaftet werden konnte, ohne das Rib ihn totschlug.

--- Stadtwache Ankh-Morpork ---
--- Besprechungsraum ---
--- Einsatzbesprechung Abendschicht ---


"Ich hab ihn verhaftet. Nach Vektorenart, ohne Quetschungen und Prellungen. Einfach höflich gefragt und er ist mitgekommen." Cim baute sich hinter dem Pulk auf. Es war egal, wie er sich bei diesen Worten fühlte, es galt Rib vor sich selbst zu schützen. "Das bedeutet für dich, du wirst ihn weder verhören noch sonst wie belästigen. Ich will nicht mal, dass du den Duschpartner für ihn aussuchst. Das wäre alles für heute."
"Aber..."
"Rib, auch wenn du die Ermittlungen geleitet hast. Es war nie dein Fall und dabei bleibt's. Wenn ich den Gefangenen auch nur Husten höre, wanderst du sofort vor Ras."
"Aber..."
"Das gilt auch bei jedem anderen Wort von dir."
"Aber..."
"Rib, es reicht."
"NEIN." Rib stand zornig auf seinem Pult. "Es reicht nicht. Es ist meine Witwe und ich würde mal euch gerne sehen, wenn's euch treffen würde. Sie liegt da oben, geht die Treppe rauf und schaut sie euch an. Ach... Scheiße."
Rib rannte zur Tür und schlug sie beim Rausgehen zu. Die Wand bekam leichte Risse.
Er rannte und rannte, bis er an ihrem Bett angekommen war.
"Lar'a", murmelte er. "Meine Lar'a."
Hinter ihm, im Türrahmen, räusperte sich jemand. Steven.
"Kann ich reinkommen?"
Rib antwortete nicht, was einem Ja gleichkam. Sein Blick war ganz auf die aufgebahrte Frau gerichtet.
"Weißt du Rib, immerhin hast du ihn geschnappt."
"Wie viel?"
"Was, wie viel?"
"Du bist unser Rechtsexperte, wie viel bekommt er?"
"Ich weiß nicht." Steven schaute betreten aus dem Fenster. "Ich weiß nicht mal, ob du es hören willst. Wenn man behauptet, es war ein Unfall, die Fahrerflucht damit mildert, dass Akki angeblich nicht erkannt hat, was er da abkratzte... Mit einem guten Anwalt zwei bis drei Jahre. Wenn überhaupt."
Rib strich Lar'a eine Locke zur Seite, die sich auf die Stirn verirrt hatte. Dann schaute er seinen Kollegen an.
"Drei? Wohl kaum gerecht. Sie ist nicht mehr, nicht wirklich."
"Ach komm. Goldi haben wir auch für tot gehalten und sie lebt. Und selbst wenn, du hast schon einmal jemanden zum Zombie gemacht. Ich wette du kennst noch so einen Seelenfänger."
Rib schüttelte den Kopf: "Du verstehst nicht. Ihr Hirn... Was nun aufwachen würde, wäre nicht sie. Vielleicht wäre das schlimmer als der Tod."
"Oh."
"Und jetzt sag mir, ich soll keine Rache nehmen." Rib baute sich am Fenster auf, zückte seine zwei leuchtenden Clanschwerter und fing an, damit herumzufuchteln. Ein nahe gelegener Signalturm antwortete mit einem Leuchten und begann damit, die Botschaft weiterzuleiten. "Ich sag dir was. In wenigen Stunden wissen alle Kobolde und Gnome, die mit mir oder Lar'a verwandt waren, wer es war und wo sie ihn finden können. Der Technik sei dank."
Steven ging das in Gedanken durch, während sich seine Augen langsam weiteten. Rib allein hatte fünfhundert Brüder gehabt. Fünfhundert Kobolde, die selbst die Träume besuchen konnten. Sandsäcke alleine dürften wohl nicht reichen, um Akki zu beschützen.
Rib drehte sich zu Steven um: "Sag Ras, ich komme gleich und zeige mich an. Bitte geh."
Rib blickte wieder auf Lar'a und streichelte sanft ihre Wange. Nie würde er zulassen, dass sie als ein degeneriertes Wrack ihr Dasein dahinvegetierte. Zärtlich nahm er ihren Kopf in die Armbeuge.
"Irgendwann werde ich dir folgen, ich versprech's", flüsterte er zärtlich.
Das Knacken ihres Halswirbels war gar nicht mal so laut.



[1] Wenn man der Stellenbeschreibung glauben mag.

[2] Silicic auch, aber ein Troll bei den Temperaturen...

[3] Dafür vier andere. Man mag gar nicht glauben, wie viele Verbrecher ihre Abfälle ernst nehmen.




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Feedback:

Von Rib

01.01.2006 17:12

Hi, vorab, damit man sich diesen Diskurs sparen kann:
Nein, ich wollte nicht einen Diskussion über Sterbehilfe anfangen. Die Vorstellungen und Meinungen zu diesem Thema sind die der Figur und nicht meine. Und bei den Vorstellungen muß man auch bedenken, das es sich um eine Fantasywelt handelt, die den Fakt ganz anders sehen dürfte.

Von Ruppert von Himmelfleck

01.01.2006 20:41

Also mir hat diese Geschichte am besten gefallen. Mag sein, dass sie Rib untypisch war, aber für mich war sie der Favorit, zumal ich bei einigen anderen Stories absolut nicht mitbekam worum es überhaupt ging ...
Dass sie auf Platz 5 landete, ich versteh's nicht (aber das passiert mir öfter so ... :wink: )

Von Tussnelda von Grantick

02.01.2006 11:56

Ich musste an einer Stelle sehr lachen:

Da bekam Rib gerade die Nachricht von Daemon und bei mir lief gerade das Mission Impossible Theme;-)

Ich gebe zu, dass ich stellenweise von dem Figurenreichtum verwirrt war und deshalb nicht immer ganz mitkam. So war meine Wertung auch relativ niedrig.

Von Ophelia Ziegenberger

02.01.2006 17:28

Lob: Mir gefielen der unmittelbare Einstieg in die Geschichte gepaart mit der Erwartungshaltung, die durch den Titel hervorgerufen worden war, sowie die Ermittlungen in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen. Besonders schön war auch die leichthändige Einbringung der Pokalwörter.

Kritik: Es blieb der Eindruck, dass die einzelnen Figuren, die auftraten, egal ob es sich bei ihnen um Wächterkollegen oder Neue handelte, nur farblose Kopien waren, deren Rollen sich auf das bloße Agieren gemäß der vorgegebenen Storyline beschränkten. Außer von Rib, als Hauptfigur, schien gar kein Ausbrechen aus diesem Schema möglich. Es fällt mir leider sehr, sehr schwer, eine plausible oder nachvollziehbare Begründung für diesen Eindruck vorzubringen. Tut mir leid, ich weiß das hilft nicht viel.

Von Rib

02.01.2006 17:57

Doch, es hilft. Im Moment halte ich mich nur mit Kommentaren zurück, um zuzuhören. Es scheint allerdings so, als ob alle Befürchtungen, die ich gegen das Grundkonzept zu Anfang hegte berechtigt waren.

Von Harry

02.01.2006 20:25

So, jetzt mache ich auch mal meine Pokalkritik-Runde:

Für eine Handlung dieser Art hätte nach meinem Geschmack mehr Inneneinsicht des Charakters gezeigt werden müssen. Die Stimmung bringst Du gut rüber, auch die anderen Figuren finde ich gut eingebaut (dass der Fokus bei dieser Handlung auf Rib, nicht auf den Mitwächtern liegen muss, finde ich auch klar), aber das Innenleben hätte mehr Farbe bekommen müssen, finde ich. Wenn man Deine Handlung und Bregs' Charakterstudie vermengen könnte, wäre das eine optimale Kombination gewesen :-)

Von Magane

02.01.2006 23:03

Hmmm... okay...
Das Thema war sehr anstrengend, zumindest wenn man sich vor solchen Dingen eigentlich auf die Scheibenwelt geflüchtet hat. Wäre es nicht eine Pokey gewesen hätte ich diese Single nicht gelesen, und damit hätte ich etwas verpasst. Für eine Geschichte mit so ernster und deprimierender Handlung war sie super, in Rib konnte man sich blendend einfühlen und dass die anderen Charaktere etwas oberflächlich wirkten ist durchaus verständlich. Ich bin mir nicht sicher ob es geschickt ist eine so persönliche Sache in eine Pokey zu verpacken. Unterm Strich war diese Single sicherlich die die mich am meisten berührt hat in dieser Pokalrunde, gewertet hab ich sie in der Pokalwertung etwas höher (auf Platz 2), Note weiß ich nicht mehr (Pokalwertung konnt ich halt nachschaun).

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