Taubenmatsch

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von Gefreiter Pismire
Online seit 13. 08. 2000
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Seit ein paar Tagen kommt keine Taubennachricht mehr an und somit ist eine Kommunikation unmöglich! Alle Wasserspeier in der Wache bestreiten vehement, Urheber des Problems zu sein. Holt etwa jemand die Tauben vom Himmel? Finde es heraus!

Dafür vergebene Note: 12

"Guten Morgen, Hauptgefreiter", grüßte Pismire, als er an einem schönen Morgen die Wache zum Dienst betrat. Aus dem zweiten Stock hörte man deutlich das Brüllen von Kommandeur Rince.
"Meine Güte", fragte er Lewton, der mürrisch an einem Stift kaute und versuchte, den Bericht über die Ereignisse der Nachtschicht zu Papier zu bringen, "was ist den da oben los?"
"Nun, Kommandeur Rince ist gerade in ausgesprochen schlechter Laune", entgegnete dieser und versuchte erneut, sich auf den vor ihm liegenden Papierkram zu konzentrieren.
"Na gut, aber das ist doch normal. Ich meine nur, wen schreit er denn da gerade so zusammen?" fragte Gefreiter Pismire.
"Oh, er hat Täuble und Shneeble da oben. Gestern wartete er auf eine wichtige Nachricht, die es ihm ermöglichen sollte, unauffällig beim Gildenessen der Narren zu verschwinden. Und ICH habe sie ja auch per Taube auf den Weg geschickt, aber die Taube ist einfach verschwunden. Unsere anderen übrigens auch, und in der Kröselmannstraße sind die Viecher ebenfalls weg. Die Verschläge waren ganz normal, aber keine einzige Taube ist mehr da..."
"Was meiner Ansicht nach auch kein Verlust ist," warf der vorbeikommende Rascaal ein, der allein in der letzten Woche acht mal seinen Umhang hatte zur Reinigung bringen dürfen. "Meinen halben Monatslohn habe ich in den letzten zwei Wochen für die Reinigung meiner Uniform inwes.. inwer, naja, ausgegeben. Und frag mal Oma Morkie - die mussten wir in der letzten Woche drei mal wieder ausgraben", kicherte der Vampir. "Man konnte sie bis zum anderen Ende des Pseudopolisplatz zetern hören."
"Ich habe nicht 'gezetert'", warf die Nomin ein, "ich habe nur meinem berechtigten Protest über unsere gefiederten Aushilfen Ausdruck verliehen. Und wenn man nicht aufpaßt, fressen sie einem immer alles weg."
"Also, darüber kann ich mich nicht beklagen", sagte der hochgewachsene Vampir.
"Naja, die Viecher sind zwar bescheuert, aber soo dumm ist nicht mal eine Taube," warf Hauptgefreiter Steingesicht ein. "Ich finde sie eigentlich ganz praktisch."
"Dich können sie ja auch nicht zuscheißen", murrte Oma Morkie. "Und bei euch anderen ist schlimmstenfalls eine Reinigung der Kleidung fällig. Aber frag mal Swires oder Venezia..."
"Wie dem auch sei, Kommandeur Rince hat sich aus naheliegenden Grund erst einmal unsere Wasserspeier kommen lassen. Sei einer halben Stunde nimmt er sie nun ins Gebet. Aber ich kann mir eigentlich vorstellen, daß sie etwas damit zu tun haben. Aber vielleicht haben sie ja was bemerkt." schickte Lewton sich an, die Debatte zu beenden.
"Wo ist eigentlich Giebel, Korporal", fragte Pismire, während er sich an seinen Schreibtisch begab.
"Oh, der hat Urlaub. Er wollte in die Spitzhornberge, er meinte, daß das trockene Tieflandklima auf Dauer nicht gut für seinen Husten ist." antwortete dieser. "Da hier gerade nicht zu tun ist, könntest du dich ja mal in der Stadt umhören. Und im übrigen heißt es Chief-Corporal, Gefreiter," fügte er hinzu, während er sich an seinen Schreibtisch begab und gedankenverloren in seinem Beutel zu kramen begann.
"Oh, aber sofort, bin schon weg, Chief-Corporal", sagte Pismire schnell, der seine Chance erkannte, den gefürchteten roten Beeten entkommen zu können und flitzte durch die Tür.
Draußen auf dem Pseudopolisplatz holte er erst einmal tief Luft und überlegte sich dann, wo er am besten mit seinen Ermittlungen beginnen sollte.
Gedankenverloren blickte er am Wachgebäude hoch und bemerkte, daß Shneeble und Täuble gerade auf ihre eckige Art aus Kommandeur Rince' Fenster stiegen, um sich an ihre üblichen Aufenthaltsorte zu begeben.
"Vielleicht sollte ich Shneeble fragen, was los ist", überlegte er, "scheint einfachere zu sein, als beim Kommandeur nach dem Ergebnis des 'Gesprächs' nachzufragen." Er folgte Shneeble, der sich offensichtlich zu seinem Stammplatz über "Winkels Unwahrscheinlicher Brauerei" begab. Auf Grund seiner Vorgeschichte schätzte Pismire Kletterpartien oder den Aufenthalt an hochgelegenen Orten zwar nicht sonderlich, aber bevor er einen übellaunigen Vorgesetzten aufsuchte...
Als er den Stammplatz von Shneeble erreichte war er ziemlich aus der Puste. Der alte Wasserspeier musterte ihn mit offensichtlich schlechter Laune und Pismire überlegte sich gerade einen munteren Spruch zur Begrüßung, als Shneeble im mit "Wassilsndunhr", das Pismire korrekt als "Was willst denn du hier" übersetzte, zuvorkam. "K'nnFufall"
"Stimmt, es ist kein Zufall", bestätigte Pismire. "Ich bin von Chief-Corporal Ohnedurst auf die Sache mit den verschwundenen Tauben angesetzt worden. Ich dachte mir, ich red' mal mit dir, bevor ich.... nein, halt", sagte er schnell, als Shneeble sich angewidert von ihm abwendete. "Ich glaube nicht, daß einer von den Wasserspeiern der Wache etwas damit zu tun hat. Aber ich hab mir gedacht, daß ihr vielleicht etwas bemerkt habt. Immerhin waren gestern abend noch Tauben unterwegs, und jetzt - schau dir das an: der Himmel über Ankh-Morpork ist taubenfrei." Gedankenverloren setzte Pismire einen kleinen Kessel mit Wasser auf den Feuersalamander. Als das Wasser kochte, bot er Shneeble einen Tee an, was dieser mit einem würgenden Geräusch ablehnte. "Ich nehme an, daß auch Täuble mir nicht weiterhelfen könnte. Was meinst du, wer könnte ein Interesse an Tauben oder ihrem Verschwinden haben?", fragte er. Shneeble zuckte mit den Schultern, der kleine Feuersalamander hatte sich an dessen Füßen zusammengerollt und war in Schlaf gefallen.
"Naja", fügte Pismire hinzu als er merkte, daß auch Shneeble eingeschlafen war, "war nett mit euch zwei Plaudertaschen, gebt euch keine Mühe, ich finde schon allein nach unten."
Als er seine Sachen zusammensuchte sah er auf einmal eine Bewegung am Himmel: eine einsame Taube schien orientierungslos zu kreisen. Pismire versuchte herauszubekommen, wo genau sie sich befand. Es schien sich um die Gegend hinter dem Gebäude der Alchimistengilde zu handeln. Um die Taube nicht am Boden aus den Augen zu verlieren, beschloß er, der Assassinen-Übungsstraße 25a zu folgen, die vom Winkelgebäude bis zum Gildengebäude der Alchimisten führte. Allerdings war sie zur Benutzung durch junge und sportlich durchtrainierte Assassinen bestimmt, ihr Gebrauch durch ältere Schamanen war eher nicht vorgesehen. Daher brauchte Pismire auch mehrere Verschnaufpausen. So hatte er gerade keuchend den Mützenturm der Narrengilde erreicht, als die Taube auf einmal mit einem lauten Knall in der Luft explodierte.
"Hupps", meinte Pismire, "meine Güte, was war DAS denn."
So gut er konnte, brachte er die verbleibende Wegstrecke hinter sich. Als er auf dem Dach der Alchimistengilde angekommen war, wäre er vor Schreck fast vom Dach gerutscht: hinter dem Gebäude, wo eine ziemlich heruntergekommene Häuserzeile ihr Dasein fristet, bot sich ihm ein Bild des Grauens: knöcheltief war das Kopfsteinpflaster mit einer Schicht aus Taubenmus mit Federn bedeckt.
"Ach du meine Güte, was hat das denn zu bedeuten?" fragte er sich, während er versuchte, die Regenrinne herunter zu rutschen. In der Gasse hatte sich ein nasenzerfressender Gestank breit gemacht, der bereits eine beträchtliche Anzahl an Ratten angelockt hatte. Die meisten von ihnen lagen bereits mit vollgefressenen Bäuchen auf dem Rücken satt und zufrieden im Schatten, hier und dort schaute noch ein Beinchen aus dem Mundwinkel. Auf einem Miniaturliegestuhl sah Pismire Willard I. liegen, den inoffiziellen König der Ratten von Ankh-Morpork. Auch sein Bauch breitete sich beängstigend aus, während seine kleine Krone in beachtlicher Schieflage zwischen den Ohren saß.
"Grüß euch, Euer Majestät", richtet Pismire in gebührendem Respekt das Wort an ihn.
"Ah, Gefreiter Pismire von der Stadtwache", entgegnetem Willard gnädig, während er mit dem linken Pfötchen ein heftiges Aufstoßen zu unterdrücken versuchte, "was wünscht die Stadtwache von Uns?"
"Oh, ich war auf der Suche nach einigen von unseren freien Mitarbeitern, aber ich schätze, daß, eh, ihr Vertrag wohl ausgelaufen ist. Ihr könnt mir nicht zufällig sagen, was es mit der hiesigen Angelegenheit auf sich hat?"
"Nun, Wir wurden heute nacht von Unseren Untertanen unterrichtet, daß es Nahrung vom Himmel regnet. Wir dachten natürlich zuerst an die Prophezeiungen in den Schriften, die Gefreiter Besuch und Gefreiter Fege uns in der letzten Zeit vorbei gebracht hatten. Delikate Lecktüre, übrigens", fügte der Rattenkönig an. "Wir haben natürlich die Angelegenheit in Augenschein genommen, und ich versichere euch, wenn auch nur noch einer von meinen Leuten in der Lage gewesen wäre zu gehen, hätten Wir natürlich die Stadtwache sofort benachrichtigen lassen, aber ihr seht ja...", er wies mit den Pfötchen um sich.
"Nun, Euer Majestät, ihr habt mir vermutlich schon ein ganzes Stück weitergeholfen", dankte ihm Pismire, dessen Mageninhalt sich schon bedenklich nach oben gearbeitet hatte. "Ich wünsche Euch noch einen, äh, schönen Tag..." Eilig wankte Pismire um die Ecke, dann streckte, einer plötzliche Eingebung folgend noch einmal den Kopf um die Ecke und sagte: "Übrigens, Rekrut Rat, nimm bitte den Flügel aus dem äh Mund, versuch den Harnisch zu schließen und komm mit, wir haben zu tun", und machte sich auf den Weg zum Hauptportal der Alchimistengilde. Schwerfällig erhob sich Rat und schloß zu Pismire auf.
"Ich habe eigentlich frei, weißt du", murrte er, "und es ist ausgesprochen unhöflich eine Einladung zum Essen abzulehnen, burps, 'schuldige."
Die beiden Wächter errichten das Haupttor, wo sie auf Silberfisch, den Chefalchimisten, stießen.
"Guten Tag, Herr Silberfisch", grüßte Pismire freundlich, "hättet ihr kurz einen Augenblick für uns Zeit?"
Herr Silberfisch, der seit dem Tag, als Pismire bei einem Besuch in der Gilde mit der Frage "und was passiert, wenn man so macht" zu einer der denkwürdigsten Kettenexplosionen in der Geschichte der Gilde beigetragen hatte, immer noch nervös zusammenzuckte wenn er ihn sah, begann im stillen, diesen Tag richtig zu verfluchen.
"Oh, Gefreiter Pismire, schön euch zu sehen, was liegt denn an?" fragte er scheinheilig.
"Ihr wißt nicht zufällig, was es mit dem äh, Taubenmatsch hinter eurem Gildengebäude auf sich hat?" entgegnete dieser.
"Äh, Taubenmatsch, ach, DER Taubenmatsch, äh, nun, wie ihr wißt finden in einer Woche die Abschlußexamen in den Fächern "Explosionen", "Knallen Teil 2" und "Krawumm Extraordinär" statt, äh, wendet euch doch einfach an den Lehrer Herrn Undrumms, da vorne, der den Schüler am Ohr zieht... ich habe einen dringenden Termin", unternahm er einen letzten Versuch, während Rat ihm den Weg versperrte.
"Na gut, ja, Pismire, wir haben etwas zu tun und nein, es war keine Absicht...", setzte er bereits zu einer Erklärung an.
"Nun, das solltet ihr besser auf der Wache erklären. Und wie heißt nun der Schüler, der uns begleiten wird?" unterbrach ihn Pismire.
"Rumms, Fester Rumms. Er hatte die Prüfungsaufgabe, sich über wirklich ungewöhnliche Formen für das diesjährige Feuerwerk Gedanken zu machen, nun, ich schätze, er hat das mit dem 'ungewöhnlich' wohl ein wenig zu wörtlich genommen." erläuterte Herr Undrumms, der mit dem sich heftig sträubenden Schüler mittlerweile die Gruppe erreicht hatte. "Er hat Knallkörner als Köder mit Pulver Nr. 9 und einigen weiteren Zutaten heute nacht ausgestreut. Nun, und das Ergebnis haben wir dann heute gefunden. Wenn in der Nacht nicht die ganzen Übungsexplosionen gewesen wären, dann hätten wir schon eher was gemerkt und vielleicht noch etwas tun können, aber die Tauben waren nicht mehr zu bremsen, als sie das Futter sahen." beendete Herr Silberfisch die Schilderung des Tathergangs.
"Nun, das werden wir dann alles auf der Wache zu Protokoll nehmen", meinte Pismire. "Ich hoffe nur, daß die Zutaten für die Mischung nicht bekannt werden, sie könnten sich bei einer Menge von Einwohnern in der Stadt einer großen Beliebtheit erfreuen, und nicht nur dort...", schloß er nachdenklich.






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