Geierauge

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von Gefreiter Stump von Schwamp (RUM)
Online seit 01. 08. 2004
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Ein Mord ist geschehen und irgendwoher kennt Stump die Leiche. Das kann ja heiter werden

Dafür vergebene Note: 12

Vorwort
Es gibt Geschichten, die drehen sich kurz bevor sie zu Ende sind noch einmal um. Sie blicken in Richtung Leser, und strecken die Zunge in seine Richtung aus. Danach machen sie noch eine Wende, um am Ende doch dort anzukommen, wo sie hinwollten. [1]

Als ich die Treppe hab erklommen
traf ich 'nen Mann, der war nicht dort.
Auch heute ist er nicht gekommen!
Ich wollt, er blieb für immer fort

HUGHES MEARNS



===Dienstag, 29. Gruni im Jahr des stinkigen Ziegenkadavers 8:00 Uhr===


***Stump von Schwamps Wohnung***


Stump wachte auf. Sein Kopf schmerzte. In der vergangenen Nacht hatte er zwei Dinge gelernt: erstens, dass nicht alles was grün war auch gesund war und zweitens, dass auch Feen nicht immer gut waren. Außer dieser Erkenntnis und einer dicken Beule am Kopf war Stump vom Vortag nichts geblieben. Außerdem spürte er eine leichte Blutkruste am Ohr. Er machte sich nicht die Mühe eines Versuches irgendetwas zu rekonstruieren. Spätestens im Wachegebäude würde er sowieso wissen, was passiert war.

***Hauptquartier der Ankh-Morpork Stadtwache***


"Guten Morgen Stump", begrüßte ihn seine Cheffin, "na, wie geht?s dir heute?"
"Wenn ich wüsste, was gestern passiert ist, könnte ich?s dir sagen. Mir fehlen ein paar Stunden. Und zwar genau die in denen wir offensichtlich ausgegangen sind."
"Naja, musst du ja haben. Nachdem du irgendwas davon gebrabbelt hast, dass dir die grüne Fee befohlen hat dein Ohr abzuschneiden, hat dich Larius mit einem Dachziegel daran gehindert." Stump berührte das Ding auf seinem Kopf noch einmal. Es schmerzte immer noch.
"Dann schätze ich mal, mir geht?s den Umständen entsprechend", knirschte Stump, "falls du mich brauchst, ich bin dann mal in meinem Büro."
"He, Moment mal, Stump. Glaubst du, ich hab auf dich gewartet, nur um dir zu sagen, was letzte Nacht passiert ist? Ich hab da einen Fall, der bearbeitet werden muss."
"Mist", murmelte Stump, und dann: "Lass mich raten, irgendwer ist gestorben, und ich soll jetzt den Mörder finden. Weißt du was? Der Typ ist tot, er hat alle Zeit der Welt."
"Nix da", fuhr ihn Rina an, "du wirst jetzt sofort zum Tatort gehen und dort mit deinen Nachforschungen beginnen. Ein Spurensichererteam ist schon dort. Ahnenstraße 27. Der ermordete heißt.."

===Montag, 1. Gruni im Jahr des stinkigen Ziegenkadavers===


"Konspirazius von Versch mein Name", stellte sich der ältere Mann vor, "Dieser kleine äh Zwischenfall tut mir aufrichtig leid." Soeben hatte Stump von Schwamp die ganze Kraft eines Sackes voller Ziegelsteine gespürt. Verwundert schaute sich der Wächter den Mann an. Wenn man in Ankh-Morpork eine schwere Last zum Kopf kriegt, konnte man sich entweder sicher sein, dass der dafür Verantwortliche entweder verschwand oder einen nur wenige Sekunden später ein Messer zwischen die Augen rammte. Ganz sicher aber würde es nie passieren, dass sich jemand dafür entschuldigte. "Der Sack muss mir wohl ein wenig ausgekommen sein. Ich meine, das Ding ist verdammt schwer und so, und ich muss aufpassen, dass sie mir nicht folgen. Ich muss schnell sein und so. Damit sie mir nicht nachkommen."
Stump musterte den alten Herrn noch einmal genauer: ein weißer Haarkranz schmückte einen ansonsten kahlen Kopf, in den Falten seiner Stirn konnte man wahrscheinlich Kartoffeln sähen, und seine übergroße Knollennase schien mehr als das normale Menschliche Geruchsspektrum zu kennen. Außerdem schaute er sich während er redete mehrere Male um, so als würde er nach etwas Ausschau halten.
"Ist schon gut", meinte Stump und fuhr dabei mit der Hand über die schmerzenden Stellen, "passiert mir öfter so was. Was muss ich Idiot auch hinter jemanden her gehen, der einen Sack voller Steine schleppt. Zum Glück brech ich mir dabei nie was. Wird schon wieder abheilen."
"Trotzdem werde ich darauf bestehen müssen, dass Sie mit mir mitkommen. Nicht dass Sie mir irgendwelche Folgeschäden davon tragen oder so. Also, kommen Sie mit mir mit, aber passen Sie auf, dass sie ihnen nicht folgen."
"Wer sind sie?", fragte Stump, worauf Konspirazius sich sofort zu ihm umdrehte und mit dem Zeigefinger zum Mund fuhr.
"Shhh", antwortete er, "reden Sie nicht über sie, sie beobachten uns. Schon die Ganze Zeit. Und jetzt folgen Sie mir", er drehte sich wieder zu Stump, warf ihm einen ernsten Blick zu, und fügte dann hinzu: "unauffällig."

===Wieder Dienstag der 29. Gruni im Jahr des stinkigen Ziegenkadavers, 9:03===


***Noch immer im Wachhaus***


"Du kennst ihn also schon", stellte Rina fest, und fügte hinzu, "dann ist also keine Wegbeschreibung oder so was erforderlich."
"Ich glaube nicht", seufzte Stump resignierend, mittlerweile hatte er sich damit abgefunden, dass sein Tag nicht nur verkatert, sondern auch noch geistig und körperlich nicht gerade entspannend werden würde.
"Hm, das ist gar nicht schlecht, dass du schon Kontakt mit dem Typen hattest. Wie gut hast du ihn gekannt?"
"Nicht sehr gut, die Bekanntschaft war eher schicksalhaft erzwungener art." Rina wirkte verwirrt. "Er hat einen Sack voller Ziegelsteine über mir entleert", klärte Stump auf.
"Achso, dann ist ja alles klar. Also, du wirst bereits erwartet. Und bevor ich?s vergesse. Der Typ hatte einen verdammt interessanten Job."
"Ich weiß", brach Stump seine Chefin ab, "er war.."

===Zurück zum 1. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


".. Verschwörungstheoretiker?", ungläubig ließ Stump den Zettel sinken, den Konspirazius als 'seine Karte' bezeichnet hatte, und auf der neben seinem ungewöhnlichen Job auch sein Name gedruckt war. Von einem Wohnort war auf dem Papier nichts zu lesen. Stattdessen standen da die Zeilen: "Suchen Sie mich nicht, ich finde Sie schon."
"Und äh, was macht ein Verschwörungstheoretiker so, wenn ich fragen darf?"
"Sie dürfen, Sie dürfen."
".."
"Ich warte auf die Frage."
"Was macht ein Verschwörungstheoretiker so?"
"Er stellt Verschwörungstheorien auf, und versteckt sich vor ihnen."
"Vor den Verschwörungstheorien?"
"Nein, vor den Menschen, die hinter den Verschwörungen stecken."
"Wissen Sie wer diese Menschen sind?"
"Nein. Darum verstecke ich mich ja auch vor jeden."
"Sie wissen also nicht, wovor sie wegrennen?"
"Ich weiß nicht mal warum ich wegrenne. Theoretisch könnte es auch sein, dass keine meiner Verschwörungstheorien stimmt."
"Weil sie nur Theorien sind?"
"Weil sie alle Teil einer gigantischen Verschwörungstheorie sind, die keiner von uns verstehen kann, und der keiner von uns entrinnen kann. Vielleicht ist unser gesamtes Leben nur ein riesengroßes Spiel für ein paar perverse aber überaus mächtige unbekannte gestalten. Und vielleicht sind wir nur ihre willenlosen Spielfiguren. Vielleicht existiert unsere kleine Konversation in Wirklichkeit gar nicht. Vielleicht existiert die Wirklichkeit in Wirklichkeit gar nicht."
"Und vielleicht sind Sie einfach nur ein armer Irrer, der den ganzen Tag irgendeinen Blödsinn daherredet um Aufmerksamkeit zu bekommen."
"Vielleicht bin ich?s, aber ich muss Sie warnen, der letzte der mir das sagte starb drei Tage später während eines Anschlages, den ich ihm vorhergesagt habe."
"Interessanter Zufall."
"Oder das Ergebnis einer Verschwörung. Denken Sie mal darüber nach. Ich sagte ja, ich kenne Ihre Pläne."
"..und die wären."
"Zu viele und zu Komplex um sie jetzt hier zu erklären und aufzuzählen."
"Ich habe Zeit."
"Also gut. Nehmen wir als Beispiel diesen Silberling."
"Ich bin gespannt.."

===29. Gruni (wieder mal)===


***Ahnenstraße 27***


Als Stump das Wohnhaus des verstorbenen betrat wirkte fast alles noch genauso wie an dem Tag, als er zum ersten Mal bei Konspirazius zu Besuch war. Zumindest der Eingangsbereich wirkte noch gleich: Dieselben Schränke beinhalteten dieselben Bücher. Lediglich die leichte Staubschicht war neu hinzugekommen. Jedoch als Stump die eigentliche Wohnung betrat wartete Chaos auf ihn: die bei seinem ersten Besuch ohnehin nicht schon sehr aufgeräumte Wohnung wirkte nun, als wäre darin ein Sumpfdrache explodiert. Sämtliche Regale waren umgekippt, Buchseiten lagen von ihren zugehörigen Büchern entfernt am Boden oder klebten, zum Teil verbrannt, irgendwo an den Wänden. Was früher zumindest so ausgesehen hatte als hätte mal jemand darin gewohnt schien nun das letzte Überbleibsel vom Ende der Welt zu sein. Leiche konnte Stump keine sehen. Dafür aber Larius, der als einziger von S.U.S.I. zurückgeblieben war.
"Hallo Stump", begrüßte ihn der Tatortsicherer grummelnd, "die andern haben gesagt ich soll hier auf dich warten."
"Tut mir leid, Larius. Machen wir's kurz, dann kannst du auch gleich gehen. Also, worum geht?s?"
"Naja, der Typ hier ist mehr oder weniger tot", Larius zeigte mit dem Finger in die Ecke, in der Konspirazius lag. Nun bemerkte Stump auch, warum er die Leiche nicht sofort gesehen hatte: er war umringt von umgefallenen Möbeln und schön säuberlich in der Ecke zusammengefaltet worden.
"Hätte ich mir denken können", bemerkte Stump beiläufig, "letztes Mal als ich ihn sah wirkte er mir doch etwas lebendiger. Wie hat man ihn denn getötet?"
"Schau es dir an."
Der Ermittler schritt auf den Toten zu, der nicht wirklich einen schönen Anblick machte. Er lag in einer Blutlache, die sich mittlerweile rund um ihn ausgebreitet hatte. Der Mensch hatte aus allen Stellen Blut verloren, aus denen man das rote Zeug verlieren konnte. Was aber erschreckenderweise nicht das Grausamste an der ganzen Sache war. Außerdem hatte ihn der Mörder nämlich noch zwei Silberlinge auf die Augen gelegt.
"Münzen auf den Augen?", fragte Stump leicht verwirrt und sehr angeekelt.
"Erstens, dafür bist du zuständig, zweitens liegen die Münzen nicht auf den Augen, sondern verdecken lediglich noch die Augenhöhlen."
"Du meinst?"
"Genau."
"Die Augen wurden ihm entfernt?"
"Ja. Komischerweise wurden sie aber nicht mitgenommen, sondern bloß in die andere Ecke des Zimmers gelegt."
"Schrecklich."
"Wem sagst du das?"

===Zeitsprung (1. Gruni)===


***Ahnenstraße 27 (die Wohnung ist noch immer intakt)***


"Also, was hat es nun mit dieser verdammten Münze auf sich?"
"Ich erklär es Ihnen sofort. Davor verraten Sie mir nur, was Sie über die Illumisten wissen."
"Die Lumiwas?"
"Illumisten."
"Nichts."
"Gut, ich sehe, ich habe noch einige Aufklärungsarbeit vor mir. Also, die Lumisten sind eine Sekte, die vorhabend die Welt zu erobern."
"Nicht schon wieder."
"Naja, keine von diesen 'haha-wir-haben-einen-Plan-jetzt-erobern-wir-die-Welt-Sekten"
"Sondern?"
"Eine 'Wir-beherrschen-mittlerweile-die-Welt-Sekte'. Die letzten Regenten Ankh-Morporks kamen nur durch die Lumisten an die Macht. Und das ohne dass sie es wussten."
"Schön für sie."
"Nun, na ja, einige der letzten Regenten Ankh-Morporks wurden auch wieder durch die Lumisten entmachtet. Ebenfalls ohne es zu wissen. Und weißt du auch warum.."
"Sie nichts gewusst haben?"
"Sie entmachtet wurden."
"Ehrlich gesagt möchte ich es gar nicht wissen."
"Sie wagten, zu hinterfragen wie sie Herrscher wurden."
"Sagte ich nicht, dass ich es nicht wissen will?"
"Ja, ich habe es nur ignoriert."
"Schön. Und lassen Sie mich raten, diese 'Entmachtung' ging höchstwahrscheinlich nicht wirklich angenehm für die Opfer vonstatten."
"Sie haben Recht. Die Menschen wurden arg zugerichtet, ihnen wurden die Augen entfernt, und solche Münzen über die Augenhöhlen gelegt. Sehen Sie mal."
"Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich solche Silberlinge noch nie vorher gesehen."
"Sie wurden auch nie als Zahlungsmittel benutzt. Sonderanfertigung für die Illumisten. Sehen Sie dieses Auge auf der Spitze der Pyramide in der Mitte der Münze?"
"Man müsste schon blind sein, um es nicht zu sehen."
"Die Illumisten nennen es das Alles sehende Auge des Geiers. Anstatt der echten Augen soll es den Opfern helfen zu sehen."
"Also Moment mal, zuerst werden sie Geschlachtet, und danach wird ihnen geholfen zu sehen?"
"Genau so ist es."
"Warum sollte man seinen Feinden helfen. Und warum zum Toifel erst nach dem Tod?"
"Die Illumisten wollen, dass man die Welt zumindest nach dem Tod mit ihren Augen, mit den Alles sehenden Augen sieht. Um zu verstehen."
"Wow, die Leute sind ja wahre Wohltäter."
"Ich habe irgendwie das Gefühl, Sie nehmen mich nicht ernst."
"Ihr Gefühl hat verdammt noch mal recht. Sie sollten öfters auf dieses hören, als auf Ihre Paranoia."
"Na schön, wenn Sie mir nicht glauben, dann wird ihnen meine nächst Theorie wohl eher helfen zu glauben."
"Schon wieder was mit Sektenquatsch?"
"Nein, diesmal nicht."
"Gut, was ist es?"
"Sehen Sie sich dieses Buch an."
"Was kann es? Will es auch die Welt erobern oder macht es nur unsichtbar?"

===29. Gruni===


***Ahnenstraße 27, Wohnung mit Leiche***


"So ist es also", meinte Larius, nachdem Stump ihm von seiner ersten Begegnung mit von Versch erzählt hatte, "glaubst du wirklich, dass das ein organisierter Mord einer Sekte war?"
"Ich habe keine Ahnung", antwortete Stump, "ich weiß nur zwei Dinge. Erstens: ich werde es herausfinden, und zweitens: das wird ein verdammtes Stück Arbeit."
"Darauf kannst du wetten. Ach, übrigens, es wurden keine Fingerabdrücke hinterlassen. Aber sieh dir das an", Larius zeigte auf die Zimmerdecke, "genau über dem Punkt an dem die Augen lagen hat irgendjemand 'fürchtet die Rache' aufgemalt."
"Hm", überlegte Stump, "wenn wir herausfinden welche Farbe es ist, können wir vielleicht herausfinden, wo sie gekauft, beziehungsweise wie sie hergestellt.."
Larius unterbrach ihn: "Schon passiert. Ist sein Blut."
"Mist, hätte ich mir gleich denken können. Also gut, entweder, wir haben es hier wirklich mit diesen Illumisten zu tun oder mit einem überaus geschmacksverwirrten Psychopaten. Wobei ich nicht wirklich weiß worauf ich hoffen soll."
"Nimm die Sekte, da weißt du wenigstens woran du bist", der Tatortsicherer fing sich einen strengen Blick von Stump ein.
"Larius?"
"Ja?"
"Erstens, diese Frage war Rhetorisch, und zweitens, ich glaube, ich kann von hier aus allein weitermachen."
"Gut, ich geh dann mal zu den anderen."
"Ach, eine Bitte noch, wenn du irgendwas über diese Illumisten hörst, dann sag mir das bitte möglichst schnell. Könnte ja eine Spur sein."
"Werd ich machen. Wiedersehen Stump"
"Bis später."

***Auf dem Heimweg***


Stumps Rückweg war lang. Lange genug, um sich zu überlegen, wie er sich aus dem ganzen Fall herauswinden könnte. Wenn er in seiner Zeit als Wächter eines gelernt hatte, dann, dass man sich weder mit Sekten noch mit Psychopaten anlegen sollte, was zweifellos der Fall war. Außerdem hatte Stumps noch immer einen Kater für drei Personen, und er glaubte nicht, dass der Mörder, so Stump ihn finde, nicht mit ihm Tee trinken wollte und darüber diskutieren, dass die Zeiten damals besser für Leute wie ihn waren, weil die Wache damals noch bestechlicher, und die Methoden damals noch weniger überzeugend waren.
Irgendwann begann Stump zu summen. Irgendwas. Er musste einfach etwas tun, um von den Gedanken wegzukommen, dass er derzeit in ziemlicher Lebensgefahr schwebte. Irgendjemand könnte ihm gefolgt sein, und ihn jetzt töten wollen. In Ankh-Morpork war das überhaupt kein Problem. Wahrscheinlich würde es nicht einmal jemand merken, wenn Stump plötzlich tot in sich zusammensackte und keinen Laut mehr von sich gab. So was passierte öfters.
In Gedanken versunken überquerte er die Messingbrücke, in deren Mitte er plötzlich von jemandem angesprochen wurde: "Entschuldigung, könntest du mir bitte dabei helfen, diesen Stein von der Brücke zu werfen?"
Der Wächter half gern. Besonders, wenn Menschen so nett fragten wie dieser hier. Nur etwas kam ihm seltsam vor. Warum sollte jemand einen Stein von der Messingbrücke werfen wollen. Noch dazu wenn an dem Stein eine Schnur hing, und an dieser Schnur der Werfer selbst?
"Entschuldige die Frage, aber warum wollen Sie das machen?", Stump blickte ihm in die Augen, der Typ der ihn gefragt hatte war ein Junge, kaum älter als er, groß, schlaksig und dunkle Haare. In seinen von Ringen unterlegten Augen konnte man Furcht und Verzweiflung ablesen.
"I-Ich", begann der Junge stotternd, "ich werde h-hier jetzt diesen Stein von der Brücke werfen, der wird mich nachziehen, und der Aufprall am Ankh wird mich töten."
Nicht nur, dass sein Tag von der Suche nach dem Mörder schon sowieso total versaut war, jetzt hatte es Stump auch noch mit einem voraussichtlichen Selbstmörder zu tun. Er wusste, was jetzt zu tun war. Glaubte er zumindest.
"Tu das nicht", sprach er in beschwichtigendem Ton auf den Mann ein, "es gibt noch so viel, wofür es sich zu leben lohnt. Denke ich zumindest."
"Falsch gedacht", gab er trotzig zurück, "ich habe absolut nichts mehr."
"Aber, was ist mit deiner Familie?"
"Meine Mutter hat mich geschlagen, und mein Vater ist einem Assasinen zum Opfer gefallen."
"Tut mir leid."
"Warum? Das war das schönste Erlebnis meiner Jugend, den Assasinen habe ich bezahlt. Dummerweise hatte ich kein Geld mehr um meine Mutter auch töten zu lassen."
"Äh gut, wie siehts mit äh Haustieren aus?"
"Mein Hund ist schwul und der Hamster hat mich gebissen."
"Und Freunde? Freunde sind immer für dich da wenn du sie brauchst."
"Haben mir geraten zu springen, bevor sie mich holen."
"Deine Freunde?"
"Gehören auch dazu, genauso wie ich."
"Wovon redest du, Mann?"
Plötzlich wurde der Junge still, er blickte sich um, versicherte sich, dass ihnen niemand zuhörte, und meinte dann mit hörbarer Angst in der Stimme: "Die Illumisten."
Stump sah eine Chance vor sich. Ein Mitglied der Illumisten, das all seinen Lebenswillen verloren hatte. Er würde ihn garantiert nähere Informationen, wenn nicht sogar Kontakte liefern können.
"Weißt du was", sagte Stump in einem Ton, den sonst nur Versicherungsvertreter anschlagen, und legte einen Arm um den Jungen, "ich glaube nicht, dass dies ein wirklich geeigneter Ort für deinen Freitod ist. Zumal es doch meine Pflicht wäre dir hinterherzuspringen und einen Rettungsversuch zu starten. Und wenn wir beide Pech haben, dann überlebst du, aber ich nicht, und das wollen wir doch beide nicht."
Das Sektenmitglied blickte verdutzt.
"Äh, nein."
"Also gut, dann werde ich dich jetzt schön zu dir nach Hause begleiten, dort werden wir uns was zum Trinken genehmigen, und in Ruhe über alles Reden. Wo wohnst du?"
"Eiterstraße 8."
Stump musste schlucken. Erstens war diese Adresse am anderen Ende der Stadt, zweitens befand sie sich in den Schatten.
"Gut", redete Stump mit gekünsteltem Optimismus, der eher für ihn als für den Selbstmörder bestimmt war, "dann machen wir uns mal auf den Weg dahin."

===Der 1. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


"Dieses Buch", Konspirazius hüstelte, und versuchte einen Blick aufzusetzen, der ihn geheimnisvoll erscheinen lassen sollte. Stattdessen wirkte es, als würde er seit mehreren Wochen an Verstopfung leiden. Er fuhr fort: "dieses Buch ist etwas ganz besonderes. Sehen Sie es sich nur mal an."
Stump nahm die Lektüre an sich. Er öffnete es, und eine plattgedrückte Blume fiel ihm auf den Schoß.
"Bis auf das Grünzeug hier ist nicht so verdammt tolles drin, als dass es erwähnenswert wäre. Und die Blume ist noch dazu welk."
"Oh, ich muss mich entschuldigen, ich benutzte das Buch aufgrund seiner Dicke um meine Blumen darin zu plätten. Sie glauben gar nicht, wie toll das geht", meinte von Versch vergnügt, und fügte hinzu: "Ihnen fällt wirklich nichts auf? Schauen Sie mal wer es geschrieben hat."
"Stephen King. 'Nützelige Dingens - In einer kleinen Stadt' Sagt mir nichts. Klingt aber sehr nach Gegengewichtkontinent oder so."
"Ich habe sämtliche Bibliothekare von hier bis ans Ende der Scheibenwelt benachrichtigt, ob sie einen solchen Menschen kennen."
"Und?"
"Niemand kennt ihn. Ich vermute, das Buch kommt aus einer anderen Welt, beziehungsweise Dimension. Das würde auch erklären, warum das Buch aus einem mehr oder weniger schwarzen Loch fiel, das sich plötzlich über mir auftat."
"Und was ist so wundertoll daran?"
"Seine ungeklärte Herkunft. Mit solchen Gegenständen wie können Verschwörungstheoretiker wie ich ein leben lang Geld verdienen."
"Worum geht?s in dem Buch eigentlich?"
"Ich bin mir noch nicht ganz sicher, aber es scheint mir doch eine Mischung aus Geschichtschronik, Ratgeber bei dämonischem Befall und Kochbuch zu sein. Wobei die Rezepte in dem Buch auf einen besonders exotischen Geschmack des Volkes auf diesem Planeten schließen lassen."
"Haben Sie eines der Gerichte ausprobiert?"
"Naja, ich habe versucht den Hund so zuzubereiten, wie es im Buch beschrieben wurde. War nicht wirklich wohlschmeckend. Aber wenigstens ließ sich aus dem Fell von dem Vieh ein prima Bettvorleger machen."
"Ahja, ich verstehe." In Gedanken zeigte Stump dem Mann einen Vogel. Bisher hatte er ihm nichts gesagt was Glaubwürdig war oder was er nicht schon wusste.
"Sonst noch irgendwelche besonderen Vorkommnisse oder Gegenstände die Sie für mich haben?"
"Natürlich. Ich bin noch lange nicht fertig. Haben Sie bitte fünf Minuten Geduld."
"Geht klar", sagte Stump, und sah Konspirazius nach, als er in einer Tür verschwand. Was würde er jetzt wohl bringen. Der Wächter rechnete damit, dass es irgendetwas sein würde, das höchstgefährlich war, das seinen Besitzer aufschlitzen würde, und das deshalb dringend weggesperrt werden musste. Stump dachte, dass Konspirazius jeden Moment mit irgendetwas großen aus der Kammer kommen würde. Er hörte Kratzen und Fauchen. Der Wächter musste an ein Tier denken. Vielleicht ein Kampffrettchen oder ein tödlicher Maulwurf. Im Prinzip hatte Stump beinahe Recht. In Wirklichkeit hätte er allerdings nicht viel falscher liegen können.

===29. Gruni===


***Eiterstraße 8***


Auf dem Weg zur Wohnung des Jungen hatte Stump so einiges über ihn erfahren. Zum Beispiel, dass das Sektenmitglied Elias Tannenbaum hieß, und dass er seit seinem sechzehnten Lebensjahr Mitglied der Illumisten war. Zudem wurde klar, warum er sich versucht hatte das Leben zu nehmen: während eines Auftrages bei dem es um mit Giftnadeln versehene Bettvorleger gegangen war, hatte Elias kläglich versagt.
"Schläge reichen bei denen als Bestrafung nicht. Die wollten mir doch tatsächlich die Augen rausnehmen und sie durch Münzen ersetzen", erklärte der Junge verzweifelt, "nun, ich bin lieber tot als Blind."
Stump hatte ihn verstanden. Trotzdem musste er ihn irgendwie dazu bringen mehr über diese Sekte preiszugeben. Irgendwann erreichten sie schließlich den Wohnort von Elias.
Der Wächter brachte Elias in die Wohnung, setzte ihn auf den nächsten Sessel, den er vorfand, und suchte dann überall nach einer Minibar, die, so empfand zumindest Stump in jedem Haushalt zu finden sein musste, auch wenn der Haushalt schlecht geführt war. Stump hatte Recht, er fand ein Depot an alkoholischen Getränken gleich neben dem Kleiderschrank.
"Also", sprach Stump in einem beruhigendem Ton, "jetzt genehmigen wir uns einen Drink, und dann reden wir über alles. Was willst du trinken?"
"Gib mir das Rattengift."
"Entschuldigung, aber das scheinst du", Stump stutzte, als er wirklich eine Flasche sah, die mit einem Etikett mit der Aufschrift 'Rattengift' versehen war. Schnell verschüttete er den Inhalt über dem Boden und fuhr dann möglichst schnell fort: "du scheinst schon alles aufgebraucht zu haben."
"Dann gib mir den Knieweich aus der schwarzen Flasche, der dürfte eine ähnliche Wirkung erzielen." Mit dieser Wahl war Stump zufrieden. Auch er würde sich ein oder zwei Gläschen dieses Gesöffs genehmigen, und gleichzeitig mit seinen Ermittlungen fortfahren. In solchen Momenten liebte er seinen Job.
"Also gut", begann Stump zu reden, und reichte Elias gleichzeitig den Knieweich. Der Wächter Beschloss nicht lange um den heißen Brei herumzureden, und das Sektenmitglied sofort mit dem toten Verschwörungstheoretiker zu konfrontieren. Wenn er etwas darüber wusste, würde er es ihm sagen, wenn nicht, dann eben nicht. Stump sagte: "Wie du sicher weißt, wurde Konspirazius von Versch ermordet." Elias nickte.
"Weiß ich", sagte er.
"..und es sieht ziemlich nach einem Sektenmord aus", fuhr Stump fort. Elias nickte.
"Weiß ich", sagte er.
"..genauer gesagt sieht es nach einem Mord im Auftrag eurer Sekte aus", schloss Stump.
Abermals nickte Elias. Anstatt der bisher üblichen zweisilbigen Antwort begann er diesmal allerdings zu erzählen: "Es war ein Mord der von unserer Sekte ausgeführt wurde. Der Typ kam uns einfach zu sehr auf die Schliche. Kannte all unsere Pläne. Die Sache mit den Patriziern. Der wusste einfach alles. Wir konnten nichts anderes tun als ihn aus dem Weg zu schaffen. Er wäre uns sonst zu gefährlich geworden. Vielleicht hätte er sogar unsere Namen preisgegeben. Und in unserem Gewerbe ist eine gewisse Anonymität nun mal das A und O eines erfolgreichen Weltherrschaftsplans."
"Woher wusstet ihr das alles?"
"Wir haben ihn beschattet, ihn bespitzelt. Und wir haben sein Verschwörungstagebuch gelesen."
"Verschwörungstagebuch?"
"Liegt in seiner Wohnung." Stump fühlte irgendwie, dass er auf einer verdammt heißen Spur war, ja, dass sie schon beinahe zu glühen begann. Alles was er brauchen würde war das Verschwörungstagebuch. Wenn hier wirklich die Namen und Pläne der Illumisten verzeichnet waren, so würde Stump nicht nur einen Mord aufklären, sondern zudem noch eine Sekte auflösen, die Ankh-Morpork seit mehreren Jahren unbekannt regierte.
"Entschuldige mich für ein paar Stunden", meinte Stump, verabschiedete sich von Elias, ging zur Tür hinaus und rannte so schnell er konnte zum Haus von Konspirazius, welches auf der anderen Seite der Stadt lag.
"In ein paar Stunden wirst du mich nicht mehr lebend antreffen", rief ihm Elias nach, aber das war Stump egal. Der Wächter wusste sehr wohl, dass sich der Junge das Leben nehmen würde, nachdem er die Wohnung verlasse, schließlich hatte er schon vor geraumer Zeit mit seinem Leben abgeschlossen gehabt, und Stump hätte sowieso nichts mehr für ihn tun können. Vielleicht würde er ja später irgendjemanden schicken, um die Leiche abtransportieren zu lassen. Vielleicht würde er später auch selbst zurückkommen, und Elias die letzte Ehre erweisen. Aber jetzt hatte er etwas Wichtigeres zu tun.

===1. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


Stump wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund musste er plötzlich überschnaufen.
"Also gut", brachte er hervor, "ich nehme ihnen die verdammte Sekte ab und ich bin auch bereit Ihnen zu glauben dass das Buch aus einer anderen Welt, wenn nicht gar Dimension stammt. Aber erzählen Sie mir jetzt nicht, dass sie eine Verschwörungstheorie auf der Basis von Ringelsocken erstellt haben!"
"Oh doch, habe ich", lächelte Konspirazius, und schwenkte die weiß-rote Fußbekleidung hin und her, zweifellos ging eine thaumaturgische Aura von ihnen aus, "und das hat auch was mit den Illumisten zu tun."
"Haben die sie dazu abgerichtet die Träger von unten her aufzufressen?"
"Woher wissen Sie das?"
"Hab nur geraten. Verdammt, das ist krank!"
"Naja, es war nicht ganz genau so. Die Socken fressen ihre Träger nicht, sie lassen sie nur verschwinden."
"Sie lassen sie verschwinden? Haben Sie es ausprobiert?"
"Ich glaube nicht, dass ich in dem Fall noch anwesend wäre."
"Haben Sie es schon mal miterlebt?"
"Oh ja. Vor zwei Jahren, sah ich, wie jemand diese Socke anzog und plötzlich einfach nicht mehr da war. Einzig die Socken lagen noch am Boden. Ich nahm sie mit, und sah sie mir genauer an. Und raten Sie mal, was ich rausfand"
"Muss ich unbedingt raten? Sie könnten es mir doch einfach so sagen."
"Na gut, ich fand heraus, dass diese Socken verzaubert waren. Und dass sie mindestens von einem Thaumaturgen sechster Stufe verhext werden mussten, um jemanden zum Verschwinden zu bringen. Und ich habe davon gehört, dass man hiermit sogar Schiffe verschwinden hat lassen."
"Das würde das Glitzern rundherum erklären."
"Sie sehen ein Glitzern?"
"Ich war mal Zauberer. Aber das ist eine andere Geschichte."
"Wann haben Sie die Unsichtbare Universität besucht?"
"Vor einigen Jahren. Warum?"
"Kann es sein, dass von Zeit zu Zeit Zauberer höherer Stufe einfach so verschwanden?"
"Permanent. Die meisten fand man aber einige Tage später mehr oder weniger tot irgendwo am Gelände der Uni. Sind irgendwelchen Mordanschlägen zum Opfer gefallen, die von Zauberern niederen Ranges verübt wurden."
"Aber kam es auch vor, dass Zauberer nicht mehr auftauchten?"
"Kam auch vor. Ich kann mich aber nicht mehr an all die Namen erinnern."
"Valentin Illumi?"
"Der war vor meiner Zeit. Ungefähr einhundert Jahre vor meiner Zeit."
"Ist er denn verschwunden?"
"Ja, da gibt es so eine Legende darüber. Soll größenwahnsinnig gewesen sein, und plötzlich war er weg", da kam Stump ein Gedanke, "he, kann es sein, dass er? Ich meine, der Name und alles, es dürfte ja passen?"
"Genau, er hat die Illumisten gegründet."
"Dann ist er mittlerweile tot. Er war einhundertsechzig Jahre alt, als er verschwand."
"Nun, ich wünschte es wäre so. Aber wissen Sie, manche Leute leben länger als sie es eigentlich tun sollten."

===29. Gruni===


***In den Straßen Ankh-Morporks***


Stump konnte nicht sagen warum, aber ihn beschlich auf seinem Weg zu Konspirazius' Wohnung ein komisches Gefühl. Es war eines dieser Gefühle, die einen Dinge wie 'Sieh mal, wie der Mann dich anguckt' oder 'He, der verfolgt uns jetzt schon den ganzen Tag' sagen lässt. Er hatte dieses eigenartige Gefühl beobachtet zu werden. In seinem Bauch verkrampfte sich die Unsicherheit, dass jeder, aber auch wirklich jeder, den er in den Straßen sah ihn auflauern könnte, ihn töten und seine Augen durch Münzen ersetzen könnte. Stump rannte schneller. Die Blicke der Bürger schienen an ihm zu haften wie Kletten. Dieser Art von Kletten, die auf den Kleidern hängen, wenn man im Wald spazieren geht, und die man später kaum noch rauskriegt. Manche der Leute schienen ihn außerdem schief anzugrinsen. Immer wieder schaute Stump sich um. Er blickte zurück, er blickte zur Seite, er versuchte Personen zu erkennen, er versuchte sich daran zu erinnern, ob ihm irgendjemand gefolgt war. Er rannte. Den ganzen Weg rannte er. Der Weg war lang, und Stumps Kondition war nie die beste gewesen. Aber er rannte. Er musste rennen. Und dabei Haken schlagen. Ja, Haken musste er schlagen. Wie ein Hase. Ein Hase der vor einem Fuchs davon rennt. Um sicherzugehen dass ihm niemand folgte wechselte Stump von der Straße in eine dunkle Seitengasse. Die Leute dort sahen nicht wirklich weniger nach potentiellen Illumisten aus als die auf der Straße. Aber es waren weniger. Wieder und wieder schaute Stump sich um. Niemand durfte ihm folgen. Absolut niemand. Und wenn er plötzlich doch jemanden als Verfolger erkannte? Was würde er tun? Würde er sich verstecken, darauf wartend dass man ihn nicht fand? Nein! Er würde den Spieß umdrehen. Er würde dem Verfolger auflauern. Er würde ihn stellen. Und dann würde der Verfolger nichts anderes tun können als zu beten. Wieder blickte Stump um sich. Er wusste nicht mehr das wievielte Mal schon. Irgendwann hatte er aufgehört zu zählen. War auch unwichtig. Wichtig war, dass er sich umsah. Wieder tat er es. Dann wurde er von der Säule eines Hauses auf eine äußerst unangenehme Art und Weiße außer Gefecht gesetzt.

Nachdem sich nun der Hauptcharakter der Geschichte für eine gewisse Zeitspanne aus dem Ankh-Morporkianischen Alltag geistig verabschiedet hat und sich derzeit nur als Körper in der Stadt liegt, während sein Geist in anderen Bewusstseinssphären taumelt will der Autor diese kurze Zeit nutzen, um einen kurzen Blick auf die Geschichte der Verschwörungstheorie und des Berufs des Verschwörungstheoretikers werfen.
Und zwar steht in 'Brechtelsmanns großer zweiundsiebzigbändiger Enzyklopädie allenfalls teilweise gefährlichen Halbwissens' [2] ungefähr folgendes zu diesem Thema:

Die Geschichte der Verschwörungstheorie ist eng mit der Geschichte der Philosophie verbunden.
Vor langer, langer Zeit, als die Menschen noch mehr Haare am Körper als am Kopf hatten, gab es zwei Freunde. Diese beiden Freunde wollten etwas Essen. Sie sahen einen Apfelbaum. Und dachten, dass ein Apfel ihren Hunger wohl stillen würde. Dummerweise schnappte ihnen jemand anders die letzte Frucht vor der Nase weg. Sie sagten sich: "Okay, wir haben zwar keinen Apfel gekriegt, aber wir können ja zum nächsten Brunnen gehen, und etwas Wasser trinken."
Gesagt getan, sie bewegten sich also in Richtung Brunnen. Sie hatten Glück, und schnappten jemand anders die letzten Tropfen vor der Nase weg. Dafür hatten sie aber danach Pech, und kriegten drei Wochen lang Durchfall. Als sie sich kuriert hatten sagten sie: "Schlechtes Wasser und nichts zu essen. Auch egal, dann suchen wir uns eben eine Frau und heiraten."
Dummerweise war gerade zu dieser Zeit die erste Feministenbewegung (Siehe Band 16 Fa bis Fmo) ausgebrochen, und die Frauen weigerten sich entweder zu heiraten, oder, wenn sie schon verheiratet waren, merkten sie dass ihr leben Sinnlos war und stürzten sich von Apfelbäumen und in Brunnen in den Tod.
Nachdem sie nun Frau auch keine kriegten, sagten sie sich: "Na gut, wir haben keine Äpfel gekriegt, schlechtes Wasser getrunken und die Frauen weigern sich zu heiraten. Wir müssen eine Gewerkschaft gründen und streiken."
Leider waren sie arbeitslos und konnten demnach weder streiken noch eine Gewerkschaft gründen. Also mussten sie sich Jobs suchen. Dummerweise war die Wirtschaft zu jener Zeit in einer Krise, und es gab schon genügend Jäger und Sammler, und da es sonst keine Jobs gab, konnten sie auch keinen kriegen. Also waren sie frustriert.
Und zu diesem Zeitpunkt fragten sie sich zum ersten Mal: "Warum?"
Und somit waren sie die ersten Intellektuellen in der Geschichte der Menschheit.
Die Frage nach dem Warum beschäftigte die beiden so sehr, dass sie den ganzen Tag an nichts mehr anderes denken konnten. Und während einer der zwei sich von Zeit zu Zeit zurückzog um darüber nachzugrübeln und von Zeit zu Zeit nackt durch den Wald zu rennen um von seinen Entdeckungen zu berichten, und somit den Berufsstand des Philosophen begründete, kam der andere relativ früh zu der Überzeugung, dass die gesamte Welt gegen ihn war, und dass man ihn verfolgte, wann immer man ihn fand. Somit gründete er erstens den Berufsstand des Verschwörungstheoretikers und war außerdem der erste Paranoide. Er sprach nur noch mit den Leuten, denen er vertraute, vertraute niemandem mehr, und trank und aß nur noch das, was ihm sicher vorkam. Und ihm kam wirklich absolut nichts sicher vor.
Eines Tages gingen er und der Philosoph spazieren und fanden einen Kirschbaum. Der Philosoph machte den Vorschlag davon zu essen. Aber der Verschwörungstheoretiker sagte: "Mach das nicht. Die Götter stecken Kerne in die Kirschen, damit wir daran ersticken."
Der Philosoph aber lachte nur und versuchte sich in einem (zugegebenermaßen wenig gelungenem) frühen philosophischen Gleichnis: "Weißt du, die Kirschen sind wie die Welt auf der wir Leben. Rund und in der Mitte ist ein Kern. [3]Und es ist noch niemand daran erstickt."
Darauf sagte sein Freund: "Aber es hat auch noch niemand versucht die Welt zu essen."
Aber der Philosoph hörte nicht auf ihn. Er lachte nur, erklärte dem Verschwörungstheoretiker, er sei einfältig und albern, und aß die Kirsche, an der er dann wirklich erstickte.
Der Verschwörungstheoretiker drehte sagte danach zur Leiche seines Freundes (die nichts mehr hören konnte, aber das wollen wir doch mal nicht beachten): "Siehst du, es waren also doch die Götter."
Wenige Tage später verhungerte er, weil er in allen was essbar war eine potentielle Gefahr sah.


===1. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


"Was weißt du über Nils Starkimarm?"
"Er war der erste Morporkianer auf dem Gegengewichtkontinent."
"Er war ein Scharlatan."
"Woher wollen Sie das wissen. Ich meine, er hat doch diese prächtigen Bilder gemalt als er dort war."
"Diese wunderschönen Kunstwerke? Diese Momentaufnahmen auf denen man das Gold sieht wie sonst nur Gras?"
"Ja."
"Alles falsch."
"Aber er sagte doch, dass er sie gemalt hat, als er dort war."
"Er war nie dort."
"Woher wollen Sie das wissen?"
"Ich habe Beweise."
"..und die werden Sie mir wahrscheinlich gleich mal zeigen, weil Sie das immer so machen. Irgendwie erkenne ich langsam ein System hinter ihrem Handeln. "
"Sie sind schlau, wenn ich das sagen darf. Also, wollen Sie den unwiderlegbaren Beweis von mir oder nicht?"
"Nur zu, ich bin heute so richtig schön in der Stimmung desillusioniert zu werden."
"Schön. Sie werden es sofort sein. Moment, ich muss nur noch schnell was holen."
Wieder verschwand Konspirazius in der Kammer aus der er schon vorher die Socke geholt hatte. Wieder kam er mit einem besonderen Gegenstand zurück. Nur diesmal konnte sich Stump schon fast denken, was er zu sehen bekommen würde.

===29. Gruni===


***Irgendeine dunkle Seitengasse in Ankh-Morpork***


Stump wachte auf. Er wusste nicht, wie lange er ohnmächtig auf der Straße gelegen hatte, und konnte es auch nicht sagen, nachdem er die Augen öffnete. Er vermutete, dass es mittlerweile Nacht geworden war. Allerdings konnte er hier wirklich nur eine Vermutung anstellen, zumal die Gasse bei Tag und Nacht gleichermaßen Finster war. Irgendwann während seiner Auszeit hatte es zu Regnen begonnen. Das wusste er, weil er in einer Wasserlache saß. Außerdem tropfte ihm von oben Wasser auf die Stirn, was ein sicheres Anzeichen für Regen war.
Das Gefühl, das er schon die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte, nämlich das, verfolgt zu werden, trug er immer noch mit sich herum. Es wurde allerdings abgeschwächt vom Schmerz, den er nach dem Aufprall immer noch hatte. Er setzte sich auf, und berührte seinen. Kopf. Seine Hand griff auf eine Beule ? die von der Vornacht. Aber da war noch eine. Wohl das Ergebnis seines ungewollten Eintritts in die Intimsphäre der noch immer überaus unschuldig dastehenden Säule. Und der Grund für seine Kopfschmerzen, wegen denen es schier unmöglich war, einen klaren Gedanken zu fassen. Irgendwann raffte Stump sich endgültig auf. Er hatte noch was zu erledigen. Was, das wusste er nicht mehr so genau. Er wusste nur, dass sie hinter ihm her waren, und er so schnell wie möglich von hier wegmusste. Alles andere würde ihm wohl auf dem Weg einfallen. Hoffte er zumindest.

***Eine Stunde später, Ahnenstraße 27***


Endlich war Stump bei seinem Ziel angekommen. Und er hatte nur einen geringfügigen Umweg machen müssen - einen Umweg, der zwar eine halbe Stunde länger gedauert hatte, aber dafür sicher war. Irgendwann als er sich auf diesem Umweg befand, war es dunkel geworden. Und zum ungefähr selben Zeitpunkt, erinnerte er sich auch wieder daran, was er vorhatte. Er musste das Tagebuch von Konspirazius von Versch finden. Damit würde sich die Mission von ganz allein lösen. Zumindest nahm er an, dass darin die Namen der Täter verzeichnet waren, die es zu finden und zu verhaften galt. Das war ihm der alte Sack schuldig. Immerhin hatte Stump sich vor gut vier Wochen einen Vortrag über alle möglichen Verschwörungen in und um Ankh-Morpork anhören müssen, und er schien sich auch gerade selbst in einer zu befinden.
Er öffnete die Tür zum Haus und stapfte durch den Gang in das Arbeitszimmer, in dem man den Verschwörungstheoretiker am Morgen tot aufgefunden hatte. Als er davor stand stutzte er. Irgendjemand hatte das Absperrband, das die Stadtwache am Morgen noch fein Säuberlich vor ebenjener Tür aufgespannt hatten abgerissen, wahrscheinlich war es dieselbe Person, die Stump sofort sah, nachdem er das Zimmer betreten hatte: Irgendjemand stand am Fenster und warf, vom Mondlicht durch ebenjenes Fenster umschienen, einen langen Schatten in die Mitte des Zimmers.
Mit dem Rücken zum Wächter, und auf die Straße blickend, begann die Person, von der Stump wegen der alles anderen als perfekten Lichtsituation nur die Umrisse erkennen konnte zu reden: "Guten Abend, Stump. Du hast länger gebraucht, als ich dachte."
Stump war verdutzt. "Woher kennen Sie meinen Namen? Ich habe Sie noch nie zuvor gesehen", redete Stump ins Halbdunkel.
"Nun, ich will es so ausdrücken. Wir beobachten dich. Nicht wahr, Elias?", die Person drehte sich um und blickte in Richtung eines alten Drehsessels, der, vorher noch mit der Lehne zu Stump gerichtet, sich plötzlich zu drehen begann. Ein quicklebendiger Elias Tannenbaum zeigte sich dem Wächter. In der rechten Hand hielt er ein Buch ? wohl das Tagebuch von Konspirazius, in der linken Hand eine Kerze, die einzig und allein dafür dienen sollte sein diabolisches Grinsen zu beleuchten.
"Ich dachte du wärst..", begann Stump ohne fertig zu reden.
Elias unterbrach ihn: "Tot? Ja, das dachtest du. Wie du siehst bin ich aber noch allzu lebendig. Im Gegensatz zu dir. Du wirst nämlich bald Bekanntschaft mit einem gewissen Sensenmann machen."
Wäre es in dieser Nacht nicht so kalt gewesen, Stump wäre mit Sicherheit der Angstschweiß aus den Poren getreten. Ein vermutlich toter anscheinend total verzweifelter Mensch war ins Reich der Lebenden zurückgekehrt, hatte es anscheinend noch nicht einmal verlassen. Und jetzt trachtete er nach seinem Leben. Stump wollte den Grund dafür gar nicht wissen. Er merkte, wie sich der andere Typ, der vorher noch am Fenster gestanden war näherte. Der Ermittler versuchte die Panik die in ihm aufkam für sich zu behalten. Er griff in das Regal, das neben ihm stand, um irgendetwas zu finden, das als Waffe zu gebrauchen war. Der Wächter nahm das erstbeste heraus, was er ertastete: 'Nützelige Dingens', das Buch, das angeblich aus einer anderen Dimension stammte. Nun, jetzt war die Zeit gekommen, da es beweisen konnte, dass es zu recht etwas Besonderes war. Zumindest hoffte Stump darauf, dass das Buch eine besondere Gabe hatte. So hart wie möglich warf er es in Richtung Elias. Die Wurfparabel dieses Buches glich jener der Scheibenweltbücher aufs Haar.

===1. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


"Also, der Beweis dafür, dass Nils Starkimarm nie auf dem Gegengewichtkontinent war ist dieses Bild."
"Ist das ? ist das ein Original?"
"Nein, das könnte ich mir nicht leisten. Es ist eine thaumaturgische eins zu eins Kopie eines der Bilder die er gemalt hat. Beeindruckend, nicht wahr?"
"Ja, all das Gold, und diese ganzen grünen Bäume, das saubere Wasser."
"Und doch nur eine Illusion. Er malte dieses Bild im Keller der Unsichtbaren Universität, wo ihm einige Zauberer eine Landschaft künstelten. Sie wollten damals unbedingt den Wettbewerb mit der Seglergilde gewinnen, und die ersten auf dem Kontinent sein. Nachdem sie aber mit ihren thaumaturgischen Booten leichte Probleme hatten, entschlossen sie sich dazu, einen Maler zu mieten, im Keller einen kleinen Gegengewichtkontinent nachzubilden, und das fertige Bild dann stolz der Nachwelt zu hinterlassen. Dummerweise haben sie dabei nicht mit den Fehlern gerechnet, die auch der Maler übersehen hat."
"Die zum Beispiel wären?"
"Hier zum Beispiel, in der linken unteren Ecke kann man ein rotes Haar erkennen. Keiner der Zauberer die mitkamen hatte eine solche Haarfarbe. Außerdem ist dieses Haar viel dicker als Menschenhaar, woraus man schließen kann, dass der Bibliothekar wohl ins Bild gerannt sein durfte. Und der Bibliothekar war damals nicht mit ihnen dort. Noch ein Beweis?"
"Wenn's denn unbedingt sein muss."
"Also gut. Auf diesem Bild hat der Zauberer, der in der Mitte steht andere Schuhe an, als auf dem anderen, das ich an der Wand in diesem Zimmer aufgehängt habe. Aber in den Reiseberichten hieß es, dass man ihnen aus Massengründen nur ein Paar Schuhe gestattet hatte auf die Reise mitzunehmen."
"Schön. Wissen Sie was, das sind Vermutungen!"
"Nein, das sind Fakten. Und den besten Beweis dafür, dass nie jemand dort war, der ist in der oberen Ecke des Bildes abgebildet."
"Der Himmel ist der Selbe wie in Ankh-Morpork?"
"Ja, das auch. Aber was ich meine, ist dieser goldene Kelch, in den eindeutig das Wappen der Bettlergilde eingraviert ist. Ich will damit sagen, die haben in diese thaumaturgische Welt bloß ein paar morporkianische Relikte gestellt, und dann behauptet da gewesen zu sein. Und alle haben es ihnen geglaubt."
"Oh mein Gott, das ist eine Katastrophe. Ich glaube wir sollten die Unsichtbare Universität abfackeln."
"Nun, ich denke, der Schritt würde ein wenig zu weit gehen. Ich persönlich habe ja auch schon an Maßnahmen gedacht, die ergriffen werden müssen aber.."
"Das war Sarkasmus."
"Oh, Entschuldigung. Ich war mit den Gedanken wo anders."
"Sie sind entschuldigt. Ist ihr Vortrag jetzt zu Ende?"
"Nun, ja, mein Freund. Sie können jetzt gehen."
"Gut, dann auf Wiederse-. Eine Frage hätte ich noch."
"Nur zu, nur zu. Fragen Sie was immer Sie wissen wollen."
"Wo befindet sich hier der Abort, ich müsste nämlich ganz schnell mal, und ich denke nicht, dass ich es bis zu mir nach Hause aushalte."
"Im Gang die dritte Tür rechts."
"Danke."

===29. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


Stump hatte ein deja-vu ? Erlebnis. Er wachte zum dritten Mal innerhalb eines Tages auf. Diesmal allerdings lag er nicht in seinem Bett oder irgendwo am Straßenrand, sonder war ? und zwar ohne Chance sich zu befreien ? an einen Stuhl gefesselt worden. Dies war allerdings der einzige nennenswerte Unterschied zwischen den Aufwach-Szenen. Der vertraute Schmerz war wieder da, und genau wie der auch die obligate Verwirrung. Offensichtlich war er von einem der beiden Ganoven ohnmächtig geschlagen worden, und dann auf den Stuhl gefesselt. Man hatte ihn noch nicht getötet. Vielleicht wollte man ihm noch etwas sagen, oder einfach nur seine Schmerzensschreie hören, wenn er bei vollem Bewusstsein seine Augen verlor, die er sich nun endlich beschloss zu öffnen.
Er sah. Und was er sah, verstärkte nur noch seine Vermutungen, dass Elias nichts Gutes vorhatte: Im Kerzenlicht wetzte er ein langes Messer. Wahrscheinlich tat er es einfach nur aus ästhetischen Gründen. Stump glaubte nicht, dass jemand ein stumpfes Messer zu einem Mord schleppen würde.
Neben dem Sessel, auf dem Stump gefesselt war, stand Elias' Freund, und beobachtete Stump. Als er sah, dass Stump wieder bei Bewusstsein war, sagte er zu Elias: "He, er ist wieder wach!"
Elias drehte sich daraufhin zu Stump. Wieder setzte er sein diabolisches Grinsen auf, das durch die nur spärliche Beleuchtung durch eine einzige Kerze noch böser wirkte.
"Bereit zu sterben?", fragte er, wie ein Ober in einem Lokal fragte, ob einem das Essen wohl geschmeckt hatte. Stump sagte nichts. Er hatte sich schon in vielen Lebensbedrohlichen Situationen wieder gefunden, ohne überhaupt jemals gewusst zu haben, wie er dorthin gekommen war. Jedes Mal hatte er noch irgendwie Glück gehabt, hatte sein Leben durch einen Zufall oder durch seine eigene Tollpatschigkeit doch noch behalten. Diesmal schien es aussichtslos zu sein. Er beschloss sich jetzt nicht zu weinen. Schon allein deshalb nicht, weil er nicht wollte, dass dies das letzte war, was er mit seinen Augen, die zweifellos schon ein wenig vor seinem Leben entfernt werden würden, anstellte. Stump beschloss sich, die Übelkeit, die in ihm aufkam zu schlucken, und noch einmal genauer nachzuhaken, was den Fall Konspirazius von Versch betraf, und vor allem was seinen eigenen Tod betraf. Stump wollte nicht mit einer Frage auf der Zunge sterben.
"Ihr seid also Illumisten, habt Konspirazius ermordet, und jetzt, da ich euch auf die Schliche gekommen bin, wollt ihr mich töten", sagte er, und versuchte dabei seine Angst so gut es ging zu verbergen.
"Nun, so ganz stimmt das nicht. Erstens bist du uns schon mal nicht auf die Schliche gekommen, sondern du brauchtest meinen Wink mit dem Zaunpfahl, und zweitens sind wir keine Illumisten."
"Ihr seid keine Illumisten?"
"Nein. Wir gehören nicht mal einer Religion an. Uns war nur langweilig. Nicht wahr, Viktor?"
Elias' Kumpan nickte, und fuhr dann fort: "Stimmt, und als wir diesen komischen Typ von Verschwörungstheoretiker sahen, mit all seinem Mist den er sich in seinem kranken Hirn zusammengereimt hatte, da wussten wir, was wir zu tun hatte."
Elias ergriff wieder das Wort: "Genau, wir hatten eine Bestimmung. Der Typ würde in seiner ganz persönlichen Verschwörung sterben. Von da an beobachteten wir ihn jeden Tag, wenn er mal nicht da war, schlich sich einer von uns in sein Haus und las sein Tagebuch. Übrigens ganz lustige Dinge die da drin stehen. Wusstest du, dass sich unser Freund beim Duschen beobachtet fühlte? Oder, dass er sein gesamtes Vermögen in Blei investierte, um es in seine Wände zu füllen um nicht abgeschirmt werden zu können? Wahrscheinlich wurde er von den Bleidämpfen dann noch bescheuerter."
"Aber was ist mit den Münzen?", fuhr Stump dazwischen, "wo habt ihr dann die Münzen her, die ihr ihm auf die Augen gelegt habt?"
"Aus seinem eigenen Repertoire. Genial, nicht?"
"Ihr seid doch krank", brüllte Stump und versuchte Elias verachtend ins Gesicht zu spucken. Er schaffte es nicht ganz, und die Spucke viel ihm verachtend auf die Schuhe. Immerhin etwas.
Tannenbaum rümpfte die Nase und sagte dann: "Nun, lieber krank, als tot. Und, nun, wir hätten dich nicht umbringen müssen. Du warst in dem Fall orientierungslos wie ein Faultier in einem Aquarium, wenn ich das so sagen darf. Dummerweise hat uns das Töten aber dann doch so viel Spaß gemacht, dass wir uns dazu entschlossen, dich auch umzulegen. Irgendwann wirst du zu schimmeln beginnen und so sehr stinken, dass man dich auch auf der Straße riechen kann. Spätestens dann dürften deine Kollegen dich hier finden", erneut das dämonische Grinsen, das Stump in den letzten Minuten verachten gelernt hatte. Der Wächter versuchte noch einen letzten Blick zum Himmel zu erhaschen. Er wollte noch ein letztes Mal die Sterne über Ankh-Morpork sehen, bevor man ihn endgültig das Augenlicht sowie das Leben nahm. Unglücklicherweise regnete es, und das einzige was Stump zu Gesicht bekam waren Wolken. Er musste sich damit zufrieden geben, auch wenn er lieber noch einmal den Mond gesehen hätte. Wenigstens sahen die Wolken für Stump an diesem Abend aus, als würden sie weinen. Er schloss die Augen. Der Wächter wollte nicht mitkriegen, wie man ihn verstümmelte. Würde er auch nicht, denn kurz darauf fiel er anstandsgemäß in Ohnmacht.

Hätte er nur die Augen geschlossen anstatt zusätzlich auch noch das Bewusstsein zu verlieren, so hätte Stump wahrscheinlich auch noch Schmerzens- und Verzweiflungsschreie gehört, die eigenartigerweise nicht zu seiner Stimme gehörten.

===30 Gruni===


***Ahnenstraße 27***


Stump erwachte. Für einen Toten fühlte er sich erstaunlich unwohl. Außerdem wunderte er sich darüber, dass sich seine Augen noch in den zugehörigen Augenhöhlen befanden. Und er ärgerte sich darüber, dass ihn Tod nicht persönlich abgeholt hatte. Er öffnete die Augen. Die Morgensonne blendete ihn, und zwang ihn dazu, die Augen zusammenzukneifen. Durch die halbgeschlossenen Sehorgane konnte er ausmachen, dass er immer noch im selben Zimmer war, wie am Vortag, jedoch sah er keine Details, dabei behinderte ihn die Sonne zu sehr. Vielleicht war er ein Geist. Stump versuchte, sich zu bewegen, schaffte es jedoch nicht. Er war immer noch gefesselt. Daraus schloss er, dass er den Aggregatszustand 'Geist' ganz klar ausschließen konnte. Blieb nur noch eins übrig: Stump war ein Zombie. Aber er glaubte nicht, dass Zombies Kopfschmerzen spüren konnten. Also fiel auch diese Möglichkeit weg. Stump kam zu dem Entschluss, dass er doch nicht gestorben war, sondern wie durch ein Wunder noch lebte, und beschloss, weiter zu atmen, da es für seine lebenswichtigen Organe nun mal lebenswichtig war. Irgendwie war er glücklich.
Nun, natürlich hatte er für seinen Geschmack innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden ein wenig zu oft das Bewusstsein verloren. Seine Leistung lag diesmal bezüglich dieser Sache deutlich über dem Tagesschnitt, und er war auch immer noch hilflos an den Stuhl gefesselt, und die Sonne blendete ihn, so dass er kaum was sehen konnte. Aber alles in allem war er am Leben, er atmete, und seine potenziellen Mörder schienen wie durch ein Wunder verschwunden zu sein.

Irgendwann hörte die Sonne auf, ständig auf ihn zu scheinen, und gab den Blick auf das Zimmer endgültig frei. Stump wünschte sich jedoch, sie hätte dies nicht gemacht, gab sie doch einen erschütternden Blick auf seine Peiniger frei. Beide lagen tot am Boden. Dort wo früher Augen waren, befanden sich jetzt Münzen, und irgendjemand hatte mit ihren Blut folgendes auf die Decke geschrieben: "Auch wir verstehen Humor, aber nicht im Bezug auf uns, und das geht nun wirklich z", das z war nur noch halb vorhanden. Offensichtlich war dem 'Künstler' während des Schreibens die Farbe ausgegangen.
Ein seltsames Glücksgefühl machte sich in Stump breit. Seltsam, weil es sich anfühlte als würden sein Herz und sein Magen um die Wette hüpfen. Er wusste nicht, warum man ihn verschont hatte. Und wenn er ehrlich sein sollte, dann wollte er es gar nicht wissen. Die Hauptsache war, dass er noch lebte, und der Fall abgeschlossen war. Das einzige was ihn störte war, dass er gefesselt war, und nicht imstande war, sich selbstständig zu befreien. Es war allerdings nur noch eine Frage der Zeit, bis irgendjemand kommen würde, um ihn abzuholen.

===1. Gruni===


***Ahnenstraße 27***


"Wissen Sie was, mir ist während meines Kurzaufenthalts auf ihrer Toilette doch noch eine Frage eingefallen."
"Und die Wäre?"
"Wenn es diese Illumisten wirklich gibt, bin ich denn jetzt auch eine potentielle Zielscheibe? Ich meine, gibt es einen Grund für mich paranoid zu werden?"
"Nein, mein Freund. Sie müssen wissen, mein Haus ist ? bis auf den Abort - abhörsicher. Und außerdem scheinen Sie sich zu wenig für die Machenschaften der Illumisten zu interessieren, als dass Sie eine Gefahr für sie darstellen könnten."
"Wissen Sie was, auch wenn ich ihnen kaum etwas glaube, irgendwie ist das Beruhigend."
"Kann ich mir vorstellen. Wollten Sie nicht gerade gehen?"
"Ja, das wollte ich. Auf Wiedersehen."
"Auf Wiedersehen."

Nachdem er sich verabschiedet hatte, verließ Stump die Wohnung von Konspirazius, und ging weiter seiner Wege. Der Verschwörungstheoretiker schloss die Tür hinter dem Wächter, ging wieder zurück in sein Arbeitszimmer, setzte sich in seinen Sessel, nahm sein Tagebuch, und begann zu schreiben.

Aus


Ich danke: Irina Lanfear, Atera und Robin Picardo fürs Probelesen Außerdem noch Larius für die Erlaubnis ihn in als Figur in der Single unterzubringen. Außerdem gilt mein besonderer Dank all den gelangweilten Typen auf der Rundwelt, die sich die Mühe gemacht haben, sich irre Verschwörungstheorien auszudenken, um dann von der Welt doch nur wieder ausgelacht zu werden. Ohne sie wäre diese Mission nie so geworden, wie sie jetzt ist.

[1] Der Autor hat keine Ahnung, was er mit diesen Worten eigentlich ausdrücken wollte, er findet nur, dass sie einigermaßen angemessen klingen, aber das könnte er ja zu allem sagen, was in dieser Geschichte vorkommt

[2] Die Enzyklopädie wurde vom schwampianischen Wissenschaftler Johann Brechtelsmann verfasst, und ist das wohl größte Werk, das je in Schwampien entstand. Seine Ausmaße betragen fünf mal sieben Meter pro Band, was jeden Band nicht nur unschätzbar wertvoll, sondern auch praktisch unstehlbar macht. Außerdem braucht man zum Lesen keine Brille. Das Wort Halbwissen im Titel rührt daher, dass Brechtelsmann der Meinung war, dass niemand allwissend sein konnte, was ihm den Zorn einiger Götter und einen eher unangenehmen Tod einbrachte, in den unter anderem ein Baum, ein Blitz und mehrere Schlangen involviert waren. Gefährlich ist das Halbwissen in der Enzyklopädie allenfalls dann, wenn sie jemandem auf den Kopf fällt, was bisher allerdings erst ein- oder zweimal passierte das Ergebnis war eine Riesensauerei und ein Fleck am Boden, der auch heute noch besichtigt werden kann.

[3] Ja, damals glaubte man noch daran

Zählt als Patch-Mission.



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