Achtung, Steinhagel!

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von Gefreiter Felsspalter (FROG)
Online seit 14. 04. 2004
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Seit einer Woche ist Felsspalter bereits Mitglied bei FROG, und noch ist nichts passiert. Doch der erste Fall, und damit die Bewährungsprobe des Trolls, ist schon im Anmarsch...

Dafür vergebene Note: 11

Montag, 22 Gruni
10.00 Uhr

"Männer, Frauen, Zwerge, Trolle, Werwölfe, Igors, Zombies sowie andere Untote, herhören!"
Die Stimme von Oberleutnant Venezia Knurblich schallte durch das Wachhaus am Pseudopolisplatz. Es ist erstaunlich, wie laut und befehlend die Stimme eines Gnomes klingen kann. Obwohl jeder den Unterton einer bevorstehenden Aufgabe in ihrer Stimme wahrnahm, herrschte schlagartig Stille im FROG-Bereitschaftsraum.
"Also gut, wir haben einen Auftrag. Vor zwei Wochen geschah in der Nähe des Hier-gibts-alles-Platzes ein besonders grausamer Mord. Dank unserer Experten bei RUM und SUSI haben wir jetzt einen Anhaltspunkt auf den Täter. Araghast stellt eine Gruppe zusammen, er kennt die Einzelheiten und wird euch kurz einweisen. Abmarsch ist in fünf Minuten."
Die Bürotür schloss sich, nachdem Bregs aus dem Büro des Abteilungsleiters getreten war.
"Na schön, wir nehmen uns einen Kaufmann vor. Er besitzt ein kleines Anwesen in der Nähe des Palastes. Wir brauchen einen GiGa, einen Sprengstoffexperten, einen Armbrustschützen, einen Späher und einen MUT-Schützen.", erklang die Stimme des stellvertretenden Abteilungsleiters. "Das wird bestimmt kein Zuckerschlecken. Also, gibt’s Freiwillige?"
Absolute Stille.
"Nun gut, dann schauen wir mal", sagte er und schritt vor der versammelten FROG-Mannschaft auf und nieder. "Rib, du kommst mit, außer dir Charlie, du und du."
Er deutete auf Sidney und schließlich blieb er vor den beiden Trollen stehen. Beide, sowohl Madame Massiv als auch Felsspalter, befanden sich noch in ihrer Ausbildung zum MUT-Schützen. "Madame", sagte er, nachdem er eine Weile zwischen den beiden hin und her geschaut hatte, "schnapp dir deine MUT. Wir brechen auf."
Felsspalter setzte sich in eine Ecke des Bereitschaftsraumes und grübelte. Das war schon das dritte Mal diese Woche! Immer wieder wurde Madame Massiv für die Einsätze ausgewählt!
Zugegeben, er hatte bisher mit seiner MUT erst ein halbes Dutzend Treffer gelandet, die ihr Ziel nur ganz knapp trafen, und das nach immerhin 21 Übungsstunden, aber seiner Meinung nach war das trotzdem kein Grund, ihn zu ignorieren. Dabei waren sie am ersten Tag alle so hilfsbereit gewesen!

Montag, 15. Gruni
7.45

Das Wachhaus am Pseudopolisplatz. Es war der Traum eines jeden Rekruten, hier einziehen zu dürfen. Felsspalter war bis jetzt nur einmal hier gewesen, zu seinem Bewerbungsgespräch. Er hatte es geschafft! Er hatte das Wachhaus an der Kröselstraße, aber auch viele seiner Freunde und Mitrekruten hinter sich gelassen. Sein ganzes Leben hatte sich schlagartig verändert, seit er bei der Wache war. Das alles ging ihm durch den Kopf, als er mit seinem hastig zusammengepackten Hab und Gut die Kröselstraße verließ und sich in Richtung Pseudopolisplatz aufmachte. Nun gut, eigentlich dachte er: "Hoffentlich ich bald da sein." Aber zumindest hätte er das gedacht, wenn nicht ein großes Tiefdruckgebiet über Ankh-Morpork geweilt und seinen Denkprozess verlangsamt hätte.
Er betrat das Wachhaus.
Es war, als trat man in eine andere Welt. Draußen herrschte Lärm, Gestank und jede Menge Gewusel von Leuten, die versuchten, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Das Wachhaus bot dagegen einen starken Kontrast.
Hier stank es nicht!
Felsspalter bahnte sich unter vorsichtigem Einsatz der Ellbogen einen Weg zum FROG-Bereitschaftsraum. Dort wartete bereits die versammelte Mannschaft, um die Neuankömmlinge, ihn und Laiza, zu begrüßen. Laiza hatte die Grundausbildung fast gleichzeitig mit ihm absolviert. Einmal, als Frau Willichnicht entführt worden war, hatten sie sogar zusammengearbeitet wie ein richtiges Tiehm. Und auch sie hatte sich bei FROG beworben. Laiza kam auf ihn zu. Sie steckte bereits in einer FROG-Uniform: Eine schwarze Hose und ein dunkelgrünes Hemd mit dem Froschabzeichen. Auf ihrer Schulter saß ein kleiner Gnom. Felsspalter wusste, dass es sich dabei um Rib, den GiGa handelte. Er würde für Laizas Ausbildung zuständig sein.
"Ach, das ist alles so aufregend! ", sagte Laiza, als sie an ihn herantrat und ihm freundschaftlich die Hand schüttelte. Hinter ihr erhob sich ein anscheinend schon oft gebrauchtes und dementsprechend abgenutztes dunkelgrünes Banner mit der Aufschrift "Willkommen bei FROG". Darunter stand, kaum lesbar "Wir haben euch doch gesagt, früher oder später kriegen wir jeden."

Der Troll stand jetzt vor der Bürotür von Oberleutnant Venezia Knurblich, der Abteilungsleiterin von FROG. Er klopfte an. Daraufhin ertönte ein gedämpftes "Herein!" von drinnen, woraufhin Felsspalter eintrat.
Er war erst einmal hier gewesen, bei seinem Bewerbungsgespräch. Das Büro hatte sich nicht verändert, kein Wunder, er war ja erst vor drei Tagen hier gewesen. In der Mitte des Raumes stand ein Schreibtisch. Knapp oberhalb der Tischkante ragte Venezias Kopf hervor.
"Komm, tritt näher, ich beiße nicht", sagte sie in einem freundlichen Ton. "Zumindest keine Trolle", fügte sie nach einer kurzen Pause kaum hörbar hinzu.
Felsspalter trat vor den Schreibtisch und salutierte.
"Ich hier sein um zu bekommen Ausrüstung, Mä'äm", sagte er.
"Ja, ich weiß, Laiza war auch eben hier. Nun gut, wie ich dir schon beim letzten Mal gesagt habe, werde ich, aus Ermangelung eines voll ausgebildeten MUT-Schützen, deine Ausbildung übernehmen", bemerkte Venezia.
Der Troll nickte von hoch über ihr auf sie herab.
"Ja, nun, ich will keine Zeit verschwenden. Ich habe hier deine Uniform." Sie deutete auf einen großen, dunkelgrünen Haufen Stoff in einer Ecke des Büros. Der Abdruck eines Gnomenhinterns war darauf zu sehen. Anscheinend hatte sich der Oberleutnant während ihrer Wartezeit heute morgen noch schnell ein Nickerchen auf seiner Dienstkleidung gegönnt.
Er hob seine Uniform auf. Sie war noch viel dunkler, als es vorhin den Anschein gehabt hatte. Das Grün war mehr eine Schattierung von Schwarz.[1] Außerdem war sie ihm viel zu weit. Als er die Uniform in den Händen hielt, bemerkte er einen Schriftzug an der Rückseite. Man hatte versucht, ihn zu entfernen, allerdings war er immer noch da, ein klein wenig weniger schwarz als der Rest der Uniform.
Felsspalter sorgte sich nicht darum. Er streifte sie sich schnell über.
Eine Hose war weit und breit nicht in Sicht.
"Sehr gut", erklang Oberleutnant Venezias Stimme seltsam verzerrt. Anscheinend war ihr die Tatsache peinlich, dass sie in der kurzen Zeit keine richtige Uniform mehr für ihn hatte anfertigen lassen können.
"So, dann hier, dein FROG-Zeichen." Mit diesen Worten übergab sie ihm einen Froschanstecker. Felsspalter wusste, dass es sich um den im Ankh lebenden Morporkianischen Krustenbrecherfrosch handelte. Er war das Wahrzeichen von FROG, denn er war stark, schnell und bekam seine Beute immer, egal, wie lange er warten musste. Allerdings hatte der Troll seine Zweifel, ob dieser Frosch wirklich das ideale Vorbild für einen FROG war. Immerhin war er ausgestorben.
Außerdem wusste er noch, dass dieser Anstecker normalerweise nicht aus Wellblech war und sich durch die Wärme verformte, wenn man ihn in der Hand hielt.
"Und hier drüben kommt deine Dienstwaffe." Sie zog ein Tuch von einem ungefähr anderthalb Meter hohen Kasten, der bis dahin unbemerkt neben ihrem Schreibtisch gestanden hatte. Es war eine grobe Holzkonstruktion, die im Innern mit Stroh ausgelegt war. Fachmännisch näherte Venezia sich der Klappe und öffnete die vier schweren Vorhängeschlösser mit vier ebenso schweren wie rostigen Schlüsseln. Daraufhin zog sie einen riesigen Gegenstand aus dem Kasten hervor.
"Und das, Gefreiter, ist sie, deine MUT. Sie ist ab jetzt dein Augapfel. Du darfst sie nie aus den Augen lassen, wenn du außerhalb des Wachhauses unterwegs bist. Sie muss ein Teil von dir werden. Du und die Waffe, ihr müsst lernen, miteinander umzugehen. Ihr müsst eine Einheit bilden, eine Symbiose aus Mensch, äh, ich meine natürlich aus Troll und Maschine, die sich... Sag mal, Gefreiter, hörst du mir überhaupt zu?!", unterbrach ein empörter Oberleutnant seine so gut vorbereitete Rede.
Felsspalter salutierte aus einem Reflex heraus. "Ja, Mä'äm."
Doch in Wirklichkeit starrte er auf diese eine Waffe. Sie würde sein Schicksal werden, seine Bestimmung.
Er atmete tief durch. Nach einer unendlich langen Sekunde trat er einen gewaltigen Schritt vor und hob die MUT an. Dann drehte er sich wieder zu Venezia um. Sein Gesicht zeigte ein Ausdruck von höchster Entschlossenheit und seine Diamantzähne glitzerten wie verrückt.
"Ich sein bereit, Mä'äm. Wann wir anfangen?"

Kurz darauf verließ er mit Venezia ihr Büro. Auf seinen Schultern zeigten sich schon erste Fettflecken, denn Venezia, ihres Zeichens Stammkunde von Schnapper, hatte es sich nicht nehmen lassen können, auf seiner Schulter eine mehr oder minder herzhafte Wurst zu essen, während sie auf dem Weg zum Schießplatz waren.
Auf der anderen Schulter trug der Troll seine MUT. Sie war wirklich ein mechanisches Meisterwerk! Die ganze Konstruktion war aus Holz. Felsspalter wunderte sich, wie Holz die enorme Spannung einer geladenen und schussbereiten MUT aushalten konnte. Aber anscheinend funktionierte es irgendwie. Er vermutete, dass man die Holzteile in Ankhschlamm wälzte, damit sie sich mit konzentriertem Ankh voll sogen.
Felsspalter war jedoch dennoch beunruhigt, als ihn Venezia aufgefordert hatte, die MUT zu schultern. Aber sicherlich nur halb so beunruhigt wie die Wächter und Wächterinnen, die sich plötzlich zwischen einer Waffe mit ungeheurer Zerstörungskraft und einer Wand eingekeilt sahen. Sie wagten erst wieder zu atmen, als die Schritte des Trolls nicht mehr zu hören waren.
Auf dem Schießplatz angekommen, begann Venezia, inzwischen vor Fett glänzend, mit der Ausbildung.
"Also gut, Gefreiter, hör mir zu. In deiner Hand hältst du eine der zerstörerischsten Waffen der ganzen Scheibenwelt. Du darfst sie niemals, ich betone noch einmal, niemals abfeuern, ohne das ein Vorgesetzter, am besten ein Offizier, dich dazu auffordert. Hast du das verstanden?"
"Ja, Mä'äm, ich verstanden."
"Und wenn du schießen solltest, versuche, möglichst gut zu zielen. Ein fehlgeleiteter Bolzen dieses Ausmaßes würde", sie schüttelte sich bei der Vorstellung, "ungeahnte Schäden verursachen. Von den Toten und Verletzten ganz zu schweigen." Sie machte eine kurze Pause. Der Troll fand die Prioritäten seiner Vorgesetzten ein bisschen seltsam, wagte es aber nicht, nachzufragen.
"Deshalb sind wir hier. Du wirst von hier aus", sie deutete auf eine weiße Linie vor ihnen, "auf die Ziele da hinten schießen." Sie zeigte dem Troll die Zielscheiben, die einen Durchmesser von ca. 10 Metern hatten und hinten mit mehreren Metern Stahl verstärkt waren.
Anschließend sprang sie leichtfüßig von seiner Schulter.
"Und nun, Gefreiter, nimm deine Waffe und entsichere sie!", sagte sie in feierlichem Ton.
Der Troll tat wie ihm geheißen.
Von irgendwo unter ihm erklang eine Stimme, der man es anmerkte, das ihr Träger panikartige Momente durchlebte.
"Z..Z..Ziel bi..bi..bitte wo...an..ders hin!"
Felsspalter hob seine Armbrust wieder. Er konnte förmlich spüren, wie die Erleichterung Venezia durchflutete.
"Gefreiter, mach das ja nie wieder! Es ist mehr als höllengefährlich, mit dem entsicherten Ding da auf Unschuldige oder sogar Wächter zu zielen! Hast du das verstanden?", kreischte Venezia ihn an.
Die Antwort bestand aus einem ebenso simplen wie aussagekräftigen "Ja, Mä'äm."
"Gut, mach hier ein paar Probeschüsse. Wenn du fertig bist, kommst du hoch in mein Büro."
"Ja, Mä'äm, ich kommen werde wenn ich fertig."

Zum Glück hatte er wenigstens die Scheiben getroffen, sonst hätte die Stadt dahinter beträchtlichen Schaden genommen, dachte er später Er hatte seine MUT wieder gesichert und stand nun vor Venezias Büro. Er klopfte an.
"Herein", erklang die Stimme des Oberleutnants von drinnen.
"Ich habe nicht viel Zeit. Ich wollte dir nur das hier geben, Gefreiter. Ich bin mir nicht sicher, ob dir das viel hilft, aber dir wird schon was einfallen."
Sie wedelte mit einem Buch.
Nun ergaben sich aber für einen Troll gewisse Probleme beim Lesen eines Buches. Erstens waren Trollhände dafür geschaffen, Felsen aus Bergen zu brechen, und nicht, Buchseiten umzuschlagen. Das zweite Problem bestand aus der einem Troll angeborenen Inkompetenz gegenüber Sprachen. Felsspalter hatte es zwar geschafft, sich in den knapp 200 Jahren, die er schon in Ankh-Morpork lebte, die hiesige Sprache anzueignen, aber das galt nur in beschränktem Maße und reichte auf gar keinen Fall, um ein Buch zu lesen.

Montag, 22 Gruni
14.00 Uhr

Felsspalter saß im Bereitschaftsraum. Die letzte Woche war ereignislos gewesen. Er hatte täglich drei Stunden trainiert, wobei er kaum Fortschritte gemacht hatte. Auch hatte er bei FROG noch keine neuen Freunde gefunden.
Er griff neben sich und holte das Buch hervor. Der Umschlag bestand aus Leder. Auf seinem Titelblatt war ein Troll mit einer MUT zu sehen. Das musste Malachit sein! Er war der erste und bislang einzige voll ausgebildete Troll bei FROG seit seiner Gründung vor nunmehr 3 Jahren. Felsspalter schlug die erste Seite auf. Die Seiten waren fast unbenutzt, nur die vergilbten Seiten zeugten von einer starken Raucherquote des Wachhauses am Pseudopolisplatz. Er konnte nur ahnen, was die Buchstaben bedeuten sollten.
E...I...N L...E...I...T...F...A...D...E...N F...Ü...R M...U...T.....- S...C...H...Ü...T...Z...E...N
Er hatte keine Ahnung, was das heißen sollte.
Er blickte auf, als die FROG Einsatztruppe zurück durch die Tür kam. Sie sahen müde und verbraucht aus. Hinter ihnen trat ein zufriedener Bregs ein.
"Das war heute wieder einmal allererste Sahne. Trotz der Gefahren haben wir wieder einmal der Gerechtigkeit genüge getan. Ich bin stolz auf euch", verkündete er, sprachs und ging in sein Büro, um den Bericht zu schreiben.
"Es wäre bestimmt ganz einfach gewesen, wenn in dem Haus keine Wachhunde gewesen wären ", sagte Chief-Korporal Sidney.
"Und keine mit Sprengstoff gesicherten Türen", erinnerte Charlotta ihn.
"Und nicht zu vergessen die drei Wachtrolle vor der Tür, die schwingenden Klingen, die Pfeil-, Säure-, Gift-, Felskugel-, und Feuerfallen, die Schlangen- und Speergruben, das Labyrinth, das Spiegelkabinett..."
"Das Kabinett lustig gewesen ist", konnte man Madame Massivs Stimme leise vernehmen.
"...wenkäfig und der Zwinger mit diesen Dämonen. Tja, wenn das alles nicht gewesen wäre, hätten wir den Mann ganz einfach festnehmen können", beendete Charlotta ihre Tirade.
"Allerdings hätten wir dann auch nicht so viel Spaß gehabt. Ohne das wäre es doch wieder ein stinknormaler Einsatz gewesen.", gab Rib zu denken.
"Das war ein stinknormaler Einsatz, Rib", keifte ihn Charlotta an.
"Keinen Streit, ihr beiden. Nun gut, wer kommt mit in den Eimer?", fragte Sidney.
Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Fast die gesamte Wachmannschaft stand auf und verließ das Zimmer.
Felsspalter vermisste die Zeit bei GRUND. Natürlich wurde man von den Ausbildern herumkommandiert, allerdings wurden das alle Rekruten. Das schuf eine Art von Gemeinschaftsgefühl. [2]
Hier war es bestimmt nicht anders, allerdings schien man eine Weile zu brauchen, bis man Bekanntschaften geknüpft hatte. Er legte das Buch beiseite und stand auf. Im Bereitschaftsraum saß nur noch Rogi Feinstich, ein weiblicher Igor. Darauf bedacht, keine Tische umzuschmeißen, näherte er sich ihr vorsichtig.
"Hallo", sagte sie und schaute auf. "Gibt ef etwaf, daff du wiffen willft?"
Der Troll schüttelte den Kopf und deutete auf den Bücherstapel, der neben Rogi in die Höhe ragte. "Was du da machen?"
"Oh, ich lefe nur ein bifchen."
Felsspalter schaute sich die Bücher an. Er konnte zwar die Titel nicht entziffern, anscheinend waren sie auf fremdländisch, aber die Deckblätter zeigten relativ eindeutige Abbildungen von geöffneten Körpern und möglichst kleinen Stichen und Narben.
Dem Troll kam da eine Idee. "Du mir können beibringen wie man lesen?", fragte er.
Rogi dachte eine Weile nach, dann nickte sie. "Ja, warum nicht, dann habe ich auch wieder waf fu tun", sagte sie und grinste Felsspalter an. "Ich habe fwar gerade Dienft, aber daf ift immer noch beffer alf herumfufitfen."
Felsspalter merkte jetzt schon, dass sich hier Probleme anbahnten.

"Und daf ift daf F", sagte Rogi und zeigte ihm den entsprechenden Buchstaben.
"F", murmelte der Troll.
"Nein, nicht F, fondern F!", berichtigte ihn Rogi. "Fo ein F wie in Fee."
"Man schreiben Fee mit F, oder nicht?", fragte er irritiert.
"Ja, fon, aber ich meine den Fee. Du weift schon, mit viel Waffer und Fiffen."
"Was sein Waffer?" Felsspalters Stimme klang mittlerweile sehr irritiert.
"Vergiff ef. Ich meine daf F wie in Felffpalter." "Oh", fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
Da betrat Laiza den Bereitschaftsraum. Sie roch stark nach sämtlichen Chemikalien, die man sich vorstellen kann. Ein Glück kann sich ein Troll weder besonders viel vorstellen noch hat er eine besonders empfindliche Nase, sonst wäre er bestimmt in Ohnmacht gefallen. Was Rogi betrifft... Nun, wie viel Chemikalien Laiza auch anhafteten, Felsspalter war sich sicher, dass der Körper eines Igors mehr giftige Stoffe enthielt.
"Ah, Laifa, gut daf du kommft. Fag diefem Troll einmal wie man F auffpricht.", sagte Rogi hoffnungsvoll.
Laiza schaute ein wenig irritiert. "Na F natürlich, wie sonst?"
Rogi übte sich in Geduld. Es war wohl doch ziemlich viel nötig, um einem Troll das Alphabet beizubringen.

"Puh, daf ift ja ein ganfef Ftück Arbeit gewefen. Aber ich denke, daff du jetft die Grundlagen begriffen haft. Haft du noch irgendeine Frage?", fragte Rogi in der Hoffnung, bald Feierabend machen zu können.
"Nun, ich noch nicht begriffen warum Menschen benutzen zwei genau gleiche Buchstaben F und F. Aber ich denken dass ich jetzt lesen kann mein Buch. Ich mich noch einmal bei dir bedanken möchte", antwortete Felsspalter.
Mit diesen Worten trat er einen Schritt vor und reichte Rogi die Hand. Nach einer Sekunde der Unsicherheit überwand sie ihre Zweifel und schüttelte die Hand des Trolls. Ja, anscheinend war es doch nicht so schwer, Freunde zu finden.
"Äh, ef ift fwar nett, daf du mir die Hand fchüttelft, allerdingf kannft du jetft auch wieder loflaffen", erklang Rogis Stimme nach fünf Minuten.
"Oh, Entschuldigung, ich nicht wollte dich ärgern."
"Nun, ich habe jetft Ficht, defhalb laff mich bitte weiterlefen", antwortete Rogi.
"Ach ja, einef interreffiert mich noch. Wo wohnft du eigentlich? Du fitft schon die ganfe Woche Tag und Nacht hier im Wachhauf."
"Ich nicht haben eine Wohnung. Ich sein Wächter und ich leben in Wache."
"Aha, ein typifer Fall von Wöhrkahollik oder fo. Bregf meint, das gibt ef häufiger alf man denkt. Aber trotfdem, fuch dir eine Wohnung. Ef tut dir beftimmt gut, mal wieder unter Men... äh, ich meine natürlich Trolle fu kommen."
Felsspalter antwortete nicht. Natürlich, wieso hatte er nicht gleich daran gedacht!

20.00 Uhr

Der Troll schlenderte durch das abendliche Ankh-Morpork. Er bog um eine Häuserecke und stand vor der Steinbachstraße.
Das war sein Zuhause. Überwald mochte sein Herkunftsort sein, aber hier war seine Heimat. Hier war er aufgewachsen. Hier hatte er länger als 200 Jahre gelebt. Und hier stand sein Elternhaus.
Er wurde aus seinen Gedanken aufgeschreckt, als er von einem Eselskarren gerammt wurde. Die Steinbachstraße war zwar sehr breit, schließlich lebten hier viele Trolle, aber dennoch stockte überall der Verkehr, wenn ein unbeweglicher, 4 Meter hoher Troll in einer Straße steht.
Ohne sich umzudrehen setzte er seinen Weg fort. Nach ungefähr 70 Metern blieb er vor einem alten Haus stehen. Die Hausnummer 87 war gerade noch zu erkennen. Eine kleine Treppe führte in eine Art Keller.
Er stieg sie hinab und trat ein. Es war nicht abgeschlossen. Angenehme Kühle strömte ihm entgegen.
Ja, das war sein Zuhause. Er wusste, dass er hier seine Ruhe haben würde. Sein Vater hatte es damals nach einem großen Brand für einen seiner Zähne gekauft.
Das Haus war ein für Trolle typisches. Wäre es von Menschen bewohnt worden, hätten sie hier auf vier Etagen gelebt. So bot es nur zwei. Der Boden bestand aus massiven Granitplatten, die, wie riesige Fliesen, auch die Wände und Decken zierten. Im gesamten Haus herrschte ein Dämmerlicht. Einerseits war es für die Trolle hier angenehmer, weil sie ursprünglich nachtaktiv gewesen waren, andererseits bot der Schatten Kühle.
Der Raum war ziemlich spärlich eingerichtet. Er beherbergte einen riesigen Sessel aus Stein, einen Kamin, ebenfalls aus Stein, und außerdem einen großen Tisch mit drei Stühlen, der, sagen wir es mal so, bestimmt nicht aus Holz bestand. Links befand sich eine Tür zur Küche, rechts konnte Felsspalter hinter einer weiteren Tür die Treppe ins obere Stockwerk erkennen. Dort befanden sich sein Zimmer und natürlich der Schlafraum seines verstorbenen Vaters.
Über allem lag nun eine gigantische Schicht Staub, wie in einem Haus, in dem jeder Gegenstand aus Stein besteht, nicht anders zu erwarten war.
Felsspalter ging langsam auf den Sessel zu und setzte sich. Es war ein seltsames Gefühl. Dies war der Sessel seines Vaters gewesen.
Sein Vater. Er war ein Verbrecher gewesen. Nun gut, zum Schluss hatte er einen legalen Dschob als Türsteher gehabt, aber vorher hatte er mit Platte gehandelt und Schutzsteine von anderen Trollen erpresst. Er war ein Gähngster gewesen, und er hatte oft getötet, lange bevor die Wache unter Kommandeur Rince aufblühte. Nein, er war nicht stolz auf seinen Vater, und er hatte keine Erinnerung mehr an seine Mutter. Alles, was er konnte, hatte er von anderen Trollen gelernt. Andere Trolle... Auch an sie konnte er sich kaum noch erinnern. Obwohl, es gab da ein Gesicht, an das er sich nur zu genau erinnern konnte, aber wie hieß sie doch bloß? Es war etwas mit Kiesel. Kieselfels? Kieselbrocken? Kieselgeröll?
Nein, genau, Kieselstein. Sie war wie eine Schwester gewesen, nur 20 Jahre jünger als er. Ob sie auch noch hier wohnte? Vielleicht, vielleicht auch nicht, wer weiß?
Aber wenigstens bin ich zuhause!
Mit diesem Gedanken schlief der Troll ein.

Dienstag, 23. Gruni
9.06 Uhr

Felsspalter öffnete die Augen. Draußen war es schon hell. Er sah es zwar nicht, aber er erkannte an der Geräuschkulisse, das es kurz nach neun war.
KURZ NACH NEUN?!?!?
Er sprang auf. Anscheinend war er kurz eingedöst. Jetzt gab es keine Zeit mehr zu verlieren! Er durfte doch während seiner zweiten Woche bei FROG nicht einfach zu spät kommen!
Er kontrollierte seine Ausrüstung.
Eisbeutelbarrett? Ja.
Dienstmarke? Ja.
Uniform? Nein, aber etwas, das so aussah.
Knüppel? Ja.
MUT? Nein.
NEIN?!?
Nein. Die lag noch im Wachhaus, eingeschlossen in Felsspalters Schrank und gesichert mit drei Schlössern.
Okay, dann konnte es ja losgehen. Mit gewaltigen Schritten verließ der Troll das Haus und machte sich auf den Weg in Richtung Wachhaus am Pseudopolisplatz.

9.23Uhr

Felsspalter schlüpfte so unauffällig wie möglich durch die Tür zum Bereitschaftsraum. Doch dieser war mit sämtlichen FROG-Mitgliedern gefüllt. Diese standen alle in einer Reihe und hörten der Lagebesprechung von Oberleutnant Knurblich und Chief-Korporal Breguyar zu.
Unglücklicherweise war der Troll nicht zu übersehen, woraufhin Venezia ihre Ansprache unterbrach. Bevor der Troll etwas sagen konnte, legte die FROG-Abteilungsleiterin los.
"Das ist ja schön, dass jetzt endlich alle da sind. Wo verdammt bis du gewesen??? Ein FROG hat stets pünktlich zu sein!! Die Wache hat die Verantwortung für eine Menge Leben. Du kannst dich dieser Verantwortung nicht entziehen!! Falls das öfters vorkommen sollte, wirst du eine saftige Strafe erhalten. Ich denke, fürs erste tuts auch eine Verwarnung!! ", schrie Venezia.
"Ja, Mä'äm", sagte Felsspalter und ließ den Kopf hängen. Er stellte sich auch in Reih und Glied auf, direkt neben Maximilian R. Schreckt.
Dann wandte sie sich wieder der versammelten Mannschaft zu.
"Also gut, noch einmal von vorne. Gestern Nacht wurde ein Zwerg in der Nähe der Sirupminenstraße ermordet. Der Tathergang ist noch unklar, SUSI ermittelt noch. Sicher ist aber, das jener Zwerg nicht durch eine Waffe gestorben ist, sondern durch einen Troll.
Ich hoffe, ihr versteht die Ausmaße der ganzen Sache. In den Zwergenvierteln sammeln sich schon die ganze Zeit Zwerge in unauffälligen Vierergruppen. Das alles riecht geradezu nach einem Aufstand!" Die Panik in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
"In ein paar Minuten dürfte es soweit sein. Sie werden einen Schuldigen gefunden haben und ihn bestrafen wollen. Die Trolle werden sich das nicht gefallen lassen. Wenn wir nichts unternehmen, steht Ankh-Morpork heute Nacht in Flammen!! Und bei Io, der letzte Brand ist erst ein Jahr her, die Städter bauen noch immer an ihren Häusern!
Wir müssen etwas unternehmen! Und das ist unser Plan!" Sie nickte Araghast zu.
"Okay, Leute, aufgepasst. Das ist nicht der erste wütende Mob, mit dem wir konfrontiert werden. Seltsamerweise nimmt eine aufgebrachte Menge immer den gleichen Weg, deshalb wissen wir, welche Straßen wir zu sperren haben. Allerdings haben wir es hier nicht mit Menschen zu tun. Menschen sind leicht aus der Fassung zu bringen. Nein, das hier sind Zwerge, und zwar eine ganze Menge. Ich denke nicht, das wir die mit ein paar Barrikaden aufhalten können. Ich habe auch noch keine Ahnung, wie wir das schaffen sollen.
Trotzdem, wir teilen uns jetzt in zwei Gruppen auf. Die eine liegt am Anfang der Bleibhierwegstraße zusammen mit den SEALS auf der Lauer und versucht, den Aufständischen den Rückweg zu versperren, während die andere Gruppe am Ende der Bleibhierwegstraße wartet und versuchen wird, mit den Zwergen zu reden. Ich werde die Führung über die zweite Gruppe übernehmen, Venezia wird die erste Gruppe anführen. Beide sind gefährlich, aber das ist unser Dschob; Gefahr ist unser zweiter Vorname. Also, gibt es Freiwillige für Venezias Truppe?"
Die Wachmannschaft trat geschlossen vor. Es ist wahrscheinlich besser, im Rücken eines wütenden Zwerges zu stehen und nichts zu tun als vor ihm zu stehen und ihn zu beruhigen.

Felsspalter hatte wieder einmal kein Glück gehabt. Er war jetzt in dieser "Diplotomatengruppe" oder wie das hieß. Doch er war nicht der einzige. Auf seinen Schultern saß Rib, der dem Troll gerade von seinen eigenen Erfahrungen mit einer MUT berichtete. Felsspalter hatte es nämlich gestern abend nicht mehr geschafft, seine neu entwickelten Fähigkeiten in puncto Lesen auszuprobieren. Und im Laufen lesen konnte er auch nicht. [3]
Des weiteren wurde Araghast von Maximilian, Sidney, Valdimier, Rogi und Mindorah begleitet. Sie alle hechteten durch die Straßen von Ankh-Morpork, in der Hoffnung, noch rechtzeitig anzukommen, um noch ein paar Vorkehrungen treffen zu können.
"Kapitel 3: Die richtige Wartung der MUT. Nein, ich glaube, das können wir überspringen. Kapitel 4: Feintjuhning für Fortgeschrittene. Das klingt gut", sagte Maximilian, der inzwischen das Buch an sich genommen hatte. Er hatte seine anfänglichen Sorgen bezüglich der MUT auf der Schulter des Trolls schnell überwunden.
"Also, hier steht, dass du mit der Spannung der Sehne die Geschwindigkeit und damit die Reichweite regulieren kannst", bemerkte Max. Felsspalter versuchte, sich das zu merken.
"Ah, und wenn du an diesem kleinen Rädchen drehst, fliegt das, äh... genau, das Geschoss leicht nach links oder rechts. Mann, das Ding ist so kompliziert, da sollte man mal einen Dämon reinsetzen."
Der Troll nickte nur abwesend.
Die Wächter waren nun an ihrem Bestimmungsort angekommen. Der allgemeine Geräuschpegel war noch normal, ebenso wenig roch es nach Ruß. Die Zwerge waren also anscheinend noch nicht hier vorbeigekommen. Araghast drehte sich um.
"So, da sind wir. Ich denke, dass wir noch ein paar Minuten Zeit haben. Also, wir werden versuchen, den Mob mit Worten aufzulösen."
Die Wachmannschaft schaute betroffen auf das Kopfsteinpflaster. Das war der blanke Selbstmord! Jeder wusste, dass man mit aufgebrachten Zwergen nicht reden konnte! [4]
"Ich merke schon, dass ihr mit dieser Einstellung keine guten Diskussionspartner darstellt. Deswegen werde ich versuchen, alleine mit ihnen zu reden", sagte Bregs.
"Was?? Du willst im Ernst dieser wütenden Horde äxteschwingender, schienbeintretender und kniebeissender Zwerge entgegentreten?? Das kann doch nicht dein Ernst sein!!", meldete sich Valdimier.
"Es gibt ein Unterschied zwischen Wollen und Müssen, Korporal. Es ist unsere Pflicht als Wächter, jegliche Gefahr von der Stadt und/oder ihren Bewohnern abzuwenden."
In diesem Augenblick fingen die Uhren an zu schlagen und überdeckten Valdimiers wenig charmanten Kommentar über Bücherwissen.
Der Lärm wurde immer unerträglicher, je mehr Glocken in das allgemeine Läuten einstimmten. Plötzlich herrschte Stille. Der erste Schlag des alten Tom. Dann wieder Lärm. Stille. Lärm. Stille. Lärm.
Schließlich verstummten die Glocken. Doch durch den Lärm hatten die Wächter die nahende Gefahr aus den Augen verloren. Dafür stand sie jetzt nur noch wenige Meter vor ihnen.
Durch den Lärm unbemerkt geblieben, war die wütende Menge nämlich bereits in die –straße gequollen. Die Wächter hatten davon nichts mitgekriegt, weil sie in der Nähe einer besonders lauten und tiefen Glocke standen und hatten , um keine bleibenden Schäden in Bezug auf Augen und Ohren davonzutragen, sich dieselbigen zuhalten müssen. Einzig und allein Felsspalter hatte die nahende Gefahr ausmachen können, doch aufgrund des Lärms war er nicht in der Lage gewesen, sich zu verständigen.
Araghast drehte sich jetzt wieder der rasenden Horde zu, die mit Höchstgeschwindigkeit auf ihn zukam.
"HALT!! Im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork befehle ich euch, stehen zubleiben", schrie er.
Die vorderen Zwerge befolgten seinen Befehl unverzüglich. Doch ein wütender Mob besteht nicht nur aus der vorderen Reihe. Die hinteren Reihen schoben mit gewaltiger Kraft nach vorne. Nur wenige Zentimeter vor Bregs' Gesicht kamen die Zwerge zum Stillstand.
Da standen sie nun. Es mussten hunderte Zwerge sein! Viele von ihnen trugen Fackeln, und das, obwohl die Sonne noch schien.[5] Durch den Ruß der Fackeln, deren flackernden Flammen, das laute Grölen der Zwerge und durch ihre schiere Anzahl wurde ein höchst dramatischer Effekt erzeugt. Die Anwohner würdigten dies, indem sie so taten, als wären sie nicht da.
"Tja, so macht man das", raunte der stellvertretende FROG-Abteilungsleiter dem restlichen Tiehm zu.
"Also, wer seid ihr und was habt ihr vor?"
"Das geht dich überhaupt nichts an, die Wache kann dahin gehen, wo Agi Hammerklau seine Kohle hat!!", schrie ein ungewöhnlich großer Zwerg mit rotem Bart. Die Menge hinter ihm stimmte ihm lautstark zu. Man konnte anhand ihrer Stimmen ihren Alkoholpegel punktgenau bestimmen.
"Keine Beleidigungen, sonst lasse ich euch alle verhaften!", sagte Bregs ruhig, doch in seiner Stimme schwang ein Hauch von Unsicherheit mit.
"Ach ja? Und warum verhaftet ihr nicht den da??", fragte er und deutete auf Felsspalter. "Der ist bestimmt am Tod meines Sohnes schuld!! Los, Brüder, auf ihn!!"
Damit setzte sich die Horde aus der grimmigen und entschlossenen Zwergewieder in Bewegung.
Plötzlich drehte sich Bregs um und rannte der restlichen Mannschaft entgegen.
"Okay, ich hab mein Bestes versucht, aber anscheinend will da jemand Ärger. Felsspalter, hiermit erteile ich dir den Befehl, deine Waffe auf diese Zwerge zu richten!"
Felsspalter zögerte einen Augenblick, dann tat er, wie ihm befohlen worden war und schwenkte mit der Waffe energisch vor den Zwergen hin und her.
Die Zwerge wichen abrupt zurück. Das war eine Warnung, die man besser beachten sollte! Niemand atmete.
Da meldete sich wieder der Anführer der Zwerge:"Ha, ihr könnt uns nicht erschießen! Ihr seid gottverdammte Wächter! Ihr seid da, um uns zu retten! Pah! Das ich nicht lache! Verdammte Feiglinge seid ihr! Wenn ihr jetzt mit dem Ding auf uns schießt, dann kriegt ihr mächtig Ärger, und wir kommen in das große Bergwerk tief unter der Oberfläche! Na los, Brüder, den zeigen wirs!!"
Die Zwerge stürmten los. Die Entfernung zwischen ihnen und den Wächtern betrug nur noch ca. zwanzig Meter.
"Felsspalter, Feuer endlich!!", hörte er die Stimme eines sich schnell entfernenden Chief-Korporal Bregs. Dann schien die Zeit stehenzubleiben.
Wenn ich jetzt schieße, dachte Felsspalter, dann sterben diese Zwerge, und außer ihnen werden auch noch viele andere Unschuldige sterben. Ich wäre dann ein Mörder. Ich hätte ein Lebewesen mit voller Absicht getötet. So wie mein Vater. Nein, ich bin nicht mein Vater, und ich werde nie so sein. Denn er war ein Gesetzesbrecher. Er hatte seine Stärke missbraucht, um sich zu bereichern. Doch ich bin kein Krimineller. Ich helfe anderen. Ich setze meine Stärke zum Schutz für andere ein. Ich bin einer von den Guten. Ich bin nicht mein Vater! Ich bin Felsspalter! Doch im Hier und Jetzt bin ich ein Wächter und muss meine Pflicht erfüllen!
Endlich schien er zu einem Entschluss gekommen zu sein.
Er drückte ab.


Die Erschütterung war in ganz Ankh-Morpork zu spüren. Seit Malachit hatte kein Troll mehr in dieser Stadt eine MUT abgefeuert!
Trümmer flogen umher und trafen die umstehenden Häuser. Eine gigantische Wolke aus Staub lag über der Bleibhierwegstraße.
Felsspalter sah sich um. Noch konnte er nichts erkennen, aber dafür waren die Geräusche umso vielfältiger. Sie reichten von heftigem Stöhnen über panisches Geschrei bis hin zu markerschütterndem Gefluche. Außerdem war ein ständiges Gepolter wie bei einer Steinlawine zu hören.
Der Troll war Sekundenbruchteile nach dem Schuss zu seinen Mitwächtern gerannt und hatte sie mit seinem großen, steinernen Körper vor heranfliegenden Trümmern beschützt. Die FROGs kamen jetzt wieder hervor und sahen sich ebenfalls um. Der Staub verzog sich. Ihnen bot sich ein unbeschreiblicher Anblick, der hier trotzdem beschrieben werden soll, damit der Leser der Handlung folgen kann.
In der Mitte der Bleibhierwegstraße lag ein gigantischer Haufen aus Steinen. Nach einem Blick nach oben wusste der Betrachter auch, woher diese stammten.
Auf der rechten Seite der Straße fehlten bei vier Hausnummern die oberen zwei Etagen!
Immer noch rieselte Staub herunter, und natürlich durfte das provisorische Rad eines Wagens nicht fehlen, dass am Boden immer engere Kreise zog und schließlich umkippte.
Die Zwerge erhoben sich nach und nach. Es gab keine Toten[6], dafür aber einige Verletzte. Von Oberleutnant Venezias Truppe war nichts zu sehen.
Der Großteil der Zwerge war schon wieder auf den Beinen und warf grimmige Blicke in richtung der Wächter. Obwohl ihr Kampfgeist eindeutig geschwächt war, zeigten sich schon wieder die ersten brennenden Fackeln.
Araghast klopfte sich den Staub von der Uniform ab.
"Ja, äh, gut gemacht, Gefreiter", sagte er zögerlich. "Nicht ganz das, was ich im Sinn hatte, aber ich muss zugeben, dass deine Idee auch funktioniert hat. Was allerdings nicht heißt, das du noch ein bisschen an deinem Gehorsam arbeiten solltest."
Er trat vor die Zwerge. Der berühmte zweite Versuch.
"So, eine kleine Demonstration, danke, Gefreiter. Ich hoffe, ihr habt etwas dabei gelernt. Wenn es Verletzte gibt, bin ich sicher, dass sich unsere Sanitäterin darum kümmern wird, nicht wahr, Hauptgefreite?
"Ja, Sör", erwiderte Rogi, die gerade unter den Trümmern nach eventuellen Körperteilen ohne Besitzer gesucht hatte.
"Ey, Großer, du hast da was auf dem Rücken stehen", sagte Valdimier zu Felsspalter. Tatsächlich, der Staub hatte sich zwar auf der "Uniform" des Trolls niedergelassen, allerdings nicht auf dem Schriftzug, der einst darauf gepinselt war. Dieser stach jetzt deutlich aus dem grünschwarzen Hintergrund hervor.
"OK, Großer, jetzt dreh den Zwergen bloß nicht den Rücken zu. Das könnte vielleicht unangenehm werden", murmelte der Vampir.
Felsspalter beherzigte den Ratschlag. Er wandte den Zwergen die ganze Zeit sein Gesicht zu, als er sein "Gewand" drehte, um die Aufschrift lesen zu können.
"Verein fur Bekämpfung fwergifer Aktivitäten", las der Troll vor.
Es herrschte ein peinliches Schweigen.
Der siegessicher vor der Wachmannschaft stehende Araghast warf dem Troll einen wütenden Blick zu. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte. Als er die FROG-Mitglieder passierte, schlossen sich diese ihm an. Sie hörten das Stapfen hunderter metallbeschlagener Stiefel hinter sich. Und sie kamen näher.
Doch da ertönte eine Stimme.
"HALT! Gorin Eisengießersohnenkel, wenn du diesen Personen auch nur ein Haar krümmst, dann wirst du das bereuen! Hast du das verstanden?", schrie sie.
Wiederum verharrten alle an Ort und Stelle. Dann wandten alle Anwesenden der Stimme ihre Blicke zu.
Am Ende der Straße, hinter den Zwergen, war eine zweite Menge erschienen. Sie bestand aus Venezias Truppe und der Elterngeneration des Mobs.
"Genau, du auch, Bjoern Steigertochter! Warte nur, bis du nach Hause kommst!"
Aus der Menge der jungen Zwerge erklang kleinlauterProtest. Blitzschnell waren die Fackeln verschwunden.
"Aber Papa, ich bin schon 60 Jahre, ich werde doch noch mit meinen Freunden ein bisschen spazieren gehen können", antwortete ein besonders kleiner Zwerg.
"Nichts da. Spazieren! Du kommst jetzt mit. Wir sprechen uns noch!"
"Aber Papa..."
Binnen fünf Minuten war die Straße frei[7].


Felsspalter hatte dem Treiben interessiert zugeschaut. Er lehnte jetzt, wie die anderen Wächter auch, an einer Hauswand und schaute den letzten Zwergen hinterher, während sich die anderen anregend unterhielten..
Venezia saß jetzt wieder auf seiner Schulter und beendete gerade ihren recht ausführlichen Bericht.
"...und dann sind wir einfach hiergekommen. Ist schon komisch, nicht? Das Zwerge so sozial sind? Bisher kenne ich diese Probleme nur von Menschen. Kommt vielleicht daher, dass die Zwerge sich anpassen. Gibt es sowa eigentlich auch bei Trollen?", fragte sie Felsspalter.
"Gefreiter Felsspalter? Hallo??", schrie sie, als sie keine Antwort erhielt.
Aus seinen Gedanken gerissen salutierte er. "Ja, Mä'äm!"
Als Venezia sich wieder aufgerappelt hatte, klopfte sie sich den Schlamm von der Uniform.
"Ich glaube, mit dir werden wir bei der Wache noch viel Spaß haben", murmelte sie.
"Ich habe dich etwas gefragt! Naja egal, war ohnehin nicht so wichtig. Ich muss allerdings zugeben, dass du dich bei deinem ersten Einsatz wacker geschlagen hat. Aber du musst deine Aggressionen bewältigen. Bregs hat mir schon alles erzählt. Wenn er nicht gewesen wäre und die Idee mit der Trümmerbarrikade gehabt hätte..", sagte Venezia und schüttelte sich bei dem Gedanken.
Felsspalters Ego schrie auf. Es sei andersrum gewesen, er habe sich sogar ziemlich gut unter Kontrolle gehabt. Doch er war viel zu zufrieden, endlich eine Aufgabe zu haben. Er wollte nicht gleich wieder alles aufs Spiel setzten. Deshalb nickte er nur.
"Ach ja, noch etwas: Ich denke, nach dem heutigen Vorfall werde ich den Kommandeur dazu überreden können, dir eine neue Uniform zu spendieren. Was sagst du dazu?"
"Ich mich bedanken, Mä'äm."
"So, wir sind hier fertig. Wer kommt mit in den Eimer?"
Zustimmung breitete sich unter der Wachmannschaft aus wie die Nacht über der Stadt.


ENDE


[1] Wenn Kommandeur Tod ins Textilgeschäft eingestiegen wäre, hätte dieses Stück Stoff bestimmt zu seiner Kollektion gehört

[2] Allerdings mehr in die Richtung: "Warum ich? Der da drüben ist auch Rekrut! Warum soll er das nicht machen?!"

[3] Jeder, der schon einmal mit einem Troll "Blinde Kuh" gespielt hat, weiß, wovon ich spreche

[4] Eigentlich fast jeder. Genauer gesagt: Alle mit Ausnahme der aufgebrachten Zwerge

[5] Anscheinend gibt es eine Kraft im Multiversum, die immer dann Fackeln erschafft und bereitlegt, wenn sich irgendwo eine wütende Menge versammelt. Fackeln gehörten einfach zur Unzufriedenheit des Menschen dazu. Das erste Feuer wurde bestimmt von einem wütenden Höhlenbewohner gemacht, dem der Clan die Rente kürzen wollte.

[6] Vielleicht nicht in Ankh-Morpork. Allerdings halten sich Gerüchte, dass der vernichtende Krieg zweier riesiger klatschianischer Dschungelvölker einzig und allein auf die Ermordung eines Hohepriesters mit einem großen, langen Pfahl, der vom Himmel fiel, zurückzuführen ist.

[7] Mit Ausnahme der Karren, Händler, Bettler, Diebe, sonstigen Verbrecher und Unschuldigen, die aber in der vorletzten Kategorie besser aufgehoben sind.

Zählt als Patch-Mission.



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