Chamber Of Secrets

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von Wächterin Laiza Harmonie (GRUND)
Online seit 26. 12. 2003
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Für Rekruten (zweite Mission):
Du sollst das Lager der beschlagnahmten Gegenstände archivieren.
Was man da nicht alles findet!?

Dafür vergebene Note: 10

Laiza Harmonie’s erste Nacht in der Stadtwache lang hinter ihr... eine fast endlose Nacht in einem äußerst unbequemen, zum Quietschen verurteiltem Bett in einem großen Schlafsaal. Es war ungewohnt für Laiza mit mehreren Leuten zusammen in einem Raum zu schlafen und voller Unbehagen war sie am vergangenen Abend ins Bett gegangen. Lange Zeit hatte sie in ihrem Bett gelegen und aus dem nahen Fenster gestarrt. Kein Stern war am Himmel zu sehen gewesen, dass war beinahe etwas Heimatliches für sie. Laiza stammte aus Überwald, nahezu jeden Abend hatte sie zuhause auf ihrem Bett gesessen und in den wolkenverhangenen Himmel angestarrt, bis ein zur Erde zuckender Blitz ihre Sehnsucht nach einem Gewitter gestillt hatte. Sie liebte das Schauspiel von herannahenden schwarzen Gewitterfronten, das markerschütternde Donnern und den Geruch des nassen Bodens. Doch seit sie die Grenzen von Überwald überschritten hatte, hatte sie kein Gewitter mehr erlebt. Nieselregen... ein Wort, dass sich erst in den letzten drei Woche in ihrem Wortschatz eingefunden hatte. Geschlafen hatte Laiza in der vergangenen Nacht nicht, es lag nicht am Bett oder an den anderen Rekruten, sonder vielmehr daran, dass es nicht ihren Gewohnheiten entsprach in der Nacht zu schlafen. Wenn sie dann doch einmal in die Dimensionen des Schlafes eindrang, wachte sie lange vor dem Morgengrauen wieder daraus auf. Schon als kleines Kind hatte sie nicht viel geschlafen und die benötigten Stunden holte sie (damals wie heute) meist am späten Nachmittag nach.
Seit vier Tagen war sie in Ankh-Morpork, der Stadt der Städte. Ihr Onkel Bartolus Harmonie hatte am Hafen eine Lagerhalle und betrieb in der Stadt einen kleinen Laden (Bartolus Harmonie - Spezialitäten aus Überwald). Hauptsächlich handelte er mit Alkohol, dem er sein Leben verschrieben hatte, doch auch andere Dinge füllten sein Lager, über die Laiza nichts genaueres wusste. Zwei Nächte hatte sie bei ihrem Onkel übernachtet. Seine Wohnung war direkt über dem kleinen Laden und die ganze Zeit stiegen Laiza Alkoholdünste in die Nase. Nicht das Laiza kein Alkohol vertrug... oft genug hatte sie bis spät in die Nacht mit einigen Jungs aus ihrem Dorf in einer Scheune Poker gespielt und getrunken ...aber die Ausdünstungen von aberduzenden unterschiedlichster Spirituosen, machte ihren Blick trüb und sie hatte das Gefühl ihr Gehirn wäre angeschwollen (andererseits hatte es auch seine Vorteile...). Als sie dann am dritten Tag das Haus verließ und durch die Stadt schlenderte, entdeckte sie auf dem Hiergibt’salles- Platz ein Plakat "WIR WOLLEN DICH! – Interessiert am Wohl der Stadt und Bürger von Ankh-Morpork? Melde dich bei der Stadtwache! Jeder ist erwünscht! Bewärbungen bitte im Wachhaus an der Kröselstrasse" – Noch am selben Tag war sie zum Wachhaus gegangen, um sich zu bewerben.

Eisig pfiff Laiza der Wind um die Ohren, sie wickelte sich fester in ihren Umhang, dennoch stieg die Kälte von den Fußsohlen, die sie längst durchdrungen hatte, nach oben.
Der erste Ausbildungstag begann wirklich vielversprechend. Normalerweise, hätten sie heute mit dem Armbrustschießen anfangen sollen. Doch dann erreichte Hauptmann Humph MeckDwarf eine Nachricht aus dem Wachhaus am Pseudopolisplatz. Am Hiergibt’salles-Platz war ein kleiner Aufstand entstanden und MeckDwarf sollte mit seinen neuen Rekruten für Ordnung sorgen. Das versprach aufregend zu werden. Direkt am ersten Ausbildungstag ein richtiger Einsatz, das nennt man wohl praxisorientiertes Lernen. Alle freuten sich... bis auf Laiza.
Enttäuscht hatte sie ihren Umhang auf ihr Bett geworfen. Sie blickte aus dem Fenster, in der Nacht hatte es angefangen zu schneien. Dicke Flocken bildeten eine weiße Wand. Eigentlich konnte sie sich glücklich schätzen, ihre Kollegen mussten raus in die eisige Kälte und sich ihren Weg über glattes Kopfsteinpflaster bahnen. Aber sie durfte im warmen Wachhaus bleiben. Chief-Korporal Charlotta hatte den Hauptmann um Unterstützung für eine ihrer Rekrutinnen, gebeten. Nach einem kurzen Blick in die Runde, entschied der Hauptmann, dass Laiza genau die Richtige sei.
Die Tür des Schlafsaals ging auf und Rekrutin Magane trat ein. Laiza drehte sich vom Fenster zu ihr um. Die junge Frau war groß und war extrem bleich. Sie erweckte den Eindruck eines Vampirs, doch als sie Laiza anlächelte entblößte sie keine spitzen Eckzähne. Ihr bleiches schmales Gesicht wurde von langen glatten Haaren eingerahmt, die noch schwärzer schienen als Laiza’s. Aus dem bleichen Gesicht stachen leuchtend blauen Augen heraus, die wie es schien, die einzigen richtig farbigen Körperteile an dieser Frau waren. Sie trug eine schwarze Hose und, unter ihrem Brustharnisch, einen schwarzen Pulli, auf ihrem Kopf thronte ein schwarzer Hut mit einer großen Krempe. Die beiden kamen auf einander zu und als sie sich gegenüber standen, streckte Magane eine behandschuhte Hand aus. Voller entsetzten starrte Laiza auf die schwarzen Spitzenhandschuhe. Sie sah in das bleiche Gesicht der Frau,
"Ich bin Magane, kannst aber Mag sagen. Wie heißt du?"
"Laiza Harmonie. Hast du auch einen Nachnamen?"
"Nein."
"Nein?"
"Nein."
"Wieso?"
"Nerv nicht. Komm mit wir müssen in den Keller."
"Keller?"
"Ja."
"Wieso?"
"Stellst du immer so sinnlose Fragen?"
"Wieso sinnlos?"
"Weil sie nerven und aufhalten." Magane drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Schlafsaal. Laiza schnaufte verächtlich und folgte ihr gemächlich. Am Absatz der Kellertreppe wartete, zwei Laternen in der Hand haltend, Magane. Vor ihr auf dem Boden stand ein Eimer mit Wasser, in dem ein grauer Lappen schwamm, neben ihr an der Wand lehnte ein Wischmopp. Sie drückte Laiza eine Laterne in die Hand, ergriff den Mopp und stieg die Treppe hinab. Mürrisch griff Laiza nach dem Wassereimer und folgte ihr in den Keller.
"Wir müssen das Lager für beschlagnahmte Gegenstände säubern," meinte Magane und schlängelte sich an Kisten vorbei durch die Gänge. Gequält schaute Laiza sie von der Seite an. Das versprach langweilig zu werden, dachte sich Laiza und ihre Gedanken wanderten zu dem Aufstand am Pseudopolisplatz.
"Und wieso müssen wir das?"
"Nun, ich hab was ausgefressen und was du ihr machst ... keine Ahnung, vielleicht sollst du mich überwachen?"
"Sollte das nicht besser ein erfahrener Wächter machen? Was hast du ausgefressen."
"Nichts schlimmes, ich war ein wenig frech."
"Aha ... frech?"
"Ja." Aus dem Tonfall ging deutlich hervor, dass Magane kein Wort mehr über den Vorfall verlieren wollte. Es dauerte nicht lange, bis sie vor einer Tür standen und Magane einen schweren Schlüssel aus der Tasche zog. Mit einem lauten ächzenden Geräusch sprang (wenn man diese sehr langsame Bewegung als springen bezeichnen kann) der Schießzylinder zurück und Magane öffnete mit einem lauten Knarren die Tür.
Sie standen in einem großen Raum, mit einer niedrigen Decke. Laiza stellte den Eimer ab und entzündete die Fackeln, die in eisernen Haltern an den Wänden hingen. Der Raum war voll gestellt mit allerlei Krempel und einigen Regalen, auf denen noch mehr Krempel stand.
Mit ihrem Zeigefinger strich Laiza über ein Regal, eine dicke Staubschicht hatte sich drauf gebildet. Sie nieste und der Staub wirbelte empor und entfachte eine Niesattacke bei Laiza.
"Geheeee...tschhü ..." Sie zog ein weißes Taschentuch aus ihrer Tasche [1] und putzte sich die Nase. "Genau die richtige Arbeit für mich."
"Fies so ne Stauballergie."
"Jaaa ... man ist gezwungen sein Zimmer immer aufzuräumen ..." Laiza sah zu dem Regalbrett, auf dem ein Würfel lag. Sie griff danach, neugierig wie sie war, und las den Zettel, der daran befestigt war. "Wünschdirwas-Würfel – immer die Zahl deiner Waal!". Interessiert drehte sie den Schwarzen Würfel in der Hand, er wirkte wie jeder andere Würfel und war mit roten Punkte von eins bis sechs bedeckt.
"Acht," sagte Laiza und warf ihn auf das Regalbrett. Der Würfel drehte eine Runde und blieb dann liegen. Er zeigte die Seite mit den fünf roten Punkten, doch einen Augenblick später kamen von zwei anderen Seiten drei Punkte gewandert und drängten sich auf die kleine Fläche zusammen. Laiza zog die Augenbrauchen hoch, tolle Idee, leider würde er sich nicht für eine Glückspiel eignen, er war zu auffällig. Sie sah sich nach Magane um und erblickte sie vor einer mannshohen Offlerstatue auf Bronze, die auf ihren Hinterbeinen stand. Magane schwankte wie ein Pendel vor der Statue hin und her, fixierte den Kopf des Krokodils, aus dessen Mund der geschundene Kopf eines Vogels hing. Vier von seinen Armen waren hinter den Rücken verschränkt, die anderen Zwei hoben sich vor seiner Brust in freudiger Erwartung das nächste Opfer zu packen. Laiza näherte sich der Statue von hinten, sie hörte Magane leise "Offler, ohh Oooffler" flüstern.
"Magane, was machst du da?"
"Ooooh, Ooooffler ..."
"Magane?!" Sie schwankte weiter vor der Staue, ihre Augen waren weit aufgerissen und in ihrer rechten Hand hielt sie ein Schwarzes Tuch. Vorsichtig und langsam kam Laiza weiter auf die Statue zu. An dem linken ausgestreckten Arm hing ein Zettel. Laiza griff danach, ein dicker Pfeil war auf dem Stück Pergament, dort stand:
"Bitte nicht entfernen – Hypnotisierende Offlerstatue". Laiza sah sich um und entdeckte in einem nahen Regal eine Kiste mit Tüchern. Sie griff nach der Ecke eines Tuches und wollte es eigentlich auf den Kopf des Krokodils werfen, doch eh sie sich versah wickelte sich das Tuch um ihr Handgelenk. Sie versuchte es mit der anderen Hand zu lösen, doch es zog sich nur enger.
"Magane! Helf mir!!" Panisch lief Laiza durch den Raum. Egal was sie versuchte, sie bekam das Tuch nicht von ihrer Hand, welche schon langsam blau anlief. Plötzlich entschloss sich das Tuch, dass eine Hand nicht das Richtige wäre und bewegte sich wie eine Schlange an Laiza’s Arm hoch. Magane stand immer noch schwankend und murmelnd vor der großen Offlerstatue, ohne auf Laiza’s Hilferufe zu hören. Laiza schloss ihre Augen, um unter allen Umständen zu verhindern, ebenfalls von Offlers hypnotisierenden Blick gefangen zu werden und taumelte mit dem würgenden Tuch um den Arm auf Magane zu und stieß diese zu Boden. Laut ächzend blieb Magane auf den dreckigen, kalten Steinboden liegen.
"Mir ist schlecht..." nuschelte sie und rieb sich die Augen.
"Määääääägääänee...." Laiza hatte sich auf gesetzt und lehnte gegen eins der Regale, während sie das Tuch dabei beobachtete, wie es an ihrem Arm hoch kroch.
"Was hast du denn da?"
"HILF MIR!" Mühsam richtete sich Magane auf und krabbelte auf sie zu.
"Ein würgendes Tuch .... cool." Giftige Blicke trafen sie. "Okay okay, wie soll ich dir helfen?"
"Mach DAS AB!!!" Mag sah sich um, ihr Blick blieb an Laiza’s Gürtel hängen und entdeckte eine kleine schwarze Lederscheide. Sie zog den Dolch aus der Scheide und versuchte das Tuch an einer Stelle des Armes anzuheben. Es beanspruchte einige Kraft, doch als Magane den glänzenden Stahl durch den Stoff gleiten ließ, ließ der Druck auf Laiza’s Arm nach. Als das Tuch durchtrennt war, löste es sich und fiel zu Boden. Laiza atmete tief durch und ließ sich erschöpft zur Seite kippen. Ihre Wangen waren durch die Anstrengung der Attacke leuchtend rot und der kalte Steinboden milderte die Hitze, die ihr in den Kopf gestiegen war.
Magane drehte die Waffe in ihrer Hand. Der Stahl der Klinge und des Klingenschutzes strahlten und das schwarze Leder, dass den Griff umschloss war im guten Zustand.
"Anscheinend pflegst du ihn jeden Tag." Laiza setzte sich auf und nahm ihr den Dolch aus der Hand.
"Er ist ein Geschenk meines Onkels." Sie steckte die Waffe zurück in die Scheide und griff nach der Augenbinde des Offlers, die Magane immer noch in der einen Hand hielt. "Du solltest nicht alles anfassen." Laiza stand auf und umrundete ein Regal, um sich der Offlerstatue von hinten zu nähern. Sie legte ihm die Augenbinde an und lehnte sich gegen ihn. Magane griff nach den Resten des Tuches.
"Du aber auch nicht."
"Ich wollte dir nur helfen! Woher soll ich den wissen, dass das ein würgendes Tuch ist."
"Helfen, ich brauch keine Hilfe. Mir ist nur etwas schlecht."
"Wenn man Pendel spielt ist das auch zu erwarten, jetzt lass uns endlich putzen, ich hab keine Lust den ganzen Tag hier zu verbringen." Laiza drehte sich weg und sah sich das Regal an, aus dem sie das Tuch genommen hatte. "Tintenspuckende Feder", "lachender Totenkopf – der Tod ist keine ernste Sache"... an der Kiste mit den Tüchern stand "Würgende Halstücher – garantiert tödlich". Laiza wandte sich von dem Regal ab und ging zur Tür zurück um Eimer und Mopp zu holen. Entschlossen hielt sie Magane den Lappen aus dem Eimer entgegen. Langsam, als hätte sie alle Zeit der Scheibe, zog sie ihren Spitzenhandschuhe aus und griff dann nach dem Lappen. Genervt versenkte Laiza den Mopp kurz im Wasser und fing dann an zu wischen.
"Wieso muss ich die Regale sauber machen?!"
"Weil das deine Strafe ist und fass gefälligst nichts an."
"Wie soll ich das den bitte machen ... putzen, aber nichts hochheben, genial," sagte Magane zu sich selbst.
Laiza fing an den Steinboden zu putzen. Wie oft hatte sie zu Hause, den Laden ihres Vaters putzen müssen. Zwei mal in der Woche hatte sie den Nachmittag damit verbracht, einen Wischmopp um duzende von Bücherregalen herum zu lenken. Viel Geld verdiente ihr Vater nicht mit dem Bücherladen, es war auch mehr eine Berufung als ein Beruf für ihren Vater gewesen. Das eigentliche Einkommen verdienten ihre Eltern als Zwischenhändler für die zahlreichen Spirituosen, die Onkel Bartolus nach Ankh-Morpork importieren ließ. Sie bewegte den Mopp mit der speziellen Bewegung über den Steinboden, die sich über Jahre hinweg in ihr Gehirn eingebrannt hatte. Einen Boden wischen, war wie das schneiden von Gras mit einer Sense, wenn man die Sense falsch hielt oder sie auf eine falsche Weise bewegte, tat einem schnell der Rücken weh.
"Willst du Froschpillen?" fragte Magane, die lautlos hinter Laiza aufgetaucht war. In der einen Hand hielt sie den dreckigen Wischlappen, der unermüdlich sein dreckiges Wasser auf den frisch geputzten Boden tropfen ließ, in der anderen Hand hielt sie eine Holzkiste mit seltsam aussehenden Kügelchen.
"Froschpillen?"
"Ja, getrocknete Froschpillen."
Laiza hielt in ihren Bewegungen inne und sah auf das Zettelchen, dass an der Kiste hing, doch außer die Bezeichnung Getrocknete Froschpillen stand nichts weiter drauf. Anscheinend war ihre Wirkung hinreichen bekannt, wahrscheinlich wurde die Kiste – gefüllt mit einer beachtlichen Menge Froschpillen – einem Schmuggler abgenommen. Ein beißender Geruch kämpfte sich in Laiza’s Nase, als Magane ihr die Kiste näher ans Gesicht hielt.
"Wie weit bist du?" fragte Laiza, schüttelte angewidert den Kopf und schob die Kiste von sich weg. Magane drehte sich um und deutete auf zwei Regale.
"Noch nicht sehr weit."
"Stell dieses Zeug weg und beeil dich. Ich will ihr keine Ewigkeit bleiben ... nachher seh ich noch so bleich aus wie du."
"Oh danke." Magane drehte sich um und murmelte etwas vor sich her, dass verdächtig nach "Miststück" klang. Hinter ihrem Rücken zog Laiza eine Grimasse und fing wieder an zu wischen.

Laiza wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis sie mit dem Säubern des Raumes fertig waren. Vielleicht zwei oder drei Stunden. Doch sie waren noch nicht fertig. Während Laiza, in unermüdlicher Bewegung des Wischmopps, durch den Raum gewandert war, war sie an einer Tür vorbei gekommen. An der ein vergilbtes Pergament mit der Aufschrift "VORSICHT – WIRKLICH GEFÄHRLICH – FUNKTIONEN UNBEKANNT" hing. Inständig hoffte Laiza, das Magane die Tür nicht bemerkt hatte. Sie stellte den Eimer neben die Ausgangstür und lehnte den Mopp an die Wand. Nun sah das Lager der beschlagnahmten Gegenständen wieder annehmbar sauber aus. Irgendwann würde sie sich dafür rächen, wenn sie es einmal in eine höhere Position geschafft hatte... dann würde sie unschuldige Wächter hier herunter schicken. In ihrem Kopf spukte die krächzende wahnsinnige Stimme, die nur ein Wissenschafter aus Überwald haben konnte... Die Rache ist MEIN ....
"Hu hu!! Laiza!!"
"Was?"
"Hier bin ich!"
"Und?"
"Komm her, wir sind noch nicht fertig!"
Oh nein, dachte Laiza und schlürfte durch die Gänge, die die Regale bildeten. Sie hat die Tür entdeckt ...
"Wenn da so gefährliche Sachen drin sind, ist sie sicher abgeschlossen. Lass uns gehen, ich brauch einen Tee."
Versuchsweise drückte Magane die Türklinke herunter. Laiza atmete erleichtert auf, als die Tür nicht aufging und packte Magane am Arm. Lass uns gehen, wer weiß was da noch drin is. Vielleicht ne hungrige Offlerstatue."
"Cool ..."
"Nein, dass ist nicht cool."
Magane drehte sich um und sah Laiza von unten bis oben an: "Du bist ne richtige Spielverderberin."
"Nein, ich halte nur viel von meinem Wohlergehen. Wer weiß was da drin ist, ohne Grund wird das wohl kaum zugeschlossen sein." Laiza verschränkte die Arme vor ihrem Brustharnisch und funkelte Magane giftig an. Okay, sie gab es ja zu, sie war selber neugierig. Zu etwa achtzig Prozent bestand ihr Körper aus Neugier, doch die restlichen zwanzig setzen sich aus respektvoller Furcht, Überlebenswillen, Erfahrungen aus Überwald und dem Drang nichts zu riskieren. Wobei letzteres sehr gering war.
"Wer weiß," flötete Magane und lächelte. "Wie heißt es? Wer nichts wagt, der nichts gewinnt."
"Ich will nichts gewinnen, ich bin momentan zufrieden mit dem was ich habe."
"Ich bitte dich, was hast du momentan schon? Du lebst im Wachhaus unter dutzenden von Rekruten."
"Damit kann ich leben. Außerdem besitze ich einen guten Dolch und Steine."
"Steine," wiederholte Magane verächtlich.
"Ja, STEINE! Sie sind sehr praktisch! Mir fehlt nur noch eine Fletsche." Magane zeigte mit dem Zeigefinger auf die Eichentür hinter ihr.
"Vielleicht findest du da eine, für deine Steine."
"Was hast du gegen Steine?!"
"Was findest du an STEINEN?!"
Sie griff in die schwarze Ledertasche [2], die sie während der ganzen Putzaktion mit sich herum geschleppt hatte. "Sie sind sehr praktisch, die ganz kleinen kann man als Rutschfalle benutzen und mit den größeren kann man nach Leuten werfen."
"Man wirft keine Steine nach Leuten."
"In speziellen Fällen ist das von Nöten. Außerdem können Steine auch," sie griff in ihre Tasche und kramte. "eine Wertanlage sein." Heraus zog sie einen blauen Stein, besonders groß war er nicht, dafür glitzerte er auf eine besondere Art und Weise.
"Sag mal woher hast du den denn?" Laiza ließ den Stein sofort wider in ihrer Tasche verschwinden.
"Mein Onkel schenkte ihn mir, er ist Seefahrer, keine Ahnung woher er den hat."
"Ist er viel wert?"
"Kein Ahnung, wahrscheinlich hat er nur Wert für mich."
"Du magst deinen Onkel wohl? Brechen wir jetzt die Tür auf?" sagte Magane in einem Atemzug.
Laiza sah zur Tür hin, sie bekam das Gefühl eine leise Stimme in ihren Gehörgängen zu hören, leise hörte sie den flehendlichen Ruf bitte öffne mich. Einer ihrer älteren Brüder hatte ebenfalls solche Stimmen gehört. Jetzt vegetierte er in einer miefigen Zelle dahin. Sie zog ihren Dolch: "Versprichst du mir nichts anzufassen?"
Magane lächelte wie ein Engel:"Großes Ehrenwort."
Das konnte nichts Gutes verheißen. Seit etwa drei bis vier Stunden kannte sie die Rekrutin nun schon und man konnte nicht gerade sagen, dass sich eine Art Vertrauensbasis aufgebaut hatte. Mit einem drohenden Blick ging Laiza an ihr vorbei und machte sich mit dem Schloss der Tür vertraut.
"Was meinst du, macht sich die Offlerstatue gut in einem Mausoleum?"
"In einem Mausoleum?"
"Ja, ich wohn bei meinem besten Freund Jay, er ist Vampir und lebt in einem Mausoleum. Er hält den Friedhof von Ratten sauber."
Laiza warf ihr über die Schulter einen durchdringenden Blick zu. Vielleicht war sie doch einer und feilte nur ihre Eckzähne jeden Morgen ab. Es klickte und die Tür sprang nach einem drücken der Klinke auf:"Bitte, lass die Finger bei dir!"
Magane eilte davon und kam nach kurzer Zeit mit zwei Fackeln in der Hand wieder. Sie drückte Laiza eine von ihnen in die Hand und betrat den Raum. Dieser war etwas kleiner als der vorherige. An den Wänden reihten sich Regale aneinander, die vollgestellt waren mit kleinen Kisten und größeren Truhen. In der Mitte des Raumes standen nochmals zwei Reihen Regale, Rücken an Rücken.
Doch alles war sauber. Die Regale waren staubfrei und auf dem Boden befand sich ebenfalls kein Dreck.
"Siehst du." meinte Laiza und machte eine ausladende Bewegungen, wobei sie mit der Fackel beinahe einen Wandteppich anfackelte, ohne es zu bemerken.
"Was sehe ich?"
"Das ist hier wohl so gefährlich, dass die es lieber selber putzen, als zwei dumme neugierige Rekruten an die Arbeit zu lassen."
"Wer von uns ist hier bitte dumm?"
Laiza versuchte die Pendelbewegung nachzuahmen, die Magane vor der Offlerstatue vollführt hatte: "Ohhh Oooffler, oooh du Krokodiiiilgoooott."
Wutschnaubend wandte sich Magane um und streifte durch den Raum.
Laiza sah sich ebenfalls um, weigerte sich aber, allen Einwenden ihrer Neugierde zum Trotz, sich mehr als zwei Schritte von ihrem aktuellen Standort an der Tür weg zu bewegen. Sie entdeckte den Wandteppich, der anscheinend das einzige regalfreie Wandstück einnahm. Er war etwa zwei Meter groß und einen Meter breit und in dunklen Tönen gehalten. Man konnte Häuserdächer in der Nacht erkennen, beschienen vom Licht des Mondes, auf dem Dächer lag etwas Schnee und auf einem Kamin in der Mitte des Teppichs hockte eine seltsame kleine Figur, deren Kleidung in einem sehr dunklen rot die einzige auffallende Farbe hatte. Auf dem Kopf trug die Figur eine seltsame Mütze... Magane tippte ihr auf die Schulter und erschrocken drehte sich Laiza um. Hätte Magane nicht sich nicht rechtzeitig geduckt, hätte wahrscheinlich ihr Hut zu brennen angefangen.
"Vorsicht." Magane richtete sich wieder auf und betastete vorsichtig ihren Hut. "Was ist denn das für ein Staubfänger," meinte Magane und sah sich den Wandteppich an, dann fiel ihr etwas ein, sie sah Laiza an und fragte: "Schreibst du ein Tagebuch? Du siehst aus, als würdest du Tagebuch schreiben."
"Wieso sehe ich aus als würde ich Tagebuch schreiben."
"In meinen Augen scheinst du genau der richtige Typ zu sein. Sieh mal." Magane hielt ihr ein großes Buch mit schwarzen Ledereinband hin. Es wirkte sehr schwer. "Sieht doch harmlos aus oder? Steht noch nicht mal was drin."
"Steine sind auch harmlos."
"Nicht wenn du sie hast."
"Genau, das meine ich. Es kommt immer drauf an, wer es in den Händen hat. Also leg es weg."
Magane drückte Laiza ihre Fackel in die Hand und blätterte die Seiten durch, das Pergament war unbeschrieben: "Ich werd es mit nehmen, so Leder ist sicher nicht günstig."
"Leder aus Überwald."
"Toooooll. Ich nehme es trotzdem mit."
"Ich halte das für keine gute ...."
"Mir ist egal, was du davon hältst." Magane entriss Laiza die zweite Fackel und verließ den Raum. Genervt ging ihr Laiza hinterher und schloss in Ruhe die Tür wieder hab. Im Raum wurde es dunkler, als Magane die Fackeln an den Wänden löschte.
"Wo bleibst du denn?" Genervt stand Magane im Gang zur Ausgangstür. Im Schein der Fackel, gewann Magane etwas Farbe und wäre der grimmige Blick nicht, könnte Laiza sie fast für freundlich halten. Laiza wanderte gemütlich durch den Gang, während Magane immer grimmiger ein und aus atmete. Der Schein von Laiza’s Fackel spiegelte sich in etwas silbernem wider. Sie ging näher an das Regalbrett heran, von dem das funkeln gekommen war. Einige Kisten standen herum ("Kichernde Spiegel", "Hüpfende Socken",...) vor einer großen Karton mit einigen "Nicht zu stoppende Heulpuppen" stand ein kleines Kästchen. Auf dem Zettel, der dabei lag, war die komplette Aufschrift nicht mehr zu lesen. Die Tinte des ersten Wortes war fast völlig verwischt, das Pergament war feucht, anscheinend hatte Magane darüber gewischt. "de Spieluhr" konnte Laiza noch lesen. ...de .... singende Spieluhr? Oder .... Laiza öffnete den Deckel .... ein Ohrenbetäubendes Getöse drang aus dem Inneren der Spieluhr, Laiza ließ sie erschrocken fallen. Sie in Zeitlupe schien sie gen Boden zu fallen, drehte sich mehrmals um ihre eigene Achse, prallte auf den Boden auf, überschlug sich noch ein paar mal und landete dann auf ihrem Deckel. Die schreiende Spieluhr gab keinen Laut mehr von sich, doch Ruhe war in den Kellerraum nicht eingekehrt. Magane stand vor einem Haufen Staub und schrie wie am Spieß, hörte aber plötzlich auf, als sie Laiza auf sich zukommen sah: "Wieso musst DU alles anfassen!" krächzte sie hysterisch.
"Was ist das." Laiza ignorierte sie und deutete auf den Staubhaufen. "Ich hatte den Boden geputzt."
"Das ist das Buch."
"Was hast du gemacht?"
"Gar nichts. Als du dieses Ding aufgemacht hast und es so laut wurde, ist das Buch ziemlich warm geworden, und dann seeeehr kalt... und dann und dann ..." Magane schnappte nach Luft.
"Was dann?"
"Dann fiel es zu Boden."
"Und?"
"Klappte auf."
"Und?"
"Dann blätterten sich die Seiten von alleine um, ich hab nicht genau hingeschaut, weil ich nach dir geguckt habe. Sag mir nicht noch einmal, dass ich nichts anfassen darf!" Magane sah sie giftig an. "Du bist schuld!"
"Ich?! Wer hat das Buch denn mitgenommen? Ich glaub der Offler hat dir nicht gut getan." Laiza klopfte Magane gegen die Stirn und griff nach dem Wischmopp, der immer noch an der Wand lehnte. Diesmal drückte sie Magane die Fackel in die Hand und wollte anfangen zu wischen.
"Willst das wirklich weg machen?"
"Natürlich."
"Aber es ist kann gefährlich sein!"
"Es ist nur Staub."
"Ja, trotzdem, es kommt immer drauf an wer es in die Finger bekommt."
"Also, ist es das beste, wenn ich es weg wische, dann wird es keiner mehr in die Finger bekommen können."
"Ist es normal, wenn Staub auf wirbelt?"
"Wenn du hinein niest, ja."
"Hab ich aber nicht, und das drehte sich wie eine Wirbel herum, und formte ein Gesicht."
"Ein Gesicht?"
"Ja! Und es schrie!"
"Es schrie?"
"Ja, zumindest sah es so aus, gehört habe ich nichts – bis auf diese dämliche Spieluhr. Vielleicht war das Buch magisch und der Staub auch."
"Oooh nein, mit Magie kenn ich mich überhaupt nicht aus!" Laiza wischte entschlossen den Haufen auf. "Lass uns gehen." Sie griff, nach Mopp, Eimer und Magane und verließ dass Lager.
Mit einem lauten Knall fiel die Eingangstür zum Wachehaus an der Kröselstraße zu, nachdem Laiza den Inhalt des Eimers mit großen Schwung nach draußen geschüttet hatte. Die anderen Rekruten waren inzwischen wieder vom Hiergibt’salles - Platz zurückgekehrt und redeten im Speisesaal über den Aufstand. Laiza ließ sich auf einen Stuhl zinken und lauschte den wild ausgeschmückten Berichten ihrer Mitrekruten. Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Der Himmel verzog sich und die ersten Schneeflocken fielen.

[1] um den Rand schlängelte sich eine Rosenranke, ihre Tante Trudi hatte es ihr zum Abschied geschenkt

[2] aus Überwald




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