GiGantisch

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von Gefreiter Rib (FROG)
Online seit 17. 09. 2003
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Ribs Ausbildung zum GiGa beginnt. Doch ein letzter Fall aus der Rekrutenzeit läßt ihn nicht los.

Dafür vergebene Note: 12

Gewidmet meinem ehemaligem Ausbilder Humph, der viel Arbeit mit mir hatte.

Jetzt muß sich jemand anderes mit mir herumschlagen.

Mein Beileid, Veni.


-- Tag eins --


Inmitten einer Metropole, in der tiefsten Nacht, saßen zwei Wächter, ein Gnom und ein Mensch, an eine Mauer gelehnt. Diese Metropole, diese Ansammlung von Häusern, war etwas besonderes, selbst auf einer Welt wie dieser, die als Scheibe von vier Elefanten auf einer Schildkröte getragen wurde. Zwei kleinere, schnell sich vergrößernde Städte, Ankh und Morpork, waren so schnell gewachsen, daß man von einer Art geographischem Auffahrunfall sprechen konnte. Angaben über Todesopfer variierten.
"Das sieht man", sagten die Bewohner der Stadt immer über Ankh-Morpork, wie man das ineinander verkeilte Unfallopfer nannte und verglichen es mit einer Frucht, dessen Geruch man gelinde gesagt als abstoßend bezeichnen konnte. Andere potentielle Verkehrsopfer hielten entgegen, daß man mehr das Optische hervorheben sollte und gaben der Beschreibung einer 'Perle in einer Auster' den Vorzug: Ein Stück Dreck, hart geworden durch gewissenhaftes Vollschleimen und am Ende bringt es einen noch um.

Die beiden Wächter, die sich ihre letzten Kekse in den Mund stopften, hielten das Ganze dennoch für die Beste aller Welten. Daran änderte auch die Marke der Kekse nichts. Neblosa hatte Rib erlaubt, an seiner Streife noch einmal als Zivilist teilzunehmen. Der frisch beförderte Gnom hatte es gerne angenommen. Ein letztes mal sein Revier sehen. Seitdem ihm, in der Endphase der Ausbildung, ein bestimmtes Revier anvertraut wurde, hatte er sich daran gewöhnt.
"Ohje", seufzte der Gefreite Rib, der auf Neblosas knie im Schneidersitz saß, "Det sach' ich deer, bin ich volljefresse."
Rekrut Neblosa nickte und strich sanft über seinen eigenen, nun wohlgerundeten Bauch: "Ja. War das gut..."
Rib liebte die Streife, besonders in den Händlervierteln. Dauernd wurde man zum Essen eingeladen, bekam mal dieses oder jenes zugesteckt. Nie wurde erwähnt, daß man die Vergünstigungen seinem Beruf zu verdanken hatte, aber beide Parteien wußten um die Vereinbarung.
Ein Kleinigkeit hier oder da, und dafür hielt der Wärter ein besonderes Augenmerk auf die Häuser seiner neuen 'Freunde'. Dies wurde das letzte Mahl sein, das er auf diese Weise bekam, rein ehrenhalber, denn ab morgen arbeitete er bei FROG, einer Spezialeinheit.
Morgen würde sich sein Kollege wohl einen neuen Partner suchen müssen, der die Nacht über mit ihm durch die Straßen zog. Rib würde dieses und andere Häuser nicht mehr kontrollieren. Wenn Neblosa überhaupt ein anderer Rekrut zugeteilt wurde. Dies war eigentlich eine sichere Gegend.
"Det is det Beste anne Arbeet. Watt werd' ich det misse, jlobe mir. Und nich' nur det jemeinsame Jespräch mit dir." bekräftigte der neue Gefreite. "Ich meen, bee FROG, da jibbit dat nich'.. Wie ooch? Hallo, Herr Klatschianischer Verteidigungsminister! Sir, habe gerade ihre Angestellten vergiftet, aber weil sie mir ein bißchen Keks gegeben haben, hab ich's ganz sanft gemacht... ode' watt? Nee, det wird nix."
"Ich hab das nie verstanden. Warum bist du überhaupt da hingegangen?"
"Ach weeste, so schlecht isses da nich'. Hast 'ne Menge Freeheit in dem, wasse tun kannst. Sind halt de Beste, für de janz unjewöhnliche Dinge. Nix midde Kriminalufklärung, Sondereensätze sach ich deer.
Weste, jerade des Seltsame reizt. Un viel zu schreebe hass' ooch nich. Is ja ziemlisch alles jeheim."
"Ja, aber trotzdem..."
"Ach watt, wo soll ich denn sonst hinne? Alle schmeiße mit den Padagradingsda um sich, obwohl jede wees, det die nur jelte, wenne en Obere det will. Ich hab det eenfach lieber eenfacher. Da sajen se mir, mach det, un denn mach ich det. Watt willste mehr?"
Rib sprang auf den Boden auf kramte eine seiner Zigarren heraus. Seitdem ihm manchen Straßenhändler etwas Tabak überließen, schmeckten sie irgendwie besser. Er jedenfalls vermißte den Kuhdung nicht mehr, den er früher benutzt hatte. Nun, bald würde er ihn wieder daran gewöhnen müssen.
"Weiß nicht, aber da muß doch noch ..."
"Lasset stecke. Wir hamm een Arbeet zu tun."
Neblosa stand auf.
'Heuchler.' dachte er sich. 'Kommst selber mit der ganzen Verantwortung nicht klar, die in diesem Job dir aufgebürdet wurde, aber meinst Ratschläge geben zu können, wie man sein Leben gestalten sollte.'

Ein paar Häuserzüge weiter war noch eine Person mit ihren Einkünften zufrieden. Im Gegensatz zu den Wächtern war sie vermummt. [1]
Die Hand, die einen Schnitt in der Vitrine vornahm, war von Hornhaut und groben Schwielen bedeckt. Arbeit hatte sie ein Leben lang gekennzeichnet. Arbeit, die bald nicht mehr notwendig war. Sollten andere sich doch abrackern.
Unter der Gesichtsmaske lag ein Lächeln still und selbstbewußt. Der Besitzer des Hauses war ganz schön dumm gewesen, nun in die Ferien zu fahren. Lächelnd blickte er auf fingergroße Figuren aus Silber.
Ohne Verbindungen war ein Verbrecher nichts, aber der alte Knurblich würde keine Schwierigkeit damit haben, diese Schätze zu verhökern. Etwas unwohl war dem unlizensierten Dieb schon, wenn er über sich als 'den Verbrecher' dachte. Also ließ er es.
Ein Ellbogen drückte das Glas ein. Lautstärke war bis zu einem bestimmten Punkt kein Problem, denn niemand war da, der es hören konnte. So etwas nannte man gute Vorarbeit.
Die Hand umschloß die kostbaren Sammlerstücke, verstaute sie in der Gürteltasche, die an der rechten Hüfte angebracht worden war, genau ausreichend in der Größe des zukünftigen Diebesgutes. Das Bild, gemalt von Leonardo de Quirm, ruhte schon in dem passenden Köcher auf dem Rücken.
Die Gestalt nahm einen versilberten Kerzenständer, dessen Kerzen brannten, um ihr Licht dem Vorhaben zu spenden. Sie stellte die Kerze an das Stuhlbein, die Tischdecke ruhte nur einen Hauch entfernt von den Flammen. Nun wurde es Zeit, das Haus zu verlassen.
Minuten später blickte die Gestalt von der Straße aus auf das betreffende Fenster. Der Lichtschein des Feuers war schwach, aber doch gut zu erkennen.
"ZWEIII UHHR, UNND ALLLEEES ISSSTT GUUUT!"
Sie nickte zufrieden und begann den Heimweg anzutreten. Was man vor allem an Wächtern respektieren sollte, war ihre Pünktlichkeit.

Rib zuckte zusammen, mußte Neblosa immer so brüllen? Es war doch gar nicht abzusehen, wer einen hörte.
"Warum zu dee Spitzohre noch eenmal rufste das immer? Außerdem isset noch jar nich so weet!" Rib hielt die eben nur fast abgelaufene Sanduhr hoch.
"Ich weiß nicht, Tradition halt. Außerdem verschafft es mir ein gutes Gefühl."
Rib verdrehte die Augen gen mittwärts, dem Aufenthaltsort der Götter entgegen. Ein gutes Gefühl also. In den Schatten hätte das 'Gute Gefühl' aus einer kostenlosen Mandeloperation bestanden – ohne Betäubung.
Neblosa bedeutete ihm zu warten. Zum dritten Mal heute mußte der Rekrut seinen Schnürsenkel neu binden.
"Diese verdammten Dinger. Diese Stiefel sind so dünn, daß man fast hindurch gucken kann. Jeden Stein spürst Du. Und auf den Schüren liegt irgendein Fluch, glaub ich. Ich schwöre Dir, daß erste, was ich mir kaufe, wenn ich Offizier bin, sind ordentliche Stiefel."
"Najel de Fade doch an. Wat anderes hilft wohl nimmer mehr..."
"Sehr witzig. Halt mal, riechst du auch etwas? Sieh mal, dort!"
Rib kletterte auf Neblosas Schulter und blickte den Arm entlang. Am Ende der Straße, aus roten gebrannten Ziegeln und efeuverziert, lag ein Haus. Herr Feldstechr, ein gebildeter Herr, der aus irgendeinem Grund überall Bodenproben nahm, erinnerte sich Rib. Ein Schinken, fügte er seinen Überlegungen hinzu, gegeben, damit sie wären seiner Abwesenheit etwas auf die Hütte acht gaben. Das würde Ärger geben. In der letzten Woche waren schon vier Häuser ausgeraubt worden, der Tabak, ein Trinkbeutel Absinth, drei Brote und die neuen Sandalen, wenn Rib sich richtig erinnerte. In ihrer Dienstzeit passierte das dann auch noch immer. Wenn das so weiterging, würde man sie beide auf bald öffentlicher Straße lynchen. Die zwei Wächter sprinteten los.

In dem Haus, vor dem die Wächter eine Rast eingelegt hatten, briet sich eine Köchin Eier mit Speck. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Das Eibrot würde besonders gut werden. Das Fett in der Pfanne, fast schwarz und jahrelang in diesem Kochgeschirr gehegt und gepflegt, würde daraus ein Festessen machen.

Hart rammte Neblosa schon seinen Fuß gegen die Tür. Nach drei oder vier Anläufen sprang der Riegel aus der Fassung.
Rib sah schon im Laufen, wie der Rekrut die Treppe hochstürmte und verfluchte seine Langsamkeit. Teppich- und geländerlos war diese Treppe zudem ein echtes Zeitproblem für Gnome. Wenn oben es zu Schwierigkeiten kam, stände Neblosa allein da. Hastig machte sich der blaue Gnom daran, das Efeu emporzuklettern. Nur keine Zeit verlieren.
Auf dem Fenstersims angekommen, schlug Rib das Fenster ein. In dem langen, großen Raum brannte ein Feuer. Neblosa riß die schon brennenden Vorhänge von ihrer Stange und schmiß sie in die Mitte des Raumes, zu der flammenden Tischdecke.
Schnell packte der zukünftige GiGa eine Flasche aus seinem Gürtel und warf sie in die Flammen. Das Brandgas wirkte, wenn auch nicht wie beabsichtigt: Lodernde Flammen, einst gelblichrot, begannen nun in allen Farben zu leuchten. Rib nickte. Immerhin, warum sollte man sich die Arbeit nicht auch angenehm machen?
Neblosa zog an einem Schrank. Das Feuer mußte erstickt werden.
"Hilf mir!" schrie er. "Wenn wir das Feuer nicht unter Kontrolle bekommen, brennt das ganze Viertel."
Rib krabbelte unter den Schrank und stemmte von unten. Nach einem gefährlichen Wackeln fiel das Stück Schreinerkunst krachend auf die Feuersbrunst. Rauch und Ruß wallte auf, als es dunkel wurde. Die Gefahr war vorbei.
"Das war eindeutig ein Vampir!" knurrte Rib in der Amtssprache, denn es schien ihm eindeutig, daß er sich nun im Dienst befand. "Er hatte sich versteckt und ist dabei gestorben."
"Wie kommst du denn darauf?" fragte Neblosa.
"Hast du all den Staub gesehen, der unter dem Schrank gewesen war?"

Während all der Zeit brannte in einer Schmiede Licht. Von hier aus, dem Pseudopolisplatz, war das Feuer natürlich nicht zu sehen. Den Bewohner hätte es außerdem sowieso nicht gestört. Man sollte das Eisen schmieden, solange es heiß war, pflegte er immer zu sagen. Und solange das Skalpell für den ehrenwerten Doktor Parazel noch nicht fertig war, gab es genug zu tun. Dennoch, das Werk dieses Tages war mehr als zufriedenstellend gewesen. Der Schied war befriedigt.

Rib hatte inzwischen begriffen, daß eine Menge Staub nicht unbedingt immer einen Vampir bedeutete... egal wie wünschenswert eine solche Zustandsform für einige von ihnen sein kann.
Neblosa erklärte weiter, er erzählte irgend etwas von Sauberkeitsmängeln, bei dem der MacLaut lieber nicht zuhörte, weil es sich verdächtig nach festgeschriebenen Regeln anhörte. Plötzlich stutzte der blaue Gnom: War da nicht eine Gestalt auf dem anderen Dach?
"Da ist jemand!" unterbrach er seinen Kollegen. "Verständige die Anderen!"
Dann sprang der Gefreite aus dem Fenster.
"Warte!" rief Neblosa und rannte die Treppe herunter. In was für Schwierigkeiten würde der kleine Hitzkopf sich jetzt schon wieder bringen?


-- Tag zwei --


Rib erwachte am nächsten Morgen, langsam und schmerzhaft. Sein ganzer Kopf dröhnte. Irgend etwas lag auf seiner Nase, klebte geradezu. Der Kobold hatte weder Lust noch Kraft, die Augen aufzumachen.
Um ihn herum schien ein Gespräch stattzufinden, soviel begriff er. Seine Zunge fühlte sich pelzig an, auf diese sonderbare Weise, wie es in der Alchimistengilde manchmal der Fall war. Dr. Fast Perfekt, Alchimist und ewiger 'Sonnenschein' in Ribs Leben, hatte das mit einem Stoff namens ÄTHER erklärt, wobei der Weißkittel an anderer Stelle behauptet hatte, darin würde das Licht schwimmen.
Vielleicht machte auch Licht manchmal Urlaub, aber warum in Alchimikalien? Hielten sie das für einen Ort irgendwo in Klatsch?
Soweit er die Stimmen um ihn herum deuten konnte, erstattete Neblosa Humph gerade Bericht.
"Und was geschah dann, nachdem er hinausstürmte?" fragte sein nun ehemaliger Ausbilder.
"Nun, ich folgte ihm. Als ich aus dem Haus heraus kam, schien er dabei gewesen zu sein, einen Wasserspeier zu verwarnen, der sich weigerte, irgendwie Notiz von einem Wächter zu nehmen, der ihn befragen wollte. Der Speier reagierte nicht einmal, als Rib ihn anwies, uns zur Wache zu folgen. Also kletterte Rib an ihm herauf und knallte ihm seinen Kopf zwischen die Augen. Das schien keine Wirkung zu erzeugen. Also versuchte er es wieder und wieder..."
Rib erinnerte sich. Warum eine gute und bewährte Idee aufgeben, nur weil sie beim ersten Mal nicht funktioniert hatte?
"Und? Das erklärt kaum seinen Zustand..." kommentierte Humph. "Sogar mit Trollen versucht er so etwas. Und oft genug gelingt ihm das sogar."
"Es war ein echter Wasserspeier. Eine Dachverzierung, Sir."
Dunkelheit umschloß Rib wieder.

Leichte Schmerzen über der rechten Augenbraue weckten den Gefreiten kurze Zeit danach wieder. Vorsichtig öffnete er das andere Auge.
Rogi stach ein erneutes Mal mit einer Nadel zu.
"Liegenbleiben", sagte sie barsch, "Ich habe keine Luft, in dein Auge zu ftechen!"
Rogi war ein Igor, besser gesagt, eine Igorina [2]. Viele Narben zierten ihr Gesicht und ihren Körper. Sie war aus verschiedenen Organen zusammengenäht worden, die gewisse Tote nicht mehr zu brauchen schienen. Als Igor war man weniger geboren als gebaut. Ribs Ansicht nach mußte ihre letzte Arbeitsstelle, wahrscheinlich ein Türsteher, ziemlich gefährlich gewesen sein.
Rogi war nun Sanitäter bei FROG. Der Gefreite kannte sie aus seinem letzten Fall, als er einen verschwundenen Zombiekörper suchen mußte. Ihre Tips hatten entscheidend geholfen. [3] Der Schrecken ihres Anblicks hielt sich also in Grenzen, zumal sie für ihresgleichen doch noch recht ansehnlich war.
Mehr Probleme machte es ihm, daß sie an seinem Kopf herumnähte. Falls es überhaupt noch sein Kopf war. Irgendwie fühlte er sich nämlich viel größer und weicher an.
"Fo", meine sie und hielt ihm einen Spiegel hin, "die Platzwunde ift fauber vernäht, fiehft du?"
Rib zwinkerte, bevor er sich wirklich traute, hinzuschauen. Seine Frau würde ihm nie verzeihen, wenn er mit einem Mumienkopf auf dem Hals nach Hause kommen würde. Allein durch die Tür des Nistkasten zu kommen, würde ein Problem darstellen.
Rib nahm also allen Mut zusammen und riß die Augen auf. Es schien alles normal zu sein. Buschige rote Haare thronten über ernsten, großen und blutunterlaufenen Augen. Doch halt: Was war das für ein weißes Dach, das die Nase zierte. Gips? Warum hatte er Gips auf der Nase? Rogi wischte die Hand beiseite, die den Nasenrücken betasten wollte.
"Laff daf. Ich habf erft gerade gerichtet."
"MEINE NASE!" entfuhr es ihm. "Du hast meine Nase gerichtet!"
"Ja." Antwortete Rogi begeistert. "Toll waf? War ein Haufen Arbeit, fo gebrochen wie die war. Waf ftellft du mit der immer an?"
"Meine Nase??? Gerichtet??? Ich habe diese Nase mit Stolz getragen, jeder Bruch ein Zeichen meiner Kämpfe gegen größere Gegner! Und du hast sie GERICHTET????"
"Ja. War daf falfch? Ich kann fie auch wieder brechen."
Rib erschauerte bei dem Gedanken, Taten vorzutäuschen. Dann lieber als Schönling durch die Gegend rennen. Er schüttelte den Kopf.
"Gut, wenn daf geregelt ift, dann melde dich bei Veni. Heute beginnt deine Aufbildung."
Rib schüttelte den Kopf und bereute es sofort. Ein Liter Knieweich hätte seinem Kopf auch nichts Schlechteres angetan. Vorsichtig stand er auf und bahnte sich seinen Weg.
Rib taumelte erschreckt aus dem Raum. Seine Nase war gerade wie ein Eiszapfen, formvollendet. Jegliche Zeichnung vergangener Taten war ausradiert, als hätte es sie nie gegeben. Er sah aus wie ein Kind!
Wütend schmiß er den Nasenschutz gegen eine Wand.
"Er hätte wenigftenf 'Danke' fagen können." murmelte die Sanitäterin ihm hinterher.

Die Augen qualvoll zu Schlitzen verzogen, kam Rib an der Tür seiner Abteilungsleiterin an.
Ihm schauderte es, wenn er sich vorstellte, daß auf dem Schild da oben Knurblich stand, ein Name, der eine treibende Kraft in den Schatten war. Und das lag nicht nur daran, daß dort überhaupt ein Name fixiert worden war.
Wieder mußte der Gnom an das Gespräch mit Neblosa denken: War er wirklich so zuversichtlich, wie er tat? Was war das für eine seltsame Abteilung, in die er geraten war? Sondermissionen hatte es geheißen, Kämpfe um Ruhm und Ehre, so munkelte man unter den Rekruten. Doch was bedeutete das wirklich?
Fast alle Mitglieder dieser Einheit gehörten Rassen an, die entweder untod waren oder auf andere Art den Ruf erworben hatten, dafür Sorge zu tragen, daß Ankh-Morpork nicht unter Überbevölkerung litt.
Angeführt wurden sie von einem Werwesen, dessen Verwandter die gnomische Unterwelt der tödlichen Schatten beherrschte. Sogar eine ELFE war unter Ihnen. Und bei dieser Spezies gab es nun mal wirklich keinen Zweifel, was sie liebten: Den Schmerz und die Angst anderer Personen.
Die Berufe innerhalb der Einheit sprachen auch eine deutliche Sprache: Wer nicht als Späher oder Kommunikationsexperte den in Mord ausgebildeten Truppen bei ihrer Pflicht diente, konnte mit einer Armbrust zielgenau töten oder war durch seine Ausbildung dazu bestimmt, große Verwüstungen anzurichten.
Nur was Araghast hier trieb, blieb dem Kobold schleierhaft. Vielleicht folterte sie die Leute, nachdem sie auf dem Sofa angeschnallt wurden. Der Gnom hatte irgendwas von einem Neid auf bestimmte Organe gehört... und wollte nicht mehr davon wissen. Vielleicht konnte Rogi sich darum kümmern.
Rib begann zu begreifen, daß sein Eintritt hier auch ihn verändern würde. Sein eigener Berufszweig sprach eine deutliche Sprache: Gifte und Gase.
Heute begann ein neues Leben.
Aber er, so schwor sich Rib, er würde nicht töten. Nicht, nachdem er fast seinen Ausbilder erwischt hätte. [4] Zumindest nicht, wenn es noch andere Wege gab.
In dem Bewußtsein, diesen, seinen eigenen Weg finden zu müssen, trat er ein und salutierte.
"Da bist du ja." knurrte Veni. "Fast ein bißchen spät, was? Schlechte Neuigkeiten, hier weht ein anderer Wind als in der Rekrutenzeit, Gefreiter. Du bist jetzt FROG. Leiste Dir nicht zu oft Unpünktlichkeit... Aber mit dieser Nase verzeiht man Dir wohl alles, oder?"
Die Abteilungsleiterin der FROGs stand auf ihrem Arbeitstisch. Rib hatte sie anscheinend gestört, als sie in einem Gespräch vertieft gewesen war mit jemand, der wohl die ominöse Eca sein mußte. Seine Ausbilderin und, wenn er nicht irrte, eine ehemalige Giftmischerin. So wie er nun einer werden würde.
Immerhin würde es nicht mehr notwendig sein, das Zeug der Alchimisten selber zu schlucken. Er konnte es ja im Dienst nutzen.
Derzeit starrte Eca verwirrt von Gnomin zu Gnom und wieder zurück. Sogar die Steinfigur, die Rib gestern inhaftieren wollte, hätte gemerkt, daß diese beiden Gnome nicht unbedingt ein Liebespärchen waren. Tiefe Zuneigung erschien zwischen den beiden ungefähr so sicher wie ein ruhiger Schlaf in der Bibliothek der Unsichtbaren Universität. [5]
"Hallo, Rib." versuchte Eca das entstandene Schweigen zu brechen. "Ich bin deine Ausbilderin. Wollen wir gehen?"
Rib nickte, salutierte nochmals aus Sicherheitsgründen, und drehte auf dem Absatz und ging dezimeterhocherhobenen Kopfes heraus.
Soweit jedenfalls der Plan. Dumm nur, wenn eine halboffene Tür auch den allerschönsten Abgang ruiniert. Hastig rappelte der Gefreite sich wieder auf und schüttelte den Kopf. Während er hinausging, faßte er sich zwischen die Augen..
'Verdammt", dachte er, 'immer noch gerade.'
Rib hörte das Lachen, als er aus dem Raum floh, wobei Veni abschließend noch das Wort erhob: "Sei folgsam, MacLaut. Sonst LESE ich Dir die Regeln der Wache vor!"
Ribs Augen wurden groß, der Körper erstarrte. Allein bei dem Gedanken daran brach ihm der Schweiß aus. Und ein Blick über die Schulter zeigte, daß Veni wußte, was sie tat. Dieses Grinsen war eindeutig. Erschreckt rannte er ein Stück voraus.

Nicht weit davon entfernt beugte sich Kommandeur Rince über ein paar Papiere, die so frisch waren, daß sie noch nicht als Butterbrotablage dienen konnten. Er laß ein paar Zeilen und schaute dann Kolumbini an, einem relativ neuen Experten von der Abteilung für Raub-und-Mord in die Augen.
"So wie ich das verstehe", begann er, "ist die Abteilung ratlos, oder?"
Kolumbini zuckte mit den Schultern. Er haßte es. Erstens gab dieser Fall keinen Sinn und zweitens wurde ausgerechnet ein Neuling, ein Obergefreiter geschickt, um die Nachricht zu übermitteln. Wahrscheinlich, weil es sein Fall gewesen war. Ungerecht war das.
"Was soll ich sagen, Sir. Als wir am Tatort eintrafen, war die Tür eingetreten und ein kleines Fenster eingeschlagen. SUSI unterstützt die Aussage der beiden Wächter, Neblosa und Rib, daß beides vorher verriegelt gewesen war. Die Abteilung behauptet weiterhin, daß auch kein weiteres Fenster oder eine weitere Tür aufgebrochen wurde. Es war alles immer noch verriegelt."
"Dietriche?"
"Verursachen Kratzspuren, sagen sie. Und die wurden weder hier, noch an den anderen vier Tatorten gefunden."
"Also geht ihr von einer Reihe aus?" überlegte Rinde laut "Die Vorgehensweise ist immer gleich schleierhaft und am Ende zündet der oder die Täter ein Feuer an, das relativ harmlos ist. Was ist mit dem Dach, könnten sie darüber gekommen sein?"
"Daran hat Neblosa schon gedacht, Sir. Er hat wieder diesen Dachdecker, Frederich, geholt und der konnte bestätigen, daß niemand die Ziegel verrückt hat. So etwas soll untrügliche Zeichen hinterlassen, behauptet Frederich. Er als Experte würde das sofort erkennen."
"Also wirklich keine Theorien?"
"Derzeit nicht, Sir, aber wir bleiben dran. Irgendwann macht jeder einen Fehler."

Am Labor angekommen, öffnete Eca die Tür: "Hier ist es also, dein neues Reich. Hach, da kommen Erinnerungen hoch. Dort drüben hinter der Tür lagern die Gegenstände, die wir von Mördern und toten Assassinen beschlagnahmt haben und mit Giften zu tun haben. Tränke, Giftpfeile für Armbrüste und ähnliches. Die seltsamsten Sachen, die woanders zu gefährlich zu lagern sind. Um mal nur ein Beispiel zu nennen: Vor kurzem kam eine Lieferung eines Trankes hinzu, der die Leute dazu brachte, sich für Gänseblümchen zu halten. Wir können heute ja mal versuchen, ein diensttaugliches Gas daraus zu entwickeln.
Neben der Unterstützung der Truppe im Einsatz wird es deine Aufgabe sein, Zusammensetzung, Wirkung und Herstellung der Stoffe herauszufinden. Das mußt du dann schriftlich festhalten. Humph hat Dir dafür extra den Diktator herüber geschickt. Mit dem hast du auch früher Berichte verfaß, wie ich hörte. Dürfte also kein Problem sein. Jedenfalls, was sich in diesem Raum dort befindet, darüber kannst Du frei verfügen.
Nur GiGa's und der Kommandant haben Zugang zu dem Sonderlager, alle anderen würden mit der neuen magischen Sicherung, die wir erworben haben, erhebliche Probleme bekommen. Das Konzept wurde aus einer Schutzanlage entwickelt, mit der in Überwald so ein seltsames Brot geschützt wird.
Frag mich nicht, warum ausgerechnet ein Brot.
Nimm also niemals jemanden mit hinein, den du auch wieder herausbringen willst. Wir haben es auch noch ein bißchen abgewandelt. So sollte zum Beispiel niemand in diese Pfütze dort treten.
So, aber genug der freien Worte und auf in die Theorie. Schließlich hab ich noch andere Dinge zu erledigen.
Fangen wir am besten mit den Grundlagen an.
Gifte werden anhand von Form, Wirkung und Farben zumeist unterschieden. An Formen gibt es Rauch, Wasser und Stein. Alles andere sind Mischformen. Pulver ist zum Beispiel nur eine Ansammlung kleinster Dinge mit Steinform. Und Schlamm wiederum ist Wasser mit Pulver."
"Gilt das auch für Ankhwasser?"
"Nein, das ist eine Mischung aus den Formen Schlamm mit Schlamm.
Auch Wirkungen treten zumeist in Mischformen auf, man unterscheidet hierbei zwischen den vier Grundformen Phlegmatisch, Cholerisch, Stiefmütterlich und ..."

Die Mittagspause kam gerade noch rechtzeitig. Noch ein bißchen, und Ribs Kopf wäre vielleicht explodiert.
Im Feenreich wäre das bestimmt der Fall gewesen. Der Schmerz im Kopf nahm jedenfalls immer mehr zu.
Zu Anfang lief der Unterricht etwas chaotisch an, aber nachdem Eca eingesehen hatte, daß Rib die absonderlichsten Angstsymptome zeigte, sobald sie anfing, die Lehrbücher zu zitieren, ging es entspannter weiter. [6]
Die Ausbilderin war zufrieden, Rib schien Talent zu haben. Die Systematik der Stoffe waren ihm geläufig, als ob er schon Jahre daran gelernt hatte. Und auch sonst: Er saugte das Wissen geradezu auf, als ob sein Leben davon abhing.
Verwunderlich war nur, daß er sich besonders für Gifte interessierte, die bei sogenannten 'Sonderfallspezien' Anwendung fanden. Elfen, Vampire und Werwölfe hatten es ihm besonders angetan.
Während des Essens ging sie den Plan für den Nachmittag noch einmal in Gedanken durch, als jemand an ihren Tisch klopfte. Es war Veni.
"Darf ich mich setzen?"
"Bitte."
"Wie macht er sich, dieser Rib? Schwierigkeiten?"
"Kaum. Um genau zu sein, erstaunlich wenige."
Veni war anzusehen, daß sie auf eine andere Antwort gehofft hatte: "Also LIEBT er den Umgang mit Gift? Heißblütig?"
"Im Gegenteil. Er haßt die Gifte." erklärte Eca. "Ich habe noch nie einen GiGa mit solch einer Abneigung gesehen. Immer will er sich dreimal versichern, nicht aus Versehen jemandem etwas anzutun. Sagt immer, er wüßte, wie das ist."
Die Abteilungsleiterin schaute auf. "Also ist er ungeeignet?"
"Würde ich nicht sagen. Er wird zumindest keine eigenen Leute erwischen."
"Trotzdem. Sollte er Schwierigkeiten machen, fliegt er."

Rib schlenderte derzeit mit dem bisher angesammelten Lohn in einem Sack auf seinem Rücken über den Pseudopolisplatz.
Das nannte man einen Aufstieg. Plötzlich gab es Rekruten, die ihn grüßen mußten. Nun hatte er ein Büro und ein Labor. Dutzende besonderer Gegenstände lagen herum, bereit, von ihm verwandt zu werden. Ein besonderes Auge hatte er auf den Giftring und auf die Stiefel mit ausfahrbarer Stahlspitze geworfen. Wer die wohl mal benutzt hatte?
Auf das Blasrohr würde er verzichten. Bei seiner Größe paßte einfach nicht genügend Gift auf den Pfeil.
Wurfmesser würden denselben Zweck erfüllen, da sie in vergifteten Scheiden ruhen und schneller gezogen werden konnten, vielleicht waren sie sogar noch besser. Aber ein besonderes Messer fehlte ihm zur Ausrüstung, und hier beim Schmied würde er das bekommen, was er suchte, hatte er gehört. Er würde es mit alchimistischer Brandsalbe beschmieren und es den 'Allesstopper' nennen. Eine Art Notfallprogramm.
Rasmus Steinhammer war einer der besten Schmiede Ankh-Morporks. Schwitzend hämmerte der Zwerg das Eisen zu einem langen geraden Band, als er ein lautes "Hallo?" hörte.
Er wischte sich die schwieligen Hände an seiner Schürze sauber ab, danach trocknete er sie an seinem Bart. Das schlimme an einem Leben als Schmied war, daß Leute ihn immer stören mußten. Zum Beispiel um etwas zu kaufen. Was glaubten die eigentlich, wer er war, daß er allen mit Eisenwaren aushelfen sollte?
"Ja?" brummelte der Schmied und entdeckte einen blauen Gnom vor ihm. "Wer stört?"
"Mein Name ist Rib und man sagt, du seist der Beste." salutierte der Gefreite. "Und nicht nur hier, auf diesem Platz."
"Schwätzer."
Rib schaute ihn verwirrt an: "Was?"
"Müssen sich immer das Maul über andere Leute zerreißen. Haben wohl keine Arbeit, was? Du wohl auch nicht, wenn du nur herein marschierst, um mich zu loben."
Der Gefreite wiederholte in Gedanken das Gespräch. Irgendwo war etwas ungeplant aus dem Ruder geraten...
Steinhammer wandte sich seinem Eisen zu und schlug noch ein paar Mal darauf ein.
"Egal. HEY!" rief Rib, während er an den Knöchel klopfte, bis der Zwerg sich wieder in seine Richtung drehte. "Ich habe Arbeit für dich."
"Na so was." brummelte der Schmied und drehte sich wieder dem Eisen zu. "Damit hab ich jetzt nicht gerechnet. Kein Interesse."
Er streute ein Pulver, daß Rib nun als Magnesium erkannte, auf das Eisen, klappte es in der Mitte zusammen. Dann fing er an, das Metall im Uhrzeigersinn zu verdrehen.
Dem Kobold wurde es zu bunt. Er rannte an dem Schmied empor, krallte sich im Bart fest...und glitschte zu Boden. Ganze Imperien hätten sich von den Nährstoffen in diesen Haaren ernähren können. Für die nächste Hungersnot schien der Zwerg vorgesorgt zu haben.
'Nun' ,überlegte Rib, 'dann mal auf die ungewöhnliche Methode: Höflich.'
"Hör mal, laß mir einen Moment Zeit. Was Du da machst, nennt sich 'falten', oder?"
Rasmus nickte: "Ein hartes und ein weiches Metall geben zusammen eine Klinge, die kaum bricht."
Rib hatte das erwartet. Sein Clanschwert war ebenso geschmiedet worden.
"Ich will, daß du ein Wurfmesser machst, die Form wie meine anderen, aber aus Eisen und Silber gefaltet."
"Ungewöhnliche Stoffe. Gnomische Größe?"
"Ja, gnomisch. Ich kann zahlen."
Rasmus legte das angefangene Stück in die Ecke. So etwas hatte er noch nie gemacht. Er wußte, jetzt würde er daran sitzen, bis es vollbracht war. Auch ohne Schlaf. Verdammter kleiner Mistkerl... doch wenn er jetzt auf das kleine Vieh trat, wäre der Auftrag nicht mehr nötig gewesen.
"In drei Tagen ist es fertig. Und jetzt schwing dein hübsches Näschen raus." kündigte er an.

Rib wanderte zurück ins Labor, wo Eca schon im Türrahmen stand.
"Oh, sogar pünktlich." bemerkte sie. "Ich werde das im Bericht erwähnen. Vielleicht kommt dann etwas Ruhe in die Geschichte zwischen euch beiden."
Der Gefreite salutierte lächelnd. Ihm fiel ein, daß er in den Verhandlungen mit Rasmus die Zeit vergessen hatte.
Naja, einer gefundenen Taube schaut man nicht in die Innereien.
"Dann können wir ja fortfahren. Nach Sicherheit und Kategorisierung steht nun Praxis auf dem Plan..."
Stunden später rieb Rib sich die Augen. Wörter wie Karimssoße, Fingerhut, Pfaffenhut und Schpeim zogen durch sein Hirn und versuchten, sich in zwei geordneten Reihen aufzustellen. Leicht machte er es ihnen dabei nicht, zu groß war das Gewirr. Zum Zubettgehen war er zu müde, also schlief gleich auf dem Labortisch ein.

Während Rib den Schlaf den tiefen Schlaf des (Selbst-)Gerechten vollzog, war ein unlizensierter Dieb nicht untätig.
'Wieder eine ruhige erfolgreiche Nacht.' dachte der bei sich und frohlockte bei dem hier zu erwartenden Reichtum. Manche Leute, wie dieser Parazel, wollten es auch nicht besser.
Der Mund verzog sich zu einem Lächeln, als der Dieb sich ausmalte, welches Gesicht der Hausherr ziehen würde, wenn er nächste Woche seine Sammlung kostbarer Medikamente vermissen würde. Ein gezielter Schlag gegen die Glasfront und das Arzneischränkchen war offen. Die Hand griff nach den Beute.

Camelia machte sich gerade in der Küche ein Mitternachtsmahl. Sie wußte, daß dies keine gute Idee war.
Seit Wochen versuchte die gestandene Köchin abzunehmen, aber was sollte sie machen? Es schmeckte ihr halt zu gut. Wäre sie auch sonst Köchin geworden? Außerdem war an so einem einsamen Tag wie heute etwas Nahrung doch geradezu Medizin für die Seele, oder? Und schließlich befand sie sich in dem Haus eines Arztes...
Gerade dieser Pfannkuchen, goldbraun geröstet, den sie sich selbst duftend in der Nacht servierte, der hatte es ihr angetan. Mit Zucker bestreut und mit Sahne bestrichen, so etwas konnte kaum dick machen. Carmelia würde standhaft diese Diät durchhalten. Wenn diese Diät 'FdH' das verlangte, würde sie eben die Hälfte davon wegwerfen. Man mußte halt eben nur doppelt so viel Teig ansetzen
Im Wohnzimmer klirrte es, wahrscheinlich wieder eine dieser streuenden Katzen, denen sie immer den die zweite Hälfte abgab. Aber sich deswegen ins Haus einzuschleichen, das war zu viel. Die Anwesenheit der Katze würde auch das schabende Geräusch vor einer Weile erklären, als sie die Zutaten für ihr "Eine-Stunde-vor-Mitternachtsmahl" zusammengesucht hatte.
Es half nichts, diesmal würde sie wohl nachschauen müssen. Seufzend schob sie die alte Pfanne von der Herdfläche. Immer mußte man beim Essen gestört werden.

Plötzlich war da ein Knarren und ein Lichtschein. Schnell zuckte die Hand des Vermummten zurück. Glas zerschnitt die Haut eines Handrückens. Blut schillerte auf zerbrochenem Glas wie eine Ankündigung, ein Omen.
Die Augen erblickten eine Frau Mitte dreißig in einer weißen Schürze, die den Mund zu schreien öffnete. Von einem panikerfüllten Gehirn fehlgeleitete Hände verhinderten dies, hielten Mund und Nase zu. Sie ließen nicht los. Die Frau riß die Verhüllung vor dem Gesicht beiseite und erblickte ein bekanntes Gesicht, ein Gesicht, das sie vom Pseudopolisplatz kannte, das sie sah, wenn sie einkaufen ging.
Erst als sie tot war, ließen die Hände, angeekelt durch ihre eigene Tat, daß Opfer zu Boden gleiten.
"Verbrecher!" schien eine Stimme aus seinem Innersten zu schreien. Vielleicht würde sie nie wieder damit aufhören.

Camelias Augen wurden glasig. Als ihr Körper fiel, dachte sie noch, daß dies Mitternachtsmahl wohl eine noch schlechtere Idee gewesen war, als sie gedacht hatte. Dann verflüchtigte sich ihr Selbst aus dem Körper.
Plötzlich dröhnte eine Stimme hinter ihr: "NA, DEN MUND ZU VOLL GENOMMEN?"
Sie drehte sich um und erblickte jemanden, dessen Aussehen man nur mit 'Radikaldiät-Süchtiger' beschreiben konnte.
"Bin ich tot?" fragte sie.
"NEIN, TUT MIR LEID. DER KANNST DU NICHT SEIN. DAS IST mein NAME."
"Oh!"
Sie drehte sich um und erblickte eine Wüste, die verschwamm und einem riesigen Berg aus Teigwaren Platz machte.
Sie kannte den Ort, der dahinter lag, wenn auch nur aus Erzählungen. Ein Volk namens Schlaraffen sollte dort wohnen. Ihr Volk, von nun an für alle Zeit, denn jeder ging dorthin, wohin er gehören wollte.
"Na denn man los." sagte Camelia und band sich das metaphorische Eßlätzchen um.


-- Tag drei --


Im weichen Nebel des Verstandes, den ein Erwachender sein eigen nennt, erblickte Rib eine wunderschöne Frau, eine Gnomin von allerschönsten Ausmaßen.
"Rib?" flüsterte sie.
Dies war das Paradies, nicht, daß Rib es nicht schon immer gewußt hatte, aber hier und jetzt war es nicht nur eine Gewißheit, es war eine unumstößliche Tatsache. Rib kannte solche Träume und daher war er nicht überrascht, als das liebliche Gesicht sich langsam zu ihm vorbeugte. Die Frage war nur, sollte er die Traumgestalt küssen, oder gleich zu sich unter die Decke ziehen?
Langsam öffneten sich zärtlich die Lippen, Verheißung versprechend, ein Nektar, den Göttern gleich.
"Heute gibt es ein besonderes Bonbon. Wir untersuchen einen Mordfall. Können wir gleich mit der Arbeit beginnen oder brauchst du erst einen Kaffee? Was ist eigentlich mit deiner Nase passiert?"
Wie MUT-Geschosse jagten diese Worte durch seinen Kreislauf. Plötzlich wußte er wieder, wo er war und wer vor ihm stand. Das war Lady Rattenklein, nicht nur irgendeine hübsche Gnomin aus einem feuchten Traum! Wenn er sich richtig an das Abenteuer, was er mit ihr und einigen anderen erlebt hatte, als er den Basilikenkönig traf, erinnerte, war sie seine Vorgesetzte.[7] Er salutierte träge im Liegen.
Was tun, wie reagieren? Und wie aufstehen, ohne das der Kilt verriet, woran er gerade gedacht hatte?
"Bonbon...Nase... ja... KAFFEE! Ja, Ich brauche Kaffee, ganz viel davon. Kaffee, genau. Sicher, das brauch' ich. Würde es dir etwas ausmachen, welchen zu holen?"
"Natürlich nicht." sagte die Gnomin so sanft, daß es Ribs Situation nicht gerade einfacher machte.
Sobald sie aus dem Raum war, stand der Gefreite schnell auf und versuchte an etwas anderes zu denken.
"Ach was, Kaffee. Erstmal eine rauchen." Und mit diesen Worten ging er auf den Laborsumpfdrachen zu, der neben dem Schrank mit dem Destillierzubehör in einem kleinem, angerußtem Käfig untergebracht worden war.
Er holte den Drachen heraus, stellte ihn auf den Tisch und nahm eine Zigarre aus einem Beutel am Gürtel.
Doch schon hörte er die Schwingtür seitlich von sich öffnen. Rasch drehte er sich mit dem Rücken zum Eingang. Immerhin konnte er mit all den Tätowierungen nicht rot werden.
"Äh, Rib..." warf Ratti zögerlich ein, "Der Drache, er steht neben den Alkoholvorräten..."
"Danke." lehnte Rib geistesabwesend ab und kitzelte das Tier am Bauch, "Ich bin im Dienst."

Auf dem Haus nebenan zog Meister Frederich, ein Mitglied der Dachdeckergilde, gerade an einem Seil ein paar Holzlatten hoch, als ein Geräusch ihn aufblicken ließ. Es klang so ähnlich wie "Wuuuppp!" und war unterstützt von einem Gleißen, das aus einem Fenster des Wachhauses drang. Eine kurze Lichtflamme drang durch das Fenster, als etwas kleines, schuppiges durch das Fenster katapultiert wurde. Halb blind krallte er sich am Dachfirst fest und sah dem Sumpfdrachen nach, der den Bauch gen Himmel gerichtet, den Flammenzungen unfreiwillig entkam.
"Junge, Junge." dachte er bei sich. "Und ich hab immer gedacht, daß die Biester harmlos sind."

Mehrere Löschversuche und eine halbe Sanduhr später standen zwei ziemlich durchnäßte Gnome im Mittelpunkt des Geschehens.
"Du Idiot!" fauchte die Gnomenlady. "Kein Feuer im Labor! Nur wenn du weißt, was du tust!"
Rib nickte. Er hatte gewußt was er tat: Er benutzte einen alten, rheumakranken Drachen, um sich Feuer zu geben. Was sonst?
"Jetzt dürfen wir noch einmal zum Tatort, um eine neue Probe zu holen..." knurrte die Gnomin.
Val und Rogi, die beim Löschen geholfen hatten, blickten den beiden nach. Rib wirkte richtig geknickt, vielleicht sollten sie ihn heute nach dem Dienst noch mit in die Trommel nehmen...

Das Haus des Parazel lag friedlich im Sonnenschein. Kein einzelnes Lüftchen regte sich und nur der liebliche Duft der Stadt störte die friedvolle Kulisse. Der Duft ... und der Gnom GeN vor dem Haus, der dabei war, die Absicherungen zu entfernen.
"Hallo, Nomen" begrüßte Rib ihn, "Wie läufst?"
GeN, in der langen Form Gnomen est Nomen genannt, war ein Tatortsicher bei SUSI und derzeit damit beschäftigt auf einem Seil zu balancieren, das sein Kollege Eisenpelz aufgehangen hatte. In Trollhöhe wohlgemerkt, weswegen es mit GeNs Laune nicht zum Besten stand.
"Ach, verdammt. Muß er das denn immer machen? Wahrscheinlich will er nur zusehen, wie ich versuche, die Bänder wieder abzuhängen."
"Wir müssen noch mal hinein und Proben nehmen" erklärte die Lady mit einem bösen Blick in Richtung Rib. "Die Proben für heute sind verschmutzt worden."
"Was habt ihr bisher herausgefunden?" fragte Rib GeN um abzulenken.
"Es war wie immer, du kennst ja die anderen Fälle. Die Türen verschlossen, Fenster verriegelt. Durchs Dach kam niemand, sagt der Experte. Der patrouillierende Wächter holte ihn, sobald RUM eingetroffen war. Kommt, ich zeige euch den Tatort."
Die Wächter gingen durch die Eingangshalle und eine Treppe hinauf. Im Gegensatz zum Erdgeschoß, waren hier im zweiten Stock die Fußböden mit Teppich ausgelegt. Hier fehlte der sterile, weißliche Kalkbestrich der Wände und wurde statt dessen von einem warmen Braunton abgelöst.
"Da!" entfuhr es Rib. "Straßenmalerei!"
"Rib", verbesserte ihn GeN, "das sind die Markierungen von SUSI, wo die Leiche gelegen hat."
Der blaue Gnom als Schattenbewohner zuckte mit den Schultern. Gab es noch andere Formen von Straßenmalerei?
Beiläufig deutete Gnomen auf einen Aschehaufen, der mal eine Tischdecke gewesen war: "Er hat sein Markenzeichen hinterlassen. Was hat der Kerl gegen Tischdecken? Mußte er als Kind immer den Teller leeressen?"
Lady Rattenklein ging auf die Knie und nahm eine Probe: "Sonst noch was?"
"Ja, kommt mal mit auf den Dachboden. Wir haben diesmal wirklich Glück gehabt."

Die drei Gnome kletterten im Nachbarraum eine kleine Leiter nach oben. Rib hielt nach Staubspuren Ausschau, doch auch dieser Raum schien ordentlich gepflegt zu sein, obwohl er bis auf ein Dutzend kleine Fässer mit Symbolen darauf leer zu sein schien.
"Wäre das Feuer hier hinauf gewandert, hätten wir ein ernsthaftes Problem bekommen."
Rib streifte etwas Dreck ab, der auf und um die Fässer herum versteut war.
"Was soll an Moos so schlimm sein?"
"Moos?" schüttelte die Laborantin den Kopf, weil sie die Beschriftung gelesen hatte. "Schnupper mal an dem Zapfhahn an dem Faß da drüben. Das ist 1a Potzblitzsoße. Wäre das mit dem Feuer in Berührung gekommen, sähe Ankh-Morpork wie dein Labor aus."
Damit verfinsterte sich das Gesicht der Lady wieder. Die meiste Zeit des Tages würden sie damit verbringen, daß Labor wieder sauber zu machen. Immerhin würde es ihnen nicht an Vergleichsproben zur Asche mangeln.
"Ja, ja, ich weiß. Mein Labor. GeN, War das alles?" lenkte Rib ab. Um Potzblitzsoße würde er sich später kümmern, daß hörte sich irgendwie interessant an.
"Denke schon. Halt, wir haben noch etwas Blut an einer Glasscheibe gefunden. Jack hält es für das Blut des Täters und behauptet, es sei wahrscheinlich menschlich."
"Dann laß uns gehen." knurrte Ratti. "Auf Rib wartet der Wischmop!"

Als Lady Rattenklein das Labor am Abend verließ, war Rib Kopf nicht nur am schmerzen, er dröhnte geradezu.
Eine furchtbare Laune hatte die Laborantin gehabt. Und irgend etwas stimmte nicht. Manchmal hat man so etwas im Gefühl. Im Urin, wie die Leute immer zu sagen pflegen, die fetthaltige Speisen lieben. Doch auch ohne Sodbrennen hatte Rib eine Idee.
Eigentlich war es eindeutig, wer es wie gewesen sein mußte, wenn keine Magie im Spiel gewesen war. Und das hätten er und die Lady spüren müssen, schließlich waren sie beide magische Wesen. Alle notwendigen Hinweise waren da. [7a] Man mußte nur noch die einzelnen Stücke des Puzzles zusammensetzen.
Rib bekam langsam eine Vorstellung, was passiert war. Jetzt mußte er es nur noch beweisen.
Doch nun ging es erstmal zur Trommel. Die Arbeit konnte noch einen Tag warten. Val und Rogi hatten ihm ausrichten lassen, daß sie dort auf ihn warteten. Eine Art hömopathisches Trostpflaster, sozusagen.
Gut, es gab Hinweise zu überprüfen. Humph hatte ihm einen Rekruten zur Seite gestellt, der für ihn Hinweise in den Akten lesen würde. Und das hatte der Ausbilder getan, obwohl Rib den Grund nicht nennen wollte und eigentlich nichts mit dem Fall zu tun hatte. Entweder besaß er immer noch einen Vertrauensbonus, oder die Wache wurde langsam verzweifelt, was diese Einbrüche anging. [9]

Tief in der Nacht kam er erschöpfte, aber zufriedene GiGa-in-Ausbildung vor dem Tempel-der-hoffnungslosen-Götter an. Es hatte an diesem Abend noch einen anderen Fall gegeben. Mit Mord und Erpressung. Rib durfte sogar die neue Chemikalie an einer ganzen Tavernenschlägerei testen. Doch, so langsam machte der Beruf Spaß.
Da lautes Rufen in den Schatten als natürliche Todesursache galt, benutzte er einen Stein, den er auf das Dach der verwitterten Vogelhäuschens warf, um sich bemerkbar zu machen.
Nach kurzer Zeit schaute Eins, sein Ältester, kurz heraus und ließ dann die Strickleiter herunter.
"Dankschön." begrüßte Rib ihn vorsichtig, und zog die Leiter wider hoch. Zwischen ihm und seinem Ältesten war es in letzter Zeit öfter zu Schwierigkeiten gekommen, als der Wächter feststellen mußte, daß sein Adoptivsohn sich in letzter Zeit mit seltsamen Freunden herumtrieb.
Eins ließ sich immer weniger Zuhause blicken, was Zwei dazu zwang, allein auf Drei bis Acht aufzupassen. So konnte es nicht weitergehen. Zudem trieb er sich ab und zu im Fuchsbau herum, und DAS konnte auf keinen Fall geduldet werden. Kein anständiger Gnom oder Kobold trieb sich da herum. Diese Kneipe war eindeutig etwas für Personen, die keine Ehre kannten. Dort wurde jede Art von Verbrechen geplant.
Gegen Saufen, Kämpfen und Stehlen war grundsätzlich erst einmal nicht einzuwenden, fand der Wächter. Dafür war man ja hier im Leben nach dem Tod.
Aber man stahl nicht von Leuten, die selber nichts zu beißen besaßen außer einem alten Lederschuh, den sie aus einer Mülltonne herausgestohlen hatten. Das genau war ja der Grund des Clans MacLaut gewesen, die Elfenherrin verlassen zu wollen...
Auch jene, die mehr hatten, waren kein lohnendes Ziel. Es machte einfach keinen Spaß, etwas mitzunehmen, wenn der Besitzer am nächsten Tag vor der eigenen Haustür stand und keine Genugtuung, sondern eine Quittung haben wollte. Was das anging, war diese Stadt echt ein Desaster.
Rib war der festen Überzeugung, daß jemand seiner Größe sich hier in Ankh-Morpork also auf die anderen beiden Aspekte konzentrieren sollte. Entweder das, oder man wurde wahnsinnig.
Gerade die Wache bot einem für beide Auswege gleichzeitig hervorragende Möglichkeiten. Tag für Tag lernte man neue, interessante Personen kennen, die einem talentierten Wächter den Schädel einschlagen wollten.
Genau das Richtige für einen Gnom also.
Das Eins nun so auf die schiefe Bahn geriet, dafür gab Rib sich selbst die Schuld. Während der Rekrutenzeit mußte er im Wachhaus übernachten und kam einfach nicht dazu, sich um den Sprößling zu kümmern.
"Jo, sach mal, is Mama zu Haus?"
"Det is nich' deene Mama. Hast dich einjeschliche bee us, so sietz aus. Watt is eegendlich midde deen Nas' passiert?"
"Darübe will ich nich' spreche. Ains, wir wolle doch nich' streete, oder? Wir hammse beide jerne, un sie leidet da so drunne."
"Worunne?" klang es glockenhell aus dem Nebenraum, dem einzigen zweiten Raum (und Küche) der für die zehn Personen zu Verfügung stand. La'ra kam herein in ihrer ganzen Pracht. Die Haare rotgefärbt, zierten sie am ganzen Körper nach der Heirat ähnliche Muster wie ihr Mann. Es stand ihr und gefiel den Kunden, denn es war exotisch. Und in diesem kurzem, rotem Rock und dem dazu passenden Oberteil sah sie einfach umwerfend aus, fand ihr Ehemann.
"Ach nischt, Schatz" bemerkte Rib, während er aus dem Augenwinkeln sah, daß sein Ältester aus der Luke sprang. "Nu, wie war deen Tach?"
"Och, des Üblische. Watt willste schon sagen, bei de Jopp?"
Rib strahlte seine Frau La'ra an und überreichte ihr seine während der Rekrutenzeit gesammelten Soldmünzen. Wenn das so weiter ging, müßte sie bald nicht mehr mit Nadel und Faden sich bei Frau Palm abmühen. Er küßte sie auf die Wange.
"Fesch. Sieht jut aus. Sach' mal, würdste mir bei 'nem Falle helfen?"
"Sischer. Watt soll ich tun?"
"Kennste en reechen Bonzen, der eene Nacht inne Urlaub fährt?"
Lara schaute Rib prüfend an. Nein, immer noch kein Mißtrauen, entschied sie.
"Worum?"
"Ich brauch' een Köder für ne Eenbrecher. Nen Hus als freewillije Köder. Mensch vonne Hö', wennet jet."
Lara ging im Kopf die Kundschaft ihrer Kolleginnen durch.
"Läßt sisch mache. Klar."
"Chutt, dann erklär' ich dir mal, wasse ihm zu saje hascht. Aber vorher... woll'n wir nich'?" Rib zeigte auf Ehebett.
"Nich' heut, Schatz. De Migräne, weist?"


-- Tag vier --


Rib hatte den ganzen Tag über unter der Aufsicht von Lady Rattenklein geschuftet. Mal eine Analyse hiervon, mal eine Tinktur herstellen davon. Irgendwie war das ganz witzig. Nur das Pulver Nummer eins konnte die Lady ihm nicht verraten. Vielleicht wollte sie auch nicht.
Mehrmals war unvermutet Veni aufgetaucht, angeblich zufällig, doch er wurde den Verdacht nicht los, kontrolliert zu werden. Wenn er nur wüßte, womit er sie so beim Einstellungsgespräch verärgert hatte. Und warum er trotzdem genommen wurde.
Gegen Mittag war La'ra vorbeigekommen und hatte ihm die Adresse eines Anwaltes genannt, und seitdem hockte er auf glühenden Kohlen.

Als die Nacht hereinbrach, ließ eine Hand ein Seil los. Die vermummte Gestalt blickte sich im Raum umher. Dies war das letzte Mal. Jetzt ging es nur noch um etwas Bargeld, um die Stadt zu verlassen.
'Diese dumme Ziege.' dachte der Vermummte bei sich. 'was hatte sie dort zu suchen? Das Haus hätte leer sein müssen.
Nun war das Pflaster der Stadt zu heiß geworden. Ein letzter Raub und dann verschwinden, solange man noch spurlos war. Langsam schob die Hand einen Bilderrahmen zu Seite. In dem Eisenschränkchen dahinter sollten sich die Münzen befinden. Die ausgestreckte Hand zitterte. Überhaupt, schien der Einschnitt nicht ein klein wenig entzündet?
'Verdammt, jetzt bloß nicht durchdrehen. Das war ein Unfall gewesen. Zieh das jetzt durch, und dann kannst du den Rest deines Lebens dich bedienen lassen. Vielleicht in Al Khali sich einen Harem zulegen, oder so.'
Seitdem er von den 'Blumen des Orients' gehört hatte, träumte er von so einem klatschianischen Garten. Er hätte Gärtner werden sollen, fand er. Selbst der Name für Garten 'Harem' hatte normalerweise eine beruhigende Wirkung auf ihn.
Doch die Hand hörte nicht auf zu zittern. Der unlizensierte Dieb spürte, wie ihm langsam die Nerven zu Drahtseilen verhärteten. Dabei war er sonst doch stolz auf seine Selbstbeherrschung gewesen.
Mit Müh und Not bekam er das Schänkchen auf, nahm den Kasten heraus. Ein Blick in das Innere ließ in frohlocken. Goldmünzen. Echte Goldmünzen, nicht das verschnittene Zeug was hier in der Stadt im Handel war. Der Besitzer des Hauses hatte es von jemanden bekommen, der als Berufsbezeichnung 'Tourist' angab, was immer das sein mochte.
Beim dritten Anlauf fanden seine Finger den Beutel, ließen die güldene Verheißung verschwinden.
Nun war es an der Zeit zu gehen. Er hinkte eh hinter seinem Zeitplan hinterher, denn schon bald würde der Wächter zur vollen Stunde rufen.
Er legte die Tischdecke auf den Teppich und legte neben gefundenen Büchern noch etwas Zunder dazu. Immerhin, schlechte Nerven schienen beim Feuerstein schlagen zu helfen. Seine Hände zitterten so, daß fast schon mehr Funken sprühten, als er brauchte. Dabei wurden sie allerdings ganz feucht von dem Film, den die Innenflächen absonderten.
Ein paar gezielte Atemhauche und das Feuer brannte. Schatten wurden an die Wand geworfen. Schatten, entsetzlich verzerrt, sie schienen den Kerkerdimensionen selbst entsprungen zu sein. Der Dieb hörte sie schon kommen, schleimige Dinger, tentakelbehaftet, auf der Suche nach ihm.
Schnell griff er das Seil und kletterte empor. Schon war das Loch in greifbarer Nähe, als ein kleiner blauer Kopf erschien, monströs und brutal. Lippen teilten sich, legten den Weg auf Zähne frei.
"BUH!" machte das Monster und schnitt das Seil durch, doch der Kletterer bekam das kaum noch mit. Eine gnädige Ohnmacht umhüllte ihn, selbst seinen eigenen Aufschlag verbergend.

Rib sprang neben den Besinnungslosen, nahm eine bereitstehende Blumenvase und löschte das Feuer. Das war, im wahrsten Sinne des Wortes, GiGantisch gewesen. Er liebte den Saft der Zitterpalme. [10] Man konnte ihn zum Beispiel auf Bilderrahmen schmieren, um Einbrecher zu fangen. Das half einem, Verbrechern den Weg abzuschneiden.
'So' ,dachte er bei sich selbst, einen Kinderreim zitierend, den seine Kelda ihm immer vorgesungen hatte, 'dieses war der erste Streich, doch ein zweiter folgt sogleich. Ich muß nur warten können.'
Wie auf Stichwort erklang draußen die Stimme eines einsamen Wächters, der die Zeit ankündigte.
"DRRREII UUUHHHR UNNND ALLLEEES ISSST GUUUT!!!"
Der GiGa zückte eine Flasche, in der sich ein gelber Saft, wie mit eigenem Leben zu bewegen schien: Es hieß 'Biedermann' und war ein einfaches, schlichtes Schlafgift. Geübt öffnete er ein Fenster einen Spaltbreit und warf die Flasche, sobald der Schreihals ins Reichweite war.
"Allet jut?" murmelte er. "Jeze schon."


-- Tag fünf --


Früh morgens wurde der GiGa zum Kommandeur bestellt.
Salutierend stellte er sich vor dem Vorgesetzen hin.
"Ah, Rib." meinte Rince. "Wie ich hörte, hast du Verdächtige festgenommen."
"Ja, SIR! Auf frischer Tat, SIR!"
Der Gnom knallte die Hacken zusammen.
"Warum hast du sie bis ins Wachhaus geschleift?"
"Konnte sie dort nicht liegenlassen, SIR!"
"Aber warum geschleift, an den Füßen, festhaltend?"
"Größenproblem, SIR! Als Troll hätte ich sie auf die Schulter genommen."
"Aber mit dem Gesicht nach unten?"
Rib zuckte mit den Schultern. Über die Feinheiten hatte er zu dem Zeitpunkt nicht nachgedacht, nachdem er bestürzt festgestellt hatte, daß keine Nägel zu Verfügung standen.
"Hmm, lassen wir das fürs erste beiseite. Wie kam es zu dieser Verhaftung, Gefreiter?"
"Ich streute an den richtigen Stellen Gerüchte aus, SIR! Beim Rekruten, Sir."
So einfach war es nicht gewesen. Es hatte eine lange Zeit gebraucht, bis Rib verstanden hatte, wie das Verbrechen vonstatten ging. Dann war es recht einfach gewesen, eine Falle aufzustellen.
Besitzer gaben dem Wächter, Rekrut Neblosa, kleine Gefälligkeiten, damit diese Wächter einige Wertgegenstände besonders beschützten. Neblosa leitete die Information weiter an den Dachdecker Frederich, der dann einbrach. Neblosa warnte ihn dann, wenn er mit seinem Kollegen um die Ecke kam und sorgte für einen Zeitvorsprung, indem er zum Beispiel Schnürsenkel neu band. Das Feuer wurde dann gelegt, um Neblosa einen Grund zu geben, den Einbruch zu entdecken und einen 'neutralen' Handwerker zu holen, der mit seiner Expertenmeinung SUSI davon abhielt, die Einstiegsmethode über das Dach aufzudecken.
Sonst hätte man zu schnell einen Dachdecker im Verdacht gehabt.
Nur eins hatte Sie verraten: Das Moos an den Fässern auf dem Dachboden des Arztes Parazel. Damit Moos in dieser Menge auf den Dachboden gelangte, mußte das Dach entweder über Jahre stark lecken oder jemand hatte Dachziegel verschoben.
Rib mußte es wissen. Oft genug hatte er das Grünzeug geerntet, wenn er nicht mal Fleisch zweifelhafter Herkunft aufzutreiben konnte. Eine dürftige Kost, aber besser als gar nichts. Und ein hungriger Magen lernte nicht zu fragen. Parazels Dachboden war mehr als gepflegt gewesen, also hatte der Dachdecker gelogen.
Doch wie hatte der Dachdecker jedesmal gewußt wo Beute ungeschützt gewesen war
Wer hatte ihn jedesmal geholt? Der anwesende Rekrut, denn wer sonst übernahm die unbequemen Laufarbeiten?
Diese Information hatte Neblosa mit seinem Einbruch ins Archiv [11] in der Kröselstraße vorgestern nacht vernichten wollen. Jedesmal den Fund zu machen, war recht auffällig gewesen.
Doch um das dem Kommandanten erzählen zu können, würde Rib die Hilfe von Bregs benötigen. Die wußte am besten, wie man so etwas formulierte, ohne gleich mit IA, der Wache über die Wächter, in Konflikt zu geraten.
"SIR! ALLES WEITERE IN MEINEM BERICHT; SIR! Wenn Sie nichts dagegen haben, SIR! Ich bin zum Umfallen müde, SIR."
"In Ordnung, weggetreten. Spätestens morgen mittag ist der Bericht da, verstanden? Ach übrigens, tolle Nase. Rogi ist, habe ich gehört, ganz stolz auf ihr Werk. Und das kann sie auch sein, wie ich das sehe."
Rib salutierte noch einmal und ging mißmutig nach draußen. Er hatte nun noch einen Schmied zu besuchen.

Salutierend stand der Gefreite im Eingang der Schmiede.
"Möchte mein Messer abholen."
"Ach", brummelte Rasmus, wieder schwitzend über seinen Amboß gebeugt. "der nervende kleine Gnom wieder. Da auf dem Tisch liegt das Messer. Da ich nicht wußte, ob du zählen kannst, hab ich eine Zählleiste daneben gelegt.
Leg soviel Dollar hin, wie das Holzstück Kerben hat und verschwinde dann."
Diesmal arbeitete der Zwerg wohl an einer Art kleiner Zweihandaxt, schwer und eher zur Zierde gedacht.
Rib zählte die Kerben und legte das Geld daneben. Er nahm das Wurfmesser und schickte sich an, wieder hinaus zu gehen. Auf der Türschwelle drehte sich der Gnom noch einmal um: "Danke, ich wollte ihnen nur sagen, wieviel mir dieses Messer bedeu..."
"RAUS" brüllte der Zwerg und knallte die Tür zu. Er hörte etwas knirschen und vernahm den Schmerzenslaut des Gnoms, der nur kurz unterbrochen wurde, als Rib sein Gesicht abtastete. Rasmus Steinhammer würde wohl nie verstehen, warum der blaue Kobold plötzlich zu jubeln anfing...

[1] Nie wieder würde sie dafür einen Jutesack in Streifen schneiden. Jute kratzt unglaublich.

[2]  Der Name ist dem Buch "Der Zeitdieb" entnommen.

[3] siehe Single "Faules Spiel"

[4]  Siehe LM "Humph, der Lump"

[5]  Hierbei ausgenommen sind die Schlafphasen von Menschenaffen und Personen mit einer mächtigen Zauberformel im Kopf

[6]  Es war das erste Mal, daß Eca dabei zusehen mußte, wie ein Gnom versuchte, sich in den Postrohren vor Zitaten zu verstecken. Immerhin hatte sie nur eine relativ geringe Dosis Gas benötigt, um ihn da hinaus zu treiben.

[7]  Siehe die Live "Der Basiliskenkönig (TEIL1)"

[7a]  Was für den Leser bedeutet, daß er nun raten kann.

[9]  Die Ereignisse dort sind in der Live "Ein Schatz mit Nummer" nachzulesen. Sie sind ein nicht notwendiger, aber ergänzender Teil zu dieser Geschichte und finden in der Auflösung Berücksichtigung.

[10] Die Zitterpalme ist eine von vielen intelligenten Gewächsen der Scheibenwelt. Sie besitzt ein Kollektivgedächnis und kann unglücklicherweise sogar lesen. Seitdem sie in dem Buch [12] eines rastenden Botanikers erfahren hatte, daß sie zu einer aussterbenden Art gehört, ist sie so stark mit Angst erfüllt, daß dies in Tränken nutzbar gemacht werden kann.

[11] Live "Ein Schatz mit Nummer"

[12]  Sie hatte sich in der Zeile vertan.

Zählt als Patch-Mission.



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