Entführung oder Verführung?

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von Gefreite Hatscha al Nasa (DOG)
Online seit 12. 03. 2002
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 Außerdem kommt vor: Mückensturm

Die Näherinnen sind plötzlich spurlos verschwunden und keiner weiß, wieso und wohin.

Dafür vergebene Note: 10

Eine einsame Gestalt war auf dem Weg zum Viertel käuflicher Zuneigung. Näher betrachtet stellt sich heraus, dass es sich bei der Gestalt um Hatscha al Nasa, Wächterin der Ankh-Morpork-Stadtwache, handelte.
HALT! Hatscha auf dem Weg zu diesem Viertel? Muss sie denn nicht zum Wachhaus, welches ganz woanders liegt? Was will sie hier?
Darüber machte Hatscha sich keine Gedanken. Sie ging weiter ungehindert ihres Weges. Vor einem Haus im Viertel käuflicher Zuneigung blieb sie stehen. Über der Tür stand "Boucherie Rouge". Hatscha zögerte, dann trat sie ein. Sie fand sich im Empfangsbereich wieder, von dem einige Türen abzweigten. Viele Einrichtungen gab es in hier nicht; die Bewohner der Boucherie Rouge, also die Näherinnen, verbrachten die meiste Zeit wohl in ihren Zimmern. Aus den Zimmern konnte sie hin und wieder ein leises Stöhnen oder das Knarren von Bettfedern hören.
Hatscha sah eine Treppe und stieg sie hinauf. Ein Gang bot sich ihr da, mit etwa genauso vielen Türen wie der Empfangsbereich. Hatscha wusste, hier war die Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten (kurz D.O.G.) untergebracht. Deshalb wollte sie also in dieses Viertel.
Gleich bei der Treppe war ein Büro mit der Aufschrift "fohn Mückensturm, Apteilunksleither". Hatscha klopfte an die Tür. Keine Antwort. Sie wartete noch ein wenig, bevor sie eintrat, um der Person im Raum noch eine Chance zum Antworten zu geben. Nachdem sie ihre Geduld lange genug auf die Probe gestellt hatte, trat sie dann doch ein.
An einem Ende stand ein Schreibtisch, an dem eine Person zu schlafen schien, es handelte sich um Fähnrich Mückensturm. Hatscha blieb in der Tür stehen und wartete. Langsam verlagerte sie das Gewicht von einem Bein auf das andere. Plötzlich schnellte Mückes Kopf hoch. "Ja? Was willst du?", fragte er, bereits hellwach und plötzlich mit einer Armbrust in der Hand, die auf den Neuankömmling zielte, was Hatscha etwas erstaunte.
"Ähm, ich bin Gefreite Hatscha al Nasa", sagte sie und salutierte.
"Ah, ja, ich erinnere mich. Nun, willkommen bei D.O.G. erst einmal", erwiderte Mücke und machte es sich wieder auf dem Schreibtisch bequem. Hatscha musterte den Fähnrich verwirrt. Fast genauso schnell wie zuvor hob dieser wieder seinen Kopf. "Komm mit, ich weise dich mal in die Abteilung ein." Er sprang auf, packte die Waffe weg und verließ das Zimmer, gefolgt von einer nachdenklichen Hatscha.
"Also, hier sind die Büros deiner Kollegen", meinte Mückensturm mit einer Geste auf die Türen. Er führte die Gefreite ans Ende des Ganges und eine Treppe hinauf. "Und hier sind noch mehr Büros, auch einige freie. Du darfst dir eins aussuchen, das wird dann dein Büro."
Er machte Hatscha noch mit den anderen Räumlichkeiten der Boucherie Rouge bekannt, was sie zu einer Frage veranlasste. "Bist du gerne hier untergebracht?" Hatscha sah ihn an, ohne das Gesicht zu verziehen.
Mücke blickte sie von der Seite an und versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, wie sie das meinte, konnte es aber nicht. "Wie meinst du das?", fragte er stattdessen, Hatscha ein wenig skeptisch anschauend.
"Oh, ähm, nichts, war nur so ein Gedanke...", erwiderte Hatscha etwas verlegen und grinste. Der Fähnrich zuckte mit den Schultern und führte sie dann wieder in sein Büro, wo er ihr noch ein paar Einzelheiten erklärte. Als alle (Un-)Klarheiten beseitigt waren, entließ er sie.

In der Zeit, in der die beiden in Mückes Büro waren, kam eine Gruppe Männer in das Haus, sie blieb allerdings im Erdgeschoss. Die Männer waren alle bewaffnet. Sie brachen die Türen zu den Zimmern der Näherinnen auf und zwangen diese, ihre Betten zu verlassen und mit ihnen mitzukommen.
Die Männer führten sie mit drohenden Waffen aus dem Haus und durch ein paar Straßen Ankh-Morporks in ein Haus, es war recht groß und geräumig, also genug Platz für alle. Dort befanden sich bereits schon einige andere Näherinnen.
Die Chance, die sich ergab, als die neue Gruppe der Gilde zu den anderen geführt wurden und einiges an Verwirrung stiftete, nutzte eine der Frauen und entkam den Männern, jedoch nicht ungesehen. Kurz nachdem sie das Haus wieder verlassen hatte, nahm einer die Verfolgung auf, verlor sie aber schon bald aus den Augen.

Hatscha ging wieder ins Erdgeschoss hinab und blieb nachdenklich am Treppenende stehen, lehnte sich an den Pfosten an. Seltsames Gebäude, dachte sie. Die Zimmer, alle in einer anderen Farbe gestrichen. Und sie hatten alle einen äußerst merkwürdigen Namen. Mal ganz davon abgesehen, wo sich diese Abteilung der Wache befand. Sie schloss die Augen, um besser über die Ereignisse dieses Tages nachdenken zu können.

Ein Mann kam die Straße hoch. "Verflucht noch mal, wie konnte sie entkommen? Na warte, dass wird sie mir büßen!", fluchte er leise und betrat die Boucherie Rouge. Er sah sofort eine Frau an der Treppe lehnen, sie schien zu schlafen. Allerdings stand sie ziemlich einladend da. Was ihn an ihr wunderte, war, dass sie nicht die übliche Kleidung der Näherinnen trug. Er zuckte mit den Schultern und näherte sich Hatscha, um nach ihrem Arm zu greifen. Als sie nicht aufwachte, trug er sie behutsam in eines der Zimmer. Dort legte er sie vorsichtig auf das Bett und machte sich an ihrer Kleidung zu schaffen.

"HAAAATSCHIIEE!!!" Hatscha erwachte und fand sich in einem Bett liegend vor. Nun, wenn sie im Allgemeinen aufwachte, war das tatsächlich meistens der Fall, allerdings beugte sich normalerweise kein Mann über sie.
Die Wucht des Nieserers warf den Mann, der in diesem Moment Hatscha gerade das Oberteil ausziehen wollte, zu Boden, weil sich die Wächterin dabei aufrichtete und ihn dadurch von sich wegstieß.
Zum ersten Mal in ihrem Leben war Hatscha froh über ihren Schnupfen, denn er hatte sie aus ihren Gedanken geweckt. Wer weiß, was passiert wäre, wenn...
Erschrocken machte sie erst einmal einen Satz rückwärts in dem Bett. Dann stand sie auf und sah auf den Mann, der sich am Boden zusammenkrümmte (während des Nieserers traf Hatschas Knie auch noch zufällig in seine edlen Teile), hinab. "WAS SOLL DAS?" Sie zog ihn zurück auf die Beine, so dass er vor ihr stand und sie ihn bestens anschreien konnte.
"Das fragst DU? Du bist doch hier die Nähe...", erwiderte der Mann mit schmerzverzerrter Stimme.
"Nein, ich bin keine Näherin!"
"Was machst du dann hier? So, wie du da draußen rumstandst, sahst du ganz wie eine aus."
"HAAAATSCHIIIEEE!!!", nieste Hatscha einmal mehr. Diesmal wurde der Mann davon umgestoßen, er versuchte sich an Hatschas Kleidung festzuhalten, diese (die Kleidung, nicht Hatscha) jedoch konnte das Gewicht nicht halten und zerriss. Er stürzte also abermals zu Boden und diesmal ließ die Wächterin ihn liegen.
"Aber das ist noch lang kein Grund, mich ungefragt in eines dieser Zimmer zu bringen!" Hatscha war mittlerweile dunkelrot angelaufen.
"Nun, du hast aber auch nichts dagegen eingewendet", gab er zu bedenken.
"Ja, weil ich geistig nicht anwesend war, um das zu tun, sonst hätte ich es getan!" Hatscha verließ das Zimmer.
Draußen hatte sich bereits ein mehr oder weniger großes Publikum aus DOGs eingefunden, die alle zwanghaft versuchten, ein Grinsen zu unterdrücken. Den wenigsten gelang es wirklich. Als sie Hatscha sahen, gab auch der Rest auf.
"Was starrt ihr mich so an?", fragte sie und schaute ihre Kollegen fragend an.
"Ähm, wie wäre es, wenn du dir erst einmal was neues zum Anziehen zulegst?", schlug Valeriaa vorsichtig vor. Die Gefreite blickte an sich herab. Ihre Kleidung, oder besser gesagt, die paar Fetzen, die noch davon übrig waren, bedeckten im Grunde genommen gar nichts. Schnell drehte sie sich um und verschwand.
Kurz darauf verließ eine stöhnende Gestalt das Zimmer. "WO IST DIESES MISTSTÜCK HIN?", schrie der Mann und sah die Wächter bitterböse an. Diese zuckten nur mit den Schultern. Wutentbrannt stürmte er aus dem Gebäude.
Kaum war er weg, schon kam Hatscha auch schon wieder zum Vorschein. Sie trug etwas, das man vielleicht als Zivilkleidung bezeichnen könnte, wenn man kein anderes Wort dafür findet. Das ist hier der Fall und somit nenne ich es einfach einmal Zivilkleidung.
"Ah, da bist du ja wieder", bemerkte Valeriaa und betrachtete sie mit skeptischen Blick.
"Kannte jemand von euch den Mann? Ich würde ihn zu gern...", sagte Hatscha drohend und ballte sichtbar die Fäuste. Die anderen schüttelten nur die Köpfe.
"Wir dachten, du kennst ihn vielleicht, wo du schon allein mit ihm in einem Zimmer hier warst...", meinte Vinni.
"Nun, nein, er war mir bis eben völlig unbekannt und mir wäre es lieber, wenn er's immer noch wäre. Was hatte der hier überhaupt zu suchen?"
"Ähm, Näherinnen?", schlug Valeriaa vorsichtig vor.
"Hm, klingt gut. Aber wo sind die?"
"Gute Frage. Ich hab schon seit ein paar Stunden keine mehr gesehen oder gehört..." Die DOGs sahen sich fragend an.
"Wurden sie möglicherweise entführt?", fragte Vinni.
"Wer entführt eine ganze Gilde?"
"Nun, wohlgemerkt, es handelt sich um Näherinnen, Val", gab Ikari zu bedenken. Ihn interessierten die Näherinnen ja nicht, aber er versuchte zu helfen, so gut es ging.
"Okay, aber wer könnte sie entführt haben?" Alle schauten ahnungslos zu Boden.
"Der Mann von eben, er ging ziemlich zielsicher in eines der Zimmer und, soweit ich weiß, sind diese Zimmer aber so gut wie immer belegt. Woher wusste er eigentlich, dass sie heute frei waren?", fragte Hatscha.
"Gute Frage... Am besten, du machst dich auf die Suche nach ihm."
Hatscha sah Mücke erschrocken an. "Er wird mich umbringen!"
"Du wirst es schon überleben. Und zur Not trete einfach zu, möglichst tief, das kannst du ja ziemlich gut", fügte der Abteilungsleiter spöttisch hinzu. Die Gefreite sah ihn säuerlich an und wollte ihm gerade widersprechen, als er fortfuhr. "Wenn du willst, kannst du auch den ganzen Fall alleine machen."
"Was? Wie soll ich das alles alleine schaffen? Den Mann suchen, die Näherinnen finden... Das schaff ich nie!"
"Nun, möglicherweise findest du den Mann zusammen mit den Näherinnen... Ist eigentlich Frau Palm auch weg?"
"Nun, ich denke schon... Man bekommt sie zwar eh nur selten zu Gesicht, aber wenn sie noch da wäre, hätte sie sich bestimmt schon beschwert, dass ihre Damen weg sind", erwiderte Val.
"Na wundervoll. Und wie soll ich herausfinden, wo sie jetzt sind? Es gibt doch keinerlei Anhaltspunkte", meinte Hatscha ahnungslos.
"Nun...", begann Mückensturm, um ihr einen wirklich nichtssagenden Rat zu geben, zu dem es allerdings nicht kam, weil Mücke plötzlich von einer Tür, die hektisch aufgerissen wurde, unterbrochen wurde.
Eine ziemlich spärlich bekleidete Frau betrat keuchend das Haus und blieb vor den versammelten Wächtern stehen. Sie war unverkennbar eine Näherin. "Seid ihr von der keuch Wache?", brachte sie hervor und sank auf die Knie.
"Ja, wir sind Wächter. Was gibt's?", antwortete der Abteilungsleiter erleichtert, denn er hätte nicht gewusst, was er Hatscha hätte erwidern sollen. So blieb ihm das aber erspart.
"Nun, alle Näherinnen inklusive Frau Palm wurden entführt", erklärte die Näherin immer noch nach Luft schnappend. "Ich konnte gerade noch entkommen, fragt mich nicht, wie, es ist mir selbst noch ein Rätsel."
"Und von wem wurdet ihr entführt?"
"Es waren mehrere Personen, aber alles Männer. Ich kannte keinen davon. Sie brachten uns in den Keller eines Hauses, wo sie uns einsperrten."
"Na also, Hatscha, da hast du jetzt deinen Anhaltspunkt. Ich hoffe, das hilft dir?", meinte Mücke und schaute die Gefreite an. Diese schaute ein wenig böse zurück. Sie hatte gehofft, dass ihr dieser Fall dann doch erspart bliebe.
"Na gut, ich werde mich drum kümmern", sagte sie mürrisch.
"So ist's richtig, du hättest den Fall so oder so machen müssen... aber jetzt machst du's ja eh", erwiderte Mücke.
Ein wenig verärgert grummelte Hatscha vor sich hin. Dann wandte sie sich an die Näherin. "Ich bin gerade erst in die Abteilung gekommen, hatte daher noch keine Zeit, mich mit dem Zeug, das ich brauchen werde, einzudecken. Kannst du mir irgendwas leihen, mit dem ich mich als Näherin verkleiden kann?"
Valeriaa grinste. "Eben hast du doch noch lautstark abgestritten, dass du eine Näherin bist", meinte sie und fing sich einen bösen Blick von Hatscha ein. Dann meldete sich Steingesicht zu Wort.
"Ich hätte da sicher was, in meinem Lager..."
"Wirklich? Kleidung für eine Näherin?" die Gefreite sah den Geist hoffnungsvoll an.
"Nunja, sofern man bei dem Zeug, was die Näherinnen tragen, noch von Kleidung reden kann, ja. Ich meine, die haben ja eh fast nichts an, was man als Kleidung bezeichnen könnte... Aber davon müsste ich schon etwas auf Lager haben. Komm mit und such dir was aus." Er verschwand und Hatscha und die Näherin - Die Wächterin erhoffte sich von ihr ein paar Tipps, was sie am besten anziehen sollte - versuchten ihm hinterherzukommen.

Wenig später und ein paar Nerven weniger kamen die beiden Frauen dann wieder zum Vorschein, beide spärlich bekleidet, wie es sich für Näherinnen eben gehört. Nur Hatscha murmelte etwas vor sich hin, von wegen nervender Geister.
"Gut, so könnt ihr gehen. Viel Glück", sagte Mücke nach einer ausführlichen Musterung und nickte den beiden zu. Dann wandte er sich an die anderen. "Und ihr macht euch besser wieder an eure Arbeit, ihr werdet hier nicht mehr gebraucht."
Während Hatscha und die Näherin das Haus verließen, machten sich die anderen auf den Weg in ihre Büros.

Währenddessen war der Mann (ihr wisst schon, welchen ich meine, der, der mit Hatscha schlechte Bekanntschaft gemacht hatte) zurück auf dem Weg zur Boucherie Rouge. Er suchte immer noch die Entflohene und seine Suche ließ ihn nochmals bei den Näherinnen, denn die Gesuchte war eine, nachschauen.
Plötzlich kamen ihm zwei Gestalten entgegen, beide gekleidet wie Näherinnen. Er trat schnell, bevor sie ihn sehen konnten, in ein Versteck und holte eine Armbrust hervor, die er sogleich spannte.

"Halt, stehen bleiben!", schrie eine Stimme aus den Schatten am Rande der Straße. Hatscha und die Näherin zuckten zusammen und blieben bewegungslos stehen. Vorsichtig sah die verkleidete Wächterin sich um und sah einen Mann mit einer gespannten Armbrust auf sich zukommen. Als er nah genug heran war, erkannte sie ihn als den Mann, den sie unfreiwillig vorher kennengelernt hatte. Sie ballte die Hände zu Fäusten. "Das ist einer von ihnen, denk ich mal", flüsterte sie ihrer Begleiterin zu.
"Na, wen haben wir denn da? Du bist mir doch vorhin entwischt, nicht wahr?", sagte er zu der wirklichen Näherin und sah dann Hatscha an. "Dich kenn ich nicht, aber was soll's, du bist auch eine von Frau Palms Damen, du kommst auch mit, so als Bonus." Er lachte, doch es hörte sich eigentlich nicht danach an. "Vorwärts, ihr kommt zu den anderen!"
Erleichtert, dass er sie nicht wiedererkannt hatte, setzte sich die Wächterin in Bewegung, die Näherin tat es ihr schleunigst nach, als sie die Armbrust in ihrem Rücken spürte.

Der Weg war nicht weit, schon kurz darauf erreichten sie das Haus, in dem die anderen Näherinnen festgehalten wurden. Hatscha hatte versucht, sich den Weg so gut wie möglich einzuprägen, was ihr sogar erstaunlich gut gelang - na ja, es war ja auch keine lange Strecke.
Das Gebäude war außen nur durch einen Wachposten bewacht, aber sie war sich sicher, dass es drinnen noch mehr gab. Zu ihrer Überraschung war das nicht der Fall, denn als sie das Haus betraten, war das erste, was sie sahen, zwei große, kräftige Männer, die allerdings keinen besonders hellen Eindruck erweckten.
Die beiden Frauen wurden eine Treppe hinunter geführt. Auch im Keller gab es keine große Bewachung. Sie wurden sogleich in einen großen, geräumigen Raum gesperrt, wo sich schon die anderen Näherinnen befanden. Frau Palm ging sofort auf die beiden zu. "Ach herrje, wurdet ihr auch noch erwischt... Dich kenne ich gar nicht, bist du überhaupt eine Näherin?", fügte sie dann an Hatscha gewandt hinzu.
"Ähm, nein, eigentlich nicht. Ich bin Wächterin und ich soll den Fall hier lösen...", erwiderte diese und sah Frau Palm zuversichtlich an. Sie hatte bereits einen Plan, der möglicherweise klappen könnte.

Einige Stunden später wurde die Tür des Raumes geöffnet. Ein Wachposten trat einen großen Essenswagen vor sich herschiebend ein. "Zurück, alles zurück! Ihr bekommt jetzt euer Abendbrot!", rief er und drängte die Näherinnen in den Raum hinein. Dann verteilte er Brot und Wasser unter ihnen.
"Ähm, Entschuldigung, ich müsste mal wohin... könnte ich zufällig grad mal raus?", fragte eine Stimme hinter dem Wachposten.
"Jaja, geh nur, aber komm wieder!", sagte dieser geistesabwesend. Schnell schlüpfte Hatscha, der die Stimme gehörte, aus dem Raum hinaus. Draußen stand ein weiterer Wächter.
"Wo finde ich hier den Abort?", fragte sie schnell und ungeduldig, wobei sie von einem Fuß auf den anderen trat.
"Ähm, die Treppe rauf und die zweite Tür links", erwiderte der Mann verdattert. Die verkleidete Wächterin sprintete los und schon kurz darauf bemerkten auch die beiden Wachen, dass man sie ausgetrickst hatte. Sie rannten ihr hinterher und ließen die Näherinnen bei offener Tür alleine.
Hatscha lief so schnell sie konnte, die Treppe rauf, durch das Haus und aus der Tür raus. Die Wachen, die im Erdgeschoss aufgestellt waren, sahen ihr nur verwirrt nach, bis die Wachposten aus dem Keller angeeilt kamen. "HINTERHER!", schrie einer von ihnen. Von überall her kamen Männer, die die Verfolgung von Hatscha aufnahmen. Nur zwei blieben zurück bei den Näherinnen, aber was konnten sie zu zweit gegen alle Näherinnen ausrichten?

Die nächste Straße links, erinnerte sich Hatscha vage an den Weg zurück zur Boucherie Rouge. Oder war es erst die übernächste? Jetzt, wo es schon langsam dunkel wurde, sahen die Straßen alle gleich aus... Egal, sie nahm die erstbeste Gasse und bog ab, gefolgt von einer Horde Männer, was ihr nun wirklich eigentlich nie passierte.
Sie hatte Glück, ihre Entscheidung war die richtige und sie landete direkt vor der Boucherie. Sie riss die Tür auf und knallte sie wieder zu, so schnell sie konnte. Gerade noch rechtzeitig, wie sie feststellte, denn kurz darauf zeigte ein Rumsen, dass die schnellsten der Männer gegen die Tür gelaufen sind.
Durch das Knallen der Tür sind die anderen Wächter im Haus aufmerksam geworden und kamen jetzt langsam die Treppe zum Empfangsbereich hinunter.
"Ich habe Besuch mitgebracht", sagte Hatscha grinsend, oder wollte es zumindest sagen, wurde jedoch von einer eingerannten Tür unterbrochen. Die Männer stürmten in den Raum und blieben beim Anblick der versammelten Wächter wie versteinert stehen.
"Ankh-Morpork-Stadtwache, ich verhafte euch", Hatscha hatte ihre Dienstmarke hervorgeholt und hielt sie dem vordersten der Männer unter die Nase, "wegen mehrfacher Entführung, Zerstörung fremden Eigentums", sie zeigte auf die Tür, "und Verfolgen eines Wächters im Dienst." Sie legte dem erstbesten Mann Handschellen an. Die anderen Wächter hatten sich bereits den Rest der Gruppe vorgenommen und führten sie ab, blieben aber noch mal kurz stehen, als ein Schemen den leeren Türrahmen verdunkelte. Frau Palm betrat den Raum, zusammen mit einer anderen Näherin einen stöhnenden Mann tragend.
"Ich glaube, den könnt ihr auch gleich mitnehmen. Ach ja, und da ist noch einer", fügte sie hinzu und winkte zwei weitere Frauen herein, die einen anderen Mann zur Last hatten, beide waren recht übel zugerichtet.
"Was habt ihr mit ihnen angestellt?", fragte Hatscha leise eine der Trägerinnen.
"Glaub mir, das willst du nicht wissen."
Ikari und Vinni hielten die Männer in Schach und trugen ihnen ihre "Rechte" vor, während Mückensturm mit recht vielen Waffen gleichzeitig auf die etwa zwanzig Gefangenen zielte. Dann führten die drei DOGs sie ab in Richtung Kerker, wo sie dann noch verhört werden sollten.
Einige andere der Abteilung begleiteten sie zur Sicherheit und Harry beschimpfte die Männer, dass sie rot anliefen (vor Scham, nicht vor Wut).
"Also, wer seid ihr erst mal?", fragte Mücke, als sie angekommen waren. Er war noch immer genauso bewaffnet wie vorher und ähnelte ein wenig einem Stachelschwein.
"Nun, also, wir sind...", begann einer von ihnen und stellte sich dann vor, nach der Reihe taten es ihm die anderen nach, wie gut erzogene Kinder.
Erstaunt über diese Vorstellungszeremonie erwartete Hatscha irgendwie, dass gleich auch noch Mücke sagte: "Und ich bin Fähnrich Mückensturm, Abteilungsleiter von der DOG". Aber das war eine vollkommen falsche Erwartung, Mücke sagte nämlich: "Aha, nun, also, ich bin Mückensturm, ihr könnt mich Mücke nennen." Die anderen Wächter jedoch hielten nichts vom Vorstellen und blieben still.
"Und warum habt ihr die Näherinnen entführt? Und streitet es ja nicht ab, wir wissen genau, dass ihr das wart!"
"Ähm, welche Entführung?", fragte einer aus der Masse, ein etwas älterer Mann, der schon recht zerbrechlich wirkte.
"Na, die Entführung der Näherinnen", erwiderte Mücke verwirrt.
"Oh, dann muss ich in der falschen Zelle gelandet sein", meinte der Alte.
"RAUS!", schrie Mücke verärgert und wies auf die Kerkertür. Die anderen Wächter konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Der Alte ging auf die Tür zu und verließ den Raum, nachdem Ikari zur Seite getreten war. Draußen sah er sich um und verließ das Wachhaus, erfreut über seine wiedererlangte Freiheit.

In der Zelle wurde mittlerweile das Verhör fortgesetzt. "Also, was wolltet ihr mit der Entführung erreichen?", fragte der inzwischen entnervte Mückensturm.
Die Gefangenen erklärten, sie hatten nur vor, die Näherinnen nach Klatsch als Sklavinnen an irgendeinen übergeschnappten Herrscher für dessen Harem zu verkaufen, was jetzt jedoch nicht mehr möglich war.
"Aha. Nun, es war ein Verbrechen, eindeutig, ihr werdet noch ein wenig hier bleiben müssen", beendete dann Mücke die Fragerei und die Wächter verließen die Zelle, die Ikari, nachdem er sichergestellt hatte, dass jeweils die Richtigen draußen bzw. drinnen waren, abschloss.
"So, geschafft", sagte Valeriaa, die sich vor dem Raum an die Wand gelehnt hatte. "Herzlich Willkommen bei DOG, Hatscha."
Hatscha lächelte müde. Nie wieder würde sie in diesem Tempo eine solche Strecke laufen, wenn sie überhaupt noch laufen würde, das schwor sie sich.



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