Auf großer Fahrt

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von Spieß Atera (GRUND)
Online seit 27. 01. 2002
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Eine große Segel-Regatta soll auf dem Ankh ausgetragen werden und die Wache ist natürlich mit dabei. Es gibt selbstverständlich weder Komplikationen, noch Gesetzeswidrigkeiten, noch Verstöße und Frau Willichnicht kommt auch nicht vor.

Dafür vergebene Note: 14

"Platz da, macht doch endlich Platz. Ihr sollt beiseite treten, habe ich gesagt." Atera scheuchte die Schaulustigen beiseite, die sich vor der Absperrung drängten. Dann drängte sich Irina Lanfear, ihres Zeichen Ermittlerin bei der Stadtwache, durch die Menge. Sie trat auf Atera zu und grüßte freundlich.
"Ist Lupus schon da?", fragte sie und sah auf den Platz.
"Nein, aber ich wünschte ihr würdet endlich voranmachen. Es ist nicht einfach die Bürger von Ankh-Morpork daran zu hindern etwas Interessantes zu sehen. Zupfgut steht da hinten und sichert den Tatort."
"Danke, ich beeile mich." Irina bückte sich und kroch unter der Absperrung hervor, die kreisförmig aufgestellt war. In der Mitte war ein dunkles Tuch ausgebreitet worden, Andeutungen eines menschlichen Körpers waren zu erkennen. Irina nickte dem Korporal zu und hob vorsichtig die Plane. Sobald sie aber auch nur ein Stück des Gesichtes erkennen konnte, lies sie das Tuch wieder entsetzt fallen und sog hörbar die Luft ein.
"Das ist ja schrecklich.", hörte Atera sie leise sagen. Manchmal bedauerte der Spieß nicht mehr so aktiv an wichtigen Fällen wie Mord beteiligt zu sein, aber die Arbeit eines Verkehrsexperten musste auch getan werden. Es war notwendig.
"Zurück, sage ich! Wollt ihr wohl-." Atera wedelte ungeduldig mit den Händen, die Menschen und andere Spezies wichen etwas nach hinten. Bald hatte sie Dienstschluss und sie konnte endlich nach Hause. Der Dachgarten müsste mal wieder in Ordnung gebracht werden, sie musste noch Futter für die anderen Frösche holen und Henrys Leibgericht war auch schon bald nicht mehr vorrätig. Außerdem hatte sie ihre zweiten Stiefel zum Schuster gebracht, eine neue Sohle musste angebracht werden und-
In diesem Moment kam Aragorn vorbei, um sie abzulösen.
"Endlich, na dann viel Spaß mit der Meute. Heute scheint ein langweiliger Tag zu sein, ansonsten würde wohl kaum halb Ankh-Morpork hier herumstehen." Atera kroch unter der Absperrung durch und sah sich bald von neugierigen Bürgen umringt. Aragorn schien nicht sehr erfreut jetzt Dienst zu haben. Obwohl sie sich noch mitten im Winter befanden, war es seit einigen Tagen so sonnig und warm wie schon lange nicht mehr.
"Dann einen schönen Feiertag, Atera. Ach ja, bevor ich es vergesse, Oberfeldwebel Humph will dich sprechen.", sagte Aragorn noch. Atera kämpfte sich durch die Massen und ging die Straßen zurück zum Wachhaus, bis ihr plötzlich einfiel, dass Humph vermutlich im Wachhaus Kröselstraße wartete. Es musste um ihre Bewerbung als Ausbilderin gehen. Zweifel stiegen in ihr auf. War sie wirklich für die Arbeit geeignet? Konnte sie mit aufmüpfigen Rekruten umgehen? Nach einer Weile des Grübelns und einigen zwielichtigen Gestalten in den Schatten betrat Atera das Wachhaus. Nach einer weiteren Weile in der der Spieß unruhig auf einem unbequemen Stuhl hin und herrutschte und Humph das Bewerbungsgespräch mit ihr führte, war Atera von nun an für ganze vier Monate Ausbilderin.
"Willkommen bei G.R.U.N.D., Atera.", begrüßte sie Humph. Obwohl sie im Herzen immer noch S.E.A.L.S.-Mitglied war, konnte Atera es kaum abwarten ihre ersten eigenen Rekruten zu bekommen.
Es dauerte noch zwei Tage bis die ersten beiden vor ihrer Türe standen. Ein gewisser Galdos aus Llamedos und Legobert, ein kleiner Zwerg und äußerst still. Wenn er etwas sagte, dann war es nur ein Gebrummel in seinen Bart. Nichtsdestotrotz freute sich Atera unbändig über diese zwei ungewöhnlichen Gestalten, die bald die Wache bereichern würden. Sie freute sich sogar so sehr, dass sie im Eimer einen ausgab.
Nun saß sie dort, ein wenig angetrunken, aber noch fähig ordentlich auf ihrem Stuhl zu sitzen. Herr Käse verteilte wie üblich den Dreck auf der Theke und füllte verwässertes Bier in unausgespülte Gläser. Im Grunde hatte sich nicht viel verändert. Nur, dass jetzt zwei Rekruten neben ihr saßen und wahrscheinlich noch aus Höflichkeit nicht gegangen waren.
"Hast du das gehört, dass der Patrizier von einem reichen Mann aus Klatsch herausgefordert worden ist?", fragte Herr Käse. Normalerweise hütete er seine Neuigkeiten wie einen Schatz, aber unter gewissen Umständen war er bereit etwas zu erzählen. Unter die gewissen Umstände fielen auch drei Ankh-Morpork Dollar.
"Nein, in was denn herausgefordert? Ein Duell?"
"So könnte man es betrachten. Eine Segel-Regatta. Auf dem Ankh."
Atera prustete lachend das Bier wieder heraus. Es war nicht gut gleichzeitig zu trinken und zu lachen. Für einen kurzen Moment dachte sie daran, was für einen schlechten Eindruck sie auf die Rekruten machen würde. Seht her, ich bin bei der Wache und auf dem Tiefpunkt meines Lebens. Dann vergaß sie es wieder. Atera beruhigte sich langsam.
"Auf dem Ankh? Sollen die Schiffe etwa gezogen werden?!" Herr Käse und Atera lachten wieder, auch Galdos fiel mit ein. "Und welcher Depp ist so blöd daran teilzunehmen?", fragte Atera.

"Und darum habe ich beschlossen, dass auch die Wache an der Segel-Regatta teilnehmen und Ankh-Morpork zu Ruhm und Ehre verhelfen wird.", schloss Rince seine lange Rede. "Atera, könntest du den anderen Versammelten hier einmal erklären warum du die ganze Zeit über lachst und kicherst?" Er stemmte die Arme vorwurfsvoll an die Stelle wo sich seine Hüften befinden sollten und sah sie an.
"Tschuldigung, ich kann es einfach nicht so gut unterdrücken wie die anderen."
"Die Segel-Regatta ist eine große Chance das Prestiesch der Wache in der Bevölkerung zu steigern. Unser Ansehen ist nicht sehr gut zur Zeit. Und du wagst es da zu Lachen?" Er hielt für einen Moment inne und schien nachzudenken. "Gut, hiermit beauftrage ich dich an der Segel-Regatta teilzunehmen. Besorge dir Boot und Mannschaft." Dieses Mal war es Kommandeur Rince der grinste. Ja, er hatte es gut gelöst. Der Patrizier hatte ihn "freundlich" aufgefordert daran teilzunehmen, obwohl beide wussten, dass Boote schon lange nicht mehr auf dem Ankh fahren konnten. Dieser Klatschianer hatte einfach keine Ahnung oder zu viel davon. Aber es war nicht die Aufgabe von Rince sich darum zu kümmern, er hatte einen Kapitän bestimmt und die Wache würde daran teilnehmen. Ob sie wollte oder nicht.
Die anderen Wächter verließen Rinces Büro, er hörte leises Getuschel und Kopfschütteln, als sie aus dem Raum gingen. Nur Atera blieb dort und versuchte Rince zu beschwören diese dumme Idee fallen zu lassen. Der Kommandeur ließ sich wieder ächzend in seinen Stuhl fallen und winkte matt ab.
"Atera, ich kann nicht zurück. Der Patrizier hat es mir quasi befohlen. Ich gebe dir alle Unterlagen die du brauchst. Du musst ja nur daran teilnehmen, nicht gewinnen."
"Das wäre ja noch schöner. Warum hat Lord Vetinari nicht einfach abgelehnt, das hat er doch gar nicht nötig.", bemerkte Atera. Rince zuckte mit den Schultern.
"Politik wahrscheinlich, irgendwelche geheimnisvollen Mächte, was weiß ich. Also viel Spaß dabei, die Regatta startet in Sto Lat. Du und deine Mannschaft müsst also dort hin und von dort aus mit dem Boot zurück segeln, fahren, schwimmen. Wie man auch immer dazu sagt.", erklärte der Kommandeur und schob Atera die Karten und Unterlagen zu.
"Welches Boot und welche Mannschaft?"
"Das liegt an dir. Aber ich gebe dir ausreichend Geld mit. Du wirst das Boot schon schaukeln." Er lachte kurz. Atera hatte aber nur bei dem Wort Geld aufgehorcht.
"Geld? Du… gibst mir Geld?" Ihre Augen leuchteten für einen Moment. Sie hatte schon länger bei einem Händler diese schöne Gürtelschnalle gesehen…
"Äh, ich bin mir im Moment nicht mehr so sicher. Atera, du weißt, das Geld ist für das Boot und die Verpflegung. Nicht für irgendwelche Kneipentouren!"
"Ja, verstehe. Darf ich welche von der Wache mitnehmen zu der Regatta?", fragte Atera. Da lächelte Rince.
"Du darfst nicht sogar, du bist sogar ermächtigt dazu. Aber bitte nur Wächter, die ich entbehren kann."
"So wie mich.", gab Atera zurück.
"Sieh es nicht als Bestrafung, sondern als Möglichkeit.", sagte Rince. Dann gab er ihr einen Beutel voller Geld und schärfte ihr noch einmal ein, es weder zu verlieren noch für unnütze Dinge auszugeben. "Schau dir auch genaustens die Unterlagen an. Sie helfen dir."
Am Ende stand Atera alleine draußen auf dem Flur und um eine Erkenntnis reicher: Man sollte niemals in Gegenwart eines Vorgesetzten lachen und sich über seine Rede lustig machen. In diesem Moment und was für ein glücklicher Zufall war es, kam Obergefreiter Cim gerade um die Ecke, der einen Stapel Papiere trug und die Treppe hinunter gehen wollte. Er grüßte Atera freundlich, dann sah er dieses Glitzern in ihren Augen. Dieses Glitzern, was ihn schon bis unter den Ankh, in die Narrengilde und wer weiß noch wohin verschlagen würde.
"Cim…", begann Atera wie beiläufig. Dieser schüttelte hastig den Kopf und wollte weiter gehen.
"Nein, was immer es auch ist. Nein! Ich bin jetzt auch bei den S.E.A.L.S. und habe auch Verantwortung. Hier diese ganzen Berichte muss ich noch abgeben und wichtige Fälle warten auf mich und-.", redete er schnell, er schob sich an Atera vorbei, die ihn aber im letzten Moment festhielt.
"Obergefreiter Cim, ich." Sie hielt inne und ließ sich das nächste Wort auf der Zunge zergehen. "befehle dir mich auf der Segel-Regatta zu begleiten."
"Segel-Regatta? Ich verstehe nichts von Booten."
"Dann haben wir schon mal etwas gemeinsam. Cim, es nutzt nichts sich dagegen zu wehren. Du kommst mit, pack schon mal deine Sachen. In zwei Wochen startet die Regatta und bis da hin, müssen wir in Sto Lat sein." Was auf Ateras Worte folgte, war ein ohnmächtiges Schweigen, das von dem Obergefreiten ausging. Sein Gehirn war offenbar noch nicht bereit die neuen Informationen zu verarbeiten. Aber sein Körper stapfte wieder mit hängenden Schultern zurück in sein Büro.
"So ist es Recht, trag es mit Würde!", rief ihm Atera hinterher. Zum ersten Mal seit sie nun Kapitän eines nicht vorhandenen Schiffes war, fühlte sie sich wieder besser.
Am gleichen Tag suchte sie nach weiteren Mannschaftsmitgliedern und ihre zwei alten Rekruten, so wie zwei ganz neue, Malina ibn Shamrada und Giebel, ein Wasserspeier, waren auserkoren in Zukunft die vier tapferen Matrosen darzustellen. Nun hatte sie fünf Untergebene, aber irgendwer fehlte noch. Während die anderen schon wehmütig ihre Sachen einpackten, machte sich Atera auf zum Hafen in Ankh-Morpork. Der Perlendock in den Schatten war vielleicht nicht die erste Adresse, wenn man ehrbare Seeleute suchte, aber Atera kannte keine andere. Am Dock lagen ein paar baufällige Schiffe auf dem Ankh und einige zwielichtige Gestalten lungerten an alten Lagerschuppen herum. Abgesehen von schmächtigen Matrosen und Gaunern war hier nichts sehen, als der Wächterin etwas einfiel. Bei einem ihrer letzten Fälle hatte sie zusammen mit Cim und einem alten Mann ein kleines Fischrestaurant ausfindig machen können. "Die Bucht der Stürme", ja, so hieß das Lokal. Atera machte sich gleich auf den Weg und sie fand es an der Ecke einer Sackgasse, nahe am Ankh. Immer noch stand ein Schild draußen, dass frischen Fisch aus dem Ankh verkündete. Spieß Atera fragte sich, warum dies die Leute nicht abschreckte, denn als sie die Bucht der Stürme betrat, war es so voll wie beim letzten Mal. Auch die kitschige Dekoration mit unechten Fischen, Netzen und hässlichen Kraken war geblieben. Herr Seebutt stand hinter der Theke und begrüßte sie.
"Oin gutes Fischmahl gefällig, Spieß?", fragte er.
"Nein, danke."
"Noch nicht einmal ein Fischbrötchen?", versuchte er es wieder, aber Atera konnte ihn abwimmeln. Schon bei dem Gedanken an frischen Fisch aus dem Ankh wurde ihr übel.
"Was ich eher suche, wäre ein fähiger Seemann.", begann die Wächterin, sie lehnte sich an die Theke und betrachtete die Männer in dem Lokal. Plötzlich fiel ihr jemand ins Auge, der so aussah, als würde seine Heimat die See sein und seine Braut das Meer. Er sah wie ein typischer Mann aus, der das runde Meer schon seit Jahren durchfuhr und der viel zu erzählen hatte. Der sich einfach auskannte.
"Herr Seebutt, wer ist denn der alte Mann dahinten?", fragte sie schließlich und deutete auf einen Tisch in der Ecke, wo dieser Mann saß und trübsinnig ins Nirgendwo starrte.
"Du meinst den, mit dem Holzbein, der schwarzen Augenklappe, der Mütze und dem grünen Papagei?"
"Ja, genau den."
"Äh, das ist nur Ladendekoration."
"Oh."

Am Ende fand Atera einen Mann, namens Grips Bankschenk, der bereit war mitzufahren. Ein Boot hatte er leider nicht. Zumindest glaubte Atera das, denn Bankschenk hatte nur wenige Zähne und er lispelte dazu noch. Es stellte sich als Abenteuer heraus mit ihm zu reden. Bankschenk sah auch nicht aus wie ein richtiger Seemann auszusehen hatte. Er hatte vielmehr einen unförmigen Kopf, den nur noch spärliche weise Haare bedeckten, er war zudem leicht unrasiert und roch nach Fisch. Trotz alledem schien er etwas vom Segeln und Schiffen im Allgemeinen zu verstehen. Schließlich klopfte er seine grüne Kragenjacke ab und förderte einen alten Kompass zu Tage, den er wie einen Schatz präsentierte. Erst später fiel Atera ein, dass sie sich ja auf einem Fluss befinden würden und ein großartiges Navigieren also nicht von Nöten sein würde. Grips Bankschenk behauptete aber weiter von sich, dass er jede Untiefe und jeden großen Stein im Ankh kennen würde, er hätte ihn schon tausendmal durchschippert.
So stellte Atera Bankschenk als Steuermann ein, der übrigens nur einen bescheidenen Lohn forderte und vielmehr begeistert war noch auf seine alten Tage seine letzte Fahrt machen zu können, wie er es bezeichnete.
Am nächsten Tag, es war kurz vor sieben in der Frühe, fanden sich alle vor dem Wachhaus ein, wo zwei große Karren schon warteten, gezogen von jeweils zwei Eseln. Die Eselkarrenlenker hatten sich freundlicherweise zu einem sehr geringen Lohn dazu bereiterklärt. Atera besah ihre Mannschaft, fünf stramm stehende Wächter und ein alter Mann, der in der Ecke döste, weil viel zu früh, wie er es ausdrückte. Das Gepäck und die Verpflegung waren schon aufgeladen. Nur eines fehlte noch. Spieß Atera holte aus einem Beutel vier zerknautschte Hüte, die sie den verdutzenden Rekruten in die Hand drückte.
"Äh, Madam, wofür ist dieser alberner Hut?" Galdos betrachtete kritisch den Hut, in den schmucken Farben blau und weiß.
"Dies, Rekrut Galdos, kennzeichnet dich als Matrose des Wache-Schiffes."
"Aber wir haben doch noch gar kein Schiff.", wand Malina ein, die probeweise den Hut aufsetzte. Atera lächelte.
"Nur weil ihr Rekruten nichts davon wisst, heißt das noch lange nicht, dass wir keins haben. Vielleicht habe ich ja schon längst eine Eiltaube nach Sto Lat geschickt und vielleicht habe ich längst ein seetüchtiges Schiff für uns reserviert.", sagte Atera und schwang den Finger bedeutsam. Die neuen Matrosen schienen sich aber nicht sehr über die Hüte zu freuen und wundersamer Weise gingen sie die Fahrt über auch verloren. In diesem Moment aber förderte Atera eine dunkelblaue Kappe aus dem Beutel. Auf der Kappe war ein weißer Anker mit unbeholfenem Stielstich draufgestickt worden.
"Habe ich selber gemacht.", erklärte Atera und ließ prüfend ihren Blick schweifen. Er musste, er konnte nur auf Cim fallen, der schnell sein hämisches Grinsen den Rekruten gegenüber wieder einstellte. "Obergefreiter Cim! Haltung annehmen!" Sofort salutierte Cim und nahm Haltung an. Atera lächelte leicht. "Hiermit ernenne ich dich mit sofortiger Wirkung zu meinem ersten Maat."
"Oh, ich weiß nicht was ich sagen soll."
"Sag am besten nichts. Nimm nur dies hier." Atera überreichte ihm feierlich die blaue Kappe. "Es kennzeichnet dich als erster Maat." Cim wehrte ab.
"Aber wir sind nur sieben Leute. Was soll da die Kappe? Ich meine, niemand wird mich doch verwechseln." Er lachte kurz in die Stille.
"Es ist ein Geschenk." Da die Worte nur barsch aus Ateras Mund herausgepresst worden waren, sah Cim dies als Anlass, die Kappe mit einem strahlenden Lächeln aufzusetzen.
"Gut, damit wäre dann alles geklärt. Ach ja, der Mann dort heißt Grips Bankschenk und wird auf dem Wache-Schiff der Steuermann sein. Matrosen, rührt euch!", schloss Atera. Mittlerweile waren einige diensthabende Wächter auf den Platz getreten und verabschiedeten die Wächter. Nicht ohne ihr sehr großes Bedauern auszudrücken nicht mit dabei sein zu können. Aber sie würden auf jeden Fall am Ende an der Zielgerade stehen.
"Und wenn noch neue Rekruten kommen? Soll ich die dann hinterherschicken?", fragte Humph.
"Das frag mal lieber Rince, der die Idee hatte mich loszuschicken.", erwiderte Atera.
"Na ja, daran bist du zum Teil auch selbst Schuld. Gute Reise und bring mir alle Rekruten heil nach Hause."
Schließlich war der Zeitpunkt gekommen endlich loszufahren. Atera kontrollierte ein letztes Mal ihr Gepäck. Nähgarn für sie, Essen, Trinken, warme Kleidung, alles nötige war da. Zum Schluss setzte Atera Sir Henry, ihrer Kröte, ein kleines Matrosenhütchen auf, mit dem er sehr schmuck aussah, was auch alle anderen bestätigten. Das Gepäck war auf dem einen Karren und die Wächter, sowie der Steuermann auf dem anderen. Die Eselkarrenlenker zogen die Zügel an, schnalzten mit der Zunge und die Wagen setzten sich langsam in Bewegung. Nicht zurücksehen, dachte Atera. Nur nicht zurücksehen, das bringt Unglück. Die Wächterin lehnte sich an die Innenwand des Karrens und blickte auf die Straße, die vor ihnen lag.
Hätte sie doch einmal zurückgesehen. Dann hätte sie Gelegenheit gehabt die Lenker vorne so anzutreiben, dass eine Flucht noch möglich gewesen wäre. So aber ertönte genau um 7.05 Uhr eine Stimme:
"Wartet auf mich, ich werde euch begleiten!" In diesem Satz lag keine Bitte, es war ein so eindeutiger Befehl, dass sich Atera mehrmals gefragt hatte, welche Person und welche Geschichte sich wirklich hinter Frau Willichnicht versteckten.
"Hier ist leider schon alles besetzt.", versuchte es Cim verzweifelt. Atera drehte sich nun auch um und sah, dass Frau Willichnicht es geschafft hatte den hinteren Karren anzuhalten. Nun war sie schon eifrig dabei, Unmengen von Gepäck darauf zu laden bis die Räder bedrohlich knarrten. Es war erstaunlich, dass diese Frau schon wieder wusste, wann und wo etwas Wichtiges stattfand an dem sie teilnehmen wollte. Nun eilte sie so schnell ihre Beine es vermochten zu Atera und den anderen, eine feiste, etwas dickliche Hand schob sich hervor und für einen kurzen Moment war Atera versucht die arme Frau zurückzustoßen, um sie einfach stehen zulassen. Die Chance verstrich.
"Frau Willichnicht, es gibt keinen, aber auch keinen Grund, warum du uns begleiten solltest.", begann Atera, sie schaute nach unten, wo die Frau sich vergeblich abmühte aus eigener Kraft auf den Wagen zu kommen. Ihre nicht geringe Körpermasse und die Höhe des Karrens sprachen eindeutig dagegen. Dann sah Frau Willichnicht plötzlich auf und der Wächterin direkt in die Augen.
"Doch es gibt einen: Ihr braucht mich!", erwiderte sie.
"Brauchen?"
"Ja oder gibt es hier schon eine Köchin, die euch mit den leckersten Gerichten bewirten wird?"
"Äh…" Atera dämmerte, dass sie eigentlich schnell einen aus der Menge hätte bestimmen sollen, der ab sofort für sie kochen würde, aber sie war so überrascht über die Schlagfertigkeit von Frau Willichnicht, dass sie nur den Mund auf und zu klappen konnte.
"Und die zudem auch noch sparsam ist?", setzte diese nach.
"Äh…", war wieder Ateras einzige Reaktion. Das war leider die falsche und Frau Willichnicht fügte ein "Ha!" hinzu und noch ein weiteres. Erfreut darüber, dass die den Schlagabtausch gewonnen hatte.
"Ihr braucht mich.", sagte sie noch einmal und endlich halfen ihr Atera und Cim in den Wagen. Für die nächsten Minuten schwieg Atera verdrossen. Es war ein Trick gewesen, ein mieser hinterhältiger Trick. Einen kurzen Moment bewunderte Atera Frau Amalie Willichnicht.
Bis jene plötzlich lauthals "Hoch auf dem goldenen Wagen." anfing zu singen.

"Siehst du diese Sternenkonstellation? Das müsste der große Flughund sein.", sagte Cim und deutete auf den nachtschwarzen Himmel.
"Ich seh nur einen Haufen Sterne.", erwiderte Atera.
"Sie leuchten wie Gold, meint ihr nicht auch.", sagte Legobert leise. Neben ihnen schnarchte Grips Bankschenk. Einer der Hauptgründe warum der Rest der Gruppe noch auf war und auf dem Rücken liegend mehr oder weniger gelangweilt und müde in den Himmel starrte.
"Das kann der Große Flughund sein.", korrigierte Galdos. "Muss aber nicht, schließlich bewegt sich Groß A'Tuin immer weiter durch das All." Atera lächelte darauf in der Dunkelheit.
"So ist es Recht. Siehst du Cim, selbst als Obergefreiter kann man noch etwas von den Rekruten lernen.", sagte sie.
"Ist das Lektion Drei deines Handbuchs für verwirrte Wächter?", fragte der Obergfreite zurück.
"Hmm, wer wei-." In diesem Moment schob sich ein gigantisches Gesicht in Ateras Sichtfeld, was sie zu einem spontanem "Argh!!!" motivierte.
"Noch etwas Bohnen mit Speck? Ist noch ganz warm." Dann verdeckte plötzlich eine Pfanne den Sternenhimmel.
"Nein danke, Frau Willichnicht. Ich bin ziemlich satt."
"Och, und hinterher muss ich wieder so viel wegschmeißen.", beklagte sich Frau Willichnicht und wedelte weiter mit der Pfanne vor Ateras Gesicht. "Morgen ist es nicht mehr gut. Komm, den letzten Happen." Es war irgendwie immer der letzte Happen, der letzte Bissen oder das letzte Stückchen bei Frau Willichnicht. Malina klagte schon über das zugenommene Gewicht. Am Ende nahm Atera den letzten Teller bevor die gute Frau sie noch mit der Pfanne erschlug. Sie spülte das Essen mit fast sauer gewordener Milch herunter und begleitet von dem andauerndem Konzert der Nacht, dem Schnarchen, Zirpen, Töpfeklappern und dem Quaken, schlief Atera schließlich ein.

Es war am Mittag des dritten Tages als die allgemeine Langeweile ihren Höhepunkt erreicht hatte. Cim, Grips und Atera spielten Leg Herrn Zwiebel rein, wobei Atera sicher war, dass Grips mit gezinkten Karten spielte, den Trick aber noch nicht herausgefunden hatte.
"Ich hab eine Fünfkartenzwiebel. Jetzt zeigt mal eure Karten.", sagte sie und blätterte ihre abgewetzten Karten auf den wackeligen Tisch. Auf dem Karren wurde man sowieso immer wieder hin und her geschüttelt.
"Ich hab nur einen blöden Zweier-Knöterich und mir ist fad.", betonte Cim. In den letzten zehn Minuten hatte er bei mindestens jeden Satz die Bemerkung, dass ihm langweilig sei drangehängt. Da Grips schon wieder die Große Zwiebel hatte, gab Atera letztendlich auf. Sie sah zu den Rekruten nach hinten, die "Ich sehe etwas, was ihr nie herauskriegen werdet." spielten.
"Ich sehe etwas und das ist kohlartig.", sagte Giebel.
"Ein Kohlfeld?", fragte Galdos zurück. Giebel nickte. "Na toll, wir sind hier in der Sto-Ebene, hier ist alles voller Kohlfelder."
"Das Feld dort hinten?" Malina deutete irgendwo auf eines der unzähligen weißen Kohlfeder. Giebel schüttelte amüsiert den Kopf. "Das hier vorne?" Wieder ein Kopfschütteln.
"He, jetzt weiß ich wie wir uns die Zeit vertreiben können.", sagte Galdos plötzlich. "Ich bin doch aus Llamedos und wie jeder weiß sind wir ein ausgesprochen musikalisches Volk." Er holte etwas unförmiges Holzartiges hervor. "Aus diesem Grund hab ich immer meine Klappgitarre dabei!"
"Eine Klappgitarre, wie originell!" Frau Willichnicht klatschte begeistert in die Hände. "Mit Begleitung singt es sich noch viel besser. Also stimmen wir gemeinsam ein Lied an." Es fehlte wieder Mal ein Fragezeichen am Ende von ihren Sätzen.
"Ja.", sagte Galdos sofort. Atera vermutete, dass es reflexartig geschah. Und dann sang Frau Willichnicht, ein Lied nach dem anderen, dass Atera schon den Verdacht hatte, dass sie gleich während des Singens neue Lieder und Strophen erfinden würde.
"Alle Wege schreiten, alle Flüsse gleiten, alle Winde reiten auf dem Wolkenpferd! Kamerad, wir wandern, früh am Tag, froh durch Wald und Auen, unterm Lerchenschlag!"
Merkwürdigerweise mischte sich ein tiefer Bass in das Lied, der monoton ein einziges Wort wiederholte. Immerhin war der Zwerg Legobert konsequent.
"So jetzt kommt was ganz bekanntes. Ihr singt den Refrain mit.", bestimmte Frau Willichnicht fröhlich.
"Als die Klatschianer frech geworden,
Sim serim sim sim sim sim,
Zogen sie nach Ankh-Morporks Norden,
Sim serim sim sim sim sim,
Vorne mit Trompetenschall,
Te rä tä tä tä re rä,
Ritt der Generalfeldmarschall,
Te rä tä tä tä re rä,
Herr-."
"Schlagloch!", brüllte da plötzlich vorne der Lenker und unterbrach damit Frau Willichnicht sehr rüde. Der Karren kippte beinahe um, bekam aber auf jeden Fall eine gewaltige Schräglage und es hätte nicht viel gefehlt, da wäre Galdos mit samt seiner Klappgitarre vom Wagen gefallen. Giebel hielt ihn gerade noch heldenmutig fest. Atera lobte ihn dafür, Frau Willichnicht unterbrach endlich ihre Sangesorgie und döste ein wenig ein. Misstrauisch beobachtet von sieben Augenpaaren.

So verging mehr oder weniger ereignisreich ihre Reise nach Sto Lat. Es waren nur noch einige Tage bis zum Beginn der Regatta, als die Gruppe in der Ferne das Städtchen sah. Die Stadt selbst war von einer hohen Mauer umgeben und das Schloss ruhte auf einer Felsspitze. Mit leisem Gepolter und Geklapper machten sich die Karren auf die letzten Meter. Das Städtchen befand sich von Ankh-Morpork aus gesehen am rechten Ufer und dort war auch ein kleiner Hafen, der nun schier überfüllt schien. Es lagen schätzungsweise ein Dutzend Schiffe vor Anker. Die Karren hielten auf einem kleinen Platz und Frau Willichnicht kletterte sofort hinunter.
"Ich werde mich mal nach einer gegebenen Gastlichkeit erkunden.", meinte sie und verschwand in einer Straße, natürlich nicht ohne ihre riesige Handtasche. Auch die anderen stiegen aus und Atera streckte sich erst einmal ausgiebig. Irgendwie war die Luft hier sehr konzentriert. Aus Ankh-Morpork war sie es eher gewohnt mehr Staub und Dreck einzuatmen, als reine, saubere Luft.
"So, wo ist unser Schiff?", fragte Cim und betrachtete den Hafen. Dort lagen schnittige Zweimaster, schnelle schlanke Schiffe, aber auch größere, robustere Boote. Die Masten knarrten unter dem Druck des Windes und an Bord liefen Leute geschäftig herum. Es fehlte nur noch eine Möwe.
"Äh, Schiff?", gab Atera zurück.
"Ja, du sagtest in Ankh-Morpork du hättest ein Schiff für uns reserviert.", erklärte der Obergefreite.
"Ich habe ein Vielleicht hinzugefügt.", sagte Spieß Atera und sah Cim an, der entsetzt zurückstarrte.
"Wir… äh haben kein Schiff?" Die Wächterin nickte darauf. "Wie kann das denn wahr sein?! Die Segel-Regatta fängt bald an und wir haben kein Schiff! Du bist unsere Vorgesetzte, du hättest dich darum kümmern müssen! Wir haben kein Schiff und die Regatta wird ohne uns anfangen! Wir werden verlieren! Der Kommandeur wird uns bestrafen und sauer werden!", regte sich Cim Bürstenkinn laut auf.
"Ich werde mich ja noch darum kümmern.", beschwichtigte ihn Atera.
"Kommandeur Rince wird mich degradieren, wenn er das erfährt. Kein Schiff und nur noch wenige Tage bis zur Regatta. Oh bei Offler, wir sind verloren! Wo kriegen wir jetzt ein Schiff her?!", jammerte er aber weiter.
"Cim, komm wieder runter. Du machst die Rekruten nervös."
Bevor irgendeine weitere Diskussion aufkommen konnte, kam Frau Willichnicht zurück und sagte, sie hätte ein ganz bezauberndes Gasthaus gesehen und schon Zimmer reserviert. So wanden sich die Karren durch die engen Gassen und hielten an einem der zwei Gasthäuser, die es in Sto Lat überhaupt gab. Dieses hieß "Zum grünen Würgapfel", was schon einiges über die Qualität aussagte. Aber Atera war im Moment die Lust vergangen irgendetwas anderes zu suchen und so belegten sie die letzten Zimmer, die dort noch frei waren. Ein Einzelzimmer für Frau Willichnicht, ein Doppelzimmer für Atera und Malina ibn Shamrada, sowie ein Mehrbettzimmer für die übrigen. Dann verabschiedeten sie sich von den Eselkarrenlenkern, stapelten das Gepäck in die Räume und während Frau Willichnicht ihr Einzelzimmer mit Blick auf den Hausgarten ordentlich säuberte, fand sich der Rest irgendwie in der Gaststube ein.
"Jetzt lasst die Köpfe nicht so hängen, wir werden schon ein Schiff auftreiben.", sagte Atera aufmunternd. Sie saßen an einem Ecktisch, schummriges Licht ließ selbst zu dieser frühen Tageszeit nur wenig erkennen. An einigen Tischen sahen sie fremdländische Männer sitzen.
"Wohl Klatschianer.", vermutete Galdos.
"Das ist doch alles egal, wir sind aus dem Rennen.", erwiderte Cim trübsinnig und starre auf die alte Tischplatte vor ihm.
"Na na na, wer ist denn hier in dem besten Lokal schlecht drauf?", platzte ein dicker Wirt dazwischen, blaue Augen glänzen freundlich aus dem rosigen Gesicht heraus.
"Ich dachte "Die goldene Rose" wäre in Sto Lat das Beste?", gab Atera zurück.
"Nun, das weiß man nie genau, denn wer in der Goldenen Rose verkehrt, wird noch nie hier im Würgapfel gewesen sein und umgekehrt. Vergleiche sin also nicht möglich." Atera lachte darauf und zupfte am Ärmel des Wirtes.
"Gut gesprochen. Sag mal, Wirt, gibt es hier irgendwo noch ein Schiff zu kaufen oder leihen?", fragte sie ihn. Darauf zeigte dieser auf einen Mann, der an der Theke stand und an einem undefinierbaren Getränk nippte.
"Der dort hinten, Bauer Klein. Behauptet immer von sich, er hätte ein Schiff. Ansonsten sind schon alle weg, da hättet ihr früher kommen müssen.", erzählte der Mann, dann blickte er auf die Wächter hinunter. "Und ihr da? Wohl ganz neu in der Stadt, was?" Die Rekruten nickten darauf. Der Wirt fragte, ob sie etwas Trinken wollten.
"Eine Kräutermilch wäre nicht schlecht.", begann Galdos zögernd. Am Ende bekam er ein schallendes Lachen der Umstehenden und etwas Bierartiges. Auch seine Ausbilderin prostete dem zwar verdünnten Bier stark zu und weitere Gläser leeren sich, als mehrmals auf die Wache getrunken wurde. Cim nippte derweil verdrossen an einem einzelnen Bier.
Es vergingen einige Stunde.
"Scho, jetzt red ich mal mit diesem Kerl.", sagte Atera, erhob sich rückartig und wankte mit aller Autorität, die ihr geblieben war, Richtung der Tresen. Bauer Klein nickte ihr leicht zu. Atera fragte sich kurzzeitig, warum der Mann Klein hieß, denn er war außerordentlich groß.
"Na.", begann eines der niveauvollsten Gespräche auf der Scheibenwelt.
"Na. Auch hier?", begrüßte Atera ihn und lehnte sich ebenfalls an die Bar. Sie starrte auf die fast durchsichtige Flüssigkeit in dem kleinen Glas. "Wasch is da drin?"
"Bentincks sehr alter besonderer Brandy."
"Und geht der weg?"
"Jep, sehr gut.", antwortete Bauer Klein, der auch gar nicht aussah wie ein richtiger Bauer. Mit einem Schluck leerte er das kleine Glas. Eigentlich hätte Atera da schon was ahnen sollen. Aber sie hatte schon einige Biere hinter sich und sie achtete nicht auf Kleinigkeiten.
"Und sonst?"
"Och ja…" Eine Stille entstand, die auch die umliegenden Gespräche nicht zu füllen vermochten.
"Hab gehört, du hast ein Schiff.", startete Atera endlich mit dem, was sie eigentlich wollte.
"Ja. Willste haben?" Der Mann starrte zu ihr rüber. Die Wächterin nickte darauf. Da winkte Bauer Klein den Wirt her und hob plötzlich seine Stimme an.
"He, ihr da hier, Wetttrinken!" Sofort waren alle umliegenden Leute äußerst aufmerksam und drängten sich um Atera und den Bauern. "Lass uns um die Wette trinken.", forderte er Atera auf. "Du bekommst mein Schiff, wenn ich verliere."
"Gut, und du erhältst diesen Beutel Geld, wenn ich verliere.", erwiderte Atera. Mittlerweile hatte der Wirt zwei Tische und Stühle in der Mitte des Lokals aufgestellt. Cim drängte sich durch die Schaulustigen und er sah von ganz hinten eine Hand mit unverwechselbaren Nähten, die gerade einen Beutel hochhielt, der verdächtig klimperte und mit Geldmünzen gefüllt schien. Nein, sie verspielt das ganze Geld von Kommandeur Rince, kam es ihm blitzartig. Er musste das verhindern, mit viel Ellenbogengeschick boxte er sich durch die Leute bis zu Atera vor, die gerade schon jetzt wankend an dem einen Tisch Platz nahm.
"Atera, was machst du da??" Der Spieß sah ihn freundlich an und klopfte Cim aufmunternd auf den Rücken.
"Ich besorge uns ein Schiff. Was für ein Glück, dass hier dieses Wetttrinken eine Tradition hat.", erklärte sie fröhlich. Cim rang mit den Händen und seiner Beherrschung.
"Aber unser ganzes Geld! Du wirst es verlieren. Ich beschwöre dich bei allem, was dir heilig ist.", versuchte er es ein letztes Mal, da kam der Wirt gerade mit zwei Tabletts an. Auf jedem standen winzige fingerhutgroße Becher. Atera blickte neugierig darauf.
"Oh, was is das denn?", fragte sie den Bauern. Der Bauer beugte sich vor und drückte seine schon gerötete Nase. Dann nahm er sich selbst einen der winzigen Becher von dem ersten Tablett.
"Das meine Liebe, ist eine eigene Spezialität des Landes."
"Oh.", sagte Atera nur voller Bewunderung. Der erste Fingerhut(ohne Löcher wohlgemerkt) wurde ihr vorgesetzt und ihre Augen blickten in ein trübes, undurchsichtiges Getränk, dessen Geruch einen schon von weitem in die Nase stieg.
"Und wie heischt dieses Getränksche?"
"Es heißt Knieweich."

Zwei Tage später kam ein Mann auf einem Pferd nach Sto Lat. Zuerst ritt er zum Hafen und blickte sich dort um, danach stieg er ab, nahm das Pferd an die Zügel und ging durch die kleine Stadt. Er fragte einige vorbeikommende Passanten, ging zuerst in die Goldene Rose. Da er dort niemanden fand, suchte er das zweite Lokal und nachdem ihm eine alte Frau an einem Fenster den Weg beschrieb, betrat er den Würgapfel.
"Wirt, draußen steht ein erschöpftes Pferd, das versorgt werden muss. Ich brauche ein kräftiges Mittagsmahl und etwas zu trinken. Außerdem müsste der Mantel ausgeklopft werden.", schnarrte eine Stimme, sofort kam der Hauswirt des Gasthauses angelaufen, rieb sich geschäftig die Schürze und versprach alles sofort zu machen. Ob er denn nicht lieber zur Goldenen Rose wollte, so ein Hohes Tier wie er. Der Mann schüttelte darauf den Kopf. Nein, er suche jemanden.
"Und wen suchst du?"
"Kollegen.", war die knappe Antwort.
"Hier sind keine Wächter abgestiegen. Ein paar Klatschianer in Uniform und welche aus Ankh-Morpork. Die sitzen da hinten." Der Wirt deutete auf ein paar Männer.
"Nein, das sind sie nicht. Gibt es hier nicht noch mehr, die aus Ankh-Morpork kommen?"
"Ja, aber die sind schon alle auf ihren Schiffen.", erklärte der Wirt.
"Hmm, nein da waren sie nicht. Ich suche Wächter der Stadtwache. Vielleicht sagen dir die Namen etwas. Spieß Atera, Obergefreiter Bürstenkinn, vier Rekruten."
"Die besoffene Untote, der Trottel und die Unfähigen?", fragte der Wirt misstrauisch zurück.
"Äh, ich weiß nicht so recht…", gab der Wächter zurück, der seine Abzeichen zurechtrückte.
"Ich hoffe, du und deine Stadtwache zahlen für diese Haderlumpen. Da hinten." Der Wirt deutete wirsch auf eine Klapptür am Ende des Lokals. Der Wächter trat zögernd hindurch und sah sich in einer Küche wieder. Zwischen Töpfen, Pfannen und anderen Küchensachen hörte er jemanden jammern. Der Mann bog um die Ecke und sah den Rücken eines jungen Mannes der sich über einen Wassertrog beugte und Teller abwusch.
"He, du da!", begann der Wächter. Der Mann am Wassertrog drehte sich um, schrie und winselte gleichzeitig auf und kam auf den Wächter zu.
"Oberfeldwebel Zaddam Boschnigg! Ich… ich bin unschuldig, man hat mich gezwungen. Ich habe nichts mit der Sache zu tun! Ich habe ihr gleich gesagt, sie solle es nicht tun…"
"Obergefreiter Bürstenkinn, neh-mt Hal-tung!!!" Cim stand sofort stramm und salutierte. Zaddam zögerte kurz. "Und nimm diese lächerliche Schürze ab. Wo sind die anderen? Was ist hier los?" Obergefreiter Cim begann an den vom Wasser runzlig gewordenen Fingern aufzuzählen.
"Also, Grips ist Hasen jagen, wie er sagte. Galdos holt neues Wasser aus dem Brunnen. Frau Willichnicht besucht eine Bekannte irgendwo in Sto Lat."
"Frau Willichnicht? Ich dachte, sie wäre tot, weil sie in letzter Zeit nicht mehr zur Wache kam.", unterbrach Zaddam ihn.
"Nein, sie ist unsere Köchin, Sir.", erklärte Cim.
"Aha… äh weiter."
"Giebel wollte eine Taube für Malina fangen, die einen Brief schreibt. Legobert versucht Gold in einem Nebenfluss des Ankhs mit Hilfe eines Siebes raus zu gewinnen. Tja und ich." Er seufzte schwer. "Ich bin heute der Trottel, der Spüldienst hat."
Zaddam brauchte einen Moment um alle Zusammenhänge zu erkennen, so ganz gelang es ihm nicht. Kommandeur Rince hatte ihn als Unterstützung nach Sto Lat geschickt, weil er als fast einziger Wächter etwas vom Segeln verstand. Nun war er hier und hatte eine seetüchtige Mannschaft erwartet, aber stattdessen fand er verwirrendes Durcheinander vor.
"Was ist hier passiert? Der Wirt redete etwas von Bezahlen. Wo ist euer Geld und vor allem wo ist Spieß Atera?", fragte er Cim. Der nahm Zaddam beiseite und sah ihn lange an.
"Also das ist eine lange Geschichte…"

Eine Stunde später.
"Und dann war es auch noch Knieweich. Ich meine, ich wurde allein schon von dem Geruch betrunken." Noch etwas später.
"Schließlich hat der Bauer beim ichweißnichtwievielten Glas aufgegeben. Ich war schon sehr überrascht, dass es Atera überhaupt geschafft hatte. Dieses Getränk, Knieweich, man erzählt sich hier allerhand Geschichten darüber. Manche schwören, dass es das beste Reinigungsmittel wäre. Wahrscheinlich kann man damit sogar Metall wegätzen oder so. Aber die Zutaten, die drin sein sollen, also da wird einem schon vom Zuhören übel. Sumpfwasser, faule Äpfel. Und sie hat es getrunken. Fingerhutweise. Wäre sie nicht untot, spätestens jetzt wäre sie es sicher.", berichtete Cim.
"Ja, ich meine, das war vielleicht nicht ganz so die korrekte Weise wie ein Wächter handeln sollte, aber es war doch erfolgreich oder?", hakte der Oberfeldwebel nach. Cim sagte zunächst nichts. "Wir haben doch ein Schiff oder?" Der Obergefreite nickte nur.
"Ja, wir haben ein Schiff. Aber das ist noch nicht alles." Er schluckte kurz. Das musste noch gebeichtet werden, je eher desto besser. "Das ganze Geld ist weg!" Ja, jetzt war es raus.
"Das Geld, das Kommandeur Rince euch mitgegeben hat? Was ist damit passiert?"
"Es ist weg.", brachte Cim nur hervor. Kurz war er versucht an der Uniform des Oberfeldwebels zu rütteln, damit er es doch endlich verstünde.
"Wohin weg? Jetzt rede doch, Obergefreiter!"
"Du würdest staunen, wenn du wüsstest wie teuer Knieweich hier zu Lande ist, Sir.", gab er kleinlaut zurück und setzte sich sichtlich erschöpft auf einen Schemel, der in der Nähe stand.
"Das darf doch nicht war sein!! Ihr habt das ganze Geld für dieses dumme Getränk ausgegeben???" Eigentlich wollte der Oberfeldwebel die Fassung wahren, aber er merkte selbst wie er ein wenig Farbe annahm. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, wäre er vermutlich rot vor Zorn geworden.
"Ihr, ihr, ihr! Jetzt heißt es schon ihr! Ich bin nicht schuld, ich hab kein Wetttrinken veranstaltet!" Als Cim merkte, dass er zu laut geworden war, fügte er schnell noch ein gemurmeltes Sir hinzu. "Nun, eigentlich ging nur die Hälfte für Knieweich drauf, die andere haben die Klatschianer für ihren sündhaft teuren Klatschianischen Kaffee verlangt."
"Wo ist der Spieß?", fragte Zaddam nur noch.
"Sie schläft seit Gestern." Cim musste ihm noch erklären wo das Zimmer lag, dann rauschte der Oberfeldwebel, ohne ein weiteres Wort zu sagen, ab.

Im Zimmer selbst war es dunkel und Zaddam sah sofort in dem linken Bett eine Gestalt liegen. Neben dem Bett stand ein kleines Kästchen wo eine hässliche dicke Kröte drin saß. Der Wächter trat näher heran bis er Atera in dem Bett liegen sehen konnte. Sie sah aus wie tot, fand Zaddam. Er überlegte noch wie er sie am besten wecken konnte, ob er an ihrer Schulter rütteln oder sie anschreien sollte, da schoss auf einmal ein Arm hervor und krallte sich an Zaddams Schulter fest, dass dieser erschrocken aufkeuchte. Ateras Augen öffneten sich und sie sah ihn durchdringend an.
"Wusstest du wie "Heiße Rote Wüste" schmeckt, dieses feurige Gold, das einen den Rachen versengt?" Sie hustete und röchelte. "Man hat das Gefühl blankes Feuer einzuatmen. Ich dachte, ich würde innerlich verbrennen. Bei Zombies geht das sehr schnell.", fügte sie hinzu.
"Du bist also wach.", fand Zaddam endlich die Worte wieder. Die Hand ließ seine Schulter los und Atera richtete sich langsam auf. Am Rande bemerkte er, dass sie mit voller Uniform geschlafen hatte.
"In der Tat.", gab Atera zurück. "Möchtest du das Schiff sehen? Es ist ein schönes Schiff. Ja, ein gutes Schiff und ich bin sein Kapitän. So und jetzt möchte ich mich ankleiden."
"Du äh bist angekleidet, Spieß." Eigentlich hatte Zaddam zunächst vorgehabt einen betrunkenen alternden Vorgesetzten mit Brummschädel anzuherrschen und lauter Vorwürfe vom Stapel zu lassen. "Gibt es eine Nachwirkung des Klatschianischen Kaffees, die ich wissen sollte?"
"Der erste Maat wird dir unser Schiff zeigen.", sagte Atera gelassen. Zaddam hatte das Gefühl die Ruhe vor dem Sturm mitzuerleben, aber vielleicht war es auch die Ruhe nach dem Sturm. Er war sich da nicht so sicher.

"Und wo liegt das Schiff?", fragte Zaddam.
"Glaub mir, du willst es gar nicht wissen, Sir." Cim führte den Oberfeldwebel durch die Gassen von Sto Lat. Merkwürdigerweise entfernten sie sich von dem Hafen und stiegen einen grünen Hang hinauf.
"Ich kenne mich hier zwar nicht aus, aber ich weiß, dass dort unten der Ankh fließt." Zaddam deutete zur Stadt hinunter, die sie beim Gehen nun schon ein Stück weit hinter sich gelassen hatten.
"Wir gehen zu Bauer Klein, dem ehemaligen Besitzer des Schiffes.", erklärte der Obergefreite nur knapp. Zaddam Boschnigg nickte. Wahrscheinlich musste der Verlierer mitgehen und letzte Papiere aushändigen. Schließlich standen sie vor dem Hof des Bauers, ein großes Wohnhaus lag direkt schräg am Hang. Gemüsefelder erstreckten sich darum und irgendwo standen an Obstbäumen Bienenstöcke. Hinter dem Haus befand sich eine Scheune, daneben der Hühnerstall. Als sie gerade durch Salatköpfe trampelten, hielt Cim plötzlich an. Er rückte den Oberfeldwebel in eine bestimmte Position, wo er stehen sollte.
"Was soll das hier? Ist das ein bestimmtes Ritual?", beschwerte er sich.
"Nein, Sir, leider nicht. Wenn du bitte mal die Augen zusammenkneifen würdest und in die Richtung schaust in die mein Finger zeigt. Äh, denk dir einfach die Heuballen, die Tränke und die herumlaufenden Hühner weg, Sir."
Stille entstand in der Cim sich fragte, ob der Oberfeldwebel verstanden hatte was er meinte. Plötzlich erstarrte dieser und murmelte etwas.
"Ich könnt heulen."
Da wusste Cim, dass Zaddam Boschnigg das Schiff gesehen hatte.

Sie hatte einen schrecklichen Fehler gemacht, dachte Atera. Du hast gewettet, du! Und das noch vor den Rekruten! Vor Cim, vor all den anderen. Gut, Frau Willichnicht hatte nichts mitbekommen oder sie weigerte sich nur zu akzeptieren, dass das Projekt "Segel-Regatta" für die Wache gelaufen war. Vor den Rekruten gewettet, kehrte der bohrende Gedanke wieder. Aber das war es ja gar nicht. Sie hatte gewettet, ja. Ein legitimes Mittel.
Doch warum, warum nur hatte sie sich das Schiff vorher nicht angesehen!? Er hätte sogar mit ihr um ein billiges Buddelschiff in einer Flasche wetten können und sie hätte später nichts dagegen einwenden können. Wurde sie jetzt nach all den Jahren doch noch alt? War die Zeit gekommen, dass auch sie ihre goldene Uhr bekam?
Es war Rekrutin Malina, die Atera aus ihren Grübeleien hinaus riss, indem sie einfach in das Zimmer stürmte.
"Was gibt es?", fragte der Spieß.
"Haben wir Werkzeug unter dem Gepäck, Madam?", startete Malina eine Gegenfrage.
"Ja, aber was willst du damit?"
"Oberfeldwebel Boschnigg hat alle zusammengetrommelt, wir reparieren das Schiff!", erklärte Malina fröhlich, sie war wirklich von dieser Idee überzeugt. Atera lachte dagegen.
"Ihr wollt es wieder seetüchtig machen? Diesen verdreckten Hühnerstall??" Sie lachte erneut und irgendwie erheiterte sie das Ganze.
"Ja und das schaffen wir auch, Madam.", erwiderte die Rekrutin, wie Atera bemerkte etwas aufmüpfig. Dann verließ diese den Raum wieder.
"Ha, das kriegt ihr nie rechtzeitig hin! Die Chancen stehen Eins zu einer Millionen!", rief Atera ihr hinterher. Die Tür klappte zu und die Wächterin hielt inne. Eins zu einer Million… Nach einigen Minuten hastete ein Spieß der Stadtwache von Ankh-Morpork einen Hang hinauf.

Zaddam Boschnigg erwartete sie schon, als Atera den Hof betrat. Sie sah kurz zu dem Hühnerstall auf dem jetzt Cim herumkletterte und zusammen mit Galdos Heuballen herunterwarf. Selbst Frau Willichnicht war da, sie saß in einem grünen Liegestuhl und häkelte etwas. Anscheinend schien sie sehr zufrieden. Hinten auf dem Gemüsefeld stand Bauer Klein, der sich höflicherweise ein Kopfschütteln verkniff was Atera ihm hoch anrechnete. Er war ein fairer Gegner gewesen.
"Ah, ich sehe du bist auch anwesend.", begrüßte sie Zaddam.
"F.R.O.G…", tat Atera ihn ab.
"S.E.A.L.S.", gab Zaddam zurück. Beide verschränkten die Arme und starrten auf den Hühnerstall.
"Warum hat dich Rince geschickt?"
"Um nach dem Rechten zu sehen und dich zu deinem guten Vorankommen zu beglückwünschen.", sagte der Oberfeldwebel und lächelte.
"Danke."
"Hör mal, nur weil ich dich bei einem Moment der Schwäche gesehen habe….", begann Boschnigg, aber Atera unterbrach ihn.
"Schwäche? Im Dienst bin ich nie schwach."
"Und ja ich weiß, du bist immer im Dienst.", fügte Zaddam hinzu.
"Ja, denn ich bin ein S.E.A.L.S.!"
"Daran kann man wohl nichts ändern." Er kicherte und schließlich nach einigen Momenten begann Atera zu grinsen. Sie klopfte Zaddam kräftig auf den Rücken und stapfte über das Gemüsebeet. "Dann wollen wir den Stall mal wieder seetüchtig machen!"
Sie hatten noch genau zwei Tage Zeit das Schiff zu reparieren und wenigstens einigermaßen zu richten, dass es auf dem Ankh fahren konnte. Giebel stopfte die Löcher im Rumpf zu und Legobert strich erwärmtes Pech darüber. Zusammen mit Malina schaffte Atera Ordnung in den Unterbringungen, scheuchte die Hühner hinaus und befestigte das Steuerrad wieder. Cim wankte gerade mit einem Nest aus dem Schiff, das die Hühner hinterlassen hatten.
"So, also ich glaube, das war das letzte, Sir.", sagte er zu Zaddam.
"Gut, jetzt müssen wir uns nur noch um Mast und Segel kümmern."
"Mast und Segel? Hast du gesehen wie es in diesem Dings da aussieht?" Atera kletterte vom Schiff und kam auf Zaddam und Cim zu.
"Das Dings nennt man Kajüte.", berichtigte Zaddam. Atera winkte ab. Fachbegriffe interessierten sie nicht. "Es wird dunkel, wir müssen uns beeilen.", fügte er hinzu. Alle starrten nach oben in den Himmel, in dem langsam die vorbeiziehenden Sterne hervortraten.

In der Nacht kehrte Ruhe ein in Sto Lat. Nun nicht ganz. Auf einem kleinen Hof am Hang hörte man es die ganze Zeit über Hämmern, Klopfen und Rufen. Das Spektakel war sogar so groß, dass drei alte, sehr alte, uralte Männer auf ihrer großen Bank am Weg sitzen geblieben waren und mit einer Laterne ausgerüstet das Schiff anstarrten sowie die Leute, die darauf schufteten.
"Na, die haben Spaß.", sagte der erste.
"Jo, wird knapp bis Übermorgen.", bestätigte der Zweite.
"Die Chancen stehen eins zu einer Million, dass die das packen.", erklärte der Dritte. Die Männer rückten etwas nach vorne und einer der Drei hielt die Lampe höher. Sie hatten das Gefühl etwas Historischem beizuwohnen. Zwischen dem Hämmern und Klopfen ertönte ab und zu ein Schrei, gefolgt von Worten wie "Auf den Nagel schlagen, nicht auf meine Finger!" Irgendwann, es fing nun bald wieder an zu dämmern kam eine wild fluchende Untote vom Hof, trat erst einmal gegen die Bank und setzte sich dann völlig entnervt. Der Mann, der ihr am nächsten saß tätschelte sie an der Schulter.
"Na na na, hast wohl Liebeskummer?", fragte er väterlich. Atera hob den Kopf.
"Ach, ich wünscht es wär so, aber dieses verdammte, verfluchte Schiff. Nix funktioniert. Ich hab mir beinahe den Arm abgeschlagen, dann musste ich mit Frau Willichnicht diese großen Segel noch mal nähen und flicken und so. Zum Glück hatte die Bäuerin was an Laken da. Dann haben wir drei Bäume schon umgehackt, aber entweder ist das Holz nicht gut oder sie sind schlecht gewachsen oder Hörr Oberfeldwebel hat mal wieder was auszusetzen. Ein Leck lässt sich nicht richtig abdichten, irgendwo ist was verfault und Cim hat nen Holzsplitter in der Hand."
"Ja ja, ich hab früher auch mal kleine Modellschiffe gebaut.", sagte der Zweite.
"Wie kriegt man die eigentlich in die Flasche rein?", fragte Atera und blickte zu den Männern. Der Eine beugte sich vor, als habe er ein Geheimnis zu verraten.
"Rohe Gewalt und pures Glück.", vertraute er ihr an. Die Wächterin nickte leicht, als sie plötzlich merkte, dass sie unbequem saß. Irgendeine Unebenheit im Holz… Sie setzte sich auf und besah sich die Stelle.
"Da hat ja einer ne Münze drangemacht.", sagte sie voller Staunen. Die Männer nickten.
"Jo, aber die ist so fest da dran genagelt, die kriechste net ab."
Da kam der Oberfeldwebel an, in der Hand eine Axt.
"Na komm schon, Spieß. Wir müssen wenigstens noch einen vierten Baum fällen und schauen, ob wir den verwenden können. Hier, ich hab eine zweite Axt auftreiben können." Er schwang gekonnt die Axt und wartete, dass Atera aufstand, diese machte aber keinerlei Anstalten dazu.
"Setz dich erstmal. Guck mal hier, Zaddam. Einer hat ne Silbermünze an das Holz befestigt. Lustig, nicht?"
"Ja, lustig…" Plötzlich sprang der Wächter auf und deutete hektisch auf die Bank. "Da! Da! Das ist…!"
"Ich weiß, die bekommt aber keiner ab. Schade um das Geld.", erwiderte Atera und zehrte noch einmal versuchsweise an der Münze.
"Nein, das mein ich nicht. Die Bank! Die Bank ist unser Mast!", rief er aufgeregt. Es dauerte eine Weile bis er dies Atera verdeutlichen konnte, als Zaddam aber die Männer wegscheuchte und die Rückenlehne kurzerhand mit der Axt abschlug, erkannte auch der Spieß den langen Mast. Zusammen mit Giebel und Galdos trugen sie den Mast davon und dann begann die anstrengende Arbeit den Mast auf das Schiff zu bekommen.
Die drei alten Männer, nun ihrer Bank beraubt, sahen zum Hof hin.
"Unsere schöne Bank.", sagte der Erste.
"Jo." Der zweite Mann nickte weise mit dem Kopf. Der dritte wusste dem nichts hinzuzufügen und brach eine neue Flasche Whiskey an. Sie beschlossen am Hafen den weiteren Verlauf der Geschichte abzuwarten.

Es war früh am nächsten Tag, als der Mast endlich befestigt war und stand. Einige eingequetschte Finger und viel Schreierei waren dafür nötig gewesen, am Ende aber standen alle stolz davor. Selbst die Segel befanden sich auf Deck und waren rechtzeitig fertig gestellt worden.
"So, jetzt stellt sich nur noch eine Frage.", begann Zaddam.
"Wie wir das Schiff nun benennen. Gut erkannt, Oberfeldwebel.", beendete Atera den Satz. Der F.R.O.G.-Wächter wollte gerade noch einwenden, dass er das eigentlich nicht gemeint hatte, da kamen auch schon erste Namenswünsche auf.
"Ich finde, es sollte Timara heißen."
"Nein, Henry klingt gut."
"Warum nicht das Rekruten-Schiff?"
"Gold."
"Zur fliegenden Taube."
"Giebel, es ist kein Wirtshaus!", erwiderte Atera, grinste aber.
"Pfeilschneller Adler."
"Gold."
"Legobert, wir haben deinen überaus originellen Vorschlag schon gehört."
"Es hat schon einen Namen.", sagte da plötzlich Grips. Die anderen fuhren herum. Der Steuermann war mit roter Farbe beschmiert und deutete auf das Schiff hinter ihm. "Es heißt…" Eine gespannte Pause entstand. "Amalie!" Bei diesen Worten blickte Bankschenk zu Frau Willichnicht und Atera meinte für einen flüchtigen Moment ein kurzes Erröten in Frau Willichnichts Gesicht zu erkennen, dann war es aber verschwunden. Vielleicht war es nie da gewesen.
"Ich habe übrigens Gardinen gehäkelt.", sagte Frau Willichnicht in die entstandene Stille. Sie hielt lila Gardinen mit absonderlichen Mustern hoch, vereinzelt waren Blumen zu erkennen. Dann übergab sie die Gardinen Cim, der sie sofort, wie sie es ausdrückte, an die runden Fenster hängen musste.
"Wir sollten das Schiff, wenn es unten im Wasser ist, mit einer Flasche taufen.", schlug Malina vor.
"Ja, wo wir hier gerade von Wasser reden. Nun ja, Wasser im weitesten Sinne, der Ankh eben. Ich habe mir gedacht, wir legen Rollen Stück für Stück unter das Schiff und lassen es langsam vorrutschen bis es unten ist. Und an Teilen des Weges befestigen wir Polster, falls etwas passiert. Am Heck befestigen wir Seile und diese lassen wir dann langsam kommen, damit das Schiff nicht plötzlich wegrutscht. Oder wir befestigen das andere Ende an einen stabilen Baum und mit Hilfe eines Flaschen-.", begann Zaddam.
"Papperlapapp.", unterbrach Atera ihn plötzlich. "Viel zu kompliziert. Keine Zeit dafür." Mit diesen Worten ging sie zu den Balken, die das Schiff noch hielten. Langsam zog sie ihr Schwert.
"Nein, mach es nicht! Das klappt nicht!", rief Zaddam und eilte noch zu Atera, um sie davon abzuhalten. Diese schlug die Stützbalken aber schon beiseite.
"Die erste Jungfernfahrt der Amalie! Such dir deinen Weg!"
Der Oberfeldwebel konnte sich nur noch mit einem gewagten Sprung in Sicherheit bringen, als das Schiff an ihm vorbeirauschte. Als er sich wieder aufrappelte, stand Atera neben ihm und sah mit unbewegter Miene dem Schiff hinterher.
"Bist du verrückt?? Die ganze Arbeit! Und wofür?? Für nix, es wird am nächsten Baum zerschellen, der holprige Untergrund, die Steine!"
"Ja, du hast Recht. Die Chancen stehen eins zu einer Million, dass es heil unten im Ankh ankommt.", erwiderte Atera und lächelte.
"Das klappt aber nicht immer." Zaddam sah zum Schiff, das den Hang hinunterraste. Gerade war es knapp an einem Baum vorbei.
"Äh, Madam?"
"Ja, Galdos, hast du eine Frage?" Atera sah den Rekrut an und hoffte sie könnte ihm ein Stück Lebensweisheit vermitteln.
"Nein, nur eine Anmerkung.", sagte Galdos.
"Das ist gut, als Rekrut sollte man immer noch eigene Vorschläge bringen."
"Eigentlich ist es kein Vorschlag. Ich wollte nur sagen, dass sich Obergefreiter Cim Bürstenkinn noch auf dem Schiff befindet."
"Ach, ich wunderte mich schon wer da so schrie. Na, dann wollen wir ihm mal zu Hilfe eilen.", sagte Atera und in einem gemütlichen Tempo, es erinnerte eher an einem Spaziergang als an eine Rettungsaktion, ging die Wächterin den Hang hinunter. Neben ihr rannte Oberfeldwebel Zaddam in F.R.O.G.-artiger Manier Richtung Sto Lat und Hafen. Die Rekruten folgten ihm so rasch sie konnten. Am Ende watschelte nur Frau Willichnicht mit Atera zusammen Schritt für Schritt den anderen hinterher.
"Ja, im Alter, da ist man nicht mehr so schnell.", sagte sie.
"Und man wird klüger. Entweder lebt Cim und wir brauchen uns nicht zu beeilen oder er ist tot und da brauchen wir uns erst recht nicht zu beeilen.", stimmte Atera ihr zu. Aber er war ihr Kollege, sollte sie nicht auch-? Ach was, das richtige Holz geht nicht so schnell unter.

Man sagt immer, das Leben ziehe in solchen Momenten an einem vorüber, aber Cim war zu beschäftigt damit in Panik zu geraten. Er hatte gerade die letzte Gardine befestigt, da hörte er nur noch Ateras Stimme, die etwas rief und dann spürte er einen unglaublichen Ruck. Doch erst als er wieder auf das Deck kam, bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Die Landschaft zog recht schnell an ihm vorbei. Als dann der Baum auf ihn zukam, wusste Cim, dass es ernst war. Er hastete an das Steuer, rüttelte wie verrückt daran herum, schrie eine Weile und spürte, dass ihm Tränen in den Augen standen von dem beißenden Wind. Schließlich war das Schiff von der Wiese hinunter, hatte es sogar geschafft keinen Felsbrocken oder Baum mitzunehmen. Jetzt rauschte er an Häuserzeilen entlang, holperte über Kopfsteinpflaster oder etwas in der Art und wedelte den Leuten zu, sie sollen doch Platz machen.
Einige winkten zurück.
Er sollte wieder unter Deck gehen, sich hinlegen und schlafen. Wenigsten könnte er dann behaupten im Schlaf gestorben zu sein. Cim wankte über das Schiff, irgendwann hörte er etwas Knacken und beschloss dieses Geräusch nicht als positives Zeichen zu werten. Schließlich stand er vorne am Bug und starrte auf das, was noch kommen mochte. In diesem Fall der Ankh, der immer näher kam. Ein letztes Mal schrie er noch, dann prallte das Schiff an einer Kante ab, schoss darüber hinaus und kam auf dem Ankh zum Stehen. Langsam sank es in den wasserartigen Fluss und dümpelte dort dann vor sich hin. Leise Wellen klatschten gegen das Schiff.
Obergefreiter Cim Bürstenkinn beschloss ohnmächtig zu werden.

"Ci-him! Oh Cimilein! Ciiiemi! Hm, normalerweise müsste er davon aufwachen. Oh, seht mal er blinzelt."
"Nein, du hast einfach das Lid hochgerissen, das fällt nicht unter Blinzeln, Frau Spieß."
"Ich könnte ihm ein Liedchen vorträllern.", schlug jemand anderes vor.
"Danke, Frau Willichnicht, das wird ihn bestimmt aufwecken."
"Er verpasst noch den Start. Obergefreiter Cim! Haltung annehmen!"
"Cim ist ohnmächtig, Zaddam. Da kann er wohl kaum salutieren oder sonst irgendwas."
"Als guter Wächter müsste man das aber können." Jemand kicherte.
"Ankh, so blau, durch Tal und Au!", begann Frau Willichnicht zu singen. Im Hintergrund hörte man Gitarrenklänge.
"Es ist ja auch viel zu stickig hier drin. Man müsste mal ordentlich durchlüften."
"Wogst ruhig hin, dich grüßt unser Ankh-Morpork!"
"Willst du, dass er sich noch einen Schnupfen holt, Atera?"
"Dein silbernes Band, knüpft Land an Land!"
"Cim? Ci-him? Sollen wir das Fenster öffnen? Zaddam meint-."
"VERSCHWINDET AUS MEINER WOHNUNG!!!!!"
"Oh, er ist aufgewacht."
Doch leider musste Cim feststellen, dass er sich nicht in seiner Wohnung befand. Zu seinem außerordentlichem Bedauern. Er war immer noch auf dem neuen Wache-Schiff "Amalie" und wie durch ein Wunder hatte er überlebt. Zudem schien das Schiff auch noch intakt zu sein. Zum Glück hatte Cim die weiteren Aufbauarbeiten verschlafen beziehungsweise trieb zu diesem Zeitpunkt in schwarzer Bewusstlosigkeit. Jetzt war er von seinen liebenswerten Kollegen sehr sanft und einfühlend geweckt worden. Diese waren durch seinen Wutausbruch schnell nach draußen geflüchtet und man hörte dumpfe Befehle, gebrüllt von Atera oder Zaddam. Vielleicht brüllten sie sich auch gegenseitig an. Cim schwang sich elegant aus seiner Koje, so zumindest das Vorhaben, stattdessen knallte er mit dem Kopf gegen die Decke und stolperte nach vorne. Mit schmerzverzerrtem Gesicht befühlte er seinen Kopf, dann setzte er sich seine dunkelblaue Maatkappe auf und trat an Deck.
"Da, zieht das Dings hoch, befestigt das Dingsda am großen Dings und der Dingsbums muss fest geknotet werden!" Atera klatschte auffordernd in die Hände und die Rekruten eilten verwirrt hin und her ohne irgendetwas zu machen.
"So geht das doch nicht. Lass mich das lieber machen. So, Rekruten, hisst das Großsegel, belegt den Festmacher dort auf dem Poller und befestigt das Want besser an der Mastspitze und der Reling!" Zaddam grinste, als er sah, dass die Rekruten das Gewünschte erledigten.
"Ach, der Hörr Oberfeldwebel versteht was von Segeln?!", gab Atera gehässig zurück.
"Ja, zufälligerweise versteht der Hörr Oberfeldwebel etwas davon, besser als manch andere hier.", erwiderte Zaddam.
"Ach ja?"
"Na schön, wenn du meinst das du es kannst, dann tu' was du für richtig hältst..."
"Also, hallo äh Kollegen, mir geht’s auch wieder gut. Danke der Nachfrage.", mischte sich Cim zögerlich ein. Die Köpfe der beiden Vorgesetzten ruckten herum und betrachten Cim wie jemanden, der soeben aus der Kerkerdimension entstiegen war.
"Der Kapitän ist in seiner Kabine.", sagte Atera und rauschte an Cim vorbei. Eine vorübergehende Stille entstand, die nur von dem Knallen der Kabinentür unterbrochen wurde.
"Dabei ist sie gar kein richtiger Kapitän. Was hat sie nur?", fragte Zaddam Cim.
"Ich glaube, sie kann nicht einsehen, dass jemand etwas besser beherrscht als sie."
Nach diesem Satz standen beide etwas unentschlossen herum und sahen Richtung Kajüte.
"Na ja, ich bin ein F.R.O.G., da muss ich wohl einiges besser-." Zaddam hielt inne, ihm fiel wieder ein, dass er der einzige F.R.O.G. an Bord war.

Atera trommelte ungeduldig auf den kleinen Tisch. Sie wusste nicht genau warum sie ungeduldig war, aber als sie einen Schluck aus einer bestimmten Flasche nahm, ging es ihr wieder besser. Kurzzeitig ging ihr sogar das Strafgesetz für die Wache durch den Kopf. Aber IA war weit weg und dieser gute Tropfen von Jimkin Bärdrückers Whiskey sehr nah. Schließlich packte sie die Flasche aber doch weg und machte etwas was sie sonst sehr selten tat. Sie holte die Unterlagen von Rince aus ihrer Reisetasche und öffnete sie. Atera besah sich den Starttermin, morgen früh um punkt Sieben Uhr war es also soweit. Dann ging es auf große Fahrt. Die Route selbst war einfach, von Sto Lat aus nur dem Verlauf des Ankhs folgen und durch Ankh-Morpork bis zu der Stelle wo der Fluss in das Runde Meer kam. Schwierig waren eher die Konkurrenten, elf Stück hatte Rince für sie aufgelistet. Fünf davon waren Teilnehmer aus Klatsch, wobei sich die Namen anhörten, als wären es alle ein Haufen von Piraten und Verbrechern, aber bei Klatschianern konnte man nie wissen. Zumindest waren es gerissene Geschäftsleute, wenn Atera an den Kaffee dachte. Was sie mehr beunruhigte war der Umstand, dass auch die Assassinengilde ein Schiff ins Rennen geschickt hatte. Die restlichen Schiffe kamen von Gesellschaften aus Ankh-Morpork und Umgebung. Na ja, sie musste nur "Amalie" sicher durchbringen, keine allzu schwere Aufgabe. Was hatte sich der Patrizier nur dabei gedacht? Am liebsten hätte Atera ihn als Galionsfigur für das Schiff genommen und damit den Ankh durchpflügt. Aber sie hütete sich, dies auch nur zu denken.
Plötzlich klopfte es an der Türe und Galdos schaute vorsichtig um die Ecke.
"Man hört am Hafen, dass gleich Prinzessin Kelirehenna hier hin kommt und die Regeln der Regatta erklärt.", berichtete er.
"Es gibt Regeln?"
"Äh, anscheinend. Danach gibt es Essen, meinte Frau Willichnicht und wir sollen bloß nicht zu spät kommen und herumtrödeln."
"Ja, genau. Sonst wird mein schönes Essen kalt.", rief Frau Willichnicht dazwischen, dann quetschte sie sich an Galdos vorbei(wie sie das schaffte blieb ungeklärt) und stand in Ateras Kabine, die Hände fordernd in die Hüften gestemmt und sich kritisch umsehend.
"Gibt es etwas?", fragte Atera höflich.
"Ja, in der Tat. Ich musste eben erfahren, dass ich zusammen mit den anderen-." Es war bewundernswert in welcher Weise sie das letzte Wort betonte. "in einer Behausung schlafen muss.", beschwerte sie sich.
"Ja, das Schiff ist nun mal sehr klein und eng. Es gibt nur eine Einzelkabine und die habe ich als Kapitän, Frau Willichnicht."
"Nun, ich bin aber in einem Alter wo man ein bisschen Privatsfähre braucht. Es macht dir doch nichts aus, wenn ich diese Kabine nehme.", bestimmte Frau Willichnicht energisch.
"Madam, kommst du? Wir müssen zu der Versammlung.", erinnerte Galdos.
"Wir reden darüber, wenn ich zurück bin.", sagte Atera zu Frau Willichnicht. Aber natürlich kam es dazu nicht mehr, denn als Atera wieder da war, stand ihr Gepäck vor der Kabinentür und es war sinnlos mit Frau Willichnicht zu diskutieren. Hoffentlich waren wenigstens die anderen Kollegen in Ankh-Morpork froh etwas Ruhe zu bekommen.
Die Versammlung selbst war recht unspektakulär gewesen. Atera und die anderen hatten sich in die letzte Reihe gestellt und mehr oder weniger aufmerksam zugehört. Die Regeln waren sehr einfach; es gab nur eine, die Prinzessin Keli in ihrer großen Weisheit folgendermaßen formulierte: Was du dir selbst nicht wünschst, das tu auch keinem anderen an.
Nun, die Menschen(und die anderen Spezies natürlich auch) auf der Scheibenwelt fanden immer einen Weg etwas großzügig zu interpretieren, um sich genügend Handlungsspielraum zu schaffen.

In der Dunkelheit der Nacht schlichen zwei Männer über den Hafen. Sie hielten etwas in den Händen und gingen damit die Schiffe entlang. Dann standen sie vor einem Schiff, das etwas abseits der anderen lag. Alles war ruhig.
"Das dort auch?", fragte einer der Männer.
"Nein, natürlich nicht. Kannst du etwa keinen schäbigen Fischkutter von Segelschiffen für die Regatta unterscheiden?", erwiderte der andere barsch. "Gib mir mal Feuer." Nach einer Weile sah man das glühende Ende einer Zigarette, die harschen Mundwinkel des Einen lagen nun in einem rötlichen Schimmer.
"Es fehlt noch ein Schiff.", sagte der andere. Sie gingen vorsichtig zu einem Segelschiff, das neben den anderen lag. Wie ein schwarzer Scherenschnitt hob sich das Schiff vom Hintergrund der Nacht ab. Die Segel waren gerefft und man sah gerade noch wie das letzte Licht unter Deck gelöscht wurde. Sie standen eigentlich schon etwas zu lange dort, die zwei Männer, aber der Mann mit der Zigarette rauchte noch und erst als nur noch ein Stummel blieb, schmiss er ihn wuchtig den Segeln entgegen. Der andere zündete die ölgetränkte Fackel an und warf sie ebenfalls auf das Schiff.
"Tja, das war’s dann wohl." Die beiden Männer verschwanden wieder. Hinter ihnen begann das erste Knistern des Feuers.

"Schlaft schön.", sagte Atera und rollte sich in ihre Decke ein. Es war eng in der Kajüte. Acht kleine Betten füllten fast den ganzen Raum aus. Es waren gerade erst einige Sekunden des Schweigens verstrichen, in denen alle versuchten zu schlafen, da schreckte plötzlich Galdos wieder hoch, nicht ohne sich schmerzhaft den Kopf zu stoßen.
"Schlaft schön, sagte ich.", wiederholte Atera murmelnd.
"Horcht doch mal. Da draußen ist etwas. Auf dem Deck.", erklärte der Rekrut.
Alle horchten. Und in der Tat war nun ein gedämpftes Pock, Pock zu vernehmen, das beharrlich wiederkehrte.
"Vielleicht ist irgendwas nicht richtig festgezurrt.", vermutete Atera.
"Nein, das ist der Geist des furchterregenden Piraten Schwarzbart.", sagte da plötzlich Grips mit ernster Stimme.
"Wer soll das sein?", fragte Cim.
"Wie du kennst Schwarzbart nicht?" Bankschenk zuckte zusammen, als wieder das seltsame Geräusch über ihnen zu hören war. "Das ist er, dieses Geräusch stammt von ihm, er wandelt ruhelos auf unserem Deck mit seinem Holzbein.", flüsterte er weiter.
"Vielleicht ist es auch Frau Willichnicht." Atera kicherte.
"Damit macht man keine Scherze. Ich habe Schwarzbart gesehen, und ich lebe noch, das ist selten. Im Runden Meer war es, ich hatte auf einem Kutter angeheuert, der Waren nach Klatsch bringen sollte."
"Was ist dann passiert?", fragte Malina und zog die Decke höher.
"Dann kam Schwarzbart mit seinem Piratenschiff. Man sah ihn schon von weitem. Ihn und sein brennender Bart. Das Feuer stieg nur so auf und der schwarze Rauch erhob sich in die Lüfte. Manche sagen, Schwarzbart wäre so wütend, dass sich der Bart von selbst entflammte, andere meinen, er würde ihn sich mit Lunten anstecken. Neben ihm standen immer seine grausamen Gefährten, alle bis an die Zähne bewaffnet. Aber der Feuerbart, das war das schlimmste." Seine Stimme war zu einem leisen Wispern herabgesunken. Das Geräusch hörte sich wirklich an wie das Klacken eines Holzbeines.
"Ich kann den Rauch seines Bartes förmlich riechen.", sagte Cim.
"Ich auch.", stimmte Legobert zu.
Dann erst hörten sie jemanden Feuer rufen.
Das Schiff brennt, ging es Atera durch den Kopf. Sofort sprangen alle auf und rannten aufs Deck. Der Geist von Schwarzbart war nicht zu sehen und zum Glück auch kein Feuer auf ihrem Schiff. Dafür brannten zwei Schiffe weiter hinten, das Feuer hatte schon übergegriffen, aber das Wache-Schiffe befand sich sehr weit abseits der anderen und so sahen sie nur das Feuer und den rochen den Rauch, den der Wind hinüber trieb.
"Meinst du da hat jemand nachgeholfen, Madam?", fragte Giebel.
"Garantiert. Wir stellen für den Rest der Nacht Wachen auf.", bestimmte Atera.

Aber die Nacht verlief ruhig und das Feuer der anderen Schiffe konnte gelöscht werden. Zumindest sahen die Wächter keinen Brand mehr. Dann, am Morgen, war es soweit. Alle Teilnehmer der Regatta hatten sich aufzustellen. Prinzessin Keli würde das Startsignal geben. Würdevoll hielt sie ein weißes Tuch in die Höhe. Wenn das Tuch den Boden berühre, dann würde das Rennen beginnen, sagte sie. Es schien Stunden zu dauern bis das Tuch endlich gefallen war und gespannt sahen alle zu wie es vom Wind getragen dahin glitt und schließlich den verdreckten Hafenboden berührte.
"Leinen los!", rief Atera. Und dann ging es wirklich los. Die Segel-Regatta hatte begonnen. Das erste Problem bestand schon darin geregelt aus dem Hafenbecken in den Ankh zu kommen. Erstaunlichweise war Grips Bankschenk routiniert genug darin einen Weg zu finden. So verließen sie unter den ersten zehn den Hafen und begaben sich in den Fluss. Die Kunst bestand nun darin, die Segel zu reffen und hissen, je nachdem wie stark der Wind war.

Logbuch von Kapitän Atera
Kommen gut voran, Wind steht günstig, aber zurzeit letzter Platz. Rekruten zum Deckschrubben beauftragt. Zaddam unzufrieden mit letztem Platz. Des Nachts wieder mysteriöses Klopfen an Deck.


Atera lehnte an der Reling und blickte über das Schiff. Die Segel blähten sich im Wind, der Stoff flatterte und neben ihr knüpfte Giebel gerade ein paar Seemannsknoten. Legobert starrte die Silbermünze am Mast an, Grips stand routiniert hinter dem Steuer und blickte stur gerade aus. Es war eine friedliche Szenerie, wären da nicht die anderen Schiffe um sie herum und Zaddams lautes Rufen, dass eines der Segel gehisst, gerefft oder wie auch immer sein müsste.
"Weißt du, du regst dich zu sehr auf, Zad. Immer diese Hetze, wir können uns doch einfach treiben lassen.", sagte Atera und nähte einen ihrer Finger wieder an. Mittlerweile befürchtete sie langsam, dass sie irgendwann mal ganz auseinander fallen würde. Gab es ein Höchstalter, das Zombies erreichen konnten?
"Das ist der Unterschied zwischen Seals und Frogs. Wir wollen um jeden Preis den ersten Platz erreichen.", erwiderte Zaddam. Atera lachte.
"Du hörst dich schon fast an wie ein Lebender."
"He, nichts gegen uns.", mischte sich Cim ein. Er rollte ein Fass über das Deck und hielt inne. "Das Schiff neben uns kommt aber gefährlich nahe."
"Pah, die sind noch meilenweit entfernt." Atera winkte ab. In diesem Moment sprang Sir Henry mit einem hohen Satz aus ihrer Tasche und verschwand hinter der Reling. Atera wollte noch nach ihm greifen, aber es fiel nur ihre rechte Hand mit in den Ankh. Der Spieß kreischte laut auf.
"Kröte über Bord!", rief Grips noch. Cim trat an die Reling und starrte in die schlammigen Gewässer des Ankhs.
"Sir Henry…", stammelte Atera leise. Zaddam berührte sie an der Schulter.
"Es tut mir leid, aber warum hast du ihn auch nicht festgehalten?"
"Weg ist er.", sagte Cim noch, da spürte er einen Ruck und er hatte das Gefühl, dass ihn jemand geschubst hatte, da befand er sich auch schon nach einem kurzen Sturz im Ankh. Wild paddelte er um sich, schob das Wasser und den Schlamm von sich. Reflexartig wollte er atmen, besann sich aber dann eines besseren. Ich bin im Ankh, ich bin wirklich im Ankh, dachte er und ein leises Gefühl des nackten Entsetzens beschlich ihn. Cim schwamm nach oben, um aufzutauchen, in der Brühe fühlten seine Hände etwas großes wabbeliges, er wollte seine Hand angewidert zurückziehen, als er plötzlich gebissen wurde. Es konnte nur diese verdammte Kröte sein. Der Obergefreite packte sie irgendwie und mit aller Anstrengung tauchte er wieder auf. Er starrte auf seine Hand und dann auf den Klumpen Kröte, die ebenso gut ein Stück Schlamm aus dem Ankh sein könnte, wären da nicht die kleinen Augen, die ihn finster und fast vorwurfsvoll anstarrten.
"Oh, du hast ihn gefunden!", tönte es vom Schiff. Cim starrte nach oben und wich einem Tau aus, das zu ihm hinunter geworfen wurde. Mühsam zog er sich daran hoch und ließ sich ächzend aufs Deck rollen.
"Geht es dir gut?", fragte Galdos.
"Danke, außer meiner Würde wurde nichts verletzt.", erwiderte Cim.
Malina rümpfte die Nase.
"Ich glaube, der Obergefreite braucht ein Bad.", sagte sie und kicherte leicht. Atera trat auf Cim zu und entriss ihm Henry.
"Und meine Hand?", fragte sie.
"Deine Hand? Soll ich vielleicht zurückspringen und sie für dich suchen?", fragte Cim, aber bevor Atera etwas antworten konnte, setzte er hastig nach. "Es war nur rhetorisch gemeint. Wie bin ich eigentlich über die Reling?"
"Für mich sah es so aus, als ob du unglücklich ausgerutscht wärst.", sagte der Spieß ungerührt und befühlte den Arm wo eben noch ihre Hand gewesen war.
"Ich dachte, es hätte mich jemand geschubst.", murmelte Cim, sein Blick wanderte zu Atera, die ihn aber nicht ansah.
"Wie sieht es denn hier aus????", tönte plötzlich jemand, es war natürlich Frau Willichnicht, die entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlug und den Schlamm auf dem Deck betrachtete. Dann fiel ihr Blick auf Cim, der sich gerade bemühte aufzustehen.
"Du hast diese ganze Sauerei veranstaltet? Ab in die Wanne und danach Deckschrubben!", sagte sie scharf. Manchmal war unklar wer nun Kapitän auf dem Schiff war.

Auch während der Regatta sollten die Wächter kleine Berichte schreiben, um, wie es Atera formulierte, nicht aus der Übung zu kommen. Erstaunlicherweise waren sich in diesem Punkt Zaddam und sie einig. Nachdem Cim sich von seinem Erlebnis im Ankh befreit hatte, wollte er seinen Bericht mit der Überschrift "Wie ich in den Ankh fiel." bei Atera abliefern und fand sie in der Kajüte über eine Schachtel gebeugt. Daneben war das Logbuch aufgeschlagen. Er trat ein paar Schritte in den engen Raum und konnte erkennen, dass sie eine Ikonographie betrachtete. Cim war höflich genug, um dezent zu hüsteln. Sofort fuhr Atera herum und der Obergefreite machte zum ersten Mal Bekanntschaft mit einem unförmigen gebogenen Stück Metall, das an Ateras rechten Arm saß und ihm beinahe die Kehle aufgeschnitten hätte.
"Äh, was ist das?", fragte er und trat vorsichtshalber ein paar Schritte zurück.
"Toll nicht? Hat Grips mir gegeben, er meinte, es wäre noch von seinem Ururgroßonkel. Es ist natürlich nur eine Übergangslösung bis wir in Ankh-Morpork sind, aber ich glaube, der Haken wird für die nächsten Tage gehen.", erklärte Atera.
"Steht dir ausgezeichnet. Mein Bericht…" Cim kam näher und hielt ihr ein zusammengefaltetes Blatt Papier hin, dann endlich konnte er die Ikonographie erkennen.
"Bist du das? In einem… Kleid?", begann er erstaunt, da hatte Atera das Bild schon mit einem schnellen Ruck weggepackt. "Wer war der Mann neben dir in dem Anzug?", stocherte Cim neugierig nach.
"Niemand! Schon lang her, eine Ewigkeit, möchte man meinen." Die Wächterin sah Cim scharf an, dann aber wandten sich ihre Blicke wieder der Schachtel zu. "Sag, kennst du ein Hotel Savoy?", fragte sie nach einer Weile.
"Hmm, nicht das ich wüsste." Cim zuckte mit den Schultern.
"Du hast auch noch nie von einem Hotel Savoy gehört? Bist nie in Ankh-Morpork in einer Straße gewesen mit einem kleinen Platz und einem großen Haus?" Der Wächter schüttelte den Kopf und fragte sich, was das jetzt mit der Ikonographie zu tun hatte.
"Irgendwann, irgendwann…", murmelte Atera und ihr Haken am Arm kratzte über die Schachtel. "Danke für deinen Bericht, Cim. Weggetreten." [1]

"Wir lagen vor Ankh-Morpork und hatten die Pest an Bord!", sang lauthals Grips, der vergnügt mit beiden Händen das Steuerrad umgriff und sich eine Pfeife zwischen die Mundwinkel geschoben hatte. Seit die Regatta begonnen hatte, war er verändert. Irgendwie fröhlicher und redete dauernd von seiner letzten glorreichen Fahrt, wenn er nicht gerade schlechte Seelieder anstimmte. Frau Willichnicht hörte man in der Küche rumoren. Sie ließ es sich selbst auf dem Ankh nicht nehmen, um Punkt 7.05 eine Beschwerde bei einem der Wächter loszuwerden. Entweder war das Gemüse nicht mehr frisch oder es lag unerledigter Spül in der Kombüse oder die Wellen klatschten zu doll gegen das Schiff, dass man kaum schlafen konnte. Eigentlich war sie die meiste Zeit am meckern.
"Kennt ihr denn auch alle die Legende des Flussungeheuers?", fragte Grips Bankschenk, als es gerade windstill war und sie nur auf dem Fluss dahin trieben. Vor ihnen die meisten anderen Schiffe, die sich gestern einen spektakulären Kampf um den ersten Platz geliefert hatten. Sehr zu Zaddams Verdruss wollte Atera nicht mit einer von ihm ausgeklügelten Segeltechnik an den anderen vorbeiziehen. Sie zog es vor in einem Stuhl achtern zu sitzen und ihren Kapitänshut zu recht zu rücken.
"Flussungeheuer? So ein Unsinn.", gab Zaddam zurück. Grips lachte.
"Ja, das hab ich auch zuerst gedacht, aber wenn du es einmal gesehen hast. In den Tiefen des Ankhs gibt es ein gefährliches Wesen. Groß, lang, mit Schuppen besetzt und es soll zwei gewaltige Fangarme haben. Aber das weiß man natürlich nicht genau, denn im Schlamm des Ankhs ist es schwer etwas zu erkennen.", erklärte der Steuermann.
"Haben es denn schon welche gesehen?", fragte Cim, der sich mehr aus Langweile für die Geschichte zu interessieren begann.
"Oh ja. Es ist gewaltig und mit einem Schlag hat es mein kleines Boot zerstört. Ich bin nur knapp mit dem Leben davon gekommen."
"So ein Wesen gibt es nicht!", beharrte Zaddam.
"Doch, Zad.", widersprach Atera.
"Jetzt fang du nicht auch damit an."
"Hast du etwa noch nie etwas vom Flussungeheuer Elly gehört?", fragte der Spieß.
"Elly?? Welches Ungeheuer hat so einen dämlichen Namen? Ich meine, wer soll denn vor einem Monster namens Elly Angst haben? Oh, seht mal, da ist das furchterregende Flussungeheuer Elly, ich kriege solche Angst.", schauspielerte Zaddam. "Als F.R.O.G. blickt man da ganz anderen Gefahren ins Auge."
"Ach ja?" Atera wedelte drohend mit ihrem Haken.
"Ja!" Plötzlich ging ein gewaltiger Ruck durch das Schiff und irgendwo knirschte es laut.
"Das Ungeheuer, es kommt uns holen!", entfuhr es Grips sofort.
"Das klang eher so, als wären wir irgendwo aufgelaufen oder hätten einen Stein gestreift, was nicht passiert wäre, wenn ein gewisser Steuermann statt Seemannsgarn zu spinnen lieber auf den Ankh geachtet hätte.", gab der Oberfeldwebel scharf zurück. In diesem Moment kam Frau Willichnicht an Deck und schien ziemlich aufgeregt.
"Wir haben ein Leck!! So unternehmt doch etwas! Der ganze Schlamm kommt an meine Sachen!", rief sie und begann Cim zu schütteln, dass er doch gefälligst was tun solle. Sofort eilten die vier Rekruten in die Kajüte. Atera quälte sich aus ihrem Stuhl. Wenn ihrem Sohvenir was passiert wäre, ihrer guten Flasche Knieweich… Der Spieß hastete den anderen hinterher.

Logbuch von Kapitän Atera
Heute Leck im Schiff, alle zum Schlammschöpfen abgestellt, aber mit vereinten Kräften konnte eine Katastrofe verhindert werden.


"Oh nein, da kommt immer mehr. Schnell wir brauchen Eimer!"
"Ich pack doch den Schlamm nicht mit bloßen Händen an! Vielleicht ist der ja schon ätzend."

Das Leck konnte notdürftig wieder geschlossen werden. Am späten Abend dankte mir die Mannschaft noch mal für meine organisatorischen Fähigkeiten, die uns alle vor dem drohenden Untergang bewahrt haben.

"Spieß Atera? Willst du nicht mithelfen?"
"Da! Es wird immer mehr. Wir sinken!!"
"Ruhe, ich muss den Bericht für das Logbuch schreiben!", rief Atera zurück.
"Wenn die Frau Spieß es nicht nötig hat zu helfen, habe ich es auch nicht, DU trägst schließlich die Verantwortung. Ich jedenfalls bleib jetzt hier ruhig sitzen.", gab Zaddam laut zurück.
"Ja, ist ja gut, ich komme doch schon. Bin bereits auf dem Weg." Atera überlegte kurz über eine passende Formulierung wie sie alle heldenmutig gerettet hatte, nickte dann und schrieb weiter. Hinter ihr tobte das Chaos. In Frau Willichnichts Kabine klaffte unten ein großer Spalt aus dem der Schlamm sickerte und sich langsam über den Boden verteilte. Sie waren noch nicht nah genug an Ankh-Morpork heran gekommen, dass das Flusswasser eine feste Konsistenz hatte, hier in der Sto-Ebene war er flüssig genug, um das Leck zu einem kleinen Problem zu gestalten. Mit vereinten Kräften versuchten Zaddam Boschnigg und die anderen das Leck zu stopfen. Während Atera endlich auch durch das Flusswasser zu ihrer ehemaligen Kabine watete, kam ihr aufgeregt Grips entgegen.
"Wir werden sinken! Es gibt nur noch eine Möglichkeit!!", schrie er. Atera sah ihn begriffsstutzig an.
"Steuermann?"
"Erlaub mir die Ehre diese Möglichkeit mit all meiner Kraft auszuführen! Ich werde dich nicht enttäuschen!"
"Äh, ja ja, okay. Ähm, weggetreten." Atera wedelte mit ihrer Hand, um sich dann die Bescherung in der Kabine anzusehen. Vom Deck her hörte sie jemanden laut singen und zwischendurch Frau Willichnichts Stimme. "Und können wir was retten?"
"Schön, dass du auch noch kommst.", erwiderte Zaddam nur.
"Ein Kapitän hat auch andere Pflichten.", erklärte der Spieß.
"Falsche Logbucheinträge zu schreiben?", fragte Cim zurück.
"Das ist nur meine künstlerische Freiheit. Haben wir nichts, um das Loch abzudichten?" Atera beugte sich nach unten und betrachtete den hervorquellenden Schlamm, den Rekrut Galdos immer wieder mit einem Eimer versuchte aufzufangen.
"Man nennt das Leck und wir könnten einige von Frau Willichnichts Stoffkleidern nehmen. Provisorisch natürlich." Zaddam hielt inne. "Habt ihr nicht auch das Gefühl, dass wir scharf beidrehen?"
"Jetzt wo du es sagst…", begann Obergefreiter Cim.
"Ich spüre nichts. Überhaupt, warum sollte das Schiff drehen, so ein Unsinn, wir haben ja nicht vor jemanden zu-."
"Entern!!!", brüllte plötzlich jemand von oben. Dann krachte es gewaltig und Atera stolperte durch die Kabine.
"Jemand entert uns!", rief Malina entsetzt. Nach einigen Momenten gelähmten Entsetzens stürmten alle nach oben. Atera setzte schon an irgendetwas zu Brüllen, sie wusste noch nicht genau was, als ihr ein Fisch entgegen flog.
"Wer schmeißt hier mit Essen?"
"Vermutlich die da." Galdos deutete auf ein Schiff, das direkt neben ihnen lag und auf dessen Deck eine Horde Klatschianer an der Reling standen und auf das Wache-Schiff hinüberstarrten. In diesem Moment sah Atera, dass Grips Bankschenk unter den Klatschianern wütete und um sich trat und schlug.
"Da! Sie haben einen von unseren als Geisel genommen. Schnell, wir müssen ihm helfen!" Sie rannte über das Deck, nahm eines der Taue, dass irgendwo herabhing und schwenkte sich damit gekonnt zum anderen Schiff herüber. So jedenfalls der Plan. Stattdessen verfehlte sie das Tau, stolperte über irgendwas auf dem Boden, flog über Bord und schaffte es noch mit letzter Kraft sich im Holz des anderen Schiffes festzukrallen, um sich dann mühsam hochzuziehen. Kurz bevor die Naht an einem der Arme riss, hatte sie es geschafft und blickte plötzlich einem der Klatschianer in die Augen. Ein Schlachtruf musste her.
"Halsabschneider!", rief sie nur und musste an den klatschianischen Kaffee denken. Dann schlug sie dem verdutzten Mann ins Gesicht. Dieser taumelte, stürzte und bevor sich Atera zu Grips durchkämpfen konnte, donnerte neben ihr eine Planke auf das Schiff und ihre Wächterkollegen kamen ihr zu Hilfe. Ganz vorne Zaddam, der sich geschickt abrollte und gleich ein paar Armbrustbolzen verschoss.
"Im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork, ergebt euch!", rief Atera, aber niemand beachtete sie. Sie ließ ihren Blick über das Schiff schweifen, wich einem Angriff mit einem Säbel aus und dann trafen ihre Blicke den Kapitän des klatschianischen Schiffes. Er zupfte an seinem langen schwarzen Schnurrbart und grinste ihr entgegen. Der Kapitän stand auf einem erhöhten Podest achtern und Atera drang bis zu ihm vor. Dieser schwang etwas, was wie eine verlängerte große Nadel aussah.
"So sehen wir uns also wieder!", sagte er in einem brüchigen Ankh-Morporkianisch.
"Ich wüsste nicht, dass wir uns kennen.", erwiderte Atera, sie trat ein paar Schritte vor und betrachtete den Mann. Er war in feinste Kleider gehüllt, hatte lange lockige schwarze Haare und das diabolischste Grinsen, dass Atera je gesehen hat.
"Nicht? Aber du hast grüne Kleidung an. Niemand legt Käpt'n Guck herein! Du bist enttarnt, grüner Wicht!"
"Ich bin eine Wächterin, kein Grund abfällig zu werden." Atera drohte mit ihrem Haken, aber dieses Mal hinterließ es keinen Eindruck, weil ihr Gegenüber ebenfalls einen Haken besaß.
"Hah, du willst also kämpfen?" Käpt'n Guck machte einen Satz hervor und stach Atera mit seinem dünnem langen Schwert mitten ins Herz. "Hah, Sieg! Süßer Sieg!", schrie er und lachte.
"War das etwa schon alles?", fragte Atera und der Mann sah sie darauf verblüfft an. Anscheinend hatte er noch nicht viele Untote getroffen.
"Zauberei! Hinterhältige Zauberei! Nun gut, wenn du mit der Waffe nicht zu besiegen bist, dann lass uns das berühmte gefährliche berüchtigte PBHH durchführen!"
"PBHH?", fragte Atera verständnislos zurück.
"Piratenbeleidigungshakenhakeln. Äh, so ähnlich wie Fingerhakeln.", erklärte Käpt’n Guck. "Nur eben viel schlimmer."
"Verstehe." Atera fragte sich, ob in Klatsch zu oft die Sonne schien. Wahrscheinlich. Sie blickte hinter sich und sah wie ihre Kollegen verbissen mit der Mannschaft von diesem Guck kämpften.
"Wer verliert räumt dieses Schiff hier.", erklärte er und bevor Atera etwas sagen konnte hatte er seinen Haken mit dem ihren verkeilt. Zunächst stellte sich Atera etwas unbeholfen an, kannte sie doch nur Fingerhakeln, aber schließlich hatte sie den Dreh raus und stemmte sich gegen den Zug, der von Käpt’n Guck ausging.
"Du bist kein echter Gegner für mein Gehirn [2].", sagte plötzlich dieser mit zusammengebissenen Zähnen.
"Vielleicht solltest du es endlich mal benutzen.", erwiderte Atera nach einer Weile. Sie hatte schon zu viele Kneipen erlebt, dass sie nicht wüsste was zu erwidern sei. "Menschen fallen mir zu Füßen wenn ich komme."
"Auch bevor sie deinen Atem riechen?" Käpt'n Guck lachte und drängte Atera zurück.
"He, der war gemein. Du hast die Manieren eines Bettlers."
"Ich wollte nur, dass du dich wie zuhause fühlst." Wieder das eklige Lachen, während Atera spürte, dass sie am Ende des Podestes angelangt waren. "Mein Herz rast, denk ich an deine Beseitigung.", setzte Guck nach.
"Dann wäre nicht-klatschianischer Kaffee ein erster Schritt zur Läuterung." Mit einem kräftigen Satz stieß Atera den anderen Kapitän einen Schritt zurück, beinahe wäre sein Haken abgerutscht, aber er fing sich noch mal wieder.
"Ich lauf' auf glühenden Kohlen und barfuss im Schnee!", erwiderte Guck.
"Ich glaub, es gibt für dich noch eine Stelle im im äh Varietä!" Die Kraft, die in Gucks Arm steckte konnte sie deutlich spüren und ihr angenähter Arm würde nicht mehr lange halten. Aber sie durfte nicht verlieren, es ging um die Ehre. "Hast du schon eine Idee wie du hier lebend wieder herauskommst?"
"Wieso, die, die äh könntest du doch viel äh besser gebrauchen… Ach, verdammt." Atera lächelte darauf.
"Ist dir wieder eingefallen, dass ich untot bin?" Käpt'n Guck antwortete nichts und wollte sie mit aller Macht zurückstoßen, aber Atera drehte ihren Arm geschickt, so dass der Haken von Käpt'n Guck abrutschte. Sie hatte tatsächlich gewonnen.
"Wer ist jetzt der bessere, hm? Das ist die gerechte Strafe dafür, dass ihr uns geentert habt."
"Wir? Dieser kahlköpfige alte Mann ist auf uns losgegangen! Dabei waren wir gerade beim Mittagessen.", erwiderte Guck. "So etwas von unhöflich.", fügte er hinzu, während Atera fieberhaft überlegte was nun falsch gelaufen war. Hatte Grips nicht etwas davon geredet, dass es nur noch eine Möglichkeit gab? Sie musste mal in Ruhe ein ernstes Wörtchen mit ihm reden. Wenn nun Rince davon erführe, dass sie ein klatschianisches Schiff geentert hatten. Aber eigentlich hatte sie es ja nicht befohlen. Andererseits, war sie es nicht gewesen, die Grips die Erlaubnis gegeben hatte und hatte sie nicht gerade den Kapitän eines gegnerischen Schiffes besiegt und war das nicht ein klein wenig gegen die Regel der Regatta? Einerseits jedoch war alles Grips Schuld. Andererseits hatte sie ihn angeheuert und dieses Schiff hier war wirklich größer und geräumiger. Was geschehen war, war geschehen. Es wäre nur peinlich, wenn sie jetzt auf das Wache-Schiff zurückkehren würden. Rince hätte sicher Verständnis dafür, immerhin war es ein Wettkampf.
"Okay, alle mal herhören! Ich habe Kapitän Guck beim PBHH ordnungsgemäß und legitim geschlagen. Alle Klatschianer mögen das Schiff jetzt bitte verlassen. Ach ja, Leute, wir müssen unseren Kram rüberschaffen. Dank an Grips für seine glorreiche Idee ein gegnerisches Schiff zu entern."
Die kämpfende Truppe auf Deck hielt inne. Besonders die Wächter starrten Atera erstaunt an. Zaddam boxte einem der Klatschianer noch in die Rippen und richtete sich auf.
"Einen Moment, ich dachte, das wäre hier eine Rettungsaktion wegen unserem Steuermann." Cim Bürstenkinn nickte zustimmend.
"Äh ja, dachte ich auch, aber die ähm Umstände haben sich geändert. Wir übernehmen das Schiff mit Namen äh, wie heißt es?" Atera wandte sich an Guck.
"Es ist Stolzes-Schiff-das-ohne-Mühe-jede-See-bezwingt.", erklärte der Kapitän. "Du hast ehrlich gesiegt. Kommt, Männer, wir wechseln das Boot. Schließlich sind die anderen Schiffe nun schon weiter voraus, aber wäre doch gelacht, wenn wir die nicht einholen. Wir sehen uns." Er nickte Atera zu und stolzierte erhobenen Hauptes über die Planke auf das andere Schiff.
"Was für ein Ehrenmann.", meinte Malina.
"Ich an seiner Stelle würde auf Vergeltung sinnen. Besonders, wenn er merkt, dass das Schiff ein Leck hat. Wo ist eigentlich Grips?" Atera starrte in die Runde.
"Er ist tot, Madam." Legobert deutete auf einen leblosen Körper, der auf dem dreckigen Holz lag und blasse Augen starrten in den Himmel. Sofort eilten alle zum Steuermann, der in der Tat so tot war wie man es nur sein konnte.
"Armer Kerl, das mit dem Entern ist vielleicht nicht ganz astrein gewesen, aber das hat er nicht verdient.", bemerkte Atera.
"Nicht ganz astrein? Wir, die Stadtwache von Ankh-Morpork, haben ein Verbrechen ausgeübt." Zaddam hielt inne. "Grips kann nichts dafür. Er wollte uns helfen und jetzt ist er tot."
"Er hat selbst gesagt, es würde seine letzte Reise sein. Er ist tapfer im Kampf gestorben."
"Ja? Ich kann keine Wunde entdecken oder sonst etwas.", bemerkte Cim. Zaddam stimmte ihm zu.
"Er muss eine Herzattacke oder so bekommen haben.", vermutete Galdos.
"Er ist tapfer im Kampf gestorben, so werde ich es im Logbuch vermerken. Grips würde es so wollen."
"Und was schreibst du wegen dem Entern hinein?", fragte Zaddam, er nahm seinen Mantel und bedeckte damit den Leichnam. Cim zog seine Maatkappe und alle senkten den Kopf.
"Nun, dass uns die Klatschianer angegriffen haben und wir uns verteidigen mussten.", sagte Atera leise.
"Das ist nicht zufällig die gleiche Geschichte, die auch in dem Bericht an Rince stehen wird?", gab Zaddam ebenso leise zurück, während alle eigentlich um ein angemessenes Schweigen bemüht waren.
"Das hängt ganz von dir ab.", flüsterte Atera. Cim räusperte sich, nein, so hörte sich kein vernünftiges Schweigen an.
"Ach ja?", erwiderte Zaddam etwas lauter.
"Ja!"
"Was ist denn hier los????" Im Hinterkopf hatte Atera gehofft, Frau Willichnicht hätten sie zurückgelassen, aber anscheinend hatte sie es geschafft noch im letzten Moment auf das andere Schiff zu wechseln. Mit ihren tausend Taschen und Koffer.
"Grips ist leider verstorben.", berichtete Malina.
"Das weiß ich schon. Ich meine, warum hier anscheinend zwei gewisse Wächter nicht einsehen können, dass nur Thiemwörk zum Ziel führt! Habt doch ein bisschen Anstand und reißt euch am Riemen!" Frau Willichnicht redete noch viel mehr, von Zusammenhalt, von viel Thiemwörk, von Respekt und zwischendurch schwankte ihre Stimmlage zwischen gut zureden, einfach nur drauflosreden, dass keiner zu Wort kommt oder einer stimmlich etwas lauteren Art. Selbst Jahre danach erinnerte sich Obergefreiter Cim noch gerne an diesen Moment, wo er miterleben durfte, wie zwei Vorgesetzte von einer einfachen Bürgerin regelrecht zusammengefaltet wurden. Danach überließen sie Grips Bankschenk den Fluten des Ankh, so wie er es vermutlich gewollt hätte, vorher mussten sie sich aber noch eine dahin gemurmelte Rede von Galdos anhören, der irgendetwas von Schwarzbart redete und sonderbare Vergleiche anstellte. Am Ende stimmten sie alle das alte Seelied an, das Grips immer lallend gesungen hatte, wenn er betrunken gewesen war. Was natürlich nicht so häufig geschehen war, aber das Lied selbst schien nur wirkungsvoll, wenn man es lallend vortrug.

Erstaunlicherweise verliefen die nächsten Tage äußerst ruhig. Das neue Segelschiff, ein Zwei-Master übrigens, war größer, aber auch etwas schwerer zu handhaben und alle waren vorerst damit beschäftigt sich einzugewöhnen. Frau Willichnicht entdeckte merkwürdige Vorräte im kleinen Lagerraum, aus denen sie sehr, sehr interessante Gerichte fabrizierte. Bis jetzt lebten noch alle, nur Giebel kämpfte mit einer anhaltenden Seekrankheit. Es waren nur noch einige Tage bis Ankh-Morpork und mit Hilfe des neuen Schiffes und Zaddams Steuerkünsten waren sie bis auf den vierten Platz vorgerückt.
"Hisst die Segel!", rief der Oberfeldwebel gerade. Gemeinsam hatten Atera und er ausgehandelt, dass er die Befehle auf Deck gab und dieses eine Mal hatte der Spieß nichts einzuwenden. Sie beschränkte sich darauf die anderen Schiffe zu beobachten, die 7.05 Beschwerden von Frau Willichnicht anzuhören und einfach in einem Stuhl zu sitzen und "Gespräche" mit Sir Henry, der Kröte, zu führen. Mittlerweile wunderten sich die Rekruten wenigstens nicht mehr über die seltsamen Gestalten, die alle die Wache bevölkerten, wie sie es zu Anfang der Ausbildung getan hatten. Einige Wochen mit Zaddam, Cim und Atera reichten dazu aus. Sie hatten außerdem auch einen Intensivkurs "Wie begegne ich Frau Willichnicht richtig" absolviert. Die Rekruten waren überzeugt, dass dies mehr Lebenserfahrung war, als man normalerweise verkraften könnte.

Es vergingen weitere Tage, die ereignislos begannen und wieder endeten bis sie plötzlich schon so weit Ankh-Morpork nahe gekommen waren, dass der Ankh nur noch eine zähflüssige Masse war und das Schiff immer langsamer vorankam. Überholmanöver erwiesen sich als ausgesprochen langwierig und alles schien irgendwie in Zeitlupe voranzugehen. Dann kam der schicksalhafte Moment in dem das Stolzeste-Schiff-das-ohne-Mühe-jede-See-bezwingt plötzlich stecken blieb. Sie waren gefangen im Ankh und kein Schlammbrecher in der Nähe. Atera seufzte, man konnte sogar schon die ersten Dächer von Ankh-Morpork sehen.
"Verflucht, bis zum dritten Platz haben wir es geschafft und ausgerechnet jetzt kommen wir nicht vom Fleck." Zaddam schlug missmutig gegen einen der Maste.
"Na ja, dafür kommen die anderen auch nicht weit. Sieh mal, einer nach dem anderen sitzt fest."
"Wir könnten aussteigen und bis zur Ziellinie laufen.", schlug Galdos vor.
"Selten so eine… äh…" Rekruten darf man nicht entmutigen, schoss es Atera durch den Kopf. "originelle Idee gehört."
"Leider müssen wir mit dem Schiff ankommen."
"Könnten es nicht nur Teile davon sein?", fragte Cim.
"Nein, ich glaube nicht.", erwiderte Atera. "Gut, Vorschläge sind erwünscht. Also?" Spieß Atera sah sich um, aber niemandem wollte etwas rechtes einfallen. "Was machen die anderen?"
"Beobachten, was die anderen machen.", antwortete Zaddam und starrte auf die Schiffe hinter und vor ihnen. "Wir sind Wächter, das ist schon mal ein Vorteil. Wie wäre es zum Beispiel mit riesigen Rudern mit denen wir langsam und unter Einsatz aller Kräfte vorwärts paddeln?"
"Oh ja und am besten fällen wir dafür gleich einen Mast, teilen ihn in dünne Holzblätter auf und schnitzen uns ein paar hundert Ruder und engagieren gleich noch ein paar Leute, damit das ganze einen Sinn ergibt.", erwiderte Atera sarkastisch.
"Wenigstens mache ich Vorschläge.", erwiderte der Oberfeldwebel.
"Gut, wir sind vielleicht alle ein wenig überstrapaziert, der Vorschlag ist an sich gut, aber uns fehlt das Material, wollte ich sagen." Atera stützte sich auf die Reling und sah in den Ankh hinunter.
"Man müsste ihn irgendwie wieder flüssig machen.", murmelte Cim gedankenverloren.
"Zu dumm, dass wir keinen der Alchimisten bei uns haben, die wüssten sicher eine Methode.", sagte Malina.
"Oder Nass-Wet, den Regengott. Hab ich euch schon mal die Geschichte mit dem Quietscheentchen erzählt, das ich im Ankh gesucht hab?"
"Oh nein, hört einfach nicht hin.", warnte Cim die anderen. Er hatte sich die Geschichte schon mal anhören müssen und sie war nicht gerade für die Nerven förderlich, wenn man sich auf, unter oder im Ankh befand.

Während die Wächter noch nachdachten, bereitete sich man in Ankh-Morpork auf das Eintreffen der Schiffe vor. Eine rote Ziellinie war mit Hilfe der Zauberer auf den Ankh gemalt worden und Schnapper lungerte schon seit Tagen an der Siegertribüne herum und hoffte Modellsätze für Segelschiffe verkaufen zu können. Garantierte Nachbildungen(du kannst nicht beweisen von was), kein Teil fehlt(und wenn ja, dann hast du es verloren), absolut günstig und heilsam für die Nerven, war sein Werbespruch. Leider kamen immer häufiger Kunden, die meinten sich beschweren zu müssen. Löcher wären im Rumpf, aber machten authentische Lecke nicht gerade seine Modelle aus? Und die Segel wären nur dreckige Taschentücher, aber was erwartet man für diesen sensationellen Preis? Einer sagte sogar, dass seine Modelle nur aus einem verfaulten Holzstück bestehen würden. Ein bisschen Phantasie würde doch jeder besitzen, pflegte Schnapper dann zu sagen. Einige Tage vergingen in denen immer noch kein Schiff in Sicht kam. Die Zauberer verlegten die Linie etwas weiter nach vorne in der Hoffnung, dass dann die Segelschiffe schneller ankommen würden. Ein Irrtum wie sich herausstellte. Man schickte einige Späher den Ankh entlang, die nach den Schiffen suchen sollten. Als sie dann diese einige Meilen vor Ankh-Morpork fanden, praktisch nur noch zwei Tagesreisen entfernt, wurde beschlossen die rote Linie bis wenige Meter vor die ersten Schiffe zu legen. Die Siegertribüne wurde dort aufgebaut. Erste Menschentrauben bildeten sich, jemand eröffnete eine Kneipe. Danach folgten einige kleine Häuser, ein Gemischtwarenladen wurde hastig errichtet.
Dies alles glich einer Nacht- und Nebelaktion und so geschah es, dass Atera früh am Morgen von gewöhnlichem Straßenlärm geweckt wurde, sich in Ankh-Morpork glaubte und weiterschlief. Cim war der erste, der noch verschlafen aufs Deck kam und bemerkte, dass sie über Nacht wundersamer Weise vorwärts gekommen sein mussten, denn wo kam sonst die Ziellinie und der kleine Vorort auf der rechten Seite her? In einigen Metern wartete die verlockende rote Linie. Frau Willichnicht winkte mit einem Taschentuch einigen anscheinend Bekannten am Ufer zu. Cim rieb sich noch mal die Augen und starrte auf das Schild am Anfang der Straße. "Enddorf-Ziel" stand dort in krakeligen Buchstaben. An der Siegertribüne hatten sich kleine Kinder versammelt und schwenkten Fähnchen. Der Obergefreite stürmte in die Kajüte und weckte hastig die anderen, die mehr oder weniger murrend aufstanden und sich noch den Schlaf aus den Augen blinzelnd an Deck traten. Es war ein frischer Morgen, nur einige Wolken bedeckten den Himmel.
"Das… das gibt’s ja nicht!", rief Zaddam und starrte auf die Ziellinie. "Ich weiß zwar nicht wie wir das geschafft habe, aber uns trennt nicht mehr viel vom Ziel. Wir könnten gewinnen."
"Ach ja, schau die mal das Assassinenschiff neben uns an, die haben zwei riesige Paddel. Wo haben die die wohl her?" Atera deutete auf das Schiff mit den schwarzen Segeln. Die Assassinen versuchten offenbar mit aller Macht ihr Schiff zum bewegen zu bringen was ihnen aber nicht gerade gelang.
"Wir bräuchten irgendeine Apparatur, die wir vorne anbringen und die den Schlamm zur Seite drückt.", dachte Zaddam nach. Die anderen nickten.
"Wir könnten zwei lange Holzbretter nehmen, sie an beide Seiten irgendwie befestigen oder sie mit Seilen von oben her festhalten.", schlug Cim vor.
"So wie die Holzbretter dort vorne?" Malina deutete auf zwei große breite Bretter, die vor der Wand eines der Häuser lehnten.
"Ja, die wären was. Rekruten, besorgt diese Bretter!", befahl Atera, ungeachtet der Tatsache, dass noch ungefähr ein Meter Ankh sie vom Ufer trennten. Mit Hilfe der Planke aber konnten die Rekruten umständlich ans Ufer gelangen und mit großer Kraftanstrengung und zerquetschten Fingern die Bretter auf das Schiff transportieren.
"Das ist Stehlen von fremden Eigentum.", bemerkte Zaddam.
"Ich würde es eher als Borgen bezeichnen.", erklärte Atera. Beide grinsten darauf und gingen dann daran, die Bretter zu begutachten.
"Hmm, könnte sein, dass sie beim Gewicht des Schlammes brechen.", sagte Cim fachmännisch. Zusammen aber mit Oberfeldwebel Zaddam trieben sie dicke Seile auf. Diese mussten nur durch Löcher im Holz geführt werden, um die Bretter dann vorne herunterzulassen. Ein Versuch war es allemal wert. Zum Glück begann in diesem Moment der Wind zu drehen, so dass sie alle Segel setzen konnten. Ohne Unterstützung der Segel hätte das alles nämlich keinen Sinn, meinte der Oberfeldwebel, Atera nickte nur und begnügte sich damit mit Hilfe ihres Hakens am Arm zwei Löcher in die Holzbretter zu treiben. Mit einem lauten Pflopp landeten die Bretter auf dem Ankh und sanken sehr langsam ein, während Galdos und Giebel versuchten mit den Seilen die Bretter so zu bewegen, dass sie den Schlamm zur Seite trieben. Ein mühsames Unterfangen, aber irgendwie kamen sie sogar ein paar Zentimeter vorwärts. Die Segel blähten sich im Wind und ganz allmählich kam die Ziellinie in Sicht.
"Es ist zwar langwierig, aber der erste Platz wird uns gehören!", sagte Zaddam bestimmt. Die Leute am Ufer schauten kurz auf, aber mittlerweile war die Siegertribüne von den unterschiedlichsten Spezies bevölkert und alle warteten, dass endlich ein Sieger feststand.
"Zentimeter trennen uns von der Linie." Atera beugte sich vor und sah wie der Schlamm langsam zur Seite wich. In diesem Moment hörten sie laute Jubelrufe und der Spieß dachte schon sie hätten es geschafft, als neben ihnen ein winzig kleines Boot mit einem winzig kleinen Segel vorbeieilte. Ein Mann mit einem Haken an der Hand und gelockten schwarzen Haaren paddelte sich immer schneller vorwärts und bevor Atera zu einem "Aber" ansetzen konnte hatte er die Ziellinie überquert. Ein ohnmächtiges Schweigen folgte, das selbst die lauten Jubelrufe und das anschließende Begeisterungsklatschen nicht übertönen konnte.
"Dieser verdammte Guck hat uns reingelegt.", fand Atera endlich ihre Worte wieder. Die Wächter bemerkten noch nicht mal, dass sie in diesem Moment als zweiter die Linie passiert hatten.
"Raffiniert, er ist einfach auf ein kleineres Boot umgestiegen.", bemerkte Zaddam anerkennend.
"Ist das nicht gegen die Regeln?", fragte Galdos.
"Leider nein.", antwortete Cim.
"Na ja, was solls. Zweiter Platz, schwamm drüber. Ich will endlich wieder nach Ankh-Morpork.", sagte Atera und nickte Käpt'n Guck zu, der gerade zum Ufer steuerte und sich feiern ließ.
"Hast du etwa Heimweh?", fragte Zaddam nach.
"Natürlich nicht. Wir S.E.A.L.S. kennen solche Senti..Senta…Gefühlsduselei nicht."
"Ach ja?"
"Ja!"

"Ein Klatschianer hat also gewonnen?"
"Ja, Exzellenz. Für kurze Zeit sah es so aus, als würde die Stadtwache gewinnen, aber zum Glück hat dieser Kapitän Guck gewonnen."
"Sehr gut." Lord Vetinari gestattete sich ein Lächeln. Nicht auszudenken, was es für wirtschaftliche Konsequenzen gehabt hätte, wenn kein Klatschianer gewonnen hätte. Dieses Volk wollte immer und überall gewinnen, nun warum nicht? Der Handel mit Klatsch florierte weiter. Der Klügere gibt nach.

Kommandeur Rince lehnte sich zurück und biss herzhaft in eines der belegten Brötchen, die ihm seine Frau gemacht hatte. Dann sah er sein Gegenüber an und nickte anerkennend.
"Zweiter Platz ist ein gutes Ergebnis. Wir können stolz auf uns sein."
"Na ja, beinahe hätten wir auch den ersten gemacht.", erinnerte Zaddam.
"Dass ihr alle heil zurückgekommen seid, ist schon gut genug. Ich habe gemerkt, dass die Wache euch hier doch nicht ohne weiteres entbehren konnte. Ist eigentlich irgendwas Besonderes vorgefallen während der Reise?", fragte Rince.
"Och, im Groben und Ganzen… Ich meine, es würde den Rahmen sprengen, das jetzt alles zu erzählen.", antwortete der Oberfeldwebel nach einigem Zögern.
"Gut, ich hab ja eure Berichte. Weggetreten." Rince salutierte halbherzig und Zaddam wollte schon gehen, als er diesen noch einmal zurückhielt.
"Ach, Zaddam."
"Ja?"
"Du bist befördert. Weggetreten."
Rince meinte ein Lächeln auf Zaddams Gesicht zu sehen, als dieser aus dem Büro verschwand. Der Kommandeur biss wieder in das Brötchen und blickte auf ein dünnes Lederbuch, dass Atera als ihren Bericht abgegeben hatte. Merkwürdigerweise begann es folgenderweise:
Logbuch von Kapitän Atera
Rince schmunzelte und begann zu lesen.
[1] Was es mit dem Savoy auf sich hat, wird in der nächsten Single verraten.

[2] Alle Beleidigungen mit hoffentlich freundlicher Genehmigung aus der Monkey Island Reihe.




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Feedback:

Von Ecatherina Erschreckja

04.02.2002 21:22

Also ich finde, es hätten 15 nicht-vorhandene-Punktäh werden sollen. Ich hab dauernd lachen müssen bei der Single. Vorallem das Schiff, das sie restaurieren haben müssen, oder Cim, der unfreiwillig Bekannschaft mit dem Ankh schloss. Auch hat mir Frau Willichnicht sehr gut gefallen, vor allem, wie sie versuchte, den Tiemgeist zu wecken. Da sieht man doch andere Seiten an ihr. Das Monkey-Island parodiert wurde, fand ich nicht schlecht, musste aber net unbedingt drin sein. Die Single war auch so genial.

lg, Eca

Von Atera

08.02.2002 12:49

Ja, jetzt muss ich mich ja doch mal dazu äußern. Erst mal danke für eure Kritik.
Also wegen dem grün, äh, ja, war vielleicht was unpassend, aber vielleicht hat Guck mich ja mit jemanden verwechselt, wer weiß. ;)Huch, ich kritisier mich selbst. Äh, muss gehen. Hoffe es kommen noch mehr Leute mit Kritik für mich.

Von Zaddam Boschnigg

09.02.2002 23:56

*hat Tery schon über Tele kritisiert*

Von Atera

10.02.2002 03:39


Oh ja. *sich schweren Herzens von den Hochbetten trennen musste* (o;

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