Buch-Panik

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von Wächter Dragor Nemod (GRUND)
Online seit 26. 12. 2001
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Dragors Notizbuch wird geklaut und wenn er es nicht zurückbekommt, kann er nie mehr schlafen...

Dafür vergebene Note: 10

''Aaaalso'', sprach Ausbilderin Knurblich gedehnt und wanderte vor ihrem neuen Rekrut auf und ab ''dies, Neuling, wird dein erster Fall sein''
Dragor notierte fleißig. Er litt unter einer mysteriösen Krankheit. Jedes Mal wenn er einschlief verlor er sein Gedächtnis, musste daher alles notieren.
Die Wergnomin spähte zu ihm hinauf und suchte vergeblich nach seinem eckigen Gesicht hinter dem mit vielen selbstgemalten Schnörkeln verzierten Buch ''Hörst du mir überhaupt zu?'' rief sie erbost
''Was?'', Dragor blickte am Buch vorbei zu der angesäuerten Venezia ''Oh, Ja! Ähm... um welches Vergehen handelt es sich?''
''Unlizenzierter Diebstahl. Hier ist die Adresse. Dürfte nichts besonderes sein. Bei ihrer Meldung hat die Geschädigte nicht angegeben was gestohlen wurde.'' Venezia reichte ihm einen Zettel, welchen er aufmerksam las. Dann schrieb er die Adresse feinsäuberlich ab, und umrandete sie zweimal.
''Ich werde mich sofort auf den Weg machen!'', er salutierte und murmelte ''Gleich nachdem ich auf dem Abort fertig bin...'', und stapfte in die entsprechende Richtung.

Einige Zeit später klopfte es an die Türe von Frau Habnixmehr.
Die alte, bucklige Frau öffnete ihre Türe und sah...
nicht besonders viel ohne ihre Brille.
''Ich will nichts Spenden!'' keifte sie
''Aber hören sie, ich bi...'', weiter kam Dragor nicht als auch schon die Türe seine Nase flachdrückte.
Wieso konnte er nicht energischer auftreten?
Also, noch mal! Dachte er bei sich. Und diesmal straffer! Energischer! Bestimmender! Du kannst das! Du bist ein echter Mann! Du repräsentierst einen Stadtstaat! Du lässt dich nicht von einer gebrechlichen Alten mit grauen Haaren und Falten so tief wie... wie... na wie etwas sehr tiefes eben aufhalten!
Er klopfte zaghaft.
Die alte Dame öffnete wieder, deutlich sauer.
''Ich sagte doch schon...''
''Hören sie,'', unterbrach Dragor sie unsicher ''ich komme von der Stadtwache...''
''Warum sagen sie das nicht gleich?'' Die Frau schien zu keiner anderen Tonlage fähig zu sein als zum Kreischen, wobei sie auch eine recht feuchte Aussprache an den Tag legte, und dadurch ihren Gesprächspartner bei längerer Konversation zwangsläufig dazu brachte seine Kleidung zu wechseln.
''Ähm...äh...was musste ich noch als erstes Fragen?'' Murmelte Dragor mehr zu sich als zu der alten Frau.
Er griff nach seinem Notizbuch.
Das heißt er wollte danach greifen. Die für das Buch vorgesehene Ledertasche enthielt nur einen Zettel.
Diesmal war es die Bestohlene, der die Türe vor die knollige Nase gedrückt wurde.

Die Türe von Leutnant Knurblichs Büro prallte zitternd von der Wand zurück. In der Tür stand eine 170cm große, beinahe athletisch gebaute und dennoch keuchende Gestalt. Im Zimmer fuhr die Bewohnerin vor Schreck zusammen.
Die Ausbilderin war empört ''Rekrut Nemod, was soll das? Haben sie den Diebstahl aufgeklärt?''
''Nein... noch nicht...'', presste der Gefragte zwischen seinem heftigen Keuchen hervor ''Aber... ich habe... ein... anderes... Problem... bei dem... sie... mir... hoffentlich... helfen... können!''
''Nun,'', die Gnomin entspannte sich als sie begriff das dies wohl kein Anschlag war ''wenn das so ist, wie kann ich behilflich sein? Und warum keuchen sie so?''
Dragor näherte sich Venezia und zeigte ihr den Zettel aus der Buchtasche, den er bisher in der krampfhaft geballten Faust gelagert hatte.
''Ich... bin gerannt. Vom... Tatort aus.'', brachte er hervor als sein Atem sich beruhigt hatte und sein Herz nicht mehr aus der Brust springen wollte '' Können... sie mir sagen... was das ist?'', fragte er mit fast panischer Stimme.
Der Leutnant untersuchte das kleine Stück Papier das ihr vorgelegt worden war.
''Das ist... eine Quittung der Diebesgilde, glaube ich. Sie betrif...''
''Wie war das?'', Unterbrach Dragor, nun mit deutlicher Panik in der Stimme ''Diebesgilde?''
''Ja... Ach ja, daran kannst du dich ja nicht erinnern... nun, lass es mich dir erklären. Die Diebesgilde von Ankh-Morpork funktioniert folgendermaßen: Sie, also die Diebe mit Gildenlizenz, dürfen jährlich eine bestimmte Quote Diebstähle ausführen, und müssen den Opfern Quittungen ausstellen, um zu beweisen das es zur Quote gehört. Unlizenzierte Diebe werden der Gilde übergeben. Der letzte Gefasste hängt nun als Wetterhahn auf dem Dach der Gilde. Deine Quittung betrifft...'', sie las noch einmal genau nach '' Ein Buch. Was denn für ein Buch?''
Dragor überging die Frage. In seinen Augen glänzte Verzweiflung.
''Wo ist diese Diebesgilde?''
Venezia erklärte ihm den Weg und er lauschte mit offenem Mund.
Als sie mit der Erklärung zu Ende gekommen war spürte sie einen kalten Luftzug, ihre Bürotür knallte zu, und Dragor war weg.

Eine Stunde später fand eine gutgelaunte Venezia Knurblich einen verzweifelt-miesgelaunten Dragor Nemod auf einer Bank im Warteraum sitzend.
''Ah, Rekrut Nemod, haben sie den Fall gelöst?'' fragte die Gnomin.
''Nein.'' Antwortete Dragor einsilbig. Er sah aus wie eine Puppe der die Fäden durchgeschnitten worden waren*
''Was wolltest du bei der Diebesgilde?''
''Mein Buch holen.''
''Und? Erfolg?''
''Nein.''
Venezia legte ein Buch vor ihn. ''Hast du das gesucht?''
Dragor sah das Buch und sprang vor Freude fast aus der Hose.

Es war eine Premiere.
Es klopfte zum dritten mal am selben Tag bei Irma Habnixmehr.
''Sie schon wieder!'', regnete Dragor ihre feuchte Aussprache entgegen als die Tür sich öffnete.
''Ja, ich bin nun bereit den Tatbestand aufzunehmen!'', Antwortete der angefeuchtete ungebrochen fröhlich. Er nahm sein Notizbuch zur Hand las darin, wobei seine hellgrünen Augen hin und her flitzten, und zückte dann einen Stift. ''Also, wie ist ihr Name?''

''Irma Esmeralda Ursula Gitta Habnixmehr!''
Dragor notierte.
''Sie haben einen unlizenzierten Diebstahl gemeldet, ist das korrekt?''
''Ja, weshalb sollte ich mir sonst von ihnen Löcher in den Bauch Fragen lassen?''
Dragor schrieb die komplette Antwort auf.
''Was wurde gestohlen?''
''Meine Brille.''
''Welchen Wertes war das Diebesgut?''
''Ohne die Brille bin ich blind wie ein... ein... na ein sehr blindes Dingsbums eben!''
Auch dies wird von Dragor in allen Einzelheiten vermerkt. Er steckte das Notizbuch in die neue, mit einem Schloss versehene, Buchtasche und verriegelte sie.
''Dürfte ich mich ein wenig umsehen?''
''Wenn’s sein muss...'' keifte Frau Habnixmehr und trat zur Seite.
Dragor trat in die Wohnung ein, die, wie er nun bemerkte, aus nur einem kleinen Raum bestand. Der Raum war mit allem möglichen Krams vollgestopft. Jede Menge Dinge, die nur Erinnerungsstücke sein konnten, weil sie sonst kein Mensch freiwillig in seiner Wohnung behalten hätte.
Auf einem kleinen, mit einer gewaltigen Last kleiner Tonfiguren gestraften, Tisch lag eine Brille.
''Ist dies ihre Brille?'', fragte Dragor die Alte.
''Woher soll ich das wissen,'', schrie die Besitzerin zurück ''Ich kann nichts erkennen!''
Dragor setzte ihr die Sehhilfe auf.
''Jaaaaaaa! Das ist sie! Danke junge Mann!''
Dragor vermerkte die Worte ''Fall gelöst'' in seinem Buch.

Kurze Zeit später betrat Dragor fröhlich das Büro von Leutnant Knurblich.
Er salutierte ''Erstatte Bericht, Leutnant Knurblich Ma'am! Frau Irma Habnixmehr meldete den unlizenzierten Diebstahl ihrer Brille. Sie hatte die recht unauffällige Brille jedoch aufgrund der mangelnden Sehkraft nicht gefunden. Es lag in diesem Fall folglich keine Straftat vor.'', Er salutierte erneut und lächelte das zufriedene Lächeln eines Jungen der für seine Hausarbeit mit einem Lutscher belohnt wird.
''Gut, gut, Rekrut Nemod.'', erwiderte die Ausbilderin, nickte anerkennend und lächelte ebenfalls ''Zumindest für ihren ersten Fall.''
Als Dragor das Büro nicht verlies fügte sie hinzu: ''Das wäre alles. Sie können wegtreten, Rekrut.''
''Darf ich eine Frage stellen, Ma'am?''
''Ja, was denn?''
''Woher hatten sie mein Notizbuch?''
''Ein Wächter hat aus Versehen einen Dieb angerempelt. Dabei muss ihm das Buch runtergefallen sein, und der Wächter gab es bei mir ab. Sonst noch Fragen?''
''Nein Ma'am!''
''Wegtreten!''

Diesen schönen Tag hat Dragor mit einer roten Umrandung in seinem Notizbuch markiert, die Seite kopiert, eingerahmt und über sein Bett gehängt.

*dieses Sprachbild erscheint in jeder guten Geschichte irgendwann




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