Verrückt ist wer dies liest

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von Spieß Atera (SEALS)
Online seit 07. 12. 2001
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Immer mehr Leute in Ankh-Morpork werden von den neu entwickelten "Verrückt-ist-wer-dies-liest" Zetteln vereinnahmt!
Was passiert, wenn man so etwas liest, könnt ihr euch denken!!
Löst den Fall!

Dafür vergebene Note: 14

"Verrückt ist wer dies liest. Hmm, komisch, was hat das zu bedeuten?", sagte der Mann und betrachtete den Zettel. Dann, erst ganz langsam, verwandelte sich sein Blick in ein ungläubiges Staunen. Niemand weiß was Herrn Hilck zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf ging, aber es musste etwas merkwürdiges sein. Der Mann nahm den Zettel und stopfte ihn sich in den Mund, um herzhaft darauf herumzukauen. Schließlich hob er seinen Hut vom Kopf, trat mit dem Fuß ein Loch dadurch und watschelte in einem merkwürdigen Ga
ng über den Hiergibt's-alles-Platz.


"So, das ist also dein Karren, ja?"
"Aber wenn ich es doch sage, Madam." Der Mann knetete nervös seine dünnen Finger. Atera betrachtete abwechselnd den heruntergekommenen Karren und die zwei Männer am Straßenrand, die sich augenscheinlich um diesen jenen Karren gestritten hatten. Beide hatten blaue Flecken am Körper, der Ältere ein zu geschwollenes Auge, dafür der hagere schlecht rasierte Mann eine blutige Nase.
Irgendwer hatte die Wache verständigt.
"Er lügt! Dieser Karren hat schon meinem Urururgroßvater gehört.", widersprach der andere Mann, der sich als Pete, Zulieferer und Abholer von Dingen, die keiner und andere brauchen, ausgab. Atera klopfte probeweise gegen den Karren, hinten klapperte kurz ein Holzstück, dann fiel es in den alltäglichen Dreck der Straße.
"Na, wer ist hier der Lügner, meine verstorbene Frau-möge sie selig im Himmel sein- hat diesen Karren von deinem Onkel erhalten, als Hochzeitsgeschenk, jawohl!", beharrte Bud Korkenzieher, der Mann mit der blutigen Nase. Er ballte die Faust, Leute sammelten sich an der Kreuzung und hofften darauf, dass eine weitere Prügelei stattfinden würde.
"Also meine Herren, wir müssen jetzt eine gütliche Einigung treffen." Atera dachte daran, dass der Karren nicht mal die Mühe ihres Herkommens rechtfertigte. Nur ein Haufen Schrott. Aber einige Kutschen kamen zur Kreuzung und da der Karren die Straße blockierte entstand ein kleiner Tumult, wüste Beschimpfungen wechselten hin und her, Schaulustige drängten auf die Straße, um besser sehen zu können. So hatte Atera alle Hände voll zu tun, um irgendwie die zwei Männer zu beruhigen, die Menschen zurückzudrängen
und auf der Kreuzung platz zu schaffen. Sie war gerade mitten im Geschehen, schrie wild in die Menge und machte allerhand Gesten, was noch mehr Chaos hervorrief. Ein ungeduldiger Einspänner raste über die Kreuzung, stieß eine alte Frau um was sich in einem lauten Geschrei äußerte. Atera notierte sich genervt das Kennzeichen des Rasers, als die zwei Männer sich wieder wie zwei kleine Jungen auf der Straße balgten.
In diesem Moment zupfte sie jemand an ihrem Jackenärmel. Atera fuhr herum und brüllte ein lautes "WAS???" ohne genauer darüber nachzudenken. Vor ihr stand ein ziemlich überrascht aussehender Cim Bürstenkinn, der ihr einen Zettel entgegenhielt.
"Äh, eilige Mitteilung von Schmiedehammer."
"Oh." Ateras Tonfall wurde etwas leiser, sie entrollte den Zettel und starrte darauf. "Holde Timara, ich weiß nicht wie ich es dir-." Cim entriss ihr ruckartig den Zettel und drückte ihr hastig einen anderen in die Hand.
"Das war der Falsche! Äh, den hier, ja den." Der Obergefreite wischte sich Schweiß von der Stirn und eine leichte Röte stieg in sein Gesicht. Atera war aber zu sehr in ihrem Arbeitstag als Verkehrsexpertin vertieft, dass sie nicht darauf achtete und nur den Zettel las.
"Frau Willichnicht?", fragte sie zögernd. Cim nickte. Von der Kreuzung her hörte man das Blöken eines Esels, und das Aufschreien eines Mannes. Dann lautes Krachen.
"Heute Morgen kam sie aufgeregt herein und behauptete, dass ganz Ankh-Morpork verrückt geworden sei."
"Das fällt ihr erst jetzt auf?"
"Nun, sie meinte, dass ein gewisser Herr Hilk, anscheinend ein guter Bekannter verrückt geworden sei. Sie sprach von irgendwelchen Zetteln, die ein Clown verteilt hätte, keine Ahnung was sie-."
"Entschuldige mal kurz.", unterbrach Atera abrupt und stapfte über die Kreuzung, die nun völlig unübersichtlich geworden war. Menschen, Tiere und Karren schoben und drückten sich gegenseitig, weil es hier offensichtlich mal etwas Interessantes zu sehen gegeben hatte. Es war erstaunlich wie schnell sich solche Neuigkeiten in Ankh-Morpork rumsprachen. Die Untote überquerte die Straße in einem äußerst schnellen Tempo, was auch daran lag, dass einige klug genug waren beiseite zu treten. Dann war Atera bei dem
alten Karren angelangt, ohne eine Miene zu verziehen zog sie ihr Kurzschwert und hieb mit einer solchen Kraft auf den Karren, dass er schon beim ersten Schlag auseinander brach und in wertlose Holzstücke zerfiel. Die kämpfenden Männer hielten inne. "Jetzt hab ich aber genug von euch!! So, jetzt gibt es keinen Karren mehr, um den ihr euch streiten könnt!" Atera wandte sich an die Schaulustigen. "Und ihr da, verschwindet von der Kreuzung oder ich melde euch beim Patrizier wegen unerlaubtem Straßentheater!!
"
Wie morgendlicher Nebel lösten sich die Männer und Frauen äußerst rasch auf. Jeder wusste was die großen schmerzhaften Nachteile des Straßentheaters war. Schließlich leerte sich die Straße. Atera lächelte zufrieden und kam zu dem Wächter zurück.
"So, Cim, was wolltest du noch sagen?"
"Feuerholz! Schönes, trockenes Feuerholz!", rief Pete über die Kreuzung.
"Äh, nun wie schon in dem Zettel steht, Schmiede meint du solltest Frau Willichnicht einen Besuch abstatten.", berichtete Cim. Atera starrte ihn verdutzt an.
"Ja, aber wieso denn ich?! Was ist mit dir? Hast du im Moment etwas Dringendes zu erledigen?" Die Wächterin sah Cim scharf an.
"Feuerholz? Du verscherbelst den schönen Karren als Feuerholz?", sagte der andere Mann.
"Du bist ja kein Geschäftsmann, man muss aus allem Profit schlag-."
"Feuerholz! Kauft das billigste Feuerholz!"
"He, das war meine Idee. Und mein Feuerholz!"
"Ach ja! Na komm her, dir zeig ich's!"
Atera seufzte schwermütig.
"Lass uns ein paar Straßen weitergehen, da ist es ruhiger."

"Klein-Jooorrg, heb nichts von dem dreckigen Boden auf." Die Frau mit dem komischen Hut, der mehr an einen kompletten Obststand erinnerte, zog energisch an dem Arm ihres Kindes, das gerade etwas auf der Straße entdeckt hatte. Es ließ einen ekelhaften rot-weißen Lutscher fallen, den sich ein Bettler dankbar griff, während ein Dieb der abgelenkten Frau die Geldbörse aus der geschmacklosen Handtasche entwand und eine Quittung der Diebesgilde hinterließ. Klein-Jorg aber hatte einen Zettel gefunden, er wollte
gerade prüfen wie widerstandsfähig das schmuddelige Papier sein konnte, da entriss die Mutter ihm den Zettel, um ihn angewidert wegzuschmeißen. Kurz davor fiel aber ein leichter Blick auf das Geschriebene.
"Verrückt ist wer das liest.", murmelte sie und schüttelte verständnislos den Kopf.
Nach einer Weile konnte der Junge beobachten wie seine Mutter plötzlich anfing wild zu kichern und nicht mehr damit aufhören konnte.

"So, besuchen wir Frau Willichnicht."
"Wir? Aber Schmiede-.", warf Cim Bürstenkinn ein.
"Schmiede, Schmiede, der redet viel, wenn der Tag lang ist. Du bist doch neue S.E.E.G.U.R.K.E., oder?", unterbrach ihn wieder Atera.
"Ja, deswegen muss ich doch nicht gleich Frau Willichnicht-."
"Das ist das ideale Training, du bist Obergefreiter, da musst du dankbar um jeden Fall und jeden Auftrag sein. Am besten du nimmst uns Höhergestellten immer etwas Arbeit ab. Hast du nicht mal Lust meine Berichte zu schreiben?" Cim wollte entrüstet etwas darauf sagen, doch Atera ließ ihn wieder nicht zu Wort kommen. Sie standen gerade in der Nähe des Patrizierpalastes und Atera ließ prüfend ihren Blick schweifen. "Hmm, hat Frau Willichnicht jemals einen Wohnung, eine Adresse in welcher Art auch immer, ange
geben? Wenn es so war, erinnere ich mich nicht mehr."
Cim war noch dabei sich etwas Passendes zurechtzulegen was er der Verkehrsexpertin sagen konnte, da ging Atera auch schon weiter.
"Also langsam habe ich das Gefühl ich bin nur da, um als Unwissender dazustehen. Wohin gehst du jetzt?", fragte er und eilte dem Spieß hinterher.
"Zum Markt.", antwortete Atera knapp, merkwürdigerweise begann sie dafür die Ulmenstrasse, den Weg rechts neben den Schatten entlang zu gehen.
"Was willst du auf dem Markt? Ich dachte." Er überlegte kurz. "Aha, ich verstehe, wir wollen Frau Willichnicht auf dem Markt erwischen.", schlussfolgerte Cim. Atera nickte, dann hielt sie so plötzlich inne, dass Cim beinahe gegen sie gelaufen wäre. Mittlerweile ein wenig genervt, wollte er sie anblaffen, als sie anfing zu reden:
"Ich frage mich, ob du den Markt überhaupt aushalten wirst, der Buttermarkt ist nichts für schwache Gemüter."
"Na hör mal, ich werde doch noch so einen lächerlichen Markt besuchen können, wenn Frau Willichnicht das kann."
"Frau Willichnicht ist auch eine waschechte Ankh-Morporkianerin." Atera lachte. Cim würde sich schon wundern. Auf dem Buttermarkt wurde längst nicht mehr nur Butter verkauft. Während sie jetzt so weitergingen, erging sich Atera nur über Beschreibungen des Marktes.
".und pass auf gleich wird dir der typische Geruch von frischem Blut in die Nase steigen."
"Ich kenn den Geruch von frischem Blut nur zu gut.", brummelte Cim.
"Alles ist dort dreckig und ich mag gar nicht dran denken, dieser Kampf um jedes Stück. Ein Wust aus Menschen, stinkenden Tieren, Abfällen, toten Tieren und diese Fliegen. Überall summen sie." Die zwei Wächter waren nun gerade an der Kreuzung Grubengasse/ Ulmenstrasse vorbei, der Marktplatz kam näher. Atera erinnerte sich, dass sie dort manchmal Frau Willichnicht einkaufen gesehen hatte, aber bevor die Frau die Wächterin sehen konnte hatte sie sich immer aus dem Staub gemacht. Hoffentlich hatten sie jetzt
Glück und diese Frau Willichnicht mit einem anscheinend nicht auf morgen aufschiebbaren Problem war dort. Dann endlich bogen die zwei Wächter in den Buttermarkt ein.
"So, Cim, nicht erschrecken, aber hinein ins Getümmel aus Blut, Fleisch und alles ohne jedes Maß an Hygiene." Atera und Cim traten auf den Platz, Atera wollte noch gerade vorschlagen, dass Cim ruhig den Blick abwenden könnte, als dieser sich gegen die Wand lehnte und leise kicherte. Die Wächterin starrte auf den Platz auf dem das eigentliche Schlachtfeld des Lebens toben sollte. Ja und wie es tobte.
"Du kannst aufhören zu lachen, Obergefreiter Cim." Dieser schnaufte noch kurz und wischte sich einzelne Tränen aus dem Gesicht. Dann blickte er wieder auf den Platz und musste ein weiteres Kichern herunterkämpfen.
"Das ist also der berüchtigte, sich selbst zerfleischende Buttermarkt.", sagte er nach einer Weile.
"Normalerweise ist es hier voller." Sie traten über den Platz zu dem einzigen Stand in der Mitte. Ein kleines Kind mit einem Rad in der Hand lief über das Kopfsteinpflaster. Dann war es wieder still. Der Marktstand, eigentlich nur ein aus Brettern gezimmerter Verschlag, war umdrängt von der großen Anzahl einer einzelnen Person. Es war Frau Willichnicht, die in diesem Moment ein Päckchen vermutlich nicht frischer Butter einpackte. Der Verkäufer sah die Wächter und wedelte gleich aufgeregt mit seinen großen
Händen.
"He, dat ihr mir nich meine Kunden verscheucht.", sagte er ungeachtet der Tatsache, dass sonst niemand auf dem Platz war.
"Wo sind die anderen Stände?", fragte Atera. Der Verkäufer winkte ab und murmelte etwas von schlechten Zeiten und dem härtesten Winter aller Zeiten. Es war immer der härteste Winter aller Zeiten.
"Frau Willichnicht?"
Die Frau drehte sich um und als sie die Wächter sah geschah etwas sehr bemerkenswertes mit ihrem Gesicht, es verdüsterte und erhellte sich gleichzeitig.
"Sehr gut, dass ihr hier seid. Aber last uns beiseite gehen, die Leute reden sonst unnötig.", antwortete sie und packte Cim am Arm, der hilflos einige Schritte weggeführt wurde. Die gesamten Leute auf dem Platz beobachteten die Szene genau und drapierten sehr beschäftigt einzelne Butterstücke völlig sinnlos hin und her.
"Also, was gibt es denn jetzt?", fragte Atera ungeduldig und neugierig zugleich.

"Sir, das wurde gerade abgeben, Sir." Ein Diener reichte dem Baron ein auf einem goldenen Tablett liegenden Zettel. Eine wulstige dicke Hand nahm das Zettelchen auf und zurückgelehnt in einem Sessel faltete er das Papier auseinander. Der Diener sah nur den Rücken des Sessels, als er bemerkte, dass sein Herr den Zettel fallen gelassen hatte und plötzlich und überraschend aus dem Ohrensessel hervorsprang.
"Ha!", rief der Baron und mit einem samtenen weinroten Bademantel bekleidet forderte er den Diener auf sein Schwert zu holen. Der Bedienstete dachte ein wenig über diese doch ungewöhnliche Bitte nach, dann aber brachte er ein mächtiges Schwert. Sobald der Baron das Schwert in den Händen hielt, lachte er irre. Schließlich rannte er in den Vorgarten, um so wie er es ausdrückte, kleine gemeine Wichtel in dem hohen Gras zu jagen, die würden ihn schon lange ärgern.
In einer der folgenden Stunden sah die Baronin einmal aus dem Fenster und erblickte einen Verrückten, der offensichtlich so wild mit einem Schwert auf ihre preisgekrönten Blumen einhackte, dass Erde und Gras in hohen Bögen umherwirbelte.

"Die Leute. die werden verrückt. Ich habe es genau gesehen, das ist so was wie eine Unterwanderung.", erklärte Amalie Willichnicht wichtigtuerisch. "Der Herr Hilk zum Beispiel, er redet nur noch von merkwürdigen Dingen, komplett irr ist der geworden. Und dann habe ich gesehen wie jemand was vom Boden aufhob. Ich meine, ich guckte deshalb hin, weil das macht man ja nicht. Und dieser Mann hob so ein Papierchen auf und plötzlich fing er laut an zu gackern. Wann bringt die Wache wieder Ordnung in diese Stadt?
"
"Bald, Frau Willichnicht, bald."
"Was hat denn jetzt ein Clown mit der Sache zu tun?", hakte Cim nach.
"Ach, der Clown, ja. Ich sah zufällig wie ein Clown Zettel aus einem Beutel wegschmiss. Nennt man das nicht Umweltdälikt? Seid ihr dafür nicht zuständig?"
"Ja, dafür sind wir zuständig.", sagte Atera matt, auch dieses Mal hatte sie ihr Gefühl nicht im Stich gelassen. Frau Willichnicht zu befragen lohnte sich so sehr wie . wie, na wie irgendwas sich eben nicht lohnte. Atera kam im Moment nicht drauf. Gelangweilt zupfte sie an den Nähten an ihrem rechten Arm, während die gute Frau weiter erzählte.
"-und da bin ich glatt zu dem Clownmann hin und er hatte eine ganz verwischte Schminke. Ich will ihn eben festhalten, da drückt er mir einen dieser Zettel in die Hand."
"Und wo ist dieser Zettel jetzt?", fragte Cim, während Atera geistesabwesend Sir Henry, ihr Lieblingsfrosch, in ihrer Jackentasche den Kopf tätschelte.
"Den hab ich natürlich ordnungsgemäß entsorgt. Da stand auch nur Verrückt ist wer dies liest drauf. Nun ich hab mir eher gedacht, dass das ein Verrückter geschrieben hat.", endete Frau Willichnicht. Cim nickte aufmerksam und hatte sich die ganze Zeit über gewissenhaft einiges notiert.
"Danke, Frau Willichnicht, das hat uns sehr geholfen.", antwortete der Obergefreite höflich. Die Frau wollte schon gehen, da hob sie noch einmal fast drohend den Zeigefinger.
"Dass ihr mir hier Ordnung in die Stadt bringt." Schließlich ging sie in langsamen kleinen Schritten über den Platz und verschwand in einer Straße. Ateras Gedanken kehrten zum Hier und Jetzt zurück.
"Gut, gehen wir noch in den Eimer und trinken was?", fragte sie Cim und wollte ebenfalls den Buttermarkt verlassen, doch der Wächter hielt sie zurück.
"Nein, das geht doch nicht-."
"Hast wohl zulange anschreiben lassen, was? Gut, wir können auch zur Trommel, vielleicht gibt's frische Erdnüsse." Atera setzte sich in Bewegung, aber schon nach wenigen Schritten meldete sich die S.E.E.G.U.R.K.E. erneut zu Wort. Der Spieß verdrehte die Augen, sie hätte ihn wohl doch lieber nicht mitgenommen.
"Ja, hast du nicht zugehört? Jemand scheint die Menschen in Ankh-Morpork verrückt machen zu wollen.", beharrte Cim.
"Indem er unsinnige Zettel verteilt? Also ich hab zwar nicht genau zugehört, aber Frau Willichnicht hat selbst so einen Zettel gelesen und sie ist nicht verrückt geworden. Die will sich doch nur wieder wichtig machen, da gab es schon mal so einen Fall.", erwiderte Atera.
"Nun. vielleicht ist sie schon ver-." Rasch hielt Atera Cim den Mund zu bevor er weiterreden konnte.
"Schtt, ihr haben selbst die Wände Ohren. Und wenn jemand besser informiert ist als der Patrizier dann ist es diese Frau. Ich frage mich, warum sie eigentlich keine Informantin ist." Die Wächterin vergaß was sie eigentlich sagen wollte und kam ins leise Grübeln. Der Obergefreite überlegte auch, er überlegte ob diese Abteilung wirklich eine so gute Wahl gewesen war. Gerade in diesem Moment rannte ein Mann auf seinen Händen über den Platz und rief dabei laut: "Die Welt ist verkehrt, die Welt ist verkehrt!"
Als ob Cim ein Reh im Wald entdeckt hatte, deutete er aufgeregt auf den Mann.
"Ein Verrückter!"
"Ach, Cim, du musst noch viel lernen. Wir sind in Ankh-Morpork. Vielleicht sind seine Füße eingeschlafen, vielleicht ist er Philosoph, vielleicht macht er Werbung für Schnapper, vielleicht ist er zukünftiger Rekrut bei der Wache." Atera kam ein erschreckender Gedanke. "Vielleicht ist er aber auch vom Straßentheater! Halt, im Namen der Stadtwache!" Sie rannte wild mit ihrer Dienstmarke fuchtelnd dem auf Händen gehenden Mann hinterher und Cim bekam bald wirklich den richtigen Eindruck von dieser Stadt; näml
ich dass hier jeder, aber auch wirklich jeder, mal mächtig einen Stein auf den Kopf bekommen haben musste. Schließlich zuckte er kurz mit den Schultern und folgte der Wächterin. Erstaunlicherweise war der Mann auf den Händen ziemlich schnell, so dass die Wächter ihn erst Ecke Tonstrasse stellen konnten.
"Nach dem Gesetz von 1657 im Bezug des widerrechtlichen Aufführens von Straßentheater verhafte ich dich im Namen der Stadtwache Ankh-Morpork. Du hast das Recht Argh, argh, ich bin unschuldig oder Nicht den Fuß, nicht den Fuß zu schreien.", leierte Atera in einem atemberaubenden Tempo herunter, während sie irgendetwas in ihren Notizblock kritzelte. Den Mann, der jetzt in der Straßenrinne saß, ließ das alles völlig unbeeindruckt.
"Hihi, du bist grün.", platzte er plötzlich hervor und deutete auf Atera.
"Hinzu kommt Beleidigung eines Wächters in Ausübung seiner Pflicht."
"Vielleicht ist er ja doch nur verrückt." Cim ging in die Hocke und guckte den Mann an, der nun anfing etwas vor sich hin zu brabbeln. "He, du. Kannst- du- mich- ver- steh- hen? Hast du ein- nen Zett- el gefunden?"
"Und du bist ganz lila." Der Mann lachte Cim an, der nur den Kopf schütteln konnte.
"Vielleicht hast du Recht, Atera. Das hat keinen Zweck." Plötzlich entdeckte der Obergefreite ein zerknülltes Etwas in der linken Hand des Mannes. Bevor Cim aber das Papier entwenden konnte, steckte der Irre es auf einmal in den Mund und schluckte es runter, ein dümmliches Grinsen erschien auf dessen Gesicht.
"Hmm, ich muss mich geirrt haben. Ja, Cim, du hast Recht, der ist wirklich ohne Zweifel verrückt. Gehen wir nun in die Trommel oder wir könnten auch zur Bahre.", schlug Atera vor. Für sie war die Sache erledigt.
"Nein, er muss so einen Verrückt-ist-wer-das-liest-Zettel in der Hand gehabt haben, das beweißt doch die Theorie der Zettel. Es gibt doch auch gefährliche Zauberbücher-."
"Warum keine bösen, gefährlichen Zettel meinst du?" Cim nickte darauf. Nach einer Weile nickte auch Atera zögernd und musste einsehen, dass ihr S.E.A.L.S.- Kollege vielleicht doch nicht so Unrecht hatte. Da sie keine genauen Angaben über den Clown hatten, wollten die Wächter zunächst einmal bei der Narrengilde vorbeisehen.

An dem großen Tor der Narrengilde musste Atera ganze dreimal klopfen bis ihr Arm abfiel und bis endlich jemand kam. In dem großen Tor des Gildenhauses öffnete sich eine kleine Tür nur einen Spalt breit. Es war Bruder Grimaldi, der Stellvertreter des Gildenoberhauptes, höchstpersönlich was Atera doch ein wenig überraschte. Jetzt hätte sie nichts gegen einen ordentlichen Dobermann von D.O.G.
"Äh, das ist es ein wenig unpassend. Wir sind gerade in einer wichtigen Versammlung.", begann Grimaldi und schaute nervös nach hinten.
"Aber eine kleine Minute für eure Freunde von der Wache, hmm?", versuchte es Atera und schob schon einmal ihren Fuß in die Türe.
"Hehe, wollt ihr gut Witze hören?", fragte der Clown und bevor die Untote noch aufstöhnen konnte, hatte Cim schon erfreut Ja gerufen. "Also, warum spaziert das Skelett nachts immer die Kurze Strasse entlang?... Weil die anderen Strassen ihm zu lang sind!"
Stille.
"Haha und jetzt lass uns rein, es ist wichtig.", sagte Atera und drängte sich gewaltsam in den Türspalt. Bruder Grimaldi versuchte sie zurückzuhalten.
"He, wollt ihr den Unsichtbaren-Frettchen-durch-die-Hosenbeine-Trick sehen?" Grimaldi schlenkerte erwartungsvoll mit seiner breiten Hose und lachte trocken. Wieder versuchten die Wächter in die Gilde vorzudringen, als Grimaldi zum letzten entscheidenden Mittel ausholte.
Er rief die Lustigen Burschen.
(Und wer auch nur wage wusste welche grausame Funktion sie in der Narrengilde vorzüglich zu erfüllen wussten, der machte, dass er wegkam.)

Cim keuchte und japste laut, er lehnte sich gegen eine Mauer, um ab und zu verschreckt hochzufahren, um hektisch in alle Richtungen zu schauen.
"Das war knapp, was?", sagte Atera und nähte sich ihren Arm wieder an, zwar war sie ein Zombie, aber auch sie sah nach einem Spurt durch ganz Ankh-Morpork mitgenommen aus.
"Ich hätte nicht gedacht, dass die Lustigen Burschen so viel Spaß verstehen."
Sie ruhten sich noch eine Weile aus bis der Obergefreite schließlich den Vorschlag machte zur Unsichtbaren Universität zu gehen. Da Atera nichts Besseres einfiel, stimmte sie zu und so fanden sich die Wächter, immer noch abgekämpft, an den hohen Gebäuden der UU wieder.
"Eins steht fest, die in der Narrengilde haben Probleme. Am besten ich schicke eine Taube an Dae, der müsste wissen was da vor sich geht." Cim borgte dem Spieß seine Taube, die auch sogleich losflug, um hoffentlich heil im D.O.G.-Hauptquartier anzukommen. Der kleine Auftrag von Frau Willichnicht nahm größere Züge an, als die Wächterin gedacht hatte.
In der Universität ließ man sie schnell passieren und schon nach wenigen Minuten standen sie vor dem Erzkanzler, der gerade bei seinem zweiten, vielleicht auch dritten Mittagessen saß. Zwischen zwei Bissen fragte er sie, was es denn so wichtiges gäbe, dass man ihn damit behelligen musste.
"Nun, wichtiges nicht gerade, aber es gibt da diese Zettel-.", begann Cim Bürstenkinn.
"Zweites Stockwerk, Gang entlang, einmal rechts und zweite Tür rechts.", war die einzige Antwort von Ridcully. So mussten die Wächter sich wohl oder übel die Treppen hochquälen und durch die Universität irren. Hinter besagter Tür war ein kleines Zimmer, in dem nur ein einsamer Student saß. Er hockte trübselig vor einem großen Fass, daneben stand ein rotes Schild mit krakeliger Schrift beschmiert. Als der junge Mann die Wächter sah hob er nur müde den Kopf. Hinter ihm war ein kleines Regal mit noch kleiner
en Figuren drin.
"Wir sind wegen der Zettel-."
"Habt ihr die Antwort richtig?", fragte der Student matt.
"Äh, was?", doch der Student wartete gar nicht die Antwort der Wächter ab.
"Hurra, ja es stimmt, Ridcully ist der Name unseres Erzkanzlers. Hurra.Vergesst seinen Namen nicht, steckt den Zettel in die Tonne und ihr nehmt an der Verlosung teil. Wollt ihr ein original Ridcully-Miniaturfigürchen?", leierte der Mann emotionslos herunter. Bevor sie widersprechen konnten hielten Atera und Cim auch schon kostbare Original Ridcully Miniaturfigürchen in den Händen.
"Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Es geht um Zettel, deren Wörter anscheinend so mächtig sind, dass sie die Leute verrückt machen. Könnte da Magie mit im Spiel sein?"
Plötzlich fuhr der Student erfreut hoch und seine Augen leuchteten.
"Ihr habt eine Frage, eine richtige Frage und ich soll euch helfen??"
"Ja, es geht um einen Fall, wir sind von der Wache, falls es dir entgangen sein sollte." Atera deutete auf ihre Uniform, doch der junge Student war nun voller Enthusiasmus.
"Oh, dann ist es sogar etwas Wichtiges! Ich werde die Stadt retten und nur an meiner Antwort liegt alles! Sieg oder Niederlage, Sein oder Nichtsein. Wahnsinn!"
"Ja.. ähm wir teilen deine Aufregung. Also, was ist nun mit der Antwort?", fragte Atera und sah den Mann ungeduldig an, auch Cim schien nun nach der ganzen Lauferei nicht mehr so gelassen über jede Verzögerung.
"Nun, vielleicht darf ich mich zunächst einmal vorstellen, nur für euren Bericht. Mein Name ist August Daffel. Werde ich darin erwähnt, ja, ja?"
"Ich erwähn dich sogar zweimal und jetzt rede schon.", erwiderte Cim.
"Also da ist definitiv Magie mit im Spiel. Aber ich bräuchte einen der Zettel, um genaueres sagen zu können. Dann wäre sogar ein Gegenmittel drin, lieferbar in zwei bis drei Tagen.", antwortete Daffel blitzschnell. Er schien sich sehr sicher.
"Das geht äh so? Wir brauchen also nur einen dieser Zettel, du sprichst ein paar magische Worte und der Spuk ist vorbei?"
"So ist es. Ganz einfach, nicht?" August schien selber sehr begeistert zu sein, vor lauter Aufregung stieß er sogar die Tonne um, was Atera dazu veranlasste sich bis auf bald zu verabschieden.
"Nur wo kriegen wir einen dieser Zettel her?", fragte Atera, als sie die Treppen hinuntergingen.
"Viel wichtiger finde ich die Frage wer der Urheber dieser Zettel ist. Nur wenn wir den haben endet auch die Serie an Verrückten.", bemerkte Cim. Atera stimmte ihm voll und ganz zu, mit neuem Mut traten sie aus den Toren der UU auf den Hiergibt's-alles-Platz.
Die zwei Wächter der S.E.A.L.S. fanden sich von einem Chaos umringt.
"Äh, ich glaube, dass Problem einen Zettel zu finden hat sich gerade erledigt.", begann Cim tonlos und sein Gehirn versuchte hilflos die gesehenen Bilder zu verarbeiten und zu interpretieren. Es sah aus, als ob es geschneit hätte. Der ganze Platz war voll mit weißen kleinen Zetteln.
Aber das Schlimmste waren die Verrückten.
Der ganze Platz war voll mit ihnen und auch in den umliegenden Straßen schien es nur so von ihnen zu wimmeln. Einige begnügten sich damit laut etwas herumzuschreien, andere hüpften und klatschten abwechselnd in die Hände. Im Moment versuchte ein Mann der Straßenlaterne seinen Hut aufzusetzen während andere an seinen Schuhen zogen und kicherten.
"Äh los, Cim, du bist eine S.E.E.G.U.R.K.E. und jetzt renn so schnell du kannst über den Platz, schau auf keinen der Zettel und geh zu Daemon, frag ob er etwas herausgefunden hat. Wenn alles gut geht, treffen wir uns an der Narrengilde.", bestimmte Atera, Cim sah sie zögernd an. Schließlich schloss Atera die Augen, hob blitzschnell einen der Zettel auf und steckte ihn in ihre Tasche. Damit eile sie zurück in die Universität, während der Obergefreite noch einmal tief durchatmete und sich dann in den Pool a
us Irrsinnigen zu stürzen.
Er lief über die weißen Zettel, Leute zehrten an ihm, jemand schmiss ihm ein Holzstück an den Kopf, andere brabbelten verrückte Dinge in seine Ohren. Irgendwann in den letzten Metern biss eine Frau ihn ins Bein, er schrie zwar, aber das Geräusch ging in dem Lärm unter. Endlich war er vom Platz herunter und mit viel Ellenbogengeschick kämpfte er sich durch die Straßen.

Es dauerte eine Weile bis Daemon bemerkte, dass draußen ein wildgewordener Mob durch die Straßen lief. Kurz überlegte er was es wohl wo umsonst gab, um dann wieder sein Büro weiter einzurichten. Das "rosarote Himmelbett"-Zimmer war ganz nach seinem Geschmack. Ja, hier würde er es sich gemütlich machen. Lange, verregnete Nächte.
"Schnell, Dae, was ist in der Gilde los?" Ein Obergefreiter, er vergaß immer den Namen, stürmte mit hochrotem Gesicht in den Raum, er hatte eine blutende Wunde an der Stirn und seine Uniform schien sehr lädiert.
"Also, bitte äh kleide dich erst einmal ordnungsgemäß. Die Uniform scheint mir aber sehr ausgenutzt.", begann Dae und packte ruhig eine Kiste aus. Zu seiner Zeit wäre das nicht passiert, früher da war die Uniform immer in Ordnung, der Helm glänzte, das Schwert war scharf wie ein . scharfes Schwert. Ja, da wusste man noch auf seine Dinge zu achten.
"Was ist denn jetzt? Hast du die Taube nicht bekommen, Sir?" Etwas mitleidsvoll bemerkte Dae, dass der junge Wächter sich mit seiner schmutzigen Hand an der schönen rosa Wand abstützte.
"Taube? Was für eine Taube?", echote Daemon verständnislos.
"Na, Spieß Atera schickte eine Taube, meine übrigens, mit der Nachricht los, ob du dich mal erkundigen könntest was es für Schwierigkeiten in der Narrengilde gibt.", berichtete der Obergefreite hastig. Er wirkte irgendwie nervös, blickte immer wieder aus dem Raum. Von der Straße her hörte Dae Menschen laut schreien und lachen. Das musste schon ein verdammt gutes Sonderangebot sein.
"Hast du noch einen dringenden Termin.äh wie war noch mal dein Name?", fragte der Oberleutnant in die entstandene Stille hinein.
"Ich bin Cim Bürstenkinn, Sir. Und ja, ich bin mitten in einem wichtigen Einsatz; falls es dir nicht aufgefallen ist ganz Ankh-Morpork ist dabei verrückt zu werden! Was ist nun mit der Gilde?"
"Ganz Ankh-Morpork?", fragte Daemon mit einer solchen Ruhe zurück, dass Cim sich doch ein wenig beherrschen musste.
"Nein, nicht ganz Ankh-Morpork. Ein von unbeugsamen Wächtern bevölkertes Wachhaus hört nicht auf, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten!..." Der Obergefreite hielt inne. "So dachte ich jedenfalls." In diesem Augenblick fiel Daemon wieder ein, dass er beim Fensterputzen eine Taube sehr ungeschickt mit dem Putzeimer erwischt hatte.
"Ja, ich komme zwar nicht ganz bei deinem Gerede mit, aber in der Narrengilde heißt es, es gäbe einige aufmüpfige Narren. Man munkelt, dass sie das Straßentheater neu beleben wollen. Mehr weiß ich allerdings auch nicht, ich bin gerade erst dabei hier einzuziehen.", erklärte der Wächter, Cim schien von dieser Antwort nicht gerade begeistert.
"Straßentheater? Ja, es gibt sehr viel Theater in den Straßen. Danke für deine Hilfe, Oberleutnant. Ich gehe dann mal diese Stadt retten!", verabschiedete sich die S.E.E.G.U.R.K.E. und verschwand aus dem Raum.
Und so was will Wächter sein, dachte Dae.

Und so was will Wächter sein, dachte Cim. Nachdem er mit schnellen Schritten losgerannt war und nun den Entgegengesetzten Breiten Weg entlang lief, sah er schon von weitem Atera vor dem Tor der Narrengilde stehen. Sie klopfte ungeduldig mit dem Stiefel auf das Kopfsteinpflaster, neben ihr lehnte ein alter Leinenbeutel an der hohen Mauer. Er erzählte ihr, was der Oberleutnant für Informationen hatte, aber die Wächterin unterbrach ihn.
"Schnell in die Gasse da." Atera zog ihn den verdutzten Wächter in eine dunkle Gasse, Cim wollte schon fragen was das werden sollte, als der Spieß etwas aus dem Beutel kramte. Gespannte Sekunden verstrichen, dann hielt Atera triumphierend zwei knallrote Gumminasen in die Höhe. Cim wehrte erschrocken ab.
"Oh nein, ganz bestimmt nicht.", sagte er. Aber Atera lächelte darauf nur.
"Ich gebe dir eine zweite Lektion mit auf deinen Wächterweg. Mache immer das, was dir höchst zuwider ist, denn es wird das Beste für die Mission sein. In diesem Fall-." Sie wühlte erneut in dem Beutel und brachte dann zwei Paar lange Clownsschuhe zum Vorschein. "-bedeutet das ein Narr zu werden, um in die Narrengilde zu gelangen." Cim hatte das Gefühl, er wäre schon zum Narr auserkoren gewesen, als er diese harmlose Nachricht von Schmiede überbringen sollte. Zudem hatte er vergessen was Lektion Eins von A
teras "Grundrägeln führ verwirte Wächter" war.
Es dauerte eine Weile bis die Wächter die ganze Clownskleidung angelegt hatten, während Cims Laune einen sehr niedrigen Punkt anstrebte.
"Meine Schuhe quietschen, ich habe eine lächerliche karierte Hose an, einen komischen albernen Hut auf und habe ich dir schon mal gesagt, dass du nicht schminken kannst?" Cim wischte fahrig über die weißen und roten Striche in seinem Gesicht, seine Knopflochblume tropfte wie ein alter kaputter Wasserhahn und er hielt einen mit goldenen Glöckchen besetzten Narrenstab in den Händen. Ein gutes hatte allerdings die Verkleidung, niemand würde ihn als Cim Bürstenkinn identifizieren können.
"Entschuldigung, das ist das erste Mal, dass ich jemanden schminke und du hast nicht richtig still gehalten." Atera setzte sich einen gehörnten bunten Hut mit drei Glöckchen auf. "So, wie sehe ich aus?"

Daemon räumte einen weiteren Stapel Akten in das Regal und öffnete eine neue Kiste. Irgendwo ganz unten entdeckte er eine alte Ikonographie. Erstaunt wischte er den Papierstaub davon herunter und blickte auf das Bild herab. Das war ja er, als Gefreiter in seiner ersten Uniform. Leider verdeckte eine Wolke einen großen Teil des Bildes. Nach einer Weile gab sich Daemon einen Ruck und setzte sich an den Schreibtisch. Er blätterte in den ersten Berichten. Ein Beschwerde der Kurzwarenhändler, unwichtig. Mehrer
e Beschwerden und Informationen passierten seine eilig weiterblätternden Finger. Plötzlich entdeckte er etwas von Spieß Harry.
"Hmm, wohl befördert worden.", murmelte Daemon und las den kurzen Abschnitt.
Habe auffälligen Botenwechsel zwischen Narrengilde und Patrizierpalast beobachtet. Bitte genauer untersuchen. Harry
Daemon dachte kurz nach, als ihm wieder etwas einfiel. Da war doch ein Memo von Rince gewesen. Der Wächter durchstöberte die Papiere und am Ende auch den Papierkorb. Schließlich entdeckte er einen zerknüllten Zettel, den er schon vor Tagen "entsorgt" hatte ohne ihn genauer zu beachten.
AN D.O.G. :
ERBITTE DRINGEND INFORMATIONEN ÜBER DIE AKTIVITÄTEN DER NARRENGILDE-STOP-ANORDNUNG VON DEM PATRIZIER VERSCHÄRFT GEGEN PHANTOMIMEN DURCHZUGREIFEN-STOP-WAS STECKT DAHINTER?
KOMMANDEUR RINCE
P.S.: ICH BITTE UM ÄUßERSTE DISKRETION

Daemon dämmerte langsam, dass er vor ungefähr einer Stunde einen fast gerade eben aus der G.R.U.N.D. entschlüpften Wächter Mitteilungen über die Narrengilde gegeben hatte, die er von einem Informanten bekommen hatte. Oberleutnant Daemon schaute rasch auf seinen Gildenkalender wo alle wichtigen Ereignisse der Gilden eingetragen waren. Er hob überrascht eine Augenbraue. Genau heute fand eine Zeremonie im Haus der Heiterkeit statt. Dieser junge Wächter würde doch wohl nicht ins Gildenhaus. Nein, schließlich
hatte er ja irgendetwas davon erzählt, dass Atera mit ihm unterwegs war. Stille, draußen begann leichter Regen gegen die Fensterscheibe zu prasseln.
Dae fluchte leise und sprang dann auf, um hastig die Treppen der Boucherie Rouge hinunter zu eilen.

"Ich finde, du hättest es wenigstens verheimlichen können, aber so laut vor einer Ranghöheren in Gelächter auszubrechen. Du siehst nämlich genauso lächerlich aus.", sagte Atera, neben ihnen rollte ein Verrückter in einem Fass durch die Gasse. "Gehen wir."
"Was ist dein Plan?", fragte Cim, während seine Schuhe beim Watscheln lustig quietschten.
"Wart nur ab, die Gilde muss sehr beschäftigt sein und ich bin sicher es ist viel Tumult, wenn uns vorher sogar Bruder Grimaldi höchstpersönlich aufgemacht hat. Also, lass mich nur reden.", erklärte Atera fröhlich. Sie waren an dem hohen Tor der Narrengilde angelangt und ehe der Obergefreite etwas antworten konnte hatte sie schon geklopft. Die rote Gumminase im Gesicht verlieh ihrer Stimme einen merkwürdigen Akzent.
"Äh, hallo, hallo, hallo. Mein Name ist Blinks, und der dort heißt Flinks. Äh, hehe.", begrüßte Atera einen erstaunten Clown, der ihnen aber anscheinend die Maskerade abkaufte. "Wir kommen aus . Quirm, ja genau." Als der Clown Cim anstarrte, schwenkte dieser versuchsweise seinen klingenden Glöckchenstab, der Clown hinter dem Tor schien zufrieden.
"Wir haben aber gerade heute eine wichtige Zeremonie.", erwiderte der noch recht junge Clown.
"Wissen wir doch, wissen wir doch. Nicht wahr, Flinks? Flinks?!" Atera stupste den Wächter an und dieser nickte heftig. "Darum sind wir auch extra aus Quirm angereist." Der Clown wirkte noch etwas überrumpelt, aber öffnete die Türe zögerlich. Sofort rückten die beiden Wächter näher. Gerade fing es an zu regnen, da waren sie auch schon auf dem Gildengelände. Blinks alias Atera legte freundschaftlich einen Arm um den verdutzten Clown.
"Wir wissen von eurem Problem.", begann sie verschwörerisch.
"Problem?"
"Na, die Geschichte mit dem Straßentheater. Hehe, kannst Blinks und Flinks alles erzählen." In diesem Moment traf Atera eine Sahnetorte mitten ins Gesicht. Der Spieß begann lauthals zu lachen und begrüßte mit einem lauten Hallo andere Clowns auf dem Hof. Cim seufzte. Verdecktes Ermitteln in seiner Reinkultur.
Merkwürdigerweise schien es zu funktionieren, denn schon bald konnte Cim aus nächster Nähe ein sehr eigenartiges Ritual beobachten bei dem unter anderem zwei volle Eimer Tapetenkleister, der jüngste Clown und ein Frettchen bedeutende Rollen spielten. Nach dieser allgemeinen Erheiterung saß Cim neben Atera und hunderten von Narren an einer langen Tafel. Am Kopfende Herr Weißgesicht, der Oberste Clown. Seinem Magen wurde kurzzeitig flau, als der Wächter an den Ausgängen des Saales die Lustigen Burschen mit
Schlagstöcken an denen Glöckchen baumelten entdeckte. Er wollte seine Kollegin auf diesen Missstand aufmerksam machen, da fand er sich mitten in ein Gespräch über verschiedene Arten der Wasser verspritzenden Knopflochblumen verwickelt.
Plötzlich haute Herr Weißgesicht mit einem bunten Hammer auf den Tisch, dass es laut quietschte.
"Narren, dies ist nicht nur der Tag an dem der Tapetenkleister erfunden worden ist. Nein, heute ist auch ein Tag der Entscheidung. Es gibt hier einige Stimmen-." Und bei diesen Worten ließ er den Blick über die Clowns schweifen. "-die meinen, es gäbe eine Zukunft des so genannten Straßentheaters. Nun, die Gesetze besagen etwas anderes, aber bis jetzt haben wir die Pantomimen, obwohl ihres Lebens anscheinend müde, stillschweigend geduldet." Das Oberhaupt der Gilde schlug wieder mit dem Hammer auf den Tisch
, um die Wichtigkeit seiner Worte zu unterstreichen. Cim aber konnte sich bei dem quietschenden Geräusch nur schwer das Lachen verbeißen. "Ab heute.", fuhr Herr Weißgesicht fort. "wird dies anders werden! Ich möchte diejenigen bitten vorzutreten, die einen Hang zu unsichtbaren Wänden verspüren."
Natürlich trat niemand hervor.
"Schön, dann muss ich-." In diesem Moment wurde Herr Weißgesicht von einem kleinen Clown unterbrochen, der ihm etwas ins Ohr flüsterte. Der Oberste Clown entschuldigte sich daraufhin. Kurze einprägsame Stille entstand.
Bis jemand die erste Torte warf.

"Nuuun, was gibt es?" Herr Weißgesicht nahm vor seinem Gegenüber platz. Dieser beugte sich vor und reichte dem Clown einen zusammengefalteten Zettel. Jener las:
"Die Weißhandbande ist an allem Schuld." Herr Weißgesicht verstand.

Die Tortenschlacht kam mangels Torten langsam dem Ende entgegen. Atera war über und über mit Sahne, Kirschen und Torte bedeckt. Schließlich stand sie so abrupt auf, dass ihr Stuhl nach hinten flog. Sie erinnerte sich wage, einige dieser kleinen Flaschen, die in rauen Mengen auf dem Tisch gestanden hatten, ausgetrunken zu haben.
"Scho. Narren, Freune.", begann sie unbeholfen eine Rede. Neben ihr schlug Flinks die Hände über dem Kopf zusammen. "Wir sinn weit jereist, um eusch su helfen. Unn wir haben die Zettelschen gesehen, dasch isch eine schlimme Sache, eine gaanz schlimme Sache. Äh.." Atera suchte nach Worten, aber ihr Kopf fühlte sich wie Watte an, sie sah die Augen der erwartungsvollen Narren. "Aber nur Mut, ich weisch wer der dingsbums Übeltäter is. Doch lascht mich zuerst den neuesten Witz aus dingsbums äh Quirm erzählen."
Weiter kam Atera nicht, denn plötzlich wurden Stuhle gerückt, die Clowns sprangen entsetzt auf, die Höhergestellten verzogen grimmig das Gesicht.

Daemon rannte durch den Regen auf das Gildenhaus zu. Zum Glück standen die zwei Wächter nicht davor, dann hatten sie es wohl nicht geschafft hinein zu kommen. Der Oberleutnant blieb vor dem Tor stehen und horchte in den Regen hinein. Es war still bei den Narren. Zu still.
Er klopfte wild an der Türe, gerade öffnete sich diese, da stürmte er auch schon an dem Clown vorbei, der von dem Schwung mitgerissen zu Boden ging. Daemon eilte der Stille hinterher, schon sah er die Türen des Hauses der Heiterkeit. Er hörte kein pflichtbewusstes Lachen, kein Quietschen, kein Platschen von Sahnetorten. Die Türe war nur leicht angelehnt und mit einem kräftigen Ruck stieß er sie auf.
Zu spät erinnerte er sich wieder, dass auf angelehnten Türen immer ein gut gefüllter Eimer Wasser stand.
"Da isch ja der äh.. Dingsbums unn guggt mal wie nasch er ist!", rief ein Clown zu Daemon herüber, der nun in einer nassen Uniform nicht mehr ganz so ernst und würdevoll aussah wie er es beabsichtigt hatte. Er wischte sich durch das Gesicht und sah zwei Clowns, um die sich ein Ring der Lustigen Burschen gebildet hatte. Die anderen jungen Narren saßen ängstlich in der Ecke und warteten das Geschehen ab. Bruder Grimaldi schien gerade ein Urteil zu vollstrecken. Daemon blickte um sich, die Wächter waren nich
t zu sehen. Vielleicht redeten sie gerade mit Herrn Weißgesicht, der wohl auch abwesend war. In diesem Moment winkte einer der Clowns, hinter dem ein Lustiger Bursche stand und erwartungsvoll den Schlagstock schwang. Daemon trat zu Grimaldi und wollte fragen wo der Oberste Clown war, als er aus den Augenwinkeln bemerkte, dass das Winken ihm galt.
"Dingsbums, wir schinds, deine Freune. He, kommscht du uns besuchen? Dasch ist aber nett."
Daemon wäre kein Oberleutnant gewesen, wenn er nicht blitzschnell Dinge verstehen, interpretieren und unter gewissen Umständen auch akzeptieren konnte.
"Halt, Bruder Grimaldi. Was auch immer diese Clowns gemacht haben, es ist keine Gilden Angelegenheit!", rief er.
"Wer bist du, dass du so etwas behaupten kannst?", entgegnete Grimaldi scharf.
"Oberleutnant Daemon von der Stadtwache Ankh-Morpork. Diese Narren sind keine Narren." Daemon kam sich bei diesem Satz wie ein Lügner vor. "Es sind gesuchte äh Strauchdiebe, die ich bis hierher verfolgen konnten. Ich muss sie mit zur Wache nehmen.", forderte er weiter.
"So einfach geht das nicht.", erwiderte der Stellvertreter knapp.
Plötzlich schwangen die Flügel zu Herrn Weißgesichts Audienzraum auf und der Oberste Clown trat hervor, die Hände weit ausgebreitet.
"Die Weißhandbande ist an allem Schuld!", intonierte er. "Draußen auf den Straßen tobt ein Krieg, zwischen Verrückten und den anderen. Wir werden dafür beschuldigt, aber die Weißhandbande ist an allem schuld. Sie sind es, die die Zettel verteilen, aus Rache an dem Patrizier, der sie solange unterdrückt und das Straßentheater verboten hat. Nun ist die ganze Stadt ein Straßentheater geworden! Aber das ist noch nicht alles, wir werden uuurgh-." Ein glöckchenbesetzter Narrenstab traf Herrn Weißgesicht am Hint
erkopf und er ging spektakulär zu Boden.
Ein Tumult entstand, einige schrieen auf und der Clown Flink trat von dem bewusstlosen Weißgesicht einige Schritte zurück.
"Das musste jetzt einfach sein, fand ich.", sagte Cim leise, als sich seine Blicke mit Bruder Grimaldis trafen. Dieser bekam einen hochroten Kopf, erzürnt deutete er auf die zwei Clowns aus Quirm.
"Sie haben Herrn Weißgesicht getötet! Packt und vernichtet sie!!"
Daemon hielt dies für einen günstigen Zeitpunkt mit seinen Wächterkollegen zügig aus dem Haus der Heiterkeit zu verschwinden.

Die Weißhandbande befand sich in einem Gefängnis. Hohe Wände ragten vor ihnen auf und die Tür war fest verriegelt. Einer der Fünf zuckte hilflos mit den Schultern, dann klopfte er laut gegen die Tür, aber niemand schien sie zu hören. Der Raum war so klein, dass sie sich fast gegenseitig auf den Schuhen standen.
(Was sollen wir machen?), verständigte sich Klopfer mit Gesten.
(Das war nicht nett von ihm uns hier einzusperren.), sagte Leichtfuß.
(Wir waren mal Freunde.), stimmte einer der Weißhandbande mit Namen Visitenkarten-hintereinemOhr-Hervorholer zu.
(Rufen wir nach Hilfe.)

"Sagt mal was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht??"
"Wir wollten ermitteln." Atera hielt sich den Kopf, der plötzlich wie ein Verstärker von Rinces lautem Gerede wirkte. Der Kaffee hatte nur bedingt gewirkt.
"Dafür gibt es verdeckte Ermittler! Seid Daemon dankbar, der euch da raus gehauen hat. Obergefreiter Cim, bei dir will ich Nachsicht walten lassen, du bist noch nicht lange dabei." Rince hielt kurz inne. "Aber lass es dir gesagt sein, man schlägt keine Oberhäupter der Gilden, das könnte weite Folgen nach sich ziehen. Ich weiß, dass du es nur mit guter Absicht gemeint hast. Äh, weggetreten." Cim salutierte und watschelte mit den langen Clownsschuhen aus dem Raum. Rince grinste innerlich, dann begann er lau
thals zu lachen. Auch Dae grinste. Atera ließ sich mit der weiten karierten Hose auf einen Stuhl nieder und hoffte, dass die Kopfschmerzen vergingen.
"Und ich sagte noch, diese Narren sind keine Narren.", begann Dae wieder kichernd, Rince fiel beinahe vom Stuhl vor Lachen. Ateras Kostümierung trug ein weiteres dazu bei.
"Ich finde, ihr habt genug gelacht. Eigentlich war es doch eine gute Idee, dachte ich jedenfalls am Anfang."
"Mein lieber Daemon, du musst mir unbedingt alle Einzelheiten erzählen.", sagte Rince.
"Und was ist jetzt mit den Verrückten draußen?", fragte Atera, die verwundert war, dass Rince keine Belehrungen vom Stapel ließ. Er schien nur im höchsten Maße erheitert.
"Nun gegen diese Verrückten musst du natürlich etwas unternehmen, Atera. Ach, ein gewisser Daffel meldete sich hier und redete von einem Gegenzauber. Ich glaube, er suchte dich." Rince beugte sich über den Schreibtisch und besah kurz einige Berichte. "Aber im Ernst, Atera, beim nächsten mal fragt ihr bitte vorher. Du bist ein Spieß um lange genug zu wissen, dass hier nichts auf eigene Faust unternommen wird."
Atera nickte kurz.
"Warum haben wir die Narren eigentlich verärgert? Ich erinnere mich dunkel, dass ich aufstand und eine Rede anstimmte. Irgendwie behauptete ich, den Urheber der Zettel zu kennen und da sprangen sie alle entsetzt auf."
Daemon schüttelte den Kopf.
"Das kann es nicht gewesen sein. Hast du noch etwas gesagt?"
"Nun, um die Stimmung etwas aufzuheitern beschloss ich den neusten Witz aus Quirm zu erzählen." Dae lächelte darauf leicht.
"Vielleicht ist dir entfallen, dass nur die Gilde neue Witze erlässt und das unter strengsten Auflagen. Einen eigenen Witz zu erzählen zählt unter den Narren als höchstes Verbrechen. Vermutlich wollte Bruder Grimaldi euch in Sahnesoße ertränken lassen."
"Na dann. Ich äh gehe dann mal, um die Stadt von den Verrückten zu befreien." Atera stand auf und watschelte unbeholfen aus dem Raum. Rince wandte sich zu dem Oberleutnant:
"Ich habe den Eindruck, dass dieses Mal wieder sehr lustige Berichte meinen Schreibtisch schmücken werden. Und er hat wirklich mit diesem Glöckchenenstab Weißgesicht eine übergezogen?"
"Wenn ich es doch sage."
"Das hätte ich zu gerne gesehen."

Cim hatte das schreckliche Clownskostüm ausgezogen und war gerade dabei schnell in die nächste Kneipe zu flüchten, als er hinter sich eine bekannte Stimme rufen hörte.
"He, Cim, wohin so schnell? Wir müssen doch zur Unsichtbaren Universität.", sagte Atera und holte ihn rasch ein.
"Wir?"
"Natürlich, du bist schließlich mit dem Zettel angekommen."
"Jetzt redest du schon, als ob ich diesen Zettel geschrieben hätte.", verteidigte sich der Wächter, aber alles Reden half nichts am Ende standen sie gemeinsam vor der UU.
"Was hat Rince eigentlich noch gesagt, er schien ziemlich sauer. Hoffentlich wirkt sich das nicht negativ auf meine Karriere aus.", meinte Cim Bürstenkinn. Atera winkte ab.
"Papperlapapp, du kannst von den Ranghöheren immer etwas lernen."
Ja, es auf keinen Fall nachahmen, dachte Cim.
Schließlich betraten sie die Universität und eilten die Treppen zum Raum hoch, wo sie August Daffel, den Student, das letzte Mal getroffen hatten. Schon von weitem war Gelächter und Stimmen zu hören. Als sie in das Zimmer kamen waren viele Zauberer versammelt und ein Banner über der Tür verkündete "Wilkommen zur grosen Tombola."
Gerade war Erzkanzler Ridcully dabei eine Rede zu halten. Unauffällig quetschten sich Atera und Cim in die hinterste Reihe wo sie auch gleich unter den Studenten Daffel entdeckten. Er bemerkte sie auch, drängte sich an den anderen vorbei und nahm neben ihnen platz. Vorne hielt Ridcully seine grandiose Rede, während die anderen schliefen oder einen kleinen Imbiss zu sich nahmen. Es gab aber auch ein paar traurige Geschöpfe, die sich viele nützliche Informationen aus der Rede erhofften und fleißig mitschrie
ben. Auch Daffel hatte einen Notizblock dabei. Fast verhalten grüßte er sie.
"Ich habe den Zettel analysiert und ich kann nur bestätigen, dass magische Worte darin eingewoben sind, nicht so mächtig wie die alten Zauberbücher, aber mächtig genug um einfache Geister zu beeinflussen."
"Wie konntest du ihn lesen ohne dabei verrückt zu werden?", fragte Atera.
"Oh, ich habe durch das Studieren in der Bibliothek Übung darin Buchstaben zu sehen ohne sie wirklich zu lesen. Es ist anstrengend, funktioniert aber. Dadurch habe ich mir auch mehr Wissen angeeignet als die anderen hier."
"Schön, mein Kommandeur sagte mir, du hättest ein Gegenzauber entwickelt?"
"Nicht direkt. Also ich habe ein wenig herumgesucht und bin auf eine Formel gestoßen, die wirken könnte. Allerdings muss jemand zweites mit mir zusammen die Wörter sprechen, sonst klappt es nicht."
"Gut, dann brauchen wir nur einen der Zauberer zu fragen. Vielleicht Ridcully?", fragte Cim, doch Daffel wehrte hektisch ab.
"Nein, nein, keinen der Zauberer! Wisst ihr, ich äh glaube, Zauberer wären mit meinen Methoden nicht ganz einverstanden. Aber wie sagt man so schön, radikale Zeiten erfordern radikale Maßnahmen. Es reicht, wenn der Wächter die Formel einfach mitspricht." Dabei deutete er auf die S.E.E.G.U.R.K.E.
In diesem Moment hatte der Erzkanzler seine lange Rede beendet und fing an Zettel aus dem großen Fass unter spannungsgeladenem Trommelwirbel hervorzuholen.
"Der erste Preis einer zwei Meter großen Statue einer bekannten Persönlichkeit geht an." Ridcully entrollte den Zettel.
"Verrückt ist wer dies liest! Herzlichen Glück. wunsch." Es kam was kommen musste; Ridcully wurde völlig verrückt. Er begann unkontrolliert zu lachen, schüttete das Fass auf den Boden, dass die Zettel sich wie eine Flutwelle vor den Füßen der ersten Reihe ergossen. Schließlich zauberte er. Über Ateras Kopf erschien ein rosa flauschiges langarmiges Etwas, was ihr auf den Kopf sprang und von dort quiekend auf den Boden. Weitere dieser Wesen überschwemmten den Raum und ein Chaos brach aus.
"In letzter Zeit ist viel los, was?", sagte Atera und sie kämpften sich einen Weg durch den Raum. Draußen auf dem Gang hüpften schon einige dieser rosa Tiere umher, eines klammerte sich an Cims Bein fest, der vergeblich versuchte es abzuschütteln.
"Ich muss noch einige Zutaten aus meinem Zimmer holen. Außerdem brauche ich noch etwas Blauknorzkraut. Fragt mal unten im Großen Saal nach, dort müsste noch etwas sein. Wir treffen uns am besten am Kunstturm, dort klappt es bestimmt." Daffel eilte die andere Richtung des Ganges entlang, während Atera und Cim nach unten gingen. Leider schienen alle bei der Versammlung zu sein. Da entdeckten die Wächter Modo, den Gärtner der Universität.
"Könntest du uns vielleicht mit etwas Blauknorzkraut aushelfen?", fragte der Spieß. Modo sah sie misstrauisch an.
"Was wollt ihr denn damit? Ihr seid doch von der Wache."
"Ja, aber es ist äußerst dringend.", fügte der Obergefreite hinzu. Modo wollte etwas sagen, als er plötzlich durch die Fenster sah, dass merkwürdige rosa Wesen in den Beeten herumtrampelten.
"Nein, was soll das denn?", rief er erschrocken aus. "Na schön, Blauknorzkraut ist nicht vorrätig, ich hätte schon längst welches pflücken sollen. Geht mal in den Lustgarten der Zauberer, dort gibt es das. Sieht blau aus und stinkt, könnt ihr gar nicht verfehlen. Aber nur das ihr es wisst, das ist eine absolute Ausnahme, okay? Jetzt entschuldigt mich." Und mit diesen Worten rannte er wild schreiend nach draußen und versuchte die Tiere von seinen kostbaren Beeten zu vertreiben. Die beiden Wächter gingen eb
enfalls nach draußen und über die Brücke über den Ankh in den Lustgarten.
"Hier war ich noch nie.", flüsterte Cim fast andächtig.
"Ich wollte auch nie hier sein.", erwiderte Atera und hielt nach dem Kraut Ausschau. Sie bogen um eine hohe Hecke auf einen kurz geschnittenen Rasen. In der Mitte standen dicht gedrängt fünf Männer. Sie trugen schwarze eng anliegende Kleidung und hatten weiß bemalte Gesichter. Atera runzelte die Stirn. Was veranlasste diese Leute hier mitten auf dem Rasen so dicht nebeneinander zu stehen, dass kaum einer Platz hatte sich zu bewegen.
"He, ihr da!", rief sie und trat näher. Nun konnte man erkennen, dass alle die Münder weit geöffnet hatten und ihre Gesichter vor Anstrengung verzerrt waren.
"Was machen die da?"
"Sieht aus, als ob sie schreien.", antwortete Cim.
"Ich höre keinen Ton, du?" Atera winkte vor den Männern, aber sie reagierten nicht. Erst als die Wächterin laut schrie, was das werden sollte, verstummten die Fünf. Es sah aus als ob sie sich mit Gesten beratschlagen würden. Schließlich hob einer von ihnen die Hand, ballte sie zur Faust und bewegte sie merkwürdig in der Luft.
"Sieht aus als klopfe er.", vermutete Cim.
"Warum sollte er klopfen, es ist gibt hier keine Wand oder etwas in der Art. Ich glaube, die haben auch schon gewisse Zettel gelesen." Atera wollte sich einen der Männer greifen und nach vorne ziehen, aber sobald ihre Hand eine gewisse Nähe erreicht hatte gingen die Männer erschrocken nach hinten. "He, wer seid hier? Was macht ihr hier?"
"Warte mal, ich glaube, ich weiß, wer sie sind.", sagte Cim entschlossen und kramte in seiner Hosentasche. Als Atera aber neugierig guckte, sah sie nur, dass Cim nun nichts in der Hand hielt. Mit diesem Nichts in der Hand ging er ein paar Schritt auf die Männer zu. Seine Hand ging nach unten und bewegte sich kurz in der Luft, dann trat er etwas zurück und zog dabei seinen Arm merkwürdig mit.

Die Weißhandbande hörte wie ein Schlüssel in der Tür klickte und einrastete, dann endlich öffnete sich die Türe langsam. Sie waren frei!

Erstaunt konnte Atera mit ansehen wie jeder einzelne der Männer an einer anscheinend genau definierten Stelle auf dem Rasen hervortrat, sich tief vor Cim verneigte und ihm freudig die Hand schüttelte. Alles ohne etwas zu sagen. Dann endlich betrachtete sie die Männer genau und es dämmerte ihr, dass sie nicht vor Verrückten standen sondern vor der Weißhandbande.
"Was ist passiert?", fragte sie.
Einer der Männer begann mit großen Gesten eine Geschichte zu erzählen. Atera seufzte genervt. "Wir haben jetzt keine Zeit für so was. Redet wie normale Menschen.", forderte sie.
"Vielleicht können sie das nicht.", bemerkte Cim nach einer Weile.
"Jemand hat ihnen die Zunge herausgeschnitten, meinst du? Ja, das könnte sein. He du, zeig mal deine Zunge!" Der Mann streckte seine Zunge heraus und schnitt eine Grimasse.
"Nein, ich dachte eigentlich daran, dass es vielleicht nicht nur Verrückt-ist-wer-dies-liest-Zettel gibt."
"Verstehe. Warum sollte sich jemand auch damit begnügen.", sagte Atera.
Die Weißhandbande versuchte verzweifelt etwas zu zeigen.
"Ähm. Hände schütteln.umarmen.Freund.kein Freund. weh tun..", versuchte die Wächterin zu entziffern. "treten.nein.einsperren."
"Wer war das? Wer hat euch "eingesperrt"?", hakte Cim nach.
"Das war ich.", sagte eine Stimme. Alle fuhren erschrocken herum. Doch dort stand nur August Daffel, als er aber ein spöttisches Grinsen aufsetzte, trat Atera auf ihn zu.
"Du? Was hast du mit der Sache zu tun?"
"Hehe, das wollt ihr wohl wissen. Aber ich hätte ja als guter Wächter einmal nachgeguckt, ob es ehemalige Narren gibt, die aus der Gilde ausgetreten beziehungsweise herausgeschmissen worden sind. Alle haben mich als verrückt bezeichnet. Und warum? Weil ich mit zu viel Eifer an die Sachen herangehe. Selbst die bei der Weißhandbande wollten mich nicht. Zu auffällig hieß es, zu wenig verdecktes Theater hieß es. Bei allem was ich tat war ich gut, aber trotzdem wollte man mich nicht, weil ich bei allem der bes
te wurde. Verrückt! Ich bin nicht verrückt! Seht euch diese Menschen draußen an, die sind verrückt, weil sie mich als Besten nicht erkannt haben!", redete der Student weiter und in seinen Augen bemerkte Atera erst jetzt ein gefährliches enthusiastisches Glitzern.
"Und warum wolltest du uns helfen?", fragte Cim vorsichtig, darauf lachte Daffel.
"Helfen? Ihr solltet mir helfen. Wenn ihr nicht dummerweise in den Lustgarten gegangen wärt und die Bande entdeckt hättet, die ich später als die Schuldigen dastehen lassen wollte. Wirklich zu dumm, denn gleich hättet ihr die einmalige Chance gehabt das gewaltigste Ritual mitzuerleben." Er lachte wieder. "Und dann bei den letzten gesprochenen Worten hättet ihr erkannt, dass ihr es nur noch schlimmer gemacht hättet, wenn sich allein die Worte im Geiste schon hätten übertragen lassen. Ansteckende Verrückthe
it!"
"Darum wolltest du also keine Zauberer dabei, denn die hätten gleich den falschen Zauber erkannt.", schlussfolgerte Atera, Daffel nickte.
"Oh, wie fabelhaft, du kannst Denken! Hehe, hier, lest das hier!" Mit diesen Worten schmiss er ihnen ein Bündel Zettel mit den verschiedensten Aufschriften entgegen. Die Wächter sprangen in Deckung und schlossen die Augen.
"Ihr Kleingeister!", rief August Daffel, dann ging er zu einigen Büschen und hatte offenbar das Blauknorzkraut entdeckt.
"Was jetzt? Er will sicher dieses magische Ritual durchführen. Wir müssen ihn aufhalten.", sagte Cim. Atera nickte zustimmend.
"Von so ein paar Zetteln lassen wir uns nicht einschüchtern! Halt, im Namen der Stadtwache!", brüllte sie und lief auf den jungen Studenten zu. Dieser hatte aber einen Zauberstab in den Händen und fuchtelte damit herum.
"Zurück! Denkt nicht, dass ich nur ein kleiner Student bin. Ich beherrsche alles!" Dann schleuderte eine kleine Feuerkugel in die Richtung der Wächter. Die Weißhandbande hatte sich inzwischen hinter einem imaginären Busch versteckt und hofften nicht getroffen zu werden. Einige Feuerbälle zischten über den Rasen. Wegen dem Feuer ließ Atera Cim nur den Vortritt, der das Schwert schon gezogen hatte und auf Daffel zugestürmt kam. Er rollte sich geschickt ab, wich einigen Zaubern aus und schwenkte gefährlich d
as Schwert. Sie waren nur noch eine Handbreite entfernt, da holte Daffel einen Zettel hervor und hielt ihn Cim unter die Nase. Es war mehr ein Reflex, dass Cim die Wörter las.
Anscheinend hatte Daffel eine negative Reaktion seitens Cim beabsichtigt, aber dieser ließ den jungen Mann Bekanntschaft mit seiner Faust machen. Daffel sank zu Boden und rührte sich nicht mehr.
"Naja, ganz nett, Obergefreiter. Was stand auf dem Zettel?", fragte Atera und kam langsam näher. Cim zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung, es war ein so hastig hingeschmiertes Krickelkrakel, dass ich es beim besten Willen nicht entziffern konnte." Atera grinste und sah auf den Studenten nieder.
"Dieser Verrückte wäre schon mal aus dem Gefecht gesetzt. Was machen wir mit den anderen?" Schließlich kamen sie nicht umhin, einen der Zauberer zu benachrichtigen. In diesem Fall musste sich der Dekan die ganze Geschichte anhören, während eines der rosa Tiere auf seinem Rücken hockte und neugierig auf die Wächter sah.
"Hmm, kein Problem.", sagte der Dekan. "Gebt mir mal so einen Zettel." Nachdem Atera ihm einen Zettel gegeben hatte, schielte er sehr merkwürdig von der Seite her auf den Zettel. "Wisst ihr der Trick dabei ist, solange auf die Wörter zu starren bis etwas dahinter zum Vorschein tritt. Oh, da ist es ja." Der Dekan lächelte, murmelte einige Worte und schmiss den Zettel dann in den Kamin, wo er von oktarinen Funken begleitet verbrannte.
"Und jetzt?", fragte Atera.
"Was jetzt? Soll ich noch ein paar abschließende Worte sagen? Erwartet ihr eine Rede?"
"Äh, wie geht es jetzt weiter? Musst du noch ein geheimes Ritual durchführen?"
"Nein, der Zettel steht metaforisch für alle anderen. Die Verrückten sind geheilt, alles ist wieder in Ordnung. Im Grunde war es ein recht primitiver Zauber. Könnte jeder Student ab dem dritten Lernjahr. Von diesen Zetteln geht keine Gefahr mehr aus.", sagte der Dekan und begab sich zu den anderen Zaubern an die Festtafel. Noch sprangen einige der flauschigen rosa Wesen umher, aber es wurden immer weniger. Ridcully hatte erstaunlicherweise bei einer zweiten Ziehung die zwei Meter hohe Statue einer bekannt
en Persönlichkeit gewonnen. Noch überlegte er wo sein Selbstbildnis am besten zur Geltung kam.
Die Wächter liehen sich einen Handkarren von dem Gärtner aus und transportierten damit August Daffel zum Wachehaus. Eigentlich hätten sie die Pantomimen auch verhaften und zum Patrizier bringen müssen, aber Atera fand, dass sie genug in ihrem eigenen Gefängnis gelitten hatten. Darauf waren sich die Männer der Weißhandbande lachend, nun lautlos lachend, in die Arme gefallen. Schließlich verschwanden sie in den Straßen Ankh-Morporks, um irgendwann einem ahnungslosen Bürger aufzulauern und Visitenkarten hint
er seinem Ohr hervorzuholen. Es war wirklich wieder alles gut und normal. Soweit es in Ankh-Morpork jemals normal war.

Selbst Herr Weißgesicht war aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, jeder Narr war so klug gewesen in keinem sicht- und greifbaren Umfeld des Obersten Clowns zu sein. Doch so sehr er auch alle Kräfte mobilisierte niemand konnte die zwei Clowns Blinks und Flinks auftreiben. Manchmal aber wird in der Narrengilde unter vorgehaltener Hand von dem Verbotenen Witz aus Quirm erzählt.



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