Eine Enten-Tortur

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von Korporal Atera
Online seit 24. 09. 1999
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Tod hat sich ein gelbes Quietscheentchen gekauft und es ins Bad der Wache gestellt. Doch nun ist es verschwunden, und zwar Richtung Ankh.
Wer könnte Tod so etwas antun und hat sich das Entchen noch nicht auf der Kruste des Ankh aufgelöst? Fragen über Fragen, und es liegt an dir, die Antwort zu finden.

Dafür vergebene Note: 14

"OK,WER HAT DAS QUIETSCHEENTCHEN AUS DEM BAD GENOMMEN?" Tod richtete sich drohend auf. Er wirkte so schon bedrohlich, doch wenn er es wirklich wollte, brachte er die ganze Wache in eine Ecke des Raumes. So auch heute.
"ICH HABE LETZTE WOCHE DAS ENTCHEN MITGEBRACHT, DAMIT MAN SICH HIER HEIMISCHER FÜHLT. ICH FINDE DAS WIRKLICH NICHT NETT. ALSO ES KANN NUR EINER VON EUCH GEWESEN SEIN."
Stille im Raum.
"ICH HÖRE.", er musterte aufmerksam die Wächter. "WENN ES NIEMAND GESTEHT, DANN MUß ICH JEDEN BESTRAFEN."
Ein Arm winkte aus der dicht zusammen gedrängten Menge. Zögernd trat Atera nach vorne. Sie steckte unbeholfen ihren Arm wieder an.
"ATERA? DU?"
"Ja, es tut mir so leid. Es war ein Versehen. Ich bewunderte gerade die Schönheit des Entchens, denn Quietscheentchen sind neben Fröschen die schönsten Lebensformen-", begann sie zerknirscht.
"Quietscheentchen sind keine Lebensformen.", warf jemand ein.
Atera winkte drohend mit ihrem Arm, die Stimme verstummte.
"Plötzlich riß meine Hand ab und fiel in die Toilette. Mit ihr das Entchen. Meine Hand konnte ich gerade noch erwischen, doch das Quietscheentchen verschwand in den Tiefen der Kanalisation. Ich dachte niemanden würde auffallen, daß die Ente fehlt. Es tut mir wirklich leid."
"HMM, NUN ICH-", begann Tod, aber Atera kam ihm zuvor.
"Halt, bevor du irgendetwas sagst. Ich werde deine Quietscheente finden und wenn ich dafür mein Leben lasse. Ich werde keine Mühen und Gefahren scheuen, du bekommst es wieder und blablablaharre ausblablabladeine Ente ist bald blablablaund selbstblablaich trotze allenblablablabla und schließlich werde ich sie dir hier übergeben.", sprach sie laut.
Dann drehte sie sich ruckartig um und verließ das Wachhaus unter tosendem Beifall.
"Da zieht sie aus, um die Welt zu retten."
"ABER-"
"Wie tapfer."
"DAS IST DOCH-"
"Und es ist doch keine Lebensform."
"ICH MEINTE ABER-"
"Welch ergreifende Rede."
"ICH WOLLTE SAGEN-"
"Sie wird es schaffen."
"HÄH, WARUM GEHT SIE?"
Die Sterblichen verwirrten Tod immer noch, manchmal begriff er einfach nicht den Grund ihres Tuns und warum die anderen auch noch so begeistert davon waren. Vermutlich eine weitere Redensfloskel, die er noch lernen mußte. Man behauptet also etwas völlig unmögliches zu tun und die anderen glauben, daß man es trotzdem schafft. Wo lag der Sinn darin? Vielleicht konnte Atera ihm es erklären, wenn sie zurückkam. Er widmete sich wieder seinen schwarzen Stoffproben zu, er konnte sich noch immer nicht zwischen den verschiedenen Schwarztönen entscheiden.
"DABEI SOLLTE SIE DOCH NUR EINE NEUE ENTE KAUFEN."

Korporal Atera hang betrübt an der Theke der Bahre herum und versuchte ihre umnebelten Gedanken zu ordnen. Überall hatte sie gesucht und nirgends nur eine Spur der Ente gefunden. Sie hätte beinahe eine neue gekauft, aber dann sofort mit schlechtem Gewissen einen Rückzug gemacht. Tod hang so an dem Entchen, es würde ihn totunglücklich machen. Sie bemerkte das Wortspiel und wurde noch mehr betrübt. Tod mochte Wortspiele. Drei Tage war sie jetzt von der Wache fern, insbesondere von dem Wachhaus in der Kröselsstrasse, wo all das Unglück begann. Warum hatte sie ihre Hand nur nicht fester angenäht? Aber es war zu spät.
"Noch einen von dem Zeug hier.", sie deutete auf das Glas (konnte man diese Ansammlung von Schmutz als Glas bezeichnen?) vor ihr. Ach, wie fröhlich waren doch die gemeinsamen Touren durch die Kneipen mit ihren Freunden. Schon jetzt vermißte Atera sie. Je eher sie das Entchen fand, desto eher konnte sie auch Tod wieder in die Augen blicken (obwohl sie es schon im Normalfall kaum schaffte, niemand schaut gerne in äonentiefe blaue Löcher, die leuchten).
"Nein, isch gebe nich auf!", brummelte sie trotzig und hielt den Wirt mit einer linkischen Handbewegung vom Glas fern. Sie versuchte wieder Haltung in ihren Körper zu bringen. Es gelang ihr nicht.
"Oder doch, noch ein für die Haltung." Mit einem Ruck trank sie die milchig trübe Brühe in ihrem Glas und erhob sich dann mehr oder weniger damenhaft.
Mit unsicheren Schritten torkelte sie aus der Kneipe. Plötzlich manifestierte sich vor ihr eine kleine Wolke. Auf ihr saß der Gott des Regens, sie hatte ihn damals beim Brand des Wachhauses zum Leben erweckt; seitdem war sie seine einzige "Gläubige" und er klammerte sich hilflos an seine einzige Überlebensmöglichkeit.
"Oh, was haben wir denn heute?", fragte er gönnerhaft.
Sie machte eine unwirsche Handbewegung, um ihn wie eine lästige Fliege zu verscheuchen. Es klappte nicht.
"Warum bist du nicht rosa?"
"Sollte ich das?", fragte er verwundert und schaute an sich herunter.
"Also ich bin mit meinem Anzug zufrieden, wehe du hast die Vorstellung der Regengott sollte rosa gekleidet sein, denn dann müßte ich dir sagen, daß-"
"Nein, nein, immer wenn ich betrunken bin, sind meine schrecklichen Halluzinationen rosa."
"Aber ich bin kein Trugbild", er baute sich imposant auf, "ich bin der allmächtige Gott des Regens, Herrscher über Millionen und Abermillionen Regentropfen!"
"Ach ja, hatte ich schon vergessen."
Die Wolke schwebte über Ateras Kopf. Es fing an zu regnen.
"Oh, Regen. Sir Henry liebt Regen."
Sie holte ihren Frosch hervor und hielt ihn unter die Wolke.
"Oh, ich wollte dir eigentlich helfen wieder nüchtern zu werden, aber na gut, ich mag Sir Henry."
"Ja?"
"Er hat klar umrissene, vorausschauende Ansichten der Weltpolitik."
"Ach ja?"
"Bist du nüchtern?"
"Ja..ich glaube schon."
"Gut, wobei kann ich dir helfen?"
Sie starrte mürrisch den Regengott an und stapfte dann unverdrossen am Ufer des Ankhs entlang, nicht ohne ein paar Meter Abstand zu lassen.
"Ich kann mich nicht erinnern, dich um etwas gebeten zu haben. Aber du kannst mir bei meiner Suche helfen."
"Oh, eigentlich solltest du mir dienen. Du weißt schon, Gebete und so."
"Ich könnte auch nicht mehr an dich glauben. Wie würde dir das gefallen?", sie grinste hämisch.
"Nein, nein. Ich helfe dir. Was suchen wir denn?"
"Ein gelbes Quietscheentechen."
"Was! Ein billiges Quietscheentchen, hahaha. So was dämliches."
"Es gehört Hauptmann Tod."
"Oh..äh..nun ja, auch Quietscheentchen sollte man respektieren."
Atera grinste innerlich, bis auf wenige Ausnahmen, genügte schon Tods Name, um jemanden von der Dringlichkeit einer Sache zu überzeugen.
"Kannst du es finden. Es muß durch die Kanalisation in den Ankh gelangt sein. Du herrschst doch über Wasser."
"Im Ankh ist Wasser?"
"Ich weiß nicht, vielleicht ein bißchen."
"Ich kann es mal versuchen, aber es klappt normalerweise nur bei Regenwasser."
"Da ist sicher auch Regenwasser drin, falls es durchgesickert ist.", fügte sie hinzu.
Der Regengott flog mit seiner kleinen Wolke etwas höher und brüllte dort oben ein paar merkwürdige Worte, die Atera nicht verstand.
Nichts passierte. Gerade wollte Atera eine schnippische Bemerkung machen, da hob und senkte sich plötzlich der Ankh, das feste Gefüge aus Schlamm, Abfall und einigen weiteren Zutaten, die der Ethik wegen nicht genannt werden, wabberte unruhig. Dann formte sich weiter hinten in der Ferne ein gewaltiger Strudel, der alsbald gigantische Ausmaße hatte. Leichen, diverse Kadaver und anderes drehte sich schneller und schneller im Strudel bis der Wirbel sich irgendwie umstülpte (das ganze war so absurd anzusehen, daß Atera glaubte, ihre Augen würden sich nach innen kehren) größer wurde und schließlich ein gelbes Quietscheentchen ausspie. Es segelte ein paar Meter in die Höhe, glitzerte golden wie ein Kornfeld in der Sonne und landete mit einem fürchterlichen -Flurp- auf dem Ankh.
Atera blinzelte. Das ganze Spektakel hatte nur wenige Sekunden gedauert. Der Strudel war verschwunden und der Regengott schwebte neben ihr.
"Das kannst du?"
"Och, wenn man den Dreh erstmal raus hat.."
"Warum hast du da oben eigentlich gebrüllt?"
"Die Akkustik ist dort so fantastisch, außerdem hat man dort die bessere Aussicht. Das Entchen liegt in der Mitte des Ankhs. Du mußt dich beeilen, sonst versinkt es wieder. Der Ankh ist im Moment nicht sehr fest."
"Wie? Warum muß ich mich beeilen? Ich dachte-"
"Du dachtest wohl, ich hole dir die Ente aus dieser Dreckbrühe. Nein, nein, das mußt du schon selber machen. Nur ist es jetzt noch viel schwieriger, da er wie Wackelpudding ist."
"Pah, ich warte lieber bis ich einigermaßen drüberlaufen kann."
"Gut, nur dann ist das Entchen in den Tiefen des Ankhs verschwunden und du mußt tauchen."
"Ta-Tauchen. Grauenhafte Vorstellung."
Sie schluckte und ging langsam bis zum Ufer, der Gestank war bestialisch.
"Nun gut, ich..äh..wage es. Es ist meine Schuld, daß Tod jetzt so traurig ist. Paß bitte auf Sir Henry auf."
Sie reichte ihm den Frosch, der nun friedlich auf der Wolke hockte. Atera schritt langsam ins Wasser. Die Brühe umgab sie, drang schmierig in ihre Kleider. Mühsam reckte sie den Kopf. Wenn sie schon drin war, trinken würde sie es auf keinen Fall. Nach einigen Schwimmzügen hatte sie fast die Ente erreicht. Es beunruhigte sie sehr, daß kein Boden unter ihren Füßen zu spüren war. Etwas glibbriges oder war es etwas schuppiges berührte ihren Fuß.
"Arrgh!"
"Ach, ich habe gehört, daß ein Ungeheuer sein Unwesen im Ankh treibt.", bemerkte der Regengott vom Ufer her.
"Grg."
"Was?"
"Du, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um von Monstern zu reden."
"Es soll Schuppen haben und ein riiiesiges Maul mit scharf-"
"A-r-r-g-h..hier ist ...etwas."
"Wie meinst du das "hier ist etwas", häh?"
"Es hat schon wieder mein Bein gestreift! Ich will hier weg!"
Nur noch wenige Meter bis zum Entchen. Mit verzweifelten Paddelversuchen versuchte sie vorwärts zu kommen.
"Bleib ruhig, keine Panik. Das bringt nichts."
"Komm du doch an meine Stelle!"
Endlich bekam sie nun das gelbe Quietscheentchen zu fassen. Überglücklich drückte sie es an sich. Es quietschte. Hastig versuchte sie sich dem Ufer zu nähern. Ihre Füße berührten etwas, bohrten sich in etwas schleimiges. Bewegte es sich nicht? Atera schwamm schneller.
"Beeil dich, der Ankh wird fester. Du willst doch nicht dortdrin feststecken."
Ganz und gar nicht, dachte sie. Schon gar nicht mit diesem ..Ding. Sie sah schon kommende Touristenscharen am Ankh entlangwandern. Und hier sehen sie den verrückten Korporal Atera, die beim Schwimmen im Ankh feststeckte und jämmerlich krepierte. Vielleicht noch einen Spruch drunter, wie soviel Blödheit muß bestraft werden.
"Äh..ist irgendetwas hinter mir, das mich dazu veranlassen könnte ohnmächtig zu werden?"
"Abgesehen von ein paar lizenslosen Dieben, Abfall, Esssensreste und einem 15 Meter langen Schatten, der langsam näher kommt, nein nichts."
Atera biß die Zähne zusammen: sag jetzt nichts, sag jetzt nichts und schwimm zügig (sehr zügig) weiter, mahnte sie sich an. Plötzlich kratzte an ihrem Fuß etwas entlang. Konnten Untote zerfleischt und abgenagt im Magen eines Ungeheuers überleben? Sie wollte es nicht herrausfinden. Atera atmete tief durch und schwamm dann um ihr Le..Untotendasein. Oh, bitte wo ist das Ufer, das rettende Ufer? Sie würde auch eine Kerze für den Gott des Regens anzünden.
Mit letzter Kraft stieß sie benommen ans Ufer, zog sich mühsam hoch und keuchte hingebungsvoll. Zitternd klammerte sie die Ente an sich. Die Wolke schwebte an sie heran.
"Du..äh..riechst etwas..ähm streng."
Sie schaute ihn grimmig an.
"Vielleicht wäre ein Dankeschön ganz angebracht, ohne meine Hilfe, hättest du die Ente nie gefunden.", bemerkte er.
"Vielen Dank. Danke, daß ich beinahe zerfleischt, ertrunken, vor Schock und Angst gestorben bin, fast an Herzversagen krepiert bin und jetzt nicht in zehn Jahren als negatives Beispiel im Lehrbuch für, das macht man besser nicht, stehe."
"Nichts zu danken. Das habe ich gern getan."
"Ich glaube es dir nur zu gern."

Hauptmann Tod suchte gerade einen günstigen Platz für seine neue schwarze Vase, als ein strenger Geruch von der Tür herkam. Er drehte sich um und sah Korporal Atera mit dreckigen Klamotten, einem schlaff herunterhängendem Arm, zerzaustem Haar und einem gelben Quietscheentchen in der Hand. Zitternd reckte sie es ihm entgegen.
"OH, DAS WÄRE ABER NICHT NÖTIG GEWESEN. DANKE, STELLST DU ES INS BAD.", er wandte sich wieder der Vase zu.
"Aber..ich.."
"MEINST DU HIER KÄME SIE ZUR GELTUNG?"
"Aber..die Ente..der Ankh..das Monster..der Regengott"
"WAS REDEST DU DA? WO WARST DU EIGENTLICH?"
"Ich habe doch die Ente gesucht."
"OH, ACH JA, HATTE ICH FAST VERGESSEN. WIE NETT, DAß DU SIE DOCH NOCH GEFUNDEN HAST. HÄTTE ICH DIR NICHT ZUGETRAUT."
"Ich wäre beinahe gestorben."
"HMM, DU MUßT MIR MAL ZEIGEN, WIE DIESE REDENSFLOSKEL GEHT."
"Floskel?"
"JA, DU WEIßT SCHON, DIE MENGE MITREIßEN UND SO."
"Ja?"
"GUT, ICH GLAUBE, DU SOLLTEST DICH ETWAS AUSRUHEN."
"Ich bin in meinem Büro im alten Wachhaus."
"ABER IST DAS DENN SCHON WIEDER AUFGEBAUT?"
Doch Atera ging ohne auf seine Worte zu achten steif hinaus, goldenes Sonnenlicht tauchte sie in ein glänzendes Bild. Mal abgesehen von der herruntergekommenen Gestalt, die sie abgab.
Ein Wächter trat auf Tod zu.
"Man hat sie in den letzten Tagen gesehen, wie sie sich auf der Straße herumtrieb und mit der Luft redete. Vielleicht sollte sie mal Urlaub nehmen.."
Tod lächelte, er hatte auch, die in sonnengetauchte Wolke mit einem kleinen untersetzten Mann gesehen, der wild mit den Armen gestikulierte.
Er betrachtete die Ente.
Sie war da.




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