Blut und Szene

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von Gefreiter Thaddäus von Abendfels (SEALS)
Online seit 14. 12. 2022
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 08. 03. 2015 datiert
Dauer: 5 Tage

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 Außerdem kommen vor: Nyria MaiorWilhelm SchneiderCim Bürstenkinn

Edwin Spinazo III. von Labskaus ist weiterhin anderkaffer in der Stadtwache. Nun wo er SEALS beigetreten ist wird es höchste Zeit seine Ausbildung zu beginnen. Doch bleibt ihm genug Zeit beide Dschobs gleichzeitig mit vollem Eifer durchzuführen?
So schwer kann das doch nicht sein. Oder?


TW: Beinhaltet Themen von Mord, Missbrauch, Vernachlässigung und Selbstverletzung.

Dafür vergebene Note: 12

Wann hatte er angefangen, so müde zu sein?

Edwin durchstach auch das dritte Mitglied der Teegesellschaft blitzartig und sog den Schirm mit einem saugenden Geräusch wieder heraus. Das Ziel hatte ein Geräusch gemacht, bevor es gestorben war. Nicht gut. Die anderen beiden hatte er schnell genug erledigt damit sie nicht reagieren konnten, aber das dritte hatte einen kleinen, überraschten Schrei von sich gegeben. Edwin wischte den Schirm mit einem Tuch ab, ging zur Tür und lauschte. Er hörte einen Herzschlag zügig näherkommen.
Er war sich nicht sicher, wann es angefangen hatte. Als junger Mann war er energetischer gewesen, hatte kaum je geschlafen, war die ganze Nacht geflogen, hatte tagsüber seine Puzzle gemacht und den Untergrundgarten gepflegt...
Die Tür öffnete sich und Edwin zersplitterte der Gestalt den Kopf. Er rümpfte die Nase.
Eklig.
Er mochte seine Dschobs nicht so unsauber, aber es war nicht zu ändern gewesen. Er hatte nicht gewusst, ob ein Diener oder ein Wächter hinter der Tür stand, und im Falle eines Brustpanzers hätte er nicht sicher sein können das er ihn mit einem Hieb durchstoßen hätte. Er lauschte einen Moment, die anderen Herzschläge blieben jedoch auf Distanz. Er holte sein Reinigungsmittel und wischte den Schirm nun gründlicher ab, trat dann ans Fenster.
Dann hatte seine Dienstzeit begonnen, eine Tradition der Labskause. Seine Familie hatte von jeher deutlich gemacht das auch er mit 25 in den Dienst eintreten würde. Von müssen war nie die Rede gewesen. Er würde es einfach nur tun. War es diese Zeit gewesen? War dort sein Wunsch entsprungen, zu schlafen, zu ruhen? Sein Verhältnis zu Luzi hatte sich im gleichen Zeitraum begonnen zu wandeln...
Er sprang leichtfüßig aus dem offenen Fenster in den großen Garten, streifte Handschuhe und Fußschoner ab, drehte sie um und steckte sie in seine Tasche.
"Hey, was treibst du hier?!"
Edwin fror eine Millisekunde ein, dann verwandelte er sich und flog hastig davon.
Ohverdammtohverdammtverdammt Er hat mich gesehenErhatmichgesehn! Edwin spürte die Panik in sich steigen ihn übermannen und er realisierte das er zurück musste, das er ihn ausschalten musste. ABER ER HAT MICH SCHON GESEHEN! ICH KANN IHN NICHT MEHR ÜBERRASCHEN Er fühlte sich absolut schrecklich, lenkte aber ein und flatterte wieder zurück. Er hörte das 3 Herzschläge nun in dem Raum waren wo er die Ziele ausgeschaltet hatte. Verdammtverdammtverdammtverdammt... Sein Kopf tat weh. Aber er musste es tun. Mit seinen leuchtend roten Haaren und seiner Albinogestalt war er viel zu auffällig!
Er ließ sich aufs Fensterbrett fallen, verwandelte sich im Fallen und hechtete durch den Raum. Wie ein Blitz spießte er den ersten Wächter auf. Er spürte einen Bolzen über seinen Kopf hinwegschnellen und rannte zu dem Wächter mit Armbrust. Er riss ihm den Kopf ab, konnte aber nicht umhin beeindruckt zu sein das der Wächter schnell genug gewesen war ihn fast zu treffen. Die anderen beiden Wächter versuchten zu fliehen. Er holte sie von hinten auf und spießte sie nacheinander auf.
Schwer atmend sackte er kurz in sich zusammen. Er vergrub das Gesicht in den nun blutigen Händen und atmete kurz tief, dann riss er die Hände angewidert vom Geruch runter. Die Angst ging nicht weg. Alles war so schnell gegangen. Und wenn er die Leute nicht erwischt hätte, hätte es auf einmal eine Phantomzeichnung von ihm gegeben! Ja, die Wache wusste nicht, dass er sich in eine Fledermaus verwandeln konnte, aber wie viele rothaarige, bleiche, große Gestalten gab es denn die leichtfüßig aus dem zweiten Stock einer Villa springen konnten? DummDummDumm! So dumm! Wie konnte ich so dumm sein?! Die Stimme seines Vaters ertönte in seinem Kopf, wie unfähig und einfältig er wieder einmal gewesen war, ob er der Familie Schande bringen wolle...
Ich muss hier weg. Es ist das Blut. Das Blut macht mich irre. Ich muss fort..fort...
Edwin lief zum Fenster, verwandelte sich und flog halb-taumelnd davon.

Er wachte mit hämmernden Kopfschmerzen auf. Blut. Überall Blut. Ihm war schlecht von all dem Blut. Der Geruch schien ihn übermannt zu haben, klebte noch immer an ihm, obwohl er seine Kleider verbrannt hatte als er heimgekommen war, obwohl er sich ewig von Kopf bis Fuß geschrubbt hatte bevor er ins Bett fiel...
Habe ich etwas davon geschluckt? Geht es mir deswegen so schlecht? Er sehnte sich plötzlich nach seinem alten Untergrundgarten zurück. Es hatte ihn so beruhigt die zierlichen Nachtschattengewächse zu pflegen...
Er seufzte. In 90 Minuten musste er im Wachhaus antreten und in sein neues Büro einziehen. Gleichzeitig hatte er eigentlich Dienstfrei. Umzüge waren wohl für freie Tage vorgesehen.
Er klammerte sich noch einen Moment an seine Knie. Er musste aufstehen und sich fertig machen. Morgenroutine. Das würde ihn schon wieder beruhigen.

Als er später beim Oberfeldwebel klopfte wirkte dieser ebenso überrascht davon, das morgen war, wie vom Erscheinen des Vampirs. Er schickte ihn postwendend in Büro 306. Da würde es ihm schon gut gehen, meinte er.
Edwin fragte sich, warum er dabei so komisch geschaut hatte. Nicht dass es ihn wirklich kümmerte. Er fühlte sich immer noch ein wenig schwach und aufgewühlt. Wenigstens war er heute in seinen eigenen Kleidern. Da er offiziell nicht im Dienst war, hatte er seine zivilen Textilien auf dem schlanken Leib belassen. Lang geschnittene schwarze Anzughosen, glatte schwarze Schuhe. Ein helles Leinenhemd mit weit ausgeschlagenen, fest manschettigen Ärmeln. Eine Anzugweste darüber. In seinen Händen trug er eine fein gearbeitete Holzkiste mit slyranischen[1] Einkerbungen die seine wenigen persönlichen Bürogegenstände enthielt. Es waren tatsächlich seine, nicht die von "Thaddäus" und er fühlte sich ein wenig seltsam sie mit hierher zu nehmen.
Aber die Arbeit mit den Menschen belastete ihn. Verstärkte seinen Wunsch nach Schlaf, verstärkte seine Müdigkeit. Etwas an Bürstenkinns auftreten verwirrte ihn zudem jedes Mal aufs Neue. Menschen! So unlogisch, so nervenaufreibend sinnfrei!
Edwin konzentrierte sich darauf zur Ruhe zu kommen. Er atmete oft mehr als es andere Vampire taten. Es beruhigte ihn. Und doch hasste er sich dafür. Denn eigentlich wusste er, dass die, welche Atem brauchten, schwach waren. Erinnerte sich, wie sein Vater ihm immer über die Nase geschlagen hatte wenn er ihn atmen hörte, wie einem Hund. Wie einem Nichts dass etwas unanständiges, dummes, unnötiges gemacht hatte,-
Edwin atmete tief ein und konzentrierte sich auf das hier und jetzt. Er ging die Treppe in den dritten Stock hoch. Eine Aufregung hatte ihn erfasst. Laut Bürstenkinn würde er das Büro mit einem "Wilhelm Schneider" teilen. Wahrscheinlich ein Mensch, dem Namen nach zu urteilen, also hoffentlich leicht zu übervorteilen. Aber das Büro war im dritten Stock, ein Umstand so praktisch für ihn das er es kaum glauben konnte. Nur Meter entfernt vom IA Büro, ganz in der Nähe vom Inspäktor der Wache! Dazu noch nahe dem Lektorbüro, wo die Frau des Kommandeurs häufig weilte, eine lohnende Geisel, geparkt wie bestellt,-
Er trat vor die Bürotür und klopfte mit dem Ellenbogen.


Der Geruch frischer Pflanzen schlug ihm ins Gesicht. Für einen Moment war er überwältigt. Wie eine Wand schlug ihn das flirrende Aroma vertrauten, wohligem, herben Geruchs- was war es? Pffeferminz, Rosmarin, Basilikum...
Er widerstand dem Impuls zu atmen, obwohl eine bestimmte Note ihn besonders verführte zu erforschen, einzuatmen, zu vergessen,-
"...herein."
Edwin riss den Blick hoch. Ihm gegenüber stand eine mittelgroße Gestalt mit schlanken Händen die sofort Edwins Blick auf sich zogen. Der Mann hatte braune, leicht wellige Haare, dunkelbraune Augen mit einem strengen und irgendwie müden Ausdruck. Er stand in einem hellen Raum, von Pflanzen gesäumt und schien gänzlich überrascht ihn hier zu sehen. Der mangelnde Herzschlag und das seltsame Prickeln das Edwin spürte, wiesen den Fremden ganz klar als Vampir aus.
"Äh..." Er starrte einen Moment in die fremden Augen und erinnerte sich dann, dass er weitersprechen musste. "Hallo...Ich, äh... Ich bin Gefreiter Thaddäus von Abendfels. Dein neuer Büromitnutzer." Er machte unsicher einen Schritt in das Büro, erinnerte sich seiner Umgebung und spähte kurz nach oben, um sicher zu gehen, dass er sich den Kopf nicht stoßen würde. Dann versuchte er, den restlichen Raum rasch aufzunehmen, seine Hände fest um die Box geklammert. Ein sehr großer Schreibtisch stand vor dem anderen, um ihn herum eine Vielzahl kleinerer, intensiv riechender pflanzen. Eines der Gewächse wucherte aus einem Topf auf einem Balken herunter und schien bemüht die Umgebung einzurahmen. Die warme Sonne erhellte den Parkettboden und der andere trat eben um den Tisch herum, ein leicht angestrengtes Lächeln auf den schmalen Lippen. "Gefreiter Wilhelm Schneider. Willkommen in meinem... unserem Domizil!"
Edwin nickte unsicher und fühlte eine ungewohnte Bewegung seines Mundes. Er lächelte sachte. Unabsichtlich. Für einen kurzen Moment verwirrte ihn dies, doch er ließ sich nichts anmerken. Bei der Nennung des Namens klickte jedoch etwas in seinem Kopf. Ein kleines, edel wirkendes Geschäft, Im kleinen Tod, gegenüber der Näherinnengilde, ein diskretes, elegantes Schild,-
"Wilhelm Schneider... doch... Ich kenne deinen Namen..." Er blinzelte verwirrt. Hatte er sich zuvor nicht erinnert oder gedacht, es könnte nicht sein?
"Kein Wunder, nehme ich an. Kursieren ja genug Gerüchte in dem alten Kasten. Ich hoffe, du hast die positiveren erwischt."
Edwin blinzelte. "Gerüchte? Ich...nein, Ich meine...Gehört dir nicht die Schneiderei gegenüber der Näherinnengilde? Oder ist das ein anderer Wilhelm Schneider?"
Wilhelm schaute überrascht. "Ja, das ist richtig. Definitiv einer der besseren Fakten, um mich kennen zu lernen." Er wies mit der Hand kurz auf Edwins Box. "Ich denke, du müsstest dir noch einen Schreibtisch aus einem der anderen Räume hier oben besorgen. Wenn du willst packe ich mit an... Die Box kannst du so lange auf meinen Tisch stellen..."
"Ich äh, danke, ja..." Er stellte die Box sorgfältig ab und sah zu wie Wilhelm schon Richtung Tür eilte. "Warte hier, ich besorge uns kurz das Wundergerät von Braggasch. Damit lassen sich die schweren Monsterschreibtische hier oben überhaupt bewegen. Bin gleich wieder da."
Edwin nickte unsicher und lauschte wie die Schritte davon huschten. Dann lief er flugs um den Schreibtisch herum und sog gierig den Duft der Pflanzen ein. Eine tiefe, fast berauschende Ruhe breitete sich in ihm aus. Wilhelm war zwar immer noch seltsam aufregend für sein Gemüt, doch die negativen Emotionen von vorher waren fast vergessen.
Vielleicht ist dieses Büro doch ein noch größerer Glückfall als ich dachte.


Wilhelm half dem neuen gerne beim Transport seines Schreibtisches. Auch wenn er ein wenig betrübt war sein kuscheliges Büro nun doch teilen zu müssen, so schien der neue immerhin relativ leise zu sein was immerhin eine kleine Gnade war. Und sein Kleidergeschmack sprach ebenfalls für ein positives, kollegiales Verhältnis. Während Sie den Tisch herüber fuhren, konnte er selbst sich den ein oder anderen Kommentar zu den Nachbarn des Stockwerks jedoch nicht verkneifen. "Hier neben uns ist übrigens das IA-Büro... besser nicht rein verirren. Der Bewohner dieses Etablissements versteht keinen Spaß und ist der Meinung, dass Vampire nicht so stark sein sollten..."
Thaddäus zog eine Augenbraue hoch. "Aber...warum? Ist es als Teil der Wache nicht zu seinem nutzen? Und überhaupt... können wir doch nichts dafür."
"Warum Sebulon keine Vampire mag? Keine Ahnung. Kindheitstraumata? Schlechtes Essen, das ihm auf den Magen schlägt? Such dir was aus!" Der andere lachte leise und ging weiter neben ihm her. Wilhelm lächelte schief. "...An mir kann es jedenfalls nicht liegen. Ich bin die Freundlichkeit in Person." Der Neue lachte und sah inzwischen so viel entspannter aus als zu Beginn. Nett das manche mich doch noch als angenehme Gesellschaft empfinden..


Als Edwin nach Hause zurückkehrte fühlte er sich noch immer unruhig, doch die ausgefransten Ränder seiner düsteren Gedanken fühlten sich langsam geordneter an, das Gefühl von Blut durchweicht zu sein hatte ihn verlassen.
Er hängte den Schirm hinter die Tür und bemerkte einen versiegelten Umschlag. Die Platzierung der Nachricht und die Zeichen darauf machten deutlich, dass sie von einem der besser bezahlten Kurieren des Syndikats überbracht worden waren [2]. Er öffnete den Brief gleichgültig. Was war nun wieder? hatte jemand die Küche angezündet? Einen Botschafter gegessen? War der Alkohol aus? manchmal hatte er das Gefühl, die Ankh-Morpork Abteilung war ein einziger Kindergarten. Wenn er da an die Effektivität der Bumser Infiltrationsgruppe zurück dachte...
...und das Cello erst...
Der Duft frischer Bergluft blieb ihm nicht lange in der Nase. Die Notiz war von seinem Leutnant, kurz und effizient, wie gewohnt:"Der Alte weigert sich, weiterzumachen wenn er dich nicht sieht. ~L"
Der Vampir seufzte tief. Arbeit. Urghs. Er ließ sich in den Armsessel fallen und schloss einen Moment die Augen. Nach wenigen Augenblicken begann er, nach seiner Pfeife zu tasten. Wie automatisch fischte er das beste Kraut der kürzlich tragisch [3] Lady Elyseé hervor und entzündete kurz darauf das langstielige Objekt. Er sog den Rauch tief ein und rutschte in seinem Stuhl herunter.
Langsam fiel die Nacht von ihm ab. Er schloss die Augen und genoss das Aroma tiefen Nebels in seinem Innern, dachte sich hinein, fühlte das rauchige nichts.
Unberufen tauchte sein neuer Kollege in seinem Kopf auf und er schlug sich unwirsch die Hand vor den Kopf. Das hat hier nichts zu suchen. Er massierte sich die Nasenwurzel. Was er brauchte, war Nichtigkeit, Nichtsein, tiefe, verinnerlichte Einsamkeit. Sein Lebensblut und seine Heilsamkeit.
Er stand auf, trat vor den Spiegel und tastete nach seiner spitzen Feder, krempelte den feinen Ärmel hoch, stach sich in den Arm und begann langsam, die Schneide hochzuziehen. Er schloss die Augen und kostete den Schmerz aus, die süße, fleischgewordene Einsamkeit....und mit der Wanderung der Klinge durch die Haut fühlte er sich endlich wieder real in seinem Schmerz.


Edwin erwachte in seinem Lehnstuhl. Zusammen gesunken mit dem Messer im Arm. Es war etwas eingewachsen und machte ein schmatzendes Geräusch beim herausziehen. Er schälte sich langsam, murrend aus dem Sessel und bemühte sich, einen klaren Kopf zu fassen. Er stellte heißes Wasser auf und besah dann bei einem Kräutertee noch einmal die Mitteilung von gestern. Dieser arrogante alte Fatzke. War klar, dass er nicht ewig so mitspielt. Aber nach Überwald? Jetzt. Schwer auffällig, wenn ich einen Tag nach meinem Abteilungswechsel direkt fehle... hmpf...1-2 Tage werden die wohl warten können...
Er schlürfte seinen Tee aus und setzte direkt noch einen auf. Dann zog er die neue SEALS Uniform an und betrachtete sich bedrückt im Spiegel. Nur wenig besser sitzend als die GRUND Uniform war auch diese zweifellos nicht von einer Person mit Mode Sinn designt worden. Diese Farbe! Und der Schnitt! Die Taschenplatzierung, die Kombination des Gürtels mit dem Hemd wirkte farblich fehleingestuft, und überhaupt war ihm das ganze Ding ein bisschen zu kurz.
Wie immer.
Er seufzte und trank mehr Tee. Er hatte Cim gefragt, wie seine Ausbildung ablaufen würde doch die Anweisungen des Oberfeldwebels waren ein wenig verwirrend gewesen. Offenbar gab es derzeit keinen aktiven Szenekenner in der Wache - zumindest hatte der Oberfeldwebel gesagt das der einzige, von dem er wüsste derzeit auf Abordnung bei der Klatschianischen Fremdenlegion wäre, was Edwin sehr seltsam vorkam. Warum sollte ein Ankh-Morpork Wächter nach Klatsch abgeordnet werden? Und dann noch zur Fremdenlegion?


"Äh, Oberfeldwebel?"
"Was? Siehst du nicht das ich beschäftigt bin?"
Edwin sah seinen Vorgesetzten ein wenig verwirrt an, unfähig zu begreifen warum dieser Mann eine Reputation als gefährlicher Wächter hatte.
Der Mann saß barfuß auf seinem Schreibtisch und schnitt sich die Zehennägel.
"Äh... verzeihen Sie die Störung, Oberfeldwebel, aber die Tür stand offen und außerdem... habe ich keine Ahnung was ich nun tun soll."
"...Und warum fragst du mich?" Er arbeitete konzentriert an seinem Fuß ohne aufzusehen.
"Weil... du mein Vorgesetzter bist und sagtest das ich keinen direkten Betreuer kriegen kann gerade und mich an dich wenden soll?"
"Ach. du bist das. Der Vampir." Cim sah ihn kurz grimmig an, als sei es ein Charakterfehler, Vampir zu sein. "Nagut... Warum bist du dann schon hier?"
"...Sör? Es ist 10 Uhr morgens..."
"Als Szenekenner hast du hier nichts zu suchen um die Zeit. Müsstest du als Vampir nicht ohnehin noch schlafen? Tses. Als Szenekenner kannst du nachts jedenfalls viel mehr erreichen. Sagen wir mal... Geh heute Abend um 10 in eine beliebige Zwergenkneipe und versuch unauffällig herauszufinden wer dort Drogen verkauft."
Edwin starrte einen Moment. "Sör... Wieso wissen Sie das jemand dort Drogen verkauft, wenn Sie ich eine beliebige Zwergenkneipe nehmen kann?"
Cim sah ihn an wie der Grünschnabel der er war. "Es ist eine Kneipe, Junge. Deswegen."

Im Schein Ankh-Morporks gelegentlicher Straßenbeleuchtung spähte Edwin die Kneipen aus. Er hatte ein wenig mit dem Gedanken gespielt einfach in den Blauen Reiter zu gehen und etwas tatsächliche Arbeit zu machen, doch was sollte er dann für Bericht erstatten? Er konnte schlecht seine tatsächlichen Kontakte angeben. Ohnehin sollte er ein eher unterbelichteter, inkompetenter Wächter sein. Mit so wenig Anleitung, ohne einen direkten Betreuer... ein Frischling wie er, musste versagen. Bestimmt war dies einer dieser merkwürdigen menschlichen Lektionen, bei denen Sie glaubten, der neue müsste irgendeine harte Erfahrung machen, um möglichst viel daraus zu lernen. Er glaubte jetzt schon hören zu können wie Bürstenkinn ihm irgendeine Lektion über Verantwortung und Erfahrung gab, wie er das seltsame bisherige verhalten ablegte und plötzlich tatsächlich ein ordentlicher Wächter wurde. Das gegenwärtige Schmierentheater diente sicher nur dazu, ihm möglichst viel Leistung abzuverlangen.
Ganz sicher.
Leider musste er zugeben das es fast funktionierte. Er fühlte das seltsame Bedürfnis, einen guten Dschob zu machen. Gleichzeitig war dies unmöglich, denn er musste inkompetent sein. Wieder spürte er diese Müdigkeit und seufzte. Als großer, dürrer Vampir war er nicht gerade in der besten Position in irgendeiner Form jemals unauffällig zu sein. Er hatte gelesen das es offene und verdeckte Szenenkenner gab. In seiner Position war es schier unmöglich ein verdeckter zu sein, denn wie könnte er jemals unauffällig in einer Menge mit irgendwelchen Leuten reden?
Aber sich als offener Szenekenner zu betätigen wäre wiederum zu kompetent. Und so schritt Thaddäus von Abendfeld in die Zwergenkneipe 'Zum Kupferkopf', in seiner zivilen Kleidung- komplett mit grauer Weste und Puffärmeln.



Nyria Mayor hatte Kopfschmerzen. Sie saß in der Kneipe, halb um sich umzuhören, halb um den Schmerz zu betäuben. Sie rauchte eine ihrer berüchtigten selbstgedrehten und tat gemeinhin so, als ob sie arbeitete, indem sie gelegentlich mit den Stammgästen um sie herum sprach. Sie kannte die Kneipe gut. Wusste wo die Ausgänge waren, wie das Klientel war, was unter dem Tresen lag und welche Laster der Wirt hatte und wer sie verkaufte. Nicht dass es hier nichts zu erfahren gäbe - Nyria war sich sicher, das sich gelegentlich Kontaktpersonen des Trolldrogenschmuggels hier trafen. Bisher war es ihr aber nicht möglich gewesen mehr Informationen zu erhalten. Eine gute Ausrede den ganzen Abend hier zu verbringen.
"Herr Wirt, ein Bier bitte.", hörte sie eine neue Stimme sagen. Sie stach aus der Menge wie ein krummer Nagel. Seltsam hohler, überbetonter Tonfall. Nyria sah grundsätzlich nicht zu oft zum Eingang, wenn sie sich in einer Kneipe gut auskannte - viel zu auffällig - also hatte sie den Fremden vorher nicht hereinkommen sehen. Sie blickte sich um und weitete die Augen.
Ist schon wieder der Zirkus in der Stadt?
Nicht weit von ihr stand ein 2 Meter großer Typ, dürr wie ein Streichholz. Ein Schopf leuchtend roter Haare über einer so affigen Klamotte, dass sie kaum glauben konnte das der Kerl sich überhaupt hierher traute. Sicher, im Opernhaus mochte derartiges angebracht sein, aber In dieser Gegend, noch dazu in einer Kneipe, schrie es jedoch "Hallo! Ich habe Geld! Bitte überfallt mich und stehlt mir alles!" Nyria blinzelte ob der unfassbaren Dummheit des Fremden der sich nun an die Bar setzte. Steife Bewegungen und Hohlkreuz - was machte ein personifizierter Besenstiel wie er an einem solchen Ort? Sie nippte an ihrem Bier und begann wieder mit einem ihrer Kontakte über alltägliches zu plaudern um nicht zu interessiert zu wirken, doch sie spitzte die Ohren. Der Fremde quatschte die Leute um sich an, versuchte sie in ein Gespräch zu verwickeln während jene nur in Ruhe ihre Ratte knabbern wollten.
Zwerge waren nicht gesprächig wenn sie einen nicht kannten.
"Weiß einer von euch vielleicht wo ich hier Drogen kaufen kann?"
Nyria ließ ihren Kopf fast auf den Tisch fallen. Sie blickte zu dem Fremden, unfähig ihren Schock über diese schiere Inkompetenz zu verbergen. Wer war dieser Typ? Warum war er hier?! Keine Person die wirklich Drogen kaufen wollte-
Oh nein.
Sie hatte Gerüchte in der Wache gehört das ein seltsamer Vampir nach Seals gewechselt sein sollte. Ungewöhnlich groß für einen Vampir und unglaublich steif.
Von allem was sie gehört hatte würden die Gerüchte auf diesen Typen passen. Und wer sonst als einem Wächter würde derart inkompetent versuchen Informationen über Drogenhandel zu erhalten?
Sie unterdrückte ein Stöhnen. Wahrscheinlich wollte sich der Neuling irgendwie beweisen und hatte von den Trolldrogen gehört. Vollidiot.



Die Zwerge um ihn herum grummelten unwirsch, hackten ihm aber immerhin nicht direkt die Beine ab. Nyria spitzte die Ohren. Mit viel Glück schaffte es der Kerl einfach zu scheitern ohne dass man ihn angriff, ohne dass sie einschreiten musste. Sie hatte eine stabile Reputation in dieser Bar, sie wollte sie nicht verlieren - und dieser Typ war eindeutig ein Vampir. Wie gefährlich konnten ihm die Zwerge schon werden?
Sie beobachtete wie sich der Vampir viel zu nah an die Zwerge heran beugte. "Kommt schon. Ihr müsst doch was wissen. Ich will auch gar nicht viel. Nur genug für mich und meine Kumpels..."
Der Zwerg fuhr herum und ranzte ihn an. "Piss ab, Polente! Wir brauchen hier keine Drogenfahnder!"
Der Vampir wich scheinbar entsetzt zurück und gab einen gekünstelt entrüsteten Gesichtsausdruck ab. "Wie bitte, ich, ein Fahnder? Aber nein, ich will doch nur ein paar Drogen kaufen-"
Der Zwerg sprang vor und packte den anderen am Revers, die Axt an den Hals gesetzt. "Mir ist egal wie oft seine Lordschaft dumm daher faselt über was auch immer. Verschwinde oder ich hack dir die Beine ab!"
"Aber guter Herr, das ist doch kein Grund zu Schlagfertigkeiten, ich habe doch nur eine Frage gestellt und sie sahen mir aus wie jemand der-"
"Der was?! Wie ein Drogenkopp, wa? Kommt Jungs, wir zeigen seiner Lordschaft mal wie gut wir bei Kräften sind!" Die anderen Zwerge seiner Gruppe standen auf und schlugen in Angriffslust mit ihren Äxten auf die Schilder.
Nyria trank einen tiefen Schluck Bier und ließ einen durchdringenden Rülpser heraus. "Oah, mit sowas gebt ihr euch ab? Der spielt sich doch nur auf. Das ist ein Vampir. Wahrscheinlich will er das ihr ihn angreift damit er euch dumm aussehen lassen kann, wenn er euch die Arme abreißt." Sie exte ihr Glas in einem langen Zug und knallte den Humpen auf den Tisch. "Eure Ratten werden kalt und Berx, du sagtest du wolltest versuchen dich weniger zu schlagen. Wir sagen Glonssohn dass er den Typen rauswerfen soll, dann haben wir unsere Ruhe."
Der Vampir schien einzufrieren, dann blickte er überrascht. "A-Aber meine Herren-"
Nyria warf ihm einen warnen Blick zu der hoffentlich deutlich machte dass sie ihm die verdammte vampirische Haut über die Ohren ziehen würde wenn sie ihn im Wachhaus fand. Er starrte sie einen Moment an, drehte dann auf der Stelle um und ging abrupt.
Was für ein Vollidiot.




Cim saß in seinem Büro und grübelte. Rabbe lag auf der Couch und schlief. Sie war erst vor einer Stunde zurückgekehrt und sie wirkte ausgelaugt.
Es war nur natürlich. Sie war nicht an diese Sorte Ermittlungen gewöhnt und es dauerte seine Zeit sich daran zu gewöhnen. Und diese Ermittlung würde lange Zeit dauern.
Cim blickte kurz zu ihr hinüber. Sie schlief wie ein Toter. Er seufze, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und warf seine Füße auf den Tisch in dem Beschluss, ebenfalls ein Nickerchen zu machen als es aggressiv an die Tür klopfte.
...Was wollen die Leute immer von mir? Können die nicht zu Rea gehen?
"Reinkommen!"
Die Tür öffnete sich und Nyria Mayor stapfte in den Raum. Sie hielt kurz inne als sie Rabbe bemerkte, fokussierte den Blick dann aber wieder auf Cim. "Oberfeldwebel! Haben wir einen neuen in der Abteilung von dem ich noch nichts weiß?!"
Cim musterte sie nachdenklich. Sie wirkte sehr aufgebracht. Cim lehnte sich nachdenklich vor. "Hm. Mag sein. Wir haben neuerdings einen Vampir dabei. Seltsamer Kerl. Ich weiß nicht recht, was ich von ihm halten soll."
Nyria grummelte. "Nun, er war gestern Abend in einer Zwergenkneipe und hat ernsthaft gefragt ob jemand Drogen verkauft! Einfach so! Wie dumm ist dieser Kerl!?! Wer ist sein Ausbilder? Wo ist sein Büro?"
Der Vektor trippelte die Hände gegeneinander. "...Er untersteht mir. Sein Büro ist 306."
"...Wilhelms Büro?! Er ist in Wilhelms Büro?!"
Cim kräuselte die Augenbrauen. "...Ja? Wilhelm ist in Wilhelms Büro, würde ich annehmen. Sprechen wir nicht über den Vampir?"
Nyria grummelte entnervt. "Ich meine nicht Wilhelm. Ein anderer Vampir. Groß. Rote Haare. Läuft wie ein Besenstiel."
Der Oberfeldwebel verschränkte die Arme. "Ah. Ja. Büro 306."
"Du hast... die Vampire zusammengesteckt."
"Ja. Warum sollte ich nicht?"
"Welche Spezialisierung hat er?"
Cim blickte sie abschätzig an. "Szenekenner."
"Szenekenner....der Typ?! Wer bildet ihn aus?"
"...Niemand. Ich wollte sehen was er tut. Was hat er getan?" Er sah zu wie Nyria offensichtlich mit ihrer eigenen Wut kämpfte.
"Er ging in eine Zwergenkneipe und hat gefragt ob jemand Drogen verkauft!"
Cim nickte. "Ein guter Ansatz. Hat er genug für alle mitgebracht?"
Nyrias Gesicht wurde dunkler in ihrer Wut. "...du weißt genau was das Problem ist. Er hat sich dahingestellt, stocksteif, in seinem Affenkostüm und buchstäblich gefragt "Hallo, verkauft mir hier bitte jemand ein paar Drogen?!"
"Ja und hat jemand?!"
"Natürlich nicht! Die hätten ihn fast zusammengeschlagen!"
Cim blickte überrascht. "Ich denke er ist Vampir. Hätte er sie dann nicht fast zusammengeschlagen?!"
"...okay..." Sie atmete tief durch und massierte sich die Nasenwurzel. "Sie hätten ihn fast angegriffen."
"Okay. Haben sie ja offenbar nicht. So dumm kann er sich also nicht angestellt haben."
"Sie haben ihn nicht angegriffen weil ich sie aufgehalten habe! Wäre ich nicht da gewesen wäre es zu einem Zwischenfall gekommen!"
Cim nickte. "Dies wäre zweifelllos sehr lehrreich für ihn gewesen."
"Das kann nicht dein Ernst sein."
"...Warum nicht?" Er zog die Brauen kraus. "Er ist ein Vampir. Ihm wäre nichts passiert und du musst zugeben, egal wie die Situation ausgegangen wäre, er hätte etwas daraus gelernt. Was möchtest du denn, was ich tue?"
"Ich...." Sie zögerte. "Warum hat er keinen Ausbilder?! Findest du ich bin nicht weit genug um jemandem zu zeigen worauf es ankommt?!"
"Wieso? Bist du das nicht?"
"...was?"
"Ich denke du hast genug zu tun. Wenn du ihn ausbilden willst, mach nur. Menelaos ist nunmal immernoch bei der Fremdenlegion und du weißt, Damien hat das Problem mit dem Schwan..."
Nyria nickte entnervt. Natürlich wusste sie Bescheid.
"...aber wenn du ihn ausbilden willst, bitte. Ich dachte das würde dich nur nerven und wollte ihn erstmal ins kalte Wasser stoßen und sehen ob er kündigt."
"Moment... jetzt... halt, du sagst ich bin jetzt für ihn zuständig?"
"Ja, da du es ja offenbar unbedingt willst ist er nun dein Az-uh-bieh! Viel Spaß!"
"Moment, so meinte ich das nicht-"



Wilhelm gab dem Jungen behutsam eine Tasse Tee. Er wirkte immer noch ein wenig verstört. "Danke..." Der rothaarige schlürfte vorsichtig von der warmen Flüssigkeit. "Ich verstehe einfach nicht, was ich falsch gemacht habe. Ich verstehe auch nicht, was der Oberfeldwebel von mir wollte. Ich bin wie befohlen in eine Zwergenkneipe aber ich habe nichts erreicht und die Leute haben mich sofort als Wächter erkannt. Wie soll ich verstehen was ich beachten muss wenn mein Vorgesetzter mir so dermaßen vage Anweisungen gibt?!"
Wilhelm hörte sich dies mit Besorgnis und einigem Ärger an. Natürlich hatte er seine Differenzen mit dem Stellvertretendem Abteilungsleiter. Als sein Ausbilder war er alles andere als präzise und er roch nur allzu oft unangenehm nach Alkohol. Aber er konnte damit umgehen. Thaddäus dagegen mangelte es an der Lebenserfahrung um mit dieser Sorte Charakter gut umzugehen. Wilhelm verschränkte die Arme. "Und du hast keinen direkten Ausbilder bekommen? ich glaube das ist eigentlich gegen die Vorschriften, weißt du? Du brauchst jemanden der dich anleitet, vor allem wenn du dich ohne bäck-app in die tiefen der Unterwelt vorwagen musst. Ich kann nicht fassen das er dich einfach so einer derartigen Gefahr ausgesetzt hat..." Er grummelte leise. Natürlich war Thaddäus ein Vampir und infolgedessen nicht ganz ohne Verteidigungsmöglichkeit, aber er wirkte so unbedarft, so schüchtern, er wollte ihm nur Tee geben und ihn in eine Decke wickeln...

Ein energisches Klopfen unterbrach seinen Gedankengang. Thaddäus sah fast schon ängstlich zur Tür. "Ohje... was soll ich dem Oberfeldwebel sagen falls er das ist und einen Bericht will?"
"Die Wahrheit. Herein!"
Die Tür öffnete sich und Nyria Maior blickte zwischen den Vampiren hin und her, ließ dann den Blick über die Pflanzen schweifen und sah wieder zurück zu Wilhelm. "...Guten Morgen."
"Ah. Guten Morgen Nyria. Darf ich dir einen Tee anbieten?"
Sie wirkte missgestimmt. "...Nein danke." Sie stolzierte ins Büro und blieb vor Thaddäus stehen. "Du bist der neue Szenenkenner in Ausbildung?"
Thaddäus nickte verschüchtert und schien unter Nyrias strengem Blick ein wenig zu schrumpfen. "Ja, äh, Mäm."
Nyria knirschte. "...Wenn dann Obergefreite. Ich bin ab heute deine Ausbilderin, Obergefreite Nyria Maior, Szenenkennerin."
Thaddäus blickte verdutzt. "Oh. Äh. Gut. Äh. Danke?"
"Eine genauere Vorstellung deinerseits wäre noch sinnvoll."
"Oh. ja." Er stand unbeholfen auf und seine hohe Körpergröße wirkte fast schon komödiantisch neben seiner eher klein gewachsenen Ausbilderin. Edwin verneigte sich mit gekonnter Geste. "Gefreiter Thaddäus von Abendfels, Clan der Spätfelse aus dem nördlichen Überwald. Zu Diensten."
Nyria machte ein unwirsches Geräusch. "Nun da die Formalitäten aus dem Weg sind... Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht ohne Unterstützung und in pompösen Klamotten in eine Zwergenkneipe zu gehen und derart dilettantisch Informationen zu sammeln!? Hast du eine Ahnung was passiert wäre wenn ich nicht eingegriffen hätte?!"
"Äh...Ähm..." Wilhelm betrachtete mit Besorgnis wie Thaddäus fassungslos ob der plötzlichen Aggression stammelte. Er konnte dies nicht mit ansehen! Wilhelm stellte sich an seine Seite und blickte Nyria streng ins Gesicht. "Es war doch nicht seine Schuld! Oberfeldwebel Bürstenkinn hat ihm schwachsinnige Anweisungen gegeben und er ist noch nicht lange genug dabei um damit umzugehen! Er hat ihm gesagt er soll in Zivil in irgendeine Zwergenkneipe gehen und Drogen kaufen, was hätte er denn machen sollen?!"
Nyria grummelte. "Sich nicht in ein Affenkostüm zu stecken wäre ein guter Anfang gewesen."
Wilhelm war verärgert. "Für Vampire wie ihn - oder mich im Übrigen auch - ist zivil nun mal ein bisschen gehobener als für manche andere Wächter. Er hat nicht darüber nachgedacht und war verunsichert weil ein Vorgesetzter ihn auf eine gefährliche Mission geschickt hat ohne ihn angemessen vorzubereiten. Er verdient nicht, dafür auch noch runter gemacht zu werden." Er blickte zu Edwin hoch und lächelte ihm ermunternd zu. Edwin blickte ängstlich aber dankbar zurück. Nyria grunzte entnervt und seufzte dann. "Von mir aus. Aber er kann ja wohl für sich selber sprechen, oder Gefreiter Abendfels?"
"Äh, ja. Natürlich Mä- Obergefreite."
Nyria seufzte erneut. "Na gut... Dann beginnen wir erstmal mit den Grundlagen..."


"...Du willst verdeckter Ermittler sein?! Verdeckt?! Du?!" Sie blickte halb verblüfft, halb verärgert zu dem riesigen, rothaarigen, bleichen Vampir der so unauffällig war wie ein brennender Elefant in einem Eisladen.
Der Gefreite starrte unverändert. "Ja."
Nyria ging weiter auf und ab, schüttelte den Kopf, blickte dann wieder zu dem Vampir zurück und seufzte schwer. "Also schön...Also gut... Dann..." Sei seufzte erneut. "Dann beginnen wir erstmal mit deiner Körpersprache. Komm mit in den Fundus..."
Sie trotteten durch das Wachhaus, die kleine Werwölfin gefolgt von dem großen Vampir und Nyria fragte sich zum dutzendsten Mal an diesen Tag, wie sie so dumm hatte sein können sich auf diesen Unsinn einzulassen.
Das Finden einer passenden Verkleidung dauerte lange, doch nach ausgiebigen suchen stand der Vampir nun in lumpigem Hemd, einer kaputten Jacke und versifften Hosen vor ihr und blickte angewidert an sich herab. "Diese Kleidung scheint mir hochgradig verunreinigt, Mäm."
"Du wolltest verdeckter Ermittler sein. Einer der wichtigsten Grundlagen dabei ist, das Untertauchen in der Menge. Niemand taucht so mühelos in der Menge unter wie der verarmte Kleinbürger, niemand hört so viel wie der dreckige Mann auf der Straße den man kein Kleingeld geben will. Und das wird auch eine deiner ersten ordentlichen Übungen sein. Aber bevor wir dazu kommen... kannst du kämpfen? Ohne deine Gegner im Impuls umzubringen, meine ich."
"U-u-umzubringen?!" Der Vampir blickte sie verstört an. "Ich würde nie...ich...." Er schüttelte den Kopf und zeigte ungewöhnlich viel Emotion. "Ich, äh... ich kann nicht gut mit dem Schwert, aber ich... ich kann Leute normal von mir fernhalten wenn nötig, wenn das die Frage ist, ja."
Nyria blickte ihn kurz abschätzig an und nickte dann. "Nun, du bist ein Vampir. Wenn du das nicht zu offen zeigst dürfte es wohl keine Probleme geben, für den Moment zumindest nicht. Wenn wir dich vor allem nachts einsetzen wird das hinkommen. Aber jetzt müssen wir an deiner Haltung arbeiten, du stehst da als hättest du einen Besen im Hintern. Du musst krummer stehen und deinen Kopf vorhängen lassen." Der Vampir blickte sie verwirrt an, dann bewegte er seinen Körper auf eine mathematische Art nach vorne. Er neigte den Torso um circa 15 Grad vorwärts und streckte den Kopf nach vorne. Er wirkte auf bizarre Art wie eine jener Gottesbeterheuschrecken, die gerade versuchten, Yoga zu lernen. Nyria nickte, um ihn nicht gleich zu entmutigen, obgleich er nun noch unnatürlicher dastand als vorher. "Ja... nunja. Übung macht den Meister. Jetzt lauf ein bisschen auf und ab, wir müssen an deinem Gang arbeiten."
Sie schaute eine Weile kritisch zu wie er auf und ab ging, die Beine mechanisch arbeitend, der Kopf zu weit vorgestreckt... Es war lächerlich. Sie machte mehrere Verbesserungsvorschläge aber es schien nur schlimmer zu werden. Irgendwann seufzte sie und beendete die Übung.
"Also schön...ich denke das ist genug für den Moment. Als erste richtige Übung will ich, das du dich irgendwo in der Stadt in der Nähe einer Kneipe oder einer Fresshütte auf den Boden setzt, bettelst und zuhörst was die Leute sagen. Sei dabei leise. Sprich die Leute nicht an. Hab eine Schale vor dir und sie erbarmungswürdig aus. Und vergiss um Oms willen nicht, die Leihlizens für die Bettlergilde mitzunehmen. Eine Wachemarke alleine reicht nicht, wir haben drei Leihlizensen die wir in Absprache mit der Gilde für Ermittlungszwecke einsetzen können. Also hol sie dir am Tresen ab und berichte mir morgen was du heraus gefunden hast."



Edwin saß vor der Taverne 'Zum gebeutelten Drachen' und war fertig mit der Welt.
Seit vier Stunden saß er hier.
Vier gottverdammte Stunden in denen er ignoriert worden, angespuckt, angebrüllt und getreten worden war und jedes Mal, jedes VERDAMMTE Mal wenn ihm irgendjemand krumm kam hatte er gemäß seiner Rolle nur dümmlich gegrinst und den Herrschaften für die Aufmerksamkeit gedankt und gebeten ob sie ihm nicht 'eine Lordschaft' für seine Umstände geben könnte...
Es war entwürdigend! Er war der letzte Ahne der edlen Linie Sengirs des dunklen! Das Oberhaupt des Hauses Spinazo! Der tödlichste, erfolgreichste Agent seit hundert Jahren und er musste sich gefallen lassen wie dummsählige trottelige Städter ihn so missachteten?!
Er sollte die ganze Stadt in Schutt in Asche legen! Er sollte diese elendige Werwölfin vom Dienst vierteilen und in flüssigem Silber ertrinken lassen für ihre Impertinenz!
Aber Wilhelm wäre bestimmt sauer auf mich.
Scham schoss in ihm hoch und er versteckte das Gesicht in den Händen.
Was sollte dieser Unfug in seinem Kopf?!
Wilhelm war nur ein niederer Wächter, ein niemand, ein Vampir der sich in der Stadt nieder gelassen hatte um Hemden für das gemeine Volk zu nähen! Wie erbärmlich!
...Aber... er war so nett gewesen.
Und seine Schneiderkunst...
Edwin war so manches Mal vor seinem Laden stehen geblieben um die ausgestellten Stücke zu bewundern. Sie waren alles andere als für den gemeinen Bürger. Wilhelms Kreationen hatten echten Stil. Den welcher kein Meister einem noch so fleißigen Gesellen zu kreieren beibringen konnte. Nur ein wahrer Schneidermeister der mit seiden Nähten in den Fingern geboren war konnte derart zielsicher den Stoff tanzen lassen. Es war selten das jemand das Textil so fließen lassen konnte...
Verdammt! Verdammt, Verdammt! Reiß dich zusammen! Du bist erbärmlich! Was würde Vater sagen wenn er dich so einen UNSINN denken hören würde?! In den Dreck würde er dich treten, und zurecht!
"Geh doch arbeiten du faules Stück Dreck!"
Edwin sprang auf die Füße ohne zu denken und stürzte sich auf den Unhold, die Zähne ausgefahren, fauchend-
Er roch den fauligen Atem des Widerlings und wurde aus dem Anfall gerissen. Er taumelte zurück während der Mann irgendetwas halb-verärgert, halb-verängstigtes rief doch Edwin war viel zu sehr geschockt von seinem eigenen Kontrollverlust. Es kümmerte ihn nicht dass er ihn fast getötet hatte. Nein. Aber allein der Gedanke wie seine Zähne durch das weiche Fleisch gebrochen hätten, wie das giftige, faulige rote Blut-
Ihm wurde schlecht.
Er schüttelte einen Moment den Kopf während der Schock durch seinen Körper rannte und die Panik ihm den Kopf umdrehte, dann ergab er sich dem Gefühl.
Edwin rannte rasch um die Ecke wo er sich verwandelte um zu verschwinden.
Zum Teufel mit der nächtlichen Beobachtung!




Nyria hörte sich den Bericht des Gefreiten aufmerksam an und bemühte sich, keine Schadenfreude zu empfinden. Die Arbeit als Szenenkenner war nun einmal nicht einfach, da brauchte man eine harte Schale. So eine Erfahrung härtete ihn nur ab. Es war nie Sinn der Aufgabe gewesen das er wirklich etwas herausfand. Aber er musste lernen, in Tarnung lange auszuharren auch wenn er nichts herausfinden konnte...
Nach dem er geendet hatte nickte sie gekonnt nachdenklich und verschränkte die Arme. "Also gut. Immerhin hast du die erste Einsatznacht überstanden ohne gemeuchelt zu werden. Das ist schon einmal ein guter Anfang. Aber letzte Nacht hast du nur allgemein belauscht. Heute wird es interessanter. Geh in das Lokal "Zum Oberen Breiten Weg". Hier gibt es Anzeichen, das sich dort illegale Verbrecher treffen. Das Ambiente dürfte dir vielleicht eher entsprechen, du musst aber keine konkreten Informationen sammeln. Hier geht es um die zentrale Sache die als Szenekenner besonders wichtig ist: Geduld. Späh erst mal in Ruge den Laden aus um einen Eindruck vom Drässkod zu kriegen. Dann geh abends hin und sei einfach dort. Erforsche das Ambiente. Krieg ein Gefühl für das Klientel, den Ort an sich. Misch dich unter die Leute so gut wie du kannst, aber pass auf: Versuch nicht zu schnell zu viel. Wenn du allzu aufdringlich bist, kann es sein das man dich bemerkt und du überhaupt nichts rausfindest. Versuch dich anzupassen, zwing niemandem ein Gespräch auf aber versuch beiläufig in der Nähe zu sein wenn vielleicht jemand reden will. Du hast ab heute eine Woche Zeit um den Laden auszukundschaften und Informationen zu sammeln. Aber, und das ist essenziell: Versuch in keinerlei Hinsicht als Wächter mit potenziellen Verbrechern zu interagieren. Du sammelst nur Informationen, du tust nichts damit. Auch wenn du sie illegale Dinge siehst - sofern nicht aktiv das Leben eines Unschuldigen bedroht wird tust du nichts, kapiert? Du hast nur Augen, keine Hände."
Der Gefreite blinzelte verwirrt, dann sah er auf seine Hände herunter. "...Aber...Obergefreite ich habe Hände."
Nyria zwang sich, nicht die Hand vor den Kopf zu schlagen.
Worauf hatte sie sich hier nur eingelassen?



Edwin lief nervös in seinem Büro auf und ab.
Wusste sie etwas?
War er aufgeflogen? Sollte er sie verschwinden lassen?
Nein. Nein, das kann nicht sein. Selbst wenn mich jemand in dem Herrenhaus gesehen hat...
Nein... Ich habe alle Zeugen erledigt und wenn etwas gemeldet worden wäre, hätte würde längst ein Steckbrief ausliegen oder sowas...
Es ist nur Zufall, ganz bestimmt...


Die Tür öffnete sich und Edwins Herz sprang in seine Kehle.
"Oh, hallo Thaddäus." Wilhelm lächelte ihn warm an und Edwin wusste wieder einmal nicht was dieser Unsinn war der in ihm vorging! Wilhelm war so nett! So lieb, ohne jeden Grund!
"H-Hallo Wilhelm." Er lächelte den anderen Vampir an. Warum?! Wie?! Er lächelte nie unabsichtlich, aber jetzt konnte er nicht anders! Was sollte das?!
Wilhelm kräuselte eine Braue. Er schloss die Tür hinter sich und kam näher. "Alles in Ordnung? Du wirkst so nervös."
Thaddäus zuckte mit den Schultern, den Blick gesenkt. "Ich. Äh. Nein. Ich." Er atmete tief durch. Es war widerlich. Verwerflich. Falsch. Atmen war für die Schwachen!
Aber es beruhigte ihn...
"Ich... Der Auftrag letzte Nacht war anstrengend und Nyria hat mir für heute wieder einen erteilt." Er lächelte gequält. "Wenigstens werde ich diesmal wahrscheinlich nicht angespuckt werden, wenn es gut läuft..."
Wilhelm blickte entsetzt. "Angespuckt? Oh Junge, das ist..." Er seufzte. "Bedauerlich. Lass mich dir einen Tee machen. Ich fürchte... ja. Das angespuckt werden kenne ich aus genug Übungen als Rekrut. Hast du in der Grundausbildung keine Bettler-Übungen gemacht?"
"Nicht viele. Und...Naja. Vielleicht hatte ich mich dabei nie genug angestrengt mit den Kostümen. Angespuckt worden war ich jedenfalls nie..."
Das Zähne zeigen und drohend zischen hat wahrscheinlich geholfen...
Wilhelm nickte, seufzte und tätschelte ihm kurz die Schulter. Es war so... merkwürdig. So nett. Edwin hatte sich zuerst bemühen müssen nicht zu zucken, aber es fühlte sich gut an, so das er schon wieder lächelte. Und umso traurigerals diese elendige dreckige Nettigkeit aufhörte und Wilhelm ging um den Tee zu machen...
Edwin atmete tief und roch Wilhelm für einen verschwindenden Moment und er hasste sich. Er hasste sich dass er diese Person angenehm fand! Wilhelm war ein Verräter an seiner Spezies, er lebte unter Menschen! Wahrscheinlich trank er nicht mal Blut!
So wie du selbst. Widerlich. Widerlich und falsch!
Edwin zupfte an seinem Schwarzbandler-Bändchen herum. Es war so simpel. Die offiziellen Bänder der Liga waren typisch industrielles Ankh-Morpork. Ein Band wie es zu tausenden gefertigt worden war, aus simplem Textil, ohne Finesse. Es störte ihn wie unsauber das Band wirkte, wie unelegant. Er musste dieses Zeichen der Schande tragen, doch es schien durch seine Beschaffenheit nur noch widersinniger...
Wilhelm stellte ihm eine Tasse duftenden Kräutertee hin. "Bitteschön. Ich hoffe du magst diese Mischung."
Edwin lächelte und nickte dankend. "Es riecht sehr gut, vielen Dank..." Er sog den Geruch des Suds auf und geduldete sich einen Moment bevor er probierte, damit er sich die Zunge nicht verbrannte...
"Verzeih wenn ich zu persönlich bin... aber du starrst dein Schwarzes Band so an... Hast du Probleme mit.... wegen dem B-Wort?"
"B-Blut?!" Edwin hustete erschreckt. Peinlich berührt. War er so offensichtlich gewesen? Verdammt, was für ein Agent war er eigentlich?!
Wilhelm lächelte sacht. "Ich weiß das viele Schwarzbandler nicht 'Blut' sagen wollen, deshalb dachte ich, ich versuche es zu vermeiden. Allerdings finde ich es etwas albern es stattdessen 'B-Wort' zu nennen."
Edwin zuckte mit den Schultern. Er trank einen Schluck Tee. Er schmeckte angenehm. "Ich... Eigentlich nicht. Die Abstinenz fällt mit nicht schwer. Aber mich stört wie schlecht dieses Band gemacht ist. Schau!" Er hielt es dem Kollegen hin. "Die Enden fransen aus! Wenn der Saum ordentlich umgenäht worden wäre, würde das nicht passieren! Überhaupt hätte man ein besseres Material nehmen können! Wenn es Leute daran erinnern soll kein Blut zu trinken was vielen ja wohl schwerer fällt, dann sollte das Band schöner sein, besser gemacht. Wenn es ein Symbol für ausdauernde Entsagung sein soll, dann sollte es das auch reflektieren. Es sollte aus gut haltbarem, dauerhaftem, edlem Material sein das einen stark hält. Nicht so ein billiger flimsel!"
Wilhelm nickte. Er schien diese Aussage tatsächlich ernst zu nehmen. Er hatte sich mit seiner eigenen Tasse zu Edwin gesetzt und nahm nachdenklich einen Schluck. "Du hast Recht. Als ich damals Schwarzbandler war hat mich das auch gestört. Ich hatte mir tatsächlich ein eigenes Band gemacht, weil ich ebenfalls unzufrieden war...Aber ich habe es jemand anderem gegeben als ich für mich entschied das ich doch lieber wieder Blut trinken möchte."
Edwin blickte erstaunt auf. "Du trinkst Blut? Ich dachte als Wächter muss man abstinent sein!"
Wilhelm lächelte sacht. "Es gibt keine entsprechende Vorschrift. Und es ist ja nicht so als würde ich irgendjemand unwilligem das Blut abnehmen. Da wäre mir auch keine Qualitätskontrolle gegeben. Und das moderne Ankh-Morpork hat mehr als genug Wege, ganz legal an Blut zu kommen."
Edwin nickte leicht verdutzt.
Natürlich wusste er dass es viele Wege gab. Sie verkauften viel Blut in ihrer eigenen Basis. Aber der Fakt das ein Vampir, der für die Wache arbeitete nicht nur Blut trank sondern auch so offen damit umging war überraschend. Faszinierend.
"Hm. Das ist...interessant. Naja. Ich will jedenfalls kein Blut trinken." Er schaute in seinen Tee und fühlte sich plötzlich schrecklich. Als hätte er etwas tief Verbotenes gesagt, etwas unmoralisches. Dabei entsprach es haargenau seiner Deckung, dies zu sagen, haargenau...
"...Ich... ich mochte Blut noch nie." Er schaute auf die grüne Flüssigkeit und fühlte ein merkwürdiges Gefühl tief in sich. Ein drücken in seinem Hals, diese leichte Feuchtigkeit in den Augen. Das war falsch, das war falsch!
"Meine Familie..." Er seufzte. "Hat das nicht verstanden. Ich weiß nicht ob ich krank oder sonst irgendein Schwachsinn bin aber ich...aber..." Er zog schnappartig die Luft ein. Warum erzählte er ihm das? Er hatte dies nie jemandem erzählt, es war immer ein Tabu gewesen aber nun sprudelte es aus ihm heraus: "...Ich finde Blut eklig! Ich dürfte es nie sagen aber... es ist so klebrig, so warm, es riecht so stark, ich hasse den Geruch, ich hasse, was ich bin! Das ich, weil ich ein Vampir bin automatisch Blut trinken soll, das mein Körper will das ich Blut trinke obwohl mein Geist es ablehnt! Blut war mal in Leuten drin, ich will nicht das innere einer Person trinken, das ist so grotesk und ich dürfte es nie sagen!" Er wagte nicht zu Wilhelm aufzusehen, vergrub das Gesicht in den Händen, vergrub seine Schande. "...Meine Eltern waren tief konservativ und ich wurde lange gezwungen doch welches zu trinken und ich hasste es, hasste es, hasste es... Mir wurde so deutlich gemacht wie wichtig es ist blutrein zu sein, das man sich nicht mit Mischlingen abgeben soll, das Menschen nur Tiere sind dazu dienen uns zu ernähren und es war alles so widerlich!" Er schüttelte den Kopf. Er musste die Kontrolle zurück bekommen. Er war viel zu offen, viel zu offen! Er hatte diese Dinge noch nie gesagt und er drohte alle Kontrolle zu verlieren. Er hatte die Kontrolle längst verloren denn diese Dinge trafen nicht auf Thaddäus von Abendfels zu! Es war die Geschichte von Edwin Spianzo III. die er gerade erzählte, mit dem autoritären konservativen Vater den er irgendwann hatte umbringen müssen um ihm endlich zu entgehen...
Edwin zitterte und atmete, dann nahm er den Tee und trank. Trank zwei, drei Schlucke, trank die Tasse leer. Blickte beschämt zu Boden. "Entschuldigung. Entschuldigung, ich... ich habe ein bisschen die Kontrolle verloren. Ich. Das war unangemessen. Ich wollte dich nicht...volljammern."

Einen Moment lang herrschte Schweigen...

"Nein, das...das ist schon in Ordnung." Wilhelms Stimme klang leicht belegt. "Lieber Junge, das ist... das ist schlimm. Es tut mir sehr leid dass du offenbar aus einem so schwierigen Umfeld bist. Konservative Vampire können sehr...anstrengend sein. Wenn du mehr darüber sagen willst-"
Edwin schüttelte schnell den Kopf. "N-Nein. Danke. Ich." Er atmete tief durch. "Ich sollte mich wirklich zusammenreißen. Das war sehr unprofessionell und ist mir unangenehm."
"Okay..." Wilhelm legte wieder eine Hand auf seine Schulter. Es war ein strahlend warmes Gefühl. Warum fühlte sich diese simple Geste so unglaublich gut an?
"...wenn ich dir vielleicht auch sonst nicht gut helfen kann. Ich mache dir immer gerne Tee. Und ich denke, mit der Qualität deines schwarzen Bandes sollte ich dir ebenfalls helfen können..."
Edwin sah leicht verunsichert zu ihm auf. Wilhelm lächelte. "Na immerhin, bin ich Schneider."



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Edwin trat in das Lokal zum Oberen Breiten Weg und ärgerte sich.
Er ärgerte sich über diese Stadt, diese Tarnung diesen Auftrag-
Er ärgerte sich darüber, wie er dauernd an diesen Vampir zurück dachte.
Wilhelm.
Wilhelm.
Warum? Warum spielte das eine Rolle? Warum hatte er dieser Person gesagt was so tief in ihm geschlummert hatte, was er nie jemand anderem offenbart hatte?
Er trank einen Schluck bitteren Wein und lies sich nicht anmerken, wie sehr er ihn verabscheute.
Immerhin war es besser als Blut.
Er hatte seinem Leutnant klare Befehle gegeben, was seine Anwesenheit hier anging. Natürlich hatte ihn niemand der niederen Angestellten je gesehen und jeder der höheren konnte sein Maul halten. Aber es war wichtig das klar war das man in keiner Weise Kontakt zu ihm in diesem Moment herstellen dürfte.
Und dass man davon ausgehen musste das mindestens ein weiterer Wächter in der Bar war.

Edwin ließ den Wein in seinem Glas kreisen.
Wahrscheinlich war dies alles Zufall. Wahrscheinlich hatte Nyria diese Bar gewählt, weil er von seinem natürlichen Auftreten her viel eher hierher passte als in die Geflickte Trommel, Die Scheibe oder ähnliche Clubs.
Und dennoch beunruhigte es ihn.
Dennoch erwog er wieder und wieder, wie er sie am besten ausschalten könnte, auf welchem Wege ihre Leiche am einfachsten zu entsorgen wäre...
Wilhelm schien sie zu mögen. Wäre er traurig wenn sie plötzlich verschwand?
Edwin nahm einen weiteren schrecklichen Atemzug, versuchte sich zu beruhigen, versuchte die freundliche Stimme des anderen Vampirs aus einem Kopf zu vertreiben.
Es spielte keine Rolle wie Wilhelm dazu stand. Es ging nur um die Mission. Die Mission war alles.

Was tat man normalerweise in einer Bar? Trinken. Sich mit anderen Personen treffen. Andere ermorden. Geschäftsbesprechungen. Er konnte schlecht wieder die gleiche Nummer abziehen wie in der letzten Kneipe. Absichtliches dummstellen hatte hier wenig Sinn. Er bräuchte irgendeine Hintergrundgeschichte. Er war unzweifelhaft ein Vampir. Schwarzbandler. Was arbeitete er? Warum trank er hier, alleine? Ein Glas Wein nach Feierabend? Gesellschaft? Vampire hatten einen gewissen Ruf...
"Ganz allein hier, Schätzchen?" Eine junge Frau setzte sich neben ihn und sah ihn mit klimpernden Augen an. Eine Näherin. Wie würde die Person die ich hier sein soll darauf reagieren?
"Jetzt ja offenbar nicht mehr, oder?"
Sie lachte falsch. "Kaufst du mir vielleicht ein Getränk, Schätzchen?"
Edwin zog seine Mundwinkel hoch. "Aber gerne, Madame. Wie darf ich dich beglücken?"


Der Abend zog sich. Er hatte eine Weile mit der Hure geplaudert, ihr ein paar Getränke ausgegeben und sie dann enttäuscht als sie fragte, ob sie nicht die Nacht gemeinsam verbringen wollten. Danach hatte er ein wenig mit dem Wirt geplaudert, bevor er wieder stumm an seinem Platz gehangen und seinen widerlichen Wein getrunken hatte. Ab wann war es gerechtfertigt, Feierabend zu machen? Musste er eine komplette Schicht hier verbringen? Würde er überprüft werden? Konnte er womöglich jemand anderen damit beauftragen sein eigenes Hauptquartier zu beobachten und damit durchkommen den Rest der Woche seine richtige Arbeit zu tun? Oder vielleicht ganz blau zu machen? Diese Sinnlosigkeit hier ohne Ziel herumzusitzen machte ihn irre...

Der Barmann ging an ihm vorbei und schob ihm eine Serviette zu.
Edwin blickte verwirrt aber nahm sie an sich. Er spürte das Zettel darin waren und fühlte den Ärger in sich aufsteigen. Er hatte diesen Kretins doch EINDEUTIG gesagt das sie keinen offiziellen Kontakt zu ihm aufnehmen dürften während er als Wächter hier war! Das er womöglich überwacht wurde! Er musste der Wache melden das er einen Zettel erhalten hatte, was womöglich hieß er würde lügen müssen! Und lügen waren immer eine Falle für Verwicklungen die einen schließlich zu Fall bringen könnten...
Edwin trank genervt seinen Wein aus, stopfte die Serviette in die Tasche und ging. Sechs Stunden sollten genügen und er konnte die Zettel erst zu Hause in Ruhe lesen...


Er schürte das Feuer und öffnete dann unwirsch die Serviette. Darin lagen drei Zettel:

Der Toast ist leer. Ohne Schirm kann ich nicht fliegen.

Edwin runzelte die Stirn. Das erschien ihm doch erheblich schwachsinnig, selbst für die Dilettanten mit denen er gemeinhin vorlieb nehmen musste. Er sah auf den zweiten Zettel.


Erste Nachricht als Vorlage zur Wacheinlage.
Der Alte macht immer mehr Ärger. LU. rät, dem nach zu kommen um die Lage zu beruhigen. Wir haben einen Doppelgänger vorbereitet der deine Wache-Aufgabe hier für die Woche übernehmen und Notizen schreiben kann. - L


Edwin seufzte tief.

Der Alte. Dieser blöde, intrigante Sack.

Sie hätten ihn einfach töten sollen. Die Obersten waren der Meinung das er ihnen noch von Nutzen sein könnte, das man so eine Ressource nicht einfach verschwenden konnte, aber für Edwin war der Alte einfach nur ein nerviges Hindernis. Er ließ sich in seinen Sessel am Kamin fallen und zog seine Pfeife hervor. Geistesabwesend richtete er sie sich an und drehte einen Fidibus...

Der Vorteil an dieser Sache wäre, dass er nicht selbst seine eigene Basis überwachen musste. Ein überaus lächerliches Unterfangen...

Er zündete die Pfeife an und nahm einen tiefen Zug. Dann noch einen und noch einen...
Er beruhigte sich langsam. Entspannung kehrte in seine Seele...

Eigentlich durchaus ein Glücksfall, wenn man es positiv betrachten wollte. Solange die Wache davon ausging das er ein echter Wächter war, würden sie denken dass sie alles über seine Basis wussten da er sie direkt mit falschen Informationen füttern konnte. Eigentlich sehr nützlich.

Er musste nur die richtigen Anweisungen geben. Dann könnten seine Leute ein entsprechendes Lügengewirr bilden. Das in diesem Falle völlig passend sein würde, da er alles auf Notizen basieren konnte, alles klar aufschreiben. Und dann, wenn es doch Probleme gäbe, könnte er es darauf schieben dass er ein Anfänger war. Ja.

Aber Racul. Nun.

Der Alte war ihr Gast seit er sein Anwesen verloren hatte. Abgerissen und gedemütigt hatte er eines Abends an die Hintertür geklopft, der einst so ehrwürdige Stolze, nun getreten und verlacht wie ein alter Hund.
Edwin hatte sich geweigert mit ihm zu sprechen.
Oh, er hatte ihm geholfen. Ein warmer Sarg in einem dunklen Keller, einige Reserven frisches Blut von annehmbarer Qualität...
Doch nichts umsonst. Und nichts Edles. Der warme Sarg war billige Fichte. Das frische Blut aus Flaschen. Wo er früher den Duft junger Frauen, das feinste, satteste Dekolleté des Blutes verkostet hatte blieb ihm nun mehr der schale Geschmack der Niederlage. In einem Keller. Mit einem Glas qualitäts-jedermann-blut.
Wie tief war er gesunken.
Edwin seufzte erneut. Er würde mit dem alten sprechen müssen. Er hatte ihn lange hingehalten. Doch etwas daran den Alten zu demütigem gab ihm unfassbare Genugtuung, er wusste nicht warum. War dies Luzis Einfluss? Der Jüngere hatte sich erheblich amüsiert als die Nachricht von Raculs Fall zum Syndikat durchgedrungen war und war hoch erfreut gewesen als er um Hilfe bat.
Edwin fuhr sich durch die roten Haare.
Wenn er am Morgen aufbrach könnte er übermorgen in Überwald sein. Kurzer Aufenthalt. Zwei Tage für den Rückweg. Das würde reichen bis er Bericht erstatten musste.

Na schön.




Rund dreißig anstrengende Stunden später kam er in einem kleinen Außenposten des Syndikats mitten im Wald an. Er ließ sich durch den Schornstein herein trudeln und landete stilecht auf dem Schreibtisch des diensthabenden Agenten. Es kostete ihn alle verbliebene Energie, bei diesem Manöver Haltung und Würde zu wahren, doch vor einem niederen Fußsoldaten dürfte er keine Schwäche zeigen. Nach einem kurzen Gruß mit dem Flügel machte er einen Rückwärtssalto und verwandelte sich im Sprung zurück [ *Ein Manöver welches für Zuschauer die dies nicht gewöhnt waren stets Verwirrung auslöste. Fast zwei Meter große Personen die scheinbar aus einer kleinen Fledermaus heraus fallen haben diesen Effekt überraschend häufig *]. Er streckte die Gestalt und klopfte sich die Asche von der Anzugweste. Der Agent stand umgehend auf und nahm Haltung an. "E-Entschuldigung Euer Lordschaft, ich wusste nicht das Ihr es seid!" Er machte einen Diener. "Wie kann ich zu Diensten sein?"
Edwin blickte sich einen Moment um. Sein Magen knurrte fürchterlich. Ein Käsebrot, schoss es ihm durch den Kopf, das wäre jetzt das richtige. "Geh nach draußen und halte ein paar Minuten Wache bis ich dich wieder herein hole. Ich hab etwas zu erledigen." Der Mann blickte kurz fragend, bemerkte jedoch Edwins finsteren Blick und eilte fort.

Er kannte die Geschichten.

Sobald der Mann draußen war stürzte Edwin sich auf die Vorratsschränke. Zielstrebig griff er oben rechts hinten ins Regal und fand was er suchte; Seine persönliche Notration getrockneter Bananen und Trockenfleisch, sowie eine Feldflasche Wasser. Er stürzte alles so schnell wie er wagte in sich hinein, bemüht sich nicht zu beflecken oder verschlucken. Die Reise war anstrengend gewesen. Hastigster Flug Richtung Sto Kerrig um den Zug einzuholen. Vier Stunden hatte er sich im kalten Regen an das warme Dach des Speisewagens gepresst bis es ihn zu sehr entnervt hatte. Stunde um Stunde war er geflogen, der Wind beißend, die Nacht betäubend bis er den nächsten Zug in Zemphis eingeholt hatte. Keine Minute zu früh. Wie viele Stunden er in der Sonne auf einem der Waggons geschlafen hatte konnte er nicht mehr sagen, doch als er zu sich kam waren sie bereits in Zweihemden gewesen.

Nun war er hier. Ein Katzensprung, ein Mäuseflitzen von Racul entfernt. Er atmete tief durch, richtete sich die Kleidung und hörte auf zu atmen.

Mit Racul zu reden würde nicht einfach sein. Edwin trat zur Tür und rief den Wächter wieder herein, bevor er sich zu Fuß zu dem kleinen Herrenhaus aufmachte, in welchem er den Lord von Ankh hatte unterbringen lassen.
Wilhelm zuckte ihm durch den Kopf. Dieses helle Büro, der freundliche, wohlgekleidete Vampir inmitten all jener Pflanzen,-
Edwin schloss die Augen und atmete doch noch einmal, bemüht alle Gedanken weg zu schließen. Er war nie besonders gut gewesen in all jenen edlen Disziplinen die einen Vampir angeblich besonders gut auszeichneten; Er konnte keine Gedanken oder Emotionen anderer lesen, nicht in ihre Köpfe eindringen und kein Nebel werden. Er war schneller als viele andere Vampire und ein gutes Stück stärker als normal, aber die Gedankentricks waren ihm nie gelungen.
Lediglich im Verbergen seines Selbst war er stets gut gewesen. Es war ihm leicht gefallen da er kaum je etwas fühlte. Nicht fühlen war sein Standardzustand. Oder er war es bis vor kurzem gewesen. Die neue Situation war...eine Komplikation.

Edwin trat an das Herrenhaus heran. Es war klein, aber ordentlich, ein gutes Stück südlich von Bums. Außen standen zwei Wachen die ihn erkannten und einen Diener machten. Edwin ignorierte sie, trat an die Tür und betätigte zweimal den schwarzen Türklopfer. Igor öffnete augenblicklich die Tür. "Guten Abend, Euer Lordfaft." Edwin grüßte steif aber höflich und trat ein. "Er ift im Gelb-gräfflifen Falon, Euer Lordfaft. Wie immer Fleft gelaunt."
"Danke Igor, ich finde den Weg."


Racul Alexeij Sargolan Pada Ivanowitsch, der Schatten von Ankh hatte in der Tat schlechte Laune. Nicht das Igor recht gehabt hätte mit seiner unverschämten Bemerkung. Nein, er hatte keineswegs immer schlechte Laune, aber wenn er das untreue Personal hörte, wie könnte er da nicht? Und ohnehin! Das lausige Gemäuer, die billigen Möbel der widerliche Trief den man ihm zu trinken gab! Guten Grund hätte er, tatsächlich immer schlechte Laune zu haben. Wenigstens hatte das faule Personal es geschafft die Tür zu öffnen.
Er starrte kurz ins Feuer. Er saß in einem alten Sessel vor dem Kamin, in einem erbärmlich kleinen Häuschen. Wie Tief er nur gesunken war...
Einen kurzen Moment dachte er an Igor und Igorina zurück, damals, im Grüngansweg. Er hatte nie viel auf die beiden gegeben. Sie waren sein Eigentum gewesen, wie die Möbel oder Staub[4] . Aber... manchmal musste er sich doch eingestehen das sie nicht so schlecht gewesen waren. Immerhin waren sie stets um ihn gewesen und hatten sich zuverlässig gekümmert. Sie hätten ihn ins Exil begleiten sollen. Dann müsste er sich vielleicht nicht mit dieser null von einem Igor rumschlagen...

Es klopfte.

Racul blickte leicht überrascht auf. Derartig banale Höflichkeit war er kaum noch gewöhnt. Die hohle Ironie dieses Umstandes entging ihm nicht. Er ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort, brachte ihm hier doch sonst niemand auch nur die kleinsten Respektsbezeugungen entgegen. Dies musste er auskosten. Und obgleich ihn die Geste auch misstrauisch stimmte - ein wenig milde weckte sie auch in ihm. Wer der Fremde wohl war? "Tretet ein!" rief er schließlich.
Die Tür öffnete sich und ein gut gekleideter, unverschämt junger Kerl kam herein. Racul drehte sich in seinem Sessel halb zu ihm, ohne sich viel Mühe zu machen. Wer war das?
"Lord von Ankh. Guten Abend." Ruhig schloss der Fremde die Tür hinter sich. "Ich bin Edwin Spinazo III. von Labskaus. Leiter der Ankh-Morpork Operation. Man hat mir mitgeteilt, dass Sie eine private Unterredung wünschen." Er blieb stehen wo er war, eine Hand hinter dem Rücken, fast wie ein Diener. Das Kinn erhoben, die Augen direkt.

Racul bemühte sich ihn gleichermaßen nicht zu beachten und gleichzeitig möglichst klar einzuschätzen. Eines musste er zugeben; Er hatte gute Modegeschmack. Das Kind von einem Vampir, das ihn da aufsuchte, trug gut geschnittene Stoffe von hoher Qualität, perfekt zusammengestellt. Puffärmel, Anzugweste und Stoffhose... Die roten Haare dagegen stachen wie ein fauler Dorn ins Auge. Raculs lange Krallen tippten auf der Sessellehne bevor er endlich antwortete. "Das wünsche ich in der Tat. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass man mir jemanden gänzlich ohne Entscheidungsbefugnisse schickt."
Der Fremde verzog keine Miene. "Lord von Ankh, wenn Sie mich oder diese Unterhaltung nicht ernst nehmen möchten kann ich gerne wieder gehen. Ich bin sicher, es schläft sich auch die nächsten hundert Jahre noch gut auf Sperrholz."
Racul runzelte finster die Stirn. "Ist es euch also durchaus bewusst, wie schändlich ihr Unsereinen behandelt." Ein Quäntchen Neid keimte in ihm was die Kleider des Fremden anging. Die abgetragenen Sachen die man ihm selbst gegeben hatte waren eine Beleidigung...
"Respekt erhält, wer Respekt verdient, Lord von Ankh. Ich bin gerne bereit Ihre Umstände zu verbessern. Aber ein Minimum an Respekt eurerseits ist die Basis jedweder weiterer Verhandlung."
Racul lachte spöttisch. "Verhandlungen. Ist es das also, was man den Kindern heutzutage beibringt." Er schmeckte bittere Galle und Verachtung. Sollte der Junge doch wie ein Bittsteller vor ihm aufwarten, das schien nur angemessen. Nach diesen ersten Worten war er sich ohnehin nicht mehr sicher, ob von einem Gespräch mit dem Knirps irgendetwas zu erhoffen stand. Er wendete den Kopf brüsk ab. "Ich benötige endlich eine angemessene Ernährung. Diese lächerliche Diät, der man mich hier aussetzt, bringt nicht das Geringste, um meine Kräfte aufleben zu lassen." Racul begann nach Edwins Gedanken zu tasten. Was mochte in dem Fremden vorgehen? Doch seine Fänge ertasteten nur graue Ödnis, hier und da ein warmer funken doch seicht und zu klein, davon rinnend und schwach...

Edwin nickte. Er stand noch immer im Schatten neben der Tür.
"Ja, ich kann verstehen das Sie dies...beeinträchtigt. Aber die regelmäßige Versorgung mit frischer, hochqualitativer Nahrung ist ein langfristig sehr wertvolles Gut... Wir werden im Gegenzug mehr Informationen brauchen."
"Noch mehr? Halsabschneider und Wucherer! Was denkt ihr eigentlich was ich bin? Der Ausverkauf meiner Existenz? Ein Fußabtreter, der Details aufwirbelt wie Staub, wenn man ihn nur lange genug tritt?" Racul biss die Zähne zusammen, wurde jedoch ruhig als er die Gedanken des anderen wahrnahm. Der Fremde versuchte direkt wieder es zu verbergen, doch eben war es dort gewesen- ein Wachhausbüro?
"Wir denken du bist jemand der alles verloren hat und unsere Hilfe will alles wieder zurückzuholen. Mit dem einzigen was du anzubieten hast. Informationen. Warum sonst sollten wir auf uns nehmen dir zu helfen? Du weißt selbst warum du hier bist, was du und vor all den Monaten als Tausch angeboten hast, für unsere...Gastfreundschaft.", redete der Fremde weiter, doch Racul wusste längst was dieses Bild bedeutete und ein bösartiges Grinsen schlich sich in sein Gesicht, seine tiefen, finsteren Augen bohrten sich regelrecht in jene des Besuchers. "Du... bist ein Wächter." Er lauschte in sein inneres und war erfreut den leichten Ruck im Fremden wahrzunehmen, versuchte dieser auch es zu verbergen.
"Meine Aufgaben....führen mich an alle Orte der Stadt. Manche mehr, manche weniger wichtig."
"Dann tippe ich darauf, dass du deine Arbeit dort zu dem "mehr" zählst. Interessant. Ergeben sich daraus nicht gewisse... Konflikte?" Racul streckte genüsslich seine geistigen Fühler aus, drückte und klopfte an die Lücken Edwins Geistes. Der Vampir tat offensichtlich sein Bestes ausdruckslos zu bleiben, doch Racul spürte die Risse in dem kalten Eisen, das der Fremde um seinen geistigen Kern gelegt hatte...

Racul hob seinen Arm in einer eleganten Geste um den Jüngeren näher einzuladen und ihm den Sessel an seiner Seite anzubieten. Dem bösen Lächeln gesellte sich ein kaltes Funkeln in den Augen hinzu. Der Fremde zögerte einen Moment und trat dann näher. Er stand nun neben dem Feuer, Racul direkt zugewandt. So aus der Nähe konnte Racul Pomade riechen.
Wie albern.
"Wir brauchen Informationen über Lady Margolotta und ihre Agenten."
"Und ich brauche ordentliche Nahrung." Racul lehnte sich schwerer in den Sessel zurück und betrachtete den Jungen aufmerksam. "Wissen deine Vorgesetzten davon, dass du dich in deine Arbeit in der Wache verguckt hast?"
Der Fremde lachte kurz und bösartig auf, trat näher an Racul heran. Fast Nase an Nase blickte er Racul in die Augen. Keine Furcht, keine Unsicherheit war mehr zu spüren. Nur noch Hass und Blutlust. "Ich habe keine Vorgesetzten, alter Mann. Ich zeige dir mehr Respekt als die meisten anderen, aber versteh die Situation nicht falsch. Du hast keine Macht hier." Mit klarer Absicht offenbarte der Junge ihm einen klaren Gedanken; Ophelia. Auf Schritt und Tritt von Schergen verfolgt, jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Manche von ihnen Doppelagenten beim Patrizier, abgestellt um sie zu schützen. Wenn Racul zu lästig würde, könnten sie ihn ausschalten wann sie wollten... Der Geist schloss sich wieder und der Fremde trat zurück, die ausdruckslose Haltung von vorher erneut auf seinem Gesicht und in seinen Gedanken. Seine schlanke Gestalt wurde hinterrücks durch die Flammen illuminiert.
"Also. Willst du bessere Verpflegung? Längerfristig eine bessere Situation? Eine 'Machtbasis' irgendwann wieder aufbauen? Oder soll ich einfach gehen?"

Racul sah ihn berechnend an. Er konnte an den Aussagen des Jungen weder Unsicherheit noch Zweifel finden. Wie überraschend. Hatte er ihn unterschätzt? Der letzte Blick in seinen Kopf zeugte von kalter Entschlossenheit - vergangen die sentimentalen Wolken, das unsichere Gebaren. Hatte er ihm etwas vorgespielt?
Racul grinste. Er empfand es mehr als Genugtuung, denn als Bedrohung, das man Ophelia so in den Blicken hielt. Kein Zweifel - man betrachtete ihn eindeutig weiter als Macht, mit der man rechnen musste.
Dennoch - es war eine Unverschämtheit.
Racul lehnte sich in seinem Sessel zurück. "Ich werde mich erholen. Ich werde wieder mächtig werden. Es ist nur eine Frage der Zeit. Und ob ihr dann in meiner Gunst steht oder ob ihr es euch jetzt mit Überheblichkeit verscherzt."
Edwin verschränkte die Arme und blickte ihn abschätzig an, scheinbar wartend, ob er noch etwas zu sagen hatte.
Racul starrte ihn an. Arroganter Wicht. Emporkämmling. Der Alte biss die Zähne zusammen, zog die Brauen kraus... und ergab sich.
"Was wollt ihr denn zu der Göre wissen?", presste er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
"Alles, was du uns sagen kannst. Was du zu ihrem Machtaufstieg weißt. Zu ihrer Machtstrutkur. Und was du über ihre Verbündeten weißt. Wir würden Igor alles mitschreiben lassen, was du uns sagen kannst - deiner eigenen Geschwindigkeit nach, natürlich. Sobald du beginnst deine Informationen zu teilen können wir deine Verpflegung direkt schrittweise verbessern. Seid ihr damit einverstanden?"
Racul starrte ihn einen Moment lang emotionslos an bevor er nickte.
Edwin lächelte jovial. Seine Augen blieben kalt. "Ausgezeichnet. Igor?"
"Ja, Herr?" Igor erschien, wie üblich, scheinbar aus dem Nichts.
"Bitte bring uns etwas zu trinken"
"Ja, Euer Lordfaft" Er verschwand einen kurzen Moment und kehrte direkt mit einem Tablett wieder.
Edwin nickte generös und nahm sich ein Glas mit roter Flüssigkeit vom Tablett.
Racul konnte sich nur mühsam davon abhalten sich die Lippen zu lecken. Der Geruch... blutjung, voll, frisch, jungfräulich... so süß, so betörend. Mit leicht zitternder Hand nahm er sich das Glas welches Igor ihm darbot und schnupperte daran. Welch ein Genuss...

Der Fremde hatte ihm derweil stumm zugetoastet und war längst bei der Verkostung. Nicht dass es Racul groß kümmern würde - sicher, es war respektlos, aber der Geruch, nach all dieser Zeit... mit geschlossenen Augen sog er die Essenz in sich auf bevor er den ersten vollen Schluck die Kehle hinab rinnen ließ. Einem ausgetrockneten Wüstenwanderer gleich fühlte er sich, der nach all dem Leid endlich frisches Quellwasser fand. Er ließ das Blut in seinen Geist dringen, die Wärme durch den Leib kriechen, da zuckte ein Bild durch seinen Geist, ein verhasstes Bild- "Wilhelm?" Racul hielt inne, bemühte sich, den Blutrausch zurückzudrängen, klar zu denken- Nein, es war nicht sein Geist gewesen der hieran gedacht hatte- es war der Junge. Seine Fühler waren noch immer auf den Jungen ausgerichtet gewesen und nun... aber...
"Das heißt... ausgerechnet er ist einer deiner direkten Kollegen dort?" Der Fremde schien seine Frage zu ignorieren, was es noch viel verdächtiger machte. Er schlang genüsslich das Blut herunter und schien ganz darin verloren... aber vielleicht war auch genau dies der Fall. Es war ein betäubend gutes Getränk...
"Wirklich ein guter Jahrgang... Ich werde darüber nachdenken müssen, wie viel ich dir wirklich zum nachschenken da lasse" Der Junge leckte sich fast schon obszön die Lippen.
Racul starrte ihn noch immer verwirrt and, versuchte zu verstehen. "Warum...diese Emotion?"
"Hm? Wie bitte?" Der Andere blickte verwirrt. Racul spürte die kälte von Regen, ein Flug durch die Nacht in dessen Kopf... "Nun, ist ja auch nicht so wichtig.. da wäre übrigens noch eine andere Information, die wir bräuchten. Du kannst darüber nachdenken, was du noch brauchst, im Gegenzug dafür. Wir möchten eine komplette Liste all deiner gegenwärtigen und ehemaligen Kontakte in Ankh-Morpork. Soweit du dich an sie 'erinnerst' natürlich." Er leerte sein Glas.

Racul zog die Brauen zusammen und konzentrierte sich darauf, den Blutrausch nicht zuzulassen, während er langsam das Glas auszutrinken begann. Irgendetwas an dem Kerl war nicht stimmig. Und es fühlte sich nach einem Hebelpunkt an. Einer Schwäche. Er musste denken können, um Vorteile hierin nicht zu übersehen. "Meine persönlichen Kontakte? Wozu soll das gut sein?"
"Nun, die allerpersönlichsten kannst du weglassen, wenn du möchtest. So eng sehen wir das nicht. Um unser Netzwerk auszubauen ist hilfreich zu wissen, wer in der Vergangenheit willig war, in bestimmten Bereichen tätig zu sein, wegzusehen, was auch immer. Es ist einfach nützliche Standardinformation. Es hilft uns auch, einzuschätzen wer vielleicht aufgrund deren möglichen Nutzens eher kein…Kollateralschaden werden sollte."
Racul bemühte sich um Kontrolle, doch es war hart. Er spürte die Wirkung des Blutes und es tat seinem geschundenen Geist so gut endlich wieder, dass zu bekommen was ihm an Verpflegung zustand. Die Energie entfaltete sich wie es nur Blut tat - heiß wallte es in seinem Inneren hoch, füllte ihn mit Wärme und Kraft, stärkten all jene Bereiche die mehr als profane rote pansche brauchten um zu funktionieren. Das rote Glühen tröstete ihn und linderte die seit Monaten dauerhaften Kopfschmerzen. Er mühte sich um Kontrolle. Er fühlte diesen seltsamen Anflug von Melancholie.
"Sebastian.... wusste um all jene Kontakte... er hatte sich immer um alles gekümmert..."
Edwin nickte. "Was genau ist mit Sebastian passiert?"
"Die Hexe hat ihn getötet."
"Auf welche Art?"
"Mit Heimtücke und List. Und mit Schmerzen." Er spürte die Wut in sich hochkochen. "Sie hat ihn mir... entrissen. Wortwörtlich!"
Edwin zog die Brauen kraus.
"Ich hatte meinen Willen in ihm verankert. Sonst hätte er mir nicht gehorcht. Er war solch ein störrischer Rebell. Und sie... hat..." Racul brach ab und wedelte empört und sprachlos mit einer Hand, deren Krallen leicht ein- und ausfuhren. "Sie hat ihn mit Schmerzen paralysiert. Ich war natürlich nicht in Sichtweite dabei aber die Bilder waren sehr klar in dem Geist deines Kollegen, als er mich später so selbstmörderisch mit bloßen Händen angriff... sie hat Sebastian umarmt und geküsst. Und ihm dabei Schmerz eingeflößt, der meine üblichen Strafmaßnahmen noch übertraf. Und das ist beachtlich! Ich bin beinahe selber davon handlungsunfähig geworden. Aber natürlich nur beinahe und in diesem Moment. Und dann... hat dieser Assassine ihn von hinten gepfählt."
Der Junge, der bisher nur geduldig zugehört hatte, blinzelte nun und schien einen Moment ehrlich verstört.
"Und die Verbindung zwischen uns wurde herausgerissen wie Unkraut aus der Erde. Mit sämtlichen Wurzeln. Es war, als wenn ich innerlich verbluten würde, als sie danach in die Kammer stürmten."
Edwin nickte grimmig. "Grässlich."
"Allerdings! Vermutlich lag es daran, dass sie mich überrumpeln konnten. Kann mir sonst noch nicht mal erklären, wie dieses Gewürm von einem Möchtegernvampir den Moment in meinen Fängen überstehen konnte. Eigentlich hätte er da schon gebrochen liegen bleiben müssen. Statt noch einige Nächte lang meine Geduld zu strapazieren, mit diesen enervierenden Gruftwachen. Wie dem auch sei... Sebastian ist nicht mehr... eine Schande. Aber nicht rückgängig zu machen."

Der Junge blickte ihn Ernst an. "Wenn Sie Igor die Details nennen möchten, welche Wächter es waren, sofern sie sich genau daran erinnern, wissen wir, wen wir in der Wache als erstes ausschalten müssen...
Racul lacht böse. "Als wenn ich jemals vergessen würde, wer sich mir dort entgegenstellte! Es sind die Namen derer, die auf meiner persönlichen Abschussliste stehen. An vorderster Front dieser widerliche Verräter seiner eigenen Rasse; Wilhelm Schneider. Jenes Abziehbild von einer blutleeren Zecke, das sich stets von Neuem einsetzen ließ, um sich mir entgegenzustellen..." Er hielt kurz inne, glaubte er doch eine Regung im Gesicht des gegenüber gesehen zu haben. Eine kurze Regung in seinem Geist. Doch es war gleich wieder fort. Was war das nur?
Der Junge gab ihm mit einer Geste zu verstehen, weiterzusprechen. Igor stand neben ihm mit der Feder bereit. Racul machte ein kurzes, genervtes Geräusch und fuhr fort. "Und dann natürlich..:Raistan Quetschkorn. Ein mieser Emporkömmling eines Zauberers der es gewagt hat mich in seinen magischen Rattenkäfig zu sperren!"
Racul prostete sich mit dem letzten Tropfen Blut selbstzufrieden zu.
Der Junge blickte voll bösartigem Tötungswillen. "Erbärmliche Kreaturen. Wir werden entsprechende Maßnahmen treffen, um vorbereitet zu sein wenn es soweit ist. Aus eurer Erzählung schließe ich, dass Ihr gerne ausführend dabei wärt, wenn der Tag der Zerschlagung da ist?"
"Es wäre natürlich auch in Ordnung, wenn ihr das unbedingt übernehmen möchtet. Aber denkt nicht, dass es Verhandlungssache wäre. Sollte einer von diesen noch existieren, wenn ich so weit bin, zurückzukehren, dann werde ich mir auch gerne selber die Hände schmutzig machen. Immerhin hätte ich Freude daran. Das ist nichts, was man mir abnehmen müsste."
"Von unbedingt kann nicht die Rede sein. Eher von Effizienz, Wir müssen anders planen, wenn Ihr Wert darauf legen solltet, irgendjemanden persönlich zu beseitigen. Aber so scheint dies ja nicht notwendig zu sein." Der Junge stand auf und reichte Igor das Glas. "Ich danke für die Unterredung. Igor wird dich für heute weiterhin gut versorgen. Wir bitten darum das du ihm morgen darlegst was du über Margolottas Kontakte weißt."
Racul drehte nachdenklich sein Glas in der Hand und blickte den Jungen verschlagen an. "Vielleicht..."
Der Junge zog eine Augenbraue hoch.
Racul schien kurz nachzudenken. "Eventuell würde ich mir eine Person doch persönlich vornehmen wollen."
"Ja?"
Raculs Lippen wurden zu einem schmalen Lächeln, fies und bleich. Er behielt den Jüngeren und dessen Gedanken und Emotionen so genau im Blick wie er konnte. "Diese Schande unserer Rasse... Wilhelm. Er sollte langsam und qualvoll vergehen."
Der Fremde lächelte. "Ich denke das wird sich einrichten lassen. Guten Abend, wünsche ich. Ich freue mich auf deinen Bericht." Er schickte sich an, zu gehen als Racul zu kichern begann. Er hatte sich offensichtlich sehr bemüht es zu verbergen, doch der Fremde hatte keine Chance gehabt... Bei Raculs letztem Satz war er zusammengefahren, hatte sich vor Schmerz gewunden von Aggression übermannt... köstlich. Racul grinste bösartig. Es hatte nur eine Sekunde gedauert, doch für einen Vampir von seiner Statur war dies mehr als genug. "Du musst an deinen Gedankenwällen arbeiten... Thaddäus."
Der Fremde sah ihn kalt an und ging ohne ein weiteres Wort.
Racul lehnte sich zurück und kicherte vergnügt. Eigentlich wäre mir der verfluchte Zauberer wichtiger. Aber wenn du Freundschaft ausgerechnet mit Wilhelm geknüpft hast, dann ist das eine sehr schöne Möglichkeit, deinem arroganten Gehabe zuzusetzen.
"Darf ich euf nachfenken, euer Lordfaft?"


Edwin ging so ruhig nach draußen, wie er konnte. Seine Emotionen waren eine Katastrophe. Sein Bauch ein Tumult aus widerwertigem Blut. Es war unumgänglich gewesen diesen Dreck zu trinken. Eine Fälschung hätte Racul sofort bemerkt, und was war ein Vampir, der kein Jungfrauenblut genoss? Ein Nichts! Ein widerliches Nichts! Sobald er das Haus verlassen hatte, verwandelte er sich und flog so schnell er konnte. Verzweiflung, Trauer, Wut - Er fühlte sich zerrissen von der Stärke seiner Gefühle. Was war dies? Warum war er so eingenommen, so verletzlich? Er war nie so gewesen, nie! Er taumelte durch den Regen, ließ sich an einem Fluss tief im Wald nieder und verwandelte sich, ließ sich ins nasse Gras fallen. Der Regen fiel auf ihn herab und kühlte sein Herz, ließ seinen Hass zurückweichen. Wenn wir dich nicht mehr brauchen landest du in Waltod, du altes Gerippe.

Er seufzte und ließ den Kopf zurückfallen, die Augen geschlossen. Keine Gedanken, keine Mauern mehr.

Er hätte nie in den Dienst zurückkehren sollen.



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Tage später


"Also...?"
Edwin blickte auf seine Notizen. Er war im Büro des stellvertrenden Abteilungsleiters. Nyria stand neben dem wie immer schäbig aussehenden Oberfeldwebel. Edwin räusperte sich um seine falsche Nervosität hochzuspielen. Es half dabei seine aktive Mordlust ein wenig im Zaum zu halten. "Also... am ersten Abend verbrachte ich ein paar Stunden damit, mit einer Nährerin zu sprechen, doch sie gab mir keine hilfreichen Infos. Ich beobachte alle Anwesenden für meine gesamte Schicht. Dabei sah ich drei Diebstähle, vier tätliche Übergriffe und dreiundzwanzig Belästigungen. Am Ende des Abends schob mir der Barmann einen Zettel herüber auf dem Stand: Der Toast ist leer. Ohne Schirm kann ich nicht fliegen.. An den Folgeabenden sah ich die gleichen Sorte übergrifflichkeiten aber in unterschiedlicher Menge. Die genauen Zahlen könnt ihr meinem Bericht entnehmen. Am dritten Abend erhielt ich einen weiteren Zettel. Darauf stand 'Mein Peiniger ist das Korn, hoch schauen die Ähren. Am fünften Abend hat mir jemand ein Brot in die Tasche gesteckt und ist dann geflohen. Ich habe das Brot durchsucht und in der Kruste einen Zettel gefunden auf dem stand 'Die Bruderschaft des Korns erwartet dich.." Er endete und schob seinen Bericht über den Tisch. "Ich weiß noch nicht wo sich dies trifft, ob diese Bruderschaft überhaupt wirklich existiert oder was sonst der Sinn dieser Übung war aber die ganze Woche fühlte sich doch ausnehmend sinnlos an."

Cim und Nyria sahen sich an, dann sah Cim zurück. "Und damit hast du eine wertvolle Lektion gelernt."
Nyria nickte. "Der Großteil der Arbeit des Szenekenners besteht darin, Stunden, Tage, manchmal wochenlang einen Bereich kennen zu lernen, sich einzufinden und ein natürlicher Teil davon zu werden. Erst wenn die Umgebung einen als natürlichen Teil derselben angefangen hat wahrzunehmen kann man anfangen wirklich an echte Informationen zu kommen. Offenbar warst du unauffällig genug um schonmal eine Einladung zu einem kleineren Kult zu bekommen. Das ist gut. Nutz das. Folge dieser Spur. Bis auf weiteres solltest du dich weiter in dieses Lokal blicken lassen und auch versuchen dich im Kult einzufügen. Das heißt nicht das du Mitglied werden musst, obwohl das auch nicht schadet, aber ein Freund des Kultes zu werden kann nützlich sein, um dich in die Kultistenszene einzufügen. Nicht schlecht."
Edwin blinzelte. "Und das...ist alles? Mehr mache ich nicht?"
Cim zuckte mit den Schultern. "Alles? Nein." Der Wächter grinste unheilvoll. "Es fängt gerade erst an!"

[1]  Slyria - ehemals kleine Eingebornen-Nation drehwärts von Überwald. Der letzte Kontakt zur Außenwelt ist vor 150 Jahren erloschen.

[2]  Eine Gruppe absolut vertrauenswürdiger, diskreter Herren deren Loyalität durch die uralte Tradition aus hoher Bezahlung und vorgerichteten Särgen gesichert wurde

[3]  und so unerwartet, für alle anderen

[4]  Igor und Igorina hatten dies natürlich anders gesehen. Schließlich hatte es entsprechende Verträge gegeben

Zählt als Ausbildungsmission zum/zur Szenekenner i. A..



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

15.12.2022

Endlich mal wieder eine Single! Und dazu auch noch eine gut geschriebene Ausbildungs-Single! Selbst ohne die tiefe Verstrickung zwei meiner Charaktere darin, hätte ich sie genossen. Du hast einen sauberen Bogen gespannt was die Aufgaben und Schlüsselerfahrungen eines Szenekenners angehen dürfte. Obendrein empfand ich vor allem die Charakterdarstellung Cims als so gut, dass du diese Figur für mich deutlich lebendiger gemacht hast, als sie es bisher war, mir quasi einen Zugang zu ihr geschrieben hast. Wofür ich doppelt dankbar bin, da Cim ingame auch für meine Bemühungen in Hinsicht auf Wilhelms Abteilungs-Ausbildung wichtig zu verstehen ist. Da fühlte ich mich bisher ein klein wenig wie Edwin, im Umgang mit seinem verwirrenden Vorgesetzten, wenn ich zum Schreiben ansetzte. Eine ziemlich gute Identifikationsmöglichkeit mit deiner Figur.

Woran ich schwer schlucken musste beim Lesen, so sehr, dass ich mich dabei ertappte, bereits während der Spielewiesenphase der Geschichte immer nur so flüchtig wie möglich darüber hinweg zu lesen, das war gleich zu Beginn der Selbstverletzungspart. Zusammen mit der Brutalität und dem darauf folgenden fehlenden Mitgefühl für die Opfer, ergiebt sich ein zutiefst traumatisiertes Bild Edwins. Was natürlich beabsichtigt ist. Mich aber nichtsdestotrotz etwas hilflos vor ihm verharren lässt. Sicherlich... auch all die anderen Wächterfiguren sind jede auf ihre Weise traumatisiert. Das macht das Drama aus, aus welchem man schöpfen kann. Aber Edwin ist anders. Auf ungute Art anders. Was ihm als Figur keinen Abbruch tut, im Gegenteil. Aber es ist ein emotionaler Spagat, ihn zu mögen. Sehr herausfordernd. Weswegen ich ihn natürlich umso mehr mag. Hehehe...

Die Schwingungen zwischen unseren Figuren sind absolut zum Genießen und ich verneige mich mit einem breiten Grinsen vor dir für die Ausarbeitung dessen - sowohl, was Edwins Ambivalenz Wilhelm gegenüber auf dem Beziehungstrampolin angeht, als auch Wilhelms besorgte Ahnungslosigkeit in dieser tödlichen Freundschaft, sowie die Darstellung des verwundeten alten Egos in Form Raculs, das aus der würdelosen Unterbringung heraus versucht, alte Fäden neu aufzugreifen und seine Rache zu planen. Denn selbst wenn wir an einer Stelle ein Happy End schreiben, heißt dies natürlich beileibe nicht, dass unsere Figuren sich damit abfinden und sich 'abschreiben' lassen. Oder dass Happy Endings Bestand haben müssen.

Von Rogi Feinstich

27.12.2022

Sehr schöne Ausbildungsmission! Ich bin noch sehr gespannt wie es mit Edwin aka Thaddäus weiter geht. Dass ich die Mordszenen am Anfang ganz ohne weitere Erwähnung nicht soo gut fand, hatte ich dir ja schon gesagt. Da Rabbe sogar in der Geschichte vorkam, hätte ich es schön gefunden, wenn sie gerade an einem"harten Fall" arbeitet. Eine Auflösung hätte es ja nicht schon gebraucht. Überhaupt fand ich manchmal den Bogen zwischen panischen Edwin am Anfang zu perfekten Schauspieler am Ende nicht ganz glaubwürdig, aber ich kann auch nicht meinen Finger drauflegen (Vielleicht wäre noch bei dem Gespräch zwischen Racul und Edwin, die Sicht von Edwin gut gewesen. Raculs Sicht war zwar lustig, aber Edwinds wäre glaube ich spannender gewesen). Auf jeden Fall sehr unterhaltsam und wichtig: Die Ausbildung ist geschafft und wir bekommen mehr von Syndikat und somit Spannung für die Zukunft. Schreib weiter! ;)

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