Bimsstein

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von Korporal Braggasch Goldwart (FROG)
Online seit 03. 05. 2017
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 03. 05. 2011 datiert
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 Außerdem kommen vor: Sebulon, Sohn des SamaxRuppert ag LochMolochSenray RattenfaengerOpalPismireRemedios von Schwarzfell

Für Rekruten (erste Mission):
Eigentlich willst du gar kein Wächter werden - aber augenscheinlich wirst du nicht gefragt.

- Mein Eigenversuch herauszufinden was in und um so einen Troll vorgeht, zudem eine Studie über dessen Körperbau, Denken und Fühlen (die keinerlei Anspruch auf Richtigkeit legt). Diese Single spielt weit in der Vergangnheit, als Pismire Ausbildungsleiter bei GRUND war (das bedingt sich dadurch, dass sie zu dieser Zeit begonnen wurde), hat aber keine relevanten Auswirkungen auf das Wachegefüge.

Dafür vergebene Note: 12

Die Geburt eines jungen Trolls ist in der Regel ein glückliches Ereignis, denn Trolle haben nicht all zu häufig Nachwuchs. Weniger glücklich ist aus diesem Grund, wenn die ersten Worte des Erzeugers sind: "Koprolith! Werfen weg, bevor Häuptling sehen!"

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Die Arbeit als Trollsessel war nicht die schlechteste, der Bimsstein je nachgegangen war: Solange er sein Pensum erfüllte, konnte er sich die Arbeitszeiten selber einteilen. Was genau es mit diesem Pensum auf sich hatte war ihm von seinem Vater Gneis, einem vielschichtigen und dazu klugen Gefolgsmann Chrysopras, erklärt worden. Es bedeutete, dass Bimsstein mit seiner Zeit anstellen konnte was er wollte, solange er es schaffte vierzehn Stunden am Tag zu arbeiten. Dem Troll kam das mehr als fair vor, besonders, da er einen Teil der Einnahmen behalten durfte.
Während der Phase, in welcher Gneis ihn noch als Hehler von Schramm, Schlitt und Splitter einsetzen wollte, hatte der junge Troll selbstverständlich einige dieser Substanzen ausprobieren wollen. Dies war für ihn zu einer äußerst schmerzhaften Erfahrung geworden. Die aggressiven, sulfidhaltigen Drogen zersetzen seine weichen Zähne und Teile von Zunge und Kiefer, bevor er es schaffte sie auszuspülen, weshalb er sich zukünftig von ihnen fern hielt. Auch der Kontakt zu den drogensüchtigen Trollen musste eingestellt werden, denn deren schwefeliger Mundgeruch schmerzte an Bimssteins empfindlicher Haut. Sein Vater war alles andere als erfreut gewesen, wie zahlreiche Blessuren in Bauch- und Brustbereich noch heute zeigten.
Gleichmütig erhob sich Bimsstein aus der knieenden Position in eine Stehende. Die Trageriemen der breiten Sitzgelegenheit auf seinem Rücken hatten bereits tiefe, unangenehme Rillen in seine Schultern gefressen, dennoch empfand er Dankbarkeit, dass Gneis ihn nicht verstoßen, sondern eine Arbeit für ihn gefunden hatte. Das Ziel der übergewichtig humanoiden Gestalt hieß Scheibe, und sie war spät dran, wie sie mehrfach betonte. Bimsstein wusste mittlerweile, was dies zu bedeuten hatte und weshalb man von allen Trollsesseln ausgerechnet ihm hin und wieder den Vorzug gab: Die Brücken zur Götterinsel wären zu dieser Abendzeit völlig überfüllt und verstopft. Kasten-mit-Rädern-und-Langbeintieren-davor würden in Massen verkeilt dort stehen, brüllende und keifende Männlein mit Peitschen auf sich und dem Gestank nach Hektik in der Luft. Doch Bimsstein brauchte die Menschenbrücken nicht. Im Gegensatz zu allen Trollen, die er kannte, hatte er eine Begabung, auf die er in bescheidenem Maße stolz war: Er konnte schwimmen. Zwar lief es in seinem Sinne mehr auf ein Treiben heraus, doch das war für den Ankh völlig ausreichen, während andere seines Volkes schlicht versanken und erstickten.
Bimsstein war nicht intelligenter als der durchschnittliche Troll, doch ausgehend von seiner Eigenheit hatte er eine gewisse Sentimentalität entwickelt, die es ihm erlaubte, seinen langsamen Gedanken nachzuhängen, ohne die Kontrolle über Füße und Beine zu verlieren. Das Gewicht des Sessels und des Passagiers beruhigte ihn. Von Natur aus ungewöhnlich leicht und gebrechlich wünschte sich der junge Troll kaum etwas sehnlicher, als normal zu sein. Er wollte mit Anderen seines Alters Schubsen und Pöbeln, was aufgrund seines hohen Verletzungsrisikos nicht ging, wollte Erfahrungen und Fehler machen - doch seine Andersartigkeit schob ihn stets an den Rand der Gesellschaft. Unwillkürlich hielt sich Bimsstein die rechte Hand vor das zerfurchte und löchrige Gesicht. Die beiden Finger, die am weitesten vom Daumen entfernt waren, fehlten - der Grund hierfür musste irgendwo in seiner Kindheit liegen, denn der Troll erinnerte sich nicht mehr daran.
Ein Keifen auf seinem Rücken riss ihn aus den Gedanken und wies unfreundlich darauf hin, dass Bimsstein an der richtigen Straße vorbei gestapft war. Gehorsam drehte er um und nahm die Abzweigung.
Viele seiner ohnehin schlechten Zähne aus blassem Turmalin fehlten mittlerweile, Lücken und Bruchstellen deuteten auf ältere, meist unbedeutende Vorfälle hin, die ihre Spuren hinterlassen hatten und natürlich nie ausgeheilt waren. Bimsstein machte sich keine Illusionen: Er würde nur ein kurzes Leben führen.

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Sorgfältig spülte der junge Troll Ankhschlamm aus den vielen verwinkelten Poren seines Unterleibs. Gneis verlangte das, bevor man seine Wohngrotte in der Nähe des Zukunftschweinelagers betrat. Sein Vater dachte dabei weniger an die schädliche Wirkung, welche der Schlamm durchaus nach einer Weile auf Bimssteins Bimsstein haben konnte, sondern viel mehr an spontane Kundenwünsche, die selbstredend einen sauberen Sessel verlangten.
Auf eine unnötig umständliche Art und Weise legte er das Tragegeschirr ab und schob es in ein hierfür vorgesehen Fach. Von allen Söhnen war Bimsstein der Einzige, der diesem Gewerbe nachging, und dadurch zusätzlich nutzlos. Grob wie die Steine, aus denen sie bestanden, rühmten die Anderen sich damit, auch dem am Boden liegenden Troll noch eine gestreckte Portion Schlampf andrehen zu können. Ihren jüngsten Bruder nahmen sie nur wahr wenn er das Essen servierte, welches er von seinem eigenen Lohn gekauft hatte. Schmeckte es nicht, so brachen sie kleine Steinsplitter aus seinen Armen oder Beinen und bewarfen ihn damit. Gneis nannte das Erziehung.

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Schwer zerrten die Gurte an seinen Schultern. Bimsstein konnte das leise Knacken und Schaben hören, wenn wieder ein Teil seines Körpers den Geist aufgab. An den stechenden Schmerz hatte er sich mitlerweile so sehr gewöhnt, dass er weder zusammenzuckte noch stöhnte. Der fette Kaufmann auf seinem Rücken bemerkte nichts von der Pein, welche er dem ungerührten stapfenden Troll zufügte - vielleicht war es das, was Gneis mit Erziehung meinte?
Was genau der Dicke so nah an den Schatten wollte, wusste Bimsstein nicht und es interessierte ihn auch kaum. Wer sich als reicher Mensch in diese Gegend wagte, tat gut daran einen Trollsessel zu mieten, denn kaum ein Dieb hatte so lange Arme.
Der Abend dämmerte bereits, als ein großer Schatten die Gasse versperrte, durch die der Händler sich tragen ließ.
"Gut sein, Bims. Du ihn jetzt runter lassen."
Der junge Troll erkannte die Stimme seines Bruders Halit. Der brutale Ältere war häufig blau, weshalb man ihn im Dunkeln schlechter erkennen konnte. "Das wird er nicht!", ertönte es von seinem Rücken. Bimsstein war einigermaßen beeindruckt. Nicht viele Menschen schafften es, ihre Stimme in Gegenwart Halits so fest klingen zu lassen. Zudem verkündete lautes Schaben hinter ihnen, dass ein weiter Troll den Rückweg versperrte.
"Du runter lassen", wiederholte der Bläuliche mit der Drei-Tages-Flechte stur, als Bimsstein keine Regung zeigte.
"Lauf weiter. Ich bezahl dir das Dopp... das Anderhalbfache! Renn ihn um!", verlangte seine Last.
"Gneis sagen, du hören. Ich dein Bruder sein, Bims!"
"Na los!"
"Er kaputt machen Geschäft."
"Nagut, das Doppelte, du hast gewonnen!"
Die Gedanken des laufenden Sessels krochen[1]. In einer solchen Situation hatte er sich bisher noch nie befunden. Gneis verlangte von ihm, dass er seinen Dschob ordentlich erfüllte... nun verlangte er anscheinend, dass er dies nicht mehr tat. Das erschien Bimsstein irgendwie... falsch.
"Ich gehen", entschied er und setzte sich wieder in Bewegung.
"Was?"
"Was?"
"Ich Mann tragen wo will hin. Dann du können haben." Bimsstein hatte seinen älteren Bruder fast passiert.
Halit nickte ruppig. "Gut." Er holte weit aus und trat dem Jüngeren wuchtig seitlich gegen das Knie. Poröses Gestein knackte und brach. Bimsstein schrie.
Der Kaufman schrie.
Halit lachte.
Schwer krachte der Trollsessel zu Boden und der Fette kullerte kreischend heraus. "Ich gebe euch, was ihr wollt! Bitte! Was ihr wollt!"
"Ja", sagte der brutale Troll und ergriff den Wimmernden, um ihn hoch zu heben.
"Einen schönen guten Abend, die Herrschaften", mischte sich eine neue Stimme ein. "Stadwache Ankh-Morpork. Wenn sie die Freundlichkeit besäßen, die felsigen Arme zu heben?"
Halit rumpelte wütend, ließ seine Last fallen und rannte donnernd in die Nacht.
Plötzlich waren Überall Rufe und Schritte zu hören. Bimsstein erkannte durch das Halbdunkel mehrere Menschen und auch einen Troll in Uniform, die seinem Bruder hinterher hetzten. Ein menschliches Weibchen - es musste eine Frau sein, immerhin trug sie einen Rock - rief den anderen kurze Sätze zu, die für den wegdämmernden Verletzten keinen Sinn ergaben.

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Als Bimsstein die Augen aufschlug, sah er über sich verschwommen das Gesicht des menschlichen Weibchens. Sie bewegte ihren Mund mit den vielen Haaren darum, aber der Troll hörte nur dumpfes Murmeln.
Sein Gehirn brauchte lange, um den Schmerz zu registrieren - aber dann gab es sich richtig Mühe. Gneis Sohn schrie abermals. Die Frau zuckte eilig zurück. Wieder wurden dumpf und unverständlich einige Befehle erteilt.
Irgendwann erstarb das trollische Brüllen.
"Schon gut, Kleiner. Wir haben die Wunde mit schnell trocknendem Zement bestrichen, du nässt nicht mehr." Die Wächterin - Bimsstein war sich ziemlich sicher, die Uniformen mittlerweile als solche erkannt zu haben - klopfte ihm auf die Schulter. "Kannst du aufstehen?"
Bimsstein blickte an sich hinunter. Dort, wo sich ein rechter Unterschenkel mit Fuß befinden sollte, endete das Bein am Knie. Der Stumpf war grau verklebt. Das abgetrennte Stück klemmte unter dem Arm des Wächtertrolls, welcher ihm seltsam bekannt vor kam. Er löste die Riemen des Sessels und wuchtete sich mit Hilfe einer Wand in die Höhe. Beinahe wäre er wieder umgefallen, doch der Träger seines Beins schob ihm schnell einen Arm unter die Achsel.
"Opal wird dich stützen", erklärte die Wächterfrau. "Wo willst du hin? Gibt es sowas wie Trollärzte?"
Bimsstein schüttelte den Kopf. Er wollte nach Hause, doch Gneis mochte es gar nicht, wenn Wächter seinen Wohnort kannten. "Bringen zu Haus von Bumm-Leute." Dort arbeiteten einige Trolle, die Gneis Geld schuldeten und ihn heim tragen konnten.
"Die Alchimisten? Achso, der Neubau. Klar, wir liefern dich bei der Baustelle ab." Das Weibchen rief einige Worte und alle setzten sich langsam in Bewegung. "Aus dem Pfeffersack war nicht viel rauszuholen, aber ich glaube, du hast dich tapfer geschlagen, Junge."
Der Trollsessel antwortete nicht. Er war noch niemals 'Junge' genannt worden. Es klang seltsam und doch nicht unerfreulich.

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Eine derartige Tracht Prügel hatte Bimsstein in seinem kurzen Leben noch niemals bekommen. Seine Nase hatte sich unter einem wuchtigen Hieb einfach in Staub aufgelöst, große Stücke seiner rechten Wange fehlten und gaben den Blick auf seinen wenig bezahnten Kiefer preis, der linke Arm hing aufgrund der zahlreichen Bruchstellen nutzlos herab. Der ehemalige Trollsessel hielt sich nur aus einem Grund noch aufrecht: Halit und Dreck - ein weiterer Bruder - hatten seine Schultern in festem Griff.
Gneis schüttelte sich einige Gesteinsbröckchen von der Faust, Bimsstein nahm seine Worte nur am Rande einer Ohnmacht wahr. "Unnützer Balast. Gerfried Beutel entkommen, Ziegel von Wache gefangen genommen. Du haben alles ruiniert!"
Die rissigen Lippen des Jungtrolls zitterten. "Ich haben..." Dreck schnitt ihm die Worte ab, indem er seinen verletzten Arm zurückbog. Die Welt war Lichtpunkte und Schmerz.
"Ich werden dich verstoßen", stellte Gneis mitleidslos fest. "Nein, ich werden dich töten. Du wissen zu viel."
"Du... Vater...", stieß Bimsstein verzweifelt in die heiße Schwärze.
Chrysopras rechte Hand lachte. "Vater? Idiot! Ich niemals Missgeburt wie du zeugen würden! Du wurden angeschwemmt. Getragen von Wasser. Abartig, aber nützlich, ich dachten. Falsch dachten. Genug." Gneis nickte seinen beiden anderen Söhnen zu und drehte sich ab - wichtigere Aufgaben warteten.
Das letzte, was Bimsstein wahrnahm, war das vorfreudige Grinsen Halits, als dieser die Faust hob.

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"Ich kann euch verfichern, daff ef nicht meine Arbeit ift, Meifterin!"
"Wie kommt es dann in meinen Garten?"
"Ef könnte angefwemmt worden fein, Meifterin."
"Unsinn. Es ist Stein. Stein schwimmt nicht."
"Fehr wohl, Meifterin. Allerdingf handelt ef fich in diefem Fall um lapif pumekf."
"Bitte?"
"Ein hellef, auf gafreicher Lava faumig erftarrtef Gefteinfglaf, laut Definitfion, Meifterin. Bimfftein, Meifterin."
"Bimpfstein? Ach so. Ist es zu etwas gut?"
"Man kann ef alf Füllmaterial, Fleif- und Poliermittel verwenden. Tfudem..."
Bimsstein stöhnte und schlug die Augen auf. Er war vollständig desorientiert und alles außerhalb seiner eigenen Gedanken war Taub- und Dunkelheit. Einzig die Ohren schienen noch funktional und lieferten erschreckend klare Eindrücke.
"Du liebe Güte!"
"Intereffant."
"Igor, tu doch etwas!"
"Foll ich ef töten?"
"Um der Götter Willen! Nein! Hilf... dem Ding!"
"Fehr wohl, Meifterin." Der junge Troll fühlte sich aufgerichtet. Die Hände, die seinen leichten Körper stützten, erinnerten ihn an seinen Tastsinn... leider. Da er nicht mehr die Kraft hatte zu schreien, grunzte Bimsstein polternd. "Ef feint mir ein Troll, Meifterin", erklärte die Stimme hinter seinem Kopf.
"Unmöglich. Ich habe Trolle gesehen. Sie sind viel... Nun ja, einfach..."
"Fehr wohl, Meifterin."
"Ihm fehlt ein Bein!"
"Er feint infgefamt etwaf lediert, Meifterin."
"Schaff ihn in den Schuppen, und kümmere dich um seine... naja, du weißt schon. Ich werde mir auf den Schreck einen Brandy genehmigen und mich später mit ihm befassen."
"Fehr wohl, Meifterin."
Während Bimsstein stöhnend die Tortour des gezogen werdens über sich ergehen lies, kehrte seine Sicht zurück. Die Farben waren nicht richtig. Manche zu intensiv, andere zu blass. Zudem tat ihm das Licht fast so weh wie die Schatten. Hinter einer grünen Fläche sah er den Ankh, der sich träge dahinschob - nun konnte er auch das entsprechende Geräusch zuordnen. Der Gestank blieb jedoch, ebenso wie eventuelle Wohlgerüche, fort. Dem Gefühl unter seinem Leib nach zu urteilen war der Untergrund nicht aus Moos, denn damit kannte er sich aus. Es konnte sich also nur um unnützes Gras handeln. Und auf diesem Rasen stande... Trolle. Manche groß, andere klein, in den unterschiedlichsten Formen - doch alle waren sie grau, fest... und völlig bewegungslos.
Holzwände nahmen ihm die Sicht auf den grausigen Friedhof. Bimsstein entschied sich für eine zusätzliche Runde Ohnmacht.

.oOo.

Das zweite Erwachen war weniger schrecklich. Es herrschte weitestgehend Stille, so dass sich Bimsstein die Zeit nehmen konnte, seine verschwommene Sicht zu klären und die letzten Erinnerungsfetzen in Einklang zu bringen. Jener allumfassende Schmerz war zu dumpfen Pochen abgeklungen.
"Hallo?", hauchte der Troll in die Stille.
Wie aus dem Nichts erschien ein furchtbar entstelltes Menchengesicht in seinem Blickfeld. "Ah, du bift wach."
Bimsstein zuckte. "Ich tot sein?"
"Eine bemerkenfwert phillofophife Frage für ein Wefen deiner Art. Ab wann definiert man den Tod einef Trollf?"
"Was?"
Das Gesicht lächelte, wobei sich die vielen, groben Narben grotesk verzogen. "Fon gut. Nein, du bift nicht tot."
Bimsstein versuchte sich aufzurichten, schaffte es aber nicht. "Wo ich sein?"
"Daf wird dir die Meifterin fagen, wenn fie ef für notwenig erachtet."
"Alles so... kalt sein."
Der unbekannte Mensch nickte. "Dein Bein war mit einer Flüffigfteinmifung behandelt worden, ich entfied mich für die gleiche Art def Verbandf. Da du aber auf fämtlichen Öffnungen näffteft, muffte ich dich fotfufagen komplett eintfementieren. Natürlich nach der Reinigung. Defhalb kannft du dich auch nicht bewegen. Momentan forfe ich an einer Methode, mit der ich deinen Arm retten könnte."
Der ehemalige Trollsessel verstand kaum die Hälfte dessen, was der komische Kerl sagte, dennoch erwiederte er: "Ah."
Sein Retter legte kurz den Kopf schief, als würde er lauschen, dann war er plötzlich aus Bimssteins Sichtfeld verschwunden. Dem Gepeinigten war es nur recht. Sein Kopf dröhnte von dem Versuch, die vielen Worte zu verstehen und sein Gedächtnis bereitete ihm Schwierigkeiten. Wie war er hier hin gekommen... und warum musste er die ganze Zeit an einen Menschen im Rock denken?
Der junge Troll merkte nicht einmal, dass er wegdöste, bis ihn ein regelmäßiges Klacken wieder aus dem Schlummer riss. Abermals beugte sich ein Mensch über ihn, diesmal jedoch ohne Narben und auch ohne Haare um den Mund - dafür mit verstörend Vielen auf dem Kopf.
"Wie geht es dir?", fragte der Neue freundlich.
"Schlecht", entgegnete Bimsstein ehrlich.
"Verständlich." Das Gesicht verschwand. "Igor, haben wir denn nichts, um seine Schmerzen zu lindern?"
Antworten tat die Stimme, welche der verletzte Troll dem narbigen Gesicht zuordnete. "Er befitft leider keinen Kreiflauf, in den ich ein Fmertfmittel injetfieren könnte, Meifterin. Auferdem würden die Kanülen abbrechen."
Wieder schob sich das freundliche Menschengesicht in seinen Blick. "Es tut mir leid, anscheinend können wir momentan nicht mehr für dich tun. Wie heißt du?"
"Bimsstein."
"Wer hat dich so zugerichtet, Bimsstein?"
"Vater. Und Brüder meine."
Ein schockierter Ausdruck trat in das Gesicht. "Das kann nicht sein!"
"So sein." Plötzlich erinnerte sich der Troll an etwas. "Aber nicht wirklich Vater und Brüder sein. Bimsstein von Wasser sein gekommen."
"Was meint er damit, Igor?" Der Mensch blickte zweifelnd zur Seite.
"Ich glaube er ift ein Waifenkind, Meifterin. Waf ef mit dem Waffer auf fich hat, kann ich nicht fagen."
"Oh, du armes... Wesen." Bimsstein erkannte zu seinem Erstaunen, dass sich Wasser in den Augen seines Gegenübers - oder besser: Seines Obendrübers - sammelte. "Kann ich irgendetwas für dich tun?"
Ein kurzer Moment angestrengten Überlegens ging ins Land. "Neuen Sessel brauchen."
"Bitte?"
"Tragen Leute zu können."
"Ein Trollsessel? Nein, das kommt gar nicht in Frage! Mir waren diese menschenunw... die trollunwürdigen Geräte schon immer suspekt! Ich verbiete, dass du zu dieser Arbeit zurückkehrst!"
Der soeben seiner Existenz Beraubte stellte sich in keinem Moment die Frage, woher dieser Mensch das Recht nahm, ihm etwas zu verbieten. Statt dessen wollte er wissen: "Aber was tun dann?"
"Zuerst einmal gesund werden", bestimmte das Gesicht mit den vielen Haaren auf dem Kopf. "Alles weitere wird sich zeigen." Erneut war Bimssteins Sichtfeld vom einen Augenblick auf den Anderen leer. "Igor? Ich möchte, dass du alles in deiner Macht stehende tust, um diesem Bimsstein zu helfen. Aufgrund deiner künstlerischen Begabung sollte dir das nicht sonderlich schwer fallen."
"Fehr wohl, Meifterin."
Abermals erklang das rythmische Klacken, dieses mal sich entfernend.

.oOo.

Bimsstein saß im Garten und betrachtete die falschen Trolle. Der Privatbesitzt von Lady Hattie Tachyerii, Witwe eines gewissen Lord Ruster Tachyerii [2], war ein einstöckiger Bau der Sorte 'Mini-Lustschloss mit Anbau' mit einer großzügigen Gartenanlage direkt am Ankh im Bezirk Siebenschläfer. Anscheinend wohnte sie gar nicht auf diesem Grundstück, sondern pflegte sich hier nur zu entspannen, was auch immer dies bedeuten mochte. Warum die Lady sich diese Steinwesen in den Garten stellte, war Inhalt der aktuellen Frage des Trolls.
Die bereits ergraute Dame mit der aufwendigen Frisur lachte erheitert, wie sie es gerne tat, wenn sie sich mit ihrem neuen Zögling unterhielt. "Das sind Statuen, Bimsstein. Werke meines überaus begabten Igor."
"Ihr habt gerufen, Meifterin?"
Lady Tachyerii wandte sich auf ihrem lederbespannten Hocker um. "Nein, danke, Igor. Ich versuche unseren Besucher nur mit deiner Kunst vertraut zu machen. Wenn ich etwas brauche, wird es mir Pierre bringen." Sie deutete auf die kleine, silberne Glocke neben sich im Gras.
"Fehr wohl Meifterin. Ich habe nur gefaffen, worum ihr gebeten hattet, Meifterin." Seine letzten Worte waren augenscheinlich auf die steinernen Kunstwerke bezogen.
"Papperlapapp. Du bist ein Genie!" Hattie zwinkerte Bimsstein verschwörerisch zu - was dieser nicht zu deuten wusste. "Aprospo: Wie laufen deine Forschungen an... wie nennst du es noch gleich?"
"Lebendef Geftein, Meifterin. Ich verfuche auf den Proben, die ich Bimfftein entnommen habe, kriftallin-organifef Material hertfuftellen, Meifterin. Material, welchef die verlorenen Körperteile def Trollf wieder herftellen könnte." Igor rieb sich unbehaglich eine Narbe. Es gefiel ihm gar nicht, wenn das Gespräch eine Wendung nahm, die deutlich machte, dass er in manchen Dingen mehr wusste als seine Gebieterin. "Die Forfungen find im vollem Gange. Dank der hitfebeftändigen Lufttfufuhr ift ef mir nun bereitf möglich, künftlichen lapif pumekf tfu fabritfieren."
"Dann möchte ich dich nicht von deinem wichtigen Durchbruch abhalten." Sinnierend blickte die Lafy ihrem fleißigen Diener hinterher. An Bimsstein gewandt fuhr sie leichtfertig fort: "Weißt du, ab und zu ist er mir ja ein wenig unheimlich - und ich verstehe fast nie, was er so gerade treibt, aber wenn etwas erledigt werden muss, kann man sich stets auf ihn verlassen. Nichts desto trotz lasse ich das Essen lieber von Pierre auftragen... du weißt schon, diese ganzen Narben und der Buckel sind etwas... unestetisch." Ein Blick in das Gesicht des jungen Trolls verriet, dass er nicht wusste. Hattie brachte das erfrischend simple Gemüt ihres Gastes wie immer zum schmunzeln. "Dabei ist Igor so bescheiden. Ich weiß nicht, ob du einen Sinn hierfür hast, doch schau dir diese Bildhauerei an - sie sind wunderschön. Igor hat sich sogar extra für die Arbeit, die ich ihm zugeteilt hatte, einen seiner Daumen entfernt und durch einen zusätzlichen Zeigefinger ersetzt. Nun kann er mithilfe der Hände einen dreidimensionalen Eindruck einfangen, so wie es Maler immer mit Landschaften tun. Er ist ein Künstler."
Bimsstein schweig, da er keinen blassen Schimmer hatte, was seine Retterin meinte. Eines jedoch konnte auch ein Troll erkennen: All die verschieden förmigen falschen Trolle auf der Wiese - manche nur so groß wie ein Zwerg, andere hoch wie sein älterer Bruder - waren fein gearbeitet und außerordentlich lebensecht, wenn auch etwas verschmutzt. Er machte mit seinem gesunden Arm eine allumfassende Geste. "Warum?"
"Warum die vielen Statuen?" Lady Tachyerii ließ den Blick über die eigenen Besitztümer gleiten. "Weißt du, mein Mann liebte zu seinen Lebzeiten Vögel über alles. Aus diesem Grund hat er auch die Gilde der Ornithologen, Ornithographen und Ornithometer gegründet. Nun... du kennst doch Tauben, oder? Ist dir einmal aufgefallen, wie sehr diese sich von steinernen Nachbildungen angezogen fühlen? Hier lasse ich jeden Vogel, der zufällig vorbeikommt, seine Notdurft verrichten, ohne dass er sich fürchten muss verjagd oder gefressen zu werden. Es ist albern, ich weiß, und eigentlich mache ich mir auch nichts aus diesem Federvieh, doch ich habe dann immer das Gefühl, dass ich ihnen einen Gefallen täte. So ehre ich das Andenken meines Mannes... ohne gleich ganze Horden von Gänsen, Fasanen und Singvögeln auch in diesem Garten zu halten, wie es noch zu Pumpsis - Lord Rusters - Zeiten war."
Vorsichtig verlagerte Bimsstein sein Gewicht, um eine weniger schmerzhafte Art des Sitzens zu finden. Zwar kühlte und linderte der Zement, doch wenn er seine wunden Stellen zu lange belastete wurde es qualvoll.
Hattie beobachtete seine Bewegungen aus den Augenwinkeln. "Was wirst du nun tun?"
"Nicht wissen", gestand Bimsstein. "Vielleicht gehen zurück zu Gneis."
"Auf gar keinen Fall! Dort erwartete dich nur der Tod!"
Der Troll zuckte die grobkörnigen Schultern. "Er vielleicht sehen, Bimsstein nicht sein tot... Und dann denken: Bimsstein stark."
"Das bezweifle ich doch sehr..." Die Lady schüttelte entschieden den gut frisierten Kopf. "Nein. Vor dir liegt etwas anderes, als feiste Adelige durch die Stadt zu tragen und von der eigenen Familie schickaniert zu werden. Sieh dich doch an! Du bist besonders! Du kannst erreichen, was vor dir noch kein Troll erreicht hat!" Die Tachyerii schien sich zunehmens für das Thema zu erwärmen.
Ihr Gast sah das etwas nüchternern. "Ich nur sein will sein normal. Das nicht erreichen kann."
"Pah!" Ruckartig erhob sich Lady Hattie von ihrem Hocker und stapfte mit großen, undamenhaften Schritten in den Garten hinaus. Bimsstein benötigte für das mühsame Hochrappeln deutlich länger und folgte ihr einbeinig hüpfend. "Hier." Sie war neben der dunklen Statue einer Frau stehen geblieben, die eine Vase in beiden Händen hielt und deren nicht vorhandenen Inhalt auf den Boden kippte. Die Amphorenträgerin bildete einen herrlichen Anblick: Fast schwarzer Stein war mit zarten, rosanen Adern durchzogen und auf Hochglanz poliert worden. "Quirmianischer Mamor. Wunderschön anzusehen, wenn er die Mittagssonne reflektiert, aber teuflisch schwer zu bearbeiten. Selbst mein Künstler Igor hat drei Anläufe benötigt, um diese Form zu schaffen - keine günstige Angelegenheit, sage ich dir." Der ladyhafte Finger deutete auf einen Wasserspeier, der in mattem Beige den Schnabel in die Luft hielt. "Das dort ist klatschianischer Sandstein. Einfach in der Herstellung, aber anfällig für Regen. Zudem kann man polieren, bis man blöde wird: Niemals wird man einen Glanz erzeugen." Ein paar Schritte weiter waren sie an einer eher abstrakt zu nennenden Gestalt angelangt. Die groben Züge zeigten humanoide Formen, doch war alles unförmig und mit Winkeln und Zacken übersäht. Dennoch schien die Statue aus sich selbst heraus in tiefem Dunkelrot zu glimmen, was ihr - selbst für Bimssteins Verständnis - eine düstere Schönheit verlieh. "Eines meiner Lieblingsstücke", erklärte Lady Tachyerii. "Hoher Feuerstein, ebenfalls aus Klatsch. Man kann ihn freilegen und polieren, bis er jedes bisschen Licht aufsaugt und in dieses mysteröse Glühen umsetzt. Faszinierend... und gleichzeitig in seiner Form hässlich. Der silex amplius rubens ist so hart, dass er sofort zerspringt, wenn man ihn zu schneiden versucht. Zudem findet man ihn allerhöchstens in faustgroßen Einzelstücken. Igor fand einen Weg, ihn mit einem kristallinen Zement zusammenzufügen, doch auch er konnte keine Idealform finden." Sie blickte dem jungen Troll, der sich mit der gesunden Hand an jener Feuersteinfigur abstützte, ernst in die Augen. "Verstehst du, was ich dir sagen möchte?"
"Nein."
Hattie seufzte. "All diese Statuen haben Vor- und Nachteile. Der Stein hat einen bestimmten Zweck. Sandstein wird normalerweise für den Bau verwendet, der Mamor sollte nur von wirklichen Künstlern genutzt werden und der klatschianische, hohe Feuerstein... nun ja, ich bin mir sicher, er gäbe vorzügliche Waffen ab. Ich befehle Igor, sie in eine bestimmte Form zu pressen, egal, ob sie dafür geschaffen sind, oder nicht. Ich möchte es so. Genauso versucht die Stadt euch Trollen eine Rolle aufzuzwingen. Ihr selbst versucht das mit Euresgleichen. Du, Bimsstein, bist allerdings wie der Feuerstein: Selbst beste Finesse macht aus dir keinen Standarttroll, ebensowenig wird der beste Bildhauer je formschönen Figuren aus silex amplius fabrizieren. Aber ihr habt Besonderheiten, die euch abheben. Es bringt nichts, sich zu wünschen, eine andere Struktur zu haben. Es ist völlig unsinnig, sich in eine Funktion zu fügen, die man unmöglich ausfüllen kann." Seine Gastgeberin legte ihre zarte Hand auf Bimssteins gesunden Arm. "Bedauere dich nicht selbst, weil du anders bist! Mach es zu deiner Stärke! Finde Wege, die dir angeborenen Fähigkeiten auf bestmöglichstem Weg zu nutzen!"
Der Troll blickte auf die Lady hinunter. Gedanken schoben sich schmerzhaft langsam hinter seiner Stirn vorbei. "Ich nutzen können...", begann er zaghaft, und Hattie lies ein aufmunterndes Lächeln sehen. "Ich nutzen können... um so sein zu werden wie Andere?"
Das Lächeln verblasste. Ein trauriger Ausdruck trat in die Züge der Witwe, vermischt mit Trotz. "Du wirst es schon noch verstehen. Ich verlange, dass du so lange bleibst, wie du möchstest. Denk darüber nach, was du erreichen willst, dir stehen nun sehr viele Wege offen. Ich werde dir helfen. Aber nicht jetzt. Es wird Zeit, dass ich mir die unsäglich langweiligen Gildenberichte anhöre. Wir reden morgen weiter."
Bimsstein nickte verständnisvoll und tat, was sie verlangte: Er dachte nach.

.oOo.

Drei Tage waren seit diesem ersten Gespräch vergangen. Wie versprochen hatte die Lady bereits Mehrere mit ihm geführt. Nach vielen Erklärungen und Vergleichen hatte Bimsstein mittlerweile eine etwaige Ahnung, was Hattie ihm nahe zu legen versuchte.
Auch Igors Versuche waren nach einigen Fehlschlägen vorangeschritten. Selbstredent hatte er es noch nicht geschafft, ein komplettes Bein nachzuzüchten - und dies würde mit ziemlicher Sicherheit ein weit entferntes Ziel bleiben - doch war es ihm gelungen lebensfähigen Bimsstein heranzuziehen. Bimsstein hatte nicht die geringste Ahnung wieso dieser 'Trollgips', wie Igor sein lebendes Gestein nannte, funktionierte oder auf welche Weise häufig verwendte Worte wie 'Destillation', 'Substraktion' und 'Genmanipulation' etwas dazu beitrugen, doch der Erfolg sprach für den Bildhauer Lady Tachyeriis. Der Körper des jungen Trolls schien den extra für ihn fabrizierten Stoff anzunehmen. Die meisten offenen Stellen waren bereits mit Trollgips bearbeitet worden und vor wenigen Stunden hatte Igor eine neue Nase modeliert und angepasst.
Das künstliche Trollfleisch war sogar noch weicher als Bimssteins übliche Physiognomie, hatte etwa die gleiche Konsistenz wie blasige Kreide, und durfte unter keinen Umständen nass werden, doch ein optischer Unterschied war nicht mehr auszumachen. Zudem bildete sich der ehemalige Trollsessel ein auch wieder taktile Fähigkeiten an den Stellen zu entwicklen, welche von Igor zuerst mit dem Trollgips behandelt worden waren.

Bimsstein saß auf der überdachten Gartenveranda [3] als Hattie ihn aufsuchte. In ihrer Begleitung fand sich ein menschlicher Mann, der auf Grund seiner granitfarbenden Haare bereits so alt wie die neue Troll-Ziehmutter selbst zu sein schien, wenn sich der Troll nicht täuschte.
"Wie geht es dir?", fragte die Lady höflich, ohne sich mit einer Bergüßung aufzuhalten. "Du siehst gut aus."
Der Einbeinige berührte vorsichtig seine Gesichtsmitte. "Ich Nase haben."
Tachyerii nickte. "Wie man sieht. Als wäre sie niemals fort gewesen. Kannst du etwas riechen?"
Bimsstein schüttelte den Kopf.
"Nun, vielleicht kommt das ja noch, wenn sich dein Körper daran gewöhnt hat", beruhigte Lady Hattie. "Darf ich dir einen Freund von mir vorstellen: Hauptmann Pismire von der Ankh-Morporker Stadtwache."
"Hallo Bimsstein, es freut mich deine Bekanntschaft zu machen. Hattie hat mir viel von dir erzählt", lächelte der Mensch und streckte ihm sogar die Hand entgegen, um deren Gelenke die Knochenarmreife klackten.
Der am Boden Sitzende ergriff die Hand nicht, sonder besah sich den Neuankömmling von oben bis unten. "Er nicht aussehen wie Wächter" Gneis hatte ihm während der Zeit, in der er ihn noch als Drogenverkäufer einsetzen wollte, sehr genau erklärt, woran er ein Mitglied der Stadtwache erkannte.
Der vermeidliche Hauptmann lachte und zog die Hand zurück um sich durch den befiederten Kopfschmuck zu streichen. "Du hattest Recht, er ist nicht so dumm, wie man annehmen könnte."
"Rede nicht über ihn, als würde er nicht vor dir sitzen, Pismire", tadelte die Lady. An Bimsstein gewandt fuhr sie fort: "Er trägt auf meinen Wunsch hin diese alberen Verkleidung. Das ist etwas kompliziert... Du weißt doch, dass ich Ehrenoberhaupt einer Gilde bin, nicht wahr? Heute war eines der unsäglichen Gildentreffen in meiner Villa... dort, wo ich übernachte. Der gute Pismire hier hat sich freundlicherweise bereit erklärt mir diese Treffen ein wenig zu versüßen."
"Sogar fast ohne Gegenleistung, liebste Hattie", warf der Alte fröhlich-sarkastisch ein, was die Gildenleiterin mit einer ärgerlichen Bewegung beiseite wischte.
"Normalerweise hat er also eine Uniform an und sieht aus, wie du dir wahrscheinlich einen Wächter vorstellst."
"Ah", machte Bimsstein, der keine Ahnung hatte, auf was Hattie hinauswollte.
Diese legte Pismire eine Hand auf den Arm. "Ich habe ihm erzählt, welchen beeindruckenden Gast ich zur Zeit in meinem Gartenhaus beherberge und ihn gebeten, doch einmal zu schauen, ob dieser nicht für den Wachedienst geeignet wäre."
Der Zusammengeflickte nickte. "Igor in Werkstatt seiner arbeiten."
"Ich meinte dich, Bimsstein."
Zwei steinerne Augenbrauen schossen überrascht in die Höhe. "Ich Troll sein."
"Auch Trolle haben bereits seit längerer Zeit immer mal wieder für die Stadt gearbeitet", erklärte der Hauptmann geduldig. "Momentan befindet sich sogar schon ein Troll bei uns in Ausbildung. Wir sind im Bezug auf neue Gefreite nicht sonderlich wählerisch."
"Ich nur ein Bein haben."
Pismire kratzte sich am Hinterkopf. "Das könnte sich allerdings als Hindernis erweisen. Hattie versicherte mir jedoch, dass du und ihr Igor bereits an diesem Problem arbeiten."
"Ich bin mir sicher", motivierte Lady Tachyerii ihren Zögling, "dass du dich dort hervorragend einfügen wirst."

.oOo.

Ihr Aufbruch verzögerte sich, da sie das Ende des leichten Regenschauers abwarten mussten, doch dann hüpfte Bimsstein gefügig hinter dem Abteilungsleiter der Wacheausbildungsabteilung her. Noch immer konnte der junge Troll sich nicht vorstellen, dass eine Berufsgruppe, welche sein Vater immer als korrupt, unfähig und leichtgläubig beschrieben hatte, seine Zukunft darstellen sollte, doch er wollte Lady Tachyerii nicht enttäuschen.
Mit dem festen Willen es wenigstens zu versuchen - und indem er diverse Hauswände als Stütze verwendete - gelangten er und Hauptmann Pismire schließlich zu dem beeindruckend großen Hauptgebäude der Wache. Dort, so hatte der alte Mann erklärt, würde er einen Kollegen aufsuchen der ihnen bei Bimssteins leichtem Gleichgewichtsproblem vielleicht helfen konnte.
Während der ehemalige Trollsessel wie geheißen am Tresen abgestützt wartete, wurde er von dessen anderer Seite neugierig von einer jungen Frau gemustert.
"Was hast du verbrochen?", fragte sie unvermittelt.
Bimsstein dachte darüber nach. "Ich nichts verbrochen haben", entgegnete er schließlich. "Ich nur viel ge-brochen haben."
Die Wächterin verzog keine Miene. "Ich meinte: Weshalb bist du hier? Und was riecht hier so seltsam?"
Der poröse Troll nickte verstehend. "Der Mann -"
"- Hauptmann Pismire -", fügte die blauäugige Menschenfrau ein.
"- gesagt haben, Bimsstein mitkommen sollen, dann der Mann -"
"- Hauptmann Pismire -"
"- aus Bimsstein Wächter einen machen."
Die Lockenköpfige warf einen vielsagenden Blick dort hin, wo sich bei jedem anderen humanoidenförmiges Wesen ein zweites Bein befunden hätte. "Der Hauptmann will dich zu einem Wächter machen?"
"Ja."
"Nun... er wird schon wissen was er tut. Wie heißt du?"
"Bimsstein."
"Ich bin Remedios von Schwarzfell."
"Ah", sagte der junge Troll und vergaß den Namen sofort wieder.
Die Wächterin schnüffelte. "Aber dieser Geruch... der kommt eindeutig von dir." Umständlich umkreiste sie den Tresen, stellte sich neben den Neuzugang und schnupperte. "Was ist das?"
"Das Arm sein."
"Ich weiß, dass das ein..." Remedios unterbrach sich. "Warum riecht der so... komisch?"
"Nicht wissen."
"Irgendwie nach diesen Däs-in-fäk-tion-zeug, das uns Feldwebel Feinstich letztens gezeigt hatte", fuhr von Schwarzfell ungerührt fort.
"Nicht wissen."
"Wenn ich dir den Gestank jetzt als bräunlich neon-blau bezeichnen würde, hilft dir das auch nicht weiter, oder?"
Bimsstein konnte sich glücklicherweise um eine Antwort drücken, da der Alte wieder die Treppe hinunter kam. Remedios verzog sich eilig salutierend wieder hinter den Wachetresen, während Pismire seinem Begleiter, einem sehr kleinen Menschen mit einigen Haaren um das Gesicht, versicherte: "Das ist er."
Dieser nickte, kratzte sich an seinem Helm und ging auf den jungen Troll zu. "Hallo, äh, Bimsstein. Ich bin Korporal Braggasch Burkhardssohn, äh, Goldwart."
Der Einbeinige unternahm nicht einmal den Versuch, sich den langen Namen zu merken. "Hallo."
"Ja... äh... versuch dich bitte einmal so grade wie möglich hinzustellen." Während er tat, wie ihm geheißen, umrundete der kleine, blonde Mensch ihn mehrmals und betrachtete eingehend den Stumpf an seiner rechten Seite. Dann zog Braggasch ein Maßband hervor und hielt dieses an mehrere Stellen des gesunden Trollbeins, die Ergebnisse notierte er sich akribisch. "Weißt du, wie schwer du bist?", murmelte er schließlich.
Ein Schulterzucken war die Antwort. "Nicht schwer sein."
Goldwart verzog nachdenklich das Gesicht und achtete nicht auf das ungeduldige Tresenklopfen Pismires oder Remedios leicht süffisantes Grinsen. "Ich kenne mich zwar nicht wirklich mit Steinen aus... äh... aber ich glaube... Äh, darf ich?" Seine letzen Worte bezog er auf eine Geste, mit der er klar machte, dass er die Hände unter Bimssteins einzementierten Beinstumpf halten wollte. Da als Reaktion wieder ein Zucken der steinernen Schultern folgte, griff der Korporal an die Verletzungsstelle, straffte den Körper und spreizte die Beine wie ein Gewichtheber. "Äh... und jetzt stell dich bitte ganz normal hin..."
"Braggasch...", hob der Hauptmann warnend an, doch Bimsstein hatte sich bereits von seinem hölzernen Gleichgewichtshalter abgedrückt und verlagerte nun einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Gewichts auf die Hände des Zwergs. Einem Reflext folgend wollte der alte Abteilungsleiter nach vorne springen und seinen ehemaligen Stellvertreter dem sicheren Tod entreißen - wohlwissend, dass es dafür zu spät war... doch Pismire stockte in der Bewegung.
Anstatt, wie vermutet, von der Masse des Trolls zerquetscht zu werden, hielt Braggasch dem Gewicht stand und Bimsstein somit aufrecht. Zwar verfärbte sich das Gesicht des Korporals dabei vor Anstrengung tiefrot und er begann zu zittern, doch er verteilte sich nicht auf dem Wachhausboden.
"Ich denke, das reicht, Bimsstein, bitte lehn dich wieder an", bescheid der Alte dennoch nach einer kurzen Weile.
Folgsam verlagerte der junge Troll sien Gewicht wieder auf das linke Bein und stützte sich an der Wand ab. Burkhards Sohn schnaubte völlig erschöpft, schien aber nicht unzufrieden.
"Etwa achtzig bis, äh, hundert Kilo, schätze ich...", stöhnte er an seinen Vorgesetzten gewandt.
"Aha", antwortete dieser unbeeindruckt.
"Das, äh, ist so leicht, weil er vollständig aus Bims besteht, welches, äh..." Der stellvertretende Abteilungsleiter verstummte unter den uninterressierten Blicken dreier Augenpaare, übersprang gedanklich einige Erklärungsversuche und begnügte sich letztendlich mit einer Aussage zum Ergebnis: "Ich denke, da kann ich etwas, äh, entwerfen. Ein Prototyp wird heute Abend fertig sein..."
"Sehr gut", freute sich Pismire. "Dann wäre da noch eine Kleinigkeit."
"Äh... ja?"
"Kannst du auch etwas gegen sich auflösende Körperteile tun?"

.oOo.

Auf ihrem weiteren Weg zu einem anderen Wachhaus hielt Bimsstein immer wieder im Humpeln inne und betastete seine klebrige Stirn.
"Braggasch sagte, dass es erst trocknen muss, also lass den Lack in Ruhe!", brachte Pismire zum wiederholten Mal ins Gedächnis, als er die Fummelei des Trolls bemerkte.
"Aber sich fühlen so... eklig an."
"Dann hättest du dich besser daran erinnern sollen, wo du überall deine Schäden gehabt hast." Der Grundleiter hatte Recht: Nachdem sie Goldwart erklärt hatten, wo das Problem lag, war dieser nach oben geeilt und mit einem Eimer farbloser, zähflüssiger Masse zurück gekehrt. Dieser Lack, so hatte der Korporal erklärt, war nach seinen Kentnissen für alle Stoffe geeignet und schützte diese vor Feuchtigkeit. Da Bimsstein nicht mehr wusste, wo er seinerzeits überall mit Trollgips behandelt worden war, hatten sie ihn kurzerhand vollständig einlackiert. Dies war zwar nur eine Lösung für kurze Zeit - immerhin würde sich die Schutzschicht durch die Eigenbewegung recht schnell abreiben, zudem verlieh sie dem neuen Rekruten einen peinlichen Glanz - verhinderte aber, dass er sich dauerhaft in Häusern aufhalten musste. Nun trocknete der klebrige Lack auf dem porösen Körper vor sich, prickelte unangenehm auf dem anfälligen Gestein und und raubte dem jungen Troll allmählich durch die aufsteigenden Gase den Atem.
Letzeres bedeutete im Umkehrschluss - das wurde Bimsstein nach einer ganzen Weile klar - das sein Geruchssinn langsam zurückkehrte. Igors Experimente waren also von Erfolg gekrönt: Der künstliche lapis pumex, der Trollgips, schien sich dem Körper anzupassen und verlorene Stücke vollständig ersetzen können. Für ein Bein, dass knappe hundert Kilogramm Troll aushalten musste, war der Stoff viel zu weich, doch mit etwas Glück könnten vielleicht bald die beiden Finger, die seit Bimsstein sich erinnerte fehlten, ersetzt werden...

.oOo.

"Herrschaften! Es ist mir eine große Freude zu verkünden, dass ein weiteres Schäfchen zu uns gefunden hat. Wenn ich vorstellen darf: Der Rekrut Bimsstein", hallte Pismires Stimme über den Hof der Kröselstraße. Hier und da wurden gemurmelte Bergüßungen ausgestoßen, durchmischt von zurückgehaltenem Gekicher.
"Bimsstein, das ist Opal." Der Hauptmann deutet auf den Berg von Troll, der sich wie immer darauf konzentrierte nicht allzu dumm auszusehen, was ihn ziemlich dumm aussehen ließ.
Der neue Rekrut nickte. "Ich dich kennen."
"Ich dich auch kennen", entgegenete der grau marmorierte Troll mit der Schöpfkellenkette.
"Du kaufen bei Gneis."
Opal gelang es ein wenig deprimiert zu wirken, doch er nickte und entgegenete: "Du lassen dir abnehmen Bein."
Nachdem die Antwort auf diese Feststellung ebenfalls nur aus einem Nicken bestand und für die beiden Trolle damit anscheinend alles gesagt war, schaltete sich Pismire wieder ein. "Sehr schön. Gut, das das geklärt ist." Er strich sich durch das schwindende Haar und fuhr fort: "Opal. Kannst du Bimsstein erklären, was für Euereins sehr wichtig innerhalb der Wache ist?"
Der Angesprochene lächelte stolz und hob Schulmeisterisch einen menschenarmdicken Finger in die Höhe. "Du jetzt Wächter", erklärte er Bimsstein. "Du nicht mehr gehen jetzt. Du streifen!"
Der poröse Troll legte den Kopf schief und dachte einen Moment nach. "Ich gar nicht gehen, ich hüpfen...", gab er dann zu bedenken.
"Ja, danke sehr, aber das meinte ich gar nicht", warf Pismire schnell ein, bevor jenes komplex philosophische Problem den Rest von Opals Gehirn schmolz. "Was ist das Andere?"
Dieses mal benötigte der gläubige Anoiaanhänger deutlich länger, bevor sich seine Züge erhellten. "Du passen auf bei Sah-Luh-Tieren."
"Tiere?", wiederholte Bimsstein verwirrt.
Der Ausbildungsleiter nickte seinem dienstälteren Rekruten zu. "Zeig es ihm."
Betont langsam hob Opal die flache Hand zur Schläfe. "Das tun wenn sagen 'Hallo' und 'Tschüss' zu andere Wächter. Und wenn beantworten Frage. Und wenn stellen Frage."
Der junge Troll zuckte mit den Schultern und nickte.
"Hervorragend, Opal, wieder in die Reihe. Bimsstein, stell dich dazu." Pismire rieb sich die Hände und lächelte aufmunternd. "Nun, was stand heute an? Ah, ich erinnere mich, das Streife gehen. Ja, selbstverständlich Opal, ich meinte das Streife streifen. Wenn ihr euch in Zweiergruppen aufteilen würdet...?"

.oOo.

Die kurzen Schritte Senrays passten geschwindigkeitstechnisch ausgezeichnet zu den langsamen, aber potentiell weiteren Hüpfern Bimssteins. Zudem war die kleine Menschenfrau, die im Gunde nur sprach wenn sie ihn auf etwas aufmerksam machte, eine angenehme Gesellschaft. Im Grunde konnte man behaupten, dass der junge Troll, obwohl er regelmäßig ums Gleichgewicht kämpfen musste, von einer ungewöhnlichen Zufriedenheit erfüllt war. Zwar beunruhigte ihn das Stück Stoff, welches man ihm in Ermangelung einer Uniform um den Arm geschlungen hatte und was dadurch wie die parodierte Form von Senrays Halstuch wirkte, aufgrund der damit deutlichen Zugehörigkeit zur Stadtwache ein wenig - fühlte er sich doch, als trüge er eine Zielscheibe am Leib - doch lag diesem das Gefühl von Sinntätigkeit entgegen, welches durch das Streife gehen bedingt wurde. Bimsstein erschien es zum ersten Mal in seinem Dasein, dass er allein durch seine Existenz einen Zweck erfüllte.
Es war eine erniedrigend Einbeinige, lackglänzende Existenz, aber immerhin.
"Hörst du das?", erkundigte sich seine Mitrekrutin Rattenfaenger unvermittelt.
Der verhältnismäßig leichte Troll legte den Kopf schief. Selbstverständlich hatte der Ausbildungsleiter ihnen keine gefährlichen Routen zugeweisen, so dass die Beiden momentan am Rande des Hideparks entlang patrollierten, dennoch schien es in unmittelbarer nähe eine Form von Unruhe zu geben. Bimsstein nickte.
"Das kommt von dort!" So schnell sie ihre Beine trugen folgte Senray dem eigenen Zeigefinger über die Grünfläche in den Park hinein. Ihr Kollege folgte ihr mit weiten Sprüngen und lies dabei eine unregelmäßige Spur tiefer Abdrücke im Gras zurück. Tatsächlich wurden die Stimmen lauter, je mehr sie sich dem See näherten. Ursprung der Aufregung schien ein Mädchen zu sein, welches am Ufer auf und ab lief, verschiedenste Spaziergänger anschrie und dann, anscheinend panisch-hilflos, wieder zum nächsten rannte. Da die angesprochenen Passanten lautstark miteinander debattierten oder dem Kind zuriefen, es solle sich doch erst einmal beruhigen, konnte Bimsstein in dem Tumult nicht heraushören, was die Kleine eigentlich wollte.
Als ein Mann begann, sich zögerlich zu entkleiden, und einige Weitere auf den See hinaus deuteten, setzten sich langsame Gedankengänge in Bewegung. Senrays Ruf von einem Baum hinunter kam jedoch lange, bevor sich eine kognitive Lösung im Gehirn des Trolls eingestellt hatte: "Da draußen! Auf dem See! Ich glaube, er ertrinkt!"
Ohne weiter nachzudenken setzte sich Bimsstein in Bewegung. Die versammelten Bürger flohen schreiend, keifend und lachend in alle Himmelsrichtungen, als der Einbeinige durch sie hindurch preschte und damit den hilfreichen Mann, der sich gerade mit seiner Hose abmühte, in ein Blumenbeet stieß. Das Wasser spritze, als der Troll hinein sprang, wie ein Stein sank - und im nächsten Moment schon wieder an der Oberfläche trieb. Er drehte sich auf den Rücken und nutzte die langen Arme, um sich mit kräftigen Schlägen vorwärts zu treiben. Über die aufgeregte Menge erkannte der Senrays Stimme, die ihm leicht stotternd versuchte zu helfen. "J-ja! Weiter l-links! Das andere links! D-da, wo du noch alle Finger hast! J-ja! Langsamer! Du hast in fast! V-vorsichtig!"
Bimsstein versuchte sich umzusehen, war aufgrund seiner Rückenlage jedoch nicht fähig, die planschende und grugelnde Gestalt zu erkennen. Langsam treibend breitete er Arme und Bein so weit aus, wie er konnte - und tatsächlich spührte er kurz darauf an seiner Rechten ein Ziehen und Klammern. Zum ersten Mal seit einer ganzen Weile durchstieß die Kopf des Jungen länger als einige Schnappsekunden die Wasseroberfläche, was ihn sofort zu einigen ängstlichen Schmerzrufen verleitete. Sehr vorsichtig, da er ja wusste, dass Menschen bisweilen sogar noch zerbrechlicher waren als er selber, hob er den wild zappelnden Knaben aus dem Wasser und legte ihn auf seinem Bauch ab. Wie ein erfolgreicher Otter arbeitete er sich dann langsam zurück ans Ufer, während ein kleiner Strom aus erbrochenem Wasser über seine Brust lief.

.oOo.

"Eine wirklich ausgezeichnete und vorbildliche Arbeit, Rekruten!" Pismire strahlte ganz den Stolz eines zufriedenen Vaters aus, während Senray und Bimsstein auf den Teppich seines Büros tropften. "Die Eltern versicherten mir, dass es dem Jungen gut gehe und dass er außer dem Schock und einer bleibenden Angst vor plötzlichen Krämpfen keine Schäden davon getragen hat. Wenn das so weiter geht, sehe ich eine glänzende Zukunft bei SEALS oder FROG für euch."
Rattenfaenger salutierte dankbar. Ihr Mitrekrut schloss sich nach einer kurzen Erinnerung, was Opal ihn gelehrt hatte, an.
Der Ausbildungsleiter erwiderte den Gruß. "Senray, geh dich abtrocknen und hol dir dann aus der Kantine am Pseudopolisplatz einen Kaffee und eine warme Mahlzeit. Bimsstein, dich würde ich bitten noch eine Weile zu bleiben."
Die junge Frau klopfte dem Troll fröhlich auf den Arm und verließ das Büro, während Pismire pfeifend einige Papiere hervorholte und irgendetwas zu notieren begann, was für Bimsstein wahrscheinlich für alle Ewigkeit ein Buch mit siebenhundert Siegeln bleiben würde. Da ihn der Vorgesetzte gebeten hatte zu warten, nun aber nicht mehr beachtete, lehnte sich der frischgebackene Rekrut vorsichtig an eine Wand und tat... nichts.
Drei vollständig beschriebene Zettel später erschien der blonde Zwerg, der Bimsstein noch am Mittag auf Händen getragen hatte. Einige Metallstangen klemmten unter den Achseln des Kleinen, welche wiederrum mit seltsamen Schläuchen und noch seltsameren Kolben versehen waren [4].
Pismire blickte auf. "Ah, Korporal, schön, dass du da bist. Was ist das?"
"Das... äh... ich nenne es metallischer-druckbasierender-Trollbein-Ersatz. Oder einfach Falschbein." Braggasch streckte die Erfindung in die Höhe.
"Ich hatte ursprünglich eigentlich an eine ganze einfache Stange gedacht...", murmelte der Hauptmann etwas überfordert.
Sein ehemaliger stellvertretender Abteilungsleiter grinste fröhlich. "Aber das hier ist viel, äh, besser, Hauptmann!"
Der Ältere zuckte mit den Schultern. "Ich mag mich irren, Braggasch, aber ist eigentlich an Allem was du baust irgendeine Form von Kolben dran?"
Allem Anschein nach zog es Goldwart nach kurzem Zögern vor, nicht weiter auf diese Frage einzugehen und begann statt dessen damit, die mitgebrachten Materialen vor den Augen des Schamanen und des Trolls zusammen zu setzen. "Ich habe mich bemüht das Ganze so zu gestalten, dass eine post-installative Selbstreperatur mit einfachen Mitteln möglich ist. Aus diesen Gründen habe ich auf Verlötungen oder Schrauben, die spezielles Werkzeug erfordern, verzichtet und die Gewinde und Fassungen direkt in das Konstrukt integriert..." Bimsstein wagte einen kurzen Blick zur Seite, in der Hoffnung, dass sein Ausbilder das Summen in seinen Ohren durch sinnhafte Worte ersetzen konnten, doch Hauptmann Pismires Miene hatte einen, selbst nach Trollmaßstäben, steinernen Ausdruck angenommen. Braggasch blickte auf. "Äh... was ich damit sagen will ist: Mit einigen Tricks, die ich dir zeigen kann, kannst du das Bein selbst reinigen und reparieren, wenn es nötig ist... Äh, naja, bis auf die Kolben, versteht sich. So." Was er stolz präsentierte, lies sich am ehesten als metallern-klumpiges Ochsenbein bezeichen: Zwei glänzende Stahlstangen waren mit einem Gelenk in der Mitte verbunden, die untere durch Selbiges noch einmal mit einem Topfgroßen, schwer wirkenden Metallnoppen. An den Stangen waren besagte Kolben befestigt, an welchem wiederum Schläuche hingen und Stäbe steckten, die in verschiedensten Windungen und Winkeln an die verschiedensten Stellen führten, so dass Bimsstein alleine vom hinschauen Kopfschmerzen bekam. Am Obersten Ende wurde die Konstruktion von einer Art gepolstertem Korb abgeschlossen.
"Na das sieht doch mal... spannend aus", kommentierte Pismire freundlich und nickte dem Zwerg dankbar zu. "Ich würde vorschlagen, ihr beide begebt euch in den Hof und übt ein wenig, was sagt ihr?"
"Äh..."
"Danke, Braggasch!"

.oOo.

Goldwart beobachtete den steinern porösen Rekruten, während dieser unter leisem Zischen und Quietschen über den Übungsplatz wankte. Er hatte mehrmals nachjustiert und dabei den Druck in den Kolben sowie die Gängigkeit der Scharniere abgeändert, nun schien alles optimal eingestellt. Der Vorteil von Barggaschs Erfindung lag auf der Hand: Wo einfache Holzbeine steif geblieben wären und Bimsstein den üblich staksenden Gang von Kriegverteranen verpasst hätten, löste sich die mechanische Konstruktion eigenständig ein wenig vom Boden, sobald kein Gewicht darauf drückte. Zudem winkelte sie sich an, wenn der Troll das Bein hob, so dass Treppenstufen kaum ein Problem darstellten - solange die Treppe stabil genug war. Der Zwerg war zurecht stolz auf seine neuerliche Erfindung.
Leider scheiterten sämtliche versuche, Bimsstein die Montage näher zu bringen - Reparatur und Säuberung des Falschbeins sollte wohl eine weitere Tätigkeit sein, welche sich in Goldwarts nicht allzu kurzer Liste der täglichen Aufgaben einreihte.

.oOo.

Selbst ein halbwegs intelligenter Mensch hätte das abendliche Geräusch kaum zuordnen können, der blau-transparenten Halit hatte damit weniger Probleme: In seinem Kopf gab es nicht einmal die Option über die akkustische Herkunft nachzudenken. Ohne Hast lies er den Schlampf zurück in den Beutel gleiten, während sich der Ursprung näherte. Nacheinander erklang ein steinernes Stampfen, ein seufzenden Zischen und schließlich der Ton eines sanft auftreffenden Vorschlaghammers, all dies in einem holprigen Rhytmus.
Als der große, eckige Troll aus der Gasse trat, erblickte er seinen jüngeren Ziehbruder, dessen eines Bein in einer eisernen Unmöglichkeit steckte. Halit war nicht sonderlich verwirrt, Bimsstein lebend wieder zu sehen, denn hierfür hätte er sich weiterführende Gedanken zu dessen Tod machen müssen - doch die Binde am Arm des Porösen wunderte ihn zutiefst.
Auch der Rekrut hatte sein Gegenüber in der Dämmerung erspäht und verharrte. Für einen längeren Moment sagte niemand etwas.
"Bims Wächter", stellte Halit fest.
"Ja."
"Gneis nicht wird gefallen."
"Nein..." Bimsstein blickte sich langsam nach einer Fluchtmöglichkeit um.
Sein vermeindlicher Bruder blieb unterdessen so entspannt, wie Steinsalz nur sein kann. "Was du machen hier?"
"Ich streifen."
"Streifen?"
"Ja."
"Das schlechter Ort für... Streifen sein."
Die lackglänzenden Schultern, deren Furchen mit dem Trollgips aufgefüllt worden waren, deuteten ein Zucken an.
Halit ging langsam auf den etwas Kleineren zu. "Wir hier Handel machen, Bims. Kein Wächter dürfen sehen das. Wächter wissen. Nicht kommen hier. Du dumm sein, Bims."
Bimsstein verharrte tapfer auf der Stelle. "Du nicht dürfen mir tun was, Halit." Zunehmend wurde ihm bewusst, dass es keine gute Idee gewesen war, sich von dem Hochgefühl ein Held gewesen zu sein leiten zu lassen. Dann auch noch auf Eigeninitiative gezielt die Schatten aufzusuchen, genauer gesagt jene Stellen, von denen er wusste das zu dieser Zeit Trolldrogen vertrieben wurden, stellte sich als besonders dämlich heraus.
"Ich dir nicht dürfen Nichts tun, sonst Gneis mich zerbröselt." Mit der Unaufhaltsamkeit eines langsamen Dampfhammers hob der Bläuliche die Faust.
Der Rekrut nickt verstehend und tat dann das, was jeder kluge Wächter getan hätte: Er flüchtete.
Unter quälendem Gezische und Geknarre versuchte das Falschbein Unterstützung zu leisten, als der löchrige Troll abdrehte und auf die Gähnender-Amor-Gasse zuhielt, die er kurz zuvor erspäht hatte. Halit benötigte einen - nach Trollmaßstäben - kurzen Moment um sich auf die unerwartete Situation einzustellen, dann rumpelte er drohend und setzte zu Verfolgung an.
Zwar besaß Bimsstein den Vorteil der höheren Beschleunigung, doch Kurven konnte er nicht nehmen, da eine Kollision mit der Wand zu viel Schaden verursacht hätte. Auch leistete die Konstruktion des Zwergs zwar eine gute Arbeit wenn es darum ging zu streifen, doch für einen rennenden Troll war sie nicht ausgelegt: Etliche Schritte hielt sie der Belastung stand, dann ploppte plötzlich etwas und mit einem viel zu lauten Zischen sackte das Falschbein kurz ab. Auch wenn es Bimsstein schaffte einen Sturz zu vermeiden, sorgte die Fehlstellung dafür, dass etwas hässlich knirschte - und sich das entsprechende Gelenkt danach keinen Zentimeter mehr bewegte. Humpelnd verließ er die Gasse, konnte mit Mühe einigen Zechern auf der Lange-Meg-Straße ausweichen und eilte fast geradeaus weiter, mit dem Ziel Gossenweg.
Halit rollte heran wie eine Stampede. Bei ihm waren es die Tavernengäste, die ausweichen mussten, wollten sie nicht wie unter einer Lawine begraben werden. Kurz streifte er eine Hausecke, was diese einige Bruchstücke Fachwerk kostete. Der Drogenhehler kannte die Straßen genau so gut wie Bimsstein, näherte sich diesem unaufhaltsam mit deutlich höherer Endgeschwindigkeit - doch anders als Dessen ging Halits Planung nicht über das Einholen des Flüchtlings hinaus.
Der Rekrut durchquerte den Gossenweg, als ihn nur noch wenige Meter von dem brutalen Troll trennten, und stolperte ohne zu zögern auf eine der klapprigen Holzbrücken, welche sich über das Morpork-Becken spannten.
Seeleute und Lastenträger schrien erbost und entsetzt, als sie erkannten, was die dämlichen Trollen vor hatten, doch all ihr Winken und Rufen konnte Halit nicht davon abhalten seinem Bruder zu folgen.
Die bereits unter Bimsstein gefährlich knarzenden Bohlen hatten dem enormen Gewicht des blauen Koloss nichts entgegen zu setzen. Mit gewaltigem Knirschen und Splittern brach bereits der erste Fuß Halits in die Brücke ein, gefolgt von dem gesamten, verwunderten Troll. Noch während der steinsalzene Leib im Schlamm aufschlug, brachte sich Bimsstein mit einem gewaltigen Satz auf den Beckenrand in Sicherheit, wie ihn nur Personen unter hundert Kilogramm vollbringen können.

.oOo.

Nachdenklich beobachtete der junge Troll den Stumpf, welcher aufgrund der enormen Belastung wieder zu nässen begonnen hatte.
Er bezweifelte, dass Halit der Sturz in das Becken allzu sehr geschadet hatte, doch würde es sicher eine gute Weile dauern, das Schwergewicht aus dem Schlamm zu ziehen. Eventuell hätte sich der Steinsalzene bis dahin aufgelöst oder wäre erstickt. Der jüngere Ziehbruder wünschte ihm dieses Ende nicht, überhaupt hegte er keinen Groll gegen seine ehemalige Familie. Dennoch war es eine das eigene Überleben begünstigende Tatsache, dass ihr vorzeitiges Ableben vorteilhaft wäre.
Die Gedanken schlenderten heran und verzogen sich wieder ohne jegliche Eile, während das ähnlich träge Licht langsam über den Horizont abfloss und nächtliche Dunkelheit zurück ließ. Bimsstein hatte sich immer vorgestellt, dass es grässlich wäre, seine Aufgabe nicht mehr vernünftig zu erfüllen - doch sah man einmal von dem allgegenwärtigen körperlichen Schmerz ab, hatte es sich bisher eigentlich ganz gut angefühlt die Erwartung der Anderen zu enttäuschen. War es das, was die Frau mit ihren seltsamen Steinfiguren gemeint hat? Selbstbestimmung?
Nun diente Bimsstein der Wache... War das besser oder schlechter, als einen einzelnen Person zu gehorchen?
Hochkonzentriert blickten die blassen Kristallaugen auf das mechanische Bein in der großen Pranke, eine kratzige Zunge fuhr nachdenklich über die wenigen verbliebenen Turmalinzähne... Es gab Dinge, die würde er niemals verstehen. Alles war so ungemein kompliziert. Aber musste er nicht verstehen, um seine Aufgabe vernünftig erfüllen zu können? Als Sessel hatte er alles verstanden, was zu dieser Arbeit gehörte, und dennoch dauernd Fehler gemacht.
Als Wächter... Er hatte den Menschenjungen gerettet... Wahrscheinlich würde sein Wissen sehr wertvoll sein: Bimsstein kannte Hintermänner und Hehler, kannte Methoden des Streckens - sowohl des Trollstoffs als auch zahlungsunwilliger Kunden - kannte Treffpunkte, Abläufe, Hierachien... Was einer der Gründe wäre, aus dem Gneis sehr schnell und effizient sein endgültiges Ableben initiieren würde...
Es schien ihm, als würden in diesem Moment alle Bewohner Ankh-Morporks auf seine nächste Entscheidung warten, um ihn dann mit den darauf folgenden Entwicklungen zu überrollen. Dennoch war es eine Entscheidung. Niemand zwang ihn oder bat ihn. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Bimsstein bewusst eine eigene Entscheidung fällen.

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"Ich verstehe nicht...", murmelte Pismire einigermaßen bestürzt.
Umsichtig legte eine große, dreifingrige Hand die Wächterbinde auf seinen Schreibtisch. "Bimsstein nicht sein wollen Wächter", wiederholte der Troll, kurz gefolgt von einem: "Noch nicht."
Der Ausbildungsleiter betrachtete das improvisierte Uniformstück. "Nun, es ist deine Entscheidung. Aber wieso? Ist etwas vorgefallen? Haben dich die anderen Rekruten nicht gut behandelt?"
Bimsstein schüttelte den Kopf. "Nein, nichts fallen. Stadt nicht gut sein."
"Das ist sie für niemanden..." Nachdenklich musterte der Hauptmann seinen ehemaligen Schützling. "Was hast du nun vor?"
"Gehen zu Frau-mit-vielen-Haaren. Dann gehen weg. Sehen... Anderes..." Die poröse Stirn verschob sich als der Einbeinige versuchte Worte für seine Entscheidung zu finden. "Lernen... Über Trollsein."
Pismire nickte. "Soll ich Korporal Goldwart Bescheid geben, dass er sich noch einmal das... Unbein ansieht?"
Wieder war ein Kopfschütteln die Antwort. "Bimsstein lieber hätte... Stange?"
"Das kann ich gut verstehen", lächelte sein Gegenüber. "Ich werde mich darum kümmern. Ansonsten wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner Suche. Möge sie von Erfolg gekrönt sein."

.oOo.

"Ich begreife das nicht, äh, Gürtel..." Braggasch saß, eine Tasse Kakau in den Händen drehend, mit seinem Freund in der Kantine des Wachhauses. Hauptmann Pismire hatte ihm eine kurze Memo über Bimssteins Ausstieg via Rohrpostdämonen zukommen lassen, woraufhin Goldwart sofort das Gespräch mit Sebulon gesucht hatte.
Dieser blickte den spährlich Belockten über den Rand des eigenen Gefäßes an. "Nun, sieh es so: Vielleicht war er noch nicht so weit? Ein Troll hat es in dieser Stadt schwer genug... und die Stadt mit ihm. Bimsstein war, soweit ich das verstehe, ja auch noch für einen Troll etwas Besonderes. Zudem verletzt. Da ist es nicht ungewöhnlich, dass er Abstand braucht."
"Ja, aber, äh..." Burkhards Sohn brach ab, da ihm die Worte fehlten.
"Vielleicht hat ihm auch einfach nur das System der Wache nicht zugesagt. Immerhin gibt es mehr Regeln, als er sich merken können wird."
"Ja..."
"Wünscht du dir nicht auch manchmal, die Welt zu sehen? Fort von hier zu kommen?", sinnierte der Agent weiter.
Braggasch schauderte. "Nein. Ich habe hier doch alles was ich brauche."
Samax Sohn lächelte. "Das stimmt. Aber der Rekrut hatte es wohl nicht. Ich kann ihn verstehen."
"Das mag ja alles, äh, sein, aber, äh..."
"Ja?"
Die Miene des Spähers bestand aus reinem Unverständnis. "Wieso denn eine, äh, ganz normale Stange?"
[1] Denn rasen können die Gedanken eines Trolls im allgemeinen nicht.

[2] Igor hatte darauf bestanden, dass Bimsstein so lange diese beiden Namen sagte, bis er sie auswendig wusste - was in etwa einen ganzen Vormittag gedauert hatte.

[3] Es hatte zu regnen begonnen, und er wollte die neue Nase nicht sofort wieder gefährden...

[4] die Stangen, nicht die Achseln. Leider hat alles irgendwo seine Grenze.




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Feedback:

Von Araghast Breguyar

23.5.2017

War es Absicht, dass Bimsstein eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Troll-Braggasch hatte?

Von Daemon Llanddcairfyn

07.5.2017

Der Blick in die Charaktere hinein ist - mal wieder - mehr als genial. Man weiß exakt, was in den Personen vorgeht, selbst das kleine Unbehagen des Igors wird nicht vergessen. Gleichzeitig hält diese Tiefe die Geschichte aber überhaupt nicht auf oder verlängert sie so sehr, dass man sich gestört fühlt. Für die Charakterstudie hast Du einen sehr interessanten Charakter geschaffen, in den man sich hinein versetzen kann und dessen Werdegang, Besonderheiten und daraus entstehende Lebenssituation absolut schlüssig sind. Auch das Schwarz gegen Weiß der "Familie", die ihn ausnutzt und misshandelt gegen die Welt außerhalb dieses Systems, die sofort mit allen Mitteln hilft, ist ein hübsches Motiv. Außerdem glaube ich zu erkennen, dass durchaus der ein oder andere Verweis auf andere Geschichten/Charakterbezüge vorhanden ist, die dem Leser aber nicht bekannt sein _müssen_, um der Geschichte zu folgen.

Die Schwächen der Single liegen in Story und Aufbau:
Storymäßig passiert nicht sehr viel: Überfall missglückt, left for dead, Heilung, Aufnahme in die Wache, Streife, Actionteil, Abgang. Vielleicht war ich auch nur ein bisschen enttäuscht, dass der Troll die Geschichte überlebt hat. Irgendwie hatte ich bis kurz vor Schluss den Eindruck, es wäre schlüssiger, wenn er bei einer Rettungsaktion doch noch unter die Räder kommt oder tragisch an seine Familie gerät. Die Story wird aber durch die erstgenannten Punkte hervorragend aufgefangen und schließlich steht ja drüber, dass es mehr um den Charakter geht, als um das, was passiert.

Der Aufbau ist allerdings für mich das größere Manko. Der Troll kommt relativ spät, deutlich jenseits der Hälfte, zur Wache. Nach den üblichen, sehr ausführlich beschriebenen, Einführungsgesprächen (Pismire, Remedios, Braggasch, Pismire, Opal) wissen wir, dass ein Holzbein möglich wäre und dass der Troll jetzt lackiert ist. Dann eine erste Streife und direkt wird ein Kind gerettet. Dann kommt ein Zeitsprung. Nachdem wir vorher quasi über den Grund jeder Bewegung des Trolls informiert werden, steht er auf einmal in der Gasse seinem ihn misshandelnden Bruder gegenüber. Er entkommt und verlässt die Wache.

Ganz zu Letzt aber ein sehr greifbarer Punkt: Wie beim letzten Mal enthielt der Text wieder unzählige Rechtschreib-/Tippfehler, die jedes Textbearbeitungsprogramm, selbst jeder Browser hätte abfangen können.

Ich will die Geschichte hier gar nicht weiter sezieren, wenn Fragen sind, frag einfach. Es soll ja nicht so aussehen, als wäre es nicht schön gewesen, die Single zu lesen :)

Von Ophelia Ziegenberger

06.5.2017

Wie du schriebst, keine Geschichte, die inhaltlich Auswirkungen hätte. Aber eine wirklich interessante Studie. Hat mir gut gefallen. Und Braggaschs Standpunkt am Ende natürlich ein süßes Sahnehäubchen. Wundervoll in Szene gesetzt zum Konterpart der wesentlich tieferschürfenderen Gedanken seines Kumpels. ^^

Von Rabbe Schraubenndrehr

07.5.2017

Eine nette Geschichte. Bimsstein ist ein interessanter Charakter und die Eigenschaften seines gesteins wurden schön genutzt. Es hat Spaß gemacht über ihn zu lesen und ich war interessiert zu erfahren wie es mit ihm weiter geht. Das Ende erscheint ein wenig abrupt. Ich hätte mir gewünscht dass er seine Familie mit seinem Wissen überführt und dann erst den Dienst quittiert, oder zumindest ein moralischer Konflikt behandelt wird dass er seinem Ziehvater und -brüdern eigentlich nichts böses will und sie deshalb nicht in Gefangenschaft sehen möchte...

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