Das vergessene Verbrechen

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von Obergefreite Avalania von Gilgory (SUSI)
Online seit 30. 06. 2013
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 Außerdem kommen vor: KathiopejaLaiza Harmonie

[Projekt] Schreib³aktion 2013

Die Gefreite Avalania von Gilgory freut sich auf ihre erste eigene Wohnung. Sie hat endlich genau die richtige gefunden: 2 Zimmer im Erdgeschoss mit einem eigenen Keller, der wiederum über eine Bodenluke vom Zimmer aus zugänglich ist.
An ihrem freien Tag erkundet die Zwergin ihr neues Zuhause - nicht ahnend, dass es ein grausiges Geheimnis birgt ...

[*Hinweis: Die Geschichte spielt zu der Zeit als Feldwebel Laiza Harmonie noch Abteilungsleiterin bei S.U.S.I und die Wächterin Avalania von Gilgory noch Gefreite war.*]

Dafür vergebene Note: 10

Zwerge mögen Keller. Und dieser Keller war ausgesprochen dunkel und muffig.
Bis zu jenem Tag im Frühjahr als Avalania die Falltür zu ihrem neuen eigenen Keller öffnete und langsam die Treppe hinunter stieg. Mit jedem Schritt nahm ihr Gefühl zu, beobachtet zu werden, obwohl offensichtlich niemand in diesem alten Keller zu sein schien. Frische Luft strömte herein und wirbelte Staubpartikel auf, die in dem einfallenden Sonnenlicht glitzerten.
Avalania rümpfte die Nase. "Frische Luft würde diesem Raum gut tun."
Nachdem sich der Staub etwas gelegt hatte, sah sich die Zwergin erstmals um. Ihre Nervosität wich der Neugier und sie erkundete jeden Winkel.
Der Keller war rechteckig, links und rechts von der Treppe standen zwei Regale an der Steinwand. Gegenüber von Avalania stand eine große alte Truhe. Sie sah mit ihren angelaufenen Eisenbeschlägen ziemlich alt und mitgenommen aus, hatte aber etwas edles und anmutiges an sich.
Etwas an dieser merkwürdigen Kiste zog die Zwergin in den Bann, als ob sie flüstern würde: "öffne mich, öffne mich ..."
Nun, da Avalania ihre große Neugier nicht mehr unterdrücken konnte, gab sie dem Drang nach und versuchte die Truhe mit bloßen Händen zu öffnen. Vergeblich. "Ach blödes Schloss", fluchte die Zwergin, "dich bekomme ich schon noch auf." Sie ging ein paar Schritte zurück, zog ein silbern glänzendes Kästchen von ihrem Gürtel und in einer fließenden Bewegung klappte sich ihre Axt auseinander. Mit beiden Händen und entschlossenem Blick umklammerte Avalania den Griff ihrer klappbaren Axt und schwang diese über ihren Kopf, um sie dann im nächsten Moment mit aller Kraft gezielt auf das Schloss der Truhe zu schlagen.
Durch die Wucht des Aufpralls zersprang es in tausend Teile, die quer durch den Keller flogen, gerade wie ein Teller, der auf den Boden geworfen wurde.
Etwas außer Atem, aber zufrieden, klappte Avalania ihre Axt wieder zusammen und hakte sie zurück an ihren Gürtel. Gespannt auf den Inhalt der Truhe stemmte die Zwergin den Deckel nach oben. Stück für Stück gab er quietschend und knirschend dem Druck nach.
Die Luft strömte in die Truhe hinein, als ob jahrelang ein Vakuum darin geherrscht hatte. Wieder funkelten Staubkörner im Schein der einfallenden Sonne. Und mit ihnen mischte sich ein starker Geruch aus Verwesung und Moder in der Nase von Avalania.
Der Gestank war im ersten Moment so grässlich, dass sogar eine Gerichtsmedizinerin davon gelaufen wäre. Es verging eine Zeit, bis sich Avalania einigermaßen mit dem Gestank abfinden konnte - aber auch nur, weil ihre Neugier nicht mehr zu bändigen war.
Vorsichtig wagte sie einen Blick.
Schnell machte sich Enttäuschung breit. Kein Gold, nicht einmal etwas wertvoller Plunder. Nur ein altes, zerschlissenes Laken.
Kaum wollte sie sich abwenden, um die Truhe wieder zu schließen, da fiel ihr im Augenwinkel etwas auf. Bei genauerem Betrachten stockte ihr der Atem.
Aus diesem dreckigen Stück Stoff lugte ein Stück Knochen hervor.
Die Gerichtsmedizinerin in der Zwergin wusste sofort was das bedeutete. Vorsichtig zog sie das Laken auseinander, um einen besseren Blick auf das Fundstück werfen zu können.
"Oh nein", stöhnte sie, "nun ist es mit der Ruhe vorbei ..."

***


In der Wache war wenig los, zumindest waren die Gänge wie ausgestorben. Auf dem Weg zu Laiza traf Avalania auf Kathiopeja.
"Hey, was machst du denn so früh hier? Ich dachte, du hast heute erst später Dienst", begrüßte sie Kathiopeja fröhlich überrascht.
"Ja, eigentlich schon aber meine neue Wohnung hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht", antwortete die Zwergin etwas mürrisch. "Ich habe in meinem Keller einen Skelettarm in einer Truhe gefunden", setzte sie fort, bevor Kathiopeja andere Schlüsse ziehen konnte.
Im ersten Augenblick fehlten der Kollegin die Worte und es trat eine peinliche Stille ein, die der Zwergin sehr unangenehm war.
Deshalb lief sie etwas schneller, die Hauptgefreite im Schlepptau.
Endlich siegte Kathiopejas Neugier über den Schock. "Echt? Wahnsinn!", platze es aus ihr heraus, "und weißt du schon, wem er gehört?"
"Nein, ich weiß noch nicht einmal, zu welcher Spezies der Knochen gehört", antwortete die Zwergin ernst und gab damit zu verstehen, dass sie es sehr eilig hatte.
Kathiopeja verstand und ließ die Zwergin davoneilen. "Aber halte mich auf dem Laufenden!", schrie sie hinter ihr her.

***


Endlich stand Avalania vor der Tür der Abteilungsleiterin der S.U.S.I.
Den ganzen Weg lang hatte sich Avalania Gedanken gemacht, wie sie beginnen sollte. Ihr lief Schweiß über die Stirn. Kam das vom Laufen oder war sie wirklich so nervös? Sie trocknete sich mit der Uniform ab.
Die Zwergin holte nochmals tief Luft und klopfte dann mit Bestimmtheit an die Tür, um ihre Nervosität zu vertreiben.
"Herein", kam die Antwort aus dem Büro der Abteilungsleitung. Beherzt trat die Gefreite ein.
"Ah!", machte Laiza. "Gefreite von Gilgory. Was hast du auf dem Herzen? Irgendwelche Leichen im Keller, die du zu beichten hast?" Der Feldwebel lachte auf.
Die Zwergin zuckte zusammen. 'Weiß Laiza bereits Bescheid? Hatte einer der Späher mich in meinem neuen Keller beobachtet? Oder war diese Begrüßung nur ein lockerer Spruch gewesen? ' Avalanias Gedanken rasten. Doch woher hätte Laiza schon vom grausigen Fund der Zwergin Kenntnisse erhalten haben sollen? Sie rief sich die Fakten in Erinnerung: Der Keller besaß keinerlei Fenster zur Straße oder sonstige Öffnungen, durch die sie hätte beobachtet werden können. War das Ganze am Ende doch irgendein Test, um die langjährige Gefreite auf die Probe zu stellen? Sollte die ganze Angelegenheit vielleicht einen Vorwand bieten, um die Gerichtsmedizinerin mehr aus der Reserve zu locken, um sich den nächsthöheren Rang zu verdienen?
Sie suchte nach Worten. Schnell musste eine Erklärung für die Situation her. Es war ja absurd anzunehmen, dass sie mit dem Skelett oder dessen Auftauchen etwas zu tun haben könnte. Sie war doch gerade erst eingezogen. Es konnte doch niemand ernsthaft der Meinung sein, dass sie von dem Skelettarm in ihrem Keller gewusst hatte!
Aber war das wirklich so? War da nicht ein merkwürdiger Unterton bei Frau Lauteschläger zu bemerken gewesen, als sie der Zwergin die Wohnungs- und Kellerschlüssel übergeben hatte? 'Hier sind dann die Schlüssel, Frau von Gilgory', hatte ihre Vermieterin gesagt. Was konnte sie damit gemeint haben? War es wirklich nur um die Schlüssel gegangen?
Avalania suchte verzweifelt einen Ausweg. Panisch versuchte sie sich in Erinnerung zu rufen, ab welchem Punkt man die Mitschuld einer Straftat trug. Sie hatte die Truhe nicht selbst öffnen sollen. Doch woher hätte sie wissen sollen, welches furchtbare Geheimnis sie einschloss?
Der Geruch! Sie hätte es erkennen müssen! Sie war lange genug Gerichtsmedizinerin, um zu wissen, was dieser süßliche Geruch bedeutete, der ihr aus der Truhe entgegen geschlagen war. Oft genug hatte sie sich bereits über zu eifrige Wächter geärgert, die als erstes an einem Tatort eingetroffen und mit groben Handgriffen Spuren zerstört hatten.
Ihr schnürte es die Kehle zu. 'Das könnte leicht das Ende meiner Wächterkarriere sein.'
"Avalania?", fragte Laiza. "Ist alles in Ordnung?" Der Feldwebel sah die Gefreite besorgt an.
"Ähm", stammelte diese, "also - das ist so." Und zögernd erzählte sie ihrer Abteilungsleiterin ihre Erlebnisse dieses Morgens, wie sie den Keller begangen, die Truhe gefunden und den Knochen entdeckt hatte.
Laiza nickte immer wieder. "Gut", sagte sie, als Avalania geendet hatte. "Was schlägst du als nächstes vor?" setzte sie nach.
Die Gerichtsmedizinerin schluckte schwer. 'Soll ich etwa diese Untersuchung leiten? Habe ich überhaupt die Befugnisse dazu? Oder ist das eine Fangfrage, um mich zu testen?' überrascht starrte sie Laiza an. Sollte sie darauf ehrlich antworten?
Aus der Mimik der Abteilungsleiterin konnte die Zwergin den Hintergrund der Frage nicht erschließen.
"Ja?" drängte der Feldwebel.
"Nun, ähm, ein Tatortwächter-Team losschicken, würde ich sagen, um Spuren zu sichern. Dann müsste das Fundstück in der Pathologie untersucht werden und man sollte Proben analysieren lassen ..." Ava zögerte und überlegte, was danach noch wichtig sein würde, um diesen Fall zu lösen. "Ah ja, und bei R.U.M. nach Vermisstenanzeigen nachschlagen lassen."
'Puh, hoffentlich habe ich nichts vergessen', schoss es ihr durch den Kopf, während sie gespannt auf Laizas Reaktion wartete.
"Gut. Dann mach das so", kam die kurze Antwort. "Erstatte mir dann Bericht über deine Erkenntnisse. Keine wilden Vermutungen!", fügte sie streng hinzu.

***


In der Pathologie war es angenehm ruhig bis auf das Gurgeln von Saugi, der in einer Ecke zusammengerollt schlief.
Es war schon spät, aber Avalania saß noch immer vor dem Seziertisch und untersuchte den Skelettarm akribisch. Leise murmelte sie vor sich hin, was eigentlich dem Aufzeichnungsdämon galt, der jedoch leise schnarchte.
"He, von schlafen war hier nicht die Rede!", herrschte sie den Dämon leicht genervt an und stupste mit dem Spatel gegen die kleine Kiste. "Aufnahme: Ich sagte, das Skelett weist noch Spalten zwischen Knorpel und Knochen auf. Daraus lässt sich folgern, dass der ehemalige Besitzer des Arms noch nicht ausgewachsen war. Wie zum Beispiel ein Kind ...", setzte sie fort und übertönte damit das leise Fluchen vom Dämon.
Da klopfte es und Laiza betrat den Raum. "Hey Avalania, ich hab den ganzen Tag noch nichts von dir gehört. Wie schaut es aus: Hast du etwas über deinen Fund herausgebekommen?", fragte der Feldwebel und stellte sich mit verschränkten Armen der Gerichtsmedizinerin auf der anderen Seite des Seziertisches gegenüber.
'Na super, das hat mir gerade noch gefehlt! Warum kommt sie immer im falschen Moment? Immer, wenn man grade nix zu berichten oder eine Befragung mit scharfen Argumenten vorantreiben möchte ...'
"Nun, also, die Tatortwächter haben meine Wohnung verwüstet, anstatt Spuren zu nehmen. Und ich bin gleich mit der Untersuchung fertig. Dann warte ich noch auf die Laborergebnisse", antwortete die Zwergin mit leicht genervtem Unterton. Dann fuhr sie versöhnlich fort: "Während meiner Untersuchungen ist mir an dem Skelett etwas aufgefallen ... hier, sieh nur." "Der Zeigefinger ist kürzer als der Ringfinger", erwiderte Laiza nachdenklich.
"Richtig. Meistens sind beide annähernd gleich lang. Außerdem lassen die Abmessungen und der Zustand des Knorpels auf ein Kind schließen. Ich würde schätzen, dass es zwischen 10 und 14 Jahren alt war, als ihm bzw. ihr der Unterarm abgetrennt wurde." Dann wand sich die Gerichtsmedizinerin dem oberen Teil des Skelettarmes zu. "Hier, an den Riefen und Kerben entlang des Knochens erkennst du, dass es ein Amateur war. So etwas Unpräzises habe ich noch nie zuvor gesehen. Das arme Kind musste Höllenqualen gelitten haben, wenn es nicht eh schon durch die starken Schmerzen bewusstlos war."
Der Feldwebel stütze sich am Tisch ab und wurde kreidebleich. "Nun gut. Gefreite, wie ich sehe, hast du alles im Griff. Näher musst du das jetzt nicht ausführen. Ich lese dann morgen deinen Bericht." Sie holte tief Luft, was in einer Pathologie immer einen Fehler darstellt, wenn man nicht an den Gestank gewöhnt ist. Der penetrante Veilchenduft vom Putz- und Desinfektionsmittel tat sein Übriges. Schnellen Schrittes verließ Laiza den Raum.
Die Zwergin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. 'Tja auf manches kann man sich hier in der Gerichtsmedizin verlassen, man ist schneller wieder alleine, als das man Patrizier sagen kann. '

***


Am nächsten Morgen saß die Zwergin bereits in der Kantine und trank einen ungenießbaren Kaffee, als Kathiopeja sich zu ihr setzte.
"Hi, Ava! Na, wie geht's? Wie läuft dein Fall?", hakte sie gleich nach.
"Naja. Ich habe bis spät in die Nacht noch meinen Obduktionsbericht fertig geschrieben und dann wollt ich nur noch ins Bett. Zum Glück befindet sich mein Schlafzimmer nicht im gleichen Raum, wie der Kellerzugang. Die haben echt alles abgeriegelt, ihre Bänder hingehängt und Betreten-verboten-Schilder aufgestellt", antwortete Avalania genervt und gähnte herzhaft. "Am längsten hat es gedauert herauszufinden, mit welchen Werkzeugen diese Bastarde versucht haben, den Arm abzutrennen", fuhr sie fort, "von einer Säge bis hin zu einer stumpfen Axt haben die alles ausprobiert. Denen war es wohl egal, ob das Kind dabei drauf geht."
"Weißt du denn schon, wie lange der Arm in der Truhe gelegen hatte?"
"Nun ja, anhand der Farbe und Alterungsmerkmale des Knochens schätze ich, dass der schon ein Jahrzehnt oder länger in der Truhe gelegen haben muss", gab die Zwergin zurück. "So, ich muss dann mal wieder los. Vielleicht hat Laiza schon etwas Neues von R.U.M, die suchen nach Vermisstenanzeigen. Eventuell wurde ja eine für das Kind aufgegeben." Mit diesen Worten stand Avalania auf und verließ die Kantine.

An der Tür der Pathologie pinnte ein Zettel, auf dem Stand: Dringende Besprechung bei Feldwebel Harmonie im Büro.
Avalania riss den Zettel von der Tür, betrat die Pathologie und legte ihre Tasche auf den Schreibtisch. Saugi begrüßte sie mit einem lauten Kreischen.
"Keine Zeit, Kumpel", entgegnete sie ihm, packte ihre Aufzeichnung vom vergangenen Abend und verließ die Gerichtsmedizin in Richtung Büro von Laiza.
Vor der Tür atmete sie nochmals tief durch und klopfte dann bestimmt an die Tür des Feldwebels. "Herein!" ertönte es von innen.
'Mann, ich glaube, ich habe ein Déjà-vu!', dachte die Zwergin, während sie das Büro betrat.
"Ah, guten Morgen, Gefreite! Auch schon da", merkte die Abteilungsleiterin ironisch an.
'Oh, oh ...'
"Was kannst du mir über deinen Fund berichten?" Der Blick der Abteilungsleiterin lag unerbittlich auf der Gerichtsmedizinerin. "Ich habe die Berichte eigentlich schon gestern Abend erwartet", fügte sie streng hinzu.
"Tja, ich habe noch die Truhe untersucht und ein paar Proben ins Labor geschickt. Meinen Bericht habe ich hier", antwortete die Zwergin und legte ihren Bericht auf den Schreibtisch ihrer Vorgesetzten. "Zusammengefasst: Nach allen Untersuchungen muss das Opfer heute zwischen 11 und 13 Jahren älter sein. Es hat sich während der Amputation des rechten Unterarms heftig gewehrt. Überall am Knochen finden sich Riefen und Einkerbungen. Die stümperhafte Vorgehensweise schließt einen Igor als Täter schon mal aus. Anhand der verschiedenen Schnittarten und -tiefen, konnte ich vier verschiedene Tatwaffen ermitteln: Von einem normalen Brotmesser und einer Kneifzange über eine Holzsäge bis zu einer stumpfen Axt. In der Truhe habe ich Haare, Reste von Fingernägeln und Kratzspuren gefunden, die darauf schließen lassen, dass das Opfer darin eingesperrt war ..."
Es klopfte an der Tür und ein Rekrut kam herein. Er salutierte.
"Am Wachetresen wurde diese Vermisstenanzeige gefunden. Sie wurde vor Jahren, schon vor dem Umzug, aufgegeben und anscheinend dort liegen gelassen. In den Archiven von R.U.M. war diese Anzeige jedenfalls nicht vermerkt..." sprudelte er los, bevor er merkte dass er schon zu viel gesagt hatte.
"Ist schon gut. Du kannst gehen." sagte der Feldwebel knapp und gab mit einem Wink dem Rekruten zu verstehen das Büro zu verlassen. Dieser kam der Aufforderung nach einem kurzen Salutieren nach.
Die Abteilungsleiterin nahm die Akte von R.U.M und begann zu lesen. Die Gefreite hingegen wartete darauf ihren Bericht fortsetzten zu können. Dabei wippte sie unruhig hin und her.
"Mhm. Noch vor dem Umbau des Wachehauses ... spannend. Gut, gut. Nun, ich lasse die Eltern herbringen, um sie noch einmal zu befragen." sagte sie mehr zu sich als zu der Gefreiten.
Als Laiza aufschaute, bemerkte sie, dass die Gerichtsmedizinerin noch immer wartend zu ihr schaute. "Oh du bist noch da. Nun, ähm, gute Arbeit, ja, und ich lasse dich wissen, wenn R.U.M. etwas Neues hat. Wir werden auch deine Vermieterin befragen müssen, um eine Beschreibung des oder der Täter zubekommen."
"Ähm, Mä'am kann ich bei den Befragungen dabei sein?" fragte die Zwergin zögernd.
Abrupt schaute die Abteilungsleiterin hoch.
"Ähm, also ich glaube das ist keine so gute Idee. Ich sag dir Bescheid wenn wir bzw. R.U.M damit fertig sind. Des Weiteren schicken wir einen Aufruf an die Bevölkerung, ob jemand vor 10 Jahren einen Kind mit stumpf am rechten Arm gesehen hat." antwortete Laiza.
Etwas enttäuscht salutierte die Gefreite und verließ das Büro.
"Da macht man einmal in der Ausbildung etwas nicht nach den Obrigkeiten ihrer Vorstellung und schon darf man keine Befragungen mehr durchführen." murmelte die Zwergin mürrisch als sie sich Richtung Büro der Pathologie aufmachte.
Dort angekommen setzte sie sich an den Schreibtisch, auf dem einige Fallakten auf ihren Abschlussbericht warteten.
'Jetzt heißt es warten. Man und das ist nicht gerade meine Stärke.'
Sie zog ihre zusammengefaltete Axt vom Gürtel, klappte sie auseinander und begann unter leisem pfeifen ("Gold, Gold, Gold, ...") ihre Waffe zu putzen.

***


Wie viele Stunden sie da schon saß konnte die Zwergin nicht mehr sagen, aber ihre Ruhe wurde von einem lauten Klopfen und dem unaufgeforderten Hereinstolpern von Kathiopeja jäh unterbrochen.
Die Gerichtsmedizinerin brummte ein "Was willst du" ohne dabei aufzusehen. Sie konnte es nicht leiden wenn man sie beim Putzen ihrer Waffe störte.
"Ähm hast du es noch nicht gehört? In deinem Fall geht es voran. Die Befragung der Eltern, Mr. und Mrs. Werhmut ist abgeschlossen und sie warten in der Kantine. Jetzt sitzt gerade deine Vermieterin im Verhörraum, um ein Phantombild zu erstellen. Außerdem hat sich ein Arzt gemeldet. Er habe vor 10 Jahren einen Jungen bei sich aufgenommen der mit blutendem Armstumpf bewusstlos auf der Straße lag. Er hat ihn zu uns geschickt." erzählte sie weiter.
"bei dem letzten Worten horchte die Gefreite auf, "Was warum hast du das nicht gleich gesagt..." entgegnete sie Kathiopeja und stand Augenblicklich auf, klappte ihre Axt zusammen und hackte diese zurück an ihren Gürtel. stürmte an die sichtlich verdutzte Wächterin vorbei und zog sie hinter sich aus dem Büro.
"Wo ist er und weiß er schon Bescheid?"
"Ähm er wartet oben am Wachetresen und..." Kathiopeja kam kaum hinter der Zwergin her, "er wurde unter dem Vorwand herbestellt seine Aussage wegen eines Überfalls zu bestätigen, der sich letztens an seiner Arbeitsstelle ereignet hat. Da wir nicht wissen ob er sich überhaupt an seine Entführung erinnern kann", erklärte sie hastig, "Feldwebel Harmonie ist ebenfalls in Kenntnis gesetzt und auf dem Weg. Was hast du vor Ava?"
Avalania kam genau zu dem Zeitpunkt an als Laiza den jungen Mann am Tresen in den angrenzenden Verhörraum begleitete.
Der Feldwebel blieb an der Tür stehen und wendete sich mit gedämpfter Stimme zu der Gerichtsmedizinerin, "Hallo Avalania. Wir sind noch nicht ganz fertig. Wenn ich mit der Befragung des jungen Mannes fertig bin. Der eventuell der verloren geglaubte Sohn sein könnte, dann bringe ich dich auf den aktuellen Stand. Hol dir doch so lange ein Kaffee."
"Jawohl Mä'am." antwortete die Gefreite sichtlich enttäuscht und ging in die Kantine.
Dort an einem leeren Tische im hinteren Eck sah sie ein Ehepaar. Der Mann hatte die Frau in den Arm genommen und sprach leise auf sie ein, während diese an seiner Brust lehnend schluchzte.
Das ist meine Chance den Fall abzuschließen. Schließlich habe ich den entscheidenden Fund gemacht, um die Entführung wieder aufzurollen.
Die Zwergin ging hinüber zu den Beiden und räusperte sich.
"Sind sie Mr. und Mrs. Werhmut?" fragte sie vorsichtig.
Der Mann nickte mit traurigem Blick und seine Frau sah zu Avalania hoch.
"Mein Name ist Avalania von Gilgory und ich bin in diesem Fall die zuständige Gerichtsmedizinerin..." setzte die Zwergin an. Kaum hatte sie ihren Satz zu Ende gesprochen brach Mrs. Werhmut in Tränen aus.
"Wollen Sie damit sagen, unser Sohn ist tot? Davon war vorhin nicht die Rede. Wir mussten alles noch einmal durchleben. Meine Frau hatte damals einen Nervenzusammenbruch." blaffte Mr. Werhmut mit Tränen in den Augen die Zwergin an.
"Nein, nein so war das nicht gemeint. Ich habe den Unterarm ihres Sohnes gefunden und untersucht." versuchte sie zu erklären. Das Ehepaar sah sie mit großem Entsetzten an. Mr. Werhmut formte mit seinen Lippen die Frage "Was?" aber bekam keinen Ton heraus.
'Na Klasse Ava, das hast du super hinbekommen. Sie wussten noch nicht, dass ihrem Sohn ein Unterarm fehlt. Die sind bei der Befragung wohl nicht allzu sehr ins Detail gegangen. Nun gut dann gehen wir mal in die volle Offensive. Angriff ist die beste Verteidigung', dachte sie sich und setzte neu an.
"Mr. und Mrs. Werhmut, ich muss wissen, ob ihr Sohn noch andere Auffälligkeiten hat, an denen wir Ihn identifizieren können. Ich will ihnen jetzt keine unnötigen Hoffnungen machen, aber es könnte sein dass wir Ihn gefunden haben. Also, wir können einander helfen, absolute Gewissheit zu bekommen." sagte die Gefreite und sah dem Ehepaar offen in die Augen.
Die beiden zögerten. "Ist das wirklich war? Sie haben ihn gefunden? Lebend?" fragte Mr. Werhmut nach, er konnte es kaum fassen.
"Es könnte sein", betonte die Zwergin noch einmal. "Bitte bleiben sie ruhig. Und helfen sie uns. Hat er irgendwelche Muttermale oder Narben?" fragte sie weiter.
Das Ehepaar sah sich an. Und überlegten.
"Am Hals." platzte Mrs. Werhmut plötzlich heraus. "Am Hals hat er das gleiche Muttermal wie mein Mann. Auf der rechten Seite. Es... es sieht aus wie ein Tintenklecks. Manfred zeige ihr es!"
Der Mann tat wie ihm geheißen legte seine Schal ab und zeigte sein Muttermal der Zwergin.
Tatsächlich, das Muttermal sah wirklich aus wie ein Tintenklecks auf einem Papier!
"Haben sie vielen Dank! Ich komme gleich wieder zurück. Bitte warten sie hier!" Eiligst machte sich Avalania auf den Weg zum Verhörraum.
Am Wachetresen angekommen, kam Laiza gerade wieder hinter diesem heraus.
"Und, ist er es?" fragte die Zwergin gleich darauf hin.
Der Feldwebel sah besorgt auf. "Das wissen wir noch nicht mit Sicherheit. Er kann sich nicht daran erinnern, wie er seinen Unterarm verlor. Er sei bei einem netten Ehepaar aufgewachsen und weiter kann er sich nicht erinnern. Ich warte jetzt auf den Püschologen für die weitere Befragung. Und dann sehen wir weiter. Wie war dein Kaffee?"
"Mh. ganz ok." antwortete sie beiläufig. "Hat der Junge ein Muttermal am Hals, Mä'am?" fragte die Zwergin so unauffällig wie nur möglich.
"Ja das hat er. Es ist ja nicht zu übersehen. Sie aus wie ein Tintenklecks. Warum fragst du?" entgegnete Laiza.
"Nur so." antwortete sie
"Warten nicht noch Fallakten auf dich, Gefreite? Ich lass dich holen, sobald es etwas Neues gibt."
"Ja. Mä'am." antwortete Avalania resigniert. Sie machte sich langsam auf den Weg Richtung Gerichtsmedizin. 'Momentmal vielleicht könnte eine Konfrontation mit einem Gegenstand helfen, den er bei seiner Entführung gesehen hat?' überlegte die Zwergin, "Die Truhe." schoss ihr ein Geistesblitz in den Sinn. Kaum hatte sie es laut ausgesprochen, rannte die Gerichtsmedizinerin los. Verfolgt von den irritierten Blicken der Wächter an denen sie vorbei sauste.
Wieder zurück mit der Truhe im Schlepptau über der sie ein Tuch gehangen hat, blieb sie kurz vor der Tür stehen, um zu sehen wo sich Laiza befand. Diese stand gerade mit dem Rücken zur Zwergin am Eingang der Kantine.
Jetzt oder nie. motivierte sie sich und betrat den Verhörraum.
Der junge Mann beobachtete sie interessiert, wie sie auf den Tisch zuging, der vor ihm stand und den schweren verhüllten Gegenstand darauf wuchtete. Die Zwergin ging um den Tisch herum und lehnte sich lässig an die Tischkante.
"Hallo Herr..." sprach sie ihn an.
"Tim. Nennen sie mich einfach Tim." antwortete er.
"Hallo Tim. Ich bin Avalania. Mich würde gerne Interessieren wie sie ihren Unterarm verloren haben", fragte sie mit offensichtlicher Neugier und deutete auf den Stumpf des jungen Mannes.
"Tut mir leid. Mä'am. Daran kann ich mich leider nicht erinnern. Ihre Kollegin hat mich das auch schon gefragt, aber es ist wie eine schwarze Wand. Ich kann mich einfach nicht erinnern. Ich denke, dass ich den Stumpf schon seit meiner Geburt habe", antwortete Tim.
"Gut, eventuell könnte das hier ihr Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen", sagte sie und zog dabei das Tuch von der Truhe.
Zuerst begutachtete er diese ungläubig. Aber als er hineinschaute, traf ihn die Erinnerung wie ein Schlag. Tim schreckte hoch und stolperte rückwärts wobei er den Stuhl umwarf. Laiza, die, von dem lauten Gepolter alarmiert, in den Verhörraum stürmte, blieb stehen, als sie Tims Gesicht sah, aus dem die Farbe komplett entwichen war. Doch bevor sie irgendetwas sagen konnte, kam er ihr zuvor.
"Was - was soll das?!" fragte er mit entsetztem Blick. "Was wollen sie von mir?"
"Schhh. Alles gut. An was erinnern sie sich, Tim?" versuchte Avalania ihn zu beruhigen unter dem strengen Blick der Abteilungsleiterin.
"In... in dieser Kiste wurde ich eingesperrt. Diese Typen haben mich - sie haben mich entführt. Sie wollten Geld von meinen Eltern. Und dann und dann ..." er schluchzte " haben sie mir den Arm abgeschnitten. Es tat so weh." Er rutschte mit dem Rücken an der Wand auf den Boden und weinte. Dabei umklammerte er seinen Stumpf. "Ich bin in Ohnmacht gefallen, glaube ich. Als ich zu mir kam, war ich alleine. Sie stritten über irgendetwas im Nebenzimmer. Da bin ich aus dem Fenster geklettert und so schnell gerannt wie ich konnte. Dann ist wieder alles dunkel", er umklammerte seinen Kopf und wippte in der Hocke vor und zurück, "Und als ich wieder aufwachte, dachte ich sie haben mich wieder gefunden, zurück gebracht und in diese Truhe gesteckt haben. Ich hab mich gewehrt und geschrien. Aber es war ein Arzt, der mich gerettet hat. Er hat mich auf der Straße gefunden." Es blieb einige Minuten still.
Tim saß immer noch auf dem Boden. Er hatte seine Beine angezogen und umklammerte diese mit seinen Armen. Sein Gesicht war immer noch leichenblass, als er das Erlebte erneut durchmachte.
Plötzlich stand er auf und ging auf die Zwergin zu, die noch immer nicht fassen konnte was sie da eben gehört hatte.
"Oh Gott. Meine Eltern! Geht es Ihnen gut? Leben sie noch? Wissen sie davon?!", fragte er entsetzt. "Oh nein, so dürfen sie mich nicht sehen..." sagte er mehr zu sich selbst.
"Keine Sorge. Ihre Eltern sind hier und wir haben schon mit Ihnen gesprochen. Sie haben nie aufgehört, daran zu glauben, sie lebend wiederzusehen." übernahm Laiza die Initiative. "Kommen sie, ich bringe sie zu ihnen. Sie warten in der Kantine." Mit diesen Worten geleitete sie Tim hinaus.
Avalania blieb zurück. Sie stellte den Stuhl auf und setzte sich darauf. Sie starrte auf die Truhe vor ihr.
"Hey Ava. Ist alles in Ordnung?" kam es von der Tür als Kathiopeja eintrat. "Komm, ich lade dich auf ein Bier ein. Laiza hat dir für den Rest des Tages frei gegeben.
Sie meinte, ich solle mal nach dir sehen. Allerdings sollst du morgen früh bei ihr im Büro erscheinen.
He, du siehst gar nicht gut aus."
Die Zwergin sah zu ihr auf, "Ja, das ist eine gute Idee. Mehr ertrage ich heute nicht." Dann stand sie auf und verließ mit Kathiopeja die Wache.
Zählt als Patch-Mission für den Gerichtsmedizinerin-Patch.



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

15.7.2013

Ich muss gestehen, dass die Geschichte mir nicht so gut gefallen hat. Das lag an der innewohnenden Brutalität. Und an einem gewissen Mangel an innerer Logik, so wie ich sie verstehen würde. Ich denke nicht, dass es möglich ist, einem Menschen mit verschiedenen stumpfen Werzeugen einen Arm zu amputieren, was sicherlich länger dauern würde, ihn dann gewissermaßen sich selbst zu überlassen, bis er fliehen kann - dass dieser dann überhaupt noch fliehen kann! - ohne dass er daran verblutet. Wenn es sich um eine Entführung gehandelt hat, an der mehrere Personen beteiligt waren, warum hatten sie dann kein brauchbares Werkzeug zur Hand für diesen brutalen Plan? Warum einen Arm abtrennen, was ungleich schwieriger sein muss, wenn im Regelfall ein Finger genügt, um die bösartige Ernsthaftigkeit zu verdeutlichen? Und selbst an einem abgetrennten Finger kann ein Opfer verbluten!

Es gab jedenfalls meiner Meinung nach zumindest noch starken Aufklärungsbedarf zu den Hintergründen. Avalanias wenig empathisches Vorgehen ist ziemlich hart - aber grad deswegen auch gut zum Provozieren des Lesers geeignet. Ich möchte natürlich, dass Du weiterschreibst. ;-)

Von Magane

24.07.2013 13:48

[quote="Ophelia"]Ich denke nicht, dass es möglich ist, einem Menschen mit verschiedenen stumpfen Werzeugen einen Arm zu amputieren, was sicherlich länger dauern würde, ihn dann gewissermaßen sich selbst zu überlassen, bis er fliehen kann - dass dieser dann überhaupt noch fliehen kann! - ohne dass er daran verblutet. [/quote] So furchtbar das auch klingt, undenkbar ist das nicht. Es ist extrem schwer einen Körperteil abzutrennen, vorallem wenn man nich weiß wie es geht. Es kann dauern bis das richtige Werkzeug gefunden ist um einen Knochen zu zerteilen, brechen wäre da sicher die bessere Lösung gewesen. "Stumpf" war vielleicht ein Fehler ;)

Die größte Gefahr ist zweifelsohne das Verbluten, aber auch sehr dumme Leute wissen dass man Gliedmaßen oberhalb abbinden muss wenn man sie abschneidet. Die zweitgrößte Gefahr ist eine Wundinfektion, die lässt sich aber verhindern.

Warum es gleich der ganze Unterarm sein musste hab ich mich auch gefragt. Der klassische Finger amputiert sich auf jeden Fall leichter... andererseits ist dann das Trauma auch nicht so groß.

Die Flucht an sich ist sicherlich ein Punkt über den man trefflich streiten könnte. Aber man hört immer wider von Entführungen die damit enden, dass die Opfer sich selbst überlassen werden.



Ich mochte den "Cold Case"-Ansatz sehr und wahr sehr erfreut dass das Opfer noch lebte, zumal es sich um ein Kind handelte. Ein wenig zu brutal vielleicht.

Grundsätzlich fand ich es schön wieder etwas von dir zu lesen, bitte mehr :daumenhoch:



Was mir überhaupt nicht gefiel war der Zeitdruck, da hätt ich demnächst gerne ne Vorwarnung ;)

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