Am achten Tag

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von Hauptgefreite Nyvania (FROG)
Online seit 01. 05. 2012
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Von Unholden, wütenden Flaschen, neuen Techniken, ruhigen Händen und der Tatsache, dass Zauberer weggesperrt gehören.

Dafür vergebene Note: 11

„Langsam! Ganz langsam.“, Nyvania bemühte sich ruhig zu sprechen. Sie alle hatten ja schon einiges mitgemacht, aber das hier erforderte im wahrsten Sinne des Wortes Fingerspitzengefühl.
„Sör, hör mir jetzt ganz genau zu, verstanden?“
Er nickte. Als die Farbe sich abermals verändert hatte, war er zur Salzsäule erstarrt. Seine Augen flackerten zur Hauptgefreiten. Sie lächelte aufmunternd, beruhigend. Er merkte, dass er wieder atmen konnte. Seine Hände zitterten. Das war noch nie vorgekommen. Genau deswegen, war das hier auch seine Aufgabe gewesen. Es hing von ihm ab. Es war die letzte. Er konzentrierte sich auf die ruhige, dunkle Stimme der Wasserspeierin. Püschologen mussten Nerven aus Diamant haben. Stahl war hierfür nicht annähernd hart genug. Noch einmal atmete er ein, aber seine Hände wollten einfach nicht mit dem Zittern aufhören. Wenn er versagte, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machte, würde die Ebene in die Luft fliegen und eine Macht entfesseln, die die gesamte Scheibenwelt in Schutt und Asche legen würde.



*** wenige Tage zuvor ***

Die Zeitung wurde überschattet. Er konnte die Buchstaben in dem Halbdunkel nicht erkennen und der diensthabende Wächter sah auf. Vor ihm tummelten sich drei dunkelrote Bäuche. Jemand räusperte sich. Widerwillig hob der Wächter den Blick noch etwas weiter. Dunkelrote Bäuche auf denen graue Bärte ruhten bedeuteten in der Regel nichts Gutes. So kam es auch, dass sein Lächeln säuerlich und seine Stimme eine Spur zu freundlich war, als sein Blick bei den bärtigen Gesichtern angekommen war.
„Ja, bitte?“, fragte er süßlich.
Die Zauberer sahen sich an, nickten und wandten sich dann wieder an den Wächter, dessen Miene fast eingemeißelt wirkte.
„Wir möchten uns beschweren“, sagte der zu forderst. Die anderen nickten kräftig. „und einen Antrag beantragen.“
Ohne den Blick abzuwenden griff der Wächter nach einem Blatt Papier und einem Stift.
„Da bitte. Der Antrag zum Beantragen Antrags, den ihr beantragen wollt.“
Er schob das Blatt über den Tresen und wandte sich wieder seiner Zeitung zu.
Jemand räusperte sich. Seufzend sah er wieder auf. Er hatte geahnt, dass es nicht so einfach werden würde.
„Was denn noch?“, fragte er genervt.
„Wir beantragen den Antrag zum Beantragen des Antrags mündlich zu beantragen.“
Stille. Die vier Männer blickten sich einige Sekunden an, dann knallte der Wächter die Zeitung auf den Tisch und stand auf.
„Alles klar!“, sagte er. „Was wollt ihr?“
„Uns beschweren.", antwortete der Zauberer.
„Ja, das habt ihr schon gesagt. Worüber wollt ihr euch beschweren?“
„Über eure dämlichen Anträge!“, murmelte der zweite Zauberer, fing sich aber sofort einen schmerzhaften Knuff mit dem Ellenbogen von seinem Nachbarn ein.
Der Wächter bedachte ihn mit einem finsteren Blick, als der erste der drei wieder das Wort ergriff.
„Über den neuen Handel in der Stadt. Den Handel mit den Flaschen.“
Der Wächter versuchte nicht verwirrt auszusehen, aber es half nichts.
„Handel mit Flaschen…“, begann er und runzelte die Stirn.
„Ja, genau!“, sagte der Zauberer. „Überall handeln sie mit diesen dämlichen Flaschen. Das sollen sie lassen. Das wollen wir beantragen.“
Der Wächter schwieg einen Moment und starrte die drei mit offenem Mund an, dann besann er sich und setzte wieder sein zuckersüßes Lächeln auf.
„Geht in Ordnung!“, sagte er und kritzelte etwas auf den Zettel, der noch immer auf dem Tresen lag, dann sah er die Zauberer an und salutierte. „Machen wa, Schäff.“
Er faltete den Zettel sorgsam zusammen und beobachtete, wie die zufrieden wirkenden Männer endlich das Wachhaus verließen, dann ließ er den sorgfältig gefalteten Zettel gewissenhaft in den Müll wandern und wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Zauberer…



Ariadne hatte schon lange ein Auge auf dieses Kleid geworfen. Das Rot. Es war genau ihre Farbe. Dieses Stück war wie für sie gemacht. Es hatte ihren Namen gerufen und diese blöde Kuh von Stella hatte es ihr einfach weg geschnappt. Direkt vor ihrer Nase! Dabei hatte die Schnepfe auch noch gelacht. Sie passte doch gar nicht in dieses Kleid. Sie hatte nicht die Figur dafür. Stella war fett und hässlich und rot stand ihr überhaupt nicht! Sie sah aus wie eine aufgedunsene Qualle, dieses eingebildete Weib! Dieser Tag war der bisher schlimmste Tag in Ariadnes Leben! Dass sie so eine Schmach erdulden musste, damit hatte sie sich einfach nicht abfinden können; und wie auf einen Befehl hin, war da dieser gut aussehende, junge Mann gewesen. Mit seinen braunen Locken und seinem hübschen Lächeln und er hatte ihr ein kleines Fläschchen verkauft. Eines von denen, die Ariadne in den letzten beiden Tagen schon öfter gesehen hatte. Doch keiner sprach darüber. Auch sie musste versprechen dieses besondere Geheimnis für sich zu bewahren. Das hatte sie bereitwillig getan, nachdem er ihr gezeigt hatte, was es mit der summenden Flüssigkeit auf sich hatte.
Sie lächelte selig.
Stella, du eingebildete Gans. Dir wird das Lachen schon noch vergehen!
Kichernd drehte sie sich im Kreis. Ariadne hatte es doch gewusst- das Kleid passte definitiv besser zu ihr.



In der Lagerhalle war es eigentlich immer dunkel. Diese Dinger hatten es auch nicht nötig beleuchtet zu werden. Sie leuchteten selbst. Der Boss hatte gemeint, dass es besser sei, die Ware abzudecken. Nachts konnten sie einfach zu viel Aufmerksamkeit erregen. Es war schon schwierig genug das laute Summen zu verbergen, Geschweige denn, es zu ignorieren. Es konnte einen in den Wahnsinn treiben, deswegen wechselten sie sich alle zwei Stunden mit der Wache ab. Das hatte der Boss veranlasst und der Boss hatte immer Recht. Zumindest was die Ware anging. Nachdem sich der eine die Augen ausgekratzt hatte, weil er die Stimmen nicht mehr hatte ertragen können, hatten sie beschlossen, dass sie besser auf den Boss hörten.
Jetzt waren sie gerade mal zwei läppische Tage hier in der Stadt und schon boomte das Geschäft. Es hatte sich schnell herum gesprochen, dass man die Ware nur an bestimmten Orten zu einer bestimmten Zeit bekam, und dass die Wächter nichts davon mitkriegen sollten. Die würden nur wieder Ärger machen. Hatten keine Ahnung und brachten nur Scherereien. Die Klientel war sorgsam ausgesucht. Unscheinbare Leute, solange bis der Markt sich im Untergrund etabliert hatte. Das war der Plan und der Plan lief ganz gut. Das einzige Problem waren die Zauberer. Die hatten davon irgendwie Wind bekommen und jetzt mussten sie verschwinden. Es waren drei, die aus dem Wachhaus gekommen waren und lautstark über die Ware diskutiert hatten. Der Wachmann stieß den leblosen Körper beiseite. Zwei andere hoben soeben ein Loch aus. Direkt hinter der Ware, da war keiner gern. Das Summen hier war unerträglich laut. Das Wachhaus war nun ständig unter Beobachtung und die Dicken würden sich bei niemandem mehr beschweren. Der Wächter hatte keinerlei Verdacht geschöpft.
Mit einem unguten Gefühl im Magen beobachtete der Wachmann die zwei Männer bei der Arbeit. Es gefiel ihm nicht, aber man stellte den Boss nicht infrage. Trotzdem, er hatte das eigenartige Gefühl, dass das Summen seit der Ankunft der Leichen lauter geworden war. Irgendwie wütender. Er war kein sehr schlauer Mann, also achtete er nicht weiter darauf, sondern drehte seine Runde zu Ende. Noch eine Stunde, dann würde er die verfluchte Halle endlich verlassen können. Das Summen allerdings würde er mit ins Grab nehmen. Es würde ihn sein Leben lang verfolgen. Das wusste er.



Es ist einfach zum Verzweifeln! Braggasch konnte nicht verstehen woran es lag. Warum wollte das verdammte Ding einfach nicht funktionieren? Frustriert steckte er das kleine gerät in eine Tasche und verließ sein Büro. Kurz darauf fand er sich vor der Zelle wieder. Sie sah nicht wirklich verändert aus. Nun gut, es war auch noch nicht lange her. Da hinten in der Ecke stand die Apparatur, die Braggasch Rogi nach der Kaffeekrise vermacht hatte. Er zögerte, es schien ihm nicht richtig ihr dieses Geschenk weg zu nehmen. Was hatte er sich nur dabei gedacht. Es war viel zu früh dafür. Irgendwann vielleicht, aber im Moment erschien ihm das einfach nicht richtig. Um das Gefühl zu haben, dass er wenigstens etwas getan hatte, verteilte er etwas Staub. Das schien ihm richtig. Er würde sich seine Ersatzteile woanders besorgen. Schließlich war er sich auch noch nicht ganz sicher, ob und welche er brauchte. Also machte er sich auf den Weg.
Es war schon spät am Nachmittag. Es war heiß, zu heiß für diese Jahreszeit. Hier und da lagen noch einige der Trümmer, die man noch nicht aus dem Weg geräumt hatte. Ziellos streifte Braggasch durch die Gassen. Er musste sich eingestehen, dass er nicht genau wusste wohin er wollte oder musste. Was genau brauchte er eigentlich? Er holte die kleine Apparatur wieder aus der Tasche. Missgelaunt drehte er sie in den Händen, während seine Füße ihn irgendwohin trugen. Das war ihm noch nie untergekommen. Er war gänzlich ratlos. Alles hatte er richtig gemacht, alles müsste funktionieren. Warum tat es das nicht?
Braggasch fluchte. Sehr leise.
„Verfluchtes Ding! Ich wünschte, du würdest-“
„Vorsicht mit dem, was du dir wünschst.“
Er blieb stehen und horchte auf. Hatte er da nicht eine Stimme gehört?
„Es könnte wahr werden.“
Da wieder!
„He, Kumpel!“
Braggasch wandte sich um. Wo war er überhaupt? Sein Blick fiel auf eine auffällig dunkle Gasse. Dort stand jemand. Er winkte ihn zu sich. Braggasch wich einen Schritt zurück.
„Keine Panik!“, zischte die Gestalt eindringlich. „Du siehst aus, als ob du Probleme mit dem Ding da hättest. Stehst schon ‘ne halbe Ewigkeit hier und fummelst dran rum. Ich glaub, ich könnt‘ dir da helfen, Kumpel.“
Überrascht blieb der Zwerg stehen.
„Ehrlich?“, fragte er. Irgendwo in seinem Hinterkopf klingelte eine Alarmglocke, aber die Neugier war ebenfalls groß.
„Ja“, sagte der Mann. „hier siehste?“
Der Zwerg kniff die Augen zusammen. Die Gestalt hielt ein Fläschchen in die Höhe und die Flüssigkeit darin war gleißend weiß. Sie blendete den Sohn Burkhards und er wich einen weitere Schritt zurück. Dann hörte er das Summen. Erschrocken riss er die Augen auf. Die Gestalt stand nun direkt vor ihm, hielt ihn die Flasche hin, die leise und angenehm säuselte.
„Das ist was ganz besonderes.“, sagte die Gestalt. Ihre Stimme klang schmeichelnd und mit einem Mal nur noch halb so bedrohlich. Gebannt sah der Zwerg auf die Flasche.
„Löst all deine Probleme.“
Braggasch wandte mit Mühe den Blick ab und sah den Mann an.
„Wie das?“ Er war neugierig.
Verschwörerisch und mit einem zufriedenen Lächeln, das man seiner Stimme anhören konnte, beugte er sich zu dem Zwerg hinunter.
„Ich erklär’s dir.“



In der Regel hatte Norbert kein Glück bei den Frauen. Er war kahlköpfig, klein und recht dick. Außerdem war er ein wirklicher Widerling, aber das gestand er sich selbst natürlich nicht ein. Die anderen waren an seinem Pech und seiner Einsamkeit schuld. Immer waren es die anderen. Wer denn auch sonst?
Wieder einmal saß Norbert also an einem kleinen Tisch in irgendeiner Spelunke, beobachtete die Mädchen, die vorbei liefen und überlegte ob er heute wieder zu den Näherinnen gehen sollte, als ihn jemand ansprach.
„Siehst unglücklich aus, Kumpel.“, sagte der Mann und setzte sich ungefragt an den Tisch. Norbert betrachtete den Mann erst voller Abneigung und hörte kaum, als der unverschämte Kerl anfing unaufhörlich über’s Wetter zu quasseln. Langsam verwandelte sich Norberts Abneigung in Neid. Der Mann sah gut aus. Er hatte dunkle, braune Locken, war groß und schlank besaß ein unwiderstehliches Lächeln. Außerdem konnte er gut mit Worten umgehen, etwas, das Norbert noch nie gut gekonnt hatte. Der Kerl bemerkte, dass Norbert ihm nicht zuhörte, sondern ihn nur anstarrte und sein Grinsen wurde unverschämt und breit.
„Ich sehe schon, ich muss gleich auf den Punkt kommen. Du bist ein anspruchsvoller Kunde.“
Norbert wich zurück.
„Kunde?!“, entfuhr es ihm. „Was für’n Kunde? Ich nehm keine Drogen, hau ab!“
Damit wollte er sich davon machen, aber er wurde am Arm gepackt. Verschwörerisch senkte der junge Mann die Stimme.
„Ich kann dir bei deinen Frauenproblemen helfen.“, sagte er und holte ein kleines Fläschchen hervor in der eine gleißende Flüssigkeit schwappte. Sie summte und- sah Norbert das richtig? Sie wurde zu weißem Rauch, waberte einen Moment lang hin und her und verflüssigte sich dann wieder. Gebannt starrte er auf die Flasche, der Mann zog ihn wieder auf den Stuhl, dann begann er ihm alles zu erklären. Eine Stunde später hatte Norbert kein Problem mehr damit, dass die Frauen ihn nicht mochten.



Araghast Breguyar saß so aufrecht und groß wie möglich. Das half nicht viel. Der Patrizier wies ihm immer den noch niedrigeren Stuhl zu, aber der Kommandeur ließ sich davon nicht abschrecken. Er hatte ein ungutes Gefühl. Es war nie gut, wenn Vetinari ihn zu sich beorderte, aber wenn Araghast dann auch noch ein ungutes Gefühl hatte, nahte wahrscheinlich eine mittlere Katastrophe auf die Wächter. Seine Knochen hatten ihn noch nie getäuscht.
„Drei Zauberer waren am gestrigen Nachmittag im Wachhaus am Pseudopolisplatz, wie mir berichtet wurde.“
„Ach ja.“, entgegnete der Kommandeur ruhig. Es hatte ihm noch nie gepasst, dass es Vetinari immer gelang seine lange Nase überall hinein zu stecken.
„Seit gestern Abend sind sie spurlos verschwunden. Keiner hat sie gesehen oder etwas von ihnen gehört. Sie sind nicht in die Universität zurück gekehrt.“
Araghast nickte und machte sich eine Notiz.
„Ich werde jemanden darauf ansetzen.“ Er wollte sich erheben, doch der Patrizier bedeutete ihm sitzen zu bleiben.
„Noch etwas. Es gibt einen neuen Markt im Untergrund.“
Der Kommandeur hob seine Augenbraue. Wieso wusste er davon nichts. Er würde ein ernstes Wörtchen mit einigen Wächtern wechseln müssen.
„Ach ja.“, sagte wieder. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Patriziers.
„Es wundert mich nicht, dass ihr in der Wache noch nichts davon wisst. Es gibt ihn erst seiteinigen Tagen.“
Etwas an der Sache war sehr fischig.
„Du denkst, dass es etwas mit den verschwundenen Zauberern zu tun haben könnte.“, schlussfolgerte der Kommandeur. Vetinari nickte.
„Wir sind uns sogar sehr sicher.“
„Ach ja?“
Wieder nickte der Patrizier und erhob sich.
„Du musst einige Leute darauf ansetzen. Am besten deine Abteilung mit Verrückten, dich sich gerne in Gefahr begeben.“
„FROG?“, fragte Araghast angesäuert aber auch etwas beunruhigt. Wenn der Patrizier nach den Fröschen verlangte, dann würde die Sache unangenehm werden und womöglich würden dann nicht alle wieder kommen. Die Wache und vor allem FROG hatten erst einen harten Schlag erlitten. Sie ließen es sich nicht anmerken, aber Rogi fehlte einfach, obwohl sie noch nicht lange fort war. Immerhin hatte sie die Wächter wieder zusammen geflickt.
„Genau.“, sagte der Patrizier. „ihr müsst die Waren so schnell wie möglich finden. Ich stelle euch jemanden zur Seite, der euch mit Rat und Tat-“, der Patrizier zögerte. „sagen wir, dass er euch beratend unterstützen wird.“
Eine Tür öffnete sich und Araghast sah einen Zauberer auf sich zu marschieren. Ungläubig starrte er von ihm zum Patrizier.
„Das ist ein Scherz.“, sagte der Kommandeur.
„Kommandeur, ich scherze selten wie du sicherlich weißt. Das hier ist Bredur Spitzbart. Er wird dich und deine Truppe aufklären.“
„Worüber genau aufklären?“ Araghast ahnte Schlimmes. Spitzbart warf sich mit gewichtiger Miene in die Brust und sagte: „Bei der gefährlichen Ware handelt es sich um Magie.“



Es war schon ein sehr seltsames Gefühl. Sie hatte den Terminkalender nach der Kaffeekrise nicht abgenommen. Auch hatte sie sich wieder auf die Ruhe gefreut, an die sie sich so gewöhnt hatte. In den letzten Jahren war es um Nyvania ruhig geworden. Erst die Krise hatte ihr gezeigt, dass sie ihren Tschob doch so gerne machte. Diese Erkenntnis hatte die Wasserspeierin eigentlich verarbeiten wollen, und jetzt das.
Nyvania war froh, dass der Terminplan noch hing, es würde einigen vielleicht helfen, dass es die Möglichkeit gab sich mit jemandem zu unterhalten, auch wenn man es dann letzten Endes bleiben ließ. Der Gedanke allein war schon viel Wert.
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte auf die kümmerliche Pflanze in der Ecke. Ein Klackern ließ verlauten, dass Knallfrosch aufgewacht war.
Es war schon wirklich seltsam. Nyvania nippte an ihrem Tee. Sie hatte die Igorina nicht gut gekannt. Ein paar gemeinsame Einsätze hier und da, das war alles. Dennoch spürte sie, dass etwas fehlte. Sie streckte sich und beschloss ein wenig im Bereitschaftsraum zu lesen.
Es ist schon ganz schön komisch, oder?, hörte sie Bartholomeus müde säuseln. Der Tee machte ihn schnell schläfrig. Aber sie musste ihm Recht geben.
„Ja.“, murmelte Nyvania und blickte den Gang hinauf. Nur ein Raum war noch im Weg. Ein Hindernis. Es war nahezu minimal. Sie schüttelte sich und schritt den Gang hinab. Allein der Gedanke. Nyvania wurde deutlich wie sehr die Igorina fehlte. Aus verschiedenen Gründen. Die Hauptgefreite betrat den Bereitschaftsraum und warf noch einen leicht sehnsüchtigen Blick zurück.
„Die Tauben sind so allein.“

Es war kaum jemand da. Allerdings war die Abteilung im Augenblick so spektakulär unterbesetzt, dass mit den insgesamt vier Wächtern die Hälfte anwesend war. Kanndra hob den Blick und nickte ihrer ehemaligen Rekrutin zu. Die erwiderte den Gruß, stellte ihre Tasse ab und kramte ein Buch hervor. Alles in allem war heute fast die ganze Abteilung hier. Norti und Tyros waren im Labor und jagten irgendwelche Dinge in die Luft, Ron Kleinschuh und Steffan Angelhart waren hier im Bereitschaftsraum und dösten vor sich hin. Lediglich Valdimir und Braggasch hatten heute frei. Der Kommandör hatte aufgrund des Belegschaftsmangels die Schichtzeiten verschärft. Anfangs hatte das ganz schön an den Wächtern genagt, die ohnehin schon unter Schlafmangel litten, aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles. Kanndra war froh, dass Julian und Krista auf den Kleinen aufpassen konnten. Sie hätte nicht gewusst wohin mit ihm und sie hatte das leichte Gefühl, dass ein Antrag auf einen Tageshort am Pseudopolisplatz nicht durchgehen würde.
Sie rieb sich den Nacken. Das gestrige Training war anstrengend gewesen. Die Tür öffnete sich leise. Zwei Zwerge und ein Mensch betraten den Raum. Alle drei schienen sehr aufgeregt. Tyros und Norti starrten wie gebannt auf eine kleine Flasche in Braggasch Goldwarts Händen.
Tyros sah auf. Er strahlte.
„Wir müssen euch was zeigen! Das werdet ihr nicht glauben!“
Mäßig beeindruckt sahen die anderen auf. Es war zu früh für Begeisterung. Aber es war eine willkommene Abwechslung. Die Schicht hatte sich gezogen.
„Was soll das sein?“, fragte Kanndra mit erhobener Augenbraue, als sie herantrat. Ron und Steffan erhoben sich und kamen ebenfalls näher, Nyvania beobachtete das Geschehen aus den Augenwinkeln.
„Das, meine lieben Mitwächter“, begann Tyros feierlich. „ist Magie!"
Wie auf ein Kommando hin, begann die Flasche laut zu summen.



Er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht geschlafen. In seinen Alpträumen hatte ihn das Summen verfolgt. Sein Schlaf war durchzogen Horrorvisionen, die immer wieder etwas mit Flaschen zu tun hatten. Mit Rauch und mit gleißend weißem Licht. Es widerstrebte ihm heute wieder Wache schieben zu müssen.
Er betrat die Lagerhalle und als ersten fiel ihn auf, dass die Helligkeit ihn nicht erdrückte. Das war schon komisch. Hatten sie wieder ein Tuch über die Flaschen gelegt? Aber es war schon hell draußen und für gewöhnlich lautete die Anweisung vom Boss, dass die Flaschen tagsüber „einen Blick auf ihre Umgebung haben sollten.“
Als er den Wachhabenden danach fragte, zuckte dieser nur die Schultern, drückte ihm seine Waffe in die Hand und machte sich schleunigst nach draußen. Er war müde, sah ausgemergelt und schwach aus. Auch er würde den ganzen Tag und die ganze Nacht schlafen. Es war, als ob die Flaschen einem alle Kraft entzogen.
Am ersten Tag, da hatten sie sich groß und stark gefühlt. Die Magie hatte sie mit Energie versorgt. In der Nacht, während seiner Wache, da hatte das etwas nachgelassen und am Morgen hatte er sich so unausgeruht gefühlt wie schon lange nicht mehr. Nun schien es noch schlimmer geworden zu sein. Unsicher aber neugierig trat er an den Haufen heran. Er war nicht abgedeckt, aber das Leuchten hatte nachgelassen. In den Flaschen befand sich kaum noch Flüssigkeit, stattdessen war sie angefüllt mit hellgrauem Rauch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass das Summen leiser geworden war. Es war jetzt mehr ein Brummen. Zwar leiser, aber auch aggressiver. Es zehrte jetzt schon an seinen Nerven. Das würden zwei sehr lange Stunden werden und ein noch längerer Tag.



Ariadne schwelgte in Glücksgefühlen. Das Kleid war ihr wie auf den Leib geschneidert. Es passte wie angegossen und alle machten ihr Komplimente. Sogar Stella. Am liebsten würde sie es nie wieder ausziehen.

Norbert sah sich umringt von Frauen. Keine einzige wies ihn zurück und er musste noch nicht einmal dafür bezahlen. Das Ganze lief viel besser als erwartet. Er lief die Straße hinunter und alle schauten ihm nach. Das hätte er sich niemals träumen lassen. Er umklammerte die Flasche, hier und da sah er einige Leute, die ebenfalls Flaschen bei sich trugen und sehr zufrieden wirkten. Einer schaute glücklich gen Himmel. Es viel Norbert erst jetzt auf, aber heute war es ungewöhnlich heiß und sonnig.



Nyvania warf einen Blick aus dem Fenster. Wolken zogen herauf, es begann zu regnen. Ebenso schnell wie es begonnen hatte, endete es und Dampf stieg aus. Es musste jetzt sehr heiß sein. Sie runzelte die Stirn. Das gefiel ihr gar nicht. Sie beschloss, die Magie in der Flasche auch genauer anzusehen und gesellte sich zu den anderen.
„Was soll das heißen, das ist Magie?“, fragte Steffan brummig und stupste die Flasche an. Die Flüssigkeit schwappte langsam hin und her, wurde zu einem feinen Rauchschwaden und kringelte sich in der Flasche zusammen.
„Ich hätte auch nicht gedacht, dass es stimmt“, warf Norti ein. „aber es funktioniert tatsächlich.“
„Ja, klar.“, kommentierte Angelhart gehässig.
„Kannst du uns das beweisen?“, fragte Kanndra und blickte den gefreiten Rabenpelz herausfordernd an.
„Nein, aber der Korporal.“, erwiderte der Zwerg stolz und schlug Braggasch freundschaftlich auf die Schulter. Der sah etwas verlegen drein, fummelte aber schon an seiner Jackentasche herum und kramte schließlich eine kleine Apparatur heraus, die Ähnlichkeiten mit einer Ratte aufwies.
Das gefällt mir nicht, durchfuhr es Nyvania und sie musste ihm erneut Recht geben, ganz und gar nicht.
Sie warf einen erneuten Blick aus dem Fenster, es war wieder dunkel. Es regnete nicht mehr, es hatte zu schneien begonnen.
„Ich habe diesen Bombenaufspürer entworfen“, erklärte Braggasch ungelenk. „und…und…naja, er hat nicht funktioniert.“
Er räusperte sich und wurde leicht rot im Gesicht. Vor Rekruten zu sprechen war ja schon schlimm genug gewesen, aber vor versammelter Mannschaft, das war noch ein bisschen schlimmer.
„Und die Flasche hat dafür gesorgt, dass es funktioniert?“, warf Ron Kleinschuh ein.
„Ja, äh… man muss sie schütteln und ganz genau sagen, was…äh…was man sich wünscht und dann…“
„…dann erfüllt es einem seinen Wunsch.“
Die Wächter sahen auf. In der Tür stand der Kommandeur blickte mit einer Mischung aus Abneigung und Interesse auf die Flasche in Braggaschs Hand. Der stellte sie eilig auf den Tisch. Die Wächter salutierten, Araghast nickte und trat ein. Ihm folgten Valdimir und ein Zauberer. Allgemeines Gemurmel wurde laut. Nyvanias Blick wanderte vom Zauberer, zur Flasche und dann zum Fenster. Sie hob eine Augenbraue und fing den Blick ihres alten Ausbilders auf. Der nickte unmerklich und Nyvania wusste, dass es eine lange Schicht werden würde. Auch Kanndra hatte es bemerkt.
„Ich gehe Recht in der Annahme“, sagte sie. „dass die Flaschen ein Problem darstellen könnten?“
Sie nickte dem Zauberer zu. Der räusperte sich und nahm die Flasche an sich.
„Ja.“ Er hielt sie hoch. Das Summen, das von ihr ausging wurde stärker. Irrten sich die Wächter oder war der Rauch dunkler. „Oh je.“
„Oh je?“, fragten alle gleichzeitig. Das war kein gutes Zeichen.
„Naja, wo soll ich anfangen?“
„Ich würde vorschlagen, am Anfang.“, half der Kommandeur mit scharfem Ton weiter. „und zwar bevor uns die Magie um die Ohren fliegt, wenn’s recht ist.“
„Um die Ohren fliegen?“, fragte Tyros neugierig.
„Naja, es sieht so aus. Wir haben in den letzten Tagen erhöhte Magiewerte gemessen. Seit zwei Tagen befinden sie sich in einem besorgniserregenden Bereich. Wir wussten nicht was es damit auf sich hat, bis uns die Flaschen aufgefallen sind, von denen dieses Summen ausging.“ Er hob die Flasche sehr vorsichtig in die Höhe, sodass alle sie gut sehen konnten. Plötzlich begann Braggaschs Apparatur zu Quieken. Sie lief am Tischrand auf und ab, setzte sich auf ihre Mechanischen Hinterpfoten, schnüffelte und starrte auf die Flasche.
„Die funktioniert aber gut.“, bemerkte Steffan ironisch.
„Eigentlich sollte sie auf Bomben ansprechen…“, bemerkte der Zwerg nachdenklich.
„Oh, das tut sie!“, mischte sich der Zauberer ein. „Sie funktioniert zu gut.“
„Was soll das heißen?“, fragte Kanndra unbehaglich und warf abermals einen Blick aus dem Fenster. Keine Wolke am Himmel. Das Wetter bereitete ihr langsam Kopfschmerzen.
„Es ist so“, fuhr der Kommandeur fort und beschleunigte die Sache ein wenig. „Wir haben nicht viel Zeit. Diese Magie wurde aus einigen Bereichen abgezapft, in denen es freie, wilde, echte Magie gibt.“
Bei diesen Worten wirkte der Zauberer beleidigt, sagte aber nichts.
„Abgezapft?“, fragte Nyvania. „Wie kann man Magie abzapfen?“
„Das ist eine ganz neue Methode an der wir gerade arbeiten, oder genauer gesagt, ich.“ Erblickte stolz in die Runde, erntete aber nicht die erwarteten Begeisterungsrufe. Etwas eingeschnappt fuhr er fort: „Ich habe einen Weg gefunden, die freie Magie zu bündeln. Allerdings ist die ganze Geschichte noch nicht ausgereift und birgt einige Gefahren.“
„Das Problem ist“, fuhr der Kommandeur fort. “dass die Magie ihren eigenen Willen hat. Sie lässt sich nicht so einfach einsperren. Man muss sie… überreden.“
„Das ist uns bisher noch nicht gelungen, aber wir sind zuversichtlich gewesen, bis einer meine Forschungsergebnisse gestohlen hat.“
„Was nicht gemeldet wurde.“, kommentiere Araghast scharf. Der Zauberer schwieg beleidigt.
„Das ist ja alles schön und gut, aber womit genau haben wir es jetzt zu tun?“, fragte Kanndra
Der Kommandeur deutete erst auf den Himmel und dann auf Braggaschs Ratte.
„Es ist so: die Magie lässt sich nicht einsperren. Aber irgendein Genie hat es geschafft sie in Flaschen abzufüllen. So wie unser werter Herr Spitzbart es dargelegt hat, ist die Magie benommen, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie geweckt wird.“
„Wenn jemand sie benutzt.“, ergänzte Nyvania. Der Kommandeur nickte grimmig.
„Von diesem Augenblick an wird es gefährlich.“, sagte der Zauberer nun, das schien wichtig zu sein, denn seine Miene verhärtete sich. „zuerst wirkt die Magie n dem Maße, in dem man es sich vorstellt, dann wird das verzauberte, oder der Wunsch meinetwegen besser. Irgendwann dann“, er deutete auf die Ratte. „funktioniert es zu gut, und schließlich…schließlich kehrt es sich um…“
Irgendetwas erwähnte er nicht. Irgendetwas war faul an der Sache.
„Wenn du umkehren sagst“, begann Nyvania, doch Araghast unterbrach sie.
„Die Magie wird schlecht.“
„Sie wird schlecht?“, fragte Kanndra irritiert, „Wie soll ich das denn verstehen?“
„Wenn wir sie nicht bald finden und frei lassen wir sie sich ihren Weg gewaltsam bahnen. Sie wird halb Ankh-Morpork in die Luft jagen und einen Riss in die Dimensionen reißen.“
Der Zauberer nickte.
„Ja, wenn wir sie nicht bald finden, wird sie die Ketten der Kerkerdimensionen sprengen.“



Es war schon spät. Heute war das Wetter äußerst eigenartig gewesen. Alle hatten ihr wieder einmal zu ihrem grandiosen Modegeschmack gratuliert. Sie war auf Teeparties gewesen und hatte sich bewundern lassen. Jetzt wollte sie sich ausruhen.
Ariadne versuchte sich aus ihrem Kleid zu schälen. Am gestrigen Abend war es ihr schwer schon schwer gefallen, aber heute wollte sich der Verschluss einfach nicht öffnen lassen. Sie rief ihre Mutter und ihre Schwestern zu Hilfe. Jede versuchte sich daran, aber das Kleid ließ sich einfach nicht öffnen. Schließlich beschlossen sie, dass sie Ariadne herausschneiden mussten. Die Mutter holt eine Schere und versuchte einen Finger zwischen Stoff und Haut zu bekommen. Aber da war kein Unterschied mehr. Das Kleid schien mit Ariadne verschmolzen zu sein. Das Mädchen brach weinend zusammen. Das Kleid saß nun tatsächlich wie angegossen.



Erst als der Boss ihm eine Ohrfeige gab, bemerkte der Wachmann, dass er nichts mehr hören konnte. So sehr hatte er sich gewünscht, dass das Dröhnen in seinem Kopf aufhören möge. So sehr, dass es endlich still wäre. Dann war es still geworden. Er hatte nicht bemerkt, dass es sein Kopf war, der keinen Laut mehr zuließ. Seine Furcht vor den Flaschen wuchs. Sie hatten ihn verhext! Er schrie den Boss an, konnte nicht hören was er brüllte, wusste aber, dass es die schlimmsten Worte waren, die er kannte. Vorwürfe waren es auch. Er hatte ihnen versprochen, dass es sie nicht attackieren würde, dass ihnen keine Gefahr drohte und er hatte ihnen schamlos ins Gesicht gelogen. Er wusste, dass er man ihn auch außerhalb des Lagerhauses hören konnte. Er hingegen hörte das Klickgeräusch der Waffe nicht, die an seinen Hinterkopf gehalten wurde. Er hörte auch nicht den Bolzenschuss der dafür sorgte, dass seine Welt nun endgültig still wurde.



Sie hatten alle Mühe der Maus zu folgen. Außerdem war es wieder unerträglich heiß. Valdimir hatte seine Sonnenbrille aufgesetzt und sich zum Schutz vor der aggressiven Sonne sogar die Kapuze seines Umhangs über den Kopf gezogen. Dennoch hatte er das Gefühl, sich langsam aber sich in Staub zu verwandeln. Den anderen ging es nicht anders. Das Wetter war eine absolute Katastrophe. Man konnte die Tatsache, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, daran erkennen, dass die Stadt wie ausgestorben war. Keine Menschenseele getraute sich auch nur einen Fuß auf die Straße zu setzen. Offensichtlich aus Angst vor dem Wetter. Gegenüber dem Wetter waren sie machtlos. Das hatten sie erst zu spüren bekommen. Den Zauberer hatten sie mitgeschleift. Er hatte sich weigern wollen, bis der Kommandeur ihm auf liebenswürdigste Weise darauf aufmerksam gemacht hatte, dass der Patrizier nicht viel davon halten würde, wenn der Verursacher des Übels sich aus der Affäre zog. Das würde Konsequenzen nach sich ziehen. Er hielt die Gruppe auf. Er jammerte, er schwitzte, er war hungrig und er war langsam. Bregs hatte seine kleine Truppe in den letzten Monaten härter trainieren lassen als je zuvor. Sie waren so wenige, da musste jeder von ihnen doppelt so zäh sein. Das machte sich bemerkbar. Es war zwar unerträglich heiß und sie wurden langsam gar, aber sie waren noch nicht aus der Puste.
Die Ratte schien genau zu wissen wohin sie wollte. Darin hatte der Zauberer recht behalten. Sie funktionierte zu gut. Braggasch war der Meinung, dass sie, nun da sie magisch war, magische Bomben aufspüren wollte und da sie sich auf das größte Übel fixierte, lotste sie die Gruppe wahrscheinlich direkt zu der größten Ansammlung mit Flaschen. Der Kommandeur hatte die anderen Abteilungen damit beauftragt alle anderen Flaschen, die in der Stadt im Umlauf waren, zu konfiszieren. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Aber sie hatten keine Zeit zu verlieren.
Es wurde langsam dunkel, aber die Hitze blieb. Der Zauberer starrte auf die Flasche in seiner Hand.
„Tag vier.“, murmelte er und augenblicklich wurde er schneller. Der Rauch war nun von einem dunklen grau. Er wirbelte jetzt in der Flasche hin und her, ganz als sähe er sich um.
„Was soll Tag vier heißen?“, fragte Steffan Angelhart während er ebenfalls etwas schneller wurde und sich seine Haare aus dem Gesicht wischte. Er lief hinter dem Zauberer, am weitesten entfernt von Valdimir, der die Vorhut bildete.
„Was?“, fragte der Zauberer zerstreut. „Ach nichts weiter, nur dass nach meinen Berechnungen die Hälfte der Zeit um sein müsste. Wir haben wahrscheinlich noch vier Tage Zeit. Kein Grund zur Sorge.“
Angelhart packte den Zauberer von hinten Am Kragen und presste ihn gegen die nächstbeste Häuserwand.
„Wie bitte?“
Auch die anderen blieben stehen. Sie schienen unentschlossen, ob sie dazwischen gehen sollten oder nicht.
„Ach hab ich vergessen das zu sagen?“
„Offensichtlich.“, knurrte der Gefreite. „Wie genau sollen wir eine gigantische Ladung hoch explosiver mit Magie angefüllten Flaschen langsam und vorsichtig aus der Stadt bringen, an einen Ort wo niemand wohnt, wenn sie ohnehin morgen in die Luft fliegt.“
„In vier Tagen.“, murmelte der Zauberer leise und Angelhart brüllte auf, als Nyvania dazwischen ging.
„Wir haben jetzt keine Zeit dafür einen Zauberer weich zu prügeln, der als einziger dazu in der Lage ist aus der Stimmung der Magie Zeit abzulesen. Immerhin wissen wir jetzt, dass es ein Limit gibt. Wir sollten uns also besser beeilen.“
Sie blickte zu Kanndra, Valdimir und Braggasch. Die drei nickten und es ging weiter. Vor allem deshalb, weil Valdimir sich vor den Magier stellte und Angelhart etwas beunruhigt von dem Zauberer abließ. Jetzt hatten sie eine Zeitangabe. Jetzt mussten sie sich richtig beeilen.



Norbert hatte sich in einem Fass versteckt. Irgendwo in einer dunklen Sackgasse. Nie hätte er sich träumen lassen, dass er einmal genug von Frauen haben könnte. Aber irgendwie lief die ganze Sache nicht so ab wie geplant. Am Anfang war es ja noch ganz lustig gewesen wie ihm alle hinter starrten. Er hatte sich sehr begehrt gefühlt und sich einen Spaß daraus gemacht, es den Partnern der Mädchen unter die Nase zu reiben. Ganz langsam hatte es angefangen. Erst gegen Mittag hatte er es bemerkt. Er hatte Schutz vor dem seltsamen Wetter gesucht und sich in der schmuddeligen Spelunke nieder gelassen, in der er dieses Prachtstück von Flasche bekommen hatte. Erst war ihm aufgefallen, dass überraschend viele weibliche Gäste da waren. Dann irgendwann, dass immer mehr kamen, bis die Tische voll waren. Schließlich hatte ihm gedämmert, dass etwas nicht stimmte. Die Tatsache, dass ihn alle anstarrten und sich ein halbes Dutzend Frauen die Nase an den Fensterscheiben platt drückte um ihn zu sehen hatte ihm einen Hinweis darauf gegeben. Eilig war Norbert aus dem Laden geflohen, nur um festzustellen, dass eine Horde Weiber ihm folgte. Seinen Schritt hatte er beschleunigt. Die gruppe ebenfalls. Dann war er losgerannt. Hier eine Ecke da eine Ecke. Er hörte wütende Rufe. Nicht alle kamen von den Frauen. Offensichtlich hatten die Männer seiner Verehrerinnen eine ganz andere Rechnung mit ihm offen. Ihm tat die Seite weh vom vielen Rennen. Das war er nichtgewohnt und irgendwann hatte er sich in dieser vermaledeiten Sackgasse wieder gefunden, hatte das Fass gesehen, war kurzerhand hinein geklettert, zwischen vergammelten Gurken und Fisch. Es stank erbärmlich aber es bot Schutz. Sie fanden ihn nicht. Aber er traute sich die ganze Nacht über nicht aus seinem Fass.



Es war schon wieder früh, als die Ratte endlich stehen blieb, sie wieder auf ihre mechanischen Hinterbeinchen stellte und den Kopf schief legte, während die schnupperte. Braggasch ergriff sie kurzerhand, drehte an einem Rad und sie schaltete sich ab.
„Lagebesprechung!“, ordnete Kanndra an. Viele Optionen gab es nicht.
„Ron, aufgrund deiner früheren Ausbildung gehst du mit Valdimir sobald Braggasch und ich euch ein Zeichen geben, dass die Luft rein ist. Tyros und Norti, ihr habt euch mit Waffen ausgestattet?“
Die beiden nickten, hielten Armbrüste und einige Fläschchen hoch.
„Nichts explosives“, sagte Tyros. „nur Gase.“
Kanndra nickte zufrieden.
„Sehr gut. Ihr beiden und Gefreiter Angelhart verteilt euch um die Lagerhalle herum in einem gleichmäßigen Abstand zwischen den Ausgängen. Nyvania, bei aller Liebe und dem Training, das du hattest, nimm die Armbrust, die du zugeteilt bekommen hast und bleib bei Spitzbart. Du wirst noch einiges an Training brauchen und, ich will ehrlich sein, du könntest mehr Schaden anrichten, wenn du versuchst und hierbei zu helfen.“
Die Wasserspeierin lächelte nur und nickte. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie noch eine ganze Weile üben musste, ehe sie sich selbst und andere bei den Schießübungen nicht mehr gefährdete. Ausdauer mochte sie haben und zäh mochte sie sein, aber als Schütze war sie selbst als Niete unterirdisch. Rogis Angebot ihr ein paar neue Augen zu verpassen hatte sie damals taktvoll ignoriert.
„Alles klar? Auf geht’s!“

Die Späher verschwanden eben aufs Dach und waren nicht mehr gesehen. Es dauerte einige Minuten, dann hörten sie den Ruf einer Taube. Drei Mal derselbe Ton. Steffan Angelhart, Tyros y Graco und Norti Rabenpelz verteilten sich lautlos um die Lagerhalle. Von hier aus war nur noch Norti zu sehen, er ging in Deckung und im nächsten Moment war er verschwunden. Wieder der Ruf der Eule. Valdimir und Ron machten sich auf den Weg. Lautlos pirschten sie in den Schatten der Lagerhalle und Nyvania bedeutete dem Zauberer sich ebenfalls mit ihr in den Schatten einer Wand zu drücken und still zu sein. Sie zielte. Jetzt hatte sie lang genug Zeit um die Waffe zu justieren und das Haupttor anzuvisieren, sodass sie das Gefühl hatte, im Notfall irgendwas treffen zu können. Sie sah verschwommen wie sich eine kleine Tür öffnete und zwei grüne Gestalten hindurch huschten. Die Tür schloss sich lautlos und Stille legte sich über den Platz. Der Zauberer in ihrem Rücken atmete schwer. Immer wieder sah er gebannt auf die Flasche in seinen Händen und als sie sich dunkler Färbte wusste er, dass er sich verrechnet hatte.



Es war dunkel in der Lagerhalle. Es gab nur einen großen Raum. Noch lag er im Dunkeln, nur einzelne Strahlen verirrten sich herein, aber sie schienen von der Dunkelheit geschluckt zu werden. Diese Dunkelheit hatte ihren Ursprung in einem Berg Flaschen. Valdimir gab Ron ein Zeichen, der nickte und sie huschten auf zwei Seiten einmal um den Raum herum. Es war niemand da. Zumindest niemand der lebte. Hinter dem Haufen war eine Art Grab ausgehoben worden. Es stank schon ein wenig. Darin waren mehrere Körper zu erkennen. Mindestens vier Leichen und die Hüte ließen darauf schließen, dass sie die Zauberer gefunden hatten.
Die beiden FROG wandten sich dem Haufen zu und sahen sich dann an.
„Es ist ziemlich dunkel“, bemerkte Ron. „Dunkler als die Flasche, die Spitzbart hatte.“
„Zu dunkel, selbst für meinen Geschmack.“, bestätigte Valdimir und blickte sich noch einmal im Raum um. Es war nicht nur dunkel es war auch viel zu still. Die Flaschen summten nicht mehr, stattdessen schienen sie gewillt jeden Laut aus ihrer Umgebung aufzusaugen. Die beiden sahen sich an und ohne ein weiteres Wort verließen sie die Lagerhalle. Die Flaschen mussten verschwinden. Sofort.



Norbert befühlte seine tauben Beine und stellte fest, dass er mit Knubbeln übersät war. Sein ganzer Körper war voll davon. Er kletterte aus dem Fass und sah an sich herab. Erst dachte er, dass es eine Allergische Reaktion sein müsse, dann bemerkte er, dass sich die Knubbel bewegten. Er schrie auf und rannte die Straße entlang. Einen Heiler! Er brauchte einen Heiler. Das Wette wurde immer schlechter, der Himmel immer schwärzer und dennoch wurde die Luft heißer, war erfüllt von einem bedrohlichen Flirren und Norbert bemerkte in seiner Panik nicht, dass er nicht der Einzige war, dem Tentakel aus der Haut schossen.

Ariadne sah an sich herab. Die ganze Nacht über hatte sie bitterlich geweint. Doch der Anblick, der sich ihr im Spiegel bot, machte es nicht besser. Sie viel in Ohnmacht und als ihre Familie sie fand, brachen ach sie in Tränen aus. Ariadnes Haut war so rot wie das Kleid, dass sie am Leibe trug und auf ihrer Stirn hatten sich kleine Knubbel gebildet. Sie bewegten sich.



„Es sieht ganz so aus, als wäre diese Halle überhastet verlassen worden.“, berichtete Valdimir eben. Die Gruppe hatte sich am Boden versammelt und kurzerhand beschlossen, dass die Kisten mit den Flaschen so schnell wie möglich aus der Stadt mussten. Irgendwohin vor die Stadt, wo ihre Detonation den Bewohnern der Scheibenwelt nichts anhaben konnte, oder zumindest fast nichts.
Als Spitzbart zugab, dass er sich verrechnet hatte, mussten drei Wächter Angelhart zurück halten. Schließlich jedoch waren sie soweit, dass der Zauberer erklären konnte, weshalb er sich verrechnet hatte.
„Es gibt nur eine Erklärung“, sagte er. „Jemand muss schon einige Tage vor dem Verkauf der Flaschen einen Wunsch ausgesprochen haben. Damit wurde die Magie aktiviert. Sie hat ein kollektives Gedächtnis. Ähnlich wie das von Ameisen. Wenn ein Teil der Magie aktiviert wurde, dann wurden alle anderes es auch.“
„Großartig.“, murmelte Kanndra zornig. „Wirklich großartig! Wenn irgendeiner unvorsichtig mit einer der Flaschen umspringt, gehen also sofort alle in Ankh-Morpork gleichzeitig hoch und das ist dir erst jetzt klar geworden“
Der Zauberer murmelte eine Art Entschuldigung aber Kanndra winkte unwirsch ab und atmete tief durch um sich etwas zu beruhigen.
„Gut, dass es in der Stadt nicht viele Idioten gibt.“, warf Tyros ein und wenn Blicke töten könnten, wäre er auf der Stelle tot umgefallen- und wahrscheinlich auch in jedem anderen leben und jeder erdenklichen Dimension.
Daraufhin herrschte erst einmal Stille, während alle fieberhaft überlegten, was für Optionen noch blieben. Sie waren darauf trainiert ruhig zu bleiben, nur Spitzbart lief panisch und aufgewühlt hin und her, warf den Wächtern aufgekratzte Blicke zu und schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. Dann hörten sie die Schreie. Überall aus der Stadt drangen Schreie an sie heran und schließlich war es der überraschte Aufschrei von Braggasch Goldwart, der sie alle zusammenfahren ließ. Acht Blicke fielen auf den Zwerg. Sieben Wächter wichen synchron zurück. Auf Braggaschs Armen bildeten sich kleine Tentakel. Der Zauberer sah in die Runde, offenbar voller Genugtuung, nun da die Wächter auch nicht mehr ruhig bleiben konnten.
„Ich würde vorschlagen, dass ihr euch schnell etwas einfallen lasst. Sonst ist es nämlich zu spät!“
„Wer ist denn hier der Zauberer mit den tollen Ideen, hm?!“, blaffte Kanndra plötzlich. Alle starrten sie an und sie beruhigte sich.
„Ist mir so rausgerutscht“, sagte sie Schulterzuckend. „und ich habe Recht!“
„Das ist es!“, sagte Nyvania plötzlich. Alle starrten sie an. Sie griff nach der Flasche, so schnell, dass Spitzbart nicht reagieren konnte. Vorsichtig hob sie das Gefäß hoch.
„Wir zaubern! Wir lassen die ganzen Flaschen auf eine leere ebene verschwinden. Dort kann sich die Energie entladen.“
„Das ist eine gute Idee!“, rief Tyros begeistert.
„Das ist eine bescheuerte Idee!“, rief Spitzbart. „Wahrscheinlich explodieren die Flaschen noch bevor sie die Ebene erreichen.“
Valdimir blickte den Zauberer herablassend an. „Hast du eine bessere Idee?“
Daraufhin schwieg Spitzbart, sah aber immer noch wütend aus.
Valdimir wandte sich an Nyvania.
„Die Idee ist prinzipiell nicht schlecht, aber der Zauberer hat Recht. Wie können wir sicher sein, dass wir statt einer magischen Ebene keinen gigantischen Krater hinterlassen, der sicherheitshalber die Dämonen aus der Kerkerdimension befreit?“
„Wir wünschen uns, dass sich die Magie selbst befreit.“, sagte Nyvania schlicht.
„Gut und wie überprüfen wir das?“, warf Norti Rabenpelz schnell ein. Sie wussten, dass ihnen kaum Zeit blieb um darüber zu diskutieren. Nyvania zögerte nicht.
„Sollte es nicht funktionieren wird es wohl kaum lange dauern, bis im wahrsten Sinne die Hölle über uns herein bricht.“, antwortete der Vampir sehr sachlich. Alle sahen Kanndra an. Im Augenblick lag es an ihr. Sie hatte die Leitung. Sie zögerte nicht und nickte. Wenn das ihre einzige Chance war, dann mussten sie sie nutzen. Nyvania reichte ihr die Flasche- sehr vorsichtig. Kanndra atmete tief durch, dann öffnete sie den Mund um ihren Wunsch auszusprechen.
„Ich wünsche-“, begann sie, wurde aber von Valdimir unterbrochen.
„Denk dran, dass sich dein Wunsch umkehrt! Jag uns also bitte nicht hoch.“ zischte er.
Ihr Satz blieb ihr kurz im Hals stecken. Das hatte sie beinahe vergessen. Angespannt konzentrierte sie sich darauf den Satz umzudenken.
„Ich wünsche “, sagte sie schließlich sehr langsam und die Flasche leuchtete auf. Das Sirren wurde beinahe ohrenbetäubend. Soweit blieb alles normal. Der Wunsch selbst, das musste ihr nun gelingen. „dass sich alle nicht freie, gute Magie von Dritten für immer in Ankh-Morpork in einem engen, maximal bewohnten Gebäude einsperren lässt und nicht mehr aus den Flaschen entkommen kann!“
Ein grelles Licht. Die Wächter wurden zu Boden geschleudert. Ein Knall, wie von einer Explosion und dann war es still.



Norbert zitterte. Er hatte Angst. Wütende Männer, verrückte Frauen! Das war nichts für ihn. Ruhe und Frieden. Das war etwas für ihn.

Ariadne weinte, nie wieder würde sie sich auf die Straße wagen. Weinen war alles, was sie je wieder tun würde.



Ächzend öffneten sie nacheinander ihre Augen. Sterne tanzten in ihren Blickfeldern, der Aufprall war heftig gewesen. Nach und nach kamen sie wieder auf die Beine. In einem perfekten Kreis waren sie von der Flasche weg geschleudert worden, die noch immer in ihrer Mitte lag. Nyvania hätte schwören können, dass sie noch nie ein so tiefes Schwarz gesehen hatte.
Langsam schritten sie auf die Flasche zu. Sie sirrte wieder zornig, vibrierte.
„Es hat nicht funktioniert?“, fragte jemand leise. In Nyvanias Ohren klingelte es. Sie konnte nicht ausmachen wer es gesagt hatte. Aber sie wusste wer es war, der antwortete.
„Oh nein, das hatte ich befürchtet“ stöhnte Spitzbart. „davon habe ich mal gelesen. Das letzte Stück Magie, darf nicht rein durch Magie verwendet werden. Auch wenn sie frei ist, irgendwann einmal hatte sie eine ausführende Hand.“
„Was willst du uns damit sagen?“, fragte Valdimir argwöhnisch.
„Dass ihr die Flasche von Hand öffnen müsst.“
Einige Sekunden starrten sie auf die Flasche, die es irgendwie schaffte unheimlich auszusehen und zu pulsieren. Niemand wollte sie anfassen. Spitzbart sah auf.
„Wer von euch hat die ruhigste Hand?“
Alle Blicke wandten sich um und zitternd trat Braggasch Goldwart einen Schritt vor.
„I-ich.“, sagte er kaum hörbar. Seine Stimme versagte.
„Dann musst du auf die Ebene und dort den letzten Rest Magie frei lassen. Sonst hat das alles rein gar nichts gebracht.“
Der Zwerg schluckte. Niemand sagte etwas als auf die Flasche zutrat und sie ganz vorsichtig in seine schmalen Hände nahm. Sie gab einen Impuls von sich und Braggasch begann am ganzen Leib zu zittern.
Das packt der nicht allein, zischte Bartholomeus. Trotz mangelnder Ingwerteedosis war er heute sehr ruhig gewesen. Bekommt eher ‘nen Herzinfarkt noch bevor er in der Ebene ankommt.
Nyvania nickte nachdenklich. Der Gedanke war ihr auch gekommen. Gefolgt von einem weiteren
Auf keinen Fall!, keifte Bartholomeus aufgebracht. Keiner hat gesagt, dass du dich umbringen sollst!
„Aber das hilft nichts. Er kann es nicht alleine. Niemand könnte das alleine schaffen.“
Nyvania bemerkte erst, dass sie laut gesprochen hatte, als alle Blicke auf sie gerichtet wurden. Sie räusperte sich und trat ebenfalls vor.
„Ich gehe mit ihm. Er braucht jemanden, der ihn beruhigt. Ich denke, dafür bin ich am besten geeignet.“
Toll, ich hab mich in einer Irren fest gesetzt!
„Selbst schuld.“, murmelte sie sehr leise, als sie neben Braggasch trat. Keiner der anderen sagte etwas, sie wussten, dass Nyvania Recht hatte.
Sie sah den Zwerg an und lächelte.
„Dann wollen wir mal, oder Sör?“
Sie sah so zuversichtlich drein und strahlte so viel Ruhe aus, dass der Zwerg ein klein wenig Hoffnung hatte, vielleicht doch heil aus der Sache heraus zu kommen. Er nickte mechanisch, schluckte und sprach den Wunsch aus. Ein Ziehen und Zerren in ihren Eingeweiden, absolute Finsternis und so unendlich viel Lärm. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann fanden sie sich auf der Ebene wieder. Es war hell, dennoch war der Himmel schwarz. Hier und da blitzte es und überall waren Stimmen. Überall hörten sie wünsche und wütende Schreie. Es war so laut auf der Ebene, dass ihnen der Kopf dröhnte und sie beinahe in die Knie gingen, und von einem Moment auf den nächsten war es still. Der Himmel war fast weiß, so grell strahlte er und die Ebene wirkte eigenartig farblos und matt. Die Magie wartete. Sie hatte die Wächter bemerkt und die Flasche und nun wartete sie darauf was die beiden Sterblichen tun würden. Nyvania keuchte. Bartholomeus keuchte ebenfalls, schrie Zeter und Mordio, so laut, dass sie sich eilig einen Teebeutel in den Mund stopfte. Sofort war er still. Sie suchte Braggaschs Blick, doch der starrte auf die Flasche in seinen Händen. Die Farbe der Magie darin hatte sich abermals verändert und in Nyvania stiegen ungute Erinnerungen auf. Sie hätte niemals gedacht, dass eine Farbe noch schrecklicher, noch grausamer, noch wütender sein konnte als das Schwarz von vorhin. Sie hatte sich getäuscht. Die Flasche leuchtete in einem grellen Rosa.
„Langsam. Ganz langsam.“, Nyvania bemühte sich ruhig zu sprechen. Sie alle hatten ja schon einiges mitgemacht, aber das hier erforderte im wahrsten Sinne des Wortes Fingerspitzengefühl.
„Sör, hör mir jetzt ganz genau zu, verstanden?“
Er nickte. Als die Farbe sich abermals verändert hatte, war er zur Salzsäule erstarrt. Seine Augen flackerten zur Hauptgefreiten. Sie lächelte aufmunternd, beruhigend. Er merkte, dass er wieder atmen konnte. Seine Hände zitterten. Das war noch nie vorgekommen. Genau deswegen, war das hier auch seine Aufgabe gewesen. Es hing von ihm ab. Es war die letzte verdammte Flasche. Die letzte! Also nahm er all seinen Mut zusammen und konzentrierte sich auf die ruhige, dunkle Stimme der Wasserspeierin. Immerhin war er nicht allein, sonst hätte er wahrscheinlich schon längst den Verstand verloren.
Püschologen mussten Nerven aus Diamant haben. Stahl war hierfür nicht annähernd hart genug. Noch einmal atmete er ein, aber seine Hände wollten einfach nicht mit dem Zittern aufhören. Das lag auch an den Tentakeln an seinen Armen, die wild umher schlackerten und einfach nicht ruhig bleiben wollten. Wenn er versagte, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machte, würde die Ebene in die Luft fliegen und eine Macht entfesseln, die die gesamte Scheibenwelt in Schutt und Asche legen würde. Braggasch schloss verzweifelt die Augen.
„Wird es gehen?“, hörte er sie fragen.
„Etwas viel für…für einen freien Tag.“, murmelte er zittrig. Sie lachte. Wie konnte sie in einer solchen Situation auch noch lachen.
„Genau genommen ist das heute mein freier Tag.“, sagte sie. Braggasch sah auf und unwillkürlich musste auch er grinsen.
„Dann bin ich, äh, fein raus, oder?“
Die Wasserspeierin nickte.
„Ja, sieht so aus.“ Sie blickte zum Himmel. „bist du bereit?“
„Ich…ich, kann mich nicht konzentrieren mit, äh, mit diesen Dingern.“
„Soll ich sie abschneiden?“, fragte sie gerade heraus.
Daran hatte er unangenehmerweise auch schon denken müssen. Es half nichts, der Zwerg biss die Zähne zusammen und nickte mit geschlossenen Augen. Er hörte ihre Schritte und, dass sie den Dolch aus seinem Gürtel zog. Ohne eine Vorwarnung hakte sie einen Tentakel nach dem anderen ab. Es tat nicht weh und sofort wurden Braggaschs Hände ruhig.
„Jetzt beeil‘ dich lieber, Sör. Wer weiß, ob die Dinger nicht nachwachsen. Noch ist alles ruhig.“
Burkhards Sohn nickte und schöpfte neue Hoffnung. Seine Hände arbeiteten jetzt wie von selbst. Vorsichtig, aber vollkommen sicher öffnete er den Verschluss. Als die Magie befreit wurde, brüllte die den beiden Wächtern all ihren Hass entgegen, aber sie tat ihnen nichts an. Zumindest nichts, das sichtbar war. Dann, von einem Moment auf den nächsten war sie verschwunden und nur das Summen, das die Ebene erfüllte zeugte davon, dass dies hier ein magischer Ort war. Die beiden Wächter blickten sich zitternd an. In ihren Blicken dieselben Fragen. War es vorbei? Wie sollten sie zurück nach Ankh-Morpork kommen und wo waren sie überhaupt? Doch ehe sie die letzte Frage zu Ende denken konnten, spürten sie abermals das ziehen in ihren Eingeweiden. Alles wurde Schwarz und dann schlugen sie auf dem harten, unfreundlichen Boden in der Stadt auf. Benommen blieb Nyvania einige Sekunden liegen, bis sie jemand auf die Beine zerrte. Sie sah an sich hinab. Alles heil. Sie schüttelte sich. Zumindest äußerlich. Noch einmal schüttelte sie sich, dann war sie langsam soweit, dass sie die Fragen aufnehmen konnte, mit denen man die beiden überhäufte. Sie sah an Braggasch an, dass er sehr erleichtert war. Die Tentakel waren restlos verschwunden. Die Magie war frei, vielleicht sogar wieder gut und sie schien nicht nachtragend zu sein.
Während sie zum Wachhaus zurück gingen, stellten sie fest, dass sie fast einen ganzen Tag fort gewesen waren. Die anderen hatten schon überlegt, wo und vor allem wie sie die beiden suchen sollten, als vor ihnen aufgeschlagen waren.



Ariadne erhob sich schwerfällig. Sie wusste nicht warum sie überhaupt aufstehen sollte. So wie es jetzt war, hatte das Leben einfach keinen Sinn mehr. Sie konnte unmöglich auf die Straße gehen. Alle würden sie verspotten. Hier drin eingesperrt zu sein schien ihr ebenfalls unerträglich. Noch immer waren ihre Augen gerötet vom Weinen, dass sie selbst im Schlaf noch weiter begleitete. Nie wieder würde sie sich etwas wünschen. Wenn diese schreckliche Qual nur rückgängig gemacht werden könnte, sie würde nie wieder einen anderen um etwas beneiden, auf das sie – und das war ihr in den letzten Tagen klar geworden- im Grunde auch verzichten konnte.
Das löchrige Tuch, unter dem sie den großen Spiegel verbarg, war über Nacht verrutscht. Sie eilte daran vorbei, wandte den Blick ab und erhaschte nur den Schatten ihres Körpers darin. Wie angewurzelt blieb Ariadne stehen. Zitternd wandte sie den Kopf und blickte auf ihr Ebenbild. Sie riss das Tuch herunter und fand sich in einem roten Kleid wieder. Ihre Haut, ihr Haar, alles war wieder normal. Sie weinte, diesmal vor Freude.
Die Flasche fanden sie nicht mehr und Ariadne gab sich damit zufrieden. Nie wieder würde sie sich etwas wünschen. Sie würde ihr Wort halten.

Norberts Wangen waren seitdem immer noch etwas eingefallen. Er hatte es geschafft innerhalb der wenigen Tage vier Kilo zu verlieren. Seitdem war es nicht mehr geworden und noch immer machten sich die Angst und der Schlafmangel bei ihm zu spüren. Er hatte sich geschworen dem Schicksal nicht mehr ins Handwerk zu pfuschen, und hatte sein auch Wort gehalten. Die Flasche hatte er nicht mehr finden können. Sie war einfach spurlos verschwunden.
Noch heute zuckte er zusammen, wenn ihn jemand ansprach, aber langsam wurde er wieder ruhiger. Er beschloss, mit dem was er hatte mehr als zufrieden zu sein und nie wieder etwas zu verlangen, von dem er nicht genau wusste, ob es auch wirklich gut für ihn war.
„Weniger“, sagte sich Norbert seit diesem Tag immer wieder. „weniger ist manchmal wirklich mehr.“



Die Abteilung FROG saß zusammen und schrieb einen sehr langen Bericht. Der Kommandeur erläuterte ihnen, dass es bisher keine Spur von den Verbrechern gab und sie wohl aus der Stadt geflohen waren, als ihnen klar wurde, was früher oder später geschehen würde. der Boss, wie man ihn wohl nannte, schien kein dummer Mann zu sein. „Hoffentlich war das das Erste und Letzte was wir von dem gehört haben. Haltet aber trotzdem Augen und Ohren offen.“Lautete die Ansage des Kommandeurs.
Die Zauberer würden dafür sorgen, dass keine Informationen mehr über dieses Projekt zu finden waren. Sie würden sich darum kümmern, dass es komplett verschwand. Es war den FROG egal wie sie das anstellten, sie brauchten jetzt erst mal Bier. Selbst Valdimir ließ sich dazu überreden eines zu trinken, wenn auch stark verdünnt, wie immer, und allmählich beruhigten sich die Gemüter wieder. War ja nochmal alles gut gegangen.
Zählt als Patch-Mission für den Püschologin-Patch.



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

02.5.2012

Ich bedanke mich für eine schöne und richtige Darstellung Braggaschs! Die Geschichte selber ist aufgrund ihrer Extremität nicht ganz mein Fall, ich glaube für so etwas bräuchte es die dreifache Länge, um dem Stoff gerecht zu werden - was ja in Pokeys leider nicht möglich ist. Außerdem habe sogar ich noch einige Schnelligkeits- und Rechtschreibfehler gefunden, die vermieden werden könnten. ;)

Von Ophelia Ziegenberger

21.5.2012

Die Single las sich ungewöhnlich dicht an deinem Chara dran, was ich sehr gut fand. Nyvs Perspektive kommt selten so deutlich zum Zuge. Die FROG waren dennoch gut vertreten und mir hat auch gefallen, dass Du den Verlust Rogis ganz aktuell mit eingebaut hast, obwohl diese Planänderung ja doch relativ kurzfristig gewesen sein musste für Dich. ;-) Bei der Lösung des Plots irritierte mich die Formulierung des letzten Wunsches, da ich bei Magie immer irgendwie das Gefühl habe, irgendwas nicht mitbekommen zu haben. ^^ Ich fand die Idee gut, dass jemand aus reiner Profitgier auf der Scheibenwelt dazu fähig wäre, ein solches Geschäftsmodell umzusetzen, indem er einem Zauberer seine Forschungsidee stiehlt. Nicht so elegant fand ich hingegen, dass dem Zauberer mitten während der Unternehmung wichtige Infos nachträglich eingefallen sind, dass die ganze Aktion klischeehaft seitens des Patriziers eingefordert wird, der ihnen auch noch den unfähigen und aufhaltenden Informanten zuweist und dass der ominöse Boss hinter der Aktion, völlig unbekannt und unangetastet verschont bleibt. Aber was letzteren Punkt betrifft, mag das vielleicht mit der Parallele zu meiner eigenen letzten Single zusammenhängen. ;-)

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