Humorlos

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von Lance-Korporal Sebulon, Sohn des Samax (GRUND)
Online seit 25. 12. 2009
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 Außerdem kommen vor: Glum SteinstiefelJakob FlussRomulus von GrauhaarBraggasch Goldwart

Ein Mordversuch zieht die Aufmerksamkeit von RUM auf sich. Der Täter gesteht, das Opfer sagt aus - fehlt nur das Motiv. Ein Fall wie geschaffen für einen Püschologen.

Dafür vergebene Note: 11

[Vorlagentext: Ein Mordversuch zieht die Aufmerksamkeit von RUM auf sich. Der Täter gesteht, das Opfer sagt aus - fehlt nur das Motiv. Ein Fall wie geschaffen für einen Püschologen.]

"Die Jungen
werfen
zum Spass
mit Steinen
nach Fröschen

Die Frösche
sterben
im Ernst"
- Erich Fried (1921-88)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Es klopfte.
"Herein", sagte der Zwerg und legte die Teile der Maschine beiseite, an der er eben noch gebastelt hatte.
Die Tür öffnete sich und Jakob Fluss steckte seinen Kopf durch den Spalt.
"Scheff, da unten am Wachetresen steht ein Kerl, der einen versuchten Mord melden will."
"Es ist niemand tot?"
"Nein, Scheff. Aber da es sich um Mordversuch handelt, dachte ich mir, jemand aus der Abteilung RUM ..."
"Ist gut, Rekrut schick ihn zu mir hoch."
"Und was mach ich mit dem Anderen?"
Sebulon stand auf und ging auf den Mann zu, der fast halb so alt war, wie der Zwerg.
"Welchem Anderen?"
"Mit dem Attentäter. Er ist ohnmächtig."

"Was meinst du jetzt? Links oder rechts?"
"Aber, weißt du, das eine ist das andere und das andere ist beides."
"Hmm", machte der Püschologe.
Die Kerzen im Verhörraum der Wache flackerten ungeduldig. Seit etwa vierzig Minuten versuchte Sebulon jetzt schon aus dem Beinahe-Opfer namens Kantig Apfelbauer herauszubekommen, was tatsächlich passiert war. Sie waren noch nicht weit gekommen.
"Also kam er ... von beiden Seiten?"
"Das ist wie mit einem Rad", erklärte Kantig, "wenn ein Mechaniker darüber schreibt. Kennst du die hermetische Abhandlung zum 'Eselskarren' von Samuel Rettich[1]? Ein Rad, schreibt er, 'ist ein Dreher oder ein Schwinger; mancher eingeweihte Mechaniker nennt es auch Speichending, Kolben, Knüppel, Zangenbeißer, Weißauchnicht, Eisengerät, Messinggerät, Glaucke, Windmühl, Vollmond, das kleine Kind oder die Null.'"
Der Lance-Korporal blinzelte. 'Womit habe ich das verdient?', seufzte die leise Stimme in seinem Kopf.
"'Aber eine Achse'", zitierte Apfelbauer munter weiter, "'ist ein Rolldich; mancher beschreibt es auch als Langunddünn, Rundlang, als Bieger, Brecher, Stauber, Greifer, Wasserzange, Halbmond, Dreher, Schnurrer, Wirbelwind, stehender Wind, das weiße Element oder Halbende.'"
Langsam und bedächtig nickte Sebulon. "Solche Autoren kenne ich. Etwas plemplem, wenn du mich fragst."
"Ja. Und nein. Aber - das Problem ist doch, wenn ein Rad auch Dreher genannt wird, und ein Dreher eine Achse, und ein Pendel ..."
"Komm zur Sache", brummte der Zwerg.
"Es ist alles eins! Verstehst du? Der Uneingeweihte liest darin nur Kauderwelsch aber ein Initiierter kann einfach nicht präziser schreiben, was er möchte, weil die Präzision nur Illusion ist. Wenn einer, sagen wir, die Eisenverarbeitung beschreibt, und dabei biegen oder brechen als Wort benutzt, so denkt man unweigerlich an die Achse, die ja Bieger oder Brecher ist, und damit an das Rad, das ja Dreher und Schwinger genannt wird - also ist es naheliegend, bei der Eisenverarbeitung übers Schwingen zu reden. Ein Uneingeweihter würde den Sinn ohnehin nicht verstehen."
"Das glaube ich", stimmte der Püschologe zu. "Der Angreifer kam also von links?"
"Im weitesten Sinne ja", erwiderte Kantig.
"Im weitesten Sinne?", hakte Sebulon nach.
"Nu-un, wenn links randwärts ist und randwärts ja mit dem Zenit der Sonne zu tun hat, wobei der Zenit auch Zenut genannt ..."
"Er kam also von rechts."
"Wer?"
"Na, der Angreifer!"
"Oh, wenn man sagen möchte, dass es ein Angreifer war, dann ja."
Verzweifelt sah der Püschologe den Protokollanten Fluss an. Der erwiderte gelassen den Blick. Eine kurze Betrachtung der Mitschrift offenbarte, dass der Rekrut schon eine Weile nicht mehr mitgeschrieben hatte. Seine Mitschrift endete mit den Worten: "... zitiert Samuel Rettich: 'Ein Rad ist ein Dreher oder ein Schwinger; mancher eingeweihte Mechaniker nennt es auch Speichending, Kolben, Weißauchnicht' undsoweiter.-"
"Wir machen eine Pause. Rekrut ..."
"Jakob Fluss, Scheff."
"Rekrut Fluss", sagte Sebulon und ging zum Protokollanten hinüber. Etwas leiser fuhr er fort: "Bring bitte unseren Gast in die Kantine, damit er dort das Essen der Wache genießt. Wenn du verstehst, was ich meine." Er sah sich einmal kurz zu Kantig um, der neugierig die Kerze begutachtete. Frustriert seufzte er und fuhr dann fort: "Wenn du schon dabei bist, schick mir einen anderen Rekruten runter. Ich möchte mit dem Kerl sprechen, der es beinahe geschafft hätte, unseren Gast hier ewig schweigen zu lassen."

"Herr ..."
"Müller. Auchgut Müller."
Sebulon schluckte. Vor ihm saß ein Mensch mit vielen blauen Flecken und einigen üblen Schrammen. Und er sah erschreckend vertraut aus.
"Wir kennen uns", stellte der Assassine fest und nickte höflich. "Durch gewisse Ereignisse um Herrn Benimmdich.[2] Schön, dich wiederzusehen, Herr Samaxsohn - wenn dies auch eher unangenehme Umstände sind."
"In der Tat", stimmte der Zwerg zu und versuchte seine Fassung wiederzugewinnen. "Du arbeitest in der Gilde, nicht wahr?"
"So ist es."
"Weshalb hast du also versucht Herrn Kantig zu töten?"
Der Rekrut Edward von Dort spitzte eine Feder an und begann mit der Niederschrift des Protokolls.
Der Assassine sah den Püschologen an. "Ich bitte dich, Herr Samaxsohn ..."
Sebulon stand auf und umrundete den Verhörtisch. "Ich glaube, du verstehst mich falsch. Du machst das beruflich, nicht wahr? Weshalb hattest du also keinen Erfolg?"
Auchgut sah auf den Tisch und runzelte die Stirn. "Vielleicht werde ich alt."
"Das genügt mir nicht!", knurrte der Zwerg und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Schau, ich bin eigentlich kein ungemütlicher Wächter. Meine Freunde sagen sogar, ich könnte manchmal ein rechter Spaßvogel sein. Also bitte, mach uns das nicht schwerer, als es ist. Dein Opfer lebt noch. Kantig hat nicht mal eine Schramme - ganz im Gegensatz zu dir. Wie ..."
"Ich bin ausgerutscht", flüsterte der Assassine.
"Wie war das? Ich habe das nicht gehört."
"Ich bin ausgerutscht", wiederholte er noch leiser.
"Worauf?"
"Auf Murmeln."
"Worauf?", fragten Protokollant und Püschologe gleichzeitig.
Der geschundene Assassine zog ein sauberes Stofftaschentuch aus seiner Tasche und hielt es sich vor das Gesicht.
"Bitte, erspart mir die Schande; zwingt mich nicht die ganze Geschichte zu erzählen."

"Goldi, hast du fünf Minuten für mich?"
"Äh - mhm", machte Braggasch und legte einen Stapel Zeitungen auf einem Tisch ab.
"Oh, ich sehe, du verteilst gerade die 'Rohrpost'", meinte Sebulon und schielte auf die Titelseite. "Schon die zweite Ausgabe, nicht wahr? Du bist wirklich fleißig."
Sein Freund wurde rot und strich sich mit der Hand durchs lockige Haar. "Äh, ja, aber, äh, ohne die vielen Leute, die mir helfen, äh, würde ich das gar nicht, äh, schaffen. Immerhin hast ja, äh, auch du, äh, ..."
"Reg dich ab, Tg'w'lim'cha[3], ich wollte was mit dir besprechen."
"Äh. Was denn?"
"Ich hab nen Fall", seufzte Sebulon und setzte sich auf einen Stuhl. "Da gibt es einen Menschen, der so harmlos ist, wie du es dir nur vorstellen kannst. Er heißt Kantig."
Braggasch nickte und setzte sich ebenfalls.
Der Püschologe zog einen Schraubenzieher aus seinem Werkzeuggürtel und drehte ihn nachdenklich in der Hand. "Nun hat es sich ereignet, dass ein Assassine versucht hat ihn zu töten. Hat's aber nicht geschafft. Das Opfer ist wohlauf, der Assassine allerdings lädiert. Wurde von verschiedenen Gegenständen getroffen, ist ausgerutscht und hat schließlich ein Plätteisen gegen die Stirn bekommen, bevor er ohnmächtig wurde."
Burkhards Sohn pfiff leise durch die Zähne. "Beeindruckend. Aber, äh, das wäre doch ein Fall für DOG, oder? Immerhin ist ja niemand ex-hu-äh-miert worden."
"Ja, aber es war ein Mordversuch. Und ..." Sebulon sah seinen Freund eindringlich an. "Goldi, dieser Kantig ist zwar ein nerviger Bursche, der nicht alle Tassen im Schrank hat ..."
'Musst du gerade sagen, Herr Gesund-im-Kopf', flüsterte die Stimme in seinem Kopf hämisch. Sebulon ignorierte sie. "... aber das ist noch kein Grund, um jemanden per Assassine umlegen zu lassen."
"Vielleicht, äh, gibt es gar keinen Grund? Schon häufiger wurde für, äh, weniger getötet, als um einen durchgeknallten, äh, Kerl loszuwerden."
"Vielleicht", gab Sebulon zu. "Das muss ich aber noch untersuchen." Er sah die Uniform seines Freundes an. "Und ich glaube, du kannst mir dabei helfen."
"Äh, ich?", fragte Braggasch.
"Du musst ein paar Leute für mich befragen, ob ..."
"Gürtel, da wäre doch Mené besser geeignet als ich, oder?"
"Aber du bist doch Szenekenner, Goldi! Schau, da ist dein Abzeichen! Wer sollte besser geeignet sein, um mir diesen Gefallen zu tun, mein Freund?"
Der blondgelockte Zwerg blinzelte. Manchmal war es schon skurril, was Sebulon alles wahrzunehmen meinte.
"Sebu, du siehst wieder Dinge."
Sebulon kniff die Augen zusammen. "Dann ist das dort auf deiner Uniform kein SEALS-Abzeichen?"
"Ich habe mich nicht bei, äh, den SEALS beworben, Sebu, sondern bei FROG. Und ich bin mit meiner, äh, Arbeit als Späher sehr zufrieden. Aber, äh, Menélaos Schmelz könnte dir helfen. Aus unserer, äh, Rekrutenzeit. Du, äh, erinnerst dich an ihn?"
"Oh", sagte Sebulon niedergeschlagen. "Ja. Natürlich. Menélaos. Wo finde ich ihn?"

"Klar kenne ich Kantig Apfelbauer", sagte der ehemalige Kondichemiker lächelnd. "Hat einen Laden, unten in der Zimperlichgasse; verhökert antike Sachen, die andere Leute nicht mehr haben wollen. Hat nur an zwei Tagen für je zwei Stunden offen; ansonsten sitzt er meist irgendwo in der Stadt herum und liest Bücher. Komischer Kauz. Man sollte nicht so ernst nehmen, was er sagt."
"Wer sind seine Feinde?", fragte Sebulon und öffnete sein Notizbuch.
"Er hat keine."
"Was?"
"Ich sagte er hat keine. Du musst mich nicht gleich anschreien."
"Mené, bei mir sitzt ein Assassine in der Zelle, der versucht hat ihn umzubringen. Er hat bereits gestanden! Und du willst mir sagen, ..."
"... er hat keine Feinde. Wenn überhaupt, dann handelt dein Auftragsmörder auf eigene Faust."
"Dann wäre dieser Assassine aber sein Feind."
"Stimmt. Also irrt sich jemand. Kantig Apfelbauer hat keine Feinde. Er hat meines Wissens nicht mal jemanden, der ihn ernst nimmt - weshalb sollte ihn also jemand umbringen wollen?"
"Gute Frage", brummte der Zwerg. Er drehte sich zum Gehen um, blieb dann jedoch stehen und hielt dem Szenekenner sein Notizbuch hin. "Nur für alle Fälle", sagte er, "kannst du mir das schriftlich geben?"

"Herein", sagte Romulus. "Oh, du bist es, Lance-Korporal. Was kann ich für dich tun?"
Sebulon betrat das Büro des Abteilungsleiters zurückhaltend. Es war relativ gemütlich eingerichtet. An den Wänden befanden sich Aktenschränke und überraschenderweise auch eine Minibar, auf der ein kleiner Kaffeedämon saß und gelangweilt aussah. An einer Wand lehnte eine zugeklappte Tafel, die in kleiner Schrift beschrieben und darin mit vielen längeren und kürzeren Pfeilen versehen war.
Durch das Fenster fiel etwas Licht auf den Schreibtisch, der unter den Stapeln von Papier zu verschwinden drohte. Ein wenig bemitleidete Sebulon diesen Werwolf, dem er ehrfurchtsvoll begegnete. So viel Arbeit konnte doch einer gar nicht alleine schaffen, Stellvertreterin hin oder her - oder doch?
"Ich wollte nur kurz bescheid sagen, dass ich einen Fall habe", sagte der Püschologe. "Ist heute morgen vom Wachetresen reingekommen. Professioneller Mordversuch."
"Da muss ich wohl das Memo übersehen haben", sagte der Werwolf und reichte Sebulon eine Tasse Kaffee, die er dankbar ablehnte. "Aber das ist doch nicht der Grund, weshalb du mich aufsuchst, oder?"
"Nun, ich weiß nicht recht, wie ich das sagen soll ..."
Der Werwolf ging um seinen jungen Püschologen herum und musterte ihn. "Eigentlich bist du doch jetzt bei GRUND, nicht wahr? Also werden wir den Fall wohl jemand anderem ..."
"Nein, darum geht es gar nicht", sagte Sebulon schnell. "Im Gegenteil: das scheint mal ein Fall zu sein, der überschaubar bleibt. Der Täter hat bereits seine Mordabsicht gestanden."
'Und es war ein lizenzierter Assassine, aber das verrate ich besser noch nicht', dachte er.
"So? Du warst wohl fleißig, heute Vormittag."
"Ich möchte herausbekommen, was sein Motiv war und weshalb es ihm nicht gelungen ist. Das sollte nicht allzuschwer sein."
"Aber?", fragte Romulus neugierig nach.
"Ich möchte jemanden an meiner Seite."
"Du weißt, dass ich nicht einfach jemanden für zusätzliche Nachforschungen abstellen kann. Die Wache hat auch so genug zu tun."
"Zur Sicherheit."
"Hast wohl Angst vor weiteren Mord-Anschlägen?", sagte der Abteilungsleiter mit ernster Miene.
'Nicht ganz', dachte Sebulon. 'Eher vor Halluzinationen.'
"Gut, das verstehe ich", fuhr Romulus fort. "Hast du jemand spezielles im Sinn?"
"Oh, ich dachte an jemanden von DOG, weil es ja um professionellen, möglicherweise organisierten Mord geht."
'Ich gebe dem alten Wolf noch fünf Minuten, bevor er dich durchschaut', meinte die Stimme in seinem Kopf. 'Er muss doch merken, dass du ihm Fakten verschweigst ...'
"Mit Glum Steinstiefel komme ich gut klar", fuhr der Püschologe fort, "aber ich bin zufrieden, solange ich diesen Auftrag behalten darf. Darf ich, Sir?"
"Also, eigentlich würde ich ..."
"Bitte, Sir?"
Der Abteilungsleiter musterte seinen jungen Püschologen. "Dir ist das ganz schön wichtig, hmm?", fragte er.
Der Zwerg nickte.
Ein Lächeln stahl sich auf Romulus' Gesicht. Er nahm einen Stift, machte auf einem kleinen Zettel eine Notiz, faltete die Nachricht und gab sie Sebulon.
"Gib das an Breda Krulock - oder an deinen Stiefel, wenn du ihn zuerst triffst. Ich denke, man sollte dann keine Probleme machen."
"Danke, Sir." Freudig salutierte der Zwerg. "Ich werde dich nicht enttäuschen, Sir."
Sebulon verließ das Büro.
"Das hoffe ich auch", seufzte Romulus setzte sich auf seinen bequemen Sessel. Auf der Akte, die er sich vom Schreibtisch nahm, öffnete, und zu studieren begann, stand der Name: "Sebulon, Sohn von Samax"

"Und wofür brauchst du mich dabei, Kleiner?", fragte Glum und schaute die sieben Zentimeter zu Sebulons Augen hinunter. Er war nicht bei bester Laune.
"Ich dachte mir, du könntest ..."
"Was du nicht sagst", brummte der Moloss desinteressiert, ging zum Schreibtisch und machte einen Stempel unter die Akte, die er gerade gegengezeichnet hatte.
"Ich wollte doch nur ..."
"Hör mir mal zu, Jungspund", knurrte der Hauptgefreite und legte das Blatt beiseite. "Du magst zwar einen höheren Rang haben als ich, aber ich könnte dein Vater - wenn nicht gar dein Großvater sein. Als du in den Windeln lagst, hab ich schon geschuftet, und wie du siehst ist die Arbeit nicht weniger geworden. Also komm mir nicht mit Befehlen."
"Aber, ich habe doch gar nicht ..."
"Und jetzt lass mich in Ruhe wenigstens diesen Berg abarbeiten, bevor ich wieder nach Hause zu meiner Frau muss."
Sebulon sah dem Moloss in die grauen Augen. "Eheprobleme?", fragte er.
"Geht dich einen feuchten Dreck an", schnappte Glum.
"Stimmt."
"Na also."
"Ich wollte auch gar nicht aufdringlich sein."
"Warst du aber."
"Entschuldigung."
"Hmm."
Sebulon blieb unschlüssig stehen.
"Was willst du noch?", fragte Glum. Frust schwang in seiner Stimme mit.
"Deine Hilfe. Weil du der beste Zwerg von DOG bist", sagte der Püschologe leise. "Ich brauche dich."

"Hallo, Herr Apfelbauer. Das ist Glum Steinstiefel aus der Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten."
"Ach, wie nett", sagte Kantig und lächelte höflich.
"Ich bedauere es ebenfalls", brummte der Moloss und setzte sich auf einen Stuhl. "Junge, hol mir was zu trinken; hier ist eine ganz trockene Luft."
"Ist gut, Glum", sagte Sebulon, warf dem Antiquitätenhändler einen entschuldigenden Blick zu und verschwand durch die Tür. Kurz darauf betrat er den Raum wieder, mitsamt einer Tasse dampfenden Kaffees.
"Hätte auch schneller gehen können", schnappte Glum und nahm sich die Tasse.
"Könntet ihr mir sagen, warum ich noch festgehalten werde?", fragte Kantig.
"Zu deiner Sich-"
"Weil wir noch nicht von deiner Unschuld überzeugt sind", unterbrach Glum den Püschologen.
"Was?", fragte Sebulon.
Glum nickte seinem RUM-Kollegen zu und fuhr dann fort: "Herr Apfelhauer, ..."
"Bauer."
"... wie auch immer. Soweit ich weiß wurde ein Assassine auf dich angesetzt. Wir brauchen genaue Angaben von dir, wer das getan haben könnte und warum."
Der Antiquitätenhändler dachte einen Moment nach und sagte dann: "Niemand."
Glum lachte düster auf. "Da fällt mir ein Witz ein. Kennst du den, wo drei vor Gericht kommen, weil Bartholomäus Niemand von der Brücke geworfen wurde?"
"Nein, aber ich lerne gern neue Witze kennen. Erzählst du ihn mir?"
Der Moloss sah zu Sebulon. "Ich verstehe langsam, warum man ihn loswerden wollte."
Glums Kommentar ignorierend nahm der Püschologe den Faden wieder auf: "Herr Apfelbauer, wenn du darüber nachdenkst, wen du in der letzten Zeit verärgert hast - wer fällt dir da zuerst ein?"
Erneut dachte der Antiquitätenhändler einen Moment nach, dann erhellte sich seine Miene und er sagte: "Ihr beide."
"Da hat er nicht unrecht", kommentierte Glum.
"Ich meine, vorher", seufzte Sebulon frustriert und rieb sich den Nasenrücken. "Es kann auch etwas her sein. Hauptsache, du gibst uns irgendeinen Anhaltspunkt, damit wir mit der Arbeit beginnen können."
"Da fällt mir nichts ein, in den letzten zwanzig Jahren."
'Und davor?', fragte die Stimme in Sebulons Kopf.
'Nun, das ist mal endlich eine gute Frage', dachte Sebulon. "Was passierte denn davor?", fragte er.
"Nun, mein Nachbar ist damals gestorben - ich glaube, er hieß Wandfried - und er meinte, ich würde mich noch wundern. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er das Geld gehabt hätte, einen Assassinen anzuheuern. Oder eine Assassinin, wir wollen ja korrekt sein."
"Was hat dieser Wandfried denn gearbeitet?", fragte Glum.
"Er war Hersteller von Pökeltaschen."
"Oh nein", seufzte der Moloss.

"Was war da gerade los?", fragte Sebulon seinen Kollegen, als sie beide vor die Tür gegangen waren.
"Um es kurz zu fassen", sagte Glum müde, "die Pökeltaschenhersteller sind in einer Gilde zusammengeschlossen."
"Das ist doch nicht schlimm, oder? Ich meine, da haben wir doch recht gute und solide Informationsquellen ..."
"Richtig. Bei DOG. Und was bedeutet das? Richtig. Arbeit", brummte der Moloss. "Und zwar für mich."
"Bleib doch mal für einen Moment ruhig", sagte Sebulon und hob die Arme. "Wir können doch auch etwas Arbeit an Andere abdelegieren ..."
Etwas in den Augen von Glum veränderte sich; vielleicht die Farbe, vielleicht auch die Helligkeit. Seine Augen schienen mit einem mal düster. Und sie drückten pure Mordlust aus.
"Du möchtest also, dass ein Anderer meine Arbeit macht, hmm? Bin ich dir nicht gut genug?", fragte Glum flüsternd.
"Was?"
"Du traust mir nicht zu, dass ich Informationen über ein Gildenmitglied von vor zwanzig Jahren aufstöbere, nicht wahr? Du denkst, der senile Glum hätte nicht mehr alle Sinne beisammen!" Die Wut des alten Zwergen wandelte sich in Rage. "Du denkst wohl, ich kann den Stift nicht mehr gerade halten und das Papier treffen, selbst wenn du mir die Hand führen würdest! Oder dass ich nützliche Hinweise nicht einmal erkennen würde, wenn sie mir auf beide Füße fielen! Du denkst, jemand anderes könnte meine Arbeit besser machen als ich! Lance-Korporal! Ha! Dir werde ich's zeigen."
Einen Moment später stand der Püschologe alleine im Gang. Glum war fortgegangen, um zu beweisen, wie außergewöhnlich gut er arbeiten konnte.
"Ehekrise", murmelte Sebulon. "Ganz eindeutig eine Ehekrise. Hoffentlich nichts Dauerhaftes."
'Und du dachtest, du wärst etwas komisch ...', sagte die Stimme in seinem Kopf.

"Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?", fragte Kantig und sah etwas ängstlich die Straße hinunter. Dort waren die Eingänge von Alchimistengilde und Assassinengilde zu sehen.
"Du wurdest von einem Gildenmitglied attackiert. Falls er nicht auf eigene Faust gehandelt hat, gibt es einen Auftrag, den wir uns ansehen können. Dadurch können wir nicht nur herausfinden, wer den Auftrag ausgelöst hat - wohlgemerkt: wenn es einen gibt - sondern auch, ob dir weiterhin Gefahr droht."
Sie erreichten das Tor der Gilde. Eine Stimme sagte: "Halt."
Wächter und Händler blieben in der Bewegung stehen.
"Du schon wieder", sagte ein Gnom, der gerade seine Zeitung beiseite legte. "Was willst du hier, Wächter?"[4]
"Wir wollten nur kurz in ein Register gucken."
"Und meine Mutter ist die Kaiserin des Achatenen Reichs", gab der Türsteher im gehässigen Tonfall von sich.
Kantig ignorierte den Tonfall und sagte: "Das macht dich zum Prinzen, nicht wahr? Ich kenne sonst keinen Prinzen, nur einen veralteten Landadeligen aus der Gänsetorstraße. Sehr erfreut."
"Wer ist dieser Witzbold?", fragte der Gnom.
"Das ist Kantig. Wir möchten wissen, ob auf seinen Namen ein Auftrag vorliegt", sagte Sebulon so diplomatisch wie möglich. "Wer kann uns ..."
"Niemand", unterbrach ihn der Türwächter und wippte auf die Zehenspitzen. "Seit wir das letzte mal vertrauliche Informationen an die Wache herausgegeben haben, sind wir sehr vorsichtig geworden, was wir sagen und was nicht."
Verständnisvoll nickte Sebulon. "Ich könnte dich auch einfach nach dem Weg zum Abort ..."
"Vergiss es. Ich mache meine Arbeit und ihr Wächter macht eure. Wenn ein Auftrag vorliegt, werdet ihr es ohnehin früher oder später spüren, wenn ihr wisst, was ich meine." Der Assassine zwinkerte verschwörerisch. "Und jetzt verschwindet, bevor ich grob werden muss."
"Danke für diesen guten Ratschlag, Hoheit", sagte der Antiquitätenhändler und verbeugte sich übertrieben tief.

Als Sebulon und Kantig im Wachehaus eintrafen, stand am Wachetresen vor einer Rekrutin Glum, in den Händen zwei dicke Ordner.
Die Rekrutin erspähte den Püschologen und deutete auf ihn.
Glum sah sich um und für einen kurzen Moment sah es aus, als würde er lächeln.
Was war das dort hinten in der Ecke?
Die Zeit blieb stehen. Alles verfärbte sich etwas ins Blaue.
Der Bleistift, der gerade vom Wachetresen fiel, hing unbeweglich in der Luft.
Sebulon sah eine in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt an die Wand lehnen. Sie musterten sich gegenseitig.
"Du bist Tod, nicht wahr?"
Du weißt es?
"Die Sense dort ist ein guter Hinweis."
Oh. Die meisten Leute fragen zunächst.
"Bist du eine Einbildung von mir oder wirklich Tod?"
Macht das etwa einen Unterschied?
"Ja, für mich!"
Dann muss ich dich enttäuschen. Selbst wenn ich sagen würde, dass ich nicht real bin - und das würde schon an Humor grenzen - dann könntest du es mir noch immer nicht glauben, weil es ja möglicherweise deine Einbildung mich hat sagen lassen ...
"Ist ja gut, ich kriege schon von diesem Kantig Kopfschmerzen", brummte Sebulon und fasste sich an die Stirn. "Also nehmen wir einmal an, du bist nicht meine Einbildung. Wegen wem bist du hier?"
Sie musterten sich erneut. Sebulon sah in die Tiefen der Stelle des Umhangs, wo eigentlich Augen hätten sein müssen.
Keine Sorge, nicht wegen dir.
"Ich hoffe, du bist nur aus Interesse hier, wie sich die Wache so entwickelt. Man erzählt ja, dass du Kommandeur ..."
Das ist lange her.
Sebulon legte den Kopf schief. "Du bist wegen Glum hier, oder? So, wie du da stehst, kannst du am besten ihn beobachten ..."
Dann lief die Zeit weiter.
Sebulon spürte eine Matte hart unter sich. Über ihm waren zwei Wächter. Er hatte Mühe sie zu erkennen.
"... scheint wieder zu sich zu kommen", sagte die Frau. Sie schien eine Rekrutin zu sein. Frieda hieß sie. Frieda Katz.
"Machst du das häufiger?", fragte Glum.
"Grmbll", machte der Püschologe, unfähig zu einer klaren Aussage.
"Du kamst in die Wache und warst plötzlich weg, Junge", fuhr der Moloss im Plauderton fort. "Wirklich, du solltest etwas besser auf deinen Kreislauf achten. Wenn du schon jetzt unvorsichtig bist, wie wird das erst sein, wenn du so alt bist wie ich?"
Sie halfen ihm auf, setzten ihn auf einen Stuhl und gaben ihm etwas zu trinken. Von hier aus konnte er sehen, dass der Antiquitätenhändler an der Wand des Raumes stand - war das hier nicht Rogis Zimmer? - und sich vergnügt die aufgehängten Bilder ansah.
"Glum", sagte Sebulon mühevoll und fixierte seinen Kollegen, "du musst gut auf dich aufpassen."
Ein weiteres kurzes Lächeln stahl sich auf das Gesicht des DOGs. "Ähnliches habe ich dir gerade auch gesagt, glaube ich. Jetzt halt mal den Mund und lass den guten alten Glum berichten, was er herausgefunden hat. Pass auf, dass du alles mitbekommst, Junge. Nicht, dass du wieder ohnmächtig wirst und die spannendsten Punkte verpasst."

Die Gilde der Hersteller von Pökeltaschen ist nicht wirklich ein Zusammenschluss organisierter Handwerker sondern eher eine Vereinigung interessierter Laien, die das Herstellen handgepökelter Taschen nicht in Vergessenheit geraten lassen will. Bekanntermaßen waren nämlich in den Sommertagen der frühen Jahre des vergangenen Jahrhunderts feine Damen mit Taschen aus feinem Pökelwerk durch die Straßen und Parkanlagen der Stadt flaniert. Nach Angaben der Gilde bedeutet die Produktion dieser prachtvollen Stücke viele Wochen präziser Arbeit und ist eher eine Kunst als ein Handwerk. Mit der Einführung neuer Stoffarten und fremdländischer Stile verlor die morporkianische Pökeltasche als Modeaccessoire jedoch zusehends an Bedeutung, so dass es heute nur noch wenige neue Modelle in den Geschäften der Zwillingsstadt zu bewundern gibt.
Das Gildenoberhaupt ist Amanda Sternschwinger, eine Frau von nicht geringem Einfluss in der Stadt. Keine neue Mode kommt ohne ihre Zustimmung in die Läden der Stadt, wenn das auch nicht immer publik gemacht wird.
Derzeit hat die Gilde noch 7a Mitglieder; postale Adresse ist Affenstraße Nr. 10. Zur Jahrhundertwende hatte sie 112 Mitglieder.


"Das ist eine ganze Menge, nicht wahr?", fragte Kantig.
"Im Gegensatz zur Fakirgilde schon, ja", sagte Glum lächelnd. Stolz überreichte er Sebulon die drei Seiten voller Informationen und Quellen.
"Und das lag alles bei DOG in den Akten?", fragte der Püschologe, nicht ohne eine gewisse Bewunderung für Qualität und Geschwindigkeit der Arbeit seines Kollegen.
"Nicht ganz. Ich musste es aus verschiedenen Ordnern sammeln und habe mich kurz mit Helmi unterhalten."
"Denkt man gar nicht, dass ihr Hunde so viele Fakten hortet", kommentierte die Rekrutin Katz, wodurch sie sich einen bösen Seitenblick des Moloss einfing.
"Jedenfalls vielen Dank, Glum", meinte Sebulon. "Gute Arbeit."
"Nichts zu danken. Ist immerhin mein Dschob, Junge. Aber denk nur nicht, dass ich jetzt salutiere oder sowas. Hierarchie bei der Arbeit ist nichts für mich."
"Worüber ich noch mit dir reden wollte", begann Sebulon, "dass du auf dich aufpassen solltest ..."
"Fängst du schon wieder damit an, Bursche? Mir geht es blendend - im Gegensatz zu dir."
"Aber ..."
"Ich passe auf mich auf und du behältst deinen Kreislauf im Auge. Klar? Schön. Dann schlage ich vor, dass wir mal der Gilde einen Besuch abstatten. Herr Apfelbauer, macht es dir etwas aus, so lange in der Buhschrie auf uns zu warten?"
"Wer schrie?", fragte Kantig verwirrt.
"In der Dienststelle. Die Rekrutin wird dich dorthinbringen. Man wird sich dort angemessen um dich kümmern."
Verschmitzt grinste der Moloss und zwinkerte dem Antiquitätenhändler zu.

"Was soll das heißen: Geschlossen?", brummte Glum und stampfte mit dem Fuß auf. "Ich bin nicht den ganzen Weg hergelaufen, um mich von einem dummen Schild abhalten zu lassen! Junge?"
"Ja, Glum", fragte Sebulon, der sich mit dieser Anrede abgefunden hatte.
"Du gehst jetzt da hoch und klopfst. Und lass dich nicht abwimmeln, ist das klar?"
Langsam und zögerlich erklomm der Püschologe die Stufen. Er ignorierte die Scharen von Küchenschaben, die nur er sah, und machte nach jedem Schritt eine Pause. Als er oben angekommen war, wippte Glum schon ungeduldig von einem Bein auf das Andere.
"Was brauchst du denn so lange, Junge? Klopf endlich an!"
Er hob die Hand.
"Bu", machte die Tür.
"Vorsicht", meinte Glum von unten, "du wärst beinahe runtergefallen und dann hätte ich ganz alleine hier gestanden."
"Danke für den Hinweis", murmelte Sebulon und kniff die Augen zusammen. Mund und Augen der Tür verschwommen. "Ha", machte er.
Er klopfte an.
Eine junge Frau öffnete die Tür.
"Wie kann ich helfen?"
"Amanda Sternschwinger?", fragte Sebulon mit zusammengekniffenen Augen.
"Die bin ich. Worum geht es?"
Erleichtert entspannte Sebulon seine Augen, sagte "Ankh-Morpork Stadtw...", bevor er die Schlangen auf dem Kopf der Frau bemerkte.
Panisch schloss er die Augen und rief: "Glum, komm bitte hoch und regle du das."
"Aber Junge, ich hab dir gesagt ..."
"Komm hoch, das ist ein Befehl!"
Verwirrt sah das Gildenoberhaupt zu, wie ein alter Zwerg die Treppen hinaufstieg und der Jüngere sich setzte und den Kopf hielt.
"Schlechter Tag?", fragte sie.
"Schlechtes Jahr", meinte der Moloss. "Ich bin Glum Steinstiefel, das dort ist Sebulon, Sohn von Samax. Wir ermitteln in Sachen eines Mordanschlags - keine Sorge, die Verbindung zu deiner Gilde liegen weit in der Vergangenheit. Können wir reinkommen?"
"Aber bitte, gern."

"Tee?"
"Für meinen Kollegen dort bitte einen beruhigenden Nerventee. Ich hätte allerdings gern einen Kaffee", sagte Glum höflich.
Es wurde eingegossen.
"Hattest du je einen Wandfried in der Gilde?", begann Glum das Gespräch, da Sebulon teilnahmslos auf den Tee starrte.
"Aber natürlich", sagte sie und trank ihren Tee auf eine besonders damenhafte Weise. "Wandfried ist aber schon ..."
"... zwanzig Jahre tot, richtig?"
Sie nickte. "War ein Spaßvogel. Nur wenige verstanden seinen Humor. Trug eine aufgefädelte tote Wespe um den Hals; wenn man ihn darauf ansprach sagte er, Fliegen stünden ihm nicht. Hatte jeden Morgen eine frische Wespe, unser Wandfried."
Geduldig schlürfte Glum seinen Kaffee, während Frau Sternenschwinger ihre Erinnerungen hervorholte.
"Man durfte ihn nicht fragen, wie spät es war, denn sonst biss er einem in den Arm und rief, laut lachend: 'Zähne'. Er hatte in all den Jahren in der Gilde nur zwei Freunde. Hans und Kantig."
"Kantig und Wandfried waren Freunde?"
"Wenn man so will, ja. Sie waren beide verrückt genug, um sich gegenseitig zu verstehen. Aber Kantig hat nie über einen Witz von Wandfried gelacht, so lange ich mich erinnern kann. Kantig ist die Sorte Mensch, die die Logik im Witz hervorholt und gegen die Pointe vernünftige Einwände bringt."
"Wäre ihm das Grund genug gewesen, Kantig umzubringen?", fragte der Moloss.
"Würdest du mir bitte erst sagen, was vorgefallen ist?"
Sebulon starrte noch immer auf seinen Tee. Glum musterte ihn und antwortete dann: "Nein, ich glaube, diese Informationen sind nicht freigegeben. Geheim, könnte man sagen."
Mit einem Mal sah der Püschologe auf. "Gnädige Frau", sagte er leise, "du bist geschieden, nicht wahr?"
"Wie kommst du dar..."
"Die Art, wie du sprichst. Du liebst ihn noch immer, nicht wahr?"
"Sebulon, ich glaube, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ...", begann Glum, doch der junge Zwerg war nicht mehr zu bremsen.
"Als du Glums zufriedenes Lächeln und seinen Ehering sahst, bist du zusammengezuckt. Genauso hast du gezuckt, als du vorhin die Freunde von Wandfried erwähnt hast. Und du warst erleichtert, dass wir nach Kantig und Wandfried gefragt haben und nicht nach dem anderen - Hans, nicht wahr?"
Frau Sternenschwinger seufzte. "Wir waren verheiratet, ja."
"Warum habt ihr euch getrennt?", wollte Sebulon wissen.
"Sebulon, Sohn von Samax", sprach Glum dazwischen, doch die beiden anderen ignorierten ihn, als wären sie in einer Art 'Trance der Wahrheit, die Ausgesprochen werden muss'.
"Hans hatte eine unzähmbare Phantasie", flüsterte sie, "und ich mochte nicht, was er sich vorstellte. Es war böse. Kantig war vielleicht etwas neben sich und sehr tiefgründig, aber immer gutmütig. Das hat meinem Mann nie gefallen. Sie sind sich oft in die Haare gekommen."
"Das war vor Wandfrieds Tod, nicht wahr?"
"Ja."
"Und Hans hatte eine Eingebung, wie man mit dem guten Kantig Apfelbauer verfahren könnte."
Amanda begann zu weinen, nickte jedoch.
Der Moloss kramte kurz in seinen Taschen, fand dann ein erstaunlicherweise noch unbenutztes Stofftaschentuch und reichte es ihr.
"Vielen Dank für die Antworten", sagte Sebulon und erhob sich. "Das war sehr hilfreich."
Glum stand ebenfalls auf, sah jedoch seinen jungen Kollegen überrascht an. "Aber willst du gar nicht wissen, was genau die beiden vorhatten?"
"Der Rest ist ein Kinderspiel. Uns fehlt noch eine wichtige Information, Stiefel, und die finden wir in der Wache."

Auf dem Weg zurück in die Wache war Sebulon sehr schweigsam.
"Ich verstehe nicht, wie du damit schon zufrieden sein kannst", meinte Glum missmutig. "Meinst du, die beiden stecken hinter dem Mordversuch?"
Er kann mich weder sehen noch hören, sagte Tod, der neben den beiden Zwergen her lief und den Blick nicht von ihnen nahm.
"Mhm", machte Sebulon bestätigend.
'Entweder ist Glum in Gefahr', dachte Sebulon, 'oder es ist nur meine Einbildung. Auf jeden Fall kann ich nicht tatenlos seinem drohenden Ableben zusehen.'
"Ich wüsste zu gerne, wie die beiden einen Assassinen dazu haben bringen können, ohne Kwittung zu morden", meinte der Moloss.
Früher war Glum Steinstiefel deutlich stiller.
"Das ist, wenn, dann aber mindestens zwanzig Jahre her", stellte Sebulon fest.
Ich würde sagen, seit seiner Hochzeit ist er aufgeschlossener. Redet mehr.
"Stimmt, sie hat ja gesagt, dass die Idee schon vor dem Tod Wandfrieds entstanden ist."
"Du warst dabei", stellte Sebulon fest.
"Ja, ich habe allerdings Mühe gehabt, deinem Ermittlungstempo zu folgen. Gute Arbeit übrigens, Junge."
Ich hatte meine Gründe, sagte Tod und zuckte mit den Schultern.
"Mhm", brummte Sebulon.
"Wir sollten Hans aufspüren und mit ihm reden", meinte der Moloss.
Zwecklos. Ich holte ihn vor gut zwei Jahren, sagte Tod beiläufig.
"Ich habe nicht vor, mit ihm zu reden."
"Nicht?"
Hmm, machte Tod. Er schien beinahe ein wenig überrascht.
"Unsere Antworten hält unser Assassine. Wir werden ihn morgen befragen; es ist schon spät. Das heißt: Wenn wir bis dahin leben."
Oh, du wirst noch am Leben sein, Sohn von Samax, sagte Tod und lächelte auf seine spezielle knochige Art.
'Aha', dachte Sebulon.
"Wir?", fragte der Moloss.
"Du."
"Oh, du machst dir Sorgen um mich, Kleiner?", meinte Glum. "Das ehrt dich."
Du hast allen Grund dazu, Sohn von Samax.
"Allerdings hast du keinen Grund dazu."
Er überschätzt sich.
"Ich habe die Lage völlig unter Kontrolle."
Das nächste Mal, wenn er betrunken heimkommt, macht seine Frau kurzen Prozess mit ihm. Er wird unglücklich landen und ich werde da sein. Das nenne ich nicht Kontrolle. Und ich muss es wissen.
"Du machst dir Sorgen wegen meiner Frau und unserer Ehe, nicht wahr?", fragte der Moloss.
"Mhm", machte der Zwerg.
"Heute Abend bringe ich ihr einen Blumenstrauß mit. Sie liebt Blumen. Und sie liebt mich. Es wird alles ins Lot kommen, wart's nur ab."
Tod schüttelte den Schädel.
Dieser Zwerg hat ein bewundernswertes Gefühl dafür, sich im richtigen Moment taktisch zu verhalten. Aber das wird ihm nichts nützen. Ich bin unausweichlich.
"Dann ist ja alles geklärt", sagte Sebulon und öffnete seinem Kollegen die Tür zum Wachhaus.

Am nächsten Morgen trafen sich die beiden Zwerge vor dem Verhörzimmer.
"Guten Abend gehabt?", fragte Sebulon.
"Wir hatten ein gutes Gespräch, ja. Haben vieles geklärt."
"Die Blumen haben gereicht?"
"Das Gespräch gestern hat mich nachdenklich gemacht. Habe sicherheitshalber noch eine Packung Konfekt draufgelegt", sagte Glum und zwinkerte. "Bereit?"
Der Püschologe nickte.
Sie öffneten die Tür und traten ein.
"Guten Morgen, Herr Müller. Man hat sich gut um dich gekümmert?"
"Mir geht es besser, danke der Nachfrage, Herr Samaxsohn. Die Igorina im Haus leistet ausgezeichnete Arbeit."
"Ich werde es ihr ausrichten. Wir hätten zwei Fragen, bevor wir dich gehen lassen."
"Wir lassen ihn gehen?", fragte Glum.
Sebulon nickte nur. "Ich denke nicht, dass es einen zweiten Versuch ... ihr nennt es Inhumierung, nicht wahr? Ich glaube, Kantig wird erstmal nichts zu befürchten haben."
Die Zwerge setzten sich und Sebulon faltete die Hände.
"Wenn ich richtig vermute", fuhr er fort, "gab es einen Auftrag an die Assassinengilde, bezüglich Herrn Apfelbauers."
"Korrekt", sagte Auchgut.
"Er wurde etwa vor zwanzig Jahren ausgestellt. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, weshalb er nicht eher ausgeführt wurde. Darum würde uns interessieren, Herr Müller: Wie hoch ist die Summe, die für den Auftrag ausgelobt wurde?"
"Einen halben Dollar."
Glum hielt kurz die Luft an.
"Normalerweise würde das nach einem ganz schlechten Scherz klingen, finde ich." Sebulon zog einen Schraubenzieher aus seinem Gürtel. Er betrachtete ihn eingehend. "Das bedeutet allerdings, dass der Auftrag mittlerweile, nach fast einem Vierteljahrhundert, einen gewissen Raritätswert besitzt. So ein Auftrag macht nicht reich - vor allem nicht, wenn der Auftraggeber schon tot ist und die Summe nicht nachträglich erhöhen kann. Aber er bringt einem eine gewisse Reputation. Wenn man nicht unglaubliches Pech hat und den Auftrag nicht erfüllt, habe ich Recht?"
Auchgut nickte. Sein Gesicht deutete an, dass er die Situation nicht genoss.
"Wir machen dir einen Vorschlag. Wir erzählen der Gilde nichts davon, was vorgefallen ist - und du sorgst persönlich dafür, dass Herr Apfelbauer keines unnatürlichen Todes stirbt. Was meinst du, Herr Müller?"
Der Assassine sah die beiden Wächter ernst an. "Damit kann ich mich arrangieren, denke ich."
"Dann hätten wir das, denke ich. Glum, hiermit bitte ich dich, die Aktenvermerke in Bezug auf diesen Fall so vage wie möglich zu halten. Vor allem in Bezug auf Auskünfte gegenüber der Gilde, die du in den nächsten Tagen bezüglich unserer Nachfragen an der Gildenpforte und unseres Gastes hier erwarten solltest. Herr Müller, ich denke, du kannst gehen. Ich meinerseits werde jetzt bei meiner Abteilungsleitung eine Menge Erklärungsarbeit zu leisten haben." Er salutierte. "Einen schönen Tag noch."

"Mich erreichte die Nachricht, dass wir einen Assassinen festgehalten haben", sagte Romulus zu Sebulon, nachdem dieser salutiert hatte.
"Er war auf eigenen Wunsch hier, Sir."
"Ist das so. Das hat aber nicht zufällig mit dem Mordanschlag zu tun, von dem du mir erzählt hast?"
"Ja, Sir. Nicht zufällig."
"Außerdem liegt mir eine Rechnung aus der Bougerie Rouge vor. Ein Herr Apfelbauer ..."
"Ich denke, die Rechnung sollte über die DOG gehen, Sir. Glum Steinstiefel wird die Summe rechtfertigen können, Sir."
"Warum habe ich nur das Gefühl, dass du bewusst verschweigst, worum es hier eigentlich geht?"
"Weil wir schon wieder der Assassinengilde in der Arbeit rumgepfuscht haben, Sir, und wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen. Vor allem ich, Sir. Ich möchte der Abteilung ersparen, dass sie als ganzes Ärger bekommt; das nehme ich lieber allein auf mich, wenn etwas schief geht."
"Und auf Glum."
Sebulon lächelte.
"Sir, ich glaube, Glum Steinstiefel kann gut auf sich aufpassen."
[1] Folgende Anspielungen gehen für oder gegen Umberto Eco und seine Semiotik, die sich auf Erkenntnisse aus der Hermetik stützt. Wunderschöne Lesebeispiele für Interessierte und bereits Initiierte finden sich in seinem Buch "Das Foucault'sche Pendel".

[2] Nachlesen kann man das in der vergangenen Single "Waffen, Löcher, Assassinen".

[3] Wörtlich: "Kleiner Freund". Unter Zwergen eine liebevolle Bezeichnung für jüngere Geschwister.

[4] Was er beim letzten mal wollte, kann man in der Coop Quis custodit custodes? nachlesen.

Zählt als Patch-Mission für den Püschologe-Patch.



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Feedback:

Von Huitztli Pochtli

28.01.2010 15:51

Mir hat deine Single sehr gut gefallen. Zugegeben: das mit Tod fand ich etwas unpassend, aber letzten Endes kann man Sebulons Einbildung sprich Halluzinationen zuschreiben.

Von Ophelia Ziegenberger

28.01.2010 15:51

Ich mag vor allem das Zusammenspiel der beiden Figuren Sebulon und Glum. :)

Von Breda Krulock

28.01.2010 15:51

Schreibtechnisch gesehen einwandfrei. Da hab ich nichts zu meckern: Sie ließ sich gut lesen und du hast alle Charaketer gut dargestellt und ihnen innerhalb dieser kurzen Geschichte eine gute Tiefe einverleibt.Negativ hingegen fand ich die Storyline. Es war nicht wirklich spannend und die Auflösung lag auf dem Silbertablett parat, da fehlte mir ein wenig das Kreative und letztendlich die gute Idee.Bei dieser Geschichte hatte ich das Gefühl, du hast sie nicht unbedingt der Story wegen geschrieben, sondern um dein schreiberischen Können zu verbessern. So als Übung quasi. ^^

Von Braggasch Goldwart

28.01.2010 15:51

Feinfein. Hat sich verändert, seit ich sie das letzte mal las, zum besseren. Die darstellung von Kantig und Glum gefällt mir sehr gut. Allerdings hast du meines Erachtens mit den Hallus ein wenig übertrieben - doch jeder ist seiner Welten Schmied. ;)

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