Dämonen Schindendes Positionier und Echauffier System (DSchi-Pi-Es)

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von Oberfeldwebel Rea Dubiata (SEALS)
Online seit 01. 08. 2009
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Der Verkehr in Ankh-Morpork scheint wie verflucht. Das ist wohl ein Fall für SEALS.

Dafür vergebene Note: 12

William De Morgue wischte sich mit dem Ärmel seiner Uniform über die Stirn. Es war der erste wirklich heiße Sommertag in diesem Jahr und schon wieder musste er beim Ausmisten der Ställe selbst Hand anlegen. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Die Rekruten waren dafür verantwortlich, die weniger angenehmen Tätigkeiten im Stall zu verrichten, aber die einzigen, die sich heute ins Stroh gewagt hatten, hatte er mit Schimpf und Schande aus dem Stall gejagt - und nach kurzer Überlegung ihre Kleidung hinterher geworfen. Nein, er hatte es wirklich satt und das, obwohl er viel Wichtigeres zu tun hatte. Schnaufend leerte er die letzte Mistkarre aus und begann, neues Stroh in die Box des verlässlichen Rappens Sir Edradour zu streuen, welcher ihm fasziniert dabei zusah.
Schritte erklangen aus dem Hof und eine Gestalt malte sich im Stalleingang ab. William stellte die Mistgabel ab und salutierte. "Mä'äm, es tut mir Leid, ich musste mich noch um die Tiere kümmern."
Die Abteilungsleiterin von SEALS erwiderte den Gruß und nickte. "Schon in Ordnung, ich habe von dem Zwischenfall gehört." Sie sah ihn ernst an. "Ich hoffe du hast ihnen eine Lektion über Verkehrssicherheit gehalten." Ein Schmunzeln huschte über ihre Lippen als William nickte, über beide Ohren grinsend. "Wie lange brauchst du mit dem Anspannen?"
"Beim letzten Training waren es nur 3 Minuten, Mä'äm", erwiderte er stolz.
"Nimm dir etwas mehr Zeit um vorher das Stroh aus deinen Haaren zu entfernen", sagte Rea und ging zu dem Wallach hinüber, der sehnsüchtig zu seiner Box schaute und doch zu ahnen schien, dass es noch eine Weile dauern würde, bis er dort hinein durfte. Sanft kraulte sie ihn zwischen den Ohren und er vergaß für ein paar Sekunden die bevorstehende Fahrt.

Sie betrachtete das Kästchen auf ihrer Hand, kaum größer als ein Ikonograph. Seitlich war ein Logo aus zwei ineinandergreifenden Pfeilen abgebildet, welche einen Kreis bildeten. Grünpunkt stand darunter und noch weiter darunter waren die Worte HansHans 2000 eingraviert. "Und was macht man damit?", fragte sie, ungläubig.
"Man sagt dem Dämon darin, wohin man will, und er sagt einem, wolang man fahren muss", erwiderte William stolz.
"Aber wir wissen wolang wir fahren müssen", sagte Rea, der der Sinn des Kästchens nicht einleuchten wollte.
"Nicht immer, nicht genau. Er kennt die schnellsten Routen und kann uns sogar sagen, wann wir ankommen."
"Aber weiß er auch, dass man mittags nicht über den Hier-gibt's-alles-Platz fahren sollte? Weiß er, welche Gassen man befahren kann und durch welche man nur zu Fuß kommt?"
"Natürlich, Mä'äm. Er versucht sogar bei nicht-Notfällen die Schatten zu umfahren. Außerdem ist er lernfähig. Wenn sich die Straßenführung mal ändern sollte, können wir ihm das sagen. Hanshans?"
Der Dämon öffnete die Klappe seines Kästchens. Er hielt eine Karte und einen Stift in der Hand, leuchtete leicht grünlich, als sei ihm schlecht, und murrte, schlecht gelaunt: "Ja, Benutzer, wie kann ich Ihnen dienen?"
"Zum Pseudopolisplatz, Hauptwachhaus", sagte Rea.
Der Dämon sah sie kritisch an und begann dann zu zetern: "Sind das Feldwebelmarken, ja? Nein? Oberfeldwebel dann, ja, ja. Hast du dich mal umgeschaut? Wir sind auf dem verdammten Pseudopolisplatz. Auf dem Hof des Wachhauses! Bist du eigentlich total besch-arks!"
William hatte das Kästchen zugeklappt und schaute verlegen. "Mit Manieren hat er's nicht so. Also können wir los?"
Rea nickte. "Zur Sirupminenstraße 3 bitte", sagt sie und William musste den Wunsch an den eingeschnappten Dämon wiederholen.

Drei Ziele und mehrere Streitereien mit dem Navigationsdämon später waren sie endlich wieder auf dem Weg zum Wachhaus. "Das Ziel liegt an einer nur beschränkt befahrbaren Straße", fiepte der Dämon.
"Er kann es einfach nicht lassen, oder?" murrte Rea, der Hanshans langsam auf den Geist ging. "Muss er einen andauernd beleidigen?"
"Er meint damit, dass am Pseudopolisplatz schlechte Wendemöglichkeiten sind", erwiderte William. Langsam ruckelte der Wagen zurück zum Wachhaus. Aus einem Häuserschatten löste sich eine Gestalt und sah dem Wagen nach. Die Augen leuchteten unter der Kapuze auf und ein Lächeln huschte über dünne Lippen. "Das könnte funktionieren", murmelte die Gestalt leise.

3 Monate später

Der Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork saß in seinem Büro, vor ihm zwei junge Damen, die sich gegenseitig missbilligend ansahen.
"Es ist mir egal, ob es ein Beschwörer ist, der entführt wurde, SEALS hat viel mehr Kontakte im Untergrund um herauszufinden wo er ist", sagte Rea Dubiata fest und ein wenig beleidigt.
"Und wir haben die Autorität, wenn es um Gilden geht", schnappte Breda Krulock zurück, nicht ohne dabei subtil die Aufmerksamkeit auf ihre Zähne zu lenken.
"Ach jetzt hört schon auf ihr Gänse", knurrte Breguyar. "Wenn es wirklich eine Entführung ist - und dafür gibt es eigentlich keine Beweise, dann wäre die Sache eigentlich in Händen der FROG."
"Deren Abteilungsleiter abwesend ist", sagte Rea leise. "Außerdem brauchen wir wilde Schießereien erst, wenn wir wissen, WO das Opfer überhaupt ist."
Breguyars Mundwinkel zuckten und er bedachte Rea mit einem wenig freundlichen Blick. "Wenn du meinst, die FROGs würden nur wild schießen, Oberfeldwebel, werde ich dafür Sorge tragen, dass SEALS sich wieder ausschließlich mit Verkehr befasst. Wie wäre das?"
Die Angesprochene verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust. "Ich habe meine Informationen über den Vorfall nicht von der letzten KeineSorge-Benefiz-Veranstaltung im Hyde Park, Sir."
Breguyar schmunzelte. "Tatsächlich, gut zu wissen, dass sich das Informantennetz ausweitet. Ich nehme an, DOG hatte diese Informationen nicht?"
Breda schüttelte den Kopf, verärgert über die Bloßstellung vor dem Kommandeur. "Wir wissen erst seit heute morgen davon, als sich die Gilde an uns gewandt hat."
"Um wen handelt es sich, eigentlich?"
"Ein Mann namens Lister Gurkrum, eher ein kleines Licht unter den Beschwörern, hatte Schwierigkeiten seine Quote zu erfüllen und die Dämonen taugten nie viel."
"Hat er Geld?", fragte Breguyar.
"Nicht viel, Sir. Aber die Gilde ist reich, vielleicht möchte man sie erpressen?" Breda ging durch ihre Notizen. "Keine Verwandte, keine Freunde, keine Feinde. Ein Niemand."
"Und eine seltene Blume in Ankh-Morpork", gab Rea zu bedenken. "Jemand, der keine Feinde hat, ist mir suspekt."
"Vielleicht solltest du dir weniger davon machen", erwiderte Breda kühl.
"Schluss jetzt, es ist ja nicht zum Aushalten." Breguyar sah von einer zur anderen. "Breda, DOG übernimmt die Ermittlungen innerhalb der Gilde, Rea SEALS ermittelt außerhalb, im Untergrund."
"Ja, Sir", die beiden Frauen standen gleichzeitig auf und salutierten. Breguyar sah ihnen nach, als sie den Raum verließen und schüttelte den Kopf. Ständig dieser Streit bei den Zuständigkeiten...

Damien Bleicht wartete in deiner stillen Ecke der Bar. Sein Gesicht war dreckverschmiert, seine Kleidung zerrissen und in einer Einheitsfarbe, wie nur mehrfaches Baden im Ankh sie produzierte. In dieser Spelunke fiel das nicht auf. Ja, sogar seine schlechtesten Klamotten wären hier als zu nobel herausgestochen. Der Schankraum war nur mäßig voll, einige Männer würfelten in der Nähe eines Lochs in der Wand, was sich kaum als Fenster bezeichnen ließ. Wahrscheinlich würde nur einer der drei das Haus lebendig verlassen, auch wenn es sich nur um winzige Geldsummen handelte, um die gespielt wurde. Dies berührte Damien wenig, er war aus anderen Gründen hier. Der Mann, der nun die Bar betrat, hieß Exeunt Vorhang [1], einer der berüchtigsten Kleinkriminellen und Hehler, die es in Ankh-Morpork gab. Breit gebaut und mit grobschlächtigen Zügen war er doch ein einigermaßen intelligenter Krimineller, auch wenn Damien ihn schon seit Monaten beobachtete, ohne dass er es gemerkt zu haben schien. Er selbst war allerdings uninteressant, seine Kundschaft jedoch war für Damien immer wieder ein gefundenes Fressen.
Exeunt saß eine Weile am Tresen und trank das Gebräu, das man hier Bier nannte - aber aufgrund des nahgelegenen Pferdestalles hatte Damien es nicht genauer untersucht. Weniger Minuten später gesellte sich ein zweiter Mann dazu. Stinkend, mit Dreitagebart und einer allgemein schmierigen Art setze er sich neben Exeunt. Er wischte sich die mehrfach gebrochene Nase mit dem undefinierbar braunen Hemdärmel ab und fuhr sich dann durch das strähnige schwarze Haare. Auch er bestellte ein Bier, sah sich misstrauisch in der Bar um und nickte dann Exeunt zu. "Ach", durchbrach der Neuankömmling die dumpfe Stille, "zweihundert Dollar hab ich heute bei den Wagenrennen verloren..."
Exeunt horchte auf und sah ihn mehr interessiert als mitleidig an. "Woher hattest du denn die zweihundert?"
"Geheim." Der Kerl bedachte ihn mit einem Grinsen voller Zahnstummel.
"Ich würde dir 10 Dollar pro Wette geben, wenn du morgen nochmal hingehst. Aber ich setze nur auf gute, hochwertige Pferde..."
"20 Dollar müssten's schon sein." Der Kerl grinste wieder.
Exeunt kniff die Augen zusammen. "15, mehr isses nicht wert, Mann."
"15 Dollar und 10% Gewinnbeteiligung."
Exeunt willigte zähneknirschend ein.
Der Angesprochene nickte heftig, spuckt in die Hand und hielt sie seinem Geschäftspartner hin. Dieser spuckte ebenfalls in die Hand und schlug ein. "Morgen dann." Er legte einige Münzen auf den Tresen und ließ das Bier unangetastet stehen.

"Seltsam", Rea blickte von Damiens Bericht auf und sah den Szenekenner verwirrt an. "Pferdewetten?"
"Das ist natürlich ein Code, Rea", sagte Damien und zog die Stirn kraus. "Ich habe nur keine Ahnung für was."
"Ich würde sagen, 200 Stück einer Ware für 15 Dollar pro Stück und 10 Prozent Gewinnbeteiligung" , mischte Kannich sich ein.
"Nur was für Ware... Und wo wird sie übergeben?" Rea sah Damien erwartungsvoll an.
"Nun, Vorhang schließt seine Geschäfte am Liebsten an der Ankhbrücke ab." Damien bemerkte die verdutzten Blicke seiner Vorgesetzten und fügte hinzu: "Ja, natürlich sind da viele Wächter unterwegs. Zum einen sind das meistens nur 'unscheinbare' Umladeaktionen, zum anderen tauchen da, wo viele Wächter sind, wenig unlizenzierte Diebe auf."
"Weswegen wir ihn auch so gut beobachten?", fragte Kannich.
Damien nickte schmunzelnd.
"Also wirst du, Damien, zusammen mit Amalarie heute abend bei dieser Umladeaktion zuschauen. Findet heraus, um welche Ware es sich handelt. Und möglichst auch, woher sie stammt." Die Abteilungsleiterin strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. "Wenn wir Glück haben, haben wir den Verbleib der gestohlenen Grünpunkt Systeme ausfindig gemacht."
Kannich nahm den Stift aus dem Mund, an dem er gekaut hatte. "Sollten wir die Ware nicht beschlagnahmen?"
Rea schüttelte den Kopf. "Zum einen brauchen wir Vorhang noch, zum anderen stammen die Systeme von den Lords und sonstigem hochrangigen Gesocks und haben schon längst neue gekauft. Lassen wir ein bisschen Geld den Berg herabrollen." Rea grinste Damien an, dieser verzog die dünnen Lippen ein wenig.

Jargon Schneidgut, seines Zeichens Rechtsexperte der SEALS und somit der geborene Stubenhocker, war leicht übel. Der Lärm der Straße regte ihn auf und das Gerumpel des Wagens konnte nicht zur Besserung seines Gemütszustandes beitragen. William klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter. "Magst du ein bisschen Musik?", fragte er.
Jargon sah auf. "Musik? Willst du etwa singen? Danke, mir ist schon schlecht."
William zog eine beleidigte Schnute, lachte dann aber. "Nein, der Grünpunkt hat ein paar Lieder auf Lager. Nicht wahr, HansHans?"
"Ja, William. Was würdest du gerne hören?", fragte der Dämon zurück.
"Den Elfentanz, von T.I.L.F.", sagte William, und grinste breit.
Jargon sah ihn verwundert an, in der Musikszene kannte er sich nicht aus. Doch ehe er fragen konnte, um welche Lied es ging, hatte der Dämon schon mit hauchzarter Stimme und einer hervorgekramten Laute das Lied angestimmt.

"Bäumlein, ach wie voll Entzücken,
Bäumlein auf der Scheibe Rücken,
Bäumlein, von dir will ich pflücken,
Bäumlein ich will dich beglücken.

Schön ist doch Reproduktion,
und welch wundervollen Lohn
enstanden durch Konjugation
ist die feine Progression.

Bäumlein, ach.."

Jargon wurde rot. "Äh, William, ist das nicht ein... ähm... eher, nunja, anrüchiges Lied?"
William lachte. "Ach quatsch, rein biologisch ist das! Irgendwas über Bäume und Pflanzen und wie sie immer besser werden und so..."
Der Rechtsexperte war sich da nicht so sicher. Der Verkehrsexperte war in vielen Dingen immer sehr zweideutig. Andererseits wollte er sich keine Blöße geben. Als er schon das Thema wechseln wollte, kam der Wagen plötzlich ruckartig zum Stehen.
"Was ist denn hier los?" William stand auf um sich einen Überblick zu verschaffen. Auf der ganzen Straße standen Karren, Wagen und Kutschen, die meisten voll beladen, und es gab kein Weiterkommen. Noch ehe sie es ganz begriffen hatten, waren auch hinter ihnen einige Karren angerollt gekommen und für eine Wendung war die Straße zu eng.
"Ich sende eine Nachricht ans Wachhaus, dass sie die Straße sperren sollen. Und rufe Verstärkung!", Jargon kramte die Paddels aus dem hinteren Teil des Wagens hervor und stellte sich ebenfalls hin. Er suchte den nächsten Semaphorenturm, sprang solange auf und ab bis der diensthabende Wasserspeier ihn entdeckt hatte und begann dann mit diversen Verrenkungen und Gymnastischen Übungen [2] die Nachricht durchzugeben.
"Gut", sagte William. "Ich gehe mal nach vorne und checke dir Lage. Vielleicht können wir die Karren über die Uferpromenade umlenken."
"Du willst mich hier alleine mit dem wilden Tier zurücklassen?" Jargon sah skeptisch zu Sir Edradour, dem gemütlichen, aber sehr muskulösen Wallach der SEALS, der vor dem Wagen eingespannt war.
William schüttelte den Kopf. "Wo soll der denn hin?", meinte er nur und ging in Richtung Ponsbrücke.
Je näher er Richtung Brücke kam, desto mehr Kutschen fanden sich. Einige Wappen erkannte er, andere waren ihm eher unbekannt und teilweise handelte es sich auch um jene verhangenen Sänften, in denen die wichtigen Zwerge durch die Stadt getragen wurden. Ausnahmslos sah er irgendwo einen kleinen Grünpunkt Kasten, aus denen permanent betont freundliche aber nachdrückliche Anweisungen kamen.
Als er die Ponsbrücke erreicht hatte, erkannte er die Ursache des Staus. Eine Kutsche und ein Wagen waren zu schnell zu eng aneinander vorbeigefahren, wobei die seitlichen Planken des Wagens die Kutsche nicht nur aufgerissen hatten, sonder sich auch noch mit deren Querstreben verhakt hatten. Beide Fahrzeuge kamen weder vor noch zurück, was auch daran lag, dass die Stute im Gespann vor der Kutsche einen halben Meter über dem Boden hing, und so voller Panik wieherte, trat und schlug, dass sich niemand der Schaulustigen dazu gemüßigt sah, das wildgewordene Pferd wieder auf den festen Boden der Tatsachen zu holen. Zugegeben, es gab noch viel interessanteres Straßentheater zu sehen. Als sich William endlich durch den Mob gezwängt hatte, konnte er die zwei Männer sehen - aus ihren Flüchen und Verwünschungen konnte er entnehmen, dass es sich wohl um die Fahrer handeln musste - die offensichtlich in eine Messerstecherei vertieft waren.
"Hast du Tomaten auf den Augen gehabt, Mann?", rief der eine und entging nur knapp einer Attacke durch den Dolch seines Gegners. Er trug normale Straßenkleidung und seine Schirmmütze wies ihn als einfachen Lieferanten aus.
"Ich bring dich um! Den Schaden wirst du mir bezahlen." Der zweite Mann war in deutlich teurere Klamotten gekleidet, ein rosa-farbene Seidenkravatte, die auf sein Hemd abgestimmt war, lag vergessen auf dem Boden. Wieder holte er aus, doch der Lieferant bewies seine niedrigere Herkunft, indem er dem Messerstecher gegen das Schienbein trat. Er lachte genüsslich auf. "Pass auf, gleich ziel ich weiter oben!"
Der Reiche Schnösel jaulte auf. "Hast die Karrenlizenz wohl beim Preisauschreiben gewonnen, was? Gurkst hier auf der falschen Seite durch die Gegend, du Mistkerl!"
"Du warst falsch, du Idiot!", schrie der Lieferant und wich erneut einer Attacke aus. Er erwies sich als außerordentlich geschickt darin, daher hatte William bislang noch nicht eingegriffen.
"Bei Vectura, verdammt, der Dämon hat gesagt ich soll links Fahren! Sowas kannste dir wohl nicht leisten, was? Pass bloß auf!" Der Schnösel rannte erneut auf den Lieferanten zu und William sah es nun angebracht, sich einzumischen.
"Haaaaalt, Stadtwache Ankh-Morpork! Ihr behindert den Verkehr, seht ihr das denn nicht?"
Die beiden Männer hielten inne, der Schnösel hatte den Dolch noch erhoben. Beide zeigten auf ihren Opponenten. "ER behindert den Verkehr!"

Kannich ließ die Zeitung sinken. "Was für ein Drama! Eine Messerstecherei auf der Ponsbrücke, am hellichten Tag..."
"Es war gut, dass ihr noch gekommen seid, einige der Freunde des Lieferanten wollten schon gewaltsam die Strasse räumen." William schlürfte am Kakao und schüttelte dann den Kopf. "Hast du eine Ahnung, wieso der Graf links gefahren ist, statt rechts?"
Kannich zuckte mit den Schultern. "Vielleicht lag es an einer Messungenauigkeit? Ich bin kein Beschwörer, ich kenne mich ein bisschen mit Komm-Dämonen aus, aber in der Semaphora gab es einen Artikel über die Dinger. Trotzdem, wie doof kann man sein, auf einer Brücke abbiegen zu wollen und sich links einzuordnen."
"Was mich viel mehr interessiert", sagte Ettark, der sich auf die Nachtschicht vorbereitete, indem er bereits seinen dritten Becher Kaffee trank, "ist, wieso all diese Wagen mit den Navi-Dämonen über die Pons-Brücke wollten."
William hustete. "Anscheinend ist es wohl noch nicht ganz ausgereift, ich hab mir von HansHans ein paar Strecken von der Götterinsel über den Ankh aufsagen lassen. Sie führen ausnahmslos über die Ponsbrücke, selbst wenn ich zum Platz der gebrochenen Monde wollte, der auf der anderen Seite liegt."
"Nun, man vermeidet den Stau auf dem Unteren Breiten Weg", sagte Damien, der in einer Ecke des SEALS Aufenthaltsraumes versucht hatte, zu schlafen.
Es klopfte und die Abteilungsleiterin trat ein, auch für sie war jetzt, als die Sonne den Horizont erreicht hatte, Dienstbeginn. An den offenen, zerzausten Haaren und der zerknitterten Uniform konnte man schnell erkennen, dass sie den Tag auf der Bahre verbracht hatte, die in ihrem Büro stand. Mit einem müden "Bleibt sitzen", schlurfte sie zum Kaffeedämon hinüber. Es war wieder einmal unerträglich still im Aufenthaltsraum, wie immer, wenn ein Vorgesetzter anwesend war, doch mittlerweile störte sie sich nicht mehr daran. Sie nahm eine einigermaßen saubere Tasse, auf der eine lächerlich grinsende Sonne und die Worte "Guten Morgen" abgebildet waren, aus dem Regal und orderte den ersten Kaffee des abends.
Kannich sah abwesend dabei zu, wie sie sich in den Sessel fallen ließ, etwas vom Kaffee verschüttete, einen Fluch unterdrückte und die Zähne zusammenbiss, als die heiße Flüssigkeit die Haut unter der Uniform erreichte.
"Was habt ihr mit den beiden Messerstechern gemacht?", fragte Rea schließlich, während sie versuchte, den Kaffee mit de Löffel kalt zu rühren.
"Mä'äm, wir haben Graf Raffig in Gewahrsam genommen. Die Assassinengilde hat bereits einen Antrag auf Auslieferung gestellt, weil er auf offener Straße mit Mord gedroht hat." William knurrte. "Wegen der Messerstecherei muss er wahrscheinlich nur eine Strafe zahlen."
"Hm, wenn Breda morgen im Wachhaus ist, Kannich, dann bitte du sie doch, mit der Gilde eine kleine... äh... Versöhnungsgeste auszuhandeln. Und dann noch eine, hm... Bearbeitungsgebühr in der Höhe einer Entschädigungszahlung für den Lieferanten. Wenn der Kerl überhaupt vor ein Gericht muss, wegen eines Verkehrsdeliktes, wird der arme Schlucker eh keinen Cent sehen."
"Mä'äm, ist das nicht ein wenig Selbstjustiz?", fragte Kannich, der sich nicht darauf freute gleich am nächsten morgen mit der hübschen Vampirdame reden beziehungsweise stottern zu müssen.
"Klär das mit Bjorn oder Jargon ab. Wir behalten das Geld ja nicht. Du kannst ihn natürlich auch nach einer Spende für die Kaffeekasse fragen... Als Trinkgeld für unseren Zellenservice." Rea grinste.
"Er hat sich beschwert, dass aus Feldwebel Feinstichs Zelle seltsame Geräusche kommen. " Damien liebte es, sich die Beschwerden der Zelleninsassen anzuhören. "Und seit einer Weile sitzt eine Milz in der Ecke seiner Zelle und versucht sich zu verstecken."
"Eine Wandermilz, sehr selten", sagte William. "Ich glaube, sie heißt Johann."

"Wann kommen die denn endlich, mit ist laaaaangweilig", murrte Amalarie, schon zum dritten Mal. Es war erst halb 10 und sie saßen gerade Mal seit einer Stunde in dem Hauseingang.
Damien zuckte genervt die Schultern, wobei die Gnomin beinahe herunterfiel, sich aber gerade noch an seinem Ohr festhielt. Der Szenekenner schluckte eine beißende Bemerkung herunter, und wünschte sich, so wie Ettark oben auf den Dachzinnen eines Hauses zu liegen, alleine mit einem Ikonographendämon, Zigaretten rauchend... Stattdessen musste er sich mit einer Person abgeben, deren Energie eines Superbulle-abhängigen Kleinkindes auf 12 Zentimeter gebündelt war. Ob Rea das beabsichtigt hatte? Eigentlich glaubte er das nicht, aber es war angenehm, einen Schuldigen zu haben.
Endlich tat sich etwas. Ein Wagen näherte sich der Ankhbrücke und der Verdächte Mann aus der Bar fuhr ihn leise pfeifend Richtung Brücke. Damien nahm die "Harmloser, schlafender Penner"-Position an, die sich in solchen Situationen bewährt hatte. Auch Amalarie wurde still. Der Wagen kam zum stehen, und der Fahrer zündete sich eine Zigarette an, stieg ab und lehnte sich gegen eine Mauer.

Amalarie sprang von Damiens Schulter herunter. "Dauert nicht lange", flüsterte sie und lief, immer im Schatten der Häuser, zu dem Wagen. Der Fahrer war zu sehr in seine Zigarette vertieft, als dass er ihre winzige Gestalt in der Dunkelheit bemerkt hätte. Wenn, dann hätte er sie wahrscheinlich für eine Ratte gehalten, die hier am Ankh besonders frech waren.
Sie kletterte auf den Wagen, der von einem schmutzigen Tuch bedeckt war. Überall stapelten sich kleine Holzkistchen. "Das müssen doch über 200 Stück sein", dachte sie und besah sich die Kästchen dann genauer. Sie sahen den Navi-Dämonen-Kästen, die William ihr gezeigt hatte sehr ähnlich, wenn sie auch größer waren und weniger verziert. Auf der Seite stand groß "Falke Meditron", um die gestohlenen Grünpunkts handelte es sich also nicht.
Sie öffnete eines der Kästchen und ein manisch grinsender, schwach leuchtender Dämon sprang heraus, kicherte leise und lief davon. Amalarie sah ihm nach, als sie Schritte hörte. Und Stimmen.
"Dann lass mich die Ware erst sehen", hörte sie noch und kapierte sofort, dass sie sich verstecken musste. Geistegegenwärtig sprang sie in das nun leere Kästchen hinein, es bot ihr gerade so genug Platz, wenn sie sich hinhockte. Sie zog den Deckel zu und hielt den Atem an.
"Hmmm, scheint in Ordnung zu sein." Jemand klopfte auf einen der Kästchen. "Solide Ware, kann dein Mann morgen noch einmal soviele erschaffen?"
"Hm, 200 Stück sind viele an einem Tag. Das kostet extra. Mach mir ein Angebot."
"20 Dollar, mit Gewinnbeteiligung, jaja. Und schreib bitte "Version 2.0" drauf, oder so."
"Is recht. Bis morgen dann. "
Das Tuch wurde wieder bewegt und aus dem kleinen Guckloch erkannte Amalarie, dass die Luft rein war. Sie stemmte sich gegen den Deckel, doch er rührte sich nicht. Der Wagen setzte sich in Bewegung und Amalarie begriff, dass sich das Kästchen nur von Außen öffnen ließ. Sie saß in der Falle.

Damien biss die Zähne zusammen. Der Wagen fuhr gerade an seinem Hauseingang vorbei, doch von Amalarie keine Spur. Wollte sie etwa mit den Verbrechern mitfahren? Hatte sie eine Spur? Er bezweifelte es. Irgendetwas war schief gelaufen. Das kam davon, wenn man unerfahrene Informantenkontakter auf solche Missionen mitnahm. Was sollte er jetzt tun? Den Wagen stoppen? Das war nicht Sinn dieser Sache, sein Cover würde auffliegen, die Arbeit von Monaten wäre zunichte gemacht. Schließlich entschied er sich. Er zückte seinen Totschläger und rannte dem gemütlich fahrenden Karren hinterher. "Bleib stehen du Mistkerl, du hast da was, was mir gehört!"
Der Fahrer drehte sich um. Zu spät erkannte Damien das blitzende Metall. Der Pfeil schoss auf ihn zu, traf ihn in die Schulter, eine Welle des Schmerzes breitete sich in seinem Körper aus. Er hörte noch, wie der Fahrer das Maultier mit der Peitsche zur Eile antrieb, dann wurde ihm Schwarz vor Augen.

"Verflucht, verflucht, verflucht!" Rea ging in ihrem Büro auf und ab. Damien lag auf der Bahre, die Schulter verbunden und ausnahmsweise einmal glückseelig, nachdem Rea ihm einen widerlich schmeckenden Kräutersud eingeflößt hatte.
"Meinst du, er hat dich erkannt? Vorhang hat dich doch schonmal gesehen, oder?"
"Isch glaub nich...", Damien antwortete mühsam, während er verwundert seine Hand betrachtete.
"Was sollen wir wegen Amalarie tun?", fragte Ettark, der sich wünschte, er hätte etwas von dem Zeug abbekommen.
"Wenn sie sie nicht entdeckt haben, dann ist sie wahrscheinlich in Sicherheit. Sie kann sich gut verstecken." Rea sah aus dem Fenster, es war bereits nach Mitternacht und sie hatte keinen neuen Ansatzpunkt. Nichtmal die Art der Ware, die da verkauft wurde kannte sie. "Ich hoffe zumindest, dass sie sich versteckt..."
Ettark räusperte sich. "Fräulein Oberfeldwebel", sagte er wieder in seinem herablassenden Ton, mit dem er Rea gerne zur Weißglut brachte. "Wir haben noch die Ikonographien. Die Ikonographien die ich gemacht habe."
Rea drehte sich abrupt um, ihr Zopf peitschte durch die Luft und Damien kicherte leise. "Genau! Wir können schauen ob sich der Karren bereits in der Verkehrssünderkartei befindet."
"Oder wo er langgefahren ist. Glaube kaum dass der Typ seine Knöllchen bezahlt." Ettark grinste.
"Gut, geh der Sache nach."
"Ja, Fräulein Oberfeldwebel."
Rea verzog nur das Gesicht.

Menélaos hatte eigentlich besseres zu tun, als Verkehrsdämonen zu befragen. Deswegen war er ziemlich genervt, dass Ettark ihn damit beauftragt hatte. Zähnknirschend hatte er jede einzelne Messstation abgegrast, den Dämonen die Ikonographien gezeigt, einige der Wasserspeier befragt, die in der Gegend herumlungerten und sich außerdem sich ein bisschen bei vertrauenswürdigen Quellen über den Kerl umgehört, dem der Wagen gehörte. Viel hatte er nicht in Erfahrung bringen können. Anscheinend nannte man den Kerl "Flotter Otto", nicht, weil er Probleme mit der Verdauung hatte sondern angeblich, weil er Otto hieß und sehr schnell war. Die Messstation "Schatten" hatte ihn dreimal in den letzten beiden Tagen aufgezeichnet, allerdings holte hier nur selten jemand die Ikonographien ab, geschweige denn, dass der Dämon regelmäßig gefüttert wurde. Dabei war diese Station, in der Straße Paradies situiert, einer der weniger gefährlichen Teile der Schatten und direkt am Rand. Vor allem aber war es eine große, breite Straße, in der öfter "interessante" Dinge passierten, und so hatte man dem Dämon beigebracht, jedes Gefährt zu skizzieren. Leider hatten sie immer wieder mit Vandalismus zu kämpfen gehabt und die Abteilungsleiterin hatte des Öfteren überlegt, die Station ganz abzuschaffen.
Menélaos machte sich auf den Rückweg, erleichtert, nur den Morgen dafür verschwendet zu haben und sich gleich wieder seiner kondichemischen Forschung widmen zu können. Auffallend waren die vielen Wagen mit neuem Navidämon, die ihm entgegen kamen. Einige davon spielten sogar Lieder, einen der neuesten "Musik mit Kieseln drin"-Hits hatte er schon mehrfach aus vorbeifahrenden Karren gehört. Er persönlich konnte ihn gar nicht ausstehen. Es hatte etwas mit Leg-Herrn-Zwiebel-Rein und der unbewegten Miene dabei zu tun und stammte von Madame Crazy, einer Madame, der er niemals begegnen wollte - zumindest nicht im Dienst.
Wie gewohnt wollte er von der Ulmenstraße in die Sirupminenstraße einbiegen. Verwirrt sah er sich um. Er befand sich in der Glatten Gasse - war er schon so weit gelaufen, ohne es zu bemerken? Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, obwohl er heute noch nicht in der Kantine gewesen war. Er schluckte, vor ihm erstreckte sich nicht die Ponsbrücke, sondern die Messingbrücke. Irgendetwas Seltsames ging hier vor...

Als William nach seiner morgendlichen Routinefahrt wieder in den Hof des Hauptwachhauses kam, erwartete Rea ihn bereits und verlangte einen Bericht.
"Rea, am Fährenweg sind 5 Karren ins Wasser gefahren weil ihr Navidämon ihnen gesagt hat, dort sei eine Brücke." William inspizierte den Fußboden und fuhr dann fort: "Und am Nilpferd fährt seine etwa 3 Stunden eine Kolonne im Kreis, weil der Navidämon ihnen sagte, sie sollen links in den Kreisverkehr einfahren und dann aufgehört hat, Anweisungen zu geben. Einigen Leuten ist schwindelig geworden und sind vom Karren gefallen. Miriel und Chi versuchen die Lage in den Griff zu bekommen, ich habe einige Rekruten vom Stallausmisten befreit und ihnen zu Seite gestellt."
Rea vergrub das Gesicht in den Händen. "Ist denn hier noch irgendjemand in der Lage, zu denken, ohne dass der Navi-Dämon das für ihn übernimmt?"
William zuckte mit den Schultern.
"Die Verblödung der Leute schreitet voran, ganz Ankh-Morpork ist eine einzige Progressionszone der Dummheit. Wir haben es endlich geschafft." Rea schüttelte den Kopf. Wir lassen uns von Dämonen sagen, was wir sehen, wieviel Uhr es ist, diktieren ihnen Nachrichten und jetzt lassen wir uns auch noch den Weg von ihnen sagen. Bald sagen sie und noch die Zukunft voraus. Die Technomanzie ist in jeden Winkel des Lebens eingezogen und beginnt, es zu verändern. Das ist gar nicht gut, sag ich dir."
"Du glaubst gar nicht, wie recht du hast." Menélaos stand plötzlich im Hof, verwirrt und geschafft ließ er sich auf einen Heuballen fallen. "Ihr werdet mir das nicht glauben..."

Kannich hatte sich auf den Kommunkilationsturm zurückgezogen. Nachdem er sich am Morgen vor der hübschen Vampir-Dame mal wieder blamiert hatte, weil er kaum ein Wort zustande gebracht hatte, brauchte er eine Pause. Er konnte immer noch nicht glauben, was die DOG gesagt hatte, nämlich, dass sie nun auch Kommunikationsexpertin sei und sie häufiger zusammenarbeiten würden. Allein beim Gedanken daran zitterten ihm die Knie. Da konnte ihm nur eines helfen: Er suchte aus den Manuskripten im Klackerturm nach einem besonders schwierigen Code und begann ihn zu entziffern. Plötzlich verlangte der Ausguck-Wasserspeier auf dem Turm seine Aufmerksamkeit. Er sah hinaus und traute seinen Augen kaum. Der Klackerturm des mittwärtigen Tor erschien ihm viel näher als normal. Dafür war der Turm der Assassinengilde - das gesamte Gebäude der Assassinengilde - auf der falschen Seite der Götterinsel. Kannich meinte eigentlich, sich über den Dächern der Stadt gut auszukennen, doch erkannte er Ankh-Morpork kaum wieder. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Ein Knuff in die Seite durch den Wasserspeier ließ ihn aufschrecken. Der Turm des mittwärtigen Tors sendete etwas. Schnell schrieb er die Nachricht auf, steckte sie in die Tasche seiner Uniform und rannte los.

Amalarie wachte auf. Nachdem sie gefangen worden war und eingesehen hatte, dass es kein Entkommen gab, hatte sie das einzig Mögliche getan: Sie hatte geschlafen. Als sie noch überlegte, was sie geweckt hatte, klopfte jemand an das Kästchen.
"Hey, wie geht das Ding denn an? Heribert, das Ding geht nicht an!", sagte eine schrille Frauenstimme.
"Lasst mich hier raus", Amalarie versuchte, wieder gegen den Deckel zu drücken, natürlich vergeblich.
"Was?", die Frauenstimme schien verwirrt.
"Ich bin kein Dämon, ich bin eine Stadtwächterin von Ankh-Morpork und wurde eingesperrt, lasst mich hier raus!" Amalarie versuchte, durch das kleine Guckloch etwas zu sehen. Das Auge eines Menschen spähte ihr entgegen.
"Heribert, der Dämon sagt er wäre kein Dämon."
"Lass mich raus, verdammt, sonst mach ich dir die Hölle heiß!", schrie Amalarie, der es zu bunt wurde. "Es ist echt scheiß unbequem hier drin!"
"Heribert der Dämon flucht! Heribert, sag doch was!"
Amalarie hörte, wie sich um sie herum etwas tat. Ein Mann, anscheinend Heribert, nahm das Kästchen in die Hand und sah ebenfalls hinein. Dann öffnete er das Kästchen.
"Tatsächlich, kein Dämon. Ein Gnom."
Die Informantenkontakterin, stand auf und stemmte die Arme in die Hüften. "Gnomin, bitteschön." Sie kletterte aus ihrem Gefängnis. "Und Stadtwächterin von Ankh-Morpork, zwar erst Gefreite, aber das wird noch. Und wer seid ihr?"
Verblüfft sah sich das Ehepaar an. "Äh..., Heribert und Alfrieda Morgenfritte.", sagte Heribert. "Was ist mit dem Dämon passiert?"
"Er ist abgehauen und, ähm, hat mich eingesperrt." Amalarie war es zu peinlich zuzugeben, dass sie selbst hineingeklettert war. "Es handelt sich bei den Dämonen nämlich um billige Fälschungen! Könnt ihr mich zum Wachhaus bringen?"

"Oberfeldwebel, was bei der teuersten Fuselflasche des Wächtergottes geht hier vor?" Araghast sah Rea mit einem Blick an, der Eisberge wie Subtropen aussehen ließ. Er war in Reas Büro geplatzt, als diese gerade mit Kannich gesprochen hatte.
"Ich habe keine Ahnung, Bregs, ich hab eben erst den Bericht von Menélaos gehört und die Nachricht von Miriel gelesen, die Kannich bekommen hat."
"Die Stadt steht Kopf, Rea!" Der Kommandeur ließ sein Auge durch den Raum schweifen. Es herrschte das übliche, geschäftige Durcheinander, nur dass auf der Bahre eine Leiche lag. "Hatte ich nicht neulich erst gesagt du sollst das Schnibbeln im Büro sein lassen?"
"Das ist Damien, er lebt noch. Die Beobachtungsaktion gestern ist schief gelaufen, Amalarie wird vermisst, die Streifen finden nicht nach Hause und der Verkehr ist ein einziges Chaos, weil seit neuestem billige Navi-Dämonen zu kaufen sind." Sie deutete auf einen kleinen Kasten, den Menélaos mitgebracht hatte. "Das war der Lagebericht, Sir."
"Und was willst du dagegen unternehmen?", fragte Breguyar, während er sich über den jetzt leise schnarchenden Damien beugte. Das naive Lächeln eines Kleinkinds lag in seinem Gesicht. "Alle Streifen haben Anweisung, die Dinger zu konfiszieren. Allerdings weiß ich nicht, wieviele meiner Leute diese Nachricht bekommen haben."
"Meinst du, die neuen Dämonen haben etwas damit zu tun?", fragte der Halbvampir und nahm das Kästchen hoch. Als er hineinsah, starrte ihm ein manisch wirkender Dämon entgegen.
"Möglich wäre es. Die Dinger sind vollkommen untauglich", erwiderte Kannich, der ganze drei Minuten gehabt hatte, sich mit dem Gerät zu beschäftigen. "Auf jeden Fall ist der Dämon durchgeknallt. Er hat die Karte zerrissen, angeblich weil ihn die Falke-Patentfaltung irre gemacht hat."
Die Tür wurde aufgestoßen und zwei wütende Zauberer betraten den Raum. "Ist das die Verkehrsabteilung?", fragte der erste, wie die meisten Zauberer untersetzt und mit langem weißem Bart.
"Vielleicht?" Rea verschränkte die Arme vor der Brust. "Was wollt ihr hier?"
Der Schlankere der beiden Zauberer, dessen Bart noch rötlich war gab seinem Kollegen einen Knuff in den runden Bauch und flüsterte ihm etwas zu. Der Dicke nahm eine straffere Haltung an.
"Ich bin der Professor für unsichere Studien und mein Kollege ist Dozent für Kreative Ungewissheit. Wir kommen wegen diesen Dingern hier." Er hielt einen Falke-Meditron nach oben. "Habt ihr bemerkt, dass sie die Geographie der Stadt verändern? Schlecht beschworen, verrückt und falsche magische Pläne, die man zusammenfaltet hat. Zusammengefaltet! Gefaltet, versteht ihr? Er hat die Stadt gefaltet!"
Bregs sah von Rea, die auf ihrer Unterlippe kaute, zu Kannich, der wohl Dozent für Schuh- und Bodenkunde werde wollte. "Diese Dinger hier verursachen das ganze Chaos?", fragte der Kommandeur und hob das Kästchen hoch, dass er noch immer in der Hand hielt. Die Zauberer nickten unisono.
"Was kann man dagegen tun?", fragte Rea misstrauisch.
"Aaaah, das ist ganz einfach. Man löscht die Dämonen aus, soviele wie möglich. Das Raum- Zeitkontinuum ist wie ein Gummiband, momentan wird sie von zuvielen Dämonen mit falschen Angaben und äh, ja, Quanten... gedehnt. Wenn wir die Anzahl der Dämonen reduzieren, geht auch die Spannung zurück und das Gummiband schnappt wieder in seine alte Form zurück."
"Und was ist wenn das Gumiband dabei wegfliegt?", fragte Rea, die Stirn in Falten gelegt.
"Besser, als wenn es zerreißt, Madame." Der Zauberer zwinkerte ihr zu.
Rea legte den Kopf schräg. "Und wie treibt man einen Dämon aus?"
"Ahh, wieder ganz einfach. Man nehme Dämon-X, der beste Dämonenaustreiber auf dem Markt derzeit." Er holt eine Sprühflasche hervor. "Darf ich es vorführen?" Ohne eine Antwort abzuwarten nahm er Breguyar den Kasten aus der Hand und öffnete ihn. "Bitte achten sie auf das Opernhaus - äh - den Hier-Gibt's-Alles-Platz außerhalb des Fensters." Er sprühte ein paar Mal in das Kästchen, der Dämon kicherte irre, dann wurde es still. Die Wächter blinzelten. Draußen stand wieder das Opernhaus - als hätte es immer dort gestanden.
"Ist es nicht gefährlich einfach einen ganzen Platz zu bewegen?", fragte Breguyar.
Die Zauberer schüttelten den Kopf. "Die Stadt verschiebt sich nicht wirklich. Wenn der Dämon ausgelöscht ist, dann reguliert sich das Realitätsband indem es eine Durchmusterungreihenfolge durchläuft und jene Inkongruenzen wieder ausgleicht, die von dem Dämon verursacht wurde."
"Aha. Also etwas mit Kanten?", fragte Rea.
"Quanten", korrigierte der Dozent für ungewisse Kreativität. "Wenn ihr dann bitte alle Falke-Meditron hierher bringen würdet? Wir würden dann die Vernichtung vornehmen."
Rea sah zu Bregs, der zuckte mit den Schultern. "Einen besseren Vorschlag habe ich nicht."
Die Abteilungsleiterin SEALS schürzte die Lippen, nickte den Zauberern aber zu. Offenbar kostete sie das viel Überwindung.

Als der Wagen das Wachhaus erreichte, waren sie fast eine Stunde unterwegs gewesen. Amalarie war sich sicher, sie wäre drei Mal am Patrizierpalast vorbeibekommen - in jeweils unterschiedlichen Stadtteilen. Herr und Frau Morgenfritte hatte sich verwirrt von der Gnomin verabschiedet und hatten dann beschlossen, sich eine Weile auf den Hier-Gibt's-Alles-Platz umzusehen - auf dem kurz drauf wieder das Opernhaus stand.
Die Informantenkontakterin sah noch zwei Zauberer aus dem Wachhaus kommen, schlüpfte durch die sich schließenden Türen und lief schnurstracks zum Büro der Abteilungsleiterin.
"Melde mich zum Dienst, Ma'am, bitte entschuldige die lange Abwesenheit." Sie salutierte und grinste. Erschrocken stellte sie fest, dass sich der Kommandeur auch im Büro befand und sie salutierte noch mehr.
Die beiden Vorgesetzten sahen sie fassungslos an. "Den Göttern sei Dank, du bist wieder da! Geht's dir gut? Was ist passiert?", sagte Rea.
Amalarie nickte stolz. "Mir geht's prima, auch wenn ich ziemliche Rückenschmerzen habe. Ich wurde in einem Navi-Dämon-Kästchen gefangen, von einem durchgeknallten Dämon. Und ich hab sogar neue Informationen! Die Übergabe gestern waren keine gestohlenen Grünpunkt-Navi-Dämonen, sondern billige Plagiate, die nicht richtige funktionieren!"
"Falke-Meditrons?", fragte Rea.
Die Gnomin nickte erneut. "Und rate mal wer die herstellt! Der entführte Beschwörer, genau der! Der schmierige Kerl hält ihn wohl gefangen."
Rea lächelte. "Das ergibt Sinn. Dann können wir die Adresse, die Menélaos ausfindig gemacht hat, ja mal aufsuchen und -"
"Das", unterbrach sie der Kommandeur, "ist ja wohl Sache der FROG, hm? Kümmer du dich mal um das Verkehrschaos, ich gebe Valdimier bescheid."
" Sir."

"Der Patrizier hat vorerst alle Navi-Dämonen verboten", seufzte William. "Und ich hatte mich schon so an Hanshans gewöhnt..." Er hatte es sich wieder einmal im Pausenraum gemütlich gemacht, während sich die Rekruten um das Stallausmisten kümmerten.
"Ist aber auch besser so", entgegnete Miriel. "Acht Stunden haben wir für unsere Streife gebraucht, aber immerhin konnten wir fünfzig von den Dingern beschlagnahmen, die Leute waren froh sie loszuwerden."
"Ich habe 80 mitgebracht, am Ende haben die Leute sie mir nachgeworfen. Hätte mir ein befreundeter Zwerg nicht seinen Wagen geliehen, hätte ich sie gar nicht tragen können."
"Damit hat sich das dritte Navigationssystem nicht bewährt", murmelte Damien. Seine Schulter verheilte bereits und das Schmerzmittel, das Rea ihm gegeben hatte, war schon lange abgeklungen. Weitere Dorgen hatte er abgelehnt, es hatten ihn zuviele Leute dämlich grinsend gesehen. Gedankenverloren blätterte er in der Zeitung. Plötzlich hielt er inne und pfiff dann durch die Zähne. "Das wird der Hexe aber gar nicht gefallen."
"Was wird mir nicht gefallen?", fragte Rea, die plötzlich im Türrahmen des SEALS Aufenthaltsraumes stand. Mit verschränkten Armen musterte sie die drei SEALS im Raum. Bjorn versuchte, unsichtbar zu werden, Miriel Gerfurt, die die Launen der SEALS-Abteilungsleiterin noch nicht so gut kannte lächelte freundlich zurück.
Damien hustete kehlig. "Dieser Graf Raffig hat sich geweigert der Assassinengilde eine Strafgebühr von 50 Dollar zu zahlen und hat dem Unterhändler, der ihn nochmals dazu auffordern wollte, gesagt er könne sie sich - in den, also, dahin wo die Sonne nicht scheint schieben. Auf eigene Gefahr mussten wir ihn dann freilassen."
"Und?"
"Ähm, nun, sieh selbst, Rea." Er gab ihr die Zeitung und deutete auf ein Bild, auf einer der hinteren Seiten. Auf ein Schleusentor der Ponsbrücke hatte jemand das Wort "Verkehrssünderkartei" geschrieben. Darunter baumelte der Körper des Grafen, getötet in Assassinenmanier. Zwischen Dolch und Brust hing noch die Quittung.
"Nun, DAS nenne ich mal eine Karteileiche..."

[1] Seine Eltern hatten ihn nach dem Hauptdarsteller eines Theaterstückes benennen wollen, und schließlich tauchte dieser Exeunt in fast jedem Stück auf!

[2] William war sich sicher, dass der Code für "Straße sperren, die Brücke ist blockiert" dem Ballett "Der sterbende Schwan" nachempfunden war

Zählt als Patch-Mission für den Abteilungsleiterin SEALS / San-Patch.



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Feedback:

Von Huitztli Pochtli

01.09.2009 11:39

Eine wirklich gelungene Single. Die Idee mit den Navi-Dämonen, die den Raum krümmen, ist einfach köstlich.

Von Braggasch Goldwart

01.09.2009 11:39

Ordentlich. Ich muss ehrlich gestehen, vom hocker gerissen hat mich der stil nicht, aber die story war interessant und die sicht der personen nachvollziehbar.

Von Rea Dubiata

03.09.2009 12:29

Hmm, also die Kommentare sind ja leider nicht so aussagekraeftig, aber ich freue mich mit einer Single die erstrangig auf Spass/Scherze und erst zweitrangig auf Plot ausgelegt war, doch so eine hohe Punktzahl bekommen zu haben.

Der Stil liess leider aufgrund des vorangegangenen Protokoll-Marathons zu wuenschen uebrig - ihr wollt gar nicht wissen wie oft mir nur das englische Wort einfiel und ich bei Leo nachschlagen musste wie es auf Deutsch heisst. :pein:

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