Servus, Sklave! (2)

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von Oberfeldwebel Sillybos (SUSI)
Online seit 05. 01. 2009
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Der zweite Teil des Kriminalstücks von der bizarren Scheibenwelt.

Dafür vergebene Note: 14


Sorgfältig aus dem Latatianischen übersetzt von Horst Brand.


Es spielen (in der Reihenfolge ihrer Auftritte):
Drei Revisoren, ein Erzähler, die 'Referentin' (fiese Kriminelle), Papillo alias Herr Schmetterling (Zoologe), Llyfer alias Herr Buch (Bücherexperte), Magius alias Herr Magus (Zauberer), Pickit alias Herr Schnapp (Dieb), Tractatus alias Herr Neusprech (Linguist), Boggis (Präsident der Diebesgilde), Fw Sillybos (Spurensicherer), Hohepriester (der Göttin Latatiana), Dux (Rechte Hand des Hohepriesters), Bibliothekar (Orang-Utan), Hegelkant (Sklave), Erzkanzler (der Unsichtbaren Universität), Dekan (Dekan), Hptm Humph MeckDwarf (Abteilungsleiter SUSI), HG Charlie Holm (Spurensicherer), Kmdr Rascaal Ohnedurst (Kommandeur der Stadtwache), Konstabler (Kommandant der Palastwache), Palastwächter, Lord Vetinari (Patrizier von Ankh-Morpork), Ponder Stibbons (Zauberer), religiöse Fanatiker (der Göttin Latatiana), Dozent (für neue Runen), Professor (für unbestimmte Studien), Hirte (Oberster), K Valdimier van Varwald (Armbrustschütze), G Halbtag Baumfellerson (Triffinsziel), Aufseher (des Palastarchivs), William de Worde (Chefredakteur Ankh-Morpork Times), HG Goldie Kleinaxt (Dobermann), Romulus von Grauhaar (Ermittler), Wärter (der Unsichtbaren Universität), Gunilla Gutenhügel (Schriftsetzer der Ankh-Morpork Times), W Ruppert von Himmelfleck (Rekrut), ein Assassine, Boffi und Joffi (zwei Gläubige Latatianas), ein Igor, OG Ophelia Ziegenberger (Verdeckte Ermittlerin), ein Dieb, Hptm Daemon Llandcairfyn (Abteilungsleiter DOG), HG Pyronekdan (Kontakter), OG Damien G. Bleicht (Szenekenner), HG Will Passdochauf (Kommunikationsexpertin), Tod, StSp Atera (Abteilungsleiterin SEALS), Rekruten (der Stadtwache), Kapitän (eines Handelsschiffs), Fw Kanndra(Späherin)


AKT III


Szene 1

(Vorbühne. Drei Revisoren treten auf.)
ERSTER REVISOR: Die Entwicklung der neuen Sprache geht gut voran.
ZWEITER REVISOR: Die Vernichtung der alten Sprache geht ebenfalls gut voran.
DRITTER REVISOR: Das Projekt wird in zwei Tagen abgeschlossen sein.
ERSTER REVISOR: Und dann werden die Menschen unsere Sprache sprechen. Eine Sprache, die in Klarheit und Unmissverständlichkeit überlegen ist.
ZWEITER REVISOR: Die Menschen werden vernünftig sprechen lernen.
DRITTER REVISOR: Und wovon sie nicht sprechen können, darüber müssen sie schweigen.
(Revisoren ab. Auftritt Erzähler.)
ERZÄHLER: Wir befinden uns auf der Scheibenwelt. Einer Welt, auf der Magie sehr real ist, und so auch die Magie der Sprache. Ebenso real sind die Revisoren der Realität, die Verwalter des Universums. Die Revisoren verabscheuen jede Form von Unordnung, und die menschliche Sprache mit all ihren Missverständnissen und Vieldeutungen ist für sie ein Inbegriff der Unordnung. Aus diesem Grund versuchen sie, die derzeitige Sprache der größten und schmutzigsten Stadt der Scheibenwelt, Ankh-Morpork, zu zerstören und durch ihre eigene zu ersetzen. Es ist der Magie der Scheibenwelt zu verdanken, dass es genügt, die alte, ursprüngliche Sprache der Stadt - Latatianisch - zu zerstören, wodurch auch die daraus hervorgetretenen Sprachen zerstört werden würden. Die Revisoren beauftragten eine Bande, die - angeführt von einer kaltblütigen Referentin - den Plan ausführen soll.
(Referentin tritt auf, blickt ins Publikum und geht wieder ab.)
ERZÄHLER: Sie führt eine Gruppe von Experten an, die eigens dafür ausgewählt wurden, die Alte Sprache zu zerstören. Der Zoologe Papillo alias Herr Schmetterling hat dazu Bücherwürmer gezüchtet, die auf latatianische Bücher spezialisiert sind.
(Papillo tritt auf, blickt ins Publikum und geht wieder ab.)
ERZÄHLER: Der Buchhändler Llyfer, der sich auch Herr Buch nennt, hat eine Auflistung aller latatianischen Bücher und deren Standorte. Er hat eine Liste mit Büchern erstellt, die zu stehlen und zu zerstören sind.
(Llyfer tritt auf, blickt ins Publikum und geht wieder ab.)
ERZÄHLER: Magius, ein ehemaliger Zauberer der Unsichtbaren Universität, der sich schlicht Herr Magus nennt, hat ein Gerät entwickelt, das die latatianische Sprachmagie ortet. Gemeinsam mit Pickit alias Herr Schnapp von der Diebesgilde stiehlt er aus den ankh-morporkianischen Haushalten latatianische Bücher und tauscht sie gegen leere Bücher aus.
Magius und Pickit treten auf, blicken ins Publikum und gehen wieder ab.
ERZÄHLER: Schließlich ist es die Aufgabe des Philosophen Tractatus, eine neue Sprache zu entwickeln, die den Ansprüchen der Revisoren genügt.
(Tractatus tritt auf, blickt ins Publikum und geht wieder ab.)
ERZÄHLER: Die Stadtwache hat zwar die Aktivitäten von Magius und Pickit mitbekommen, kann aber noch keinen Zweck hinter den Aktivitäten ausmachen. Magius, Pickit und die Referentin waren in Sillybos' Fass, um latatianische Bücher zu stehlen, aber lediglich Pickit konnte als Dieb identifiziert werden, weshalb auch die Diebesgilde kontaktiert wurde. Bei den Nachforschungen begegnete Feldwebel Sillybos seinem alten Bekannten Tractatus in der Linguistengilde und informierte sich über die neue Sprachphilosphie.
(Boggis und Sillybos treten auf, blicken ins Publikum und gehen wieder ab.)
ERZÄHLER: Wie wir später sehen werden, ist Sprache auch eine religiöse Angelegenheit, und so hat sich eine Gruppe Gläubiger zusammengefunden und bilden die Jünger Latatianas, angeführt von einem Hohepriester und seiner rechten Hand Dux.
(Hohepriester und Dux treten auf, blicken ins Publikum und gehen wieder ab.)
ERZÄHLER: An der Unsichtbaren Universität herrscht reger Betrieb, denn zum einen muss der Bibliothekar Inventur machen und bekommt dabei Unterstützung von Sillybos' Sklaven Hegelkant...
(Bibliothekar und Hegelkant treten auf, blicken ins Publikum und gehen wieder ab.)
ERZÄHLER: ... zum Anderen hat Erzkanzler Ridcully die Zauberer beauftragt, über ihre Forschungsaktivitäten Bericht zu erstatten, was überraschenderweise insbesondere dem Dekan außerordentlich gut gelingt.
(Erzkanzler und Dekan treten auf, blicken ins Publikum und gehen wieder ab.)
ERZÄHLER: Verfolgen wir nun, wie es weiter geht in der Geschichte über die Magie der Sprache und ob es den Revisoren gelingt, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Viel Vergnügen!
(Erzähler ab.)

Szene 2

(Wachhaus. Büro von Charlie Holm und Sillybos. Charlie Holm sitzt am Schreibtisch und grübelt über einigen Akten. Auftritt Humph MeckDwarf.)
HUMPH: Guten Morgen, Charlie.
CHARLIE: Guten Morgen, Sir.
HUMPH: (setzt sich.) Gibt es was neues, was die latatianischen Bücher angeht?
CHARLIE: Nein, Sir. Seit gestern Abend nichts. Ich grübele noch immer über den gleichen Spuren, aber mir will partout nichts einfallen. Wir haben den Namen eines Diebes, Pickit, und eine Adressliste von Leuten, denen latatianische Bücher gestohlen wurden. Und Feldwebel Sillybos verdächtigt zudem noch eine Frau mit spitzen Füßen und einer Hose.
HUMPH: Nicht zu vergessen die Leiche von der Messingbrücke.
CHARLIE: Ja, wobei die Gerichtsmedizin meinte, es könne sich dabei in der Tat um einen Unfall handeln. Der Bericht kommt heute noch rein.
HUMPH: Ah ja, interessant. Und wie wollt ihr weiter vorgehen?
CHARLIE: Das werde ich mit dem Feldwebel besprechen, wenn er kommt. Er wollte der Linguistengilde noch einen Besuch abstatten.
HUMPH: Wisst ihr inzwischen eigentlich, was die Diebe mit den latatianischen Büchern anfangen wollen?
CHARLIE: Noch nicht, Sir. Gerade das wollen wir ja bei der Linguistengilde herausfinden.
HUMPH: Gibt es überhaupt irgendeinen Grund zur Dringlichkeit oder erhöhter Aufmerksamkeit? Wenn der Todesfall wirklich nur ein Unfall war, was ist dann überhaupt Schlimmes passiert? Also, wenn ihr mich fragt, macht ihr beide aus einer Mücke einen Elefanten. Ich meine, ein paar latatianische Bücher sind ohne Quittung gestohlen worden - was soll's? Die Diebesgilde wird sich drum kümmern.
CHARLIE: Wenn sie davon weiß. Da die Diebe noch aktiv sind, wird Boggis vermutlich noch nicht davon wissen.
HUMPH: Dann sagen wir es ihm halt. Gibt uns ein paar Pluspunkte bei ihm. Außerdem hätte ich wieder zwei Spurensicherer zur Verfügung, mit denen wir ja nicht allzu reich gesegnet sind. Solange nichts droht oder sonst eine akute Dringlichkeit gefragt ist...
CHARLIE: Sir?
HUMPH: (lehnt sich zurück.) Solange, finde ich, sollte dieser Fall niedrigste Priorität haben. Es gibt Wichtigeres zu tun.
(Auftritt Kommandeur Ohnedurst.)
RASCAAL: Gut, dass ich euch treffe. Ich will alles über die Sache mit den latatianischen Büchern wissen. Dieser Fall hat oberste Priorität. Es gibt nichts Wichtigeres!
HUMPH: (richtet sich auf und räuspert sich.) Ganz meine Meinung. Ich habe mich selbst gerade nach dem aktuellen Stand erkundigt. Aber woher weißt du davon?
RASCAAL: Ich habe eine Nachricht vom Patrizier erhalten, dass er heute zu einer Besprechung kommt. Zum Glück erst nach Dienstschluss, da er die laufenden Ermittlungen nicht stören will. Einziges Thema: die Sache mit den latatianischen Büchern. Er möchte sich über unsere Fortschritte in diesem Fall erkundigen. Ich war ziemlich überrascht, da ich nicht einmal wusste, dass es überhaupt einen solchen Fall gibt.
HUMPH: Nun, wir...
RASCAAL: In Ordnung, dachte ich mir, das ist bestimmt ein Fall von der DOG. Nur wusste man dort von nichts. Einzig Hauptgefreite Kleinaxt, der ich zufällig über den Weg lief, sagte mir, dass sie gestern bei der Diebesgilde war und dort in eurem Auftrag einen Dieb vorgeladen hat.
HUMPH: Das stimmt, aber...
RASCAAL: Über die Kommunikation zwischen den Abteilungen sprechen wir ein andermal. Jetzt sag mir endlich, was es mit diesen verdammten Büchern auf sich hat.
(Rascaal schaut erwartungsvoll zu Humph. Humph schaut erwartungsvoll zu Charlie.)
CHARLIE: (steht auf.) Nach unserem Kenntnisstand verhält es sich so: eine bisher unbekannte Gruppe ist dabei, sämtliche latatianischen Bücher zu stehlen. Den Grund dafür wissen wir nicht. Wir wurden aufmerksam, als vorgestern zwei Mitglieder dieser Gruppe in das Fass von Feldwebel Sillybos eindrangen. Einer der Einbrecher konnte gestellt werden, ein Dieb namens Pickit. Er ist Mitglied der Diebesgilde.
RASCAAL: Aber der Diebstahl erfolgte ohne Quittung?
CHARLIE: Ja. Offenbar arbeitet Pickit ohne das Wissen der Diebesgilde für diese unbekannte Gruppe.
RASCAAL: Wenn keine Quittungen hinterlegt wurden, warum wurden die Diebstähle nicht schon vorher gemeldet?
CHARLIE: Weil sie, so scheint es, nicht bemerkt wurden. Die Diebe gingen sehr geschickt vor und tauschten die Bücher gegen äußerlich identische Bücher mit leeren Seiten aus.
RASCAAL: Und was wurde nun mit Boggis besprochen? Warum habt ihr Goldie zu ihm geschickt?
CHARLIE: Es gab einen Vorfall an der Messingbrücke, bei dem ein noch nicht identifiziertes Opfer ums Leben gekommen ist. Offenbar war Pickit dabei, denn er hat eine Nachricht hinterlassen. Auf der Rückseite war nämlich eine Liste mit Adressen, von denen in jener Nacht latatianische Bücher gestohlen wurden. Wir wollten Pickit offiziell zu diesem Vorfall verhören, darum haben wir Goldie zur Diebesgilde geschickt.
RASCAAL: Und Boggis weiß noch nichts von diesen unlizenzierten Diebstählen?
CHARLIE: Da Pickit noch ziemlich lebendig herumläuft, gehen wir davon aus, ja.
RASCAAL: Und wenn wir es ihm einfach erzählen? Immerhin ist es sein Gebiet, und dieser Pickit würde keine Probleme mehr machen.
CHARLIE: Das stimmt, Sir, allerdings hätten wir dann keine Möglichkeit, Pickit zu verhören. Und er ist die einzige Spur, die wir zu der unbekannten Gruppe haben.
RASCAAL: Sonst gibt es keine Hinweise? Das finde ich verdammt dürftig.
CHARLIE: Sie gehen sehr geschickt vor. Der zweite Einbrecher bei Feldwebel Sillybos konnte entkommen. Allerdings bekam er wohl später noch mal Besuch von einer Frau, die ein fehlendes Buch stehlen wollte.
RASCAAL: Konnte man die zumindest identifizieren?
CHARLIE: Nun, von Sillybos' Sklaven Hegelkant haben wir eine Beschreibung, die sie als ziemlich... auffällig charakterisiert.
RASCAAL: Na immerhin. Wo ist Sillybos überhaupt?
HUMPH: Er müsste eigentlich jeden Moment kommen.
RASCAAL: Gut, wir machen folgendes: wir werden Boggis von den Diebstählen erzählen, unter der Bedingung, dass er uns mit Pickit reden lässt, bevor er seine entsprechenden Maßnahmen ergreift. Ansonsten erzählen wir dem Patrizier, dass Boggis seinen Pflichten nicht nachkommt. Mit ein bisschen Verhandlungsgeschick wird Boggis darauf eingehen.
HUMPH: Sehr gute Idee.
RASCAAL: Des Weiteren sollten wir verhindern, dass weitere Bücher gestohlen werden. Und bei der Gelegenheit vielleicht an den Orten, wo noch latatianische Bücher zu finden sind, dieser ominösen Gruppe auflauern und sie beschatten.
HUMPH: Ja, das wollte ich auch gerade vorschlagen.
RASCAAL: Außerdem will ich eine vernünftige und sinnvolle Theorie, was diese Diebe mit den latatianischen Büchern anfangen wollen.
HUMPH: Darüber sollten wir nachdenken, ja.
RASCAAL: Da Vetinari heute schon kommt, macht es wegen der knappen Zeit keinen Sinn, den Fall an die entsprechenden Abteilungen zu geben. Meck, du leitest die Sache. Such dir die entsprechenden Leute aus den anderen Abteilungen zusammen. Ich erwarte, dass bis heute Nachmittag die wichtigsten Sachen in die Wege geleitet sind. (wendet sich zum Gehen.) Und findet mir diese Frau! (ab.)
HUMPH: Ja, dann wollen wir mal. Wo bleibt bloß Sillybos?

Szene 3

(Sillybos Fass. Sillybos und Hegelkant beim Frühstück.)
SILLYBOS: Das Ei ist hart.
HEGELKANT: (verwundert.) Schon wieder, Herr?
SILLYBOS: Ja, Hegelkant. Wieso ist das Ei hart?
HEGELKANT: Es müsste weich sein. Ich koche es nach Patrizierart.
SILLYBOS: Wie würdest du ein hartes Ei definieren?
HEGELKANT: Ein Ei ist hart genau dann, wenn es nach Patrizierart gekocht ist?
SILLYBOS: Hegelkant, nicht schummeln.
HEGELKANT: Es tut mir Leid, Herr. Ich koche Euch ein neues Ei.
SILLYBOS: Lass gut sein, Hegelkant, ich bin ohnehin zu spät dran. (streng.) Weil die Eier zu lange gekocht haben.
HEGELKANT: Ich bin untröstlich, Herr.
SILLYBOS: Das ist nicht so schlimm. Ich kann die Zeit, die ich gestern Abend noch bei der Linguistengilde war, als Überstunden abrechnen. (steht auf.) Du kannst abdecken.
HEGELKANT: Ja, Herr. (steht auf und deckt den Tisch ab.) Wenn Ihr erlaubt, werde ich den Abwasch erst heute Nachmittag machen, da ich gleich zur Bibliothek muss. (geht in die Küche.)
SILLYBOS: Richtig, du hilfst dort ja bei der Inventur. In Ordnung. Ich werde mich nun wieder den latatianischen Büchern widmen. Vielleicht kriege ich ja auch meine Ars Dialogi wieder.
HEGELKANT: (ruft aus der Küche.) Glaubt Ihr, dass Ihr die Frau findet werdet, die Euch das Buch gestohlen hat?
SILLYBOS: Das hoffe ich. Da fällt mir ein, kannst du sie mir noch mal beschreiben? Vielleicht werden wir sie im Laufe der Ermittlungen treffen.
HEGELKANT: (kommt aus der Küche.) Sie ist eigentlich gar nicht zu übersehen. Sie ist groß und schlank und hat langes, dunkles Haar. Aber das Auffälligste war ihre Kleidung. Sie trug ein dunkles Jackett und eine Hose. Und ihre Schuhe hatten eine merkwürdige Form - sie muss sehr spitze Füße haben.
SILLYBOS: In Ordnung, vielleicht finden wir sie ja. Ich gehe nun zum Dienst. Viel Erfolg bei der Inventur.
HEGELKANT: Danke, Herr.
(Sillybos ab.)

Szene 4

(Ein Lagerhaus. Llyfer sitzt vor einem Aktenordner und führt Berechnungen durch. Auftritt Referentin.)
LLYFER: Ich habe die Berechnungen für den Patrizierpalast abgeschlossen. Wir dürfen nicht viele Bücher übersehen, ansonsten könnte es eng werden.
REFERENTIN: Wenn wir konzentriert zu Werke gehen, wird nichts schief gehen. Allerdings möchte auch ich vermeiden, dass wir noch ein zweites Mal in den Palast müssen. Nach dieser Aktion dürfte die öffentliche Aufmerksamkeit geweckt worden sein.
LLYFER: Genaues können wir natürlich erst sagen, wenn wir danach neue Messungen durchführen.
REFERENTIN: Da habe ich volles Vertrauen zu Ihnen und zu Herrn Neusprech.
(Auftritt Magius und Pickit mit einer großen Tasche.)
MAGIUS: (übergibt die Tasche an Herrn Buch.) So, wir bringen die Bücher von letzter Nacht. Endlich mal wieder ein gutes Ergebnis ohne Zwischenfälle. Auch wenn ein gewisser Herr Schnapp ziemlich nervös war und uns mehrfach fast hätte auffliegen lassen.
PICKIT: Das würde dir genauso gehen, wenn du die Diebesgilde auf den Fersen hättest. Jeder zweite, der nachts unterwegs ist, gehört zu unserer Gilde. Ich lebe nur noch, weil ich Boggis im Moment lebend mehr nütze als tot!
REFERENTIN: Eine kluge Erkenntnis, Herr Schnapp. Das sollte Ihnen Sicherheit geben. Und sobald wir unseren Auftrag morgen abgeschlossen haben, erhalten Sie genug Geld, um Ankh-Morpork für immer zu verlassen und sich irgendwo ein schönes Leben zu machen.
PICKIT: Das hilft mir auch nichts, wenn ich dann tot bin. Und die Wache? Die Wache sucht mich ja auch! Es hat doch alles keinen Sinn mehr...
REFERENTIN: (gutmütig.) Nun ruhen Sie sich erst einmal aus. Hier sind Sie sicher.
(Pickit ab.)
REFERENTIN: (beiseite zu Herrn Magus.) Achten Sie darauf, dass er keinen Unsinn macht. Wir brauchen ihn noch morgen bei der Universität.
MAGIUS: Ich bin kein Kindergärtner...
REFERENTIN: Es war von Anfang an klar, dass Herr Schnapp das größte Risiko trägt. Wir dürfen ihn jetzt nicht im Stich lassen... zumindest nicht, solange wir ihn noch brauchen.
MAGIUS: Hmpf. Ich bin froh, wenn die Sache morgen vorbei ist. Und ich mit diesem Spinner nichts mehr zu tun haben muss.
REFERENTIN: Sie haben schon so lange durchgehalten, den einen Tag werden Sie wohl auch noch schaffen.
(Magius ab. Auftritt Tractatus.)
REFERENTIN: Ah, guten Morgen, Herr Neusprech. Mit Ihnen hatte ich nicht gerechnet. Gibt es etwas Neues?
TRACTATUS: In der Tat. Ich hatte gestern Abend Besuch von einem Mitglied der Stadtwache, der zudem ein alter Bekannter von mir ist. Feldwebel Sillybos.
REFERENTIN: Feldwebel Sillybos? Dann weiß die Wache Bescheid. Ich gehe davon aus, dass Sie nichts verraten haben, Herr Neusprech?
TRACTATUS: Ich habe ihm nicht mehr gesagt als nötig. Ich wollte nicht unkooperativ wirken.
REFERENTIN: Gut. Ich werde ein Auge auf diesen Feldwebel haben müssen. Aber wie ich die Lage einschätze, ist die einzige Spur, die die Wache hat, Herr Schnapp.
LLYFER: Und dieser Sklave?
REFERENTIN: Der mir zu Sillybos' Buch verholfen hat? Ach, das ist doch nur ein Sklave.
TRACTATUS: Mit dem Entwurf der neuen Sprache bin ich fertig. Wir können uns nun um die Verbreitung kümmern.
REFERENTIN: Sehr gut. Sie haben den Zeitplan hervorragend eingehalten. Nach der Rückkehr von Herrn Schmetterling werden wir zum Palastarchiv gehen, danach beginnen wir mit den Vorbereitungen für die Verbreitung der neuen Sprache.
LLYFER: Wo ist Herr Schmetterling?
REFERENTIN: Herr Schmetterling hatte von mir den Auftrag, die Lage beim Palast zu erkunden. Ich erwarte ihn bald zurück.

Szene 5

(Vor dem Patrizierpalast. Neben dem Eingang steht ein "Herumlungern verboten"-Schild. Zwei Palastwächter stehen Wache. Auftritt Konstabler.)
KONSTABLER: Guten Morgen!
PALASTWÄCHTER 1 und 2: (salutieren.) Guten Morgen, Sir!
KONSTABLER: (stellt sich vor Palastwächter 1.) Harnisch poliert?
PALASTWÄCHTER 1: Blitzeblank, Sir.
KONSTABLER: Sehr gut. Ein sauberer Harnisch ist das Wichtigste. Stiefel?
PALASTWÄCHTER 1: Geputzt und gewichst, Sir.
KONSTABLER: Knöpfe?
PALASTWÄCHTER 1: Alle dran, Sir.
KONSTABLER: Gut. (mustert Palastwächter 2.) Und dein Kamerad?
PALASTWÄCHTER 2: Äh, bei mir auch, Sir.
KONSTABLER: Nun gut. Kommen wir zu der Einweisung von heute. Es gibt einen Spezialauftrag von Lord Vetinari persönlich.
PALASTWÄCHTER 2: Oh, ein Spezialauftrag. Ich bin ja so gespannt!
KONSTABLER: Ruhe! Der Patrizier kommt.
(Der Konstabler stellt sich neben den Palastwächtern auf. Auftritt Lord Vetinari.)
VETINARI: Konstabler, diese Wächter übernehmen die heutige Wache, nehme ich an?
KONSTABLER: Ja, Herr.
VETINARI: Gut. Der Auftrag heute lautet: Lasst niemanden rein.
KONSTABLER: Gibt es einen Grund für diese Maßnahme, Herr?
VETINARI: Den gibt es in der Tat. Ich erwarte jemanden, der im Begriff ist, in das Archiv einzudringen und die latatianischen Schriften zu stehlen. Da ich nicht weiß, in welcher Form oder Verkleidung dies passieren wird, ist es am besten, heute niemanden in den Palast zu lassen.
KONSTABLER: (holt ein Blatt Papier hervor.) Herr, wir haben die übliche Liste der angemeldeten Personen und Gruppen. Sollen wir die auch nicht reinlassen?
VETINARI: Ich hielt die Anweisung für ziemlich eindeutig.
PALASTWÄCHTER 2: Und wenn Frau Schöpfkelle mit dem Essen für die Palastküche kommt? Die kommt doch jeden Tag.
KONSTABLER: Ähm, was der Kamerad fragen möchte, ist, ob es wirklich keine Ausnahme gibt.
VETINARI: Nun, ich werde selbst kurz - (hält inne und mustert die beiden Palastwächter.) Nein, ich denke, ohne Ausnahme ist es verständlicher. Ich finde schon einen Weg in den Palast.
KONSTABLER: Ja, Herr.
VETINARI: Du kannst wieder übernehmen, Konstabler. (ab.)
PALASTWÄCHTER 2: Warum sollte jemand die latatianischen Bücher stehlen wollen? Es versteht doch eh keiner, was da drin steht.
KONSTABLER: Sie werden schon ihre Gründe haben. Aber Lord Vetinari hat sich klar ausgedrückt. Ihr dürft niemanden reinlassen.
PALASTWÄCHTER 1: Und wenn diese Diebe nun eine Gruppe von Leuten ist, die uns zahlenmäßig überlegen ist?
KONSTABLER: Auch dann müsst ihr sie daran hindern. Notfalls mit Waffengewalt.
PALASTWÄCHTER 2: Auch wenn es eine schwer bewaffnete Gruppe Fanatiker mit einer MUT ist?
KONSTABLER: Auch dann. Aber macht euch keine Sorgen, ich bezweifle, dass sie so offensichtlich vorgehen würden. Und solange ihr einen glänzenden Harnisch und eine buschige Feder am Helm habt, wird auch niemand es wagen, gegen euch das Schwert zu erheben. (Ab.)
PALASTWÄCHTER 2: Ganz wohl ist mir trotzdem nicht bei der Sache. Ich fürchte, dass mein glänzender Harnisch keine MUT aushält?
PALASTWÄCHTER 1: Keine Sorge. Wenn wir die Gefahr frühzeitig erkennen, können wir genügend Verstärkung rufen.
(Auftritt Papillo. Er nähert sich den Palastwächtern.)
PALASTWÄCHTER 1: He, geh weiter.
PALASTWÄCHTER 2: Ja, hier gibt es nichts zu sehen.
PAPILLO: Immer kuhl bleiben, Mann. Ich tu' doch gar nichts. (holt eine Zigarette hervor und zündet sie an.)
PALASTWÄCHTER 1: Das ist verboten.
PAPILLO: Verboten, Mann? Was redest du für ein Zeug? Rauchen ist nicht verboten. (zieht an seiner Zigarette.)
PALASTWÄCHTER 1: Aber Herumstehen und Rauchen erfüllt den Tatbestand des Herumlungerns. Und Herumlungern ist verboten. (zeigt auf das "Herumlungern verboten"-Schild.)
PAPILLO: Und was willst du dagegen tun, Mann? (stellt sich vor Palastwächter 1 und bläst ihm Rauch ins Gesicht.)
PALASTWÄCHTER 1: (hustet.) Ich werde dich verhaften müssen.
PAPILLO: Seid ihr die einzigen Aufpasser hier?
PALASTWÄCHTER 2: Wir können jederzeit Verstärkung holen.
PAPILLO: Und wenn ich nun ein Geheimagent wäre und zum Patrizier wollte?
PALASTWÄCHTER 2: Du bist ein Geheimagent?
PAPILLO: (flüstert.) Pssst! Genau.
PALASTWÄCHTER 1: Tut mir Leid, aber wir dürfen niemanden reinlassen. Befehl vom Patrizier.
PAPILLO: (zieht an seiner Zigarette.) Ganz iehsi, Mann. War doch nur Spaß. (drückt die Zigarette auf dem Harnisch von Palastwächter 1 aus.)
PALASTWÄCHTER 1: He! Mein glänzender Harnisch!
PAPILLO: (tätschelt Palastwächter 1.) Immer kuhl bleiben, Mann.
(Papillo geht ab. Palastwächter 1 schaut ihm verärgert nach und wischt sich die Asche vom Harnisch.)

Szene 6

(Bibliothek der Unsichtbaren Universität. Der Bibliothekar geht mit einem Klemmbrett und kritischem Blick durch die Regale. Auftritt Hegelkant.)
HEGELKANT: So, da bin ich.
BIBLIOTHEKAR: Ugh. (grinst.)
HEGELKANT: Ähm. Ja? (grinst verlegen.)
(Auftritt Ponder Stibbons.)
PONDER: Ah, gut, dass du da bist. Der Bibliothekar mag pünktliche Leute.
HEGELKANT: Ich glaube, das hatte ich noch verstanden.
BIBLIOTHEKAR: (reicht Hegelkant das Klemmbrett.) Ugh ugh. Ugh. Ugh.
PONDER: Bereit, mit der Inventur zu beginnen? Der Ablauf ist folgender: der Bibliothekar geht durch die Regale, während du die Bücher auf der Liste abhakst.
HEGELKANT: (schaut auf das Klemmbrett.) Ich hoffe, ich hake auch die richtigen Bücher ab.
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Ugh.
PONDER: Er wird dir die Bücher zeigen, die du abhaken sollst. Aber sei vorsichtig und halte immer Abstand.
HEGELKANT: In Ordnung.
PONDER: Da ich noch andere Dinge zu tun habe, kann ich leider nicht den ganzen Tag hier sein und übersetzen. Aber vielleicht hilft dir das hier weiter. (reicht Hegelkant ein Buch.) Das ist ein Wörterbuch von der Bibliothekarsprache in unsere.
HEGELKANT: Danke. (schaut in das Buch.) Das Wort "ugh" scheint eine ganze Reihe Bedeutungen zu haben. (blättert das Buch durch.) Ziemlich viele sogar.
PONDER: Ja, aber es kommt ja natürlich auf die Betonung an. Und die Mimik. Und Kontext und Zeichensetzung. Du kommst schon klar. Wir sehen uns beim Mittagessen.
(Ponder geht ab. Der Bibliothekar geht zu einem Regal, zieht ein Buch heraus und zeigt es Hegelkant. Hegelkant sucht kurz auf der Liste und macht dann einen Haken.)

Szene 7

(Stadtwache. Büro von Charlie Holm und Sillybos. Humph MeckDwarf und Charlie Holm beraten über einen Plan an der Wand. Auftritt Sillybos.)
SILLYBOS: Guten Morgen. Ich entschuldige mich für die Verspätung....
HUMPH: Guten Morgen. Gerade heute ist ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für eine Verspätung. Wir haben einen wichtigen Auftrag vom Kommandeur persönlich, der euren Fall mit den latatianischen Büchern betrifft.
SILLYBOS: Von Rascaal persönlich?
HUMPH: Ja. Da er auf die Anfrage vom Patrizier Antworten benötigt, fragte er bei mir an, wie der aktuelle Stand bei dem Fall ist, allerdings hatte ich mich zuvor schon bei Charlie nach dem Ermittlungsstand erkundigt...
SILLYBOS: Dann muss wirklich eine große Sache dahinter stecken, wenn sich sogar der Patrizier dafür interessiert.
HUMPH: Eben. Ich habe mit Charlie bereits einen Plan ausgearbeitet, was nun zu tun ist.
CHARLIE: (deutet auf den Plan an der Wand.) Unsere Agenda besteht aus vier Punkten. Erstens: die Diebesgilde über die Diebstähle informieren.
HUMPH: Das wird jemand von DOG machen. Vielleicht Goldie, die war gestern schon da.
CHARLIE: Zweitens: Wir müssen die verbliebenen latatianischen Bücher schützen und bei der Gelegenheit vielleicht den Dieben auflauern und sie zu ihrem Versteck verfolgen.
HUMPH: Ich habe bei FROG bereits angefragt, die stellen ein Team zusammen.
CHARLIE: Drittens: Wir brauchen eine plausible Theorie, was die Diebe mit den Büchern anfangen wollen.
HUMPH: Da hatte ich an dich gedacht, Sillybos. Du kennst dich mit latatianischen Schriften aus und bist in der Materie bewandert. Und du wolltest ja auch noch mal zur Linguistengilde, vielleicht erfährst du da ja was?
SILLYBOS: Da war ich gestern Abend bereits. Ich hatte ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit... einem alten Bekannten.
CHARLIE: Und viertens sollen wir die Frau finden, die bei Ihnen ein Buch gestohlen hat, Sir. Anhand der Beschreibung von Hegelkant.
SILLYBOS: Daran habe ich auch gedacht. Heute Morgen hat Hegelkant mit die Frau noch mal beschrieben.
HUMPH: Ich dachte vielleicht an ein Van-Thom-Bild, wie sie RUM schon mal verwendet hat, wenn ich mich nicht irre. Das könnten wir in der Ankh-Morpork-Times veröffentlichen.
SILLYBOS: Ja, das könnte man versuchen. Ich werde mal mit RUM sprechen und ihnen meine Beschreibung zukommen lassen.
HUMPH: Gut. Charlie wird derweil recherchieren, wo noch latatianische Bücher zu finden sind.
CHARLIE: Nun, die wichtigsten Orte sind sicherlich das Archiv vom Patrizierpalast und die Bibliothek der Unsichtbaren Universität.
HUMPH: Gut, dann werden wir darum zuerst kümmern. Ich werde mit dem FROG-Team mitgehen.

Szene 8

(Vorbühne. Auftritt Pickit.)
PICKIT: Ach, es ist schon ein Dilemma, in dem ich stecke. Es ging mir doch gut, damals. Ich bin ein Dieb der Diebesgilde, der seine Quote erfüllt hat und einer der besten auf dem Gebiet des Schlösserknackens. Doch der ruf des Reichtums hat mich geweckt. Das Versprechen von einem Leben in Luxus und Wohlstand. Warum konnte ich nicht zufrieden sein mit dem was ich habe!? (Pause.) Und nun ist mein Leben verpfuscht. Ich habe die Diebesgilde hintergangen. Ich bin ein Krimineller geworden. (Pause. Er schaut sich um.) Überall lauern sie, meine Kollegen. Sie verfolgen mich, warten nur auf den passenden Augenblick. (Pause.) So also fühlt sich ein schlechtes Gewissen an. Ist es schon zu spät für mich? (Pause.) Nein. Jeder verdient eine zweite Chance. Ich werde Boggis gestehen, was er ohnehin schon weiß. (ab.)

Szene 9

(Tempel der Geringen Götter. Dux marschiert vor einer Gruppe religiöser Fanatiker auf und ab.)
DUX: Ehrenwerte Kämpfer der heiligen Latatiana, die Lage ist ernst! Wir haben Grund zur Annahme, dass Mächte des Bösen dabei sind, sämtliche latatianische Schriften und somit die latatianische Sprache zu zerstören. Die heilige Latatiana leidet, und es unsere Pflicht, ihr in dieser schweren Zeit beizustehen. Ihr alle habt in den letzten Wochen und Monaten bei euren nächtlichen Patrouillen versucht, den Gegner auszumachen und zu stellen. Doch sie sind feige und scheuen die Konfrontation!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Diese Feiglinge!! Schwächlinge!!
DUX: Und die Bürger von Ankh-Morpork sind auch nicht Manns genug, ihre Bücher vernünftig zu verteidigen!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Auch Schwächlinge!!
DUX: Und die Bücher im Archiv werden von der Palastwache bewacht...
GLÄUBIGE: (zusammen.) Oberschwächlinge!!
DUX: Ja! Denn es gibt nur eine Gruppe, die die latatianischen Bücher richtig bewachen kann!
Er blickt die Fanatiker erwartungsvoll an. Die Fanatiker schauen sich gegenseitig unsicher an.
DUX: Na, wir!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Jawohl!!
DUX: Wir werden die Bücher holen und mit unserem Leben beschützen!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Jawohl!!
DUX: Sollen die Feinde doch zu uns kommen, wenn sie die Bücher haben wollen!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Jawohl!!
DUX: Es ist Zeit. Die Vorbereitungen sind getroffen. Für Latatiana!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Für Latatiana!!
DUX: Holt eure Waffen! Auf zum Patrizierpalast!
GLÄUBIGE: (zusammen.) Jawoooohl!! (stürmen ab.)
DUX: (leise.) Ausgezeichnet. (ab.)

Szene 10

(Ein Lagerhaus. Llyfer steht vor einem Spiegel und richtet seine Verkleidung. Die Referentin prüft einige Unterlagen. Auftritt Papillo.)
REFERENTIN: Ah, Herr Schmetterling. Was haben Sie zu berichten?
PAPILLO: Beim Palast sieht alles okay aus. Zwei komische Kerle halten Wache mit dem Befehl, niemanden reinzulassen, ohne Ausnahme. Mit denen würden wir locker fertig werden, allerdings können sie jederzeit Verstärkung rufen. Ziemliche Spießer, diese Wächter.
REFERENTIN: In Ordnung. Mit dieser Lage war zu rechnen.
LLYFER: Aber wie sollen wir dann in den Palast kommen, ohne Aufsehen zu erregen? Und wir sind in Kampftechniken nicht ausgebildet.
REFERENTIN: Ich meinte damit, Herr Buch, dass ich damit gerechnet habe. Machen Sie sich keine Sorgen, es verläuft alles nach Plan. Kümmern Sie sich nur um ihre Verkleidungen.
LLYFER: (setzt sich eine Perücke auf.) Ich glaube jedoch, dass man nicht alle eventuellen Möglichkeiten in seinen Plan einbeziehen kann.
REFERENTIN: Dann werden wir improvisieren. Wichtig ist, dass die Palastwächter Herrn Schmetterling nicht wieder erkennen.
PAPILLO: (setzt sich einen typisch quirmianischen Hut auf.) Keine Sorge, das geht alles ganz iehsi über die Bühne.
REFERENTIN: Seien Sie so unauffällig wie möglich. Und vergessen Sie nicht, ab jetzt sind Sie Historiker aus Quirm. Verhalten Sie sich entsprechend.
PAPILLO: (klebt sich einen falschen Zwirbelbart an.) Kein Problem, Mann. (senkt die Stimme.) Isch werde von nun an so spreschen.
LLYFER: Und denken Sie an die Bücherwürmer.
PAPILLO: (mit gesenkter Stimme.) Meine kleinen Freunde sind kein Problemm. (holt ein paar kleine Schachteln hervor.) Isch 'abe sie bereits transportfä'isch gemacht.
REFERENTIN: Gut. Haben Sie alles, meine Herren? Dann los.
(Alle ab.)

Szene 11

(Ein stilles Kämmerlein. Tractatus sitzt an einem Schreibtisch. Vor ihm liegt ein großer Stapel Papier.)
TRACTATUS: (nimmt den Stapel und richtet ihn aus.) So, die neue Sprache ist fertig. Ich will mich nicht selbst loben, aber man kann es als innovatives Meisterwerk bezeichnen. Eine Sprache, die an Exaktheit und Effizienz kaum zu übertreffen ist. Aus den teilweise sehr schwierigen Anforderungen habe ich wohl das Beste herausgeholt.
(Drei Revisoren treten auf.)
ERSTER REVISOR: Wir sind mit dem Entwurf der neuen Sprache zufrieden.
ZWEITER REVISOR: Schon bald wird nur noch unsere Sprache gesprochen werden.
TRACTATUS: Dass sie die alte Sprache nicht mehr sprechen werden, leuchtet mir ein. Allerdings frage ich mich, wie die Leute die neue Sprache lernen sollen.
DRITTER REVISOR: Mit Papier.
ERSTER REVISOR: Papier, das fliegt.
TRACTATUS: Papierflieger? Ist das nicht ein bisschen zu... unorthodox?
ZWEITER REVISOR: Nein. Keine Papierflieger. Sondern Fliegpapier.
TRACTATUS: Ach, ihr meint Flugblätter.
DRITTER REVISOR: Ja.
TRACTATUS: Aber wie sollen wir so viele Flugblätter herstellen? Ankh-Morpork ist eine Millionenstadt!
ERSTER REVISOR: Es sind bereits entsprechende... Überlegungen getätigt worden.
ZWEITER REVISOR: Alles läuft nach Plan.
(Revisoren ab.)

Szene 12

(Speisesaal der Unsichtbaren Universität. An der Wand hängt ein Schild mit der Aufschrift "Cave Cenam." Der Dekan, der Dozent, der Professor und der Oberste Hirte sitzen am reich gedeckten Mittagstisch und essen.)
OBERSTER HIRTE: Selten habe ich soviel Magie betrieben wie gestern und heute. Diese Notizbuch-Sache vom Erzkanzler ist ganz schön anstrengend.
DEKAN: Ich finde das eigentlich recht entspannend. Aber ich betreibe das ja auch seit Jahren professionell.
PROFESSOR: Sei bloß ruhig, Dekan. Wir wissen, wie professionell du das machst.
DEKAN: Zumindest war der Erzkanzler mit mir hochzufrieden.
DOZENT: Aber heute nicht mehr! Ich habe dich den ganzen Vormittag beobachtet und mir genau aufgeschrieben, was du gemacht hast.
DEKAN: Du solltest eigentlich aufschreiben, was du selbst an Magie betreibst.
PROFESSOR: Wir werden dich auffliegen lassen, Dekan. Du wirst schon sehen.
DEKAN: Da mache ich mir keine Sorgen. Reichst du mir mal die braune Soße?
(Auftritt Erzkanzler.)
ERZKANZLER: (setzt sich.) So, ich hoffe, ihr wart heute Morgen wieder alle sehr produktiv...
DEKAN: Wie immer, Erzkanzler.
DOZENT: Ich habe einige neue Runen entwickelt.
PROFESSOR: Ich habe einige Unbestimmte Studien analysiert.
OBERSTER HIRTE: Ich habe einige, ähm... ich war auch produktiv.
DOZENT: Nur der Dekan schummelt noch immer. Er hat überhaupt nichts Magisches gemacht heute Morgen.
ERZKANZLER: Stimmt das, Dekan?
DEKAN: Alles, was ich aufgeschrieben habe, entspricht voll und ganz der Wahrheit. Das ist eben meine neue Methode.
ERZKANZLER: Das hoffe ich. Ich werde es heute Abend kontrollieren. Im Moment möchte ich was essen.
(Auftritt Ponder Stibbons und Hegelkant.)
PONDER: So, dies ist der Speisesaal. Für dich habe ich eine Mahlzeit mitbestellt. In der Küche können wir noch ein Gedeck für dich holen.
HEGELKANT: Auf die Küche bin ich schon sehr gespannt!
ERZKANZLER: Seit wann essen Studenten im Speisesaal, Stibbons?
PONDER: Das ist kein Student, sondern ein Sklave. (zu Hegelkant.) Komm, die Küche ist hier.
(Ponder und Hegelkant ab.)
DEKAN: Ein Sklave? Seit wann haben wir einen Sklaven, Erzkanzler?
ERZKANZLER: Also, zunächst einmal...
DOZENT: Ich denke doch, dass wir als führende Mitglieder der Fakultät einen Erstanspruch haben.
(Der Professor beginnt, etwas auf einen Zettel zu schreiben.)
OBERSTER HIRTE: Genau. Wenn jemand einen Sklaven bekommt, dann wir.
ERZKANZLER: Moment, der Sklave ist doch gar nicht...
DOZENT: Zuallererst natürlich der Erzkanzler.
ERZKANZLER: Nun, wenn das so ist...
PROFESSOR: (reicht einen Zettel rum.) Ich habe einen Wochenplan gemacht. Jeder trägt ein, wann er die Dienste des Sklaven beansprucht. (zählt durch.) Wir sind fünf. Also jeder maximal zwei Stunden pro Tag.
ERZKANZLER: Das Sagen habe hier ja wohl immer noch ich.
PROFESSOR: In Ordnung, der Erzkanzler kriegt den Sklaven drei Stunden pro Tag.
ERZKANZLER: Gut. (beginnt, etwas auf dem Zettel einzutragen und reicht dann den Zettel weiter.)
DOZENT: Und da sage noch jemand, wir würden den ganzen Tag nur Essen und schlafen...
OBERSTER HIRTE: Gut mitgedacht, Professor.
DOZENT: Vielleicht kann ja der Sklave für mich die Schreibarbeit übernehmen...
PROFESSOR: Ein Lob vom Obersten Hirten? Wie ungewöhnlich...
DEKAN: Du könntest ihn auch gleich deine Magie machen lassen, Runen.
OBERSTER HIRTE: Was soll das denn heißen, Professor?
DOZENT: Was soll das denn heißen, Dekan?
ERZKANZLER: He, nicht streiten, dies ist der Speisesaal!
(Ponder und Hegelkant kommen zurück. Hegelkant trägt einen Teller und Besteck.)
PONDER: So, da vorne ist noch ein Platz für dich. Bedien dich einfach, es sollte genug da sein.
HEGELKANT: Danke. (setzt sich und legt Teller und Besteck vor sich auf dem Tisch ab.)
ERZKANZLER: Nun... wie ist so das Leben als Sklave?
HEGELKANT: Ganz gut, Herr, danke...
DEKAN: Wir haben hier eine Liste vorbereitet... dein zukünftiger Arbeitsplan, sozusagen.
(Die Zauberer reden auf Hegelkant ein.)
DOZENT: Ich hoffe, du kannst Wäsche waschen?
PROFESSOR: Betten machen?
OBERSTER HIRTE: Luft zuwedeln?
DEKAN: Nägel schneiden?
DOZENT: Magie aufschreiben?
PROFESSOR: Geschichten vorlesen?
(Die anderen schauen den Professor an.)
PROFESSOR: Was denn? Ich höre abends nun mal gern eine Gutenachtgeschichte.
PONDER: Ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor. Herr Hegelkant ist kein Sklave der Universität, sondern hilft nur dem Bibliothekar bei der Inventur.
ERZKANZLER: Ach so? (räuspert sich.) Ich meine, ja natürlich.
DEKAN: Ich habe mich immer über die guten Noten von deinen Studenten gewundert, Professor.

Szene 13

(Vor dem Palast. Die Palastwächter stehen Wache. Auftritt Humph MeckDwarf, Valdimier van Varwald und Halbtag Baumfellerson.)
HUMPH: Wir müssen dringend in den Palast! Man plant, die latatianischen Bücher zu stehlen!
PALASTWÄCHTER 1: Ah, die Herren Stadtwächter. Tut uns Leid, aber wir dürfen niemanden reinlassen.
PALASTWÄCHTER 2: Und wir wissen, dass jemand die Bücher stehlen will. Gerade darum darf niemand rein.
HUMPH: Ich glaube kaum, dass ihr zwei komischen Gestalten in der Lage seid, die Bücher vernünftig zu beschützen.
PALASTWÄCHTER 1: Keine Anmaßungen, bitte! Wir können jederzeit den Konstabler rufen, der für Verstärkung sorgen wird.
HUMPH: Ich kenne euren Konstabler. Er ist eine Pfeife hoch zehn. Redet immer nur über seinen glänzenden Harnisch.
PALASTWÄCHTER 1: Von dem du ja nur träumen kannst, Stadtwächter.
HUMPH: Ha! Als ob ich daran Interesse hätte.
PALASTWÄCHTER 1: Ach, geh deine Stiefel putzen.
HUMPH: Du machst mich gerade ziemlich wütend...
PALASTWÄCHTER 1: Tatsache ist, ihr kommt hier nicht rein. Punkt.
PALASTWÄCHTER 2: Wir wissen auch nicht, in was für einer Verkleidung die Diebe auftauchen werden. Vielleicht seid ihr ja die Diebe?
HUMPH: Wir sind hier, um die Bücher zu schützen und die Diebe zu fangen. Weil wir wissen, dass ihr dazu nicht in der Lage seid!
PALASTWÄCHTER 1: Und wie willst du das machen, wenn du hier draußen stehst?
HUMPH: (zückt sein Schwert.) Notfalls eben mit Gewalt!
PALASTWÄCHTER 2: Du machst uns keine Angst. Wir haben einen glänzenden Harnisch und eine Feder am Helm!
PALASTWÄCHTER 1: Und solange ihr keine Gruppe aufgebrachter Fanatiker mit einer MUT seid, kommt ihr nicht in diesen Palast.
(Aufgebrachte Gruppe religiöser Fanatiker mit einer MUT tritt auf.)
DUX: So, heilige Kämpfer Latatianas, haltet euch bereit!
VALDIMIER: Ähm, Sir, das hier könnte zu einem Problem werden...
HUMPH: (dreht sich zu der Gruppe um.) Holla, damit habe ich nicht gerechnet.
HALBTAG: Aber vielleicht wollen sie ja gar nicht die Bücher stehlen.
HUMPH: Ja, bisher gingen die Diebe immer versteckt und heimlich vor. Bestimmt wollen sie irgendwas anderes.
DUX: Wir sind hier, um die heiligen latatianischen Bücher aus dem Palast in unsere Gewalt zu bringen!
VALDIMIER: Das klingt ziemlich eindeutig.
PALASTWÄCHTER 1: Alarmstufe Eins! Ich rufe den Konstabler. (geht ab.)
PALASTWÄCHTER 2: Mein schöner Harnisch...
VALDIMIER: Sir, unsere Gegner sind in der Überzahl.
HALBTAG: Und besser bewaffnet.
VALDIMIER: Und sehr entschlossen.
HUMPH: Männer, nun hilft nur noch eins. (steckt sein Schwert ein.) Die Kunst der Diplomatie.
(Humph geht auf die Gruppe zu. Ein Fanatiker will ihn mit einer Armbrust abschießen, aber Dux hält ihn mit einer Handbewegung davon ab.)
HUMPH: Ich bin Hauptmann MeckDwarf von der Stadtwache. Es gibt keinen Grund, Gewalt anzuwenden.
DUX: Wir sind die ehrenwerten Kämpfer der heiligen Göttin Latatiana und wir werden keine Gewalt anwenden...
HUMPH: Oh, gut.
DUX: ... sofern ihr uns die Bücher freiwillig überlasst.
HUMPH: Das ist nicht möglich. Die Bücher sind Eigentum der Stadt, und eine Herausgabe wäre nicht rechtens.
DUX: Der Pfad der Rechtschaffenheit ist längst verlassen. Niemand wandelt noch auf ihm.
HUMPH: Wir wissen zumindest noch, wie dieser Pfad aussieht.
DUX: Was auch nichts nützt, wenn der Pfad nicht dahin führt, wo man hin will.
HUMPH: Wo wollt ihr hin?
DUX: Wir werden die latatianischen Bücher in unsere Gewalt bringen, bevor ihnen böses Leid zustoßen wird.
HUMPH: Was für Leid? Was soll mit den Büchern geschehen?
DUX: Finstere Mächte sind dabei, die latatianische Sprache zu zerstören, und es ist unsere Pflicht, unseren Glauben gegen die Ungläubigen zu verteidigen!
(Humph gibt Valdimier ein Zeichen, der daraufhin hinzukommt.)
HUMPH: (beiseite zu Valdimier.) Entweder sind die Diebe besser aufgestellt als wir dachten oder aber dies ist eine zweite Partei, von der wir nichts wussten.
VALDIMIER: (beiseite zu Humph.) Eine Art Bandenkrieg? Klingt übel.
HUMPH: (beiseite zu Valdimier.) Nach dieser Aktion, wie auch immer das ausgeht, werden wir die Gruppe verfolgen und beobachten.
VALDIMIER: (beiseite zu Humph.) In Ordnung.
(Auftritt Konstabler und Palastwächter 1.)
KONSTABLER: Was ist hier los? Sind die Feinde endlich angekommen? (geht auf die Gruppe zu.) Ihr wurdet ja bereits angekündigt.
HUMPH: Ich bin nicht sicher, ob das wirklich unsere Feinde sind, Konstabler.
DUX: Meine Männer werden ungeduldig. Und ich ebenfalls.
KONSTABLER: Ihr wollt die latatianischen Bücher stehlen, richtig?
DUX: Wir wollen sie beschützen.
KONSTABLER: Was ihr damit macht, ist unerheblich. Diebstahl ist Diebstahl.
DUX: Es reicht. Offensichtlich sind wir nur von Narren umgeben. Männer! Auf mein Kommando feuert die MUT und danach stürmen wir den Palast!
(Die Fanatiker machen sich bereit.)
KONSTABLER: Männer, macht euch bereit!
PALASTWÄCHTER 1: Ich hole Verstärkung! (ab.)
PALASTWÄCHTER 2: Äh, und was mach ich?
DUX: (hebt den Arm.) Aaachtung... Fertig zum Stürmen...
KONSTABLER: (zückt sein Schwert und stellt sich vor den Eingang zum Palast.) Nur über meine Leiche!
DUX: Wenn's weiter nichts ist...
(Dux legt die Armbrust an und zielt auf den Konstabler. Der Konstabler schließt die Augen.)
HUMPH: Halt! Bleibt vernünftig! Es gibt eine bessere Lösung.
DUX: (behält die Armbrust oben.) Ach ja?
HUMPH: Ja. Ihr wollt die Bücher beschützen, und die Palastwache will verhindern, dass die Bücher gestohlen werden.
DUX: (behält die Armbrust noch immer oben.) Und?
HUMPH: Wie wäre es denn, wenn ihr die Bücher hier im Archiv beschützen würdet? Als exklusive Leibgarde für die latatianischen Bücher?
DUX: Hmm... (nimmt den Konstabler wieder ins Visier.)
KONSTABLER: (hastig.) Jaja, das ginge bestimmt. Eine hervorragende Idee, für einen Stadtwächter.
HUMPH: Und ihr müsstet nicht die Tonnen an Büchern transportieren. Die sind ziemlich schwer...
FANATIKER: Da hat er nicht unrecht...
DUX: Hmm... (überlegt und nimmt nach einer Pause die Armbrust runter.) In Ordnung. Wir bewachen die Bücher im Palast.
KONSTABLER: (atmet durch.) Puh.
DUX: Gut. Männer, wir gehen in den Palast.
KONSTABLER: Mooment, so schnell nicht. Erst müssen wir die Formalitäten klären.
DUX: Was für Formalitäten?
HUMPH: (seufzt.)
KONSTABLER: Alle Formalitäten den Palast und die Geheimhaltung betreffend. In welche Räume ihr dürft und in welche nicht. Welche Dokumente ihr in den Archiven lesen dürft und welche nicht. Wann ihr Feierabend habt und wo der Abort ist.
DUX: (hebt die Armbrust.) Ich warne dich, Palastwächter...
HUMPH: Kein Grund zur Beunruhigung. Das geht sicherlich ganz schnell. Ich weiß ja, wie rasant die Palastwache arbeitet...
KONSTABLER: Gründlich und gewissenhaft. Wir gehen in mein Büro. Hauptmann, du kommst mit.
HUMPH: (seufzt.) Wenn's denn sein muss... Halbtag, du läufst zum Wachhaus und erstattest über die veränderte Lage Bericht. Valdimier, du bleibst bei der Gruppe hier und tust, was wir vorhin besprochen haben.
(Der Konstabler, Dux und Humph gehen in den Palast. Halbtag geht ab. Die Gruppe steht etwas abseits. Valdimier stellt sich zu der Gruppe.)
PALASTWÄCHTER 2: Puh... Was für eine Aufregung. Ich bin froh, dass das noch gut ausgegangen ist.
(Auftritt Referentin, Llyfer und Papillo in Verkleidung. Sie gehen zum Palasteingang.)
REFERENTIN: Bonschur, wir sind eine Gruppe quirmianischer Historiker und erbitten Einlass. Wir sind angemeldet.
PALASTWÄCHTER 2: Wie? Oh, ja, natürlich... (holt die Liste mit den angemeldeten Gruppen hervor.)
REFERENTIN: Sie wirken etwas nervös... ist alles in Ordnung?
PALASTWÄCHTER 2: Jaja... Es gab nur eben einen Zwischenfall, aber zum Glück ist nichts passiert. Eigentlich hätte ich sie auch gar nicht reinlassen dürfen, aber zum Glück ist nun alles in Ordnung.
PAPILLO: (mit gesenkter Stimme.) Was denn für ein Zwüschenfall?
PALASTWÄCHTER 2: Naja, eine Gruppe Fanatiker dort drüben wollte in den Palast eindringen und die latatianischen Bücher stehlen, was wir verhindern sollten. Aber nun sind sie beim Konstabler im Büro und verhandeln. Sie wollen die Bücher jetzt nicht mehr stehlen.
REFERENTIN: Was für ein Glück.
PALASTWÄCHTER 2: Ja, und nun dürfte es ja auch keinen Grund geben, die Eingangssperre aufrecht zu erhalten.
REFERENTIN: Das freut uns, da wir ja extra den weiten Weg aus Quirm angereist sind.
PALASTWÄCHTER 2: So, hier sind Sie. (streicht eine Zeile auf der Liste durch.) Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.
REFERENTIN: Wir danken Ihnen.
(Referentin, Llyfer und Papillo gehen in den Palast.)

Szene 14

(Vorbühne. Auftritt Erzähler.)
ERZÄHLER: Der Philosoph Ludwig Wittgenstein schreibt in seinen späteren Werken, eine Sprache zu sprechen heiße auch, dass man gemeinsame Ansichten teile. Nur so können sich zwei Personen über die Sprache verständigen. Eine Sprache funktioniert nur, wenn die Sprecher an diese Sprache und an das, was sie auszudrücken vermag, glauben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auf der Scheibenwelt eine Göttin für die latatianische Sprache gibt. Und nicht zuletzt gibt es auch auf der Rundwelt Vereine und Vereinigungen, deren Ziel es ist, eine Sprache zu erhalten und die diese Sprache hegen und pflegen. In unserer Geschichte, in der es um die Sprachphilosophie Wittgensteins geht, trifft nun die religiöse Gemeinschaft, die dessen spätere Ansichten verkörpern, auf die Revisoren, die versuchen, die Sprachphilosophie der frühen Schaffensphase umzusetzen. Wer wird sich am Ende durchsetzen?
(Erzähler ab.)

Szene 15

(Palast, Büro des Konstablers. Der Konstabler sitzt an seinem Schreibtisch, Humph und Dex sitzen ungeduldig davor. Palastwächter 1 steht an der Tür.)
KONSTABLER: Also noch mal. Der einzige Weg, der euch frei zugänglich ist, ist der direkte Weg vom Archiv zum Haupttor.
DUX: Ja, das haben wir doch alles schon geklärt!
KONSTABLER: Es muss alles seine Richtigkeit haben. Sollte das Haupttor aus irgendwelchen Gründen verschlossen sein, dürft ihr den Hinterausgang 2b benutzen. Am Haupttor hängt ein Plan, auf dem steht, wie ihr dorthin kommt.
DUX: Du strapazierst meine Geduld, Palastwächter.
HUMPH: Konstabler, ich glaube nicht, dass wir hier Regelungen für alle Zukunft finden müssen, sondern nur für ein oder zwei Tage.
KONSTABLER: Es ist eine unbestimmte Dauer, also müssen wir uns auf jede Eventualität einstellen. Ach, Kamerad?
PALASTWÄCHTER 1: Ja, Sir?
KONSTABLER: Ruf den Aufseher des Archivs. Er wird uns alles Nötige über das Archiv selbst erzählen.
PALASTWÄCHTER 1: (salutiert.) Zu Befehl. (ab.)
HUMPH: Können wir das nicht vor Ort erledigen? Die Bücher sind noch immer unbewacht!
KONSTABLER: Mit überhastetem Eifer ist noch niemand gerettet worden, Hauptmann. (nimmt ein weiteres Formular in die Hand.) Kommen wir nun zu den Sonderregelungen für nichtmenschliche Spezies...

Szene 16

(Archiv. Der Aufseher geht zwischen den Regalen umher. Ein Palastwächter steht neben dem Eingang. Auftritt Referentin, Llyfer und Papillo in Verkleidung.)
AUFSEHER: Ah, sie müssen diese Leute aus Quirm sein. Historiker?
REFERENTIN: In der Tat, das sind wir. Einen guten Tag.
AUFSEHER: Und Sie interessieren sich für...?
REFERENTIN: Wir interessieren uns für die alten Verträge zwischen unseren Städten.
AUFSEHER: Ah ja, die sind bei den latatianischen Schriften. Hier entlang bitte.
(Er geht zu einem Regal, die anderen folgen ihm.)
AUFSEHER: Hier müssten Sie alles finden, was sie suchen.
REFERENTIN: Vielen Dank. Sagen Sie, sind alle latatianischen Schriften in diesem Regal?
AUFSEHER: In diesem und in dem da drüben. Die politischen Dokumente sind allerdings nur in diesem. Da drüben finden sich alte Enzyklopädien und andere Nachschlagewerke aus der alten Zeit.
REFERENTIN: Sehr gut. Haben Sie nochmals vielen Dank.
AUFSEHER: Wenn sie mich brauchen, finden Sie mich irgendwo hier.
(Der Aufseher geht wieder umher. Auftritt Palastwächter 1.)
PALASTWÄCHTER 1: Herr Aufseher, Sie werden im Büro des Konstablers erwartet.
AUFSEHER: In Ordnung. (zur Referentin.) Bitte entschuldigen Sie mich, ich bin gleich wieder da.
REFERENTIN: Aber natürlich.
(Aufseher und Palastwächter 1 gehen ab. Der Palastwächter am Eingang beobachtet die Bösewichte.)
LLYFER: (leise.) Wir müssen uns beeilen. Sie werden bald Verdacht schöpfen.
REFERENTIN: Ja. Schreiten wir zur Tat.
(Papillo holt ein paar kleine Schachteln hervor.)
PALASTWÄCHTER: (nähert sich.) Moment, was machen Sie da?
PAPILLO: (mit gesenkter Stimme.) Isch möschte meinen kleinen Freunden etwas zeigen.
PALASTWÄCHTER: Was denn für kleine Freunde?
PAPILLO: (mit gesenkter Stimme.) Meine kleinen... Oh, 'oppla! Da befindet sisch ein Staubkorn auf Ührem Stüfel.
PALASTWÄCHTER: Was? Das kann nicht sein. (beugt sich vor, um auf seine Stiefel zu schauen.)
LLYFER: (schlägt den Palastwächter bewusstlos.) Träumen Sie gut.
REFERENTIN: Gut. Jetzt schnell ans Werk.
PAPILLO: Und der letzte macht das Licht aus.

Szene 17

(Vorbühne. Auftritt Sillybos.)
SILLYBOS: Hm. Warum sollte jemand die latatianischen Schriften stehlen? Stehlen ist klar, kaufen kann man sie nicht, zumindest nicht alle. Aber warum will jemand diese Schriften haben? Und vor allem, warum alle? Ist man auf der Suche nach etwas Bestimmten, einem bestimmten Text, einem Zitat, und weiß nicht, wo es steht? Aber dann hätte es keinen Sinn, zuerst alle Bücher zu stehlen, systematisch, ohne die Zeit zu haben, gleichzeitig alle durchzulesen. Andererseits kommt mir in den Sinn, was Tractatus gestern Abend erzählte. Wenn alle latatianischen Schriften zerstört werden würden, hätte dies auch fatale Auswirkungen auf die jetzige Sprache. Daran kann keinem vernünftigen Menschen gelegen sein, aber... man könnte damit drohen. Vielleicht haben wir bald die ersten Fälle von zerstörten Schriften, um zu zeigen, dass sie es Ernst meinen. Es würde auf eine Erpressung hinauslaufen. Gebt uns, was wir wollen, und wir lassen die Bücher leben. Der Preis wird hoch sein. (hält inne.) Und doch würde ich ihn zahlen wollen. (Ab.)

Szene 18

(Vor dem Palast. Palastwächter 2 steht Wache. Etwas abseits sehen die religiösen Fanatiker und Valdimier van Varwald. Palastwächter 1 kommt aus dem Palast.)
PALASTWÄCHTER 1: Hier draußen ist alles in Ordnung?
PALASTWÄCHTER 2: Ja, die Gruppe verhält sich ruhig.
PALASTWÄCHTER 1: Gut. Ich soll sie nämlich gleich reinschicken.
Palastwächter 1 geht zu der Gruppe. Referentin, Llyfer und Papillo kommen aus dem Palast.
PALASTWÄCHTER 2: Das ging aber schnell.
REFERENTIN: Ja, wir haben effektiv gearbeitet. Vielen Dank noch mal für ihre Kooperation.
PALASTWÄCHTER 2: Oh, keine Ursache.
(Palastwächter 2 hebt den Helm zum Gruß. Referentin, Llyfer und Papillo ab. Palastwächter 1 geht wieder zum Eingang.)
PALASTWÄCHTER 1: Was waren denn das für Leute?
PALASTWÄCHTER 2: Das waren Historiker aus Quirm.
PALASTWÄCHTER 1: Wie kamen sie in den Palast?
PALASTWÄCHTER 2: Nun, ich habe sie rein gelassen.
PALASTWÄCHTER 1: Du hast was?
PALASTWÄCHTER 2: Aber sie standen auf der Liste...
PALASTWÄCHTER 1: Erinnerst du dich nicht an den Befehl vom Patrizier?
PALASTWÄCHTER 2: Aber der Befehl war doch wegen der Gruppe da drüben...
PALASTWÄCHTER 1: Nein, das waren nicht die Bösewichte. Wir können nur hoffen, dass noch nichts passiert ist.
PALASTWÄCHTER 2: Es waren aber auch die einzigen, die ich reingelassen habe. Und Historiker sind doch harmlos.

Szene 19

(Archiv des Palastes. Dunkle Bühne. Auftritt Konstabler, Dux, Humph und der Aufseher.)
KONSTABLER: Wieso ist es hier so dunkel? Aufseher?
AUFSEHER: Keine Ahnung, Herr. Die Lampe muss ausgegangen sein.
HUMPH: Mir schwant Übles...
KONSTABLER: So mach sie wieder an, Aufseher!
AUFSEHER: Ja, ja, Moment...
(Der Aufseher tastet umher. Kurz darauf geht das Licht an. Ein Palastwächter liegt bewusstlos auf dem Boden. Die Regale mit den latatianischen Schriften sind leer, davor liegt ein großer Haufen Staub und Konfetti.)
AUFSEHER: Neeeiiiin! (kniet vor dem Haufen nieder und beginnt zu heulen.)
DUX: Zu spät! Wir sind zu spät! (zum Konstabler.) Das ist deine Schuld, Palastwächter!
KONSTABLER: Aber ich konnte doch nicht wissen...
DUX: Du bist nun mein Feind! Aber erst müssen wir uns um die verbleibenden latatianischen Bücher kümmern. (ab.)
KONSTABLER: Ähm, Hauptmann...
HUMPH: Nein. Du hast es vermasselt, Konstabler. Das darfst du dem Patrizier erklären. Wir sind hier fertig. (ab.)

Szene 20

(Vor dem Palast. Palastwächter 1 und 2 stehen Wache. Etwas abseits sehen die religiösen Fanatiker und Valdimier van Varwald. Dux kommt aus dem Palast und geht zu den Fanatikern.)
DUX: Heilige Kämpfer von Latatiana, wir können hier nichts mehr tun. Der Feind war vor uns hier. Aber es ist eine weitere Bestätigung, dass wir uns nur auf uns selbst verlassen können!
FANATIKER: Und was jetzt, Boss?
DUX: Wir gehen zurück zum Tempel. Danach werden wir uns zur Universität begeben.
Dux und die Fanatiker gehen ab. Humph kommt aus dem Palast.
HUMPH: (geht zu Valdimier.) Das war's, Korporal. Die Bücher sind zerstört, die Gruppe war schon hier.
VALDIMIER: Es waren also doch nicht die Fanatiker?
HUMPH: Nein, es müssen wenige gewesen sein.

VALDIMIER: Verdammt, die Historiker!
HUMPH: Ich glaube nicht, dass die Geschichtsschreiber etwas dafür können...
VALDIMIER: Nein, ich meine, es war gerade eine kleine Gruppe Historiker im Palast. Sie sind vor wenigen Minuten raus gekommen.
HUMPH: So ein Mist! Hast du sie erkennen können?
VALDIMIER: Nur von weitem. Sie waren vermutlich verkleidet. Der eine Palastwächter hat mit ihnen gesprochen.
HUMPH: Hm. Gut, verfolgen hat wohl keinen Sinn mehr. Beobachte du die Fanatiker, ich rede mal mit dem Palastwächter.
VALIDIMIER: In Ordnung. Sie wollten zum Tempel der geringen Götter. Wir sehen uns im Wachhaus. (ab.)
HUMPH: (geht zu Palastwächter 2.) So, du bist also derjenige, der diese... 'Historiker'... in den Palast gelassen hat?
PALASTWÄCHTER 2: Ähm, sie waren angemeldet...
HUMPH: Dann lass dir sagen, dass es genau diejenigen Personen waren, die ihr am Eindringen in den Palast hindert solltet.
PALASTWÄCHTER 2: Ich, äh...
PALASTWÄCHTER 1: Das ist eine interne Angelegenheit des Palastes, Stadtwächter. Das geht dich nichts an.
HUMPH: Das geht mich sehr wohl was an! Es ist unsere Aufgabe, die Täter zu fangen, und die Aufgabe haben wir vom Patrizier persönlich. Und im Gegensatz zu euch pflegen wir Aufträge vom Patrizier zu erfüllen. Also, ich erwarte dich und deine Aussage nach Ende deiner Schicht im Wachhaus am Pseudopolisplatz!
(Humph ab. Der Konstabler kommt aus dem Palast.)
KONSTABLER: Wer? Wer war so einfältig und konnte nicht mal den einfachsten Befehl beachten? Niemanden in den Palast zu lassen!
PALASTWÄCHTER 2: Ähm, ich fürchte, das war ich...
KONSTABLER: Nicht nur, dass den Befehl des Patriziers missachtet hast, wegen dir haben wir nun auch noch eine gefährliche religiöse Sekte auf dem Hals!
PALASTWÄCHTER 2: Ich bin untröstlich...
KONSTABLER: Das hilft auch nichts mehr. Der Patrizier wird davon erfahren. Wir werden mit Sicherheit degradiert werden. Das heißt - falls die Krokodile was von uns übrig lassen. (geht wieder in den Palast.)
PALASTWÄCHTER 2: Aber... sie standen doch auf der Liste...
(Auftritt William de Worde mit Notizblock und Stift.)
DE WORDE: Guten Tag, ich bin William de Worde von der Ankh-Morpork Times. Ist hier gerade irgendwas Interessantes vorgefallen?

Szene 21

(Diebesgilde. Boggis sitzt am Schreibtisch. Auftritt Goldie Kleinaxt.)
BOGGIS: Ah, Hauptgefreite Goldie. Es ist mir jedes Mal ein Vergnügen.
GOLDIE: Hallo Boggis. Du weißt, warum ich hier bin?
BOGGIS: Du wirst es mir sicherlich gleich verraten.
GOLDIE: Es geht um den Dieb Pickit...
BOGGIS: Ja, das dachte ich mir. Was ist mit ihm?
GOLDIE: Wir hatten dich gestern gebeten, ihn zur Wache zu schicken.
BOGGIS: Ja richtig, wegen der Zeugenaussage, stimmt's?
GOLDIE: Genau. Nun, Pickit ist nicht aufgetaucht.
BOGGIS: Ich habe es ihm aber mitgeteilt.
GOLDIE: Vielleicht... nicht deutlich genug?
BOGGIS: Wenn es nur um eine Zeugenaussage geht... meines Wissens nach kann man eine Aussage auch schriftlich einreichen. Bestimmt wird sie ein Bote bringen.
GOLDIE: Ach, reden wir nicht mehr um den heißen Brei. Wir wissen, dass Pickit Diebstähle ohne Quittungen begangen hat. In vielfacher Ausführung.
BOGGIS: Hm... Selbst wenn es so wäre, wäre das dann immer noch eine interne Angelegenheit dieser Gilde, nicht wahr?
GOLDIE: Du hörst das erste Mal davon, nicht wahr? Warum sonst sollte Pickit noch frei rumlaufen?
BOGGIS: Wie gesagt, das sind interne Angelegenheiten.
GOLDIE: Um offen zu sein, wir vermuten, dass du nichts davon wusstest oder, falls doch, du keine Beweise dafür hast. Beweise, die wir haben.
BOGGIS: Und was genau willst du jetzt von mir, Hauptgefreite?
GOLDIE: Der Handel ist einfach. Wir dürfen Pickit verhören, bevor du ihn zur Rechenschaft ziehst, und geben dir dafür die Beweise.
BOGGIS: Und wenn ich nicht zustimme?
GOLDIE: Dann geben wir die Beweise an den Patrizier. Der dürfte sich sehr dafür interessieren.
BOGGIS: Hm. (denkt nach.) In dem Fall lehne ich ab.
GOLDIE: Du lehnst ab? Der Patrizier wird nicht sehr erfreut sein, wenn Pickit weiterhin frei rumläuft...
BOGGIS: Ich bin mir dessen bewusst. Guten Tag, Hauptgefreite.
(Goldie ab.)
BOGGIS: Das ist ja interessant. Die Hauptgefreite hat einen Fehler gemacht... bisher hatte ich nur die Vermutung, aber jetzt weiß ich, dass es entsprechende Beweise gibt. Zusammen mit dem Brief von Vetinari gestern kann ich mir inzwischen ein relativ gutes Bild machen. Die Frage ist nur: warum ist die Wache so sehr daran interessiert? Nicht zu vergessen das Interesse des Patriziers. Da steckt mehr dahinter. Mal sehen, ob man da nicht Kapital draus schlagen kann. Schließlich beschäftigen wir uns nicht nur mit Diebstahl...
(Auftritt Pickit.)
BOGGIS: Ah, Pickit. Ich habe dich erwartet.
PICKIT: Ja, äh... das dachte ich mir.
BOGGIS: Nun? Hast du mir was zu sagen?
PICKIT: Ich... ähm... es tut mir Leid, Herr. Ich... Ihr wisst es sicher längst... Ja, ich habe gestohlen!
BOGGIS: Nun, das ist dein Beruf.
PICKIT: Macht es mir doch nicht so schwer, Herr... Ich habe gestohlen und ... keine Quittung hinterlassen.
BOGGIS: Hmhm.
PICKIT: Und ich will... ich will nicht in Ankh geworfen werden, mit einem Betonklotz an den Beinen.
BOGGIS: Das ist aber nun mal die Strafe, die darauf steht.
PICKIT: Bitte, Herr! Ich... ich weiß, dass es ein Fehler war. Ich... werd's nie wieder tun, ich schwör's!
BOGGIS: Hm. Es ist ein interessanter Fall, mein lieber Pickit. Nun, ich werde dich verschonen...
PICKIT: Oh danke, Herr! Danke, danke, danke!
BOGGIS: ... unter einer Bedingung!
PICKIT: Was immer Ihr wollt, Herr!
BOGGIS: Du erinnerst dich an den Brief des Patriziers, den er mir gestern geschrieben hat? Ist ein Diebstahl auch dann ein Diebstahl, wenn niemand bemerkt, dass was gestohlen wurde? Hier ist mein Angebot: du musst mir die gestohlenen Bücher bringen, damit ich sie den Besitzern zurückbringen kann. Wenn du das machst, lasse ich dich gehen. Wenn nicht, gibt es auf der ganzen Scheibenwelt keinen sicheren Ort mehr für dich, denn wir haben vor dem Patrizier einen ruf zu verlieren.
PICKIT: Aber... das werden sie niemals zulassen, Herr! Es hat uns so viel Mühe gekostet -
BOGGIS: Das ist mein Angebot. Nimm es an, oder ich lasse schon mal den Beton anrühren.
PICKIT: Ich... ich werden es versuchen, Herr.
(Pickit ab.)

Szene 22

(Bibliothek der Unsichtbaren Universität. Der Bibliothekar steht auf einer Leiter und zeigt Hegelkant ein Buch. Der hakt es auf seiner Liste ab. Der Bibliothekar steigt dann die Leiter herunter und schiebt sie ein Stück weiter.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh?
HEGELKANT: Wie bitte?
BIBLIOTHEKAR: Ugh?
HEGELKANT: Nein, ich bevorzuge einen Morgenmantel.
BIBLIOTHEKAR: Iiek, ugh?
HEGELKANT: (blättert in dem Wörterbuch.) Achso, nein, in Überwald war ich noch nicht.
BIBLIOTHEKAR: Iiek. Iiek? (deutet auf die Liste.)
HEGELKANT: Ah, die Liste. Hier. (reicht dem Bibliothekar die Liste.)
BIBLIOTHEKAR: (studiert die Liste.) Ugh. Ugh ugh, ugh. Ugh?
HEGELKANT: (blättert im Wörterbuch.) Ähm, nein, ich habe jedes einzelne abgehakt.
BIBLIOTHEKAR: (zählt die Bücher im Regal durch) Ugh, ugh, ugh.... (geht die Liste durch.) Ugh, ugh, ugh... Iiek!
HEGELKANT: Was? Was ist passiert?
BIBLIOTHEKAR: (kreist einen Eintrag auf der Liste ein und drückt Hegelkant die Liste in die Hand.) Ugh. Iiek, ugh. Ugh.
(Bibliothekar geht ab.)
HEGELKANT: Ein Buch fehlt? Ich glaube nicht, dass wir eins übersehen haben... Hm.
(Bibliothekar kommt zurück. Er trägt einen Kittel und ein Stethoskop.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Iiek, ugh.
HEGELKANT: In Ordnung, ich bleibe hier in Sicherheit.
BIBLIOTHEKAR: (horcht mit dem Stethoskop einzelne Buchrücken ab.) Ugh... ugh...
HEGELKANT: Erstaunlich...
BIBLIOTHEKAR: (tastet verschiedene Regalstellen ab und lauscht wieder mit dem Stethoskop.) Ugh, ugh. Ugh. Ugh.
HEGELKANT: (blättert im Wörterbuch) Gestern war es noch da? Aber wer...?
BIBLIOTHEKAR: (hebt sie Hand und nimmt das Stethoskop ab.) Ugh. Ugh, iiek, ugh. Ugh.
HEGELKANT: Das Puppentheater hat eine Sondervorstellung?
BIBLIOTHEKAR: Iiek. Ugh. Ugh.
HEGELKANT: Ach so, erstmal weitermachen. Also gut.
(Der Bibliothekar steigt die Leiter hinauf und zeigt Hegelkant ein Buch, der es auf der Liste abhakt.)

Szene 23

(Speisesaal der Unsichtbaren Universität. Der Dekan, der Dozent, der Professor und der Oberste Hirte sitzen am Tisch bei Kaffee und Kuchen.)
DOZENT: Eigentlich schade, dass es doch nicht unser Sklave war.
HIRTE: Ja. Den hätten wir sicherlich gut gebrauchen können.
(Der Dekan schreibt etwas.)
PROFESSOR: Jetzt ist aber mal gut, Dekan! Es gibt im Moment wirklich absolut gar nichts, was du aufschreiben könntest.
DEKAN: Woher willst du das denn wissen?
PROFESSOR: Weil wir hier nur sitzen und Kuchen essen. Da ist nichts Magisches dabei.
DEKAN: Das... ist Ansichtssache.
DOZENT: Ansichtssache?
DEKAN: Es kommt immer darauf an, wie man sich ausdrückt.
PROFESSOR: Sag endlich, wie du den Erzkanzler so beeindruckst.
DOZENT: Ja. Sonst klauen wir dein Buch und verpetzen dich.
DEKAN: Nun gut, ich werde euch einweihen. Der Trick ist, nicht was man aufschreibt, sondern wie man es aufschreibt.
PROFESSOR: Häh?
DEKAN: (reicht dem Dozenten sein Notizbuch.) Genauer gesagt, in welcher Sprache.
DOZENT: (blättert durch das Notizbuch.) Du sprichst Latatianisch?
DEKAN: Nicht direkt. Aber ich schreibe ja auch nicht den ganzen Text in Latatianisch, sondern nur bestimmte Wörter. So wirkt es magisch, was ich mache.
DOZENT: (liest einen Eintrag.) "10:00 Uhr. Habe mich den Morgen mit Somnum Extensum beschäftigt. Vielleicht sollte ich mal versuchen propediem surgere, um etwas gegen den Famem Ascendentum zu tun. Ich bin gespannt, ob es gelungen ist, das Ientaculum egregium von gestern noch zu steigern."[1]
PROFESSOR: He, das hört sich wirklich nach Magie an.
DOZENT: (liest einen Eintrag.) "12:00 Uhr. Befinde mich gerade in einer Sitzung in Sella Familiarica. Irgendetwas war nicht in Ordnung cum cibo, es gibt Unregelmäßigkeiten cena confecto, außerdem sind Nausea und Alvi Deiectio beobachtet worden. Ich werde cum coquo de bonitate cibi diskutieren. Wir müssen genau analysieren, was die Turbatio Concoctionis verursacht hat. In einer halben Stunde werden wir mit der Cena Meridiana den nächsten Versuch starten, hoffentlich klappt es dann besser." [2]
PROFESSOR: Und das funktioniert?
DEKAN: Ja. Der Erzkanzler kann kein Latatianisch, würde das aber nie zugeben. Deswegen tut er so, als würde er es verstehen.
DOZENT: Und woher kennst du die ganzen Wörter?
DEKAN: Ich habe sie aus einem latatianischen Wörterbuch aus der Bibliothek.
PROFESSOR: Aber man kann sich im Moment gar keine Bücher ausleihen, wegen der Inventur.
DEKAN: Darum habe ich es mir ja auch... geborgt. Also Eum mutuum accipio. Bis diese Sache mit dem Aufschreiben vorbei ist. Da der Bibliothekar beschäftigt war, librum obscure furari possui.
DOZENT: Raffiniert, das muss man dir lassen.
HIRTE: Hm, der Himbeerkuchen schmeckt heute irgendwie nicht so frisch wie gestern.
DEKAN: Sagen wir lieber, der libum rubi idaei scheint nach einem Tag an Recentia zu verlieren.

Szene 24

(Vorbühne. Auftritt Erzähler.)
ERZÄHLER: Latein hat als Sprache der Wissenschaft eine lange Tradition. Auch wenn das antike römische Reich wissenschaftlich bei weitem nicht an die Leistungen der Griechen beziehungsweise Hellenen herankam, diente die Expansion des römischen Reiches der Verbreitung der lateinischen Sprache und der wissenschaftlichen Inhalte, die die Römer von den Griechen übernahmen. Latein war - ähnlich wie heute die englische Sprache - die erste Fremdsprache der Gelehrten und diente somit der Verständigung über die eigenen Landes- und Sprachgrenzen hinaus. Da die Menschen früher nicht viel reisten, geschah dies in erster Linie auf schriftlichem Wege, wodurch Latein als gesprochene Sprache allmählich ausstarb, während es die vorrangige Schriftsprache bis in die Neuzeit blieb. (hält inne.) In dieser Geschichte spielt der Unterschied zwischen dem flüchtigen gesprochenen Vulgärlatein und dem immer währenden geschriebenen Wort eine große Rolle. Doch während auf unserer Welt eine nicht mehr gesprochene Sprache als "tot" bezeichnet wird, wenn sie keinen Muttersprachler mehr hat, also wenn sie niemand mehr spricht, ist auf der Scheibenwelt eine Sprache dann tot, wenn es keine schriftlichen Zeugnisse der Sprache mehr gibt. Die Wissenschaften - zum Beispiel die Biologie oder die Medizin - bemühen sich vereinzelt, in ihrer Nomenklatur die lateinische Sprache am Leben zu erhalten, wenn auch nicht so energisch, wie der Dekan dies tut, und auch aus anderen Motiven als der Dekan. Doch sollten wir stets bedenken, dass die Tradition, Methodik und das Selbstverständnis der modernen Wissenschaften eng verknüpft sind mit der logischen Struktur der lateinischen Sprache, die das sprachliche Ausdrucksmittel in der aufkeimenden Entwicklung der Wissenschaften war. Aus diesem Grund sollten alle Wissenschaftsgläubigen der lateinischen Sprache mit Respekt und vielleicht auch ein wenig Ehrfurcht begegnen. So wie es in gewisser Weise auch die Zauberer tun. (ab.)

Szene 25

(Ein Lagerhaus. Auftritt Referentin, Llyfer und Papillo.)
REFERENTIN: Ich bin sehr zufrieden mit unserer Aktion, meine Herren. Alles verlief reibungslos.
LLYFER: Aber jetzt wird doch die ganze Stadt hinter uns her sein!
PAPILLO: Immer kuhl bleiben, Mann. Läuft doch alles ganz iehsi.
LLYFER: Na ich weiß nicht. Ganz wohl fühle ich mich nicht.
REFERENTIN: Kein Grund zur Beunruhigung, es läuft alles nach Plan. Sobald Herr Magus auftaucht, werden wir uns mit den Planungen für die Bibliothek beschäftigen.
(Papillo raucht eine Zigarette. Auftritt Tractatus mit einem Paket.)
REFERENTIN: Ah, Herr Neusprech. Haben Sie das Manuskript mit der neuen Sprache?
TRACTATUS: (übergibt der Referentin das Paket.) Ja, hier ist es. Von den... Auftraggebern korrigiert und abgesegnet. Bezüglich der Verteilung...
REFERENTIN: Machen Sie sich darum keine Sorgen, ich kümmere mich darum. Sie haben den Zeitplan eingehalten, ich bin zufrieden.
TRACTATUS: In Ordnung. Ein weiterer Punkt betrifft die aktuellen Messungen. Wie es scheint, erfährt Latatianisch neue Aktivität.
REFERENTIN: Ich vermute, dass die Stadtwache alte latatianische Schriften recherchiert, um uns auf die Spur zu kommen. Ich dachte, das macht für unsere Zwecke keinen großen Unterschied?
TRACTATUS: Nein, es ist gravierender. Jemand schreibt Latatianisch. Zwar unzusammenhängend, ziemlich schlecht und grammatikalisch falsch, aber schließlich ist gerade das gefährlich. Es entstehen sogar neue Wortschöpfungen dabei.
REFERENTIN: Hm, das ist außergewöhnlich. Herr Buch, begleiten Sie Herrn Neusprech zur Gilde und führen Sie neue Berechnungen durch. Vielleicht brauchen wir mehr Bücher als gedacht. Ich erwarte Ihre Ergebnisse morgen früh. Wir treffen uns dann, um den Plan für die Universität zu besprechen.
LLYFER: In Ordnung.
(Tractatus und Llyfer gehen ab. Auftritt Pickit.)
REFERENTIN: Ah, Herr Schnapp. Wie geht es Ihnen? Ich hoffe, Sie haben sich etwas beruhigt...?
PICKIT: Nun ja... also es ist so... Ich war bei der Gilde und so... die wissen ja schon alles! Die sind uns auf den Fersen! Aber ich habe ein Angebot aushandeln können. Wir werden alle verschont, wenn wir die Bücher zurückgeben und so tun als wäre nichts geschehen!
REFERENTIN: Das haben Sie alles alleine ausgehandelt?
PICKIT: Jajaja! Das war nicht leicht, aber Boggis ist einverstanden. Hab ich doch gut gemacht, oder?
REFERENTIN: Ja, das ist eine ausgezeichnete Idee, Herr Schnapp. So würden wir von der Diebesgilde verschont bleiben.
PICKIT: Dann stimmen Sie also zu?
REFERENTIN: Ganz so leicht ist das nicht, ich muss das schließlich mit unseren Auftraggebern besprechen. Aber einen Tag hat man ja Bedenkzeit bei solchen Angeboten. Ich gebe Ihnen morgen Bescheid, Herr Schnapp.
PICKIT: Oh, das wäre prima.
REFERENTIN: Gut. Und nun bereiten Sie sich auf den letzten Einsatz vor. Heute Nacht gilt es, die letzten Bücher zu holen.
PICKIT: Aber... ich denke, wir wollen die Bücher zurückgeben? Wieso soll ich denn dann noch mehr stehlen?
REFERENTIN: Das stärkt unsere Glaubwürdigkeit gegenüber unseren Auftraggebern. Vertrauen Sie mir, morgen wird sich bestimmt alles in Wohlgefallen auflösen.
PICKIT: Hm... na gut, wenn Sie meinen...
REFERENTIN: Mit Sicherheit. Alles wird Gut, machen Sie sich keine Sorgen.
(Pickit ab.)
PAPILLO: Ho, Mann, der ist aber ziemlich mies drauf, was?
REFERENTIN: Er hat es nicht leicht, aber damit war zu rechnen.
PAPILLO: Aber der Diehl ist doch voll schräg, Mann... Die Bücher wieder zurückgeben?
REFERENTIN: Keine Sorge, dazu wird es nicht kommen. Das habe ich nur gesagt, um ihn hinzuhalten.
(Auftritt Magius.)
REFERENTIN: Ah, Herr Magus. Haben Sie gut geschlafen?
MAGIUS: (gähnt.) Hmhm.
REFERENTIN: Für Sie kommt nun der anstrengendste Teil der Mission. Sie müssen zum einen heute Nacht die letzten Bücher beschaffen und zudem morgen früh einen wichtigen Part bei der Aktion mit der Universität übernehmen. Dazwischen wird es nicht viele Ruhepausen geben.
MAGIUS: Ich werd's überleben.
PAPILLO: Und wenn nicht, hab ich noch die kuhle Medizin für dich.
MAGIUS: Oh, bitte nicht...
PAPILLO: Macht dich wieder voll klar, Mann. Speziell von Mister Schmetterling. (holt ein Fläschchen mit einer schwarzbraunen Flüssigkeit hervor.)
MAGIUS: Das ist wirklich nicht nötig.
PAPILLO: Ganz kuhl bleiben, das macht dich sofort wieder munter. (setzt das Fläschchen an Magus' Mund.)
MAGIUS: Wenn's denn sein muss. (trinkt, wird munter.) He, da wird wirklich jede Zelle frisch.
PAPILLO: Na logo.
REFERENTIN: Meine Herren, in diesen Umschlägen finden Sie eine detaillierte Aufgabenbeschreibung für morgen. (Sei verteilt für jeden einen Umschlag.) Bitte lesen Sie sie gut durch. Wir sehen uns morgen um Punkt Nullneunhundert im Besprechungsraum.
(Referentin ab. Magius und Papillo öffnen ihre Umschläge.)

Szene 26

(Stadtwache. Büro von Charlie Holm und Sillybos. Humph MeckDwarf steht am Plan an der Wand, Sillybos, Romulus von Grauhaar, Goldie Kleinaxt und Charlie Holm stehen mit etwas Abstand davor.)
HUMPH: So, der Nachmittag ist weit fortgeschritten, ich muss gleich dem Kommandeur berichten, damit er nachher beim Gespräch mit dem Patrizier auch was erzählen kann. Fangen wir also gleich an. Punkt Eins, Diebesgilde. Goldie?
GOLDIE: Ich kann leider nicht viel Positives berichten. Boggis lehnt es ab, uns Pickit auszuliefern. Ich fürchte, wir müssen versuchen, Pickit selbst aufzuspüren, denn die Diebesgilde ist nicht kooperativ.
HUMPH: Hm. Boggis bewegt sich damit am Rande der Legalität, ich frage mich, ob er damit wirklich durchkommt. Mal sehen, vielleicht kann Rascaal nachher direkt mit dem Patrizier über die Diebesgilde reden. Nun ja, nächster Punkt. Wo gibt es noch latatianische Bücher? Charlie?
CHARLIE: Unsere Analyse fiel ziemlich ernüchternd aus. Alle Gilden, bei denen wir bisher nachgefragt haben, haben keine latatianischen Bücher in ihren Archiven mehr, sie wurden genauso ausgetauscht wie bei den Privatleuten, wie wir gestern bereits ermittelt haben. Das waren zwar immer nur relativ wenige Bücher, aber sie sind restlos weg. Wir befürchten, dass dies bei den übrigen Gilden auch der Fall sein wird, denn die Diebe scheinen mit System vorzugehen. Wir sollten uns daher auf drei Standorte konzentrieren, die nachweislich noch latatianische Schriften haben, nämlich der Patrizierpalast, die Bibliothek der Universität und unser eigenes Archiv.
HUMPH: Da kann ich gerade mal einhaken. Der Patrizierpalast hat keine Bücher mehr, wir waren zu spät. Allerdings wurden sie nicht gestohlen, sondern zerstört. Bücherwürmer, eine besonders üble Sorte. Unser Archiv wird jetzt strengstens bewacht, bleibt nur noch die Universität, die ziemlich weitläufig ist.
ROMULUS: Aber da diese Geschichte Chefsache ist, könnte Vetinari vielleicht verfügen, dass die Bibliothek hermetisch abgeriegelt wird, so dass niemand, nicht einmal Zauberer, rein und raus dürfen. Nur Leute mit einer speziellen Genehmigung von der Wache.
HUMPH: Ja, eine gute Idee. Wir werden das dem Patrizier vorschlagen. Der nächste Punkt betrifft das Motiv der Täter, die ja nach der Aktion im Palast nicht nur Diebe sind, sondern vielleicht was anderes im Schilde führen. Sillybos?
SILLYBOS: Also, ich war gestern Abend bei der Linguistengilde, die sich unter anderem mit der latatianischen Sprache beschäftigt. Dort erfuhr ich, dass die Alte Sprache noch immer großen Einfluss auf unser modernes Morporkianisch hat und auf alle anderen Sprachen, die aus ihr entstanden sind. Also hätte jemand, der alle latatianischen Bücher unter seiner Kontrolle hat, ein ausgezeichnetes Druckmittel, denn jedwede Veränderung der Sprache könnte die Stadt in ein Chaos stürzen. Und gar nicht auszudenken, was passiert, wenn die latatianischen Bücher wirklich alle zerstört werden. Ich nehme also an, es läuft auf eine Erpressung hinaus, und die Zerstörung der Bücher im Patrizierpalast ist ein Zeichen, dass sie es Ernst meinen. Ich vermute, dass bald ein Bekennerschreiben mit Forderungen eintreffen wird, danach werden wir klarer sehen. Und wenn wir das dann analysieren, bekommen wir vielleicht auch eine weitere Spur.
HUMPH: Ja, das klingt plausibel. Hoffen wir, dass der Patrizier das auch so sieht. In Ordnung, warten wir also ab, ob sich jemand zu dem Bücherterrorismus bekennt. Vorerst letzter Punkt. Das Van-Thom-Bild der Frau, die bei Sillybos das eine Buch gestohlen hat. Romulus?
ROMULUS: Nun, Sillybos gab uns nicht sehr viele Informationen, aber wir haben versucht, das Beste daraus zu machen. (geht zur Wand und heftet ein großes Blatt Papier über den Plan. Es zeigt verschiedene Zeichnungen.) Die Beschreibung "große schlanke Frau mit langen dunklen Haaren" finden wir hier. (er deutet auf die Zeichnung oben links) Allein in der Wache hätten wir damit einige Verdächtige. Darum konzentrierten wir uns auf die anderen Merkmale. (deutet auf die Zeichnung rechts.) Dies zeigt ein dunkles Jackett und eine Hose. Es fällt einem nicht leicht, aber wir müssen versuchen, uns diese Frau in diesem Anzug vorzustellen.
HUMPH: Warum habt ihr die Frau nicht direkt im Anzug gemalt?
ROMULUS: Die Van-Thom-Bilder sind noch nicht ausgereift. Aber das ist ein guter Hinweis, wir werden den Verbesserungsvorschlag aufnehmen. Kommen wir nun zum letzten Hinweis. (zeigt auf die Zeichnung unten). Die spitze Form der Schuhe lässt auf eine Deformation der Füße schließen, die sich speziell in einer Missbildung der Zehen zeigt. Die Zeichnung zeigt deutlich die extreme Ausprägung des zweiten und dritten Zehs. Rogi war uns dabei behilflich.
HUMPH: In Ordnung. Wir werden dieses Van-Thom-Bild in der Times veröffentlichen. Auch wenn mich das Ergebnis nicht wirklich zufrieden stellt.
ROMULUS: Alles in allem reicht die Beschreibung nicht aus, um ein treffendes Bild von der Person zu zeichnen. Wir müssten mit Hegelkant sprechen, damit er uns genauere Hinweise geben kann.
SILLYBOS: Ich werde mal sehen, ob ich Hegelkant zur Wache holen kann. Er arbeitet im Moment in der Bibliothek der Universität.
HUMPH: Ach, das trifft sich doch gut. Dann haben wir quasi einen Mann vor Ort.
SILLYBOS: Einen Sklaven, um genau zu sein.
HUMPH: Sillybos, wir müssen uns mal gründlich über Sinn und Unsinn deiner Sklavenhaltung unterhalten. Aber nicht heute. Wir haben zu tun. Sieh zu, dass du Hegelkant irgendwie erreichst, dass er uns bei dem Van-Thom-Bild hilft. Falls du ihn nicht erreichst oder es zu lange dauert, bringst du das bisherige Bild zur Times, damit das auf jeden Fall noch in die morgige Ausgabe kommt.
SILLYBOS: Ja, in Ordnung.
HUMPH: Eins noch, bevor ihr alle geht. Es gibt eine weitere Partei in diesem Spiel. Eine Religion ist ebenfalls auf der Suche nach den latatianischen Büchern, offenkundig um diese Bücher vor den Dieben oder Erpressern zu schützen, zumindest behaupten sie das. Sie sind zwar auf unserer Seite, aber ich fürchte, das wissen sie nicht. Sie sind fanatisch und gewalttätig, also ist Vorsicht angebracht. Ich bin sicher, dass wir ihnen noch begegnen werden.

Szene 27

(Vorbühne. In der Mitte steht ein geschmückter Altar. Dux tritt auf und stellt sich hinter den Altar.)
DUX: (spricht zum Publikum) O Discipuli Latatianae, tempora severum! Lingua latatiana vim perdit, aeque fides in dea Latatiana. Sed non est sinendum! Non est serus ad hoc tempus. Valestis lingua latatiana conservata, conferre ad incolumitates estis! Antiques sciptes petite legiteque! Scribiteque! Tantum a renovatio sustinere lingua latatiana possumus. Si succedimus, imperio vobis subiectum est.
(Dux ab. Auftritt Valdimier.)
VALDIMIER: Der Tonfall hörte sich in höchstem Maße beunruhigend an. Wenn ich nur wüsste, was er gesagt hat. (grübelt.) Wenn ich nur wüsste, was er gesagt hat. (schaut ins Publikum). Aber ich fürchte... [3]
(Valdimier ab.)

Szene 28

(Linguistengilde. Tractatus und Llyfer hantieren an einer Apparatur herum.)
TRACTATUS: Es ist eindeutig. Jemand schreibt Latatianisch. Kein Zweifel.
LLYFER: Hm. Lässt sich die Quelle des neuen Linguums lokalisieren?
TRACTATUS: Nicht direkt. Da wir aber fast alle latatianischen Bücher unter unserer Kontrolle haben, wird es wahrscheinlich die Universität oder die Stadtwache sein.
LLYFER: Hm. Das ist nicht gut. Wie sieht es mit der neuen Hochrechnung aus?
TRACTATUS: Moment. (konfiguriert an der Maschine rum, die daraufhin einen Zettel auswirft.) Hier.
LLYFER: (liest den Zettel.) Das wird sehr knapp. (überprüft die Daten in seinem Buch.) Wenn das Linguum mit der gleichen Geschwindigkeit zunimmt, werden wir mehr Bücher brauchen.
TRACTATUS: Haben Sie die Zerstörung der Schriften im Palast einbezogen?
LLYFER: Jajaja, da hatten wir sogar einen Zerstörungsüberschuss. Aber diese Zahlen sind dennoch beunruhigend.
TRACTATUS: Das Problem ist, dass Sprache dazu tendiert, sich auszubreiten. Auf welche Weise auch immer, aber es ist ein kontinuierlicher Prozess, den aufzuhalten nicht einfach sein wird.
LLYFER: Darum müssen wir schnell handeln. Morgen um diese Zeit ist ohnehin alles vorbei. Mit diesen halbherzigen Versuchen wird die latatianische Sprache es nicht schaffen, sich zu erholen. Machen wir erstmal weiter und überlegen dabei, ob und wie wir notfalls das Problem lösen können. Wir werden das morgen mit der Referentin diskutieren. Ich werde bis dahin das Ergebnis genau analysieren und bis morgen einen Vorschlag ausarbeiten.

Szene 29

(Vor dem Tor der Unsichtbaren Universität. Auftritt Sillybos.)
SILLYBOS: Ah, die Unsichtbare Universität. Und die Bibliothek. Herberge des Wissens, Hüterin der Weisheit. Ein Arbeitsplatz, um den ich Hegelkant beneiden würde, wenn die Umstände andere wären.
(Er klopft an. Ein Wärter öffnet und mustert Sillybos.)
WÄRTER: Du kommst hier nicht rein.
SILLYBOS: Aber ich muss dringend in die Bibliothek. Es ist äußerst wichtig.
WÄRTER: Das kann ja jeder behaupten.
SILLYBOS: Ich muss mit meinem Sklaven sprechen.
WÄRTER: Deinem Sklaven?
SILLYBOS: Ja, er hilft dem Bibliothekar bei der Inventur, soweit ist weiß...
WÄRTER: Hm. Ist er ziemlich groß?
SILLYBOS: Ja.
WÄRTER: Dunkle Haut, schwarze Locken, breites Grinsen?
SILLYBOS: Genau das ist er.
WÄRTER: Dann bist du also derjenige, der diesen armen Mann nur wegen eines einzigen Buches umherscheucht...
SILLYBOS: Das Buch ist sehr wichtig...
WÄRTER: (richtet sich vor Sillybos auf.) ... und ihn bestimmt auspeitscht, wenn er das Buch nicht bringt?
SILLYBOS: Was? Nein, ich würde doch nie...
WÄRTER: (holt seinen Schlagstock hervor.) Weißt du, was ich mit Leuten wie dir mache?
SILLYBOS: Ich... will es gar nicht wissen, glaube ich.
(Auftritt Bote. Er stellt sich neben den Wärter.)
WÄRTER: (bemerkt den Boten nicht.) Stadtwache oder nicht (holt aus.), dir werd' ich zeigen, was ich mit Sklavenhaltern mache, solche Leute werde ich unangespitzt in den Boden... (wird vom Boten angetippt.) Ja bitte?
BOTE: Verzeiht, wenn ich euch unterbreche, aber ich habe hier eine wichtige Mitteilung vom Patrizier. (übergibt dem Wärter eine Schriftrolle.)
WÄRTER: (liest die Schriftrolle.) "Hiermit befinde ich, dass niemand das Geländer der Unsichtbaren Universität ohne meine persönliche Erlaubnis betreten oder verlassen darf. Diese Nachricht ist bis auf weiteres gültig ohne jede Ausnahme. Gezeichnet, Havelock Vetinari." (zu Sillybos.) Tja, sieht aus, als hätte sich das hiermit erledigt.
SILLYBOS: Hm, das ist natürlich suboptimal. Was nun? (denkt nach.)
WÄRTER: Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. (holt mit dem Schlagstock aus.) Leute wie dich werde ich unangespitzt in den Boden...
SILLYBOS: (kriegt Angst.) Äh... du machst das sehr gut... aber ich muss nun leider gehen. Tut mir Leid, vielleicht ein andermal.
(Sillybos ab.)
WÄRTER: (behält den Schlagstock oben.) Hee! Du kannst doch nicht einfach... Hmpf. (zum Boten.) Du hast nicht zufällig einen Sklaven, oder?

Szene 30

(Wachhaus, Büro des Kommandeurs. Rascaal Ohnedurst sitzt an seinem Schreibtisch. Es klopft.)
RASCAAL: (richtet ein paar Papierstapel aus.) Herein.
(Auftritt Lord Vetinari.)
RASCAAL: Guten Tag, Herr. Freut mich, dass du es einrichten konntest. Setz dich doch.
VETINARI: (nimmt Platz.) Nun, was kannst du mir über die Ermittlungen sagen?
RASCAAL: Nun, wie du sicherlich weißt, ist eine unbekannte Gruppe von Bösewichten dabei, die latatianischen Bücher zu stehlen.
VETINARI: Ist das so?
RASCAAL: Ja, wir haben Beweise.
VETINARI: Und... die Diebesgilde weiß davon?
RASCAAL: Ich nehme an, das ist eine rhetorische Frage. Aber sie will den verantwortlichen Dieb nicht zur Rechenschaft ziehen.
VETINARI: Ich bin sicher, dass die Diebesgilde die notwendigen Maßnahmen ergreifen wird.
RASCAAL: Wir hatten gehofft, über die Diebesgilde an den Dieb zu kommen, der uns dann zu der Bande führt.
VETINARI: Das ist sehr optimistisch.
RASCAAL: Die Verhandlungen mit der Diebesgilde sind noch nicht abgeschlossen.
VETINARI: Ich bin gespannt. Du weißt, dass ich mich nicht in Gildenangelegenheiten einmischen werde, solange sie ihre gesetzlichen Vereinbarungen erfüllen.
RASCAAL: Natürlich.
VETINARI: Aber ich nehme an, das ist nicht eure einzige Spur, nicht wahr?
RACSAAL: Natürlich nicht, Herr. Ähm, du weißt, was heute im Palast vorgefallen ist?
VETINARI: Natürlich weiß ich das. Darum bin ich umso mehr an einer schnellen Aufklärung interessiert.
RASCAAL: Wir glauben, dass die Täter auch die Bibliothek der Unsichtbaren Universität im Visier haben. Darum hielten wir es für eine gute Idee...
VETINARI: Ich habe bereits als ersten Schritt die Universität sperren lassen. Niemand darf sie betreten oder verlassen. Im Moment laufen Maßnahmen, die Universität magisch zu versiegeln, um einen Vorfall wie beim Palast zu vermeiden.
RASCAAL: Ähm, das ist eine ausgezeichnete Idee, Herr. Allerdings wäre es doch möglich, dass wir im Laufe der Ermittlungen auf das Universitätsgelände müssen, um Spuren zu sichern und die Bücher zu beschützen.
VETINARI: Tut mir Leid, Kommandeur. Nur wer sich zum Zeitpunkt der Versiegelung innerhalb der Universität befindet, wird die Barriere passieren können. Was ich vielmehr von der Stadtwache erwarte, ist dass ihr die Täter fasst.
RASCAAL: Nun, unserer Analyse nach dürfte es auf eine Erpressung hinauslaufen. Wir rechnen demnächst mit einem Erpressungsschreiben. Insbesondere haben wir ein Van-Thom-Bild einer verdächtigen Person erstellt, das morgen in der Times veröffentlicht wird.
VETINARI: Ich hoffe, dass dies zum Erfolg führt. Selbstverständlich hast du diesem Fall oberste Priorität eingeräumt. Ich wünsche noch einen guten Tag, Kommandeur.
(Vetinari ab.)

Szene 31

(Redaktionsraum der Ankh-Morpork Times. Es herrscht allgemeines Chaos. William de Worde sitzt an einem Tisch und schreibt etwas. Auftritt Sillybos.)
DE WORDE: (steht auf.) Guten Tag, William de Worde, Herausgeber und Chefredakteur der Ankh-Morpork Times. Womit kann ich dienen?
SILLYBOS: Feldwebel Sillybos von der Stadtwache. Wir haben einen Anzeige für die morgige Ausgabe.
DE WORDE: In Ordnung. Gerade noch rechtzeitig vor Redaktionsschluss. (holt einen Protokollblock hervor.) Worum geht es diesmal? Eine Vermisstenanzeige?
SILLYBOS: Nein, wir möchten ein Van-Thom-Bild veröffentlichen.
DE WORDE: Ein was bitte?
SILLYBOS: Ein Van-Thom-Bild. Es ist sozusagen eine Visualisierung einer Täterbeschreibung. Wir erhoffen uns Hinweise aus der Bevölkerung auf die entsprechende Person.
DE WORDE: Ah ja, der Fortschritt. Eine Täterbeschreibung reicht nicht aus, alles muss "visualisiert" werden. Würde mich nicht wundern, wenn es in ferner Zukunft gar kein geschriebenes Wort mehr gibt, sondern nur noch Bilder und "Visualisierungen".
SILLYBOS: Soweit wird es nicht kommen, da bin ich mir ganz sicher.
DE WORDE: Das hoffen Sie, wie auch ich es hoffe. Doch schauen Sie sich um in der Welt! Überall nur Bilder und Ikonographien. Als ob das ausreicht! Kaum jemand nimmt sich die Zeit, einen langen Artikel oder ein vernünftiges Buch zu lesen.
SILLYBOS: Ich glaube, ich bin der falsche Adressat für Ihre Rede. Ich lese sehr viel.
DE WORDE: Ich meine ja auch nur, dass diese neuen Medien immer weiter um sich greifen und die Bücher immer mehr verdrängen, und dass das eigentlich schade ist. Abgesehen davon sind Bilder natürlich auch aufwändiger zu drucken.
SILLYBOS: Das ist wohl wahr. Aber ich habe im Moment nicht die Zeit, das zu diskutieren. Werden Sie das Van-Thom-Bild in die nächste Ausgabe bringen? (gibt William de Worde das Van-Thom-Bild.)
DE WORDE: Hm. Ja, ich denke, das sollte klappen. Solche Zeichnungen sind zwar nicht einfach zu drucken, aber inzwischen kriegen wir es ganz gut hin.
SILLYBOS: Gut. Vielen Dank, Herr de Worde. Wünsche noch einen schönen Abend.
DE WORDE: Keine Ursache. Wünsche ebenfalls einen schönen Abend.
(Sillybos ab.)
DE WORDE: (betrachtet das Van-Thom-Bild.) Eine Frau in einem Anzug? Wer hat denn so was schon gesehen...?
(Auftritt Referentin.)
REFERENTIN: Guten Tag, sind Sie William de Worde?
DE WORDE: Ähm, ja das bin ich. (schaut abwechselnd zwischen dem Van-Thom-Bild und der Referentin hin und her.) Und Sie sind...?
REFERENTIN: Ich habe einen Auftrag für Ihre Druckerei, der Sie sehr reich machen wird. Dazu brauchen wir zehntausend Flugblätter pro Tag.
DE WORDE: Zehn... tausend?
REFERENTIN: Zehntausend.
DE WORDE: Pro Tag....?
REFERENTIN: Ja. Insgesamt einundzwanzig Tage lang.
DE WORDE: Da muss ich erstmal sehen, ob wir genügend Papier und Tinte haben. Einen Moment bitte. (legt das Van-Thom-Bild auf den Tisch und geht ab.)
REFERENTIN: (betrachtet das Van-Thom-Bild.) Hm, das ist ja interessant... keine schlechte Idee, Feldwebel... aber was ist denn das? (dreht das Bild hin und her.) Ein Fuß? Ist ja lächerlich. (steckt das Bild ein.) Aber dennoch muss ja nicht jeder davon wissen.
(William de Worde kommt zurück.)
DE WORDE: Also, das wird ziemlich knapp... geht es nicht mit weniger? Achttausend vielleicht?
REFERENTIN: Meine Auftraggeber haben sehr präzise Vorstellungen. Hier ist die Anzahlung für die ersten sieben Tage. (übergibt William einen großen Beutel Geld.)
DE WORDE: (nimmt den Geldbeutel.) Hm. Einen Moment bitte.
(William geht ab. Die Referentin wartet geduldig. Auftritt Gutenhügel.)
GUTENHÜGEL: Soso, zehntausend, wie? Da muss ich doch glatt mal nachfragen... wie soll denn das Format sein und wie stark sind sie bedruckt?
REFERENTIN: Ich habe die Vorlagen hier. (holt eine Mappe hervor und gibt sie an Gutenhügel.)
GUTENHÜGEL: (breitet die Vorlagen auf dem Tisch aus.) Hmmhmm... Ja, das müsste gehen. Ich denke, wir kriegen das hin, ohne die Auflage der Zeitung senken zu müssen. (ruft nach hinten.) William! Das geht klar!
(Gutenhügel ab. Auftritt William de Worde.)
DE WORDE: Gut. Ich habe gerade unsere Papier- und Tintenbestände überprüft, das sollte reichen bis zur nächsten Lieferung. Morgen Nachmittag ist die erste Ladung fertig. Gleichzeitig werden wir neue Papiervorräte und Tintenfässer bestellen, die voraussichtlich noch heute geliefert werden.
REFERENTIN: In Ordnung. Mein Kollege wird sie dann abholen. Die nächste Anzahlung gibt es nach einer Woche, und den Rest nach Lieferung des letzten Flugblatts. Einen schönen Abend noch.
(Referentin ab.)
DE WORDE: Na, das ist mal ein Auftrag... Aber diese Frau... sie hatte ein Jackett an genau wie auf diesem... wo ist es denn? (schaut unter die Vorlagen.) Ach, dieser Gutenhügel... (wühlt durch das Chaos.) Gutenhügel! Wo ist denn das Van-Thom-Bild? (Papier fliegt umher.) Uh, oh... (sammelt die Vorlagen wieder zusammen.) So ein Mist...

Szene 32

(Vorbühne. Auftritt Erzähler.)
ERZÄHLER: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, so heißt es in einem geflügelten Wort. Und tatsächlich werden häufig Bilder verwendet, um eine komplizierte Situation darzustellen, weil so zahlreiche Informationen zugleich übermittelt werden können, während eine textliche Beschreibung nur einzelne Aspekte nacheinander abarbeiten kann, was die Vermittlung eines Gesamteindruck erschwert, weswegen die van-Thom-Bild-Technik durchaus von Vorteil sein kann. Auf der anderen Seite lassen sich zusätzliche Informationen, die zum Verständnis eines Bildes wichtig sind, nur schwerlich auch als Bild vermitteln, weshalb oft darauf verzichtet wird, was wiederum von William de Worde bedauert wird. Allerdings ist es nicht so dramatisch, wie William vielleicht meint, denn trotz der Möglichkeiten, die die sogenannten neuen Medien bieten, ist die Schrift noch lange nicht ausgestorben - was nicht nur daran liegt, dass zum Schreiben nur minimales handwerkliches Geschick notwendig ist. Vielmehr liegt es daran, dass es für abstrakte Begriffe wie Freiheit und Verantwortung hauptsächlich sprachliche, aber kaum bildliche Symbole gibt, wodurch die Möglichkeiten der Schrift gegenüber dem Bild weiterhin überlegen sind. Das ist auch auf der Scheibenwelt so, daher sollte William nicht so schwarz sehen.
(Erzähler ab.)


AKT IV


Szene 1

(Wohnung von William de Worde. Dieser geht nachdenklich auf und ab.)
DE WORDE: Was soll ich tun? Ich bin mir fast sicher, dass die Dame, die mir heute - oder mittlerweile gestern - den äußerst lukrativen Auftrag erteilt hat, genau diejenige Frau ist, die von der Stadtwache gesucht wird. Soll ich sie der Wache melden und somit viel Geld verlieren? Aber schneller Reichtum war noch nie mein Ziel, ich will die Bevölkerung über das Geschehen in der Stadt informieren. Und wenn ich die Frau melde und sie verhaftet wird, wäre die Suchmeldung, sofern Gutenhügel sie noch gefunden und gedruckt hat, schon wieder veraltet, durch meine Schuld! Wo die "Times" doch den Anspruch hat, die aktuellste Zeitung von Ankh-Morpork zu sein. Und ist es überhaupt meine Aufgabe, in die Ermittlungen der Stadtwache einzugreifen? Bin ich nicht vielmehr Beobachter und Dokumentierer des Zeitgeschehens? Darf ich denn als solcher das Zeitgeschehen selbst verändern? Fragen über Fragen, die ein Redakteur sich stellen muss...

Szene 2

(Eine Straße in Ankh-Morpork. Auftritt Pickit und Magius mit seinem Gerätle.)
MAGIUS: So, dies ist nun die letzte Adresse. Erstes Obergeschoss.
PICKIT: Da oben brennt aber noch Licht.
MAGIUS: Das ist schlecht.
PICKIT: Den Schatten nach scheint jemand auf- und abzugehen.
MAGIUS: Könnten wir eindringen und diesen Jemand überwältigen?
PICKIT: Nicht ohne aufzufallen, denn ein Schloss zu knacken dauert ein paar Minuten, und wenn er das mitkriegt, kann er um Hilfe rufen, die Tür blockieren oder sonstwie Aufmerksamkeit erregen.
MAGIUS: Hm.
PICKIT: Und wenn wir ihn durch Überreden dazu bringen, die Tür zu öffnen?
MAGIUS: Um diese Uhrzeit? Er wird sicher Verdacht schöpfen. Jeder, der um diese Zeit noch in Ankh-Morporks Straßen unterwegs ist, ist verdächtig. Er würde uns nicht reinlassen, zumal er die Ankh-Morpork Times gegründet hat, der Angsthase. [4]
PICKIT: Ich hätte hier noch ein Fläschchen Chloroform...
MAGIUS: Du willst ihn unschädlich machen?
PICKIT: Nur betäuben, für ein paar Stunden. Alles kein Problem.
MAGIUS: Das löst aber immer noch nicht das Problem, wie wir unauffällig in die Wohnung kommen.
PICKIT: Auch dafür habe ich schon eine Idee.
MAGIUS: Das habe ich befürchtet.
PICKIT: Du musst ihn nur von hier unten aus ablenken. Verwickle ihn in irgendein Gespräch oder so. Den Rest erledige ich dann.
(Pickit ab. Magius nimmt einen Schluck aus einem Fläschchen mit schwarzbrauner Flüssigkeit.)

Szene 3

(Wohnung von William de Worde. Auftritt William im Nachhemd und Zipfelmütze.)
DE WORDE: Es ist müßig, weiter darüber nachzudenken. Es wird ein anstrengender Tag, ich werde schlafen gehen.
(Ein Kieselstein fliegt gegen die Balkontür.)
DE WORDE: Immer diese nächtlichen Liebhaber... (öffnet die Balkontür und ruft nach unten.) Fräulein Dormecum wohnt nebenan!
MAGIUS: (von unten.) Verzeiht, werter Herr, bist du William de Worde?
DE WORDE: Der bin ich. Und wer bist du, der du aus der Nacht in meine Gedanken drängst?
MAGIUS: Meinen Namen weiß ich dir nicht zu sagen, doch habe ich Botschaft für dich.
DE WORDE: Was magst du mir wohl sagen wollen, zu mitt'nächtlicher Stund'?
MAGIUS: Eine Warnung. Ich geb' dir eine Warnung kund.
DE WORDE: Du warnst vor einem unbekannten Mann unter meinem Balkon...?
MAGIUS: Mich mein' ich doch nicht, das wär' doch blanker Hohn.
DE WORDE: ... wo ich nicht mal deinen Namen weiß.
MAGIUS: Ähm, den darf ich nicht sagen, um keinen Preis.
DE WORDE: Warum sollt' ich dir dann trauen, fremder Mann?
MAGIUS: Na, weil ich dir Wicht'ges sagen kann.
DE WORDE: So sag's doch, um Himmels Willen.
MAGIUS: Das wär' zu laut. Ich schreib's dir auf, im Stillen.
DE WORDE: Und dazu musst du mich jetzt stören?
MAGIUS: Ja, es ist wichtig, das kann ich beschwören!
(Auftritt Pickit in der Wohnung. William bemerkt ihn nicht.)
DE WORDE: Wobei schwörst du's? Bei der ganzen Welt?
MAGIUS: Ähm... beim Mond. Genau, ich schwör's beim Mond am Himmelszelt.
(Pickit sucht etwas in seinen Taschen.)
DE WORDE: Beim wechselhaften Mond? Ein wahrhaft schlechter Schwur.
MAGIUS: Ich schwör und schwör und du meckerst nur.
(Pickit holt eine kleine Flasche hervor.)
DE WORDE: Schwör bei deinem Herzen, sofern du kein Igor bist.
MAGIUS: Und wenn mein Herz verloren ist?
(Pickit sucht erneut etwas in seinen Taschen.)
DE WORDE: Dann bist du ein herzloser Mann.
MAGIUS: Mit nichts, worauf ich schwören kann.
(Pickit holt ein Taschentuch hervor.)
DE WORDE: Ich warte noch immer auf deinen Schwur...
MAGIUS: Verdammt, verdammt, wobei schwör ich nur...?
(Pickit tränkt das Taschentuch mit dem Inhalt der Flasche.)
DE WORDE: Du sollst schwören und nicht fluchen.[5]
MAGIUS: Gut, dann will ich es versuchen.
(Pickit verstaut die Flasche wieder.)
DE WORDE: (ungeduldig.) Also, ich höre.
MAGIUS: (lässt sich Zeit.) Also, ich schwöre...
(Pickit muss niesen und hebt das Taschentuch.)
DE WORDE: Lass es ganz! Sprich endlich, sonst seh' ich rot!
(Pickit unterdrückt das Niesen und geht zum Balkon.)
MAGIUS: (verliert die Geduld.) Ach, was ist mein Partner nur für ein Idiot!
DE WORDE: Wie? Ich verstehe nicht...
(Pickit hält William von hinten das Taschentuch vor das Gesicht. William geht zu Boden.)
MAGIUS: Endlich! Was hat denn das so lange gedauert? Ich rede und rede und rede....
PICKIT: Hey, ich bin nun mal kein Assassine. Ist doch alles in Butter.
MAGIUS: Um ein Haar hätte er dich gesehen und dann wären wir aufgeflogen.
PICKIT: Ganz ruhig, ist ja nichts passiert. Komm rauf, die Tür ist offen.
(Magius geht unten ab.)

Szene 4

(Eine Straße in Ankh-Morpork. Auftritt Pickit und Magius. Pickit trägt eine Tasche, Magius sein Gerätle.)
MAGIUS: So, das wäre geschafft.
PICKIT: Ich bin hundemüde. Die Tasche ist schwer. (Bleibt stehen und setzt die Tasche ab.) Ich kann nicht mehr. Trag du die Tasche weiter.
MAGIUS: Es ist nicht mehr weit. Mach nun ja nicht schlapp.
PICKIT: Du trägst ja auch nur deinen komischen Kasten und nicht die schweren Bücher. Lass uns tauschen.
MAGIUS: Nun komm, es wird bald hell.
PICKIT: Nein! Immer werde ich herumkommandiert. Jetzt bist du mal dran mit tragen.
MAGIUS: Sei leise, du verrätst uns noch...
(Auftritt Mann in schwarzer Kleidung.)
MANN: Das ist nicht mehr nötig.
PICKIT: Wer... wer bist du?
MANN: Das tut nichts zur Sache. Ich habe hier etwas für dich, Pickit.
PICKIT: Wer ist Pickit? Ich bin... Herr Schnapp. Jawohl. Schnapp ist mein Name.
MAGIUS: In was hast du uns da jetzt schon wieder reingeritten?
MANN: Dich kenne ich zwar nicht, aber ich rate dir, zu verschwinden. Und zwar schnell und unauffällig.
MAGIUS: Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. (Er nimmt die Tasche und geht ab.)
PICKIT: Ich weiß echt nicht, was du von mir willst...
MANN: Lediglich eine Unterschrift.
PICKIT: Eine Unterschrift?
MANN: (holt ein Dokument hervor.) Ja. Hier unten, wenn es dir nichts ausmacht.
PICKIT: Es ist zu dunkel, ich kann nichts erkennen. Was ist das für ein Dokument?
MANN: Och, nichts Großartiges. Nur ein Inhumierungsauftrag.
PICKIT: Ein Inhumierungsauftrag? Du... du bist ein Assassine?
MANN: Ich spare mir mal einen sarkastischen Kommentar und sage schlicht ja.
PICKIT: Aber warum soll ich den unterschreiben? Wen soll ich denn umbringen wollen?
MANN: (zündet ein Streichholz an und leuchtet.) In Ordnung, diese Information solltest du in der Tat wissen.
PICKIT: (liest das Dokument.) Hmm... Moment, hier ist ein Fehler. Die Felder Opfer und Auftraggeber sind vertauscht.
MANN: Ist dem so?
PICKIT: Ja, unter Opfer steht mein Name... (hält inne.)
(Der Mann pustet das Streichholz aus.)
PICKIT: (kleinlaut.) Oh.
(Auftritt Boggis.)
BOGGIS: Es gibt Leute, die einfach nicht vernünftig sein wollen.
PICKIT: Boggis.
BOGGIS: Du hast die Wahl. Entweder du unterschreibst deine eigene Inhumierung und hast dadurch einen schnellen und schmerzlosen Tod...
MANN: Nicht unbedingt schmerzlos...
BOGGIS: Einen schnellen und eventuell schmerzhaften Tod...
MANN: Sowas kann sich in Einzelfällen auch hinziehen...
BOGGIS: Einen eventuell schmerzhaften Tod mit einem Dolch in der Brust...
MANN: Ähm, den Dolch verwenden wir üblicherweise zum Kehle Aufschlitzen. Für den Brustkorb verwenden wir das Schwert, der längeren Klinge wegen.
BOGGIS: Wie würdest du ihn denn umbringen, verdammt?
MANN: Auf offener Straße bevorzugen wir normalerweise die Giftspritze. Ist am Unauffälligsten.
BOGGIS: Und ist das schmerzhaft?
MANN: Oh ja, starke innere Schmerzen über mehrere Minuten.
BOGGIS: Gut. Also, entweder, du wählst einen langsamen, qualvollen Tod, indem du die Inhumierung unterschreibst, oder du kooperierst und arbeitest nun ausschließlich für uns.
PICKIT: Ich kann die Imhumierung ja gar nicht bezahlen.
BOGGIS: Der Preis ist auf einen Cent festgelegt.
PICKIT: Was? Mehr bin ich nicht wert?
BOGGIS: Und ich bin mit dem Preis noch raufgegangen.
PICKIT: Und wenn ich weder unterschreibe noch kooperiere?
BOGGIS: Dann werde ich eben unterschreiben. Kein Problem. (holt einen Stift hervor.)
PICKIT: Schon gut, schon gut, war ja nur eine hypothetische Frage. (seufzt.) Das ganze Unterfangen war sowieso von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
(Alle ab.)

Szene 5

(Wachhaus. Am Wachetresen hat Ruppert von Himmelfleck Nachtschicht. An der Wand hängt eine Tafel mit Uhrzeiten und in der Spalte daneben mit der Überschrift "Und alles ist gut" bis 2 Uhr entsprechende Häkchen.)
RUPPERT: (gähnt und schaut auf die Uhr.) Drei Uhr... die Streife wird nicht vor vier zurück sein. Noch schnell ein Häkchen und dann ein kleines Nickerchen. (steht auf und geht zur Tafel.)
(Auftritt William de Worde.)
DE WORDE: (aufgeregt.) Hallo, sind Sie der derzeit diensthabende Wächter?
RUPPERT: (nimmt die Kreide in die Hand und führt sie zur Tafel.) Ja, Rekrut Ruppert von Himmelfleck. Wieso fragen Sie?
DE WORDE: Ich muss einen Überfall melden.
RUPPERT: Ich wollte gerade ein Häkchen machen...
DE WORDE: In meiner Wohnung ist eingebrochen worden!
RUPPERT: Hat das nicht Zeit bis morgen?
DE WORDE: Ich bin betäubt worden und mein Bücherregal ist ausgeräumt worden!
RUPPERT: Ich mag es, wenn überall Häkchen sind, wissen Sie?
DE WORDE: Das war ein Angriff auf die Pressefreiheit! Es ist Ihre Pflicht, dies zu Protokoll zu nehmen und den Täter zu finden!
RUPPERT: (seufzt.) Also gut... (setzt sich wieder an den Tresen und holt umständlich ein Formular hervor.) Name?
DE WORDE: Ich bin William de Worde von der Ankh-Morpork Times!
RUPPERT: (füllt das Formular aus.) Will...iam...
DE WORDE: Ich wohne direkt über meinen Redaktionsräumen in der Schimmerstraße Nummer sieben. Heute gegen Mitternacht lockte ein Unbekannter mich auf den Balkon und lenkte mich ab, während sein Komplize in meine Wohnung einbrach und ...
RUPPERT: Nicht so schnell... de Wor..de. So. (prüft das Geschriebene.) Ihre Adresse?
DE WORDE: Die habe ich bereits gesagt, verdammt! Schimmerstraße sieben!
RUPPERT: Wenn sie alles besser wissen, schreiben Sie doch das Protokoll selbst!
DE WORDE: W.. Ich soll...? Ach zum Geier - Lesen Sie's doch morgen in der Zeitung!
(William geht wütend ab. Ruppert schaut ihm nach, nickt kurz, geht dann zur Tafel und macht hinter "3 Uhr" ein Häkchen.)

Szene 6

(Tempel der Geringen Götter. Der Hohepriester steht an einem Altar und bereitet den Frühgottesdienst vor. Auftritt Dux.)
HOHEPRIESTER: Dux, gut, dass du da bist. Ich muss mit dir reden.
DUX: Ist es wichtig? Wir haben zu tun.
HOHEPRIESTER: Ich glaube schon. (holt einen Brief hervor.) Der Patrizier schilderte mir in einem Brief, was sich gestern im Palast zugetragen hat. Er ist in großer Sorge um die latatianischen Bücher.
DUX: Dann weißt du ja auch, warum wir viel zu tun haben. Nichts anderes beschäftigt derzeit meinen Geist.
HOHEPRIESTER: Der Patrizier empfiehlt ausdrücklich, die Bibliothek der Unsichtbaren Universität im Auge zu behalten. Er wird sie schließen lassen, so dass man nur mit einer Ausnahmeregelung hineinkommt.
DUX: Sehr gut.
HOHEPRIESTER: Nichtsdestotrotz wünscht er, dass wir - also die Jünger Latatianas - die Bibliothek zusätzlich bewachen. Er schätzt unsere Stärke und unsere Entschlossenheit in dieser Sache, schreibt er.
DUX: Ha! Kein Wunder, dass er diesen dilettantischen Wächtern nicht mehr vertraut. Ob Stadtwache oder Palastwache, unfähig sind sie alle. (ruft.) Boffi! Joffi!
HOHEPRIESTER: Was hast du vor?
DUX: Wir werden uns vor allen Eingängen der Universität postieren und um die Mauer patroullieren. Wir werden die Universität hermetisch abriegeln!
(Auftritt Boffi und Joffi, zwei Gläubige Latatianas.)
JOFFI: Ihr habt gerufen, Herr?
DUX: Ja. Bewaffnet euch und patroulliert um die Unsichtbare Universität. Ihr müsst verhindern, dass irgendjemand auf irgendeine Weise die Universität betritt.
HOHEPRIESTER: Da kommt mir eine Idee. Igor!
(Auftritt Igor.)
IGOR: Ja, Meister?
HOHEPRIESTER: Hol eine Flasche Stowasser.
IGOR: Ja, Meister.
(Igor ab.)
BOFFI: Was ist Stowasser?
HOHEPRIESTER: Das Wasser, das aus dem Heiligen Brunnen in der Sto-Ebene gewonnen wird, ist heilig und wird alle Ungläubigen sofort vernichten. Verwendet es auf eurer Patroullie gegen alle Feinde Latatianas.
(Auftritt Igor.)
IGOR: Hier ist Flasche Stofasser, Meister. (reicht die Flasche dem Hohepriester.)
DUX: Und hör endlich auf, das s zu reden!
IGOR: Ich spreche das f und das f nicht, Herr.
DUX: Aber das verstößt gegen die Tradition.
IGOR: Die Tradition entstand aus der alten Schrift, bei der ein "f" fie ein "s" aussah. Da mein Meister aber ein Gläubiger Latatianas ist, begann ich, der latatianischen Tradition zu folgen und alle "u"s wie ein "f" zu sprechen, fas aber auf fonetische Schfierigkeiten stieß. Daher spreche ich nun wie mein Fetter Igor, der derzeit auf der Suche nach neuen Lippen ist.
(Igor verbeugt sich und geht ab.)
HOHEPRIESTER: (zu Boffi und Joffi) Ich überreiche euch nun das heilige Stowasser.
(Boffi will die Flasche entgegen nehmen, doch der Hohepriester zieht sie wieder weg.)
HOHEPRIESTER: Nein, die ist für Joffi. Was Joffi darf, darf Boffi noch lange nicht.
BOFFI: (traurig.) Die Welt ist so ungerecht.

Szene 7

(Ein Seminarraum. Magius, Llyfer, Papillo und Tractatus sitzen an einem Tisch. Auftritt Referentin.)
REFERENTIN: Guten Morgen, meine Herren. Ich werde gleich zur Sache kommen. Heute wird der letzte Teil unseres Planes umgesetzt. Schon heute Abend werden alle latatianischen Bücher vernichtet sein und Sie werden sehr reiche Leute sein.
MAGIUS: Sofern alles glatt geht.
REFERENTIN: Das wird es, wenn sich alle an meine Anweisungen halten.
LLYFER: Wo ist Herr Schnapp?
MAGIUS: Nach unserem letzten Einsatz hatte er noch was zu erledigen und wollte nachkommen, meinte er.
LLYFER: Der verpfeift uns! Ich habe ihm von Anfang an nicht getraut!
PAPILLO: Immer kuhl bleiben, Mann.
REFERENTIN: Selbst wenn Herr Schnapp etwas verraten würde, wäre es nun zu spät. (Sie verteilt Umschläge.) Hier finden Sie ihre Aufgaben für den heutigen Tag. Wir werden nun die einzelnen Punkte durchgehen.
(Die Herren öffnen die Umschläge.)
REFERENTIN: Punkt Eins. Die Universität. Nach den Ereignissen gestern wurde das Tor gesperrt, Zugang strikt verboten.
LLYFER: Wird nicht einfach sein, da reinzukommen.
REFERENTIN: Herr Magus verfügt als ehemaliger Student jedoch über exzellente Kenntnisse des Universitätsgeländes und wird sich Zugang verschaffen.
MAGIUS: Es gibt eine Stelle bei den Mobilien. Dort ist eine Strickleiter auf der Mauer, die mit einem Haken von außen herabgezogen werden kann.
REFERENTIN: Diese Stelle werden Sie nutzen, um in die Universität zu gelangen.
MAGIUS: Und wenn ich drin bin?
REFERENTIN: Beachten Sie zunächst Abschnitt Sechs Punkt Fünf Vier. Sie müssen die Leiter wegwerfen, nachdem Sie auf ihr hinaufgestiegen sind. So verhindern Sie, dass Ihnen jemand folgt.
MAGIUS: Dürfte kein Problem darstellen.
REFERENTIN: Drinnen werden sie eine kleine Schachtel in der Bibliothek deponieren und dann wieder verschwinden. Sie werden sicherlich ein Versteck in der Universität finden. Möglichst weit weg von der Bibliothek, versteht sich.
LLYFER: Wieso, was ist das für eine Schachtel?
REFERENTIN: Das erkläre ich Ihnen gleich. Vorerst kommen wir zum zweiten wichtigen Punkt. Herr Buch und Herr Schmetterling werden im Lagerhaus ein kleines Feuerchen entfachen.
LLYFER: Klein ist gut. Es sind immerhin Hunderte von Büchern.
PAPILLO: Dann wird uns zumindest schön warm werden, Mann.
LLYFER: Wir verbrennen also alle Bücher. Und dann?
REFERENTIN: Herr Neusprech?
TRACTATUS: Durch die Zerstörung der latatianischen Bücher wird die Sprachmagie der verbleibenden Bücher enorm zunehmen. Da diese sich fast ausschließlich in der Unsichtbaren Universität befinden, wird es dort zu einer gewaltigen magischen Entladung kommen. Dies ist die Aktivierungsenergie für die kleine Schachtel, die Herr Magus dort deponiert. Die Schachtel enthält einen Zünder, der magische Energie entflammen lässt.
REFERENTIN: Sprich, die Bibliothek wird in Flammen aufgehen und alle Bücher werden verbrennen.
LLYFER: Interessant.
REFERENTIN: Herr Neusprech wird derweil die Flugblätter von der Druckerei abholen, die wir für die Verbreitung der neuen Sprache brauchen. Ich werde mich mit den Auftraggebern treffen und das Geschäft zum Abschluss bringen.
MAGIUS: Eine Frage noch: wann kriegen wir unser Geld?
REFERENTIN: Ich werde heute Abend mit dem Geld hier sein. Mein Schiff fährt um Mitternacht ab, bis dahin sollten Sie ihr Geld geholt haben.
LLYFER: Und wenn die Wache uns auf den Fersen ist?
REFERENTIN: Dazu wird sie nicht in der Lage sein, vertrauen sie mir.
TRACTATUS: Es gibt noch eine weitere Sache. Wie wir gestern festgestellt haben, gibt es unplanmäßige Aktivität in der latatianischen Sprache. Das kann meinen Berechnungen nach dazu führen, dass die verbliebenen Bücher ausreichen, um die latatianische Sprache aufrecht zu erhalten.
REFERENTIN: Das ist eine unplanmäßige Änderung der Lage. Was schlagen Sie vor?
TRACTATUS: Wenn die wenigen Bücher die komplette latatianische Sprache beinhalten, werden sie ein gewaltiges magisches Potential haben. Wenn die Bücher aus schlechtem Material sind, hoffe ich auf spontane Selbstentzündung.

Szene 8

(Wachhaus. Ruppert von Himmelfleck döst am Wachetresen. Auftritt Humph MeckDwarf und Sillybos.)
HUMPH: Guten Morgen, Rekrut!
RUPPERT: (wacht auf.) Hm? Nnngutnmorgn.
HUMPH: (mit Nachdruck.) Ich sagte, guten Morgen, Rekrut!
RUPPERT: Hab's ja gehört...
SILLYBOS: Ist das dein erster Wachdienst, Rekrut?
RUPPERT: Ja... einmal muss man's ja machen.
HUMPH: Ich glaube, das wird nicht dein letztes Mal in der Ausbildung bleiben.
RUPPERT: Hey, hab doch nichts falsch gemacht!
HUMPH: (schaut zu der Tafel mit den Häkchen.) Alles ruhig heute Nacht?
RUPPERT: Ja, alles ruhig.
(Auftritt Bote.)
BOTE: Ankh-Morpork Times, Morgenausgabe. (wirft die Zeitung gegen Sillybos' Bauch.)
(Bote ab. Sillybos hebt die Zeitung auf.)
SILLYBOS: Ah, der Leitartikel... (liest vor.) "Stadtwache total unfähig! Ein weiteres Zeugnis der kompletten Inkompetenz der Stadtwache zeigte sich heute Nacht, als unser Chefredakteur William de Worde von einem Unbekannten in seiner eigenen Wohnung überfallen wurde. Als er den Vorfall im Wachhaus melden wollte, begegnete der diensthabende Wächter dem Opfer mit demonstrativen Desinteresse und kriminologischer Inkompetenz. Nicht einmal fähig, die Anzeige vernünftig aufzunehmen, wurde de Worde wieder nach Hause geschickt. Der Wächter ist ein weiteres Beispiel für die miserable Ausbildungsqualität der Stadtwache..."
HUMPH: (schaut Ruppert streng an.) Alles ruhig, wie?
RUPPERT: Hey, Moment mal! Ich habe ihn nicht nach Hause geschickt.
HUMPH: Jetzt hör mir mal gut zu, Rekrut...
(Auftritt Gefreite Ophelia Ziegenberger.)
RUPPERT: Ah, die Ablösung. Ich geh' dann mal wieder in die Kröselstraße. Bis dann!
(Ruppert ab.)
HUMPH und SILLYBOS: (schauen sich an.) Der kommt nicht zu SUSI!

Szene 9

(Mobilien. Mauer um die Unsichtbare Universität. Auf der Mauer liegt eine Strickleiter, die dort befestigt ist. Auftritt Magius mit einem Haken an einem Seil.)
MAGIUS: (betont unauffällig.) Dumdidum.
(Er bleibt vor der Strickleiter stehen.)
MAGIUS: So, hier ist die Stelle...(schaut sich um.) Niemand in Sicht, sehr gut. (holt mit dem Haken aus und wirft ihn zur Strickleiter hoch. Es klappt jedoch nicht beim ersten Versuch.)
(Auf der anderen Seite der Mauer treten der Erzkanzler, der Dekan, der Dozent für neue Runen und der Professor für unbestimmte Studien auf.)
ERZKANZLER: Hier ist eine gute Stelle.
DOZENT: Dann können wir ja mit der Versiegelung der Universität beginnen.
PROFESSOR: Gut, ich habe die Formel hier.
ERZKANZLER: Moment, das erledige immer noch ich.
(Die Zauberer diskutieren.)
MAGIUS: Versiegelung? Verflixt, ich muss mich beeilen! (Er wirft den Haken erneut. Er fängt die Strickleiter und zieht sie hinunter.) Na endlich!
(Magius klettert die Strickleiter hinaus. Dabei fällt ihm die magische Schachtel aus der Tasche. Auftritt Hegelkant.)
HEGELKANT: He, hallo!
MAGIUS: Verdammt, der Bratpfannenschläger! Schnell jetzt.
(Magius klettert über die Mauer und lässt sich auf der anderen Seite hinab. Hegelkant hebt die Schachtel auf und untersucht sie.)
DOZENT: Wer bist du denn?
DEKAN: Ein Student?
ERZKANZLER: Es ist schon recht spät, findest du nicht auch?
MAGIUS: Ich kann alles erklären.
PROFESSOR: Gerade noch rechtzeitig. Wir waren gerade dabei, die Universität zu versiegeln.
ERZKANZLER: Dekan, kümmere dich um den Studenten. Wir machen hier weiter.
DEKAN: Gut, dann komm mal mit, Bürschchen.
MAGIUS: (wühlt in seinen Taschen.) Moment, wo ist denn nur...? Oh verdammt!
DEKAN: Ach, vom Lehrkörper erwischt zu werden, haben schon viele Studenten durchgemacht. Das gehört quasi dazu.
(Dekan und Magius ab. Auf der anderen Seite der Mauer klettert Hegelkant die Strickleiter hoch. Der Erzkanzler spricht den Versiegelungszauberspruch.)
HEGELKANT: He, Sie haben etwas verloren!
(Auftritt Joffi und Boffi auf Streife.)
JOFFI: Sieh nur, Boffi, ein Ungläubiger, der versucht, in die Universität einzudringen!
(Hegelkant ist auf der Mauer und will sich auf der anderen Seite hinunterlassen.)
BOFFI: Schnell, auf ihn!
JOFFI: Friss Stowasser, Impius! (wirft die Flasche mit Stowasser auf Hegelkant, verfehlt ihn jedoch.) Damnatus!
Hegelkant lässt sich auf der anderen Seite der Mauer hinunter. Der Erzkanzler beschließt die Versiegelungsformel. Über der Mauer erscheint sein Kraftfeld.
ERZKANZLER: Was denn, noch ein Student? Das war nun aber wirklich in letzter Sekunde.
DOZENT: Nein, das ist doch der Sklave vom Bibliothekar, erkennst du ihn nicht?
ERZKANZLER: Richtig. Nun, Sklave, gerade noch rechtzeitig, denn nun ist die Universität versiegelt. Keine Sorge, wir werden uns schon um dich kümmern. Komm, wir bringen dich zur Bibliothek.
(Zauberer und Hegelkant ab.)
BOFFI: Und was nun, Joffi?
JOFFI: Das Schicksal hat sich gegen uns gewandt. Die Zukunft liegt nicht mehr in unseren Händen. Komm.
(Joffi und Boffi ab.)

Szene 10

(Lagerhaus. Ein riesiger Haufen Bücher. Auftritt Llyfer und Papillo.)
LLYFER: Es ist ja schon irgendwie Sünde, die ganzen schönen Bücher anzuzünden.
PAPILLO: Komm mir nicht mit schlechtem Gewissen, Mann.
LLYFER: Ich mein ja nur... es sind fast alle latatianischen Bücher, die es gibt.
PAPILLO: Willst du sie etwa noch lesen, Mann?
LLYFER: Nein... ich kann ja gar kein Latatianisch.
PAPILLO: Wo ist dann das Problem? Ist doch kein Verlust für dich.
LLYFER: Es ist nur so... endgültig.
PAPILLO: Hey, es gibt noch genügend andere Bücher auf der Welt. Und die sind ja auch uralt, die Bücher hier. In den meisten steht doch wahrscheinlich sowieso nur längst überholtes Zeug....
LLYFER: Naja...
PAPILLO: ... das du noch nicht mal lesen kannst.
LLYFER: Ist ja gut, ist ja gut. (holt Streichhölzer hervor.) Ist es nicht erstaunlich, wie eine kleine Handbewegung... (entzündet ein Streichholz.) ... eine so große Wirkung haben kann?
(Er zögert kurz, lässt dann aber das brennende Streichholz auf den Bücherhaufen fallen. Die Bücher brennen sofort lichterloh.)
PAPILLO: Aber nun sollten wir einen flotten Abgang hinlegen, sonst werden wir auch noch gegrillt.
(Beide ab.)
(Es rüttelt von außen an der Lagerhaustür. Kurz darauf wird sie aufgebrochen. Auftritt Boggis, Pickit und ein weiterer Dieb.)
BOGGIS: Zu spät! Wir sind zu spät!
PICKIT: Nein! Wir ... wir können noch was retten! (rennt auf den brennenden Bücherhaufen zu.)
BOGGIS: Vergiss es! Du kennst unsere Vereinbarung.
PICKIT: Wir können es noch löschen! (läuft hilflos um das Feuer, muss aber immer wieder zurückweichen.)
BOGGIS: Nein, die Sache ist gestorben. (zum weiteren Dieb.) Bring ihn nachher mit zur Gilde.
DIEB: Mach ich, Herr.
BOGGIS: Ich bin hier raus. (ab.)
PICKIT: (immer noch verzweifelt.) Wir müssen doch ... das Feuer löschen. Irgendwie... Oh, es ist so heiß...

Szene 11

(Vorbühne. Pickit schaut unsicher umher. Auftritt Tod.)
PICKIT: Bist... bist du... Tod?
TOD: So nennt man mich.
PICKIT: Und ich bin auch...?
TOD: Du bist tot, ja. Mit einem "t" am Ende.
PICKIT: Und ist nun... alles vorbei?
TOD: Ich will es so ausdrücken. Für dich ist der letzte Vorhang gefallen.
PICKIT: Der letzte Vorhang?
TOD: Das ist eine Metapher.
PICKIT: Tatsächlich?
TOD: Ja. Die ganze Welt ist eine Bühne, sagt man. Ich habe versucht, das Bild zu erweitern.
PICKIT: Und was wärst du nach dieser Metapher? Der Regisseur? Der Autor?
TOD: Für die künstlerische Gestaltung bin ich nicht zuständig.
PICKIT: Der Souffleur?
TOD: Ich sage niemanden, wie er zu leben hat.
PICKIT: Der Platzanweiser?
TOD: (nach kurzem Zögern.) Eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe.
PICKIT: Gibt es eine After-Show-Party?
TOD: Das hängt nur von dir ab.
(Beide ab.)

Szene 12

(Wachhaus. Am Wachetresen diskutieren Humph MeckDwarf, Sillybos, Daemon Llandcairfyn diskutieren aufgeregt. Gefreite Ophelia Ziegenberger bemüht sich, die Übersicht zu behalten und Diskussion zu protokollieren.)
DAEMON: So geht es nicht. So geht es einfach nicht!
OPHELIA: (notiert.) Hauptmann Llandcairfyn bringt einen Punkt auf die Tagesordnung, in dem offensichtlich Abstimmungsbedarf herrscht.
HUMPH: Das war ja nur dieses eine Mal...
DAEMON: Meck, verdammt noch mal, wenn du meine Abteilung vorsätzlich boykottierst, brauchst du das nicht runterzuspielen.
OPHELIA: (notiert.) Es herrscht offensichtlich Uneinigkeit über das Ausmaß des Problems...
HUMPH: (fährt Daemon an.) Nun halt mal die Luft an!
OPHELIA: Nein, "Problem" klingt zu negativ. (notiert.) Der Angelegenheit.
DAEMON: Nein, ich werde mich nicht beruhigen! Es kann nicht sein, dass uns wichtige Informationen vorenthalten werden, weswegen wir unsere Arbeit nicht erledigen können!
SILLYBOS: Also, von vorenthalten kann nun keine Rede sein...
DAEMON: Aber ihr habt mir bestimmt nicht von eurem Spezialauftrag bei der Diebesgilde erzählt. Ihr habt Goldie ohne mein Wissen Befehle erteilt und für euren Fall eingesetzt!
OPHELIA: (notiert.) Es geht um die Einhaltung des abteilungsübergreifenden Dienstwegs...
SILLYBOS: Wir hatten Order vom Kommandeur, angesichts der Dringlichkeit die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen.
DAEMON: Das spielt keine Rolle.
HUMPH: Spielt es sehr wohl...
DAEMON: (laut.) Spielt es nicht! Natürlich könnt ihr auf Geheiß des Kommandeurs meine Leute einsetzen, aber dennoch hättet ihr mich zumindest darüber informieren müssen!
OPHELIA: Das Gespräch konkretisiert sich in Richtung des abteilungsübergreifenden Informationsflusses...
(Auftritt Pyronekdan.)
PYRONEKDAN: (aufgeregt.) Schnell! Im Archiv geht etwas Unheimliches vor!
OPHELIA: Moment, nicht so schnell! (blättert um.) Neue Seite. (schaut zur Uhr.) Es ist jetzt... (schreibt.)
HUMPH: Was ist passiert?
PYRONEKDAN: Die alten Schriften... die latatianischen... sie scheinen zu ... glühen!
SILLYBOS: Die latatianischen Schriften?
OPHELIA: (notiert.) Hauptgefreiter Pyronekdan hat Auffälligkeiten bei den latatianischen Schriften entdeckt...
HUMPH: Hauptgefreiter, du bist Magier, schau, ob du die Schriften irgendwie... retten kannst.
SILLYBOS: Hol dir Hilfe, wenn du sie brauchst... wo auch immer...
OPHELIA: (notiert.) Der Hauptgefreite wird beauftragt, das Prob- die Angelegenheit zu lösen...
PYRONEKDAN: Ich werde mein Bestes tun, Sir!
(Pyronekdan ab.)
DAEMON: Was ist hier eigentlich los?
OPHELIA: (notiert.) Hauptmann Llandcairfyn informiert sich über den Stand der Lage...
HUMPH: Das erklär' ich dir später. Silly, geh zur Times und versuch, was über den Überfall bei William letzte Nacht rauszufinden. Und entschuldige dich für diesen unmöglichen Rekruten.
SILLYBOS: In Ordnung.
(Sillybos ab. Auftritt Damien G. Bleicht und Will Passdochauf.)
DAMIEN: Streife Zwei meldet sich zurück.
OPHELIA: (schaut zur Uhr.) Aber zwanzig Minuten zu früh!
WILL: Ja, es gab einen Vorfall bei einem Lagerhaus, von dem wir dachten, das melden wir besser...
OPHELIA: Einen Vorfall...? (seufzt und blättert um.) Also gut...
DAMIEN: Ja, zuerst sahen wir Boggis aus einem Lagerhaus laufen...
DAEMON: Boggis?
HUMPH: Wo ist dieses Lagerhaus?
DAMIEN: An den Docks. Es ist kaum zu verfehlen. Es brennt lichterloh.

Szene 13

(Bibliothek. Hegelkant mit einem Klemmbrett und der Bibliothekar bei der Inventur.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh.
HEGELKANT: Die Hälfte haben wir geschafft? Wunderbar.
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Iek. Ugh.
HEGELKANT: Danke, ich tue mein bestes.
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh, ugh. Ugh.
HEGELKANT: Ah ja, die latatianischen Bücher. (Er blättert seine Liste um.) Was für unsagbare literarische Schätze hier lagern...
BIBLIOTHEKAR: Ugh. (greift das erste Buch und zeigt es Hegelkant, der ein Häkchen auf der Liste macht.)
HEGELKANT: Nanu... (legt das Klemmbrett beiseite.) In meiner Hose tut sich was. (greift in seine Hosentasche.) Die Schachtel... ich habe sie heute Morgen vor der Mauer gefunden. Weißt du, was das ist?
Er reicht die Schachtel dem Bibliothekar, der sie von allen Seiten begutachtet.
BIBLIOTHEKAR: Ugh? Ugh... ugh.
HEGELKANT: Vielleicht ist sie irgendwie... magisch? (Er tritt an den Bibliothekar heran und berührt sie mit einem Finger.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh...
HEGELKANT: Ja, sie wird wärmer...
BIBLIOTHEKAR: Ugh! (tritt zurück und wirft die Schachtel Hegelkant zu.)
HEGELKANT: Heiß! Sie ist heiß! (wirft die Schachtel zurück.)
(Sie laufen umher und werfen sich gegenseitig die heiße Schachtel zu. Zwischendurch pusten sie sich auf die Hände.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh! Iiek!
(Die latatianischen Bücher fangen an zu glühen.)
HEGELKANT: Was passiert hier? Das ist unheimlich...!
BIBLIOTHEKAR: Iiek! Ugh, Iiek!
(Die Schachtel fängt Feuer. Hegelkant lässt sie fallen. Er versucht, das Feuer auszutreten.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Ugh!
(Hegelkant tritt die Schachtel aus.)
HEGELKANT: Puh... Und was machen wir jetzt?
BIBLIOTHEKAR: (schaut zu den latatianischen Büchern.) Ugh! Ieek!
(Die latatianischen Bücher fangen an zu brennen. Der Bibliothekar greift Hegelkant am Arm und reißt ihn fort.)
HEGELKANT: (verwirrt.) Explosion? Magie? Feuer? Rennen? (ruft.) Aaaah! Feuer! Wir rennen!
(Beide laufen ab.)

Szene 14

(Redaktion der Ankh-Morpork Times. William de Worde und Gutenhügel wuseln umher.)
DE WORDE: (läuft mit einem Stapel Flugblätter umher.) Gutenhügel, mach' die Presse bereit! Wir haben nicht mehr viel Zeit!
GUTENHÜGEL: (holt zwei Kübel Tinte) Wir dürfen sie nicht überlasten, sonst läuft sie heiß und verzieht sich!
DE WORDE: (legt den Stapel auf dem Tresen ab.) Ein bisschen geht schon noch. Der Kunde kommt sicher gleich. Danach können wir ihr etwas Ruhe gönnen.
GUTENHÜGEL: Du bist der Boss... aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. (geht ab.)
(Auftritt Sillybos.)
SILLYBOS: Guten Tag, ich komme wegen...
DE WORDE: Bitte machen Sie es schnell, wir sind sehr in Eile.
SILLYBOS: Ja, das sehe ich. Nun, zum einen wollte ich mich im Namen der Stadtwache für das unerhörte Benehmen des diensthabenden Wächters heute Nacht entschuldigen...
DE WORDE: Wie? Jaja, schon gut. Sehr ärgerlich, aber schließlich habe ich mir den Wohnort selbst ausgewählt.
SILLYBOS: Zum anderen wollte ich fragen, warum das Bild, das ich Ihnen gestern reingereicht habe, nicht veröffentlicht wurde.
DE WORDE: Bild? Welches Bild?
SILLYBOS: Naja, ich war gestern hier und habe ein Bild abgegeben... in etwa so groß wie die Flugblätter hier... (sein Blick fällt auf den Stapel Flugblätter.) Moment, was ist denn das hier? (nimmt ein Flugblatt und überfliegt es.)
DE WORDE: Ach, das ist nur eine Auftragsarbeit für einen Kunden.
SILLYBOS: Für einen Kunden? Was denn für ein Kunde?
(Auftritt Tractatus.)
TRACTATUS: Guten Tag. Ich komme, um die Flugblätter... (sieht Sillybos und hält inne.)
SILLYBOS: Tractatus.
TRACTATUS: Sillybos.
SILLYBOS: Ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig.
TRACTATUS: Du kannst mir nichts beweisen. Du hast nichts gegen mich in der Hand.
SILLYBOS: Moment mal, soll das heißen, dass du...?
TRACTATUS: Du weißt gar nichts, oder?
SILLYBOS: Interessante Unterstellung von einem Philosophen.
TRACTATUS: Dann beweis mir das Gegenteil.
SILLYBOS: Du hast die Flugblätter in Auftrag gegeben.
TRACTATUS: (nickt.) Weiter...
SILLYBOS: Und... das Geld dafür bekamst du von jemandem, der...
TRACTATUS: (wartet.)
SILLYBOS: ... der die Flugblätter verwenden will, um... (schaut auf das Flugblatt) ... um eine unbekannte Sprache zu verbreiten...?
TRACTATUS: Und warum sollte dieser jemand so etwas tun?
SILLYBOS: Tja... um... um... (es dämmert ihm was.) Oh mein Gott, der Jemand ist der gleiche, der die latatianischen Bücher stiehlt.
TRACTATUS: Aber warum?
SILLYBOS: Das hast du mir vorgestern verraten - um unsere Sprache zu ersetzen!
TRACTATUS: Ich sehe, dass deine grauen Zellen noch gut funktionieren. Aber du hast nichts in der Hand.
SILLYBOS: (hält das Flugblatt hoch.) Ich habe das Flugblatt, das reicht gegen dich aus. Und dann wirst du reden.
TRACTATUS: Und wie lautet die Anklage?
SILLYBOS: Unsere Rechtsabteilung ist kr...kre... ähm, einfallsreicher als du glaubst.
TRACTATUS: Wie war das Wort?
SILLYBOS: Einfallsreich.
TRACTATUS: Nein, das andere. Sag es.
SILLYBOS: Kr... kre... kri...
TRACTATUS: Es geht los. Du hast verloren, Sillybos.
SILLYBOS: Was geht los?
TRACTATUS: Sillybos, du dummer Ochse![6][7] Du begreifst gar nichts! In wenigen Minuten geht die Welt unter, und du redest von Prozessen wegen kleiner Gaunereien.
SILLYBOS: Wovon in aller Welt redest du?
TRACTATUS: Das ist jetzt auch egal. (will den Stapel Flugblätter nehmen.)
SILLYBOS: (greift sich schnell den Stapel.) Vielleicht kann ich nicht den Weltuntergang aufhalten, aber ich kann dich aufhalten. Wenn du ko... koop... wenn du mir hilfst, werde ich dafür sorgen, dass du ungestraft davon kommst. Ansonsten wird dein Auftraggeber ziemlich enttäuscht sein.
TRACTATUS: Sillybos, verdammt! (will Gewalt anwenden, hält dann aber inne und schaut zu den im Hintergrund stehenden William und Gutenhügel.) Es... es hat keinen Zweck. (sackt zusammen.) Es ist alles zwecklos.
SILLYBOS: Wir können nichts mehr tun?
TRACTATUS: Ich hoffe für dich, dass du dein Ephebianisch noch nicht verlernt hast.

Szene 15

(Vor der Unsichtbaren Universität. Dux und einige fanatische Gläubige Latatianas laufen aufgeregt umher. Einige schlagen gegen das Eingangstor.)
FANATIKER 1: Es brennt! Die Bibliothek brennt!
FANATIKER 2: Aufmachen! Wir müssen das Feuer löschen!
(Weiterer Aufruhr. Dux tritt schließlich nach vorn.)
DUX: Es hat keinen Sinn! Eine Tragödie ungeheuren Ausmaßes muss sich hinter diesen Mauern ereignet haben, und wir mussten sie geschehen lassen. Wir hatten die Aufgabe, die Bücher unter Einsatz unseres Lebens zu schützen, und wir haben versagt. Die Welt wird eine andere werden, sie wird in einem langen, stetigen Prozess verfallen, bis sie zu einem Ort geworden ist, an dem es keinen Platz mehr gibt für die Schönheit der latatianischen Sprache, für die Poesie, für die Sprachkunst. Das Ende der Welt, das der Prophet Divo beschrieben hat, steht unmittelbar bevor. Oh Latatiana, deine Jünger haben versagt! Vergib uns und lasse uns dir mit dem Ritual von Dizius die letzte Ehre erweisen! (dreht sich zu den Gläubigen Latatianas um.) Jünger Latatianas, es ist vorbei! Wir haben es nicht geschafft, die latatianische Sprache am Leben zu erhalten, und so verdienen auch wir das Leben nicht mehr. Wir werden das Ritual von Dizius durchführen! Nehmt den Dolch von Acenes und stellt euch in einem Kreis auf!
(Die Fanatiker nehmen jeweils einen Dolch aus ihrem Gürtel und postieren sich in einem Kreis. Tod tritt auf und beobachtet das Geschehen.)
DUX: (feierlich) In nomine deae Latatianae nostrae nobis ipse necaaamuuus!
(Dux und alle anderen Fanatiker stechen sich in die Brust und fallen leblos zu Boden.)
TOD: Eine Tragödie ist, wenn ich immer erst am Ende der Geschichten meinen großen Auftritt habe.

(Vorhang.)

Szene 16

(Vorbühne. Auftritt Erzähler.)
ERZÄHLER: Und das ist nun das Ende der latatianischen Sprache. Die Revisoren haben gewonnen. Sämtliche latatianischen Bücher sind zerstört. Die Sprachmagie ist versiegt. Die morporkianische Sprache baute auf der latatianischen auf. Sie hat nun kein Fundament mehr und wird zugrunde gehen. (hält inne.) Zunächst wird der Wortschatz kleiner. Sämtlich aus dem latatianischen stammenden Vo... (sucht nach dem richtigen Wort.) - Fremdwörter geraten in Vergessenheit. Später bildet man grammatikalisch falsche Sätze, weil man kennt nicht mehr die richtigen Kon... Konstruk... - Zusammensetzungen. Die Sätze werden kürzer. Mit der Zeit lässt auch der Grundwortschatz nach. Man sagt nur so normale Dinge. (steckt die Hände in die Taschen und schaut eine Weile ins Publikum.) Ihr wisst schon. (zuckt mit den Schultern.) So Sachen halt.
(Der Erzähler schaut mit leerem Blick ins Publikum. Drei Revisoren treten auf.)
ERSTER REVISOR: Wir übernehmen jetzt.
(Sie drängen den Erzähler von der Vorbühne.)
ZWEITER REVISOR: Die Vernichtung der Sprache ist vollendet.
DRITTER REVISOR: Die Verbreitung der neuen Sprache geht voran.
ERSTER REVISOR: Alles läuft nach Plan.
ZWEITER REVISOR: Schon bald werden wir uns den anderen Sprachen der Scheibenwelt widmen können.
DRITTER REVISOR: Und dann werden alle Wesen nur noch unsere Sprache sprechen.
ERSTER REVISOR: Frei von Missverständnissen und Mehrdeutigkeiten.
ZWEITER REVISOR: So soll es sein.
(Die Revisoren gehen ab. Der Erzähler kehrt zurück.)
ERZÄHLER: Viele Philosophen sind der Meinung, dass Denken ohne Sprache nicht möglich ist. Und dass es vielleicht sogar gerade die Mehrdeutigkeiten der Sprache sind, die Kreativität und Intelligenz fördern. Genau dies wollten die Revisoren verhindern. Mit der Vernichtung der Sprache wird die Intelligenz sämtlicher sprechender Wesen auf der Scheibenwelt erlöschen. Die Revisoren... haben gesiegt.
(Er lässt den Kopf hängen.)
(Schweigen.)
STIMME: (off.) Ugh.
ERZÄHLER: Nanu?
STIMME: (off.) Ugh!
(Der Erzähler zieht den Vorhang auf. Dahinter ist eine Tür mit einem großen "L".)
ERZÄHLER: Was ist das? Eine Tür...?
(Die Tür geht auf und ein langer Arm wirft einen großen Haufen Bücher vor die Tür.)
ERZÄHLER: Sie holen die Bücher aus dem L-Raum! Die alte Sprache! Sie kehrt zurück! (läuft ab.)
STIMME: (off.) Ugh.
(Der Bibliothekar kommt mit einem großen Stapel Bücher aus der Tür.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh, ugh. (legt die Bücher vor der Tür ab.)
(Hegelkant folgt ihm - ebenfalls mit einem großen Stapel Bücher.)
HEGELKANT: Da ablegen? In Ordnung.
BIBLIOTHEKAR: Ugh.
HEGELKANT: Gut. Gleich weiter zur nächsten Fuhre.
(Beide gehen durch die Tür ab.)

Szene 17

(Vor der Unsichtbaren Universität. Tod steht vor den liegenden Gläubigen Latatianas.)
TOD: Ich habe mich immer gefragt, was der Unterschied zwischen einer Tragödie und einer Komödie ist. Ich glaube, jetzt kenne ich ihn. Ha ha.
DUX: (steht auf und betastet sich.) Moment. Ich bin nicht tot!
TOD: Ja. Ich habe selten einen dilettantischeren Selbstmordversuch gesehen.
DUX: Aber wie kann das... Halt! Dilettantisch! (ruft freudig.) Es war ein dilettantischer Versuch!
TOD: Ihr Menschen verwundert mich immer wieder. Warum freust du dich so darüber?
DUX: Das Wort! Es ist ein latatianisches Wort! Latatiana hat uns gerettet!
TOD: Die eigentliche Ursache liegt eher in der ungeschickten Handhabung des Dolches...
DUX: Es muss das Ritual gewesen sein! Es sollte uns gar nicht töten, sondern vielmehr unseren Glauben an Latatiana verstärken und somit den Glaubensverlust durch die zerstörten Bücher ausgleichen!
TOD: Glaub' mir, Latatiana hatte nicht viel damit zu...
DUX: Doch, so muss es gewesen sein! Gläubige Latatianas, erhebt euch! Ihr seid nicht tot! Latatiana hat uns gerettet!
TOD: Dies war ein amüsantes Schauspiel, doch eure Zeit ist noch nicht gekommen. Auf Wiedersehen.
Tod ab. Die Gläubigen erheben sich langsam.
FANATIKER: Und was sollen wir nun tun?
DUX: Wir werden das Vertrauen unserer Göttin nicht enttäuschen. Wir werden die latatianische Sprache verbreiten, wir werden die heiligen Schriften reproduzieren - was für ein wundervolles Wort - und dann in dieser Stadt und der ganzen Welt verbreiten! Lasst unsere Taten sprechen, auf dass sie in der ganzen Welt gehört werden!
(Alle ab.)

Szene 18

(Vor dem Wachhaus. Aus dem Wachhaus kommt Rauch. Im Hintergrund laufen Rekruten aufgeregt umher und versuchen, das Feuer zu löschen. Stabsspieß Atera versucht, den Löscheinsatz zu koordinieren. Auftritt Sillybos und Tractatus.)
SILLYBOS: Stabsspieß, ich muss unbedingt mit Hauptmann MeckDwarf sprechen. Es ist dringend!
ATERA: Ist grad ungünstig, Sillybos. Das Wachhaus brennt. Plötzlich fing im Keller das Archiv an zu brennen. Ist alles evakuiert worden. (ruft den Rekruten zu.) Eimerkette bilden! Holt alle Eimer aus den Ställen! Ihr da! Lauft zur Kröselstraße und holt noch mehr Eimer!
(Einige Rekruten laufen ab.)
SILLYBOS: Und wo sind die Offiziere?
ATERA: Sind in die Kröselstraße gezogen. Machen sich vermutlich einen faulen Lenz. Jeder sollte nur das Wichtigste mitnehmen, war der Befehl. Du ahnst ja nicht, was so manche Offiziere als wichtig erachten...
SILLYBOS: Und kommen sie noch wieder?
ATERA: Bestimmt nicht, bevor das Feuer gelöscht ist. (geht nach hinten zu den Rekruten.) Tempo, Leute! Das ist keine Übung!
SILLYBOS: So ein Mist.
TRACTATUS: Tja, Sillybos, sieht so aus, als würdest du das Wettrennen zum Schluss dennoch verlieren.
SILLYBOS: Dann sag mir, was deine Auftraggeber vorhaben!
TRACTATUS: Und mich dadurch selbst belasten? Ha!
SILLYBOS: Du kommst jetzt mit zur Kröselstraße. Ich werde dich schon zum Reden bringen.
(Sie gehen auf die Vorbühne. Hinter ihnen schließt sich der Vorhang.)
TRACTATUS: Im Ernst, Sillybos, warum sollte ich dir irgendwas verraten?
SILLYBOS: Es gibt im Gesetzbuch so einen Passus, der nennt sich "Kronzeugenregelung".
TRACTATUS: Kronzeugenregelung?
SILLYBOS: Wenn du die Pläne deiner Mittäter offen legst und als Kronzeuge gegen sie aussagst, wirst du mit einer wesentlich geringeren Strafe davonkommen.
TRACTATUS: Aber wenn ich nichts sage, komme ich straffrei davon, denn du kannst mir nichts beweisen!
SILLYBOS: Ist dem so?
TRACTATUS: Da bin ich sicher.
(Ein paar Rekruten laufen mit Eimern, Krügen und anderen Gefäßen über die Bühne.)
SILLYBOS: Wir haben Pickit.
TRACTATUS: Pickit?
SILLYBOS: Der Dieb, der für euch die latatianischen Bücher gestohlen hat. Auch ihm habe ich von der Kronzeugenregelung erzählt.
TRACTATUS: Was? Du meinst...
SILLYBOS: Ja. Wenn er gegen dich aussagt, trifft dich die ganze Härte des Gesetzes.
TRACTATUS: Und wenn wir beide gestehen?
SILLYBOS: Nun, ein Geständnis wirkt sich sicher strafmindernd aus.
TRACTATUS: Aber wenn wir beide schweigen, kannst du uns weiterhin nichts anhaben?
SILLYBOS: So sieht es aus. Aber ich bin sicher, dass einer von euch singen wird. Denn die Gefahr, dass der andere aussagt, ist zu groß, als dass sich das Schweigen lohnen würde.
(Auftritt Rekrut mit einigen Eimern.)
REKRUT: (salutiert.) Sir, Entschuldigung, Sir, aber wie komme ich zum Pseudopolisplatz? Ich bin erst seit gestern in der Wache und, ähm... kenne den Weg noch nicht so genau.
SILLYBOS: Natürlich, Moment...
(Sillybos erklärt dem Rekruten stumm den Weg zum Pseudopolisplatz. Tractatus tritt vor.)
TRACTATUS: Sillybos will mich reinlegen. Herr Schnapp, also Pickit, wird bestimmt nicht aussagen, das wäre gegen seine Berufsehre. Wir schweigen beide, und uns wird nichts geschehen. (hält inne.) Andererseits könnte ihm die Stadtwache als Kronzeuge möglicherweise Straffreiheit auch in der Diebesgilde garantieren, wenn er gegen uns aussagt. Kann ich das riskieren? (denkt nach.)
SILLYBOS: ... und da siehst du das Wachhaus schon. Das Feuer ist die Treppe runter und dann links. Aber das wird dir Stabsspieß Atera dann schon zeigen.
REKRUT: Sir, danke, Sir! (salutiert und läuft ab.)
TRACTATUS: Du hast gewonnen, Sillybos. Ich werde reden.
SILLYBOS: So gehört es sich für einen Philosophen.
TRACTATUS: Die Referentin wird sich mit dem Schiff absetzen. Sie wird noch heute Richtung Achatenes Reich fliehen.
SILLYBOS: Also am Hafen?
TRACTATUS: Ja. Das Schiff legt am Abend ab. Wir sollen vorher zum Pier kommen, um unseren Anteil zu erhalten.
SILLYBOS: Gut. Wir sind gleich am Wachhaus Kröselstraße. Da trommeln wir die Leute zusammen und stellen diese komische Frau. Ach, Tractatus?
TRACTATUS: Ja?
SILLYBOS: Ich habe geblufft mit Pickit. Wir haben ihn gar nicht.
TRACTATUS: (nach kurzem Nachdenken.) Nicht schlecht, Sillybos, nicht schlecht.
(Beide ab.)

Szene 19

(Am Hafen. Ein Schiff wird von mehreren Arbeitern beladen. Der Kapitän, ein achatener Seemann, gibt Kommandos auf achatenisch. Auftritt Referentin.)
KAPITÄN: (ruft einigen Arbeitern zu.) Ihr da! Passt mit den Kisten auf, die enthalten wertvolle Ware!
REFERENTIN: Sind alle Kisten an Bord, Kapitän? Können wir ablegen?
KAPITÄN: Es gab einige Komplikationen beim Transport, zudem ein paar Interessenskonflikte mit den Mercatoren...
REFERENTIN: Aber... du sprichst ja latatianisch!
KAPITÄN: (räuspert sich.) Nun, auch als Seemann habe ich mir die eine oder andere gebildete Ausdrucksweise angeeignet, auch um gegenüber meinen Geschäftspartnern hier und auf dem Gegengewicht-Kontinent ...
REFERENTIN: Du sprichst latatianisch! Das darf doch nicht wahr sein!
KAPITÄN: Nun, Ihre Begeisterung ehrt mich natürlich, jedoch...
REFERENTIN: Begeisterung? Das ist eine Katastrophe! Wir müssen sofort ablegen! (geht an Bord.)
KAPITÄN: Moment mal, nicht so eilig...
(Auftritt Llyfer und Papillo.)
LLYFER: Wir scheinen gerade richtig gekommen zu sein. Wir sind hier, um unser Geld zu holen.
PAPILLO: Jo, die Kohle, das Moos, die Mäuse, die Knete, Mann.
REFERENTIN: Der Plan ging schief, die latatianische Sprache ist nicht zerstört.
LLYFER: Das ist uns egal.
PAPILLO: Völlig schnuppe, Mann.
LLYFER: Wir haben genau das erledigt, was uns aufgetragen wurde. Nun verlangen wir die vereinbarte Bezahlung!
REFERENTIN: Hören Sie, wir müssen hier verschwinden. Ich weiß nicht, wo die undichte Stelle in unserem Plan war, aber wir müssen damit rechnen, dass man uns auf den Fersen ist. Kommen Sie mit an Bord, wir klären das während der Reise.
PAPILLO: Hey Mann, auf so 'ne Bootstour hab ich keinen Bock, ich will nur die Kohle.
LLYFER: Haben Sie nun das Geld oder nicht, Referentin?
REFERENTIN: Wir klären das an Bord! Kommen Sie! Kapitän, Leinen los!
KAPITÄN: Einen Moment, die Situation ist mir zu intransparent. Wer sind denn diese zwei Individuen?
LLYFER: Ich gehe nirgendwo hin ohne mein Geld!
(Auftritt Humph MeckDwarf, Kanndra, Valdimier van Varwald, Halbtag Baumfellerson)
HUMPH: Halt! Stadtwache von Ankh-Morpork! Sie sind alle verhaftet!
LLYFER: ...außer man zwingt mich. Leinen los!
(Llyfer und Papillo laufen an Bord.)
HUMPH: Kanndra, stürmt das Schiff! Schnappt die Frau und die beiden anderen Flüchtigen!
KANNDRA: Schnell, ihnen nach!
(Kanndra, Valdimier und Halbtag laufen an Bord. Bald haben sie die Referentin, Llyfer und Papillo gestellt und führen sie von Bord.)
HUMPH: Gute Arbeit, Korporal. Nach dem Geständnis von Tractatus fehlt nur noch der Zauberer mit dem komischen Apparat, aber der wird schon noch auftauchen. Diese drei zumindest werden nun für einige Zeit eingesperrt.
(Auftritt Lord Vetinari und Konstabler.)
VETINARI: Ah, Hauptmann MeckDwarf, sehr gut.
HUMPH: Lord Vetinari, ich bin hocherfreut berichten zu können, dass wir die Drahtzieher der Diebstähle und der Zerstörung der latatianischen Bücher dingfest machen konnten.
VETINARI: Eine beeindruckende Leistung, zumal der Brand des Wachhauses die Ermittlungsarbeiten sicherlich noch erschwert hat.
HUMPH: (hustet.) Ähm, sicher, Lord Vetinari. Doch dank des tatkräftigen Einsatzes sämtlicher verfügbarer Wächter konnte der Brand schnell gelöscht werden.
VETINARI: Konstabler, glaubst du nicht auch, dass die Palastwache von der Stadtwache einiges lernen könnte?
KONSTABLER: (hustet.) Bei allem Respekt, Herr, aber dieser Fang hier war doch Zufall. Bestimmt haben sie sich ohnehin in dieser Gegend aufgehalten. Der Schmutzgehalt stimmt zumindest überein.
VETINARI: Bist du der gleichen Ansicht, Hauptmann?
HUMPH: Über die Rolle der Palastwache bei diesem Fall brauchen wir ja nicht zu sprechen, nicht wahr? Ich glaube, Ihr wisst, was Ihr an der Stadtwache habt, Herr.
VETINARI: Das weiß ich. Gute Arbeit, Hauptmann. (wendet sich zum Gehen.) Komm, Konstabler, wir haben noch etwas zu besprechen.
(Vetinari und Konstabler ab. Die Referentin, Papillo und Llyfer werden abgeführt.)

Szene 20

(AM-Times. William sitzt an seinem Schreibtisch.)
DE WORDE: So geht die Geschichte nun also zu Ende. Ich bin eigentlich froh, dass wir nun nicht die Flugblätter der neuen Sprache drucken, denn wie es scheint, waren die Absichten unlauter und die Konsequenzen unabsehbar. Es wäre kein Dienst an der Allgemeinheit gewesen, dem wir als größte Zeitung Ankh-Morporks uns verschrieben haben. So sind schließlich alle zufrieden.
(Auftritt Gutenhügel.)
GUTENHÜGEL: Draußen steht ein Lieferant und will vierzig Fass Tinte abliefern. Außerdem fragt er, wo er später das ganze Papier abladen soll.
DE WORDE: Ach, wir hatten ja schon bestellt. Nun, den Auftrag stornieren wir natürlich.
GUTENHÜGEL: Das ist leider nicht mehr möglich.
DE WORDE: Wie, nicht möglich?
GUTENHÜGEL: Nun ja, so sind die Geschäftsbedingungen.
DE WORDE: Aber was sollen wir denn mit vierzig Fass Tinte, wenn wir die Flugblätter gar nicht drucken?
GUTENHÜGEL: Das sei nicht sein Problem, sagt er. Hier ist übrigens seine Rechnung. (reicht William einen Umschlag.) Er will fünftausend Dollar.
DE WORDE: Fünftausend Dollar! Gutenhügel, das können wir uns nie im Leben leisten!
GUTENHÜGEL: Ich werde mal versuchen, ob ich einen Rabatt aushandeln kann.
(Gutenhügel ab.)
DE WORDE: (verzweifelt.) Selbst wenn es viertausend Dollar werden, sind wir ruiniert. Weiterverkaufen können wir die Tinte nicht, weil sie nur für unsere Druckmaschinen geeignet ist. Jetzt kann nur noch ein Wunder helfen...
(William vergräbt das Gesicht in seinen Händen. Auftritt Dux.)
DUX: Bist du William de Worde von der Ankh-Morpork Times?
DE WORDE: Noch ja.
DUX: Gut. Ich bin von der Religionsgemeinschaft der Gläubigen Latatianas, und wir haben es uns zum Ziel gesetzt, in Ankh-Morpork und später auf der ganzen Scheibenwelt zu missionieren und die Lehre Latatianas zu verbreiten. Zudem brauchen wir viele Ausgaben unserer heiligen Schriften, damit eine Geschichte, wie sie in den letzten Tagen geschehen ist, nie wieder vorkommt.
DE WORDE: (schaut ungläubig.)
DUX: Am Geld soll es nicht scheitern. Wir zahlen fünftausend Dollar.
DE WORDE: (zum Himmel.) Danke! Danke, danke!

Szene 21

(Unsichtbare Universität, Büro des Erzkanzlers. Der Erzkanzler sitzt an seinem Schreibtisch. Er hat einen Stapel kleiner Büchlein vor sich liegen. Auftritt Dekan, Dozent für neue Runen, Oberster Hirte, Professor für unbestimmte Studien.)
ERZKANZLER: (blättert in einem Büchlein und legt es auf den Stapel) Ich bin sehr erfreut über eure Aufzeichnungen. Insbesondere seit gestern Abend habt ihr alle sehr viel geforscht und Magie betrieben.
DOZENT: Das ist doch selbstverständlich, Erzkanzler.
OBERSTER HIRTE: Wir konnten doch nicht auf uns sitzen lassen, dass der Dekan soviel mehr forscht als wir.
DEKAN: Ich habe den Kollegen beigebracht, wie sie ihre spärliche Zeit effizient für Magie nutzen können. Es ist ja nicht so, dass wir uns hier nur gegenseitig bekriegen.
PROFESSOR: Nein, das war es noch nie.
DOZENT: Und das Ergebnis kannst du ja selbst sehen, Erzkanzler. Es ist mehr als zufriedenstellend.
ERZKANZLER: In der Tat. Mir ist aber auch aufgefallen, dass ihr relativ viel in Latatianisch geschrieben habt. War das notwendig?
DEKAN: Ähm, natürlich.
DOZENT: Unbedingt.
OBERSTER HIRTE: Auf jeden Fall.
PROFESSOR: Schon allein deswegen, weil die ganze alte Magie nur auf latatianisch betrieben werden kann.
DEKAN: Genau. Es gibt einfach keine morporkianischen Ausdrücke für die ganzen Zauberformeln und so.
ERZKANZLER: Ja, das dachte ich mir. Darum habe ich nun eine neue Aufgabe für euch. Ihr sollt für die ganzen latatianischen Formeln adäquate morporkianische Entsprechungen finden, so dass die alte Magie auch für andere Magier zugänglich ist.
DOZENT: Aber Erzkanzler, die alte Sprache ist ein Teil unserer Exklusivität!
ERZKANZLER: Nicht, dass ich es nötig hätte, aber für unsere jungen Studenten wirkt es sicherlich abschreckend.
PROFESSOR: Aber wir...
ERZKANZLER: Papperlapapp, das wird jetzt gemacht! Los jetzt, ihr ward die letzten Tage so außergewöhnlich, ja nahezu bemerkenswert fleißig, da schafft ihr sowas doch bestimmt mit links.
DOZENT: Was anderes: was ist eigentlich aus diesem Magier geworden, der früher an unserer Universität war?
ERZKANZLER: Ach der. Nun, für die Brandstiftung in der Bibliothek habe ich ihm in Absprache mit dem Bibliothekar eine angemessene Strafe auferlegt.
(Er nickt den Zauberern zu. Die Zauberer gehen ab. Der Erzkanzler nimmt ein Büchlein vom Stapel, holt ein latatianisches Wörterbuch hervor und beginnt darin zu blättern.)

Szene 22

(Bibliothek der Unsichtbaren Universität. Im Hintergrund ist eine offene Tür mit einem "L". Hegelkant und der Bibliothekar stehen davor, der Bibliothekar hat ein Klemmbrett mit der Bücherliste.)
HEGELKANT: Es tut mir Leid, dass wir die Inventur nicht zu Ende bringen konnten.
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh.
HEGELKANT: Aber meinen Herrn wird es sicher freuen, dass meine Arbeit hier beendet ist und ich mich wieder ganz in seine Dienste begeben kann.
BIBLIOTHEKAR: Ugh, ugh. Ugh.
HEGELKANT: Und der neue Mitarbeiter wird bestimmt gute Dienste beim Auffüllen der verbrannten Bestände leisten.
(Magius kommt mit einem Stapel Bücher aus der Tür.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh.
MAGIUS: (stellt stöhnend die Bücher ab.) Wie viele Bücher habe ich bereits?
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Ugh. (grinst.)
HEGELKANT: Achthundertdreizehn, diese eingerechnet.
BIBLIOTHEKAR: Ugh.
HEGELKANT: Es fehlen noch zirka zweihundertdreizehntausend.
MAGIUS: (seufzt.) Eine schlimmere Strafe hätte ich mir kaum vorstellen können - fehlende Bücher zu beschaffen.
(Magius geht durch die Tür ab. Der Bibliothekar hakt die gelieferten Bücher auf seiner Liste ab.)
HEGELKANT: Also, wenn meine Dienste nicht mehr benötigt werden, verabschiede ich mich...
BIBLIOTHEKAR: Ugh, iiek. (reicht Hegelkant ein Buch.)
HEGELKANT: (nimmt das Buch entgegen.) Oh, die "Ars Dialogi" von Sekratos. Der Grund, warum ich überhaupt hier bin, das hätte ich fast vergessen. Da wird sich mein Herr aber freuen, vielen Dank!
(Hegelkant verbeugt sich leicht und geht ab. Der Bibliothekar winkt ihm nach.)
BIBLIOTHEKAR: Ugh. [7a]

Epilog

(Sillybos' Fass. Sillybos und Tractatus sitzen nackt in der Badewanne.)
TRACTATUS: Ich muss mich für deine Gastfreundschaft bedanken, Sillybos.
SILLYBOS: Ach, das ist doch selbstverständlich.
TRACTATUS: Auch danke ich dir für deinen Einsatz in dem Gerichtsverfahren. Durch die Kronzeugenregelung bin ich ja fast straffrei davon gekommen.
SILLYBOS: Nun, ich glaube, auch die Stadtwache hat davon profitiert, denn immerhin konnte der Fall ja rückhaltlos aufgeklärt werden. Diese Revisoren sind schon merkwürdige Gestalten.
TRACTATUS: Ja. Ihre Existenz und ihre Motive sind auf jeden Fall einige Stunden ausgiebigen Philosophierens in der Badewanne wert.
SILLYBOS: Wir sollten uns bei Gelegenheit nochmal darüber unterhalten, wenn wir uns mehr Gedanken darüber gemacht haben.
TRACTATUS: Ja. Es ist nichts, was man bei einem gemeinsamen Bad klären könnte.
SILLYBOS: Heute wollen wir über andere Sachen reden, oder?
TRACTATUS: Gern. Allerdings sitzt es sich recht kühl, im kalten Wasser.
SILLYBOS: Hegelkant heizt das Wasser gerade auf. Er kommt bestimmt gleich.
(Sie warten.)
TRACTATUS: Auch abgesehen von den Revisoren war das eine ziemlich aufregende Geschichte, findest du nicht auch?
SILLYBOS: In der Tat. Ich hätte nicht gedacht, dass Sprachmagie so mächtig sein kann.
TRACTATUS: Viel erstaunlicher finde ich den Einfluss der alten Sprache auf die Nachfolgesprachen. Wenn man überlegt, wie viel Macht so wenige Bücher haben...
SILLYBOS: Wenn man überlegt, dass man keines Gedankens mehr fähig sein würde...
TRACTATUS: (nickt.) Zur Dummheit verdammt...
SILLYBOS: Durch deine Schuld.
TRACTATUS: (springt auf.) Mein lieber Sillybos!
SILLYBOS: (springt auf.) Mein lieber Tractatus!
(Sie setzen sich wieder.)
TRACTATUS: Hättest du nicht die Gelegenheit ergriffen? Eine neue Sprache zu entwickeln, in der die zukünftigen Generationen sprechen werden?
SILLYBOS: Nicht, wenn es solche Anforderungen gegeben hätte.
(Auftritt Hegelkant mit zwei Eimern, einem mit heißem, einem mit kaltem Wasser. Er gießt heißes Wasser ein.)
SILLYBOS: Danke, Hegelkant.
TRACTATUS: Ich finde es nun ein bisschen zu heiß.
SILLYBOS: Vielleicht noch ein bisschen von dem kalten?
(Hegelkant gießt etwas kaltes Wasser ein.)
TRACTATUS: Das war ein Tick zu viel.
SILLYBOS: Also noch etwas von dem warmen.
(Hegelkant gießt noch etwas warmes Wasser nach.)
TRACTATUS: Perfekt.
SILLYBOS: Danke, Hegelkant.
HEGELKANT: Gern geschehen, Herr.
(Hegelkant ab. Sillybos und Tractatus planschen ein bisschen.)
TRACTATUS: Aber wäre es nicht spannend zu sehen, wie sich die Gesellschaft entwickelt? Alle sprechen eindeutig, es gibt keine Missverständnisse, keine Zweideutigkeiten...
SILLYBOS: ... keine Sprachspiele, keine Inspiration...
TRACTATUS: Sprache wäre so zweckmäßig und effizient!
SILLYBOS: Sprache wäre so mechanisch!
TRACTATUS: (springt auf.) Mein lieber Sillybos!
SILLYBOS: (springt auf.) Mein lieber Tractatus!
(Sie setzen sich wieder.)
TRACTATUS: Wie hättest du die Sprache entwickelt?
SILLYBOS: Vielleicht gar nicht. Ich finde es gut, wenn Sprache sich von selbst entwickelt.
TRACTATUS: Würdest du auch eine Fehlentwicklung riskieren?
SILLYBOS: Wie sähe eine Fehlentwicklung denn aus?
TRACTATUS: Wenn die Sprache derart degeneriert, dass die Leute keines vernünftigen Gedankens mehr fähig sind.
SILLYBOS: Wozu deine Sprache sie geführt hätte.
TRACTATUS: (springt auf.) Mein lieber Sillybos!
SILLYBOS: (springt auf.) Mein lieber Tractatus!
(Sie setzen sich wieder.)
TRACTATUS: Vielleicht sollte man untersuchen, in welcher Sprache die klügsten Gedanken formuliert wurden, und diese Sprache als Standardsprache etablieren.
SILLYBOS: Das dürfte ziemlich sicher ephebianisch sein.
TRACTATUS: Natürlich.
SILLYBOS: Natürlich.
TRACTATUS: Während Sprachen wie morporkianisch nicht für geistvolle Gedanken geeignet sind, weil sie einfach keine treffenden Wörter haben.
SILLYBOS: Weswegen sie sich der ephebianischen oder latatianischen Sprache bedienen.
TRACTATUS: Früher war einfach alles besser.
(Sie planschen ein bisschen. Sillybos holt eine Ente hervor.)
SILLYBOS: Mit dieser Ente bade ich seit fast zwanzig Jahren...
TRACTATUS: Wobei sie ja schon ein wenig mickrig ist...
SILLYBOS: Das liegt daran, dass das Wasser inzwischen kühler ist...
TRACTATUS: Meine Ente hingegen...
SILLYBOS: Welche Ente?
TRACTATUS: Diese hier. Aus der berühmten Entenmanufaktur von Büloh und Pirol...
SILLYBOS: Mit deiner Ente teilt meine Ente das Wasser nicht!
TRACTATUS: Bist du etwa neidisch?
SILLYBOS: Das hat mit Neid nichts zu tun.
TRACTATUS: Warum hast du dann was dagegen, wenn ich... (will die Ente zu Wasser lassen.)
SILLYBOS: Deine Ente bleibt draußen!
Vorhang.

ENDE


[1] "10:00 Uhr. Habe mich den Morgen mit ausgiebigen Schlaf beschäftigt. Vielleicht sollte ich mal versuchen demnächst aufzustehen, um etwas gegen den den aufkommenden Hunger zu tun. Ich bin gespannt, ob es gelungen ist, das hervorragende Frühstück von gestern noch zu steigern."

[2] "12:00 Uhr. Befinde mich gerade in einer Sitzung auf dem Abort. Irgendetwas war nicht in Ordnung mit dem Essen, es gibt Unregelmäßigkeiten bei der Verdauung, außerdem sind Übelkeit und Durchfall beobachtet worden. Ich werde mit dem Koch über die Qualität des Essens diskutieren. Wir müssen genau analysieren, was die Verdauungsstörungen verursacht hat. In einer halben Stunde werden wir mit dem Mittagessen den nächsten Versuch starten, hoffentlich klappt es dann besser."

[3] Dux sagte: "Ihr Gläubige Latatianas, die Lage ist ernst! Die latatianische Sprache verliert an Kraft, und somit auch der Glauben an unsere Göttin Latatiana. Das dürfen wir nicht zulassen! Noch ist es nicht zu spät. Ihr, die ihr noch Kraft habt, die latatianische Sprache am Leben zu erhalten, müsst zu ihrem Erhalt beitragen! Holt die alten Schriften hervor und lest! Und dann schreibt! Nur durch eine Erneuerung der heiligen Sprache können wir sie am Leben erhalten. Es liegt an euch, ob wir es schaffen."

[4] timere, (lat.) fürchten

[5] Aufgrund dieser Zeile entschied sich Übersetzer William S. für eine eigene Version der Szene.

[6] silly (engl.): dumm

[7] bos, bovis, m. Ochse

[7a] Ugh (biblioth.) ... 45079. (Grußf.) Auf Wiedersehen, Tschüs, Servus, ... 131284. Diener, Sklave ...




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Feedback:

Von Hatscha al Nasa

17.01.2009 21:26

Wie nicht anders zu erwarten, eine klasse Geschichte von dir!Sehr schön fand ich die wunderbar eingebauten Wortspiele und die Anspielungen. ^^ Du bist einfach ein Meister deines Fachs :-) Mach weiter so! Einziger Abzug: Du hast es nicht mehr geschafft, die Single 2008 zu veröffentlichen ;-) und wir mussten viel zu lange auf den zweiten Teil warten. Aber es hat sich absolut gelohnt!

Von Sebulon, Sohn des Samax

17.01.2009 21:26

Epische Geschichte.Ich widerstehe mal der Versuchung, nen Kommentar im Lateinischen zu verfassen.Allerdings für dich: Ich hab nur geschafft, die Hälfte zu lesen. War 'etwas lang' und kam, dem Kriminalstückstil geschuldet, nicht recht in Schwung, fand ich.Noch was ketzerisches: Wenn es von einem H. Brand "Sorgfältig aus dem Latatianischen übersetzt" wurde, warum gibt es dann ganze lateinische Absätze im (vorzutragenden, also im Lateinischen verbleibenden) Stück?*salutiert*Gruß an Herrn Horst Brand und an Loriot, der über die Enten am Schluss bestimmt plagial lächeln würde.

Von Laiza Harmonie

17.01.2009 21:35

Argh, ich bin leider nicht dazu gekommen sie fertig zu lesen, dabei hatte ich sie mir extra ausgedruckt :-( Aber ich werde es definitiv nach holen ;-)



@Sebulon: Ich frage mich, wieso du die Single bewertet hast, wenn du sie doch nicht ganz gelesen hast? Das find ich, naja, falsch.

Von Huitztli Pochtli

17.01.2009 22:57

Ich für meinen Teil habe die Single gelesen, kam aber leider nicht dazu, sie zu bewerten. Meine persönliche Bewertung: 15! Die Idee und die Umsetzung ist einfach Spitze! :daumenhoch: :daumenhoch: :daumenhoch:

Von Braggasch Goldwart

18.01.2009 02:11

Ich persönlich habe sie ebenfalls nicht bewertet, weil ich sie nicht fertig gelesen habe - aber, auch wenn ichs nicht gemacht habe, finde ich doch: besser die Hälfte der Single bewerten, die man gelesen hat, als es gar nicht zu tun.

Von Sillybos

23.01.2009 22:33

Vielen Dank für euer Lob. :)



Ich möchte mal die Gelegenheit ergreifen und schreiben, wie ich die Single konzipiert habe - in der Hoffnung, vielleicht den einen oder anderen Kritiker zu einer differenzierteren Aussage zu bewegen. ;)



Zunächst wollte ich eine Geschichte über Latein schreiben. Die Grundidee ist dabei an Hogswatch angelehnt (die Revisoren engagieren eine Gruppe von Bösewichten, um ihre Taten zu vollbringen), doch wollen sie diesmal die menschliche Sprache durch eine von ihnen konzipierte ersetzen.



Die Plotidee (inkl. der Auflösung in der Bibliothek) stand schon früh - Hauptaufgabe war es dann, die verschiedenen Handlungsstränge (Bösewichte, Stadtwache, Palastwache, Religion, Diebesgilde, Zauberer, AM-Times, Bibliothekar/Hegelkant) zu koordinieren und Schnittstellen zu erzeugen, so dass jeder Handlungsstrang mit mindestens 1, besser 2 oder 3 anderen verknüpft wird. Da jede Gruppe ihr eigenes Ziel verfolgte und ich das Ende klar vor Augen hatte, ergab sich eine Szenenfolge, in der in Stichworten stand, was in den Szenen passieren sollte.



Da ich viele Scheibenweltfiguren eingebaut habe, war ich nicht ganz frei in der Ausgestaltung der Szenen, denn ich musste ja diese Personen auch scheibenwelttypisch darstellen, was bei gegebenen Szenenverlauf nicht immer einfach war. Bei anderen Szenen fehlte oftmals noch etwas "Pepp" (insbesondere bei der Religion), so dass ich diese meistens erst zum Schluss geschrieben habe (solche Szenen sind halt nicht sehr motivierend).



Ab und zu habe ich in der Storyline einen "Schlenker" eingebaut, um ein paar Extra-Szenen (wie z.B. die Balkon-Szene), was ich für legitim halte. Die Sprachphilsophie Wittgensteins kannte ich noch aus dem Studium, allerdings ist mir erst später aufgefallen, dass seine späte Phase zu der Religionsgemeinschaft passt. Die Auflösung der Geschichte mit dem "Ugh" aus dem Off war hingegen lange geplant und ein Fixpunkt in der Story, ebenso der Epilog mit den Herren im Bad.



Bei der Gestaltung der Geschichte habe ich mich gefragt, wie wohl Terry das Thema "Sprache" angehen würde. Bestimmt anders. Nichtsdestotrotz versuchte ich, tatsächlich eine Scheibenweltgeschichte daraus zu machen. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden (oder, um es mit einem deutschen Regisseur zu sagen: "Mehr kann ich nicht."), ihr anscheinend auch. :)



Das war mein letztes großes Single-Projekt (zumindest für die nächsten 3-4 Jahre, während der Doktorarbeit), jetzt werde ich eher kurze, episodenhafte Geschichten schreiben. *schon Pläne schmiedet*



Silly

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