Wenn du denkst, dass du denkst, ...

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von Gefreiter Sebulon, Sohn des Samax (RUM)
Online seit 12. 12. 2008
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 Außerdem kommen vor: Jack NarratorSebulon, Sohn des SamaxFrän Fromm

Dies ist die Ausbildungssingle zum Püschologen. Möge es munden.

Dafür vergebene Note: 10

"Das Denken ist die Brücke über die der Denkende hinübergeht."
"Wohin geht der Hinübergehende?"
"Letztlich zu sich selbst."
"Hoffentlich hat die Brücke ein Zwerg gebaut."

- Stollenmeister Gunter Halbbaum, im Gespräch mit dem Philosophen Ly Schwatzmaul.

*


"Hallo, ich bin Gefreiter Sebulon, der neue Auszubildende. Wo kann ich Frän ...", fragte Sebulon einen Vorbeieilenden, konnte jedoch seinen Satz nicht zum Ende bringen, da der Angesprochene, ein Zwerg, dessen Name er als Glum Irgendeinstiefel in Erinnerung hatte, schon wieder in einem Zimmer verschwunden war.
Vorsichtig lugte er in das Zimmer hinein und sah zu, wie der Zwerg gestikulierend auf eine RUM-Beamte einredete.
"... und darum brauchen wir unbedingt Verstärkung. Wir kriegen die Geiselnahme in der Brennergasse sonst nicht in den Griff ..."
"Beruhige dich, Stiefel", meinte die Menschenfrau, die am Schreibtisch saß. "Wir haben schon Leute auf den Weg geschickt, du hast sie gerade verpasst; unsere beiden Püschos, Frän Fromm und Jack Narrator sind auch auf dem Weg, um Profile zu erstellen, und was man so als Püscho macht ..."
Mehr von diesem Gespräch konnte Sebulon nicht mehr hören, da er bereits mit klapperndem Gürtel und weit ausholenden Zwergenschritten die Treppe hinunter und, direkt gefolgt von seinem Hund Jado,[1] in Richtung der Brennergasse aus dem Haus gestürmt war.

"Hier spricht die Stadtwache: Kommt mit erhobenen, hmm, Händen aus dem Haus!", rief Jack Narrator zur Brennerstraße Nummer drei hinauf.
"Hier sprechen die Geiselnehmer: Niemals!", rief eine ältere Frauenstimme aus dem dritten Obergeschoss des Hauses.
Verwirrt und mit fragendem Blick sah sich Jack zu seiner ehemaligen Ausbilderin Frän Fromm um, die hinter einem Eselskarren geduckt stand und ruhig die Lage beobachtete.
"Junge", meinte die Püschologin, "du hast gelernt, was ich dir beibringen konnte. Mach einfach weiter; wird schon."
Entschlossen nickte Jack und rief dann: "Hier spricht die Stadtwache: Warum nicht?"
Eine kurze Pause trat ein. Dann antwortete Frau aus dem dritten Stock: "Hier sprechen die Geiselnehmer: Was hätten wir davon?"
Während Jack Narrator mit den Geiselnehmern weiterdebattierte, beobachtete Frän Fromm weiterhin die Szene und machte sich gedanklich Notizen für die spätere Auswertung mit ihrem ehemaligen Auszubildenden, als sie plötzlich ein Zupfen an ihrer Uniform bemerkte.
"Du bist Frän?", fragte ein Zwerg, der zu ihr hinaufschaute.
"Und wer bist du?", entgegnete die Püschologin und musterte den bärtigen Kerl.

"So, da wären wir wieder.", sagte Frän, hängte ihren Rum-Umhang an den Kleiderhaken und sah dann zu Jack und Sebulon. Sie hatten die Arme verschränkt und spielten das wer-kann-dem-anderen-länger-tötende-Blicke-zuwerfen-Spiel. Der kleine Hund schien als einziger guter Dinge zu sein und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.
Langsam sah die Püschologin von ihrem Kollegen zu ihrem Auszubildenden und zurück. Sie seufzte.
"Ich kann keine Streitereien während eines Einsatzes ...", begann sie.
"Es war nicht nötig, dass er mich vor den Zivilisten 'ungehöriger Pimpf' genannt hat.", knurrte Sebulon.
Jack deutete auf seine Abzeichen.
"Ha, ich bin ranghöher. Du hast meine Befehle zu befolgen. Bei Nichtbefolgung kann ich dich nennen, wie ich will."
"Auch, wenn deine Befehle aberwitzig sind, Herr Lance-Korporal?"
"Das zu beurteilen bist du ungehöriger Pimpf nicht erfahren genug. Ich frage mich, wie du es mit deiner Einstellung überhaupt geschafft hast, Gefreiter zu werden."
"Das würde ich auch sagen, wenn ich so einen kleinen ..."
"Schluss damit!", sagte sie mit autoritärer Stimme. "Ihr werdet euch miteinander vertragen, wenn ihr zukünftig gemeinsam arbeitet. Ihr werdet zusammenarbeiten. Ich lasse nicht zu, dass die beiden Personen, die ich ausgebildet habe, den Namen der Abteilung in den Dreck ziehen, weil sie private Querelen in aller Öffentlichkeit austragen. Schlimm genug, dass ihr überhaupt sinnlos miteinander streitet."
Emotionslos sah sie ihre beiden Kollegen an.
"Jack, da die Geiselnahme nicht optimal ausgegangen ist -"
Sie machte eine bedeutungsschwere Pause.
"Frau Wilhelmine Kaltschuh in der Wirbelgasse ist hinterblieben. Du bist ja ausgebildet; ich erwarte, dass du püschologisch korrekt vorgehst. Ich habe hier noch mit einem Gefreiten zu reden."
Jack war anzusehen, dass er nichts von der Meinung seiner Kollegin hielt. Trotzdem verließ er den Raum und kurz darauf war Sebulon mit seiner Ausbilderin allein.
"Nun zu dir. Wenn so etwas, wie das heute, nicht noch einmal vorkommt, will ich darüber hinwegsehen."
Ausdruckslos sah der Zwerg zu Frän auf. Er hatte sich nur knapp zusammenreißen können, Jack eine Grimmasse zu schneiden, als er gegangen war.
"Wenn das geklärt ist: Zur Ausbildung."
Die Laune von Sebulon hellte sich schlagartig etwas auf. Rasch zog er das Notizbuch vor und begann mitzuschreiben, während seine Ausbilderin weiterredete.
"Deine schwierigste Aufgabe wird es sein, das Denken zu lernen. Versteh mich nicht falsch: ich sage nicht, dass du dumm bist. Ich sage lediglich, dass du noch nicht geradlinig denken kannst."
Sie nickte.
"Ich vermute, du musst jetzt erst einmal nachdenken. Wenn du mich suchst, weißt du ja jetzt, wo du mich findest."
Zögerlich salutierte Sebulon, Sohn von Samax, klappte das Notizbuch zu und erhob sich.
"Ach so", fügte seine Ausbilderin an, "den Hund bringst du ab morgen nicht mehr mit. Du musst dich auf deine Arbeit konzentrieren. Hier bringt niemand sein Haustier mit." [2]
Niedergeschlagen verließ der Zwerg das Büro der Püschologin Frän Fromm.

Im kleinen Windig-Park ging Sebulon zu der einzigen Bank, von der aus man gut die Straße beobachten konnte, und öffnete sein Notizbuch.
Jado rollte sich vor der Bank auf dem Boden zusammen.
"Deine schwierigste Aufgabe wird es sein, das Denken zu lernen. Versteh mich nicht falsch: ich sage nicht, dass du dumm bist. Ich sage lediglich, dass du noch nicht geradlinig denken kannst."
Sebulon las diesen Satz in seinem Notizbuch wieder und wieder. Er erschien ihm wichtig.
Wie denke ich geradlinig?, dachte er. Was soll mir das sagen? Ist das eine Art zu sagen: Du solltest besser denken? Aber wie denke ich geradlinig?
Er sah zu seinem Hund hinunter, der ihn mit großen Augen ansah.
"Jado, wie denkt man geradlinig?"
"Wuff.", machte Jado und wedelte mit dem Schwanz.
"Oh", meinte Sebulon, "ich dachte, du könntest mir genaueres sagen."
Er legte die Stirn in Falten, rückte den Werkzeuggürtel zurecht und fuhr fort:
"Ich vermute, dass ich mir dabei etwas vorstellen muss. Ich hab gehört, wenn man hoch singen will, muss man sich vorstellen, dass man eine Treppe hinunter läuft. Ich finde, das klingt widersprüchlich genug, um püschologisch zu sein - oder was meinst du?"
"Wuff.", machte Jado, und legte seinen Kopf auf seine Pfoten.
"Du hast Recht.", brummte der Zwerg. "Singen kann ich nicht, also bringt mich das nicht weiter."
Vielleicht, dachte der Zwerg, muss ich mir trotzdem irgendetwas vorstellen, um geradlinig zu denken?
Ja, das ist eigentlich eine gute Idee, schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht ... vielleicht wenn ich das Wort selbst oft denke? Geradlinig. Geradlinig. Geradlinig. Geradlinig. Geradlinig. Geradliniggeradliniggeradliniggeradliniggradlingradlinggradling...
Was mach ich hier?, unterbrach er sich in Gedanken.
Verwirrt sah sich Sebulon um.
"Hallo?", fragte er.
"Wuff.", machte Jado, blieb jedoch liegen.
So ein Blödsinn, fuhr die Stimme in seinem Kopf unbeirrt fort. Dadurch, dass ich ein Wort denke, denke ich ja nicht besser.
Ich höre Stimmen. Ich glaube, ich werde verrückt.
Er legte die Stirn in Falten und sah sich um. Niemand außer einem schlecht jonglierenden Clown war zu sehen - und der schien beschäftigt.
Ganz ruhig. Du wirst nicht verfolgt.
Heftig fasste sich der verunsicherte Zwerg an die Stirn.
Ich habe kein Fieber. Aber ich höre Stimmen. Bei allen Göttern, ich verliere den Verstand!
Leise säuselte die Stimme in seinem Kopf: Eigentlich ... bin ich nicht verrückter, als ich auch letzte Woche schon war. Nur schlechter gelaunt. [3]
Und warum korrigiere ich mich dann selbst?, dachte der Zwerg.
Gehässig kam die Antwort: Nun, wenn es nötig ist ...
"Mach doch nen besseren Vorschlag.", brummte Sebulon.
Jados Ohren zuckten kurz, die Augen hatte er geschlossen.
Gut, dachte er, denk dir eine Linie.
Was? Eine Linie ist eine bessere Idee?
So ist es.
Woher willst du das wissen?, schoss es ihm durch den Kopf.
Ich weiß es einfach. Du willst geradlinig denken, also denk dir eine Linie, Sebulon.
Er zuckte mit den Schultern [4] und dachte angestrengt an eine Linie.
Das ist nicht gerade genug, dachte er. Sie muss perfekt sein. Aus der Unendlichkeit in die Unendlichkeit, und das ohne Bogen ...
Er schüttelte den Kopf.
"Das hilft mir nicht.", brummte er, "Dann stelle ich sie mir bildlich vor und sie wird ein Balken."
Innerlich seufzte der Zwerg.
Das ist definitiv nicht dünn genug. Na gut, dann nimm dir ein Barthaar und halt es straff.
Langsam und überrascht strich er sich mit der Hand durch seinen Bart. Ein Barthaar?, dachte er.
Nun mach schon; ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.
Sebulon runzelte die Stirn. "Seit wann lass ich mir Vorschriften von mir machen?"
Bitte?, fragte seine innere Stimme versöhnlich.
"Schon besser.", brummte er widerstrebend, griff dann jedoch zu seinem gepflegten Bart und riss eins der Haare entzwei. Er zog es an den Enden, bis es gespannt vor ihm in der Luft hing.
Sieh es dir gut an, dachte er.
Einige Sekunden lang starrte Sebulon das Haar an.
Und jetzt: Wieviel ist siebzehn mal dreiundsechzig?
"Was?", fragte der Zwerg verblüfft und ließ vor Erstaunen das Haar los, das, sofort vom Wind erfasst, fort geweht wurde.
Du musst rechnen, dachte er, und wenn du rechnen kannst, kannst du auch klar denken.
"Ich glaube, ich sollte erstmal drüber schlafen.", murmelte er.

In der Nacht hatte Sebulon einen Traum.
Es war Nachmittag, draußen schien die Sonne. Jado saß ihm gegenüber und strickte an einer Wollsocke. Er selbst hatte einen Pyjama an und darüber sein Kettenhemd.
Jemand klopfte an der Tür, siebenmal.
"Herein.", sagte Jado.
"Nein.", sagte eine weibliche Stimme. "Erst muss ich mich selbst überlisten."
"Benutz ein Haar, das hilft.", brummte Sebulon.
Auf einmal strömten aus den geöffneten Fenstern Zahlen in das Zimmer und färbten den Boden blutrot. Bäche von Rechenaufgaben flossen über den Boden - und im selben Augenblick konnte er die Antworten sehen, als seien sie klar hineingeschrieben.
"Du hast Recht, es hat geholfen.", lachte die Frauenstimme.
Die Tür öffnete sich und herein kam Frän Fromm. Doch sie hatte zwei Schatten, die miteinander kämpften.
Sebulon dachte: Ist es nicht seltsam, dass ein Vampir überhaupt einen Schatten hat?
Dann wachte er auf.

Am nächsten Morgen sprach er mit seiner Vermieterin, Frau Anemone Schnabel, ab, dass sie tagsüber auf Jado aufpasste. Scheinbar fand sie, dass ein Hund im Haus die Wahrscheinlichkeit eines Einbruchs verringerte.
Tagsüber ging der Zwerg Büroarbeiten nach. Hin und wieder wechselte er ein paar Worte mit seiner Ausbilderin, die nur selten im Haus war.
Drei Tage lang saß er jeden Nachmittag nach Dienstschluss im Windig-Park und betrachtete sein Barthaar.
Jeden Tag rechnete er mehr Aufgaben durch, die Braggasch ihm auf vielfaches Drängen hin aufgeschrieben hatte.
Nach vier Tagen beklagte sein Freund sich, dass er vom vielen Schreiben eine schmerzende Hand hätte. Sebulon wunderte sich etwas, denn so schwer kamen ihm die Aufgaben nicht vor.
Er beschloss, in der Unsichtbaren Universität nachzufragen, ob er nicht Abends als Rechner aushelfen könnte. Er handelte sich einen Stundenlohn von 70 AM-Cent aus und ging fortan jeden Abend nach Dienstschluss in den Kühlraum der UU.

Nach acht Tagen hatte er einen weiteren Traum.
Er stand vor einer ewig langen, spiegelnden Wand. Sein Spiegelbild lächelte, genau wie er.
Er betrachtete es eingehend.
"Du wirst gleich den linken Arm heben und winken", sagte er.
Sein Spiegelbild hob den Arm und winkte.
"Als nächstes", sagte Sebulon und sah sich weiter in die Augen, "wirst du nicken, den Kopf schütteln und die Augenbraue hochziehen."
"Du kannst die Augenbraue doch gar nicht hochziehen.", antwortete sein Spiegelbild.
"Aber du würdest gern."
"Stimmt."
Das Spiegelbild nickte und schüttelte den Kopf.
"Und nun ..."
"Lass es mich auch versuchen.", sagte der Spiegel-Sebulon und sah ihm fest in die Augen.
"Als nächstes wirst du ... aufwachen."
Und Sebulon wachte auf.

Schüchtern klopfte der Gefreite siebenmal an der Tür seiner Ausbilderin.
"Herein.", kam es von drinnen.
Langsam betrat er den Raum, salutierte kraftlos und setzte sich an den Tisch. Frän, die gerade gegen sich selbst spielte, sah vom Klonk-Spiel auf und musterte ihn kühl. Er betrachtete kurz das Spielbrett und sah dann seine Ausbilderin an.
Wäre ich nicht so müde, dachte er, dann würde ich ihr ins Gesicht sagen, dass sie die umwerfend schönste ...
Ihre Blicke trafen sich.
Nein, dachte er, du würdest dich nicht trauen.
"Gut, dass du da bist. Du siehst ..."
"... ganz schön fertig aus.", murmelte Sebulon.
"... ganz schön fertig aus.", sagte Frän und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
"Ich hab gelernt, geradlinig zu denken, glaube ich.", brummte der Zwerg müde, und setzte ohne wegzuschauen eine der Klonk-Troll-Figuren drei Felder weiter. Klick, machte die Figur.
"Hast du in der letzten Woche ..."
"... ausreichend geschlafen? Nein."
"... ausreichend geschlafen? - Oh.", beendete die Ausbilderin den Satz simultan mit ihrem Schützling. Sie tippte ein paar mal mit dem Finger auf den Tisch, setzte sie eine der Zwergenfiguren - Klick - ein Feld weiter und hob die linke Augenbraue.
Unablässig blickten sich beide in die Augen.
Es hat schon etwas Romantisches, dachte er. Sie hat so wunderschöne Augen.
"Du solltest aber ..."
"... nachts schlafen.", sagte Sebulon.
"... nachts schlafen.", sagte Frän.
"Ja." - Klick - "Momentan kann ich nicht. Die Arbeit holt mich auch nachts ein, könnte man sagen."
"Soso. Übrigens: Wo ist eigentlich ..."
"... mein Hund?"
"... dein Hund?", fragte Frän. - Klick -
"Du hast gesagt, ich soll Jado nicht mehr mitbringen. Meine Vermieterin passt seit dieser Woche auf ihn auf." - Klick - "Morgens gehe ich mit ihm eine Runde ums Haus und abends spiele ich mit ihm. Nachts, hmm, streifen wir durch die Stadt. Er hört mir zu, wenn ich jemanden zum reden brauche."
"Du hast also Freude an dem Hund. Das ist gut." - Klick -
Seine Ausbilderin nickte und sah auf das Spielfeld, drehte es einmal komplett und setzte dann - Klick - eine Trollfigur ans andere Ende des Feldes, heraus aus der Gefahrenzone.
Sebulon sah ebenfalls auf das Feld. Offensichtlich war es nun an ihm, die Zwergenseite zu setzen.
"Eine Frage, um zu sehen, ob du die Lektion verstanden hast: Du stehst vor einem blutrünstigen Mörder, er hat ein kleines Mädchen als Geisel genommen. Wie ..."
"Bin ich allein?", fragte Sebulon neutral und geschäftsmäßig, während er eine Spielfigur rückte. - Klick -
"Ja. Du, der Mörder und das Mädchen." - Klick -
"Dann habe ich sicher schon Hilfe angefordert. Womit ist er bewaffnet?" - Klick -
"Ein Messer, scharf, schlicht." - Klick -
"Es ist an ihrem Hals?" - Klick -
"Ja." - Klick -
"Ich bitte ihn, sie freizulassen." - Klick -
Er drehte das Spielfeld erneut um. - Klick -
"Dann", fuhr er fort, "verlese ich ihm seine Rechte."
"Du ziehst nicht deine Axt?" - Klick -
"Das könnte das Mädchen in Gefahr bringen." - Klick -
"Er bittet dich, die Axt auf den Boden zu legen, dann wird er sie frei lassen." - Klick -
"Er soll mir sein Wort geben." - Klick -
"Er schwört." - Klick -
"Ich lege meine Axt auf den Boden."
Sebulon sah zu seiner Ausbilderin hoch. Frän nickte.
"Du hast verloren. In drei Zügen werde ich dich geschlagen haben.", sagte sie gleichgültig.
Nein, dachte er, ich hätte bestimmt ...
Sie bewegte die Figuren und Sebulon sah zu.
In der Tat, so hätte ich gezogen. Verflucht.
Seine Fingerknöchel wurden weiß, als er ärgerlich die Hand zur Faust ballte.
"Gut.", sagte sie und sah ihm wieder in die Augen. "Deine Antworten in unserem Gespräch zeigen, dass du begriffen hast, wie man in der Wache denkt. Der nächste Schritt ist, dass du einem Teil deines Kopfes sagen musst, dass er so nicht denkt."
Das war kein Problem. In den letzten Tagen hatte er in Gedanken so sehr mit sich selbst gestritten, dass er kaum behaupten konnte, alles an ihm würde auf die gleiche Weise denken.
"Diesen Teil reservierst du für die Verbrecher. Du musst so denken können, wie sie denken - und darin sogar besser sein, als sie selbst. Du musst ..."
"... einen Schritt schon bedacht haben, auf den sie erst stoßen werden?"
"In der Tat. Und ..."
"... sie stoppen, bevor sie das Verbrechen in Gänze begehen können?"
"So ist es. Dabei darfst du auf keinen Fall ..."
"... das kriminelle Denken überhand nehmen lassen?"
"Kannst du das bitte ..."
"... lassen?"
Frän hielt inne.
"Kannst du meine Gedanken lesen, dass du weißt, ..."
"... wie du deine Sätze beenden wirst? Ich weiß es nicht."
"Du rätst?"
"Ich kann es in deinem Gesicht sehen. Wie, weiß ich auch nicht. Ich sehe, was du sagen wirst. Es ist ... geradlinig."
Frän stand auf, lief einmal langsam um den Gefreiten herum, beäugte ihn von allen Seiten kritisch, setzte sich wieder und sagte dann: "Lass uns einen weiteren Test machen: An welche Zahl denke ich?"
"Das kann ich dir nicht sagen.", brummte der Zwerg müde. "Dein Gesicht sagt mir nur, dass du nein sagen wirst, welche Antwort ..."
"... du auch immer geben magst, in der Tat. Du denkst logisch und wie dein Gegenüber. Das ist gut. Aber bisher denkst du nur geradlinig."
Sebulon sah die schöne Vampirfrau überrascht an.
"Sollte ich das nicht?"
"Ja und nein. Du kannst erkennen, dass ich dich linken möchte. Das ist essentiell. Nur wie ..."
Blitzschnell, noch bevor Sebulon für sie weitersprechen konnte, gab sie ihm eine Backpfeife. Der Zwerg zog die Luft ein und schwieg.
"... musst du ebenfalls herausfinden.", beendete sie ihren Satz selbst. Ihre Stimme war kühl und ihr Blick berechnend. Es gab kein Anzeichen dafür, dass sie wütend war oder dass ihr der Schlag Genugtuung bereitet hätte.
"Wie. Das ist fast wichtiger. Ich habe dich geschlagen, damit du eines begreifst: Der Geiselnehmer hätte seine Waffe nicht hingelegt. Was zählt das Versprechen eines Menschen, der bereit ist zu töten? Es ist besser, wenn du das jetzt lernst, als wenn du es während eines Einsatzes begreifen musst - wenn es zu spät ist."
"Kann ich gehen?", brummte Sebulon, zitternd vor Groll.
"Gleich. Zwei Sachen noch. Erstens: Schlaf gehört zum Wächterdasein dazu. Manche nehmen es sogar wichtiger als die Arbeit selbst."
"Und zweitens?"
"Zweitens hättest du mich schon vor acht Zügen aufhalten müssen, weil ich einen unzulässigen Zug gemacht habe."
"Du bist meine Ausbilderin.", stellte Sebulon fest.
"Vor acht Zügen war ich dein Gegner.", entgegnete Frän. "Du kannst gehen."
[1] Jado ist seit seiner Beförderung zum Gefreiten der treue Begleiter des Zwergen. Näheres dazu findet sich in der Single Auf den Hund gekommen ...

[2] Das stimmte in gewisser Hinsicht. SUSI beherbergt zwar beispielsweise eine Ziege, eine Katze und einen Sklaven namens Hegelkant; der Kommandeur besitzt eine Papageiendame namens Havelock Vetinari II - aber SUSI ist SUSI und der Kommandeur ist der Kommandeur.

[3] Am Oktotag war Sebulon aufgewacht, hatte das Fenster geöffnet, gut gelaunt 'es ist Seelenkuchenmittwoch' gerufen, Jado einen Apfel und einen Streifen Schinken in den Futternapf getan und sich wieder schlafen gelegt.
Er stritt jedoch auf Anfragen zu seinem experimentellen Verhalten ab, dass er betrunken gewesen sei.
Wirkliche Zwerge werden nicht betrunken. Sie werden fröhlich.

[4] Gegen gut klingende Vorschläge kann man schlecht argumentieren, wenn sie im eigenen Kopf entstehen.




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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

20.12.2008 14:07

Hab dir ja schon dementsprechendes Feedback gegeben. ;) Als Abschlusssatz vielleicht noch: Es wundert mich nicht, das wieder eine schöne und freudig zu lesende Geschichte diener fleißigen Feder entsprungen ist.

Von Ruppert ag LochMoloch

27.01.2009 11:42

Ich fand die Geschichte sehr interessant. Natürlich vollkommen irrsinnig, aber gut! :)

Bei den inneren Streitgesprächen hätte ich so formatiert (kursiv oder Rechtsbündig oder so), dass die beiden Stimmen klarer unterscheidbar gewesen wären.

Der Teil "Hier spricht die Stadtwache ..:" "Hier sprechen die Geiselnehmer ..:" war witzig. Vor allem die Idee, dass beide Seiten dienes "Hier spricht... " imemr wieder bringen. Das hätte ich gerne ausführlicher gehabt und nicht nur im Rückblick dann den Streit mit Jack mitbekommen.

Die Träume waren wunderbar verrückt und absolut glaubwürdig.

Der Schlussteil mit dem Klonkspiel und Frän war wirklich toll! Nur das Ende war mir dann zu abrupt und ließ mich etwas ratlos zurück.

Also alles in allem eine Mission die in meinen Augen weitaus mehr als 10 Punkte verdient hätte, auch wenn es keinen Fall zu läsen gab.

Von Sebulon, Sohn des Samax

27.01.2009 12:38

Danke, Ruppert.

Bin leider manchmal so eingebunden in mein tatsächliches Leben, dass mir meine Einfälle während des Schreibens wieder abhanden kommen, weil ich in Raten schreibe - tja, und dann kommt so eine Szene zustande.

Trotzdem danke für die Kritik; mal schauen, was sich machen lässt. :)

*salutiert*

- Sebulon

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