Dumm ist der, der dummes tut.

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von Gefreiter Braggasch Goldwart (FROG)
Online seit 01. 12. 2008
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 Außerdem kommen vor: KanndraAraghast BreguyarNyvaniaValdimier van Varwald

Ankh-Morpork wird belagert. Wer bitte ist so dumm, Ankh-Morpork zu belagern? Eine spannende Frage, gerade für die FROG's!

Dafür vergebene Note: 11


Wenn früh morgens jemand singt, vergewissere dich besser, dass es kein Kriegslied ist."
So'Guck, Priester des Hut


*


Besorgt sah der Anführer zu dem riesigen Schmelztiegel verschiedener Rassen, Grundsätze und Geschmäcker. Er stand auf einem der wenigen Hügel der Sto-Ebene, welcher ihm einen guten Blick auf die brodelnde Stadt verlieh. Zweifel krochen durch seine Gedanken wie Würmer durch einen wild wuchernden Kräutergarten. Er war ein Mann, dessen Name in den Vernunftbegabteren panische Angst hervorrief. Er allein hatte vierzig oder fünfzig Männer getötet - Einen davon nur mit einer Stricknadel, einen Anderen mit dessen eigenen Ohren - doch nun spürte er zum ersten Mal, was es hieß, lieber fortzulaufen.
"Stinkstiefel! Hierher!"
Eine dünne, schmutzige Frau erklomm den Hügel des Anführers und salutierte leger. "Was gibt's, Scheff?"
"Nur um ganz sicher zu gehen: Was tun wir noch mal hier?"
Stinkstiefel lächelte und offenbarte dadurch eine Reihe brauner Stümpfe. "Wir belagern eine Stadt, Scheff."
Der Anführer nickte wage. Wie viel hatte er getrunken, bevor er den Auftrag angenommen hatte? "Und warum?"
"Aber Scheff, das weißt du.", sagte die Frau munter. "Außerdem sind die Ankh-Morporkianer stinkende Bastarde und so."
"Was? Alle?"
"So isses, Scheff."
"Ah ja." Es kam ihm so vor, als hätte er genau diese Worte vor nicht allzu langer Zeit selbst in den Mund genommen, doch bei dem Anblick der größten Stadt der Scheibenwelt war er sich auf einmal nicht mehr ganz so sicher. "Und das nur mit zwanzig Mann?"
Gemeinsam sahen sie auf die wenigen Männer, die sich hinter den Hügel duckten. "Mehr brauchen wir nich, Scheff, die Stadt hat keine eigenen Truppen."
"Gutgut." Der Anführer rieb sich das drahtbürstenartige Kinn. "Dann nur noch eine Frage, Stinkstiefel."
"Ja?"
"Sind wir bescheuert?"


*


Patrick Zartbitter hatte bei weitem schon bessere Tage erlebt. Nicht, dass er besonders schlecht mit seiner Ausbildung voran kam, eher im Gegenteil, doch außer ihm schien das niemand zu bemerken. Zerstreut nickte er dem Wachhabenden Rekruten zu, ohne wirklich zu erkennen, wer es war, und schleppte sich die Treppe hinauf in das Labor der FROG's. Tyros sah kurz und zackig auf, als der Alchemikexperte in Ausbildung den Raum betrat, bedeutete ihm jedoch mit einer knappen Handbewegung, sich zu setzten, und wendete sich wieder völlig dem Blatt in seiner Hand zu. Norti war bereits zugegen und zwinkerte seinem Kollegen ironisch zu, als sich dieser auf einen der Stühle fallen lies.
"Was ist denn los? Nicht einmal eine überschwängliche Begrüßung?", flüsterte Patti ihm zu.
Der Zwerg zuckte mit den Schultern. Wie immer ging von ihm ein leichter Feuergeruch aus. "Er war schon so, als ich kam. Scheint vollkommen in diesen Zettel vertieft zu sein. Liest ihn schon zum dritten mal. Siehst du die Rohrpostschatulle? Ist bestimmt ein Auftrag von oben."
Patrick runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Aufträge von oben bedeuteten meist nichts gutes, sondern Arbeit. Gefährliche Arbeit.
Nachdem Tyros y Graco die Meldung zum fünften mal überflogen hatte, ohne dass sich der Inhalt maßgeblich änderte, seufzte er. "So, Leute, Freunde, Auszubildende."
Norti verdrehte die Augen.
"Scheint so, als müsse unsere heutige Lektion leider ausfallen.", fuhr der Alchemikexperte fort, ohne auf die Mimik von Rabenpelz zu achten. "Vald will uns in seinem Büro sehen. Alle. So bald wie möglich."
Nach einer Pause brachte Patti hervor: "Worum geht es denn?"
"Oh, du wirst es nie erraten!", antwortete Tyros mit einem amüsierten Blick.
"Das hatte ich auch nicht vor."
"Eben. Gehen wir."

*


Der Kot traf Braggasch Goldwart direkt im Auge.
Kreischend hob er aus Reflex die Armbrust und drückte ab.
Etwas fiepte. Federn sanken langsam zu Boden.
Ohne Hektik trat Kamillus einige Schritte vor und hob die Taube auf. Der Bolzen hatte sie nicht ganz durchschlagen.
"Sauberer Schuss.", kommentierte er.
Doch der blondgelockte Zwerg hörte ihm nicht zu. Wimmernd wischte er sich immer wieder übers Gesicht. "Argh! Das tut so verdammt... äh..."
Kanndra lies die Händen sinken, die sie sich resigniert vors Gesicht geschlagen hatte, legte sie auf ihren Bauch, als wolle sie ihn vor solcher Dummheit bewahren, und sah ihren neusten Auszubildenden an. Seid Stunden mühten sie und Kamillus sich im Ankh-Morporker Park ab, ihm die Grundzüge des Schleichens und Versteckens beizubringen, doch bisher hatte ihn jeder Passant schon auf eine Distanz von zehn Metern gehört oder gesehen. Zugegeben, seine fast weißen Haare machten es ihm nicht unbedingt leicht, doch abgesehen davon, schien Braggasch überhaupt keinen Sinn für seine Umgebung zu haben. Er trat achtlos auf kleine Äste, raschelte im Laub und suchte sich partout immer den dünnsten Baum oder lichtesten Busch heraus, um sich dahinter zu verbergen. Umso wahnsinniger machte es die stellvertretende Abteilungsleiterin, dass der Zwerg dauernd irgendwelchen Müll aufhob und vor sich hin brabbelte, für was man den alles benutzen könnte. Er bemerkte winzige Unterlegscheiben, die fast vollständig im Boden steckten, stolperte aber keine Zwei Schritte später über eine große Baumwurzel. Es war zum aus der Haut fahren!
Und jetzt das! Vor wenigen Minuten waren sie dazu übergegangen, mit der Miniarmbrust zu trainieren, damit schien Goldwart weniger Probleme zu haben, doch nun hatte er den Tot von einer der Brieftauben auf dem Gewissen!
Seufzend warf Kanndra ihrem neuen Schützling den Wasserschlauch zu - der an seiner Schulter abprallte und ihn fast zu Fall gebracht hätte. "Wasch dir das Auge mit Wasser aus, mit Taubensch...dingen ist nicht zu spaßen."
"Äh... Danke... äh..." Halbblind tastete der Zwerg nach dem Schlauch und begann dann, unter viel Gejammer, mit der Reinigung.
"Mäm? Das solltest du dir ansehen.", meinte Kamillus und reichte der Späherin den kleinen, blutbefleckten Zettel, den er vom Bein der Taube gelöst hatte.
Kanndra las ihn nicht ohne Verwunderung. "In sein Büro? Jetzt gleich?"
"Sieht so aus." Schimmlersohn half seinem Kollegen, dessen linkes Auge nun rot wie Glut war, auf die Beine.
"Na, dann wollen wir Valdimir nicht warten lassen."

*


Sayadia blickte in das gräuliche Gesicht der halben Wasserspeierin.
"Jetzt bist du dran, Nyv."
Unruhig, drei Teebeutel auf einmal kauend, beobachtete Nyvania die Hand der gegenüber Sitzenden, welche sich in weitem Bogen hob, eine der hölzernen Spielfiguren nahm und diese zwei Felder vor rückte.
"Hmm. Mhm.", murmelte sie.
Zufrieden zog Sayadia Trovloff ihre Hand wieder zurück - und stieß dabei mehrere andere Figuren um. Hektisch versuchte sie diese wieder aufzustellen, doch kam sie dabei an den kleinen, runden Tisch und warf weitere Spielsteine durcheinander. Nyvania verzog die Mundwinkel und lehnte sich nach hinten. Das konnte dauern. Seitdem Sayadia dieses Spiel in ihrem Püschologenraum aufgebaut hatte, hatten sie mehr Zeit damit verbracht es aufzubauen als tatsächlich damit zu spielen.
Natürlich kamen sie auch nicht besonders häufig dazu es auszuprobieren, da es trotz der momentan ruhigen Zeit immer irgendeinen Bericht zu schreiben gab oder die geistige Gesundheit eines Mitarbeiters überprüft werden musste, aber beide Püschologen waren der Ansicht, dass ein Brettspiel durchaus ein guter Anfang für ein tiefgreifendes Gespräch sein konnte. Nun, zumindest machte es Spaß.
"So, du hast also den Ritter nach vorne gezogen. Das könnte darauf schließen lassen, dass du in naher Zukunft eine mutige Tat planst.", spekulierte Nyvania ohne Überzeugung, nachdem die Figuren wieder standen. "Aber was tust du, wenn ich meine Ente-"
"Ah! Hier seid ihr!", wurde die Wasserspeierin von der Tür her unterbrochen. Erschrocken blickten beide Püschologinnen auf und erkannten Mindorah, die ihren Kopf zur Tür hinein gestreckt hatte. "Ich habe euch schon gesucht. Der Abteilungsleiter will uns sprechen, beeilt euch!" Und mit diesen Worten war sie auch schon wieder verschwunden.
Die Frauen blickten sich an und standen fast synchron auf - wobei sie in schöner Eintracht den Tisch umstießen.

*


"Ah. Wie schön, dass ihr es einrichten konntet.", begrüßte Valdimier van Varwald die drei Späher, als sie endlich das Büro des Abteilungsleiters erreichten.
"Oh nein, er ist wieder in seiner Stimmung...", murmelte Kanndra leise. Laut sagte sie: "Verzeihung. Wir waren im Park und-"
"Jaja. Schon gut. Setzt euch.", unterbrach sie der Vampir.
Die Drei sahen sich um. Der Raum war voll mit Frog's. Von den drei Alchemikexperten über die beiden Püschologen bis hin zu der Kommunikationsexpertin Mindorah und dem Triffinsziel Stefan Mann, welcher sich als erster einen der wenigen Stühle gesichert hatte. Nur Bregs fehlte, doch das war nicht weiter überraschend.
"Und wo?", hakte Kanndra nach.
"Was? Ach so. Na, dann steht bequem." Ungeduldig nahm Valdimier einen Brief von seinem Schreibtisch und hielt ihn hoch. Darauf war eine kleine, äußerst korrekt aussehende Handschrift zu sehen. "Meine Damen, meine Herren, wir befinden uns im Krieg."
Die erschreckte Stille schien das ganze Wachhaus auszufüllen.
Es war Tyros, der sie schließlich brach. "Was?"
"Gestern Abend begann die Belagerung von Ankh-Morpork. Heute morgen hat Lord Pockett das Kriegsrecht ausgerufen und den Patrizier abgesetzt."
Der Alchemikexperte sah sich um, doch außer ihm schienen alle erstarrt zu sein, deshalb fragte er abermals: "Was?"
Valdimier seufzte. "Ich kann euch auch nur das sagen, was mir einer von Pocketts Sekretären schrieb. Es heißt, die Wache hätte immer auf der Seite der Königsuntreuen gestanden, deshalb sollen wir uns binnen einer Woche aufgelöst haben, sonst werden wir zwangsdezimiert."
"W-"
"Kommandeur Breguyar hat strikte Anweisungen gegeben.", unterbrach der Abteilungsleiter Tyros sofort. "Bis die Woche verstrichen ist, sollen sich SEALS, RUM und GRUND darum kümmern, dass in der Stadt keine absolute Katastrophe ausbricht. DOG benutzt ihren Einfluss, um die Gilden daran zu hindern, Amok zu laufen, und SUSI kümmert sich darum, dass Lord Pockett seine Macht nicht allzu schnell ausbaut indem er die passenden Leute erledigt. Wir sollen herausfinden, was es mit diesen Belagerern auf sich hat und sie am besten zur Aufgabe bewegen."
"Was? Nur wir paar gegen eine ganze Belagerungsstreitmacht?"
Van Varwald bedachte den Alchemikexperten mit einem gereizten Blick. "Da die Stadt keine eigene Armee hat - ja."
Tyros klappte den Mund zu.
Nur um ihn direkt darauf wieder zu öffnen. "Und wir können nicht warten, bis Pockett die Sache geregelt hat, weil wir bis dahin bestimmt schon zwangsenteignet wurden und er sich selbst zum König ernannt hat, richtig?"
"Richtig."
"Ich dachte,", begann Kanndra nach einer Weile, "dass, um das Kriegsrecht ausrufen zu können, einige Vorraussetzungen erfüllt sein müssen. Der entsprechende muss ein anerkannter Adeliger sein,"
"- Die Pocketts sind Herzöge in der dritten Generation -", warf Valdimier ein.
"es muss nachgewiesenermaßen eine Miliz existieren,"
" - Lord Pockett hat genug Männer benennen können -"
"und der Patrizier muss sich als unfähig herausgestellt haben, was die neue, militärische Situation angeht.", schloss die Späherin und stellvertretende Abteilungsleiterin.
Der Vampir nickte. "Richtig. Doch in dem Brief wird behauptet, Vetinari weigerte sich etwas gegen die Belagerungsstreitmacht zu unternehmen, woraufhin er eingekerkert wurde."
Hier und dort kam entsetztes Geflüster auf.
Der Abteilungsleiter hob die Hände, und widerstrebend kehrte Ruhe ein.
"Ich weiß, es ist nicht leicht eine solche Situation so schnell zu verdauen, auch ich war ziemlich geplättet, als ich vor wenigen Stunden den Brief erhielt. Wichtig ist, dass wir jetzt nicht den Kopf verlieren. Nyvania und Sayadia, ihr versucht etwas über die Angreifer herauszufinden. Vielleicht waren sie schon einmal hier oder haben Verwandte in der Stadt. Erstellt ein Täterprofil... nur eben für eine ganze Armee. Ich will wissen, was genau sie hier wollen und wo eventuellen Schwächen liegen. Kanndra?"
"Ja?"
"Glaubst du, deine beiden Auszubildenden sind bereit für einen Außeneinsatz?"
"Nun..." Zweifelnd blickte die stellvertretende Abteilungsleiterin zu Braggasch.
"Gut. Ihr werdet spähen, wie nicht anders zu erwarten. Findet heraus, mit wie vielen Leuten wir es zu tun haben, wie gut ihre Bewaffnung ist, wer ihr Anführer ist, und so weiter. Ich denke, du weißt, worauf es ankommt." Valdimier schien von innen zu glühen.
"Ja."
"Tyros? Ihr Alchemikexperten habt eine etwas heikle Aufgabe. Ich werde sie dir später erläutern."
Der verhinderte Magier salutierte übermotiviert. "Geht klar, Chef."
"Deine Aufgabe, Mindorah, ist logisch. Du wirst die Entdeckungen entsprechend weitergeben und mich immer auf dem Laufenden halten."
Die Kommunikationsexpertin nickte nur.
"Stefan, von dir verlange ich, dass du dich an einem strategisch günstigen Punkt positionierst, um unsere Späher zu unterstützen. Wann immer sie in Gefahr laufen, entdeckt, oder, schlimmer noch, verletzt, zu werden, wirst du diese Gefahr ausschalten, klar?"
Bevor der Triffinsziel reagieren konnte, schaltete sich Kanndra abermals ein. "Verzeihung, Valdimier, aber wir werden im Dunkeln operieren. Da wird er es schwer haben uns von weiter weg zu beschützen."
"Kann der Ferndämon das nicht ausgleichen?", fragte der Vampir müde.
Es war Stefan, der antwortete: "Er könnte schon. Allerdings braucht es seine Zeit, bis er sich eingestellt hat, wenn ich ihn nicht dauerhaft auf die Entfernung konfiguriert lasse. Wichtige Sekunden, die ein Leben bedeuten könnten. Besser wäre es, wenn die Späher mir ein Zeichen geben könnten, dass ich wahrnehmen kann. Dann kann ich den Dämon die ganze Zeit ferngestellt lassen."
"Äh...", warf Braggasch schüchtern ein.
"Nun wir werden sicher keine Taube mit uns rumtragen können.", seufzte Kanndra.
"Äh..."
"Natürlich nicht. Wie ist es mich Signalbolzen?"
"Wenn wir uns die Armbrüste abfackeln wollen, warum nicht? Außerdem wären wir ein zu gutes Ziel in der Zeit, die brauchen, um das Feuer zu entzünden."
"Äh..."
Valdimier unterbrach Mann und die Späherin mit einer Geste und sah freundlich auf den neusten Gefreiten herab. "Ja?"
Braggasch fühlte sich plötzlich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit. "Äh... Könnte es... äh... ich meine, würde ein akustisches Signal reichen?"
Stefan Mann zuckte mit den Schultern. "Kommt auf das Signal an. Aber das müsste gehen."
"Warum?", hakte Kanndra nach.
"Na ja... äh... ich habe mal etwas entworfen. Einen Bolzen, der... äh... Töne beim Fliegen von sich gibt. Ich nenne ihn... äh... Schreier."
"Wie soll das funktionieren?", schaltete sich Norti in die Unterhaltung mit ein.
"Nun ja... äh. Statt einer Spitze befindet sich am oberen Ende des Bolzens eine stabile Kugel aus gebogenem Draht. Durch die Luft, die an dem Draht entlang reibt, entsteht ein Geräusch. Wie ein Kreischen."
"Und das soll klappen?"
"Äh..." Braggasch war von dieser Frage sichtlich verwirrt.
"Ich meine, wie lang entwickelst du die Dinger schon?", lies der Alchemikexperte in Ausbildung nicht locker.
"Äh... Ziemlich lange... äh... es ist eine Art, äh, persönliche Wanderbaustelle"
Rabenpelz nickte wissend. "Man könnte also sagen, es sind Schreier 2.0. Oder sind sie dann doch nicht so weit-"
"Gut.", beendete Valdimier die Diskussion. "Probiert es aus, bevor ihr losgeht. Gibt es noch Fragen?"
Peinlich berührte Blicke wurden getauscht.
Patrick meldete sich.
"Ja?"
"Was passiert, wenn wir... versagen?"
"Denk darüber einfach nicht nach." Der Abteilungsleiter schien kurz in sich zusammen zu sinken, bevor er sich wieder fing. "Gibt es sonst noch Fragen? Nein? Gut. An die Arbeit. Alchemiks, ich komme mit euch."

*


"Der Kommandeur der Stadtwache, euer Lordschaft.", rief der Diener und trat beiseite, um Araghast Breguyar vorbei zu lassen.
Lord Pockett sah kurz von den Karten auf seinem Tisch auf und nickte knapp.
Bregs ging steif weiter in den Raum hinein, bis er nah vor der großen Tischplatte stand, die nun einen Grossteil des Thronsaals einnahm. Sie war kreisrund.
"Sicher hast du meinen Brief erhalten?", meinte Pockett, ohne noch einmal aufzublicken.
"Ich habe einen Brief von einem deiner Sekretäre erhalten... euer Lordschaft."
Pockett schien die Pause nicht einmal zu bemerken. Geschäftig schob er eine kleine Holzfigur an eine andere Stelle. Die Edlen um ihn herum murmelten zustimmend.
"Und sicher wird die Wache keine Probleme machen." Es war eine Feststellung.
"Aber natürlich wird sie das.", erwiderte Araghast kalt.
Der Lord blinzelte kurz auf seine Karten hinab, bis sein Gehirn den Widerspruch, der natürlich niemals möglich wäre, aus seiner Wahrnehmung gelöscht hatte. "Gut."
Bregs sah in die Gesichter der umstehenden Männer und Frauen. Er erkannte Lord Witwenmacher und natürlich war auch Boggis anwesend, doch sonstige Gildenoberhäupter fehlten. Pockett schien keinen guten Stand bei den Gilden zu haben. Die Anderen waren niedere Adelige, die alle den gleichen Gesichtsausdruck zeigten: Hoffnung, ein Stück vom Kuchen abzubekommen, wenn sie nur nah genug dabei standen - gleichzeitig die Bereitschaft, sollte Lord Pockett versagen, sofort zu behaupten: Ich habe immer gewusst, das er nicht wusste, was er tat, war nur dabei um ihn aufzuhalten!
"Wie gehen die Kriegsvorbereitungen voran, eure Lordschaft?", fragte Breguyar gehässig und sah auf die Karten. Sie alle zeigten Teile innerhalb der Stadt. Nirgendwo war die Lagerstätte der Angreifer verzeichnet. Allerdings türmten sich auf der Tischplatte gemein wirkende Holzfigürchen, die den Feind darstellten, daran bestand kein Zweifel. Es waren sehr viele.
Lord Pockett schenkte dem Kommandeur nun doch einen weiteren Blick. "Gibt es sonst noch etwas?"
Bregs Geduldsfaden riss. "Du glaubst doch nicht wirklich, das wir dir die Stadt überlassen, du unfähiges Stück Ankh?"
Mehrere der Edlen sogen scharf die Luft ein. Pockett hingegen brauchte wieder einige Sekunden um die Worte zu löschen, die den Mund seines Gegenüber gar nicht hätten verlassen können. Es blieben nicht besonders viele Worte übrig.
"Du wirst sehen, es geht alles seinen geregelten Gang... Kommandeur. Die Gesetzte sind auf meiner Seite. Ich erwarte den Gesuch der Auflösung der Stadtwache bis spätestens in einer Woche auf meinem Schreibtisch."
Als ob du dir auch nur die Mühe machen würdest, ihn selbst zu lesen, dachte Bregs. Er drehte sich wortlos um und ging zu Tür, doch kurz davor blieb er stehen und wandte sich noch einmal dem Lord zu. "Ich meine mich zu erinnern, dass der Thron vor kurzem noch sehr viel staubiger war, Pockett, hast du ihn reinigen lassen?"
Der Lord durchbohrte ihn mit einem Blick. "Ich werde natürlich zurücktreten, sobald die Gefahr gebannt ist.", erwiderte er steif.
"Natürlich. Ganz klar. Habe nie das Gegenteil behauptet." Araghast schüttelte traurig den Kopf. "Sieh dich um. Nicht mal deine eigenen Männer nehmen dir das ab."
Dann verließ er den Thronsaal.

*


Valdimier schloss die Tür des FROG-Labors hinter sich. Ein großer Teil seiner Souveränität war von ihm abgefallen. Er wirkte nervös, als er sich den drei Alchemikexperten zuwandte.
"Um was ich euch nun bitte, ist kein Auftrag von Kommandeur Breguyar... Zumindest hat er es nicht gesagt. Keiner von uns möchte, dass die Wache aufgelöst wird und doch sind wir uns sicherlich alle darin einig, dass Pockett die Gefahr nicht innerhalb einer Woche bekämpfen wird. Er will die Stadtwache abschaffen. Aber ohne Angreifer wird er seinen Anspruch nicht durchsetzen können. Deshalb bitte - und ich wiederhole bewusst das Wort 'bitte', denn ihr könnt euch auch dagegen entscheiden - ich euch um eine... Endlösung. Sollten wir es nicht schaffen, innerhalb einer Woche der Sache Herr zu werden, bleibt uns nur die Wahl, die Belagerer auszuschalten, wenn wir die Wache behalten wollen."
Bedeutungsschwere Stille senkte sich nach den Worten des Abteilungsleiters herab.
Patrick räusperte sich. "Du meinst also, wir sollen uns darauf vorbereiten, als alte Frauen verkleidet durch das feindliche Lager zu gehen und vergiftete Pfefferkuchenmännchen zu verschenken?"
"Nein. Patti. Das meine ich nicht."
Der dickliche Alchemikexperte in Ausbildung zuckte mit den Schultern. "War ja nur ein Beispiel.", murmelte er gekränkt.
"Also, Chef. Sir. Du meinst wir sollen eine Art chemische Waffe entwickeln?", warf Tyros y Graco vorsichtig ein.
Der Vampir nickte schwach.
"Die stark genug ist eine ganze Armee auszulöschen?"
Wieder ein Nicken.
"Du bist dir doch sicherlich darüber im klaren, dass eine solche Entwicklung, wenn sie in die falschen Hände gerät-"
"Ja verdammt! Ich weiß! Halte mich nicht für kurzsichtig, Obergefreiter!"
Tyros wich vorsichtig einige Schritte zurück, während Valdimier aufgebracht fortfuhr: "Ich habe die Verantwortung für euch alle, und die da draußen sind die Aggressoren, deshalb habe ich entschieden: Besser sie als wir!"
Wütend rauschte der Vampir aus dem Zimmer und schlug hart die Tür zu.
Lange wagte es niemand, etwas zu sagen, bis y Graco murmelte: "Nimmt ihn ganz schön mit, die Sache, nicht wahr?"
Norti zuckte mit den Schultern. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus, als er von einem Kollegen zum anderen sah. Verschwörerisch zwinkernd meinte er gut gelaunt: "Na, dann gehe ich wohl mal einkaufen."

*


"Stinkstiefel!"
Die dürre Frau fluchte innerlich, als sie sich einen Weg durch die Halterungsseile bahnte. "Ja, Scheff?"
"Ich denke das reicht.", entschied der Anführer und blickte auf ihr Werk.
"Gut, Scheff, viel mehr Stoff hätten wir sowieso nich gehabt."
"Haben wir denn noch genug Feuerholz?"
Stinkstiefel wischte sich eine fettige Strähne aus dem Gesicht und antwortete genervt: "Es ist für alles gesorgt, Scheff."
"Ich halte das immer noch für eine dumme Idee."
"Gut, Scheff. Nur sag so was nich vor den Männern."
Der narbige Mann seufzte. "Keine Sorge, Stinkstiefel, ich habe nicht so lange überlebt, weil ich jedem meine Gedanken anvertraue."
Die Frau rang einige Sekunden mit sich, doch die Neugier siegte. "Du vertraust sie mir an."
"Tatsächlich?" Der Anführer zog belustigt eine Augenbraue in die Höhe. "Eins solltest du bedenken, Stinkstiefel: Sage ich dir das alles, weil ich dich für fähig halte, oder ist das Gegenteil der Fall?"
Stinkstiefel grinste gequält ihr braunes Grinsen.
"Ich möchte einige Männer in die Stadt schicken. Ich will wissen was da vor sich geht. Und egal, wie unser Auftrag lautet, Stinkstiefel, ich will nicht, dass sie wie Belagerer aussehen!", fuhr der Anführer fort, ohne auf die Miene seiner Untergebenen zu achten.
"Ich werds in die Wege leiten, Scheff." Mit einem leichten Kopfnicken machte sich die Frau auf die Suche. Sie wusste genau, wen sie losschicken würde, denn sie war sich darüber im klaren, was einen Belagerer ausmachte. Mochte dieser aufgeblasene Narbenträger doch sagen, was er wollte, Stinkstiefel wusste, auf welcher Seite sie stand.

Als der Anführer den drei Männern nachsah, welche seine Untergebene entsandt hatte, und die genauso gut ein Schild mit der Aufschrift 'Achtung! Böser Angreifer' hätten tragen können, schüttelte er betrübt den Kopf. Manchmal wünschte er sich, dass solche Leute wie Stinkstiefel nicht so furchtbar dumm wären. Dann wäre es nicht so einfach, ihren revolutionären Geist gegen sie zu verwenden.


*


Pfeifend strebte der Bolzen dem höchsten Punkt sein Flugbahn entgegen. Stefan Mann, der mit verbundenen Augen im Hof des Wachhauses stand, richtete den Arm fast punktgenau auf ihn.
"Scheint gut zu funktionieren." Annerkennend nickte Kanndra ihrem neusten Schützling zu, der gerade die Armbrust wieder sinken lies.
Stefan zog sich die Binde von den Augen. "Ich bin sicher, dass dieses Geräusch auch über einige Meter zu hören ist. Wir dürften einigen Bewohnern einen gewaltigen Schrecken eingejagt haben." Gemeinsam beobachteten sie den leise pfeifenden, zur Erde trudelnden Bolzen. "Wie genau war ich?"
"Genau genug.", entschied die Späherin. "Wenn du mit der Scharfschützenarmbrust so gut zielst wie mit dem Arm."
Der ehemalige Jäger grinste säuerlich.
"Können wir dann los?", fragte Kamillus begierig und sah zur Sonne, die schon bald hinter dem Horizont verschwinden würde.
Wieder einmal streichelte Kanndra über ihren Bauch, der sich schon deutlich nach vorne wölbte. Der Zwerg bemerkte die kleine Geste.
"Bist du sicher, dass du mitkommen willst, Ma'am?"

Die Ausbilderin funkelte ihn böse an. "In der jetzigen Situation? Natürlich!"
Kamillus hob abwehrend die Hände und sagte nichts mehr.
"Aber recht hast du, wir sollten bald los." Ein weiteres mal blickte sie zu Braggasch. "Das wird kein Zuckerschlecken, Gefreiter, erst recht nicht, da es der erste offizielle Auftrag für dich als Späher ist."
Goldwart nickte nachdenklich. "Kein Problem, Mäm. Zur Not, äh, fliege ich weg."
"Gut, dann... Was?"
"Ich... äh... sagte: Zur Not, äh, fliege ich weg."
"Willst du mich verarschen, Goldwart?"
"Nein, äh, Mäm." Tatsächlich wirkte Braggasch gekränkt.
Kanndra fuhr sich durchs Haar. "Na gut, Gefreiter, erklär es mir."
"Ich bin ein... äh... Vampir, Mäm."
Die Späherin glotzte nur, Kamillus lies ein schnaubendes Lachen hören und Stefan grinste. Nachdem sie sich mit einem Blick zu den beiden Anderen vergewissert hatte, dass sie richtig gehört hatte, sagte Kanndra fest: "Nein, bist du nicht, Braggasch."
Der Zwerg lies sich nicht aus der Ruhe bringen. "Doch, Mäm." Er zog die Lippen hoch. "Fiehft du nicht die fpitzen... äh... Fähne?"
"Nein."
"Oh."
"Glaub mir, Gefreiter, ich habe schon viele Vampire gesehen, und du bist keiner."
Trotzig schüttelte Goldwart den Kopf. "Doch, äh, Mäm. Ich... äh... bin ganz sicher."
Kanndra wedelte ungeduldig mit der Hand. "Wie auch immer. Du hast dich heute nicht besonders geschickt angestellt, was das Schleichen in der Natur angeht, Braggasch. Gut, es wird in dem kommenden Fall nur Gras und Erde sein und kein Laub, aber trotzdem wirst du dich in meiner Nähe halten."
"Ja... äh... Mäm.", erwiderte der Zwerg dankbar.
"Wir werden gemeinsam die Stadt verlassen und uns kurz darauf aufteilen.", fuhr die Späherin fort. "Kamillus, du beobachtest den randwärtigen Teil des Lagers, Braggasch und ich nehmen den mittwärtigen Teil. Unser Auftrag ist klar. So viel rausfinden, wie möglich. Wenn etwas schief läuft, sende den Schreier ab."
Beide Auszubildenden salutierten.
"Gut." Kanndra lächelte. "Dann lasst uns die Tarnung anlegen und aufbrechen."

*


"Erstellt ein Profil über die Belagerer. Klar, kein Problem!", murrte Nyvania und spuckte einen Teebeutel auf die Pflastersteine. "Ich meine, es ist ja nicht so, dass uns die Leute entgegenkämen und riefe: 'Ich bin ein Belagerer, befragt mich!', oder: 'Mein Sohn hatte schon immer vor, Ankh-Morpork anzugreifen. Aber sie müssen das verstehen, er hatte eine schwere Kindheit.'"
Sayadia zuckte mit den Schultern, was den kleinen, bunten Vogel darauf zu einem empörten Zwitschern verleitete. Die Püschologin hatte beschlossen, ihrem kleinen Piep etwas frische Luft zu gönnen... wenn man in den Straßen dieser Stadt von frischer Luft sprechen konnte. Gemeinsam mit der Halbwasserspeierin lief sie nun seid Stunden inkognito umher. Bisher waren sie nicht einmal auf den Gedanken gekommen, wen sie fragen sollten.
"Nun, wir können davon ausgehen, dass die Angreifer einen püschischen Knacks haben..."
Nyw sah ihre Kollegin verwirrt an. "Wieso?"
"Sie belagern Ankh-Morpork!"
"Ah." Nachdenklich zog sie einen neuen Teebeutel hervor. "Ja, in der Tat. Sie habe einen an der Klatsche."
Sie waren auf den Hier-gibt's-alles-Platz gekommen. Schweigend lehnten sie sich an eine Hauswand, während jede ihren eigenen Überlegungen nachging.
Nach einer Weile blieb Sayadias umherwandernder Blick an TMSIDR Schnapper hängen. Sie stieß ihre Kollegin an. "Sag mal... Wenn du dir einen Belagerer vorstellst, wie würde der ungefähr aussehen?"
"Hm?" Nywania sah sich auf dem Platz um. "Ich würde sagen... Ja, ich würde sagen so wie der Kerl bei Schnapper."
"Das habe ich mir nämlich auch gerade gedacht."
Langsam sahen sich die beiden Püschologinnen an. Dann setzten sie sich in Bewegung.
"...ist mir aus der Hand gesprungen!", ereiferte sich der Belagerer gerade.
"Das beweist seine einmalige Frische!", antwortete Schnapper fröhlich. "Aber ich merke, was du möchtest: Das nächste Würstchen kostet dich nur die Hälfte!"
"Ich will kein verdammtes-"
"Entschuldigung.", sagte Nyw freundlich. "Gibt es irgendein Problem?"
Sayadia bedeutete unterdessen hinter dem Rücken des verdutzten Angreifers einige eindeutige Zeichen in TMSIDRs Richtung. Sie enthielten die Warnung, ihn einen Kopf kürzer zu machen, wenn er nicht die Klappe hielt.
"Ja?", erwiderte der Belagerer vorsichtig.
"Wir haben soeben gesehen, dass sie mit den kulinarischen Angeboten unserer Stadt nicht zurechtkommen?", fuhr Nywadia fort, immer noch lächelnd.
"Ja?"
"Nun, wir sind... von der Kaufmannsgilde, und würden gerne mit ihnen reden, um unser Angebot in Zukunft zu verbessern."
"Ja? Sag mal, kaust du da auf einem-"
"Das tut nichts zur Sache. Wir bezahlen für ihre Informationen."
"Ja?" Plötzlich schien der Belagerer weit weniger abgeneigt zu sein.
"Ja... fünf Dollar.", log die Püschologin und lächelte gewinnend.
"Ja??"
Nyw klopfte dem Mann aufmunternd auf die Schulter. "Ich sehe, wir verstehen uns. Wenn sie uns bitte folgen würden..."

*


Valdimier van Varwald stand wie ein Racheengel auf der Stadtmauer von Ankh-Morpork.
Nun. Ein dürrer Engel. Der ziemlich blass war. Und sehr besorgt wirkte.
Aber der Umhang wogte auf angemessene Art und Weise.
Der Abteilungsleiter sah auf die kleine Zeltstadt der Belagerer hinab. In der Dämmerung zählte er fünfzig Zelte und ebenso viele Kochfeuer. Fünfzig Zelte, die jeweils an die sechs Kämpfer beherbergen konnten. Fünfzig verdammte Zelte. Das waren dreihundert Krieger. Es war keine besonders beeindruckende Anzahl, es sei denn, dem Verteidiger standen nur circa vierzig Leute zur Verfügung, wie im Fall der Wache, dann schienen dreihundert Söldner beeindruckend genug.
Kein Wunder, dass der Patrizier dem Gesuch von Pockett nachgeben musste. Selbst Taktikus hätte in einem solchen Fall Probleme gehabt, dachte Valdimier.
Noch beunruhigender war, dass die Zelte anscheinend mit militärischen Geschick aufgestellt worden waren. Die verbargen sich so gut es ging in der Umliegenden Ebene, exakt so weit entfernt, dass sie ein Armbrustschütze nicht mehr erreichen konnte. Zumindest ein normaler Schütze. Der Vampir lächelte. Selbst der geschickteste Gegner konnte nicht alles bedenken.

*


Vorsichtig trat Kommandeur Breguyar vor das Halbdunkel der Zelle. Die hiesigen Wächter, unausgebildete Bürger, hatten sich über seine Zuwendung derart gefreut, dass sie sich zum Zählen zurück gezogen hatten.
Bregs meinte Bewegung in der Dunkelheit zu sehen.
"Vetinari?", zischte er.
Deutlich vernahm er das Geräusch einer Seite, die umgeblättert wurde.
"Herr!"
"Nicht mehr, Kommandeur.", kam die leise, schneidende Stimme des Patriziers aus der Zelle.
"Auch bald nicht mehr.", murmelte dieser.
"So?" Vetinari schien nicht wirklich interessiert.
"Wie kannst du da drin sitzen und lesen, während deine Stadt vor die Hunde geht?"
Das Geräusch eines zuklappenden Buches zeigte, dass Araghast die Aufmerksamkeit des Patriziers erlangt hatte. "Ich habe sehr fähige Leute, die sich darum kümmern."
"Bei allem Respekt, Herr: Bist du bescheuert? Pockett ist eine Wurst!"
"Ich meinte nicht ihn."
Bregs verstummte. Wieder kam Bewegung in die Dunkelheit und wenig später schälte sich Vetinaris Gestalt daraus hervor. Der Patrizier sah gut aus. Er war ordentlich rasiert und trug einen gemütlichen Hausmantel mit dazugehörigen Pantoffeln.
"Wie ich sehe, machst du dir Sorgen, Kommandeur."
"Natürlich!" Araghast schüttelte verwundert den Kopf. "Anscheinend im Gegensatz zu dir, wenn ich das sagen darf. Du wurdest abgesetzt und eingesperrt! Das ist kein Kavaliersdelikt! Aber du sitzt in deiner Zelle und... Wo hast du eigentlich das Buch her? Nein, viel wichtiger ist die Frage, wie du in der Dunkelheit lesen kannst!"
"Du meinst also nicht, dass Lord Pockett die richtige Leitung dieser Stadt ist?", fragte der Patrizier, ohne sich um die Fragen zu kümmern.
"Soll das ein Witz sein, Herr?"
"Selbst wenn es einer wäre, hätte ich gerne eine Antwort."
Der Kommandeur hob hilflos die Arme. "Nein!", rief er verzweifelt. "Das meine ich ganz sicher nicht! Er will die Wache auflösen! Die Hälfte der Bürger rebelliert und die andere Hälfte sichert sich schon die besten Plätze an den Orten, wo es wahrscheinlich zu Problemen kommen wird!"
"Oh je.", murmelte Vetinari, und es klang tatsächlich bestürzt. "Ich hätte deinen Rat einholen sollen, bevor ich abgesetzt wurde."
"Verspotte mich nicht, Herr!"
"Es käme mir nie in den Sinn, Kommandeur. Aber sag mir, was hätte ich tun sollen?"
Bregs zuckte unsicher mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Dich dagegen wehren!"
"Gegen die Gesetzte, die du so eifrig hütest?"
"Was meinst du?"
Der Patrizier hob eine Augenbraue. "Wäre es möglich, dass du gar nichts von diesem Gesetzt weißt? Lord Pockett war so freundlich, mich daran zu erinnern, vielleicht solltest du ihn fragen?"
"Ich würde es lieber von dir hören, Herr."
"Der gute Lord zitierte wortwörtlich ein Gesetzt des alten Königs Wubbeldorn der Bewusstlose, welches besagte, dass man schon ab einer Anzahl von zwanzig Angreifern das Kriegsrecht ausrufen lassen kann."
Araghast konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. "Zwanzig Personen? Der durchschnittliche Mob ist größer, Herr! Soll ich jetzt bei jeder Demonstration das Kriegsrecht ausrufen?"
"Ab zwanzig Kriegern ist es eine Belagerung. Ich zeigte mich außerstande, etwas dagegen zu unternehmen, deshalb war es nur nach dem Gesetz, mich abzusetzen. Lord Pockett hat zweifelsohne das Recht auf seinen Krieg, Kommandeur.", erklärte Vetinari.
"Aber-"
"Ich bin müde, Kommandeur, und ich habe noch viel zu tun."
Bregs starrte. "Was bitte hast du denn in einer Zelle noch-"
"Ich danke dir für deinen Besuch, das war sehr freundlich." Der Patrizier wandte sich ab und verschmolz wieder mit der Dunkelheit.
Araghast wusste, selbst wenn er sich auf den Kopf stellte, würde Vetinari keinen weiteren Ton von sich geben, es sei denn, um die Wachen zu rufen.
Niedergeschlagen wandte er sich um und verließ den Zellentrakt.

*


Kanndra bedeutete ihrem Auszubildenden mit einer Handbewegung, inne zu halten, ohne auch nur den Kopf zu drehen. Seid Stunden umschlichen sie das Lager schon, bald würden sie zurückkehren. Sie wussten, was sie wissen wollten.
Braggasch kam leise raschelnd zum Stehen und ging in die Hocke. Sein Bart war schwarz gefärbt, er trug die dunkelgrüne Tarnuniform der FROG's - die mit einigen Grasbüscheln versehen war - und zusätzlich dazu hatte er sich braune Farbe ins Gesicht geschmiert. Unter der Leitung der stellvertretenden Abteilungsleiterin gelang es dem Zwerg mehr oder weniger, sich unauffällig zu bewegen, indem er versucht, in ihren Spuren zu gehen. Trotzdem hielt er die schussbereite Armbrust mit dem Schreier locker in der Armbeuge.
Da Braggasch Goldwart als Zwerg besser im dunkeln sehen konnte als der durchschnittliche Mensch erkannte er sofort, warum Kanndra angehalten hatte. Subtile Veränderungen gingen in der Struktur der Bewegungen des Lagers vor sich.
"Sie scheinen etwas bemerkt zu haben.", flüsterte die Späherin.
Goldwart nickte zustimmend.
"Ich denke..." Kanndra brach ab und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Vorsichtig legte sie eine Hand auf den Bauch.
"Was... äh...?"
"Nichts!", fauchte die stellvertretende Abteilungsleiterin, holte einmal tief Luft und unterdrückte den Schmerz. "Wir sollten schleunig-"
In diesem Moment sauste auf der gegenüber liegenden Seite der Zelte ein Geschoss kreischend in den Himmel.

*


Der Anführer saß angekleidet auf seiner Pritsche, als das Geräusch ertönte. Er hatte damit gerechnet. Einer der Männer, die Stinkstiefel entsandt hatte, war tatsächlich mit nützlichen Informationen zurückgekehrt: Er hatte Schießübungen mit singenden Bolzen im Hof des Ankh-Morporkschen Wachhauses beobachten können. Das heißt, ein entsprechendes Signalgeschoss hatte ihn glücklicherweise angelockt.
Die Wache mischte sich also doch ein. Der Anführer war nie vom Gegenteil ausgegangen.
Er hatte seine Männer in Alarmbereitschaft versetzt und sie auf einen Kampf vorbereitet. Um so ärgerlicher, dass einer der drei Abgesandten noch immer nicht zurück gekehrt war - bei seiner Truppenstärke konnte er auf niemanden verzichten.
Zügig erhob sich der narbige Mann und ergriff die frisch geschärfte Axt. Der Schreier zeigte ihm zum Glück an, wo sich der Feind befand. Der Anführer trat aus dem Zelt und schloss sich seinen Männern an, die auf die vermutete Position des Spions zuliefen. Weiter vorne waren Kampfgeräusche zu hören.
Einige seiner Kämpfer entzündeten Fackeln. Idioten.
Der Anführer achtete darauf, zwischen den Zelten Deckung zu suchen, während er weiterlief. Die Kampfgeräusche waren nun sehr nah. Er erkannte eine kleine Gestalt, die von zwei der Söldner umstellt war. Ein dritter Mann lag bereits stöhnend im Gras - ein Bolzen ragte aus seiner Seite.
In grimmiger Zufriedenheit nickte sich der Anführer selbst zu, er hatte doch gewusst, dass dieses Kreischsignal des Spions andere Kämpfer zu Hilfe rief, aber wo waren sie? Der Bolzen steckte so in dem immer noch stöhnenden Krieger, als sei er aus der Richtung von Ankh-Morpork abgeschossen worden. Er suchte sich eine gute Position, um alles zu überblicken.
Wieder zischte ein Bolzen durch die Luft, doch verfehlte er sein Ziel und bohrte sich in die Erde.
Wo war der Schütze? Es schien nur einer zu sein, sonst wäre die Taktzahl der Schüsse weitaus höher gewesen. Der Anführer blickte auf den Spion, der sich die beiden Söldner immer noch vom Leib hielt. Zugegeben, er war ein guter Kämpfer, aber warum lief er nicht weg?
Mittlerweile war einer der Fackelträger nah genug gekommen, um die ganze Szene zu beleuchten. Der Spion war ein Zwerg, das erklärte einiges.
Aber die Anzahl der Belagerer nahm rapide zu, lange würde er nicht mehr durchhalten.
Wieder zischte ein Bolzen.
Einer der Kämpfenden ging schreiend zu Boden.
Doch dieses mal kam das Geschoss von einer anderen Seite. Verzweifelt versuchte der Anführer etwas zu erkennen. Die verdammten Fackeln machten seine Männer zu guten Zielen!
Währenddessen nutzte der Zwerg die Gelegenheit des Schocks, um dem zweiten Söldner seine Axt in den Unterleib zu rammen. Ohne einen Ton von sich zu geben sackte dieser zusammen.
Doch drei Weitere näherten sich bereits, und der Spion machte noch immer keine Anstalten zu fliehen.
Etwas Grünes kam raschelnd aus der Dunkelheit gerannt und griff nach der Kleidung des Zwergs. Soweit es der Anführer erkennen konnte war es ebenfalls ein Zwerg, allerdings konnte er sich wegen all den Grasbüscheln und den Farben, die den Neuankömmling bedeckten nicht sicher sein. Was war das? Ein Überfall des kleinen Volks?
Bevor der Anführer weiter darüber sinnieren konnte, spürte er einen heißen Schmerz zwischen den Schulterblättern. Er keuchte und drehte ungläubig den Kopf.
"Stinkstiefel?"
Seine Untergebene zog langsam den Dolch wieder aus seinem Rücken. "Entschuldige, Scheff, aber das war zu verlockend. Wir brauchen dich nicht mehr. Ich werde den Auftrag zuende führen." Grinsend zeigte sie ihre braunen Zahnstummel.
Der große, narbige Mann sackte nach vorne. Undeutlich nahm er war, wie der eine Zwerg den Anderen fort zerrte, hinein in die Nacht.
"Lasst sie!", ertönte die sich überschlagende Stimme von Stinkstiefel. "Wir stürmen die Stadt!"
Einer der letzten Gedanken des Anführers waren: Sie kann doch nicht wirklich so dumm sein?
Dann umfing ihn gnädige Schwärze.


*


Das Licht einer Morgensonne kroch langsam durch das Fenster in Araghast Bregyars Büro. Der Kommandeur der Wache saß seit letzter Nacht an seinem Schreibtisch und dachte nach. Keine Tätigkeit, der er mit besonderer Freude nachging - zumindest nicht derart lange. Eine entspannende Verfolgungsjagd war da eher nach seinem Geschmack. Die Flasche in der Schreibtischschublade lockte seid Stunden. Bregs stöhnte.
Vor ihm auf dem Tisch lagen mehrere Berichte. Ganz oben auf zwei, die mit grüner Pappe eingefasst waren.
Mehrmals schon waren seine Gedanken in eine Sackgasse geraten. Er übersah etwas!
Müde griff er wiederholt nach einem der grünen Umschläge. Es war der Bericht der FROG-Püschologen.
... heraus gestellt, dass es sich tatsächlich um einen der Belagerer handelt ... ein Haufen Söldner, unter der Leitung eines alten Kriegsveteranen ... wurde eine große Menge Gold geboten ... keine Ahnung, welche Pläne verfolgt werden ... interessante Mischung aus übertrieben großer Vorsicht und plötzlicher, heftiger Skrupellosigkeit ... Meinung, dass es sich eher um eine ungefährliche Horde handelt ...
Bregs seufzte und rieb sich die Schläfen. Die Antwort war da! In diesen Berichten!
Erschöpft griff er nach dem Umschlag von den Spähern der FROG's.
... Zelte und Kochfeuer eine Täuschung, die meisten stehen leer und dienen nur ... von Waffen und Verpflegung her, eine Truppenstärke von geschätzten zwanzig Mann... Ausrüstung und erschreckend gute Waffen... anscheinend gut informiert, da sie von unserer Spionage wussten und vorgesorgt... haben kurz darauf die Stadt gestürmt und befinden sich nun in den Straßen... bereits Leute entsandt um sie aufzuspüren ...
Müde lehnte sich der Kommandeur in seinem Stuhl zurück und kniff die Augen zu. Alle benötigten Informationen waren da! Er musste nur diesen einen Gedanken-
Araghast riss die Augen auf.
Konnte das sein?
Abermals klappte er den Bericht der Späher auf und las erneut. Nach genauer Beobachtung haben sie, von Waffen und Verpflegung her, eine Truppenstärke von geschätzten zwanzig Mann, obwohl ich diese Schätzung für sehr präzise halte.
Was hatte Vetinari noch gesagt?
'Der gute Lord zitierte wortwörtlich ein Gesetzt des alten Königs Wubbeldorn der Bewusstlose, welches besagte, dass man schon ab einer Anzahl von zwanzig Angreifern das Kriegsrecht ausrufen lassen kann.'
Papier raschelte, als Bregs auch den grünen Umschlag der Püschologen aufklappte. Mittlerweile waren beide Berichte schon recht abgenutzt.
Den Söldnern wurde eine große Menge Gold geboten, um diesen Auftrag anzunehmen. Nach den Angaben des Gefangenen kann der Anführer der Belagerer unmöglich über solche finanziellen Mittel verfügen, woraus wir schlossen, dass auch er nur in einem Auftrag handelt. Leider hatte der Gefangene keine Ahnung, welche Pläne verfolgt werden.
Plötzlich von gerechtem Zorn erfüllt schlug der Kommandeur mit der Faust auf den Tisch, was einige Papiere dazu veranlasste, sich im Raum zu verteilen.
Der Patrizier hatte es gewusst! Er hatte es ihm ins Gesicht gesagt!
'Lord Pockett hat zweifelsohne das Recht auf seinen Krieg, Kommandeur.'
Auf seinen Krieg!
Bregs sprang auf.
"Dieser Mistkerl!", brüllte er.

*


Die drei Zwerge saßen in der Kantine und kauten lustlos auf kalt gewordener Ratte herum. Bei Kamillus und Braggasch zeigten sich deutliche Ringe unter den Augen. Nachdem sie, mehr oder weniger heil, von ihrem Spähauftrag zurück gekommen waren, hatten sie die ganze restliche Nacht und den größten Teil des Morgens damit verbracht, die Belagerer in der Stadt zu suchen. Vergebens.
"Wie konnten sie mich nur entdecken?", stöhnte Schimmlersohn zum wiederholten Mal.
Braggasch schüttelte den Kopf. Seine immer noch geschwärzten Locken flogen hin und her. "Sie... äh... wussten, das wir kommen, sie waren, äh, vorbereitet. Äh... Sie hätten jeden entdecken können."
Der Späher schnaufte nur verächtlich.
Goldwart sah zum dritten Mitglied ihrer Runde. "Der Abteilungsleiter murmelte etwas... äh... von, äh, 'Soviel zur Endlösung'. Hat das was mit eurem... äh... geheimen Auftrag zu tun, Norti?"
Der Alchemikexperte in Ausbildung zuckte ohne den sonst üblichen Enthusiasmus mit den Schultern. Schwarzer Staub rieselte herab. "Ja. Wir haben ne Waffe gebaut."
"Eine... äh...?"
Nun brach das übliche Grinsen seine Bahnen doch wieder auf Rabenpelz' Gesicht. "Eine Bombe.", schwärmte er. "Doch wir werden sie ja jetzt nicht mehr einsetzen." Das Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war.
Kamillus hob den Kopf. "Was für ne Bombe?"
"Oh, etwas ganz einfaches. Eine dicke Flasche mit Pulver Nummer eins. An der Spitze eine Sollbruchstelle, wohinter ein kleiner Hohlraum mit Gas ist, dass sich bei Luftkontakt selbst entzündet. Bumm. Man muss nix anzünden oder so. Man wirft die Flasche einfach auf den Boden. Man könnte ganze Häuser damit dem Erdboden gleich machen, weil der Druck durch die Flasche so stark ist - versteht ihr? Aber jetzt hat sie Tyros in seinem Schrank eingeschlossen.", fügte Norti traurig hinzu.
Die beiden Späher nickten mitleidsvoll.
"Ich versteh immer noch nicht, warum... äh... sie die ganzen nutzlosen Zelte aufgebaut haben!", begehrte Braggasch nach einer Pause auf.
"Püschologische Kriegsführung?", schlug Schimmlersohn vor. "Sie machen uns weiß, dass es Hunderte von Leuten sind und wir bekommen Angst?"
"Ja... äh... aber wer soll Angst bekommen? Wir haben ja keine, äh, Soldaten."
Die Zwerge zuckten mit den Schultern. Sollten darüber Leute nachdenken, die ihre Ausbildung schon abgeschlossen hatten.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Mindorah Giandorrrh kam herein geeilt. Sie wedelte mit einem Stück Papier und schien völlig aus dem Häuschen - ansonsten sah sie genauso übernächtigt aus wie die beiden Späher. Als sie die drei Zwerge entdeckte, rannte sie auf sie zu.
"Breguyar hat Lord Pockett verhaftet!"
"Was?" Kamillus sprang auf.
"Habe es gerade rein bekommen! Die Anklage lautet: 'Verschwörung und Kriegstreiberei'!" Die Kommunikationsexpertin schien so, als würde sie jeden Moment auf und ab hüpfen.
"Das ist... äh..."
"Ja!" Mindorah sah sich hektisch um. "Ich muss das sofort weiterleiten! Wo sind Valdimier und Kanndra?"
Unwissendes Schulterzucken war die Antwort. Giandorrh schnaufte ärgerlich und war im nächsten Moment schon wieder aus der Tür verschwunden.
"Irre!" Norti hatte wieder zu seinem Grinsen zurück gefunden.
Doch Kamillus schien nicht so erfreut. Langsam setzte er sich wieder. "Damit kommt er nie durch..."
"Warum?"
"Man kann nicht einfach so einen Lord verhaften! Ich bezweifle ja nicht, dass Bregs seine Gründe hat, aber Beweise hat er sicher nicht..."

*


"Du hast keine Beweise!", brüllte Pockett.
Araghast Breguyar zwinkerte verschwörerisch. "Es reicht der Verdacht, um dich festzusetzen."
"Diese Anschuldigungen sind lächerlich!" Nur eine sehr strikte Erziehung hielt den Lord davon ab, gegen die Gitterstäbe zu schlagen. "Wenn ich wieder draußen bin, wirst du dafür büßen! Ich werde euch alle in die Verbannung schicken!"
Bregs lächelte fast. "Es gibt schlimmeres."
Zornig funkelte Lord Pockett den Kommandeur aus seiner Zelle heraus an.
"Wenn du gestehst, hat das Strafmildernde Auswirkungen.", stellte Araghast nüchtern fest.
"Ich habe nichts zu gestehen!"
"Ach, nein? Du hast nicht diese zwanzig Männer, von denen sich jetzt fünfzehn in unserer Stadt befinden, bezahlt und versorgt, damit sie Ankh-Morpork belagern? Du hast nicht dafür gesorgt, dass sie so taten als seien sie eine große Belagerungsstreitmacht, damit die Edlen der Stadt Angst bekommen und eine Übersprungshandlung begehen? Natürlich hast du damit gerechnet, dass man nachsehen und feststellen wird: So groß ist die Streitmacht gar nicht. Aber zwanzig Angreifer reichten dir ja vollkommen aus, nach den alten Gesetzten. Du sagtest dem Patrizier, dass diese Anzahl genügt um das Kriegsrecht auszurufen. Wieso hast du so auf diese Zahl gepocht, obwohl du zu dem Zeitpunkt noch von hundert Kriegern ausgegangen sein müsstest?"
"Das sind reine Spekulationen!"
"Ja." Bregs seufzte theatralisch. "Aber ich werde schon einen Weg finden, sie zu beweisen."
Pockett umschloss die Gitterstäbe mit den Händen und zischte: "Du wirst mich nie so lange hier fest halten können."
"Wir werden sehen." Der Kommandeur der Wache drehte sich um und verließ den Zellentrakt.
Draußen verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Der Kommandeur hat Lord Pockett festgenommen! Der Lord sitzt im Gefängnis der Wache!
Die Nachricht verbreitete sich wirklich sehr schnell.
Araghast Breguyar hatte dafür gesorgt.

*


Stinkstiefel hatte bis zum Einbruch der Nacht gewartet, nun war ihre Zeit gekommen! Sie konnte beweisen, wie wertvoll sie war!
Leise verschaffte sie sich zutritt zum Wachhaus. Die unfähigen Wächter waren alle damit beschäftigt, ihre Männer in der Stadt zu jagen. Voller Vorfreude schloss sich ihre Hand fester um den Flaschenhals.
Langsam schlich Stinkstiefel die Treppen zu den Zellen herab. Natürlich machte sie kein Licht, sie war ja nicht dumm!
Unten verharrte sie und lauschte. Nur aus einer der kleinen Räume kamen die Geräusche eines schlafenden Menschen. Vorsichtig schlich sie weiter. Sie konnte Pockett zwar in der Dunkelheit nicht erkennen, aber sie kannte ihn gut genug um seine Art zu erkennen.
"Kusäng?"
Das leise Atmen brach ab. "Stinkstiefel?", fragte Lord Pocketts ungläubige Stimme.
"Ja, Kusäng!", die Frau kicherte leise. "Ich bin's!"
"Verschwinde!", bellte der Eingesperrte.
Doch Stinkstiefel lies sich nicht beirren. Fröhlich brabbelte sie: "Keine Sorge, Kusäng, ich hol dich hier raus! Ich habe, bevor ich hier hin kam, einem der Alchemik-typen verfolgt und nieder geschlagen. Der hatte ne Bombe bei sich in der Wohnung! Das hab ich natürlich vorher rausgefunden, bin ja nicht dumm! Mit der Bombe kann man ganze Straßen in Schutt und Asche legen! Keine Sorge, der Alchi ist am Leben. Noch." Wieder kicherte sie. Es war das Kichern einer Irren.
"Hau ab, Cousine!"
"Nein, keine Sorge, Kusäng! Ich hol dich hier raus und mit der Bombe bringen wir dich wieder an die Macht! Und dann wirst du als König herrschen! Und wir werden eine Familie sein! Ich weiß, wem meine Treue gehört!!"
Pockett brüllte fast: "Du sollst verschwinden!", aber Stinkstiefel hörte gar nicht auf ihn. Sie war in ihrer eigenen, heilen Welt versunken.
"Ich habe dir ja gesagt, dass es doof war, dem Scheff zu vertrauen. Ich hab's dir gesagt! Er gehört nicht zur Familie! Wusste nicht, wem seine Treue gehört. Ich hab ihn umgebracht. Du hättest mich die Belagerung führen lassen sollen! Dann hätt's funktioniert! Aber es klappt immer noch, Kusäng!! Ich hab die Bombe, damit klappt's!" In geisteskranker Freude klammerte sie sich an die Gitterstäbe der Zelle ihres Cousins.
Pockett antwortete nicht mehr.
"Kusäng?"
"Was für eine interessante Art der Vetternwirtschaft.", sagte eine neue Stimme trocken.
Es klickte. Eine Kerze flammte auf. Weitere folgten.
In einer Ecke standen der Kommandeur und die beiden Abteilungsleiter von FROG.
Araghast Breguyar stieß sich lässig von der Wand ab und ging einen Schritt auf Stinkstiefel zu. "Die Dummheit scheint bei euch in der Familie zu liegen, was Pockett?"
Aus der Zelle kam nur das Stöhnen eines Besiegten.
"Jetzt haben wir den Beweis, den wir brauchten. Wusste ich doch, dass dich einer deiner Männer würde befreien wollen, aber dass es auch noch eine Verwandte ist..."
Die Frau hatte den Moment gebraucht, um sich auf die neue Situation einzustellen, jetzt kreischte sie: "Zurück! Wag es ja nicht, weiter zu kommen!" Mit ausgestrecktem Arm riss sie die Flasche nach oben, die sie in der Hand hielt. "Wenn einer von euch näher kommt, spreng ich euch alle in die Luft!"
"Dazu wärst du tatsächlich in der Lage.", stellte Bregs fest.
"Halt die Klappe!!", heulte Stinkstiefel. "Wenn du noch einen Piep machst, sterbt ihr alle!!!"
Araghast sah erst Valdimier, dann Kanndra an, bevor er sich wieder der Irren zuwandte.
Ruhig sah er ihr in die Augen.
"Piep."
Mit einem unartikulierten Schrei schleuderte sie die 'Endlösung' auf den Steinboden.
Es gab ein gut vernehmbares Klonk und eine vollkommen heile Flasche trudelte über die Fliesen, bevor sie in Richtung der Abteilungsleiter davon rollte.
Kanndra stoppte sie mit dem Fuß und hob sie auf.
Valdimier van Varwald sah die Frau abschätzig an. "Glaubst du wirklich, ich würde die Entwicklung einer Waffe anordnen, die nicht einmal eine Sicherung hat?" Er deutete auf den metallenen Flaschenverschluss, der die Sollbruchstelle des Glases sicher umschloss. "Und das restliche Glas ist sehr dick, damit sich ein hoher Druck aufbauen kann."
Die Irre glotze nur.
Brags nickte Valdimier zu und wandte sich dann wieder an sie. "Stinkstiefel, nicht wahr? Ein seltsamer Name für eine Frau, aber wenn ich ein wenig schnüffele, kann ich mir vorstellen, wie du dazu kamst... Du bist verhaftet, Stinkstiefel. Anklage: Ebenfalls Verschwörung, Mord und mehrfacher versuchter Mord."
Die Frau brach zusammen und kauerte sich schluchzend auf den Steinboden.
Kanndra schüttelte den Kopf. "Es ist erstaunlich, wie dumm gerade die Leute sind, die andere für dumm halten, nicht wahr Pockett? Meistens gehen sie davon aus, selber die Intelligentesten zu sein..."
Da Valdimier das Gefühl hatte, ebenfalls einige abschließende Worte zu sagen, fügte er hinzu: "Dumm ist der, der dummes tut."
Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Daemon Llanddcairfyn

01.01.2009 12:28

Was ich nicht so schön fand war der konsequente Gebrauch des Begriffs "Endlösung". Politisch eher unkorrekt.

Von Ophelia Ziegenberger

01.01.2009 12:28

Eine sehr schöne Geschichte, die schon wieder so absurd aufgebaut war, dass sie zum Schmunzeln brachte. Du hast deine Abteilung ganz wunderbar eingebracht und dabei eindrucksvoll bewiesen, dass Du dich eingehend mit den Charakteren deiner Kollegen auseinandergesetzt hast. Die Figuren hatten sowohl typisches Eigenleben, als auch die Fähigkeit, zu interagieren. Der gesamte Aufbau der Single ließ sie flüssig lesen und ihren Plot farbenfroh vor dem inneren Auge abrollen. Mir selber wurde zu Anfang in der Wache erklärt, dass eine irgendwie geartete Formatierung von Pokalsingles (wie zum Beispiel die abweichende Textfärbung) nicht gewünscht sei - das steht aber nirgendwo und ich habe es seit dem auch schon öfter bei anderen beobachtet; aber das fällt mir dadurch natürlich noch eher ins Auge. Und trotz ansonsten solider Rechtschreibung und Grammatik, doch ein Hinweis: "seid" und "seit" sind festgelegte Worte, die jeweils ihre eigenen Berechtigungen haben. Du solltest dringend darauf achten, wann Du welches der beiden anwendest, denn sie sind nicht willkürlich austauschbar. Ich sage es nur deswegen, weil Du sie tatsächlich konsequent falsch eingesetzt hast. ;)

Von Breda Krulock

01.01.2009 12:28

Deine Geschichte war interessant zu lesen, die Story inkl. Ende war gut durchdacht und auch deine Abteilung wurde gut dargestellt.Du hat einen guten Wortwitz und Humor, der an den richtigen Stellen zur Geltung kam. Als Kritik habe ich anzumerken, dass mir deine Geschichte zu lang für den Inhalt war. In meinen Augen hätten einige Stellen stark gekürzt werden können, um so den Lesefluss zu verstärken. Einige Absätze hatten einfach zu wenig Inhalt, was bei einer regulären Single auch kein Problem wäre. Aber bei einer Pokey sollte es mE keine Lückenfüllersätze oder Absätze geben.Aber an und für sich hab ich sie gern gelesen. Weiter so!

Von Rea Dubiata

01.01.2009 12:28

Sehr nett, aber für die richtige Spannung fehlt noch ein bißchen was.Die Szene zwischen Bregs und Vetinari fand ich nicht so gut. Glaub kaum dass der alte Pirat den Patrizier "bescheuert" nennen würde. Zumindest nicht, wenn er am nächsten Tag noch einen Kopf haben will. ;-)

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.01.2009 12:28

Schön gemacht, Zwergenbruder. Ich liebe deine Darstellung des Patriziers.Weiter so, Goldi.

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