Das Geheimnis eines Herbstes

Bisher hat einer bewertet.Du hast schon bewertet!

von Obergefreiter Kannichgut Zwiebel (SEALS)
Online seit 01. 04. 2007
PDF-Version

Eine Reihe von Morden in den Straßen der Stadt beunruhigt die Bevölkerung. Offenbar steckt ein Serientäter dahinter. Kann Seals den Täter stoppen?

Dafür vergebene Note: 12

Die Vergangenheit ist mächtig. Rebekka war sich dessen nicht bewusst, zumindest noch nicht. Hätte sie die Gabe besessen, in die Zukunft zu blicken, hätte die Vergangenheit, die sie bald einholen sollte, sicher zu Tode erschreckt. In gewisser Hinsicht machte das keinen Unterschied, denn der Tod stand ihr eh kurz bevor.
Vielleicht hätte sie mehr auf das leichte Jucken in der linken Ferse achten sollen. Vielleicht hätte sie argwöhnischer sein sollen, als der gut gekleidete, aber mit einem Halstuch verhüllte Mann einen Aufpreis für die unbequeme Nebengasse bezahlte. Vielleicht hätte sie dann nach Dienstschluss wieder einmal einen langweiligen Abend mit ein paar Freundinnen verbracht, die sie eigentlich gar nicht mochte. Immerhin allerdings: Sie hätte den Abend dann noch verbracht. Stattdessen lief alles auf folgende Schlagzeile in der Ankh-Morpork Times hinaus:

Zweites Schlitzeropfer?
Am 20. Spuni fand man in der Gutwebergasse die Leiche einer jungen Frau. Obwohl es sich um einen lizenzierten Mord gehandelt hat, herrscht Unruhe in informierten Gildenkreisen. Weiter heißt es, der Körper der Toten sei äußerlich ...




Kalter Wind heulte durch finstere Sektoberstraßen. Er durfte heulen, denn er war der Herold des Winters. Es war eine Zeit, in der man gemütlich in Decken gehüllt vor einem knisternden Kaminfeuer saß und eine Tasse heißen Tees trank. Wer keinen Kamin besaß, dichtete wenigstens die zugigen Fugen mit Stoff ab, um sich so vor der beißenden Kälte zu schützen. Auf keinen Fall aber war es eine Zeit, in der man gemächlich durch die verlassenen Straßen der Stadt schlenderte. Es sei denn, man war Wächter bei den Seals. Die Obergefreiten Yogi Schulterbreit und Kannichgut Zwiebel schlenderten etwas schneller als gemächlich.
"Und du bist sicher, dass wir nicht zu spät kommen?", fragte Kannichgut seinen Kollegen. Der zügige Schritt machte ihm zu schaffen.
"Es ist ebenso wichtig, dass wir nicht zu früh kommen", belehrte ihn Yogi. "Wir kommen genau richtig. Alles eine Frage des Timings." Er überlegte kurz. "Du weißt schon: Zeitgefühl", sagte er und tippte sich an den kantigen Schädel.
"Na gut", ächzte Kannichgut. Die Kommunikationspaddel an seinem Gürtel klapperten bei jedem Schritt an einander. "Wollte nur sichergehen, dass sich der ganze Stress hier lohnt. Schließlich hat unsere Schicht gerade erst begonnen."
"Oh, das wird es", versprach Yogi, "da sei dir mal sicher!" In seinem Innern war Yogi nicht ganz so zuversichtlich. Der Zwischenfall mit dem defekten Stiefel hatte sie einiges an Zeit gekostet und so waren sie spät dran. Der Spätverkauf von "Alberts Appetitliche Teigkringel" schloss bald. Wer zu früh kam, musste für die Leckereien den vollen Preis bezahlen, wer zu spät kam, stand vor verschlossener Tür. Nur wer genau zur rechten Zeit kam, erreichte das Optimum an preisgünstigen Backwaren.
"Wenn es nur nicht so kalt wäre!", jammerte Kannichgut. "Die Kohlepreise sind auch schon wieder gestiegen!"
"Hm", meinte Yogi, "es wird Zeit, sich nach günstigen Alternativen umzusehen."
"Neulich habe ich ein paar Bettler gesehen, die um eine brennende Abfalltonne herum standen. Müll wäre sicher eine gute Alternative. Davon gibt es in Ankh-Morpork immer genug. Und man bekommt ihn quasi hinterher geschmissen!"
Yogi nickte. "Aber willst du den Müll in deinem Ofen verbrennen? Nein, du brauchst sowas wie eine ...", er überlegte, "Müllverbrennungsanlage!"
Kannich neigte den Kopf. "Zentral produzierte Wärme, über Rohre in der Stadt verteilt. Das könnte tatsächlich ..."
"Hey, ihr da!" Ein blonder Junge kam auf die beiden Wächter zugerannt und beendete die ökonomisch-kreative Diskussion. Keuchend blieb er vor ihnen stehen.
Yogi beugte sich vor und versuchte, dem Jungen den Kopf zu tätscheln. "Was ist denn, Kleiner?"
"Ihr seid doch Wächter, oder?"
Yogi nickte. "Aber natürlich!"
"Dann seid ihr auch für Sachen wie Mord zuständig?"
"Natü ..." Yogi fasste sich ans Kinn. "Also das kommt ganz drauf an. Was ist denn passiert?"
"Kommt mit!" rief der Junge, drehte sich um und rannte davon.
"Na toll!", sagte Yogi, bevor er sich anschickte, dem Jungen zu folgen. "Die Schmalzkringel können wir uns wohl abschminken."



"Hier", sagte Waymann Kuhl, eine der rechten und linken Hände Lord Witwenmachers, als er die aktuelle Ausgabe der Ankh-Morpork Times auf den Tisch knallte. "Der Lord ist alles andere als erfreut." Er konnte nicht sagen, ob er die Weisungen des Gildenvorstehers gern weitergab. Ich habe es mir aber verdient, dachte er. Er musterte die schwarz gekleidete Person, die mit ihm in dem schummrig beleuchteten Raum stand. Bobfan Eishand galt als zuverlässig. Er war noch nicht sehr lange bei den Assassinen, fünf oder sechs Jahre, und erfreute sich bester Gesundheit. Bobfan konnte sich über seine Bilderbuchkarriere freuen: Er hatte sich auf gildeninterne Aufträge spezialisiert, die zwar selten lukrativ waren, ihm dafür aber mit den entscheidenden Personen gutstellte. Selbst als Ausbilder junger Assassinen machte er sich gut, was bedeutete, dass seine Lehrlinge nur selten verstarben.
Bobfan warf einen schnellen Blick auf den Artikel in der aufgeschlagenen Zeitung.
"Die Stadtwache ist also inzwischen an der Sache dran", sagte er. "Wurde auch langsam Zeit. Wär' ja sonst langweilig." Er grinste und zeigte, dass es sich immer lohnt, auf den Zustand seiner Zähne zu achten.
"Du wirst uns nicht enttäuschen, nicht wahr?"
Bobfan legte den Kopf schief. "Habe ich das jemals?"
Waymann nickte. Der Lord hatte wie immer eine gute Wahl getroffen. "Hier ist eine Liste der Opfer. Finde ihn."
"So schnell wie möglich." Bobfan zeigte erneut seine blank geputzten Zähne und verließ den Raum mit wehendem Mantel. Die Tür quietschte, als sie zurück ins Schloss fiel. Waymann griff nach der Zeitung und warf sie in ein glimmendes Feuer. Sofort erwachten die schlummernden Flammen und verzehrten das geschwärzte Papier. Ein Artikel beulte sich nach außen, bevor auch er im Feuer verging:

Schlitzer schlägt wieder zu!
In der Nacht vom 2. auf den 3. Sektober hat der Schlitzer sein drittes Opfer gefunden. Wie sicher sind die Straßen von Ankh-Morpork noch? Feldwebel Dubiata von der Stadtwache ließ derweil verlauten, man stehe in Kontakt mit der Gilde der Assassinen. Es solle geprüft werden, inwieweit das lizenzierte Gewerbe Serientäter ...




Ein Tropfen kondensierte an einer Fensterscheibe des SEALS-Besprechungsraumes. Eine halbe, hektische Welt spiegelte sich winzig auf seiner Oberfläche. Kannichgut schien seiner indirekten, aber beharrlichen Bahn gen Fensterbrett zu folgen, doch in Wahrheit starrte er durch ihn hindurch. Unter anderen Umständen hätten viele Wächter Schlange gestanden, um mit ihm um einen der wenigen Plätze am Fenster zu feilschen[1]. Unter anderen Umständen wäre Kannichgut der Besprechung aufmerksam gefolgt. Doch sie nahmen Rücksicht. Wahrscheinlicher aber war, dass sie an seiner Integrität zweifelten.
Kannichgut betrachtete seine Gedanken durch einen dichten Nebel hindurch. Er war ihnen dankbar, dass sie seine Erinnerungen verschleierten. Die Welt außerhalb seines Kopfes, wo Feldwebel Rea Dubiata die Einsatzplanung durchkaute, war ihm im Augenblick sogar noch ferner.
Amlie.
Sie war erst dreiundzwanzig gewesen, dachte er. So alt wie ich. Yogi war sehr verständnisvoll gewesen, als Kannich vor seiner ersten Leiche gestanden hatte. "Lauf zum Pseudopolisplatz und verständige unsere Leute", hatte Yogi gesagt, "Ich kümmer' mich um alles." Kannichgut hatte seinen Mageninhalt in die Seitengasse entleert und war dann erst schwankend, dann aber immer schneller gelaufen, bis er am Wachhaus angekommen war und dem Wachhabenden keuchend verkündet hatte: "Sie ist tot! Bei allen Göttern: Sie ist verdammt tot!"
Er hatte eine echte tote Frau gesehen. Keine billige Puppe. Keinen untoten Freund eines Ausbilders, der sich "Buh!" schreiend Späße erlaubte. Sie hatte einfach dagesessen, wie müde vom Tagwerk, die vom Sektoberregen nassen Strähnen im Gesicht. Und Yogi hatte sich um alles gekümmert. Er hatte den Tatort abgesichert und sich nach Zeugen umgehört. Er hatte einen kurzen Bericht verfasst und herausgefunden, dass Amlie möglicherweise das fünfte Opfer des Schlitzers geworden war. Dann hatte er Kannichgut einen Besuch abgestattet, den man zur Beobachtung auf die Krankenstation gebracht hatte. Im Prinzip war alles in Ordnung.
Nein! Nichts war in Ordnung! Wut regte sich in Kannichgut. Fünf Frauen hatte der Schlitzer bereits bestialisch ermordet. Fast alle in dunklen Nebenstraßen. Es war Aufgabe der SEALS, diesen Kerl einzufangen und unschädlich zu machen! Kannichgut vertrieb den Nebel in seinen Gedanken und sprang auf.
"Wir werden ihn schnappen!", rief er zornig und zog damit die Aufmerksamkeit der versammelten Mannschaft auf sich. Rea Dubiata starrte ihn mit offenem Mund an, Feldwebel Rogi Feinstich stand mit undeutbarer Miene daneben. Kannichgut sah in Dutzende Gesichter, von denen einige mitleidsvoll blickten, und entschied sich für das einzig Richtige: Er senkte die erhobenen Arme, setzte sich zurück auf den Schemel und versuchte herauszufinden, wann die Dielen das letzte Mal gebonert worden waren.



Unschlüssig stand Obergefreiter Kannichgut Zwiebel vor dem backsteinernen Gebäude, dessen Mauern von alter Würde kündeten. Hinter diesen Mauern befand sich die Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten, was allerdings nicht allgemein bekannt war. Außerdem befand sich dort eine Hauptattraktion der Näherinnengilde: das Boucherie Rouge. Und das ließ Kannichgut zögern. Was, wenn Passanten sahen, wie er hineinging? Sie würden denken, dass er ... Er errötete. Am besten war, sich einfach umzudrehen und davonzugehen. Vielleicht fand er einen Kollegen, der ...
"Hallo, schöner Wächter", säuselte es plötzlich an seinem Ohr.
Kannichgut erstarrte und blickte auf die feingliedrige Hand an seiner Uniformjacke. Die Nägel waren rot lackiert.
"Ich äh ..." sagte Kannich dem von blonden Locken umrahmten Gesicht und versuchte, die Hand abzustreifen.
"Warum so schüchtern?", fragte die Frau. Das eng geschnürte Mieder schien sie beim Spechen nicht im Geringsten zu behindern. Sie hakte sich bei dem regungslosen Wächter ein und zog ihn den unheilvoll dräuenden Mauern entgegen. "Lass uns doch mal schauen, was ich für dich Gutes tun kann!"

Die Einrichtung in der Pathologie wirkte nicht nur kühl, sondern war es vor allem auch. Modernste Kühltechnik wirkte dem hartnäckigen Modern der Leichen entgegen. Die Gefreite und Zwergin Avalania von Gilgory hatte sich an die Kälte inzwischen gewöhnt. Eigentlich gefiel ihr das Klima sogar, denn es erinnerte sie an die heimatlichen Stollen. Allein die lange Schrankreihe, in der auf Rollbahren die Leichen gelagert wurden, beunruhigte sie zuweilen und weckte in ihr Beklemmung. Doch solange sie sich auf ihre Arbeit konzentrierte, war alles in Ordnung. Eine Tür knarrte und Avalania schaute auf. Mithilfe des Hockers, auf dem sie stand, konnte sie gerade so über den Toten hinwegschauen, den sie gerade obduzierte. Die Tür zur Pathologie stand einen Spalt weit offen, war aber gerade im Begriff, sich wieder selbständig zu schließen. Die Zwergin stutzte. Wer ...
"So ein Mist!!", sagte eine verärgerte Stimme.
Avalania beugte sich staunend vor, um über den Tisch hinweg zu schauen. "Ist da wer?", fragte sie.
"Was?! Natürlich ist da wer!! Ich!! Und jetzt hilf mir hoch, verdammt!!"
Avalania trat von ihrem Schemel herunter und umrundete den Tisch. "Oh ..."
"Was heißt hier 'Oh', hm?! Die Tischbeine sind viel zu glatt!! Ihr habt wohl nicht oft Gnomenbesuch hier, oder?!"
"Amalarie!", sagte die Zwergin und hob die Gnomin auf den Tisch. "Was führt dich ...?"
"Ich brauch' den Bericht über die Schlitzeropfer", fiel Amalarie der Zwergin ins Wort. "Ist der schon fertig?"
Avalania dachte kurz nach und versuchte, die Unhöflichkeit der Gnomin zu ignorieren. "Ja", sagte sie schließlich, "warte einen Moment. Ich hol' ihn."
Sie kramte in einem Aktenschrank und kehrte mit dem gewünschten Bericht zurück.
"Willst du ihn ...", begann sie, als Freundin ganzer Sätze.
"Ja", sagte Amalarie und sprang dem Toten auf den Brustkorb. Dunkle Flüssigkeit sickerte aus einem Schnitt an seinem Bauch. "Zeig mal her!"
"Ähm, und willst du wirklich auf dem verstorbenen Herrn Mühslich sitzen bleiben?"
Amalarie antworte nicht, sondern winkte nur ungeduldig nach der Akte.
"Wirf ruhig einen Blick hinein", sagte die Zwergin und reichte ihr die Akte. "Ich mach derweil", sie schaute sich um, "'was anderes."

"Unsere Hilfe also?" Hauptfeldwebel Araghast Breguyar klang nicht gerade, als hätte er viel Lust auf das Gespräch mit dem Obergefreiten. "Hilfe wobei denn?"
Kannichgut Zwiebel schluckte schwer. Ihm war, als hätte sich das wobei um seinen Hals gelegt. Die Begegnung mit der Näherin hatte ihm arg zugesetzt. Er schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf seinen Auftrag zu konzentrieren.
Amlie.
Er straffte sich und holte einen zerknüllten Zettel hervor, den er dem Hauptfeldwebel auf den Schreibtisch legte. "Ich ähm ... Ich muss wissen, ob die Quittung echt ist."
Der Hauptfeldwebel atmete auf. "Da hast du Glück", sagte er. "Gefreiter Klitzegroß ist genau der Richtige für dich." Sein Lächeln konnte nur bedeuten, dass er meinte, was er sagte, oder gerade niemand anderes als Klitzegroß verfügbar war.
"Vielen Dank, Sir", sagte Kannichgut.
Breguyar winkte ab. "Kein Problem. Die Dogs helfen, wo sie können. Achte beim Schließen der Tür darauf, dass du sie ordentlich anziehst, sonst springt sie wieder auf."

"Das ist ja schrecklich!!" waren die Worte, mit denen Amalarie ihre Lektüre beendete. Als Avalania, die im Nebenraum Akten sortiert hatte, den Kopf zur Tür hereinsteckte, wiederholte die Gnomin sie.
Avalania nickte. "Ja", sagte sie, "er hat sie alle auf die gleiche Weise umgebracht. Äußerlich weisen sie keine Verletzungen auf, nur dieses komische blaue Mal, aber darunter sind ihre Innereien zerfetzt. Wer tut sowas? Und vor allem: Wie?"
Amalarie blickte auf. "Häh?!? Ich meinte eigentlich die Sauerei hier auf meiner Hose! Da sickert Blut aus deiner Leiche und die Hose war relativ neu!"
"Ähm." Die Zwergin sah sich hilflos gnomischer Pietätlosigkeit gegenüber.
"Das in dem Bericht ist aber krass!", fand Amalarie und kam so auf das eigentliche Thema zurück. "Hast du das alles rausgefunden?!"
"Ähm ja." Der Bart der Zwergin raschelte vor Verlegenheit. "Bei einem Fall hat mir Jack geholfen. Sie fanden die Leiche in einem Schuppen voller Ratten. Du glaubst gar nicht, wie schwer es war, die ..."
"Erspar mir die Details! Was hat es mit dem Mal auf sich?!"
"Tja", sagte die Zwergin, "vielleicht die Rückstände eines Zaubers. Eines ziemlich brutalen Zaubers, wenn du mich fragst."
"Hm ... Zauberer", sagte Amalarie. "Und die Opfer waren alle Näherinnen. Ich seh da keinen Zusammenhang."
"Naja", auch Zwerge konnten manchmal diplomatisch sein. "Ein Zauberer hat die Näherinnen umgebracht. Das ist ein Zusammenhang!" Avalania lächelte aufmunternd.
"Ja, vielleicht", gab Amalarie zu. "Also der Unsichtbaren Universität einen Besuch abstatten." Sie seufzte.
Avalania nickte. "Genau!"

Der Gnom namens Klitzegroß hielt den verwitterten Zettel gegens Licht und kniff die Augen zusammen.
"Irgendwas stimmt nicht mit der Quittung", sagte er.
Kannichgut war lange genug bei der Wache, um die richtige Erwiderung zu finden:
kurzes Zögern und dann: "Ja."
"Was genau?", ergänzte der Obergefreite nach einer weiteren angemessenen Zeitspanne. Das Seminar "Freundliches Miteinander unter Kollegen" hatte sich gelohnt.
Klitzegroß kratzte sich am Kopf. Auf den ersten Blick wirkte die Gildenquittung ziemlich echt.
"Das Wasserzeichen ist da. Der Stempel sieht gut aus ..."
"Aber?" Kannichgut hielt es für wichtig, ein Gespräch mit höflichen Zwischenfragen zu würzen, um das Interesse an weiteren Informationen zu bekunden.
"Nun lass mich doch ausreden!" Klitzegroß sah das etwas anders. "Also", fuhr er schließlich fort. "Die Gummierung, mit der die Quittung haltbarer gemacht wird, ist ziemlich alt. Vielleicht hat der Täter seinen Quittungsblock von einem Vorgänger geerbt. Aber die Unterschrift des Gildenvorsitzenden ..."
Klitzegroß war Spezialist für Observationen. Er kannte sich nicht besonders mit den hierarchischen Strukturen der verschiedenen Gilden aus. Trotzdem wirkte die Unterschrift auf der Assassinenquittung fehl am Platze. Wie hieß doch gleich der Vorsteher der Assassinengilde? Da Kannichgut sich diesmal das aufmunternde "Ja?" gespart hatte, herrschte Stille im Raum, als Klitzegroß über der Antwort brütete.
Bis schwungvoll die Tür aufgestoßen wurde.
"Witwenmacher", sagte die betörende, wenn auch etwas zu blasse Frau mit den hüftlangen schwarzen Haaren, die zur Tür hereingekommen war.
Stille füllte erneut den Platz, den ihre Worte hinterlassen hatten. Die Frau sah in zwei verständnislose Gesichter, von denen eines heftig errötet war, und seufzte.
"Lord Witwenmacher", sagte sie erneut. "Er ist der Vorsteher der Assassinengilde. Das wolltet ihr doch wissen, oder nicht?"
Als sie ein zaghaftes Nicken als Antwort erhielt, drehte sie sich zufrieden auf den Absätzen ihrer Stiefel um und verließ den Raum. Kurz darauf verklangen ihre vom Flur hallenden Schritte.
"Witwenmacher?", fragte Kannichgut nachdem sein Sprechapparat wieder voll einsatzfähig war. Die Gegenwart von Frauen bereitete ihm immer noch größte Probleme.
"Ja", antwortete Klitzegroß kurz angebunden. Er fühlte sich entblößt und offenbart.
"Was ist damit?", hakte Kannichgut nach.
Klitzegroß funkelte ihn an. "Du stellst eindeutig zu viele Fragen."
"Das liegt daran, dass du nicht mit der Sprache rausrückst!", verteidigte sich Kannichgut.
"Na gut", gab sich Klitzegroß geschlagen. "Witwenmacher ist der Chef der Assassinen. Ohne seine Unterschrift ist keine ausgestellte Quittung gültig. Frag mich nicht, wie er all die Quittungen unterschreibt!"
"Einverstanden." Kannichgut hatte es aufgegeben, Klitzegroß weiter mit Fragen zu belästigen.
"Genau! Und auf dieser Quittung hier", der Gnom fuchtelte mit dem Zettel herum, "hat jemand anders unterschrieben!" Der Gnom grinste triumphierend.
"Das bedeutet", Kannichgut versuchte jetzt die Taktik der Nicht Gefragten Fragen, "dass die Quittung gefälscht ist."
"Ja. Ich mein: nein. Ich", Klitzegroß zuckte mit den Schultern, "weiß nicht. Vielleicht hat jemand die Quittung gestohlen und selbst unterzeichnet."
Kannichgut begann zu kombinieren. "Also hat jemand unlizenziert eine Assassinenquittung gestohlen, um damit einen auf den ersten Blick lizenzierten Mord zu begehen."
"Ja, das klingt vernünftig", sagte Klitzegroß. Er schaute auf, als Kannichgut schwieg. "Ähm ..."
"Vielleicht hilft uns die Unterschrift weiter", überlegte Kannichgut.
"Du meinst, der Mörder hat mit seinem Namen unterschrieben?", fragte Klitzegroß.
Kannichgut schürzte die Lippen. "Das erscheint mir unwahrscheinlich. Aber vielleicht findet sich der Name ja im Archiv. Zeigst du mir den Weg? Möglichst bitte einen, der nicht an diesen aufdringlichen Damen im Erdgeschoss vorbeiführt."
Klitzegroß kicherte vielsagend. "Ich verstehe", behauptete er. "Da hast du Glück, das ist gleich um die Ecke."


Viertes Schlitzeropfer
Wann greift die Wache ein? In der letzten Nacht ermordete der Schlitzer sein viertes Opfer. Die Times berichtet ausführlich ab Seite 3 in einem vierseitigen Schlitzer-Spezial. Erfahren Sie, warum ...




In den Schatten geschahen selten Dinge, ohne dass neugierige Augen zusahen. Wer die richtigen Leute nach den richtigen Dingen fragte, konnte fast alles erfahren. Zumindest, wenn er dabei in Kauf nahm, sich auch dem niedersten Abschaum auf wenige Zoll zu nähern. Über ausreichende finanzielle und beeindruckende[2] Mittel zu verfügen, half ebenfalls. Etwas Geduld und zuweilen eine Portion Glück verbesserten die Qualität des Ergebnisses weiter. Ein Paar der eingangs erwähnten neugierigen Augen stand Bobfan gegenüber. Sie zuckten nervös hin und her und gehörten dem alten Fahti.
"Die Leute sagen", Bobfan mochte seine rhetorische Pausen, "du hättest etwas gesehen, das mich interessiert."
"Ach!" Fahtis Stimme war brüchig, als er antwortete, nicht nur vom Alter, sondern auch, weil er wusste, wem er gegenüber stand. "Die Leute reden viel."
"Schau mal." Bobfan hielt sich für einen exzellenten Menschenkenner und wusste auch harte Schalen zu knacken. Fahtis Schale bestand aus einer dünnen, durchscheinenden Haut. "Ich habe hier ein paar Dollar für dich - oder meine gespannte Doppelnuss. Du hast es in der Hand: Ich kann als glücklicher Mann von dannen ziehen, um ein paar Informationen reicher und ein paar Dollar ärmer." Er schaute kurz in weite Ferne, dann wandte er sich wieder dem mittlerweile schwitzenden Mann zu. "Oder ich ärgere mich, dass ich meinen neuen Anzug zur Reinigung bringen muss, weil er ... schmutzig geworden ist. Ist es nicht fantastisch, das Schicksal anderer Menschen in der Hand zu haben? Ihre Zukunft entscheidend beeinflussen zu können?"
Für Fahti war es schwer, den Ausführungen des Assassinen zu folgen. Aber auch ohne jedes Wort zu verstehen, war ihm klar, dass ihm keine Wahl blieb.
"Äh, also", begann er, "kann schon sein, dass ich 'was gesehen hab'."
"Das klingt doch schon viel besser", sagte Bobfan lächelnd. Ruppig fügte er hinzu: "Erzähl mir alles, was du weißt!"

"Bitte nehmen die Herren doch Platz!" Der dicke Mann mit dem spitzen Hut und dem bunt bestickten Mantel, eindeutig ein Zauberer, hatte sich erhoben, als die beiden Wächter Michael Machwas und Johan Schaaf den Raum betreten hatten, und wies auf zwei leere Stühle vor seinem Schreibtisch.
"Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen konnten, uns ein paar Fragen zu beantworten", sagte Michael und nahm auf einem der Stühle Platz. Lange genug hat es ja gedauert, bis wir einen Termin kriegen konnten, dachte er. Er musterte den freundlich lächelnden Mann argwöhnisch.
"Aber, aber!" Der Zauberer winkte ab. "Es ist mir ein Vergnügen, der Stadtwache bei ihren Ermittlungen nicht im Wege zu stehen!"
Sieh dich vor, dachte Michael. Das könnte der Schlitzer sein!
"Sie sind also der Vorsitzende des Protokollbeirates[3]", fragte Michael, "und in dieser Funktion für die Wartung der universitätseigenen Druckmaschinen zuständig?"
"Walz Grenzer, zu Diensten." An Höflichkeit mangelte es dem Mann mit dem spitzen Hut keineswegs. Er deutete sogar eine Verbeugung an. "Ich kann Ihnen einen Überblick über sämtliche Ausgaben für die Protkollerstellung der Universität in den letzten fünfundzwanzig Jahren geben. In dieser Hinsicht habe ich eine weiße Weste." Walz Grenzer vertrat die Ansicht, dass Humor so manch verstaubtes Gespräch beleben konnte. Leider stieß er damit bei seinen Kollegen fast immer auf Unverständnis.
Michael Machwas horchte auf. In welcher Hinsicht denn nicht? Er warf einen Blick zu seinem Kollegen, der leider nur verträumt die Urkunden an den Wänden bestaunte.
"Wie wirtschaftlich Sie arbeiten, interessiert mich eigentlich nicht. Eher doch, ob Sie für bestimmte Protokolle besondere Drucktechniken verwenden, zum Beispiel was mit Gummierung."
Der Zauberer kratzte sich am Bart. "Hm. Wir haben tatsächlich vor einigen Jahren mit einer Gummierungstechnik experimentiert. Es ging darum, die Protokolle leichter durchblättern zu können. Leider beschwerten sich ziemlich bald darauf einige Kollegen, dass sich beim Verheizen der Protokolle zuviel Qualm bildete."
"Verheizen?", fragte Michael verwirrt.
"Glauben Sie mir", Grenzer erhob sich und stützte sich mit den Armen auf den Tisch. "Das ist ein Schicksal, das kein Protokoll verdient!"
"Ich verstehe." Michael war schon zu lange Wächter, um sich von einem Papiermagnaten einschüchtern zu lassen. "Um auf diese Maschine zurückzukommen: Könnte ich die mal sehen?"
"Natürlich", Grenzer zuckte mit den Schultern. "Warum nicht? Bitte folgen Sie mir!"

Der Gestank in der Ziegelstraße war eine Zumutung für die riechende Bevölkerung. An einen gewaltigen Hügel aus Abfall drängte sich etwa ein Dutzend Häuser. Billigeren Wohngrund fand man nur auf dem Ankh. Bobfan atmete so flach wie möglich. Fahtis Hinweise hatten sich als äußerst nützlich erwiesen. Er bedauerte nicht, den alten Fahti umgebracht zu haben. Es war erstaunlich, dass selbst in den untersten Schichten der Gesellschaft auf die Dienste der Assassinengilde zurückgegriffen wurde. Ein Bettler lässt einen anderen über die Assassinengilde inhumieren, obwohl ein Backstein unter einer abseits gelegenen Brücke das gleiche Ergebnis gehabt hätte. Das System funktionierte und Bobfan spießte gern zwei Fliegen auf einen Dolch[4]. Der Auftrag war natürlich schon etwas älter gewesen. Vermutlich war der Auftraggeber bereits dem letzten Winter zum Opfer gefallen oder in einer dunklen Gasse an seinem Erbrochenen erstickt. Aber Aufträge waren dazu da, erledigt zu werden. Bobfan konzentrierte sich wieder auf sein jetziges Ziel. Wenn seine Informationen stimmten, würde es bald nach Hause getorkelt kommen. Wenn alles gut ging, zum letzten Mal. Was konnte schon schiefgehen?

"Die Schmaug-fünf-zwo!"
Sie füllte einen Raum von der Größe eines Abteilungsleiterbüros. Es hing nicht einfach Staub in der Luft, er hatte sich zu kleinen Gestalten geformt, die einen gemächlichen Walzer tanzten. Michael hustete.
"Ich nehme an, die Maschine ist lange nicht mehr benutzt worden?"
Walz nickte. "Habe ich doch gesagt. Was genau wollen Sie noch wissen?"
Michael schaute unschlüssig. "Nehmen Sie bitte zunächst einmal die Decke ab. Ich möchte mir die Maschine etwas näher anschauen."
Walz trat mit ausdrucksloser Miene an die Maschine ran und wischte einmal über ihre Oberfläche hinweg. Ein langer, weißer Faden blieb an seinem Finger kleben und zog sich mit wachsender Entfernung in die Länge. "Keine Decke", sagte er nur.
Michael wischte seinerseits über die weiß-graue Schicht hinweg. Ein metallenes Schild kam zum Vorschein, als Spinnweben an seinen Fingern kleben blieben.
"Oh",sagte er. "Dann spar ich mir die nähere Betrachtung. Wann und was haben sie zuletzt gedruckt?"
"Puh", Walz hob seine fleischigen Arme, "wenn Sie es genau wissen wollen, muss ich im Archiv nachschauen. Es waren aber definitiv Protokoll-Vordrucke und das muss so ungefähr sechs Jahre her sein. Da kam die Druckmehr auf den Markt, nicht größer als ein Kachelofen. Die kann nicht nur gummieren, sondern auch laminieren, eintüten und sortieren. Das einzige, was die Schmaug-Fünf-Zwo besser konnte als die Druckmehr, war die Vulkanisierung. Dadurch waren die Gummierungen besonders haltbar."
"Wäre es möglich, dass in letzter Zeit jemand Unbefugtes die Maschine benutzt hat?"
Der Zauberer sah Michael streng an.
"Entschuldigen Sie, aber ich musste das fragen. Fürs Protokoll."
Ein Lächeln durchflutete Walz' Gesicht und vertrieb die Strenge. "Wenn Sie es genau wissen wollen, warten Sie einen Moment."
Er zwängte sich zwischen Wand und Maschine hindurch und legte mehrere Hebel um. Gefährliches Knirschen und ein Knacken wie von splitterndem Holz erklang. Räder und Walzen setzten sich in Bewegung. Staub wirbelte in miniaturisierten Windhosen umher. Jahrealte Spinnweben rissen und flogen davon. Eine Schraube sprang von einer Feder und verfehlte Johan Schaaf nur knapp.
"Oh!", erklang es aus der Ecke, wo Walz unbeabsichtigt ein mittleres Inferno ohne Feuer entfacht hatte.
"Herr Grenzer, ich denke, Sie haben mich überzeugt. Schalten Sie die Maschine bitte wieder ..." Michael musste sich ducken, um einem schnell rotierenden Zahnrad auszuweichen. "Grenzer!"
"Aber lustige Funken da hinten", meldete sich Johan Schaaf zu Wort.
Michael starrte ihn entgeistert an. "Raus hier! Schnell!"
Er zog den beleibten Zauberer aus seiner Ecke und dann rannten die drei den Flur zur Treppe entlang. Hinter ihnen ertönte eine rumpelnde Explosion. Nachdem sie die Treppe erklommen hatten, blieben sie schwer atmend stehen.
"Was haben Sie da in der Hand?", fragte Michael den Zauberer.
"Oh, äh. Das ist der Hebel, mit dem ich die Maschine eingeschaltet, aber nicht wieder ausgeschaltet habe."
"Und du?", fragte er Johann, der eine Metallplatte in Händen hielt.
"Das Ding hätte mir beinahe die Hüfte frisiert. Zum Glück hatte ich diesen komischen Stein von unserem Kommex in der Hosentasche, diesen Perodingsda." Er schaute sich die Platte genauer an. "Schmaug. Ziegelstraße 34-35, Ankh-Morpork", las er.
"Das ist der Hersteller", sagte Walz. "Zelsius Schmaug. Hatte eine Reihe von Druckmaschinen am Markt, aber die Konkurrenz war vielseitiger, kleiner und vor allem billiger."
"Gibt's noch mehr von diesen Monstern?", fragte Michael.
"Es wurden nur etwa ein Dutzend gebaut", überlegte Walz. "Die Narrengilde hatte das Vorgängermodell, die Fünf-Eins, aber nur Probleme damit gehabt. Ich glaube nicht, dass sie die noch benutzen. Die Alchimisten hatten für kurze Zeit eine. Die endete in etwa so", er warf einen Blick die Treppe hinunter, woher noch immer weißer Rauch quoll, "wie unsere. Der Schmaug selbst hatte noch eine, die erste. Aber ob die überhaupt je benutzt worden ist, weiß ich nicht. Viel mehr dürfte es nicht mehr im Umlauf geben. Sicher bin ich mir aber nicht."
Michael nickte. "Das sind mehr Informationen, als ich erhofft hatte. Ich danke Ihnen. Ich hoffe, Sie können Ihren Vorgesetzten den Zwischenfall erklären."
"Oh, die Schlafräume der wichtigen Personen befinden sich am anderen Ende des Campus. Vielleicht sind ein paar Erstsemester aus ihren Betten gefallen." Er winkte ab. "Und was die Maschine betrifft: Ich glaube, der Oberste Hirte wünscht sich schon lange einen neuen Hobbyraum."
"Oh, na gut. Also dann ...", Michael nahm seinem Kollegen die Metallplatte aus der Hand und warf einen Blick darauf, "auf zur Ziegelstraße 34-35. Ich möchte Herrn Schmaug einen Besuch abstatten."

"Also gut, Leute", sagte Feldwebel Rea Dubiata den Versammelten der Abteilungen SEALS und FROG. Sie hatte deren ungeteilte Aufmerksamkeit. "Wir haben unseren Mann." Ein bewunderndes Raunen ging durch den Raum und Rea aalte sich einen Moment darin. Rogi hatte ihr, wie schon des öfteren die Leitung der Einsatzbesprechung übertragen. Sie schien als Igor nicht recht glücklich mit ihrer Rolle als Abteilungsleiterin zu sein und seit Rea nach ihrer Rückkehr aus Klatsch[5] zum Feldwebel befördert wurde, rechnete sie sich für den nächsten Abteilungsleiter-Turnus gute Chancen aus, die Zügel der SEALS auch offiziell in die Hand zu nehmen.
Rea atmete tief durch und konzentrierte sich wieder auf den bevorstehenden Einsatz. "Jetzt aber gilt es, schnell zu handeln, denn die Assassinen sind ebenfalls hinter dem Mann her." Sie gab den Wächtern einen Moment Zeit, ihrem Schrecken Luft zu machen. Lanzkorporal Will Passdochauf meldete sich.
Rea musterte die Kommunikationsexpertin. Sie war still und unauffällig, aber sie machte ihre Arbeit gut. "Ja, Will?"
"Woher wissen wir, wer unser Mann ist?", fragte sie.
Rea nickte. Also das ganze Programm, dachte sie. "Wegen der Quittungen, die wir bei den Leichen fanden. Sie sind gefälscht. Anstelle der Unterschrift des ... äh geschätzten Vorstehers der Assassinengilde waren die Quittungen alle mit dem Namen eines längst verstorbenen ehemaligen Gildenvorstehers unterschrieben. Zwar hat es nichts gebracht, die Unterschrift auf den Quittungen mit Schriftproben aus dem Archiv zu vergleichen, aber weil sie auf Spezialpapier gedruckt werden, konnten wir die Lieferungen verfolgen. Lange genug hat es ja gedauert, die Informationen von den Lieferanten zu erhalten. Das hat uns wertvolle Zeit gekostet.
Gerade eben haben wir erfahren, dass man für den Druck der gefälschten Quittungen, wie auch für die echten, eine spezielle Maschine benötigt. Die Liste der in Ankh-Morpork noch registrierten Maschinen haben wir soeben ausgewertet. Der Maschinenhersteller ist unser Mann."
Will meldete sich erneut.
"Ja, Will?"
"Ermitteln Machwas und Schaaf nicht gerade an der Unsichtbaren Universität in dieser Sache?"
"Ja, doch was immer sie rausbekommen, es ist entweder inzwischen obsolet oder hilft uns anschließend, den Mörder zu befragen. So oder so müssen wir zügig handeln. Zum Glück hat Obergefreiter Zwiebel die beiden mit der neuesten Technik ausgestattet. Per GPS[6] werden wir ihnen eine Nachricht zukommen lassen. Wir beziehen inzwischen in der Ziegelstraße Stellung. Damit es bei der Stürmung des Hauses keine Probleme gibt, unterstützt uns Frog mit einem Späher und einem Armbruster."
Obergefreiter Steven Träumer war an der Reihe mit Fragen: "Was ist GPS?"
"Oh ..." Rea war sich nicht sicher, ob sie genau verstanden hatte, worum es sich dabei handelte. "Lass dir das am besten vom Obergefreiten Zwiebel erklären." Rea sah, wie Kannichgut Zwiebel den Mund öffnete. "Nicht jetzt! Also, sonst noch irgendwelche Fragen?" Rea schaute in die schweigende Runde. "Prima, dann los!"
Stühle quietschten über den Boden, Stimmen und Wächter erhoben sich. Der Raum leerte sich. "Obergefreiter Zwiebel?" Der schlacksige Wächter blieb stehen. "Ich möchte, dass du in der Kommunikationszentrale die Stellung hältst. Wir brauchen dich dort."
"A-aber Ma'm!" Rea sah genau, wie sich alles in dem Obergefreiten aufbäumte.
"Keine Diskussion. Du bist der Experte mit den Klackern. Du kommst mit den Tauben nicht so gut zurecht, wie wir das in kritischen Situationen brauchen. Will hat die Erfahrung. Du bleibst hier."
"Ja, Ma'm" Der Obergefreite verließ sichtlich geknickt den Raum.
Rea seufzte. Der Anblick einer der Toten hatte ihm arg zugesetzt. Kannichgut war immer noch nicht wieder emotional auf der Höhe. Sollte es in der Ziegelstraße brenzlig werden, wollte sie ihn soweit weg wie möglich wissen.
Eine Stimme ertönte vom Boden her. "Ich wär' dann soweit, Ma'm!!"
Rea blickte hinab und sah die Gnomin Amalarie Mögebier. Sie trug eine mehrfach geflickte Lederjacke und um den Hals einen weißen Schal. Eine mit Lederband befestigte Schutzbrille hatte sie auf die Stirn gezogen.
"Das sehe ich", sagte Rea. "Prima! Rogi hat eine Taube mit exzellenten Flugeigenschaften für dich ausgewählt. Hier ist dein Gecko! Guten Flug!" Sie überreichte der Gnomin einen kleinen geschlossenen Korb mit Luftlöchern im Deckel und an den Seiten.
"Danke, Ma'm!!", rief die Gnomin und hetzte aus dem Raum.
Rea hoffte, dass sie an alles gedacht hatte. Ihre Wächter waren bald in Position und die Mission sicher ein voller Erfolg. Was konnte schon schiefgehen?



Der Abend stülpte sich über die Stadt und die Schatten wurden länger. Drei Wächter folgten ihren Schatten, die über das Pflaster des Großsteinwegs wackelten.
"Ich sollte nicht an solchen Razzias teilnehmen", beschwerte sich Hauptgefreiter Damien Bleicht. "Das schadet meinem Ruf."
"Welchem Ruf?", fragte Gefreite Anette Knödel.
Yogi kicherte.
"Habt ihr eigentlich verstanden, wie dieses GPS-Zeugs funktioniert?" Anette war Meisterin im unverhofften Themawechsel. "Ich werde Kannich bei Gelegenheit mal fragen, wie das genau funktioniert."
"Ehrlich?", fragte Damien. "Mir ist das ja sowas von Schnurz."
"Ich weiß, dass es so neues Zeug aus Klatsch ist", erklärte Yogi. "Die Wächter bekommen einen komischen Stein mit, Perdol, oder so, und ein kleines Echsenvieh riecht den dann, weil es Hunger hat. Die essen, glaub ich, nichts anderes."
"Es riecht den Stein? Und das funktioniert? Ich meine: hier? In Ankh-Morpork?"
"Das wird sich zeigen."
Damien kickte einen Stein davon. "Der ganze Technik-Scheiß geht mir auf die Nerven. Davon abgesehen sind wir da. Geht auf eure Positionen."

Bobfan fluchte in sich hinein. Verdammte Wächter! Ein paar Minuten noch und er hätte seinen Auftrag erledigt. Doch plötzlich wimmelte es überall von ihnen! Bislang hatten sie ihn noch nicht bemerkt, doch es war nur eine Frage der Zeit. Er beschloss, das Geschehen zunächst zu verfolgen. Es würde sich schon eine passende Gelegenheit bieten.

Über den Dächern der Stadt war es gleich nochmal so kalt wie in den Straßen. Wenn man sich dann noch mit mehreren kps[7] gegen den Wind stemmte, war Frost Programm. Die Taube war daran gewöhnt, doch Amalarie fühlte sich dem Kältetod nahe. Zitternd korrigierte sie so oft wie möglich den Kurs, wenn der Gecko in seinem Korb sich fauchend beschwerte. Amalarie fand es erstaunlich, dass die Echse sich überhaupt noch bewegte. Sie hatte gehört, dass es sich dabei um Wüstentiere handelte. Von oben sah die Stadt anders aus. Es fiel ihr schwer, sich zu orientieren. Bester Anhaltspunkt war der Kunstturm der Unsichtbaren Universität, der sich ... Moment!! links von ihr befand. Die dumme Echse lotste sie zum Mittwärtigen Tor!!
Sie schüttelte den Korb, um die Echse auf ihre Fehlnavigation hinzuweisen. Die gefauchte Antwort klang bedrohlich. Wohin bringst du mich? Hätten der Gnomin nicht vor Kälte und von Natur aus die Haare zu Berge gestanden, so wäre es spätestens jetzt der Fall gewesen.
Die Kontrolle hab immer noch ich, dachte sie. Andererseits: Wenn Michael und Johann inzwischen tatsächlich nicht mehr in der Unsichtbaren Universität waren und das GPS ihr den richtigen Weg zeigte ... Sie sollte der modernen Technik mehr Vertrauen schenken. Sie ließ die Zügel energisch auf den Taubenhals knallen und presste die Lippen zusammen. Der Gnom musste erst noch geboren werden, der sich von einem Gecko ins Bockshorn jagen ließ, dachte sie und folgte den Anweisungen der Echse im Korb zu einem großen Gebäude.
Es schien einst mehrstöckig gewesen zu sein, doch hatten Erschütterungen unbestimmbarer Art sowie diverse Feuer die Decken und Böden der Stockwerke einstürzen lassen. Es war nur noch das Gerippe eines Gebäudes, selbst das Dach fehlte. Amalarie kreiste ein paar Mal über gähnenden Öffnung. Am uneingestürzten ebenerdigen Boden machte sie ein paar Bewegungen aus, also ging sie tiefer. Ein paar ehemalige Stockwerke tiefer, konnte sie erkennen, was unten vor sich ging.
"Ach du meine Güte", entfuhr es ihr, bevor sie im schummrigen Zwielicht des schwindenden Tages gegen einen Balken flog und erst die Kontrolle über ihre Taube und dann über ihr Bewusstsein verlor.

"Sind alle auf Position?", fragte Rea die Kommunikationsexpertin Passdochauf.
"Ja, Ma'm. Wir können zuschlagen."
"Gut, dann gib das Signal."
"Jawohl, Ma'm." Will fischte nach den kellenartig geformten Kommunikationspaddeln, um damit die anderen Einsatzmitglieder zu informieren. Sie suchte den Blickkontakt mit Yogi Schulterbreit und stutzte.
"Ähm ... Ma'm?"
Rea wandte sich ihr zu. "Was ist?"
"Ich fürchte, es gibt Probleme. Yogi hat mir gerade ein 'faules Ei' signalisiert."
"Bitte?"
"Ich vermute, er meint einen 'Code violett'. Er ist nicht der beste Winker, musst du wissen, Ma'm."
"Der Patrizierpalast wird von Quirmianern angegriffen?", fragte Rea entsetzt. Kaum ein Wächter, von den Kommunikationsexperten abgesehen, kannte alle Code-Farben auswendig. Oft half gutes Raten.
"Ähm. Nein, Ma'm. 'Kritische Planänderung - neue Anweisungen erbeten', Ma'm."
"Verflixt!" Rea lief los. Was war da denn jetzt schon wieder schiefgelaufen?

"Hier müsste es sein", hoffte Michael Machwas.
"Hier stinkt's erbärmlich", stellte Johan Schaaf fest.
"Kein Wunder. Der wohnt praktisch auf Müll."
"Aber immerhin hat er einen Vorgarten", sagte Johan.
"Für einen eigenen Vorgarten lohnt es sich, auf bestimmte Dinge zu verzichten."
"Du meinst Sachen wie, ohne Gefahr für die Gesundheit das Fenster öffnen zu können?", fragte Johan.
"Genau. Komm, wir klopfen mal an."
Die beiden Wächter durchquerten das gartenartige Gebiet vor dem Haus und Michael klopfte vorsichtig gegen die brüchig wirkende Holztür. Im Innern blieb es still.
"Hm." Michael klopfte erneut, heftiger diesmal, immer darauf bedacht, die Tür unversehrt zu lassen.
"Herr Schmaug?", rief Johan. "Hier ist die Stadtwache von Ankh-Morpork. Bitte öffnen sie die ..."
"Halt!", ertönte eine Stimme hinter ihnen. Sie drehten sich um. Sämtliche Unterröcke gerafft kam Rea Dubiata auf sie zugerannt, um ihnen Einhalt zu gebieten. Keuchend blieb sie stehen. "Was macht ihr hier?"
"Ermitteln", sagte Michael. "Sie haben uns losgeschickt. Erinnern Sie sich?"
"Hat das GPS nicht funktioniert?", fragte Rea.
"Doch", antwortete Michael, "es befindet sich in meiner Tasche und stinkt vor sich hin."
Rea schüttelte den Kopf. "Ich mein, hat Amalarie euch nicht verständigt?"
"Nein", antwortete Johan stolz, "wir haben uns selbst auf den Weg hierher gemacht."
"Wo ist dann Amalarie?"
Michael zuckte mit den Achseln. "Woher sollen wir das wissen? Hat sie einen Peridot dabei?" Er wollte grinsen, entschied sich dann aber anbetrachts der Umstände dagegen.
"Schon gut. Und warum genau steht ihr hier vor der Tür des Schlitzers?"
Michael und Johan schauten sich an. Dann sagten beide: "Schlitzer?"
"Ja, unsere Ermittlungen haben ergeben, dass er ..."
Ein langgezogener Pfiff aus einer Trillerpfeife unterbrach sie. Kurz darauf läutete eine Glocke.
"Oh nein!", sagte Rea. Und: "Folgt mir!" Dann rannte sie los.

Ein Schatten schälte sich aus dem Schatten einer Hauswand.
"Wir brauchen eine Planänderung", sagte der Schwarze Mann Maximilian Schreckt.
Yogi zuckte zusammen. "Hey! Erschreck mich doch nicht so!"
"Glaube mir", sagte Maximilian, "das war noch gar nichts." Er deutete auf das Haus mit Vorgarten. "Ich habe große Angst im Haus gespürt, doch ich konnte mich ihr nicht nähern. Etwas hielt mich ab." Maximilian rieb sich den Arm. "Jetzt ist sie fort. Und unser Mann auch, wenn wir nicht schnell handeln. Er ist durch ein Fenster zur Seitengasse geflüchtet. Valdimir und Anette sind schon hinter ihm her. Wir brauch nur dem Lärm zu folgen."

Der Mann rannte, als sei der Teufel hinter ihm her. Er hatte auch allen Grund dazu. Zwar war Anette hinter ihm zurückgefallen. Das Pfeifen mit der Triller kostete doch mehr Luft, als man für gewöhnlich annahm. Schließlich war sie stehengeblieben und hatte sich auf selbstmörderisches Läuten mit der Glocke konzentriert. Doch Valdimir hatte eine seiner Armbrüste im Anschlag und war ihm dicht auf den Fersen. Damien hielt in einiger Entfernung dahinter ohne Probleme mit den beiden Schritt und dachte nach.
Hakengasse, Ententeichgrund, Drüberstraße. Gleich kam der Schiefe Stieg, Damien kannte diese Ecke gut. Ein Plan reifte in ihm. Er schloss mühelos zu Valdimir auf, der nur kurz Zeit übrig hatte, um verdutzt zu schauen.
"Ich umrunde ihn, hinten beim Kohl-Großhandel. Wenn er mich sieht, wird er nach links abbiegen. Dann haben wir ihn." Damien wartete die Antwort gar nicht erst ab, verschwand in einer Nebenstraße.
"Alles klar", sagte Valdimir trotzdem und legte einen Schritt zu.
Endlich sah er Damien weit voraus aus einer Seitengasse sprinten, direkt auf den Verfolgten zu. Der reagierte wie erwartet und bog links in eine Gasse. Damien folgte ihm hinein. Als Valdimir ebenfalls bei der Gasse ankam, verlangsamte er seinen Schritt und sprang dann, Armbrust voraus, in die Gasse. Dunkelheit schlug ihm entgegen. Ohne Zögern eilte er vorwärts und sobald seine Augen sich daran gewöhnt hatten, schälten sich die Umrisse von Damien und dem Schlitzer aus der Finsternis. Der Hauptgefreite hielt den Mann, der mit dem Rücken vor einer steinernen Mauer stand, mit einem Dolch in Schach.
Valdimir ging mit erhobener Armbrust auf die beiden zu. "Also gut, Freundchen. Stadtwache von Ankh-Morpork. Das Spiel ist aus. Solltest du irgendwelche Waffen bei dir tragen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, sie fallen zu lassen."
Das ist also der Schlitzer, dachte Valdimir, als er nur noch wenige Schritt vor dem Mann stand. Irgendwie unspektakulär. Valdimir war sich nicht sicher, was er erwartet hatte, aber sicher keinen alten Mann, der vor Angst und Alkohol förmlich stank.
"Bitte", rief der Mann, "tut mir nichts! Ich kann alles erklären!"
Das sagen sie alle, dachte Valdimir. Seltsame Bilder aus den Gedanken des Mannes strömten ihm entgegen, von Frau und Kind und zerbrochenem Familienglück.
"Es war doch nur ein Unfall!", rief der Mann und sackte zusammen, als ein TWÄNG ihn traf. Valdimir roch Blut.
Ein Schatten landete hinter ihm und Valdimir wirbelte herum. Vor ihm stand ein schwarz gekleideter Mann mit gepflegtem Äußeren. Er lächelte.
"Wer ...", begann Valdimir.
"Sh, sh", versuchte der Mann ihn zu beschwichtigen. "Wir wollen doch alle nur unseren Job machen." Er umrundete Valdimir in respektvollem Abstand und befestigte ein Stück wetterfestes Papier an dem Armbrustbolzen, der aus der Brust des zu Boden gegangenen Mannes ragte. Dann wandte er sich den beiden Wächtern zu und deutete eine Verbeugung an. "Teufelsaustreibung erfolgreich durchgeführt. Ich empfehle mich." Mit diesen Worten sprang er gegen eine der Wände, drückte sich ab und war mit zwei weiteren Sätzen die Mauer der Sackgasse hinauf. "Vielleicht nächstes Mal!", rief er und winkte. Dann war er hinter der Mauer verschwunden.



"Na immerhin ist kein Wächter zu ernsthaftem Schaden gekommen", sagte Rea. Die beiden Feldwebel der Abteilung SEALS saßen bei Rogi im Büro. Die Tischplatte zwischen ihnen war übersät mit geöffneten Aktenordnern und gekritzelten Berichten. Ein kleiner Ofen bemühte sich, die Kälte draußen zu halten, wo feine Flöckchen sanft gen Boden glitten.
Rogi nickte. "Die Quittungen waren gefälft, die Morde alfo unlifenfiert. Die Gilde war im Recht, den Flitfer fu inhumieren."
"Wer hätte gedacht, dass so ein Monster von Mann eine Familie hatte?"
"Daf Fickfal der Tochter ift fehr bedauerlich. Ich konnte nichtf mehr für fie tun."
"Und wir hätten ihn fast gehabt!" Rea knüllte vor Zorn eine Akte zusammen. "Naja, wie auch immer. Wie geht es Amalarie?"
"Der Troll namenf Peridot war fehr fürforglich. Nachdem er fie fur Wache gebracht hat, hat er bei ihr gewacht, bif fie aufwachte. Diefer Gecko machte ein paar Probleme. Offenbar befteht der Troll auf dem Mineral, deffen Namen er trägt. Der Gecko fien fehr hungrig."
"Es war ein Glück, dass sie in diesem Pool voll Steinstaub gelandet ist. Wie hat sie reagiert, nachdem sie den Troll entdeckt hat?"
"Recht heftig. Alf ich ihr aber erklärt habe, waf vorgefallen ift, wurde fie nachdenklich."
"Sie hat gelernt, dass es, wie in der Wache, auch nette Trolle gibt und Troll nicht gleich Troll ist. Das ist eine wichtige Erfahrung."
"Vielleicht hilft ef ihr."
"Ich betrachte den Fall damit zumindest als abgeschlossen. Noch Kaffee?"
"Ja, danke fehr." Rogi lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück. Die Leitung einer Abteilung fiel ihr doch nicht so schwer, wie sie zunächst gedacht hatte. Manchmal musste man über seinen Schatten springen, dachte sie.

Valdimir saß auf dem Dach in der Nähe des Taubenschlags. Vom Wachhaus hatte man einen guten Blick auf den Pseudopolisplatz, wo allerdings jetzt, mitten in der Nacht, nichts mehr los war. Die Kälte schnitt in seine Haut, doch als Vampir spürte er sie nicht. Er versuchte, die Gedanken des Schlitzers aus seinem Kopf zu bekommen. Er sah all die Gesichter der Mordopfer, in schöne Kleider gehüllt, in verzückenden Posen. Er sah die Familie des Schlitzers, deren Glück nicht lange währte. Und er sah Eifersucht, Prügel und Schlimmeres. Seltsamerweise sah er keine Morde. Darüber war er sehr froh. Er starrte stumm in die wolkenverhangene Nacht hinaus und fragte sich, ob der Schlitzer seine gerechte Strafe erhalten hatte.

Zufriedenheit zeigte sich in Kannichgut Zwiebels Gesicht. Den Schlitzer hatte sein Schicksal ereilt. Mit wenig Mühe hatte Kannichgut Amlies Grab gefunden und ein paar Blumen hinterlegt, die seine Mutter ihm mit falschen Erwartungen mitgebracht hatte. Er fragte sich, ob Rosen die passenden Blumen für ein Grab waren. Er hatte nicht die geringste Ahnung, aber er fühlte sich besser.
Er hatte das Büro zu dieser späten Stunde für sich alleine. Es galt, den Verschlüsselungsmechanismus für Wachepost zu überarbeiten. Also legte er die Füße auf den Tisch und griff nach dem heißen Kakao. Später blieb noch genug Zeit für die Arbeit. Was konnte schon schiefgehen?
"Kannich?" Anette steckte den Kopf zur Tür herein. "Was ist GPS?"

[1] Ein Platz am Fensterbrett, wo man bequem seinen Kaffee abstellen konnte, war einiges wert. Der derzeitige Kurs lag bei zweieinhalb Rosinenbrötchen, dreimal Tauben füttern oder einmal Nachtstreife F[7a].

[2] Eine gespannte Doppelnuss Burlich-Starkimarm war unter bestimmten Umständen sehr beeindruckend.

[3] Zauberer an der Unsichtbaren Universität liebten Protokolle ihrer Sitzungen. Sie konnten wunderbar als Schreibtischunterlage verwendet werden, um das empfindliche und teure Holz der Arbeitstische zu schonen. In kalten Herbsten wie diesen ergänzten sie auch prima die immer zu knappen Holz- und Kohlevorräte.

[4] Außerdem liebte er es, Redewendungen auf seine Verhältnisse umzumünzen.

[5] Siehe Multimission Tödliches Flimmern

[6] Gecko-Peridot-System, Gecko: eine kleine klatschianische Wüstenechse, Peridot: ein Mineral, das in der Großen Nef zu finden ist.

[7] Kräheneinheiten pro Sekunde

[7a] Eine der wenigen Streifen, die nicht am Eimer vorbeiführten.

Zählt als Patch-Mission.



Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Huitztli Pochtli

01.05.2007 09:39

</b><br><br>Du hast einen Schreibstil, der mir außerordentlich gefällt. Spannend, unterhaltsam und witzig.<br>Das einzige, das ich vermisst habe: ein weiterer Artikel der Times, die auf den Ausgang der Ermittlungen Bezug nimmt.<br><br><b>

Von Cim Bürstenkinn

01.05.2007 09:39

</b><br><br>Coole Single von meinem Lieblings-Kommex :)<br>Gratuliere zu dem Ergebnis!<br><br><b>

Von Valdimier van Varwald

01.05.2007 09:39

</b><br><br>Eine sehr nette Geschichte. Zwar nicht gerade ein wirklich neuartiger Fall, aber du hast ihn spannend und auch witzig erzählt. Sehr gefallen hat mir auch die Einbindung der Abteilung, wie es sich für eine Pokey gehört und auch die Wörter haben meistens gut ins Geschehen gepasst.<br><br>Was mir allerdings nicht sehr gefallen hat, war der letzte Teil der Geschichte. Der Schreibstil wurde immer hektischer und auch unsauberer, je näher es an das Ende ging. Ich weiß nicht woran es lag, aber wirklich angenehm zu lesen war das nicht. <br><br>Wenn du bei deinen nächsten Geschichten das hohe Niveau bis zum Ende halten kannst, steht einer höheren Wertung nichts entgegen.<br><br><br>P.S. <br><br>Es heiß Valdimier und nicht Valdimir ;)

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2007 09:39

</b><br><br>Sehr schöne Wache-Single mit allem, was meiner Meinung nach so dazu gehört. Ich fand es sehr gelungen wie Breda und Du, Ihr beide Eure Geschichten inhaltlich aufeinander abgestimmt habt. Zwar kannte ich dadurch schon den Plot, was die Spannung etwas milderte, aber das hat der Geschichte an sich keinerlei Abbruch getan und hatte zudem seinen ganz eigenen Reiz. Sie war dennoch spannend mitzuverfolgen und nahezu jede Szene hatte ihre eigenes, besonderes Flair. Du hast deine Abteilung ebenso eingebracht, wie Wächter aus den anderen Abteilungen. Besonders schön fand ich, dass Du dabei auf die Eigenheiten der Einzelnen eingegangen bist. Und wie ich feststellen musste, lese ich doch tatsächlich ganz gerne, wie Einsätze mit F.R.O.G.s schiefgehen. ;) Dass Du es zusätzlich auch noch geschafft hast, deinen Hauptcharakter einen weiteren Schritt in seiner Wächterentwicklung machen und dies den Leser miterleben zu lassen, war sozusagen der Zuckerguss. Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen ausgezeichnet erfüllt.<br><br><b>

Von Kannichgut Zwiebel

04.05.2007 17:46

Vielen Dank für eure Kritik und dickes Sorry an Vald für den falsch geschriebenen Namen! 8)

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung