Hauptmann Unmagisch betrat den erst im letzten Jahr fertig gestellten großen Saal der Wache in der Kröselstraße, gleich neben GRUND gelegen und im Gegensatz dazu in etwas helleren Farben gehalten, und die anwesenden Abteilungsleiter, Ausbilder und Rekruten nahmen mehr oder weniger zackig Haltung an und salutierten. Wie jedes mal, wenn ein Troll unter den Neulingen war, gab es einen dumpfen Schlag gefolgt von dem ein oder anderen Schrei aus der hintersten Reihe.
Unmagisch lächelte, was man unter dem Bart, der nun schon einige Jahre lang nicht mehr gebleicht werden mußte, aber nur sah, wenn man die Mimik eines Zwerges zu lesen wußte.
Erfahrene Wächter, die die Ehrengarde bildeten und eigentlich nur dafür da waren, die Ausgänge zu bewachen - obwohl es schon sehr lange Zeit keine Deserteure mehr gegeben hatte - eilten herbei und befreiten die unglücklichen Rekruten von dem auf ihnen liegenden Troll und bis sich die Aufregung gelegt hatte, war Hauptmann Unmagisch auch an dem kleinen Podest angekommen, von wo aus Sie Ihre kleine Ansprache halten würde, um damit die Rekruten hochoffiziell in der Wache Willkommen zu heißen.
Abermals ließ Mohrtisch ihren Blick über die Menge streifen und auf der kleinen Empore, die für hochrangige Gäste und Familienangehörige reserviert war, erkannte sie auch einige ehemalige Wächter, die aus Altersgründen
[1] oder der Liebe wegen den Dienst quittiert hatten; aber "ihrer" Wache stets die Treue hielten.
[2]Frau Hauptmann räusperte sich überdeutlich und... Wie jedes Mal, wenn Sie hier stand und in die jungen, mehr oder weniger unschuldigen Gesichter der künftigen Wächter blickte, verirrten sich Ihre Gedanken in die eigene Vergangenheit...
Das windschiefe Häuschen entsprach allen Erwartungen, die man daran stellen konnte. Abgesehen davon, daß es nur etwa halb so groß war.
Und es war nicht aus Pfefferkuchen. Sondern aus Stein, der zuvor noch massiver Felsen gewesen war.
Und es stand in einer sorgfältig darauf abgestimmten Höhle, der man ansah, daß sich der Schöpfer
[3] große Mühe gegeben hatte, sorgfältig zu arbeiten. Es war eine
gute Höhle, die authentisch und natürlich wirkte.
Auch der kleine Kräutergarten rechts vom Häuschen fehlte nicht und nie hatte man wohl feinere Skulpturen in einem steinernen Garten gesehen.
Weiterhin fanden sich zur linken der Hütte ein Backofen mit schwerer Eisentür und ein Käfig, der an einer dicken Kette von der Decke herabbaumelte.
[4]Und an eine gut ausgestattete Schmiede.
Sogar an einen zum Kamin passenden Rauchabzug aus der Höhle hatte man gedacht.
Das einzige wirkliche Problem war die Hintertür. Nicht, daß sie nicht da gewesen währe, aber sie endete direkt vor der Höhlenwand.
Natürlich hätte man jederzeit einen Gang herausmeißeln können oder die Höhlenrückwand um den ein oder anderen Meter zurückversetzen können, jedoch hatte der alte Troll, der diese Rückwand bildete unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß er daran nicht wirklich Interesse hatte, weswegen Mohrtischa Unmagisch widerwillig gezwungen war, die Vordertür zu benutzen.
Selbstverständlich geschah dies nicht aus dem Grund, weil der Troll dies so..., nun,
wünschte, sondern einzig und allein deshalb, weil... weil... weil...
[5]Trotz all dieser offensichtlichen Hinweise, hatte man sich dennoch die Mühe gemacht, auch eine letzte Warnung für jene zu schaffen, deren Aufmerksamkeitsschwelle denen eines Geziffers glich
[6] und gleich über dem Höhleneingang eine Inschrift aus dem Fels -guter, solider Granit- gemeißelt.
"
HEKSE" stand dort.
Neben das unübersehbare Wort hatte man noch ein kleines Bild gemalt, daß mit einiger Phantasie eine alte Frau mit Warzen, Besen und spitzem Hut erahnen ließ. Und etwas, daß vielleicht ein schwarzes Etwas darstellen sollte. Vermutlich handelte es sich um eine Katze, wenn man von den bisherigen Hinweisen ausging. Allerdings erinnerte sie mehr an einen Höhlenbären.
Es war bekannt, daß sich barbarische Helden nicht die Zeit nehmen konnten, sich mit so etwas wie Schriftsprache herumzuärgern; schließlich galt es, Jungfrauen zu töten, Drachen zu befreien und Schätze zurückzulassen.
[7]Die Höhle selbst lag in einem kleinen Hügel, nahe am Waldrand. Es handelte sich dabei um einen sehr hügeligen Hügel und einen angemessen düsteren Wald und ein ordentlich gepflasterter Weg führte von dort zum Eingang der Höhle.
Die ausgestopfte, eingestaubte Katze
[7a], die den Eingang bewachte, war etwas lethargisch, zugleich aber sehr genügsam, was Fressen und Katzenstreu betraf. Der schwarze Rabe war eigentlich nur eine flügellahme Amsel und weigerte sich beharrlich, vom Dach herunterzukommen.
Versonnen starrte Mohrtischa mit nach Innen gerichtetem Blick über die Anwesenden und vor Ihrem geistigen Auge verwandelte sich der große Saal und die Rekruten, Wächter und Gäste mehr und mehr zu Ihrer alten, penibelst geplanten und ausgeführten Heksenhütte...
In der aufgeräumten und sehr sauberen Hütte selbst fand sich alles, was man erwarten konnte. Und ein bißchen mehr.
Zum Beispiel allerlei Gefäße in denen mehr oder weniger undefinierbare
Dinge ruhten. Viele Tiegelchen mit allerlei Inhalt, der hier der Einfachheit halber als "Salben" bezeichnet werden soll. Sogar einen Totenschädel gab es, wenn auch aus Stein gemeißelt.
Und eine im wahrsten Sinne des Wortes solide Sammlung verschiedenster Gesteinsarten.
Auf einem kleinen Tischchen mit rotweiß karierter Decke ruhte eine Kristallkugel, welche die Besitzerin recht günstig von einem gewissen T.M.S.I.D.R. Schnapper erworben hatte.
Auf den ersten Blick hätte man sie für eine große Glaskugel halten können. Auch auf den zweiten. Die Kugel selbst weigerte sich beharrlich, diesbezüglich Auskünfte zu gewähren.
In einem kleinen, wuchtigen Steinregal fanden sich mehrere Karok-Kartendecks, verschiedene Tee- und Kaffeetassen, acht achtseitige Würfel und ein großer Haufen Schafgarbestäbchen. Und eine zerfledderte Ausgabe von T.M.S.I.D.R. Schnappers
Ahschtrollogü für Ahnfänger, Vortgehende und ahnderä - Sehr bräziise uhn genauh.Hier war jemand gut für verschiedene Blicke in die Zukunft gerüstet. Mehr oder weniger.
In einem verglasten und mit zusätzlichem Drahtgitter versehenen Holzkasten auf dem niedrigen Kaminsims und sehr fest mit der Wand verankert woben mehrere Spinnen mit Akribie ihre Netze. Ein ausgeklügelter mechanischer Mechanismus diente dazu, die Achtfüßler während der Fütterung an einer Flucht zu hindern. Und an der Frontscheibe befand sich ein kleiner Vorhang, damit die Bewohnerin nicht immerzu an Ihre Spinnenphobie erinnert wurde. Im Kamin hing ein rußgeschwärzter Topf, dessen Inhalt über einem Feuer fröhlich vor sich hinblubberte. Eine große, Runenverzierte Streitaxt lehnte an der Wand, gleich neben der abgegriffenen Spitzhacke und das Bett mitsamt Schlafzimmer war hinter einer Tür in einer Wand versteckt.
Und mehr als die Hälfte des Vorratschrankes wurde von Zwergenbrot eingenommen.
Unmagisch hatte einen langen Kampf führen müssen, bis Zwergenbrot endlich als Standartausrüstung zwergischer Wächter eingeführt wurde. Diesen diente es im Gegensatz zu allen anderen nicht nur als Wurfgeschoß, Nahkampfwaffe und Baumaterial, sondern auch als Marschproviant höchster Güte
[9].
Mohrtischa Unmagisch hatte sich im vergangenen Jahr erhebliche Mühe gegeben, alles richtig zu machen.
[10]Und Sie konnte dabei auf einen reichhaltigen Fundus von Kindermärchen und dem abfälligen Geschwätz von diplomierten Zauberern, die keine sonderlich konkrete Vorstellung davon hatten, was außerhalb der altehrwürdigen Mauern der Universität geschah, zurückgreifen.
Sie war sogar soweit gegangen, einen dicken, mit Eisenringen bestickten Lederrock, hochhackige Stiefel mit Eisenkappen und einen spitzen Hut zu tragen.
Eigentlich war der Hut kein Hut im eigentlichen Sinne, sondern ein Helm, dem Sie eine konische Form gegeben hatte.
Außerdem hatte Sie natürlich auch einen Besen. Er eignete sich vorzüglich zum kehren. Und fegen. Ein wahres Naturtalent, was dies betraf.
Mehr war auch gar nicht nötig.
Vielleicht konnte er fliegen, aber schon vor Ihrer Zeit als Thaumaturg
[11] an der Unsichtbaren Universität hatte Sie nie einen Hehl aus Ihrer genetisch bedingten Abneigung gegen große Höhe, die sich
unter Ihr befanden, gemacht. Bücher hingegen mochte Sie, wenn auch nicht die vielen Worte darin. Das war einer der Hauptgründe, warum Sie sich für die Auslebung Ihres Interesses am magischen Gewerbe für den Beruf der Hexe entschieden hatte. Ein weiterer war Ihr mangelndes Talent in Sachen Magie. Soweit es deren praktische Ausübung betraf. Und die theoretische. Und schließlich waren Frauen an der Universität nicht als Studenten zugelassen, auch wenn viele von Ihrem üppigen Bartwuchs hätten getäuscht werden können.
Und nun, an einem sonnigen Regentag im windigen Lancre an der Grenze zu den Sto-Ebenen, war es an der Zeit, in der Blüte Ihrer Jahre Ihren zahlreichen Verpflichtungen, zu denen Sie gar nicht verpflichtet war, nachzukommen. Und den Bewohnern des nahegelegenen Dörfchens Kalt Hier Ihre Aufwartung zu machen, damit ihnen bewußt wurde, daß sie wieder eine Dorfhexe hatten. Bestimmt würden sich alle sehr darüber freuen.
Wie naiv Sie doch damals gewesen war... Natürlich hatten sich alle erwartungsgemäß über eine eigene Dorfhekse gefreut, wenngleich sie -alle- es hervorragend verstanden hatten, diese Freude nicht zu offen zu zeigen, um Mohrtischa nicht verlegen zu machen, aber Sie hätte nie erwartet, das die Bewohner von Kalt Hier so uneigennützig waren und Sie mit den besten Wünschen in Ihre wahre Bestimmung entließen...
Das kleine Dörfchen mit seinen sieben Häuschen
[12] sah etwas mitgenommen aus, ganz so, als hätte es sich anderswo besser gefühlt.
Der weiß-graue Bart verdeckte das selige Lächeln, als Sie sich an den guten alten Eifrig erinnerte. Ja, er hatte maßgeblich mit dazu beigetragen, ihre kurze Karriere als Hekse in Lancre zu einem eher raschen Abschluß zu bringen, aber - für jemanden, der seltsames Zeug redete, war er eigentlich ganz nett gewesen...
Zweifel Eifrig warf einen kritischen Blick über den Rand Seiner Brille und schürzte nachdenklich die dünnen Lippen. Dann rückte er ein letztes Mal sein prunkvolles Zeremoniegewand zurecht und stieg auf die kleine Tribüne, die er vor dem Eingang zur Kirche errichtet hatte.
"So höret, höret, höret und höret!"
Er wartete einen Moment, doch selbst nach 36 Monaten eifrigen Bekehrens ließ der Applaus der 22 übrigen Bewohner noch zu wünschen übrig. Ohne die Zuversicht, die einen wahren Hohepriester auszeichnet, hätte man leicht den Eindruck gewinnen können, der einzige Zuhörer sei der alte Schimmerlich, der am Dorfbrunnen Seinen Rausch ausschlief.
"Ja, so ist es recht uned billiglich!" Ungeachtet der mangelnden Resonanz fuhr der Hohepriester mit der Predigt fort: "Der große und eine und wahre Los, Schöpfer von allem und mehr, sprach:
Im Anfang war es dunkel!"
Er machte die übliche dramatische Pause und versuchte die Regentropfen zu ignorieren.
"
Dann klatschte Los inne die Hände und das Licht ward geboren und als er nieste, wegen des Schwefels, der Ihm in die mächtigen Nasenflügel stieg, da schuf er den Regen! Und aus dem Husten, welches der entstehende Qualm, der fortan als Nebel bekannt sein sollte, hervorrief, da wurde der Donner geboren! So war es und genau so steht es geschrieben!"
Schimmerlich begann zu schnarchen.
"
Und aus Dunkelheit, Licht, Regen, Nebel und Donner, da erschuf er alles, einschließlich sich selbst, so, wie es war, wie es ist und immerzu sein wird!"
"Wirklich
alles?", fragte ein kratzige Stimme und der Blick des Hohepriesters fiel auf eine kleine, ebenso breit wie hohe Gestalt, die einen spitzen Metallhelm trug und deren Gesicht nur aus Bart zu bestehen schien.
Zweifel räusperte sich vernehmlich und nickte nachdrücklich. Etwas, was er lange und intensiv geübt hatte und nun mit regelrechter Perfektion beherrschte.
"Auch das Gold? Und die Berge?", wollte der aufmerksame Zuhörer wissen.
Zweifel Eifrig bewies ein weiteres Mal seine schier unnachahmliche Perfektion in Sachen nachdrücklichem nicken.
Der Bart erzitterte; vermutlich vor Ehrfurcht. "Äh - und... auch den fünften Elefanten? Der, dessen Namen niemand kennt und der Erz und Gold und Schmalz nach Überwald brachte?"
Der Hohepriester kannte diese falsche Legende vage vom Hörensagen und nickte noch nachdrücklicher: "So ist es!
Er ist der, der ist!", verkündete er einem Mantra gleich.
"Entschuldigung, bitte", die kleine Gestalt zupfte aufgeregt an Seinem Gewand und Eifrigs Stirn furchte sich zornig, "aber was ißt er denn?"
"Was?!" Zweifel war sicher, sich verhört zu haben.
"Kenne ich nicht.", brummte die unverschämte Störung Seiner Mittagsandacht. "Hast du vielleicht das Rezept?"
Zweifel Eifrig erstarrte und Seine Augen begannen die empfangenen Bilder in aller klaren Deutlichkeit an das Gehirn weiterzuleiten. Nichts an ihr erinnerte auch nur vage an ein Mitglied Seiner eher glaubensunwilligen Gemeinde hier. Zumindest nicht in der Gesamtheit. Immerhin hatte auch Bauer Jörgensen einen Bart, wenn dieser auch eher zu mehr weiß tendierte. Und die Frau des Schmiedes, Martha Schmiedsfrau. Aber bei Ihr war es eher ein Oberlippenbärtchen.
Klein hingegen - das traf auf Surtep, den Fischer zu. Aber soviel Eisen am Körper trug eigentlich nur die junge Freya Sorgfalt; einzige Tochter der Witwe Etlob, die von einer Karriere als Kriegerprinzessin oder etwas ähnlichem träumte.
Dick konnte man als hervorstechendstes optisches Merkmal aller Angehörigen der neunköpfigen Familie Schmalhans nennen.
Und eine Axt trug eigentlich jeder spazieren, der auf der Suche nach Brennholz war.
Der Hohepriester richtete sich zur vollen Größe auf, nahm eine weitgehend aufrechte Haltung ein und zog die Brauen düster zusammen, während sich Sein Finger anklagend auf den Frevler richtete. Es fuhr kein Blitz daraus hervor.
[13]"Wer bist Du?!"
In der Mitte am unteren Ende des oberen Bartdrittels bewegte sich etwas
[14] und Mohrtischa Ungemach reichte Ihm eine kleine weiße Karte.
Freulain
MOHRTISCHA UNMAGISCH,
Hekse
vormals Thaumaturg an der Unsichtbaren Universität (Ankh-Morpork)Eifrig blinzelte mit einem verwirrten Gesichtsausdruck, als er das Kärtchen entgegennahm und studierte es aufmerksam von allen Seiten.
Er räusperte sich und zwang ein Lächeln auf seine schmalen Lippen. "Verzeiht, der Herr, aber eine solche Person ist mir unbekannt und ich möchte hinzufügen: ich kenne, mit Los' Segen, jeden hier." Und gab die Visitenkarte wieder zurück. "Außerdem", fügte er etwas schärfer hinzu, "duldet dieser vom wahren Glauben erfüllte Ort keine derartigen Sünder in seiner Mitte."
Seine Miene drückte dabei deutlich aus, daß man in diesem Zusammenhang Seine Person durchaus als Synonym für "dieser (...) Ort" verstehen konnte.
Mohrtischa schaute sich aufmerksam um und stellte im Geiste einige kurze Berechnungen an, dann nickte Sie zufrieden.
"Gut, denn ich befinde mich nicht in der Mitte."
Zweifel Eifrig ließ die Schwerkraft auf den Unterkiefer einwirken und vergaß, auch den restlichen Kopf folgen zu lassen.
"B-bitte?!"
"Danke. Bekomme ich nun das Rezept?", fragte die Hexe völlig unschuldig.
"Was?! Welches
Rezept?!"
"Genau das. Was."
"Was?!"
"Von mir aus auch das, lieber noch beide." Und wieder bewegten sich einige Haare dort, wo man unter dem Bart einen Mund vermuten mußte.
"Aber...aber... Wer, bei Los, bist Du?!"
Der Zwerg legte den Kopf etwas schief und reichte dem Hohepriester mit einem leisen seufzen erneut die Karte.
Eifrig mustere diese erneut, dann die Gestalt vor Ihm, nochmals die Karte, wieder Mohrtischa. Sein blick blieb schließlich nach einigem hin und her auf dem Bart förmlich kleben.
"Aber - hier steht
Freulain!"
Die Hexe nickte: "Ganz richtig. Weil ich noch nicht verheiratet bin."
Zweifel blinzelte hektischer, die Stirn in schwere Falten gelegt. "Weil Du... Aber Du hast einen
Bart!"
"Natürlich, schließlich bin ich ein
Zwerg!", erwiderte Unmagisch mit einer deutlichen Spur verbaler Schärfe und ganz so, als würde dieser Umstand alles erklären.
[15]Erneut besah sich Eifrig die Gestalt und mußte feststellen, diese Behauptung nicht ohne weiteres widerlegen zu können, da es Ihm unter anderem in praktischen Erfahrungen mit Zwergen mangelte. Und mit Hexen.
"Ein
weiblicher Zwerg?! Mit
Bart?!", vergewisserte sich der Mann auf dem kleinen Podest und Mohrtischa nickte fast ebenso nachdrücklich, wie Ihr Vorredner.
"Darüber sprechen wir eigentlich nicht.", brummte Sie leicht verstimmt und scharrte verlegen mit den hochhackigen Stiefeln im Erdboden.
Zwerge - Eifrig hatte davon erzählen hören, von einem durchreisenden Händler. Sie tranken Bier, waren übellaunig und streitsüchtig und warfen mit scharfen Äxten. Und ja, er glaubte sich auch an Bärte zu erinnern.
"Magst Du mir nun die Rezepte geben, guter Mann? Wenigstens eines, denn ich koche sehr gerne
[16], weißt Du."
Zweifel Eifrig schüttelte sich innerlich und besann sich auf die ewig wahren und weisen Worte die der Eine und wahre Gott Los dargeboten hatte: "
Hinfort mit denen, jenen, die nicht würdig sind, wie die Würdigen. So sprach Los!"
Mohrtischa brauchte nicht den kurzen, wenn auch breiten Weg, an sich herabzusehen, um zu wissen, daß Sie sicherlich zu den Würdigen gehörte. Immerhin war Sie eine Hexe.
"Schade. Nun, dann werde ich Dir aber auch kein Rezept geben. Und wenn Dich schlimme Dinge und so heimsuchen, dann... dann..."
Sie überlegte einen Moment. Flüche gehörten -das hatte Sie sogar gelesen- zum Repertoire einer Hexe und Zwerge hatten dafür eine besondere Begabung, doch Mohrtischa konnte sich nicht so recht mit der Vorstellung anfreunden, eine böse Hexe zu sein. Die endeten auf einem Scheiterhaufen oder im Backofen und keines dieser beiden Ziele schien Ihr besonders erstrebenswert.
" ...nun, dann werde ich eine Gebühr verlangen, ehe ich Dir helfe."
Mit Gebühren kannte Sie sich aus, das war fast, wie Steuern. Auch wenn man als Angehöriger der Unsichtbaren Universität keinerlei Steuern zu begleichen hatte. Statt dessen erhob man Gebühren. In Form von Naturalien.
Und die Stadt zahlte bereitwillig, bedeutete es doch, daß die Zauberer dadurch mehr Zeit innerhalb der Fakultät verbrachten, anstatt die Stadt unsicher zu machen.
"Dein Fluch kann mich nicht treffen, den Los schützt die Seinen, denn es steht geschrieben:
Uned der eine uned Wahre erkennt die Seinen auch ohne Brille, denn ER siehet und erkennet alles und mehr."
Mohrtischa runzelte die Stirn, was unter Ihrem breiten Helmrand verborgen blieb. "Ich habe doch noch gar nicht geflucht. Aber dieser Los muß ziemlich groß sein, wenn er das Meer sehen kann, wie. Wohnt vielleicht auf einem Berg, hm."
Mit rechtschaffenem Zorn, der aus purem, tief verwurzelten Dogmatismus hervorging, rief der Hohepriester laut: "Mache Dich nicht lustig über den Einen und Großen und Wahren! Denn es steht geschrieben:
Du sollst nicht lachen uned nichet weinen, wenn Du an Los denkst, denn dies stört Ihn nur."
Die Worte erreichten den Helmrand, der die Ohren des Zwerges bedeckten, zuckten die Schultern und machten einen Spaziergang.
"Ich habe gehört, all diese Götter und so, würden auf einem Berg inmitten der Scheibe leben. Muß wohl ein großer Berg sein, bei so vielen Göttern. Und dort soll es keine Zwerge geben, also wohl ein armer Berg."
"
Los ist der Weg, das Ziel, der Anfang, das Ende, das Zwischenstück uned der Berg uned alles. Er ist der, der ist. ", rezitierte Eifrig eifrig. Und noch ehe Mohrtischa eine entsprechende Frage an Ihn richten konnte, setzte er sicherheitshalber hinzu: "Alle. Wege und Berge."
"Und Du bist Sein Prophet?"
"
Hohepriester, Du Frevler-äh... -
in!", berichtigte Zweifel und mit schuldbewußter Miene griff Mohrtischa verlegen in Ihre Hosentasche. Ihre Hand holte einen kleinen Stein hervor, den Sie sich als Erinnerung an Ihre Heimat einst aus dem Stollen Ihrer Familie mitgenommen hatte. Sie reichte ihn dem Nicht-Propheten.
"Dann gehört das wohl Dir. Ich hoffe, es hat diesem Los nicht allzu wehgetan."
Eifrig starrte verwirrt auf den Stein in seiner Hand. "Äh... Was ist das?!"
Zwerge besitzen in ihrer Sprache mehr ein achthundert Wörter für die verschiedensten Gesteinsarten, doch die Hexe wußte, daß Nicht-Zwerge mit den allermeisten dieser Wörter selbst in der Übersetzung nichts anzufangen wußten.
Deshalb sagte Sie: "Ein Stein. Marmor. Von der Lage des Stollens ausgehend, würde ich vermuten, es gehört zu Seinem linken Knie."
"Aber - was soll ich damit?! Los duldet keine heidnischen Relikte, denn es steht geschrieben:
Nein, heidnische Relikte will ich nicht. Und auch keine Suppe."
"Warum ist ein Stück aus seinem linken Knie ein heidnisches Relikt, Hohepriester?"
"Das ist ein
Stein! Aus einem
Berg!", beharrte ebendieser in felsenfester Überzeugung, damit ausreichend geantwortet zu haben.
"Ja - und Du hast eben gesagt, dieser Los ist alle Berge."
Sie gab Ihm den Marmorklumpen zurück.
"Äh, jaja - natürlich!
Los ist in allem und jedem, denn: Er ist der, der ist!"
"Dann muß er ziemlich dick sein, wenn er immer soviel ißt. Hat er da überhaupt in dünnen und kleinen Dingen genügend Platz?"
Theologische Diskussionen benötigen immer eine gewisse Toleranzschwelle, wenn sie nicht in blutrünstigen Kreuzzügen enden wollen. Wenn Zwerge daran beteiligt sind, muß man sich zudem noch besser als sonst überlegen, mit welchen Argumenten und Worten man arbeitet. Eine Erkenntnis, die Los nicht unbedingt verkündet hatte und die deshalb nur langsam in Seinem Hohepriester Gestalt annahm.
"Das ist doch nur eine
Metapher!"
Mit Metaphern hatte Mohrtischa in Ankh-Morpork einige Erfahrungen gesammelt: "Ah, ich weiß: Dinge, die nicht so gemeint sind, wie man sie sagt. Sozusagen Lügen, nicht."
"Ja! Äh -
nein!"
"Warst Du heute vielleicht zu lange in der Sonne? Du wirkst verwirrt, Hohepriester."
Automatisch übernahm bei diesen Stichwörtern das Langzeitgedächtnis die Kontrolle: "Und es steht geschrieben:
Der Schein der Sonne soll alle Erleuchten, dafür hat Los ihn geschaffen. Und auch die im Kopfe unklaren sollen Klarheit erlangen. "
"Wenn das
so ist, dann mag dieser Los wohl keine Zwerge, wie?"
"Was?!"
"Nun, die meisten von uns leben außerhalb des Sonnenscheins. Auch wenn es in unseren Stollen nicht dunkel ist. Wir haben Fackeln
und Laternen. Und im Kopf sind wir auch klar, sonst würden die Stollen wohl kaum Generationen lang sicher sein."
Schimmerlich schnarchte immer intensiver.
Dies blieb nicht die erste Diskussion zwischen den beiden, doch nach einigen Wochen wurde klar, das man in Kalt hier eher dem neuen Glauben huldigen würde, als einer zwergischen Hekse vertrauen zu schenken.
[17]Ohne sich von Eifrig's Reden oder den spitzen Heugabeln der Bewohner beeindrucken zu lassen, beschloß Mohrtischa schließlich, Ihr Glück nunmehr woanders
[18] zu suchen. Sie verstand einen unauffälligen Wink, wenn er nur auffällig genug war.
Und so führten ihre kurzen, kräftigen Schritte nahezu unweigerlich nach Ankh-Morpork. Jener vor die Säue geworfenen Perle am Ankh, welches die größte Ansammlung von Zwergen auf der ganzen Scheibenwelt überhaupt beherbergte. Natürlich kam es nicht in Frage, erneut als Thaumaturg in der UU Dienst zu verrichten, schließlich war Sie nun eine Hekse, aber während Sie mehr oder weniger ziellos -und nach einem Ausgang suchend- durch die verwinkelten Straßen und Gassen stampfte, fiel Ihr ein Flugblatt in die Hände, das Ihr weiteres Leben bestimmen sollte.
Haltet ein! Eure Wache brauch DICH! Melde Dich als Wächter(in) bei GRUND im Wachhaus Kröselstraße! Nun, was blieb Unmagisch auch anderes übrig? Sie wurde gebraucht und weder ein Zwerg, noch eine Hekse verweigern ihre Hilfe, wenn diese vonnöten ist...
Während Hauptmann Unmagisch in Ihren Erinnerungen schwelgte, bildeten ihre Lippen munter Worte, die sich zu mehr oder weniger ganzen Sätzen entwickelten und den Neuen das rechte Gefühl für die Wache vermitteln sollten.
"Eure Karriere hier wird damit beginnen, daß euch eure Ausbilder -alles erfahrene Wächter- alles nötige beibringen, was ihr als Grundlagen wissen und beherrschen müßt, um als Wächter der Wache und damit der Stadt zu dienen."
Im Hintergrund erspähte Sie Rogi Feinstich, die der Wache schon vor Mohrtischa's eintreten die Treue gehalten hatte und zu deren Aufgaben es einst gehörte, Unmagisch ebendies beizubringen...
"Am Ende der Grundausbildung", griff Sie Ihre Erinnerungen auf, "steht die Frage, wohin ihr euch als Wächter entwickeln wollt, auch wenn ihr natürlich allzeit bereit sein müßt. Unabhängig, wofür ihr euch interessiert, worin ihr begabt seid oder ausgebildet."
Rogi Feinstich grinste bei diesen Worten und aufgrund eigener Erinnerungen etwas gequält.
Frau Hauptmann nickte nachdrücklich. "Ja,
ausgebildet. GRUND vermittelt euch das, was jeder Wächter wissen, können und verstehen muß, doch erst in den einzelnen Abteilungen werdet ihr zu einem spezialisierten Wächter gemacht. Bekommt dort sozusagen den Feinschliff. Die Politur für den Brustpanzer und den Helm gibt es ja bereits vorher schon."
Frau Korporal Rogi Feinstich zählte betont langsam und geduldig an den Fingern ab, während Rekrutin Mohrtischa Unmagisch in Habet-Acht-Stellung vor Ihr stand.
"Alfo, mit der Armbruft kannft Du umgehen.", und erinnerte sich daran, wie sieben von zehn Bolzen ins Schwarze getroffen hatten, "Und die Fache mit dem Fchwert haben wir auch, nun, ...erledigt."
Was eine freundliche Umschreibung dafür war, daß sich die neue Rekrutin beharrlich dagegen gewehrt hatte, ein solches zu benutzen.
"Dafür habe ich meine Axt! För.", pflegte Sie zu argumentieren und Rogi war sich schlußendlich der Tatsache bewußt, daß die neue Rekrutin vielleicht bei weiterem beharren auf der Ausbildungsvorschrift zeigen wollte, was Sie mit der Axt alles zuwege brachte. Vielleicht hätte Feinstich der selbsternannten
Hekse lieber nicht genauer erzählen sollen, was die Spezialitäten eines Igor waren...
"Verkehrfüberwachung...", fuhr Sie ruhig fort und verdrängte unangenehme Vorstellungen, "An der Art und Weife, einen zu fchnellen Karren zum anhalten fu bewegen, werden wir noch ein wenig feilen müffen, aber für den Anfang war daf fchon mal nicht, ähem, ...fchlecht."
In der Tat hatte sich das Axtblatt, welches das Rad in zwei Teile spaltete als sehr wirksam erwiesen; jedenfalls war der Karren mehr oder weniger zum halten gekommen und die eifrige Rekrutin konnte nur mühsam davon abgehalten werden, eine Anzeige wegen falschem Parkens an einer dringend benötigten Straßenkreuzung aufzunehmen.
Wieder hob sich ein weiterer Finger: "Die Refervatenkammer haft Du vorbildlich nach Gröffe, Farbe und Gewicht fortiert. Daf Du mit magifchen Gegenftänden furecht kommft war, hm, zu erwarten. Fchliefflich bift Du eine, hm, ja - He
kfe."
Darauf legte die neue Rekrutin nachdrücklich wert. Wobei man Sie auch als Schmied hätte bezeichnen können, denn die Ketten, mit denen nun alle magischen Gegenstände der Wache gesichert waren -fest in Boden und Wänden verankert- waren Maß- und Qualitätsarbeit. Lediglich das mit den funktionsfähigen Schlössern mußte noch etwas geübt werden... Und es würde sicherlich einige Zeit dauern, den Inhalt der Reservatenkammer wieder den zugehörigen Fällen zuzuordnen; zum Glück bestand niemand darauf, das die neuen Rekruten ins Archiv mußten...
Daumen Nummer eins hob sich. "An Deiner Ortfkenntnif kann niemand fweifeln, Rekrutin Unmagifch." Feinstich jedenfalls nicht und auch einige Ihrer älteren Wächterkollegen nicht, denn Mohrtischa kannte Orte in Ankh-Morpork, von deren Existenz kaum jemand etwas ahnte
[19]. Und das hieß viel, besonders für einen Wächter.
Der zweite Daumen hob sich: "Über die
genaue Definition von
waffenlofem Kampf müffen wir unf noch mal in Ruhe unterhalten."
Äxte und Besen gehörten jedenfalls nicht dazu, aber diese Erkenntnis schien sich der neuen Rekrutin partout nicht erschließen zu wollen.
Nun nahm Feinstich die zweite Hand zu Hilfe. "Wie Du gemeinsam mit Rekrut Fchweifel den kleinen Difput auf dem Markt gefchlichtet haft war..."
Sie suchte nach einem passenden Wort, doch Ihr wollte nichts einfallen. Statt dessen hob Frau Korporal den nächsten Finger: "
Nochmal: wenn wir einen Tatort fichern, bedeutet daf nicht, jeden anfugreifen, der den Raum betritt. Und auch nicht", wehrte Sie den drohenden Einwand ab, "allef an fich fu nehmen, waf nicht niet- und nagelfeft ift."
Schuldbewußt starrte Unmagisch auf Ihre abgewetzten Stiefelspitzen und Ihre kräftigen, beharrten Hände spielten mit dem Axtstiel.
"Daf man nicht einfach Effen und Getränke auf dem Markt befchlagnahmen kann, nur weil der Verkäufer verdächtig auffieht, haben wir ja fchon befprochen..."
Finger Nummer vier der zweiten Hand folgte sogleich: "Über die Tarnung müffen wir auch noch mal reden. Ef reicht nicht immer, die Augen fufumachen, um nichtf fu fehen und damit auch felbst nicht gefehen zu werden. Eigentlich reicht ef
nie."
"Und", Finger Nummer fünf ragte auf, "auf Anordnung def Kommandeurf ift ef Dir in Zukunft verboten, Dich einem Reittier der Wache auf mehr als fehn Fchritt zu nähern. Beffer noch, nicht einmal 15, 20 Fchritt, Rekrutin. Am beften Du vergifft, daff ef fo etwaf überhaupt gibt."
Mohrtischa nickte und wirkte über diese dienstliche Anweisung mehr als glücklich. Und es schien nichts besonderes zu sein; einen ähnlichen Befehl hatte Rekrut Schweifel in Bezug auf die Kommunikationstauben erhalten.
[20]"Ferner ist es Dir unterfagt, Fpäffe innerhalb der Narrengilde zu machen, Flickwäfche bei der Näherinnengilde abfugeben und am Eingang der Affafinen- und Diebefgilde auf die Ftudenten und Dofenten fu lauern, die hinauf gehen. Das find keine Verbrecher."
Damit gingen Frau Korporal die Finger aus und Sie seufzte schwer und Sie beeilte sich der Zwischenfrage der Rekrutin zuvorzukommen.
"Kommen wir alfo zum letften Abfchnitt Deiner Aufbildung, Rekrutin Unmagifch: dem Kreufverhör."
"Frau Korporal, För?" Nun war es an der Rekrutin einen Finger zögerlich zu heben, um eine Frage zu stellen.
Feinstich ahnte, was kommen würde und wurde zu Ihrem Leidwesen nicht enttäuscht. "Ja, Rekrutin?"
"Was ist bitte ein Kreuf, För?", fragte Sie voller Unschuld.
"Nicht Kreuf, sondern Kreu
f.", schnarrte Rogi, "Ifch meine Kreu...
z." Die willentliche Anstrengung gegen jahrhundertealte Traditionen zu verstoßen war der Korporal deutlich anzusehen.
"Warum soll ich ein Kreuz verhören, För?", erkundigte sich die Zwergin voller Unschuld und Feinstich seufzte. "Wir verhören kein Kreuf, fondern machen ein
Kreufverhör, Rekrutin."
"Aha.", ließ sich die Hekse vernehmen und Ihr beinahe vorwurfsvoller Tonfall machte deutlich, daß Ihr die augenscheinliche Logik in Feinstichs Aussage völlig entgangen war.
Die Igorina versuchte es erneut, um weitere Mißverständnisse zu vermeiden. "Kreufverhör hat nichtf mit dem Kreuf fu tun. Ef meint vielmehr, daf zwei Wächter einen Verdächtigen befragen, wobei einer der Gute, der andere der Böfe Wächter ist."
Mohrtischa klimperte mit den langen Wimpern. "Es gibt
böse Wächter?"
"Nein.", Feinstich schüttelte wider besseren Wissens den Kopf, "Wir tun nur fo."
Die Helmunterkante neigte sich deutlich Richtung Nase; ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Zwergin angestrengt nachdachte. "Also - lügen wir, För.", stellte Sie schließlich fest und Frau Korporal bestätigte diese Einsicht.
"Aber... Das ist nicht richtig, wir sind doch
Wächter, Frau Korporal. För, Mähm, För"
"Ef dient dem höheren Wohl, Rekrutin Unmagifch.", versetzte Feinstich knapp und wünschte sich in eine andere Abteilung. Nicht zum ersten Mal und ganz sicher nicht zum letzten Mal.
"Aber - lügen ist böse, das tut man nicht. Und was böse ist, kann auch nicht Wohl sein, oder?", faßte Unmagisch Ihre Expertise zusammen.
"Äh..." Feinstich klappte den Mund wieder zu und suchte nach einem Ausweg. "Haft du Dir eigentlich fchon Gedanken darüber gemacht, in welcher Abteilung Du fukünftig dienen willft?" Das würde Ihr selbst die Entscheidung erleichtern, sollte Sie sich dazu entscheiden, GRUND zu verlassen; Rogi verspürte nicht das geringste Interesse daran, mit Unmagisch weiterhin direkt zusammenarbeiten zu müssen; jedenfalls nicht, solange sie nicht ein weiteres Gehirn zur Hand hatte.
Zu Ihrem bedauern schüttelte Unmagisch den Kopf. "Ich bin mir noch nicht ganz sicher, Frau Korporal. Obwohl - diese kleine Armbrust, die ich neulich gesehen habe..." Und Sie seufzte erwartungsvoll, während sich Rogi verzweifelt versuchte, die Zwergin als MUT-Schützin vorzustellen. Doch diesen Gedanken verwarf Sie schnell wieder; selbst in der neuen, modernen und aufgeschlossenen Wache gab es Dinge, die... Nun, Dinge die einfach nicht möglich waren.
Jedenfalls nicht, ehe Mohrtischa Unmagsich beigetreten war...
[21]"Ah...", seufzte Rogi und unterdrückte den Wunsch, sich an Ihrer Schublade bzw. deren Inhalt zu schaffen zu machen, "Ja, gut. Kommen wir zurück zum Kreufverhör, Rekrutin."
Mohrtischa nickte mit zusammengezogenen Brauen.
"Alfo, Rekrut Fchweifel hat fich bereit erklärt, alf der zu Verhörende zu agieren. Er ift unfer Verdächtiger und Du wirft Ihn gemeinfam mit mir verhören.", die Korporal machte eine Kunstpause um Mohrtischa die Gelegenheit zu geben, das gehörte zu verstehen, bevor Sie schnell genug fortfuhr, ehe die Rekrutin wieder eine Frage stellen konnte, "Haft Du das foweit verftanden, Rekrutin Unmagifch?"
Dass nachfolgende nicken war eine eher zögerliche Angelegenheit seitens der Zwergin.
"Fehr gut. Du wirft die Ftelle def böfen Wächterf übernehmen, Rekrutin."
Sie wartete auf das unvermeidliche räuspern, was eine Frage der Rekrutin einleitete und wurde wieder nicht enttäuscht.
"Ja, Rekrutin Unmagifch?"
"Frau Korporal, För, äh...bekomme ich dann nicht Schwierigkeiten..?" Der Gesichtsausdruck der Zwergin verriet, soweit Rogi das beurteilen konnte, ehrliche Besorgnis.
"Ähem - wie meinft Du daf, Rekrutin?"
"Nun, Sir, äh...mit
Intörnöl Afförs meine ich, För Mähm För."
Obwohl es nicht wirklich eine Überrschung hätte sein dürfen, hob Feinstich überrascht eine Augenbraue.
"Mit Intörnöl Afförf? Warum denn da..." Und SIe stockte, denn mit plötzlicher Klarheit offenbarten sich die Gedankengänge der Rekrutin. Was diese nicht ahnen konnte, da Rogi Ihre Mimik unter erstaunlicher Kontrolle hatte.
"Nun, weil ein böfer, äh...böser Wächter doch ..."
Abwehrend hob Rogi die Hand: "Ich verftehe, Rekrutin und kann Dich beruhigen: wir
tun ja nur fo, alf ob, ja. Du bift ja in Wirklichkeit kein böfer Wächter, Rekrutin Unmagifch."
Wie oft hatte Sie Ihr das nun schon zu erklären versucht?
"Aber - weiß das auch Intörnöl Afförs, För? Ich meine..."
"Ja..?", erwiderte Rogi gedehnt, denn hier lag etwas in der Luft, was noch nicht bis zu Ihr vorgedrungen war und sicher nicht Teil der Ausbildung war.
"Nun, also...ich habe gehört, das Intörnöl Afförs nicht immer... Sie bekommen nicht immer alles geregelt, so, wie es ist, hat man mir gesagt. För."
"
Man.", stellte Feinstich betont ruhig fest und Mohrtischa nickte ernsthaft.
Den flüchtigen Gedanken, diesem ominösen
man detailliert auf die Spur zu kommen, verscheuchte Rogi wie eine lästige Fliege, denn der Ausbildungsplan mußte eingehalten werden und Ihre eigene Versetzung stand nahezu unmittelbar bevor. Und als erfahrene Wächterin war Ihr im Grunde klar, das es in der Wache, ja in ganz Ankh-Morpork, nur so von
hat-man-gesagt wimmelte...
"Rekrutin Unmagifch", sagte Sie mit fester Stimme, "ich verfichere Dir: um Intörnöl Afförf mufft Du Dir derzeit keine Gedanken machen." Dabei legte Sie alle Überzeugungskraft in den Satz, zu der Sie fähig war, denn man sagte allgemein, das man sich um die vorgeblichen Kollegen von IA sehr wohl immer Gedanken machen sollte... Aber das mußte jeder Wächter selbst herausfinden; Teil der Ausbildung
nach der Ausbildung sozusagen.
"Wenn Sie das sagen, För...", nuschelte Mohrtischa und Feinstich nickte nochmals nachdrücklich.
"Nun - komm, der zu Verhörende wartet."
Unmagisch folgte dem Korporal in die Verhörzelle und zuckte automatisch vor den Spinnweben zurück; Ihre subtile Körpersprache erinnerte plötzlich an eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer zurückzieht und Feinstich seufzte; hatte Sie sich doch besonders viel Mühe gegeben, die richtige Atmosphäre zu schaffen.
Rekrut Schweifel saß mit einem leicht gelangweilten Gesichtsausdruck auf einem Hocker und hatte die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt.
"Hallo, Lobi!", grüßte Mohrtischa und Rogi räusperte sich nachdrücklich.
"Daf ift nicht Lobi, fondern ein unbekannter Verdächtiger, Rekrutin Unmagifch.", stellte Sie klar und die Zwergin nickte langsam, während der Helmrand sich wieder bedrohlich der breiten Nasenwurzel zuneigte.
"Er sieht aber genauso aus wie Lobi, För."
In Gedanken begann Feinstich von 100 rückwärts zu zählen und entspannte sich sichtlich, nachdem Sie bei 59 einhalb angekommen war.
"Daf ift ein Verdächtiger und wir haben die Aufgabe, Ihn zu verhören.", wiederholte Sie einem Mantra gleich, "Wir beginnen damit, die Perfonalien feftzuftellen.
Bitte, Rekrutin."
Nun war es an Unmagisch sich zu räuspern, wenn auch mit sichtlichem Respekt. "Aber - För, ich weiß doch, daß
das", und ein kurzer, dicker Zeigefinger richtete sich auf den vermeintlich Verdächtigen, "Rekrut Schweifel ist, För..."
"Ist er
nicht!", versetzte Rogi knapp und sehnte sich nach Ihrem besonderen
Medikament, mehr, als in all den Wochen zuvor. Die Versetzung würde Ihr sicher gut bekommen, überlegte Sie.
Sichtlich hin und her gerissen, zwischen dem Wunsch einem offensichtlichen Befehl zu gehorchen und der ebenso offensichtlichen Realität näherte sich Unmagisch dem Verdächtigen, der ganz genauso aussah, wie Ihr Kamerad Schweifel.
"Hallo, ich bin Mohrtischa - und Du?"
Wieder unterbrach ein heiseres Räuspern von Feinstich weitere Kommunikation und die Zwergin drehte sich zu Ihrer Ausbilderin herum: "Ja, För?" fragte Sie gedehnt.
"Rekrutin Unmagifch - Du bift der böfe Wächter.", erinnerte die und Mohrtischa nickte langsam und ein wenig schuldbewußt.
"'tschuldigung, För."
Nach einem Moment des Überlegens wandte Sie sich erneut Lobito zu, zog mit einer geschmeidigen Bewegung Ihre Axt und ließ die scharfe Schneide nur Millimeter an dessen Locken und Nase vorbei in die Tischplatte krachen.
"REDE!", schnauzte Unmagisch dabei barsch, während Lobito kreidebleich vom Hocker fiel und Feinstich einen schrillen Schrei ausstieß.
"UNMAGISCH!" Vor lauter Aufregung vergaß Rogi das traditionelle Lispeln.
"Ja, För?"
"D-d-daf genügt für heute, Rekrutin. Du kannft Paufe machen. Jetzt. Fofort."
Gehorsam, wenn auch etwas verwundert, trollte sich die Hekse von dannen, während Rogi mit dem Riechsalz in der Hand sich zu Schweifel hinabbeugte.
[1] Wobei sich Ihr eigener Rücken sich wieder schmerzhaft in Erinnerung brachte
[2] Im Eimer fanden sogar monatliche Ehemaligen-Treffen statt, die stets gut besucht waren
[3] Keinem Gott, wohlgemerkt, denn es war
wirklich qualitativ hochwertige Arbeit.
[4] Beides bislang unbenutzt, da Mohrtischa aufgrund bisheriger Kinderlosigkeit diese gerissenen, hinterhältigen Biester viel zu sehr mochte, um ihnen etwas anzutun.
[5] Wenn man nur lange genug darüber nachdachte, fanden sich viele geeignete Begründungen, die nicht darauf hindeuteten, daß sich ein Zwerg den Wünschen eines Trolls beugte. Ganz sicher. Bestimmt. Wenn nicht noch mehr. Im Zweifelsfalle genügte eine scharfe Axt, um als ausreichende Erklärung zu dienen.
[6] Geziffer: kleine, schwarz-weiß bepelzte Dinge, deren Schicksal darin bestand, als Saum und Kragen für Königsgewänder zu enden und das mit Lemmingen verwandt war, es jedoch vorzog, von kleinen Kieselsteinchen zu springen, schenkte den mit scharfen Messern, Netzen und Hämmerchen bewaffneten Geziffer-Sammlern nie Beachtung, die sich nicht dazu herabließen, freundlich zu fragen, ob das Schicksal als dekorativer Bestandteil genehm war.
[7] Oder so ähnlich.
[7a] Ursprünglich war sie weiß gewesen, aber diese Farbe kam für eine echte Hexe natürlich nicht in Frage.
[9] Wenn auch nicht für jeden bekömmlich.
[10] Dies beinhaltete auch einen Satz Visitenkarten - dort stand zu lesen: "
Freulain MOHRTISCHA UNMAGISCH, Hekse; vormals Thaumaturg an der Unsichtbaren Universität (Ankh-Morpork)" - von Ihr selbst gestaltet und von denselben Druckmaschinen gedruckt, die auch die Ankh-Morpork-Times herstellten.
[11] Eine akademische Beschreibung für Laufburschen.
[12] Sowie ein Kuhstall, ein Hühnerverschlag, eine Hundehütte, eine Schafweide und eine winzig kleine Schenke und die erste gottlose Kirche zu Lancre. Es handelt sich hierbei keineswegs um Atheisten, sondern um Anhänger des einen Gottes Los, welcher nicht nur Groß A'Tun, die fünf Elefanten, die Scheibenwelt und überhaupt alles geschaffen hat, sondern dem es auch gelungen war, dies unbemerkt zu tun, so daß er erst vor drei Jahren bekannt wurde, als Sein Hohepriester Zweifel Eifrig beschloß, diese ultimative Wahrheit in Kalt Hier zu verkündigen und eine Kirche zu erbauen.
[13] Wer den Hohepriester von früher kannte, würde sich auch kaum über ein solches wunderliches ausbleiben wundern. Wer sich mit praktischer Theologie auskannte, der würde so etwas nicht einmal erwarten.
[14] Erfahrungen mit Zwergen geben zu der Vermutung Anlaß, daß es sich hierbei um ein freundliches Lächeln handeln könnte. Immerhin steckte die Axt noch am Gürtel.
[15] Was es auch tat, je nach Sichtweise, denn schließlich war Sie ein traditioneller Zwerg.
[16] Das Zubereiten von genießbaren Speisen war in der Tat eine große Leidenschaft der selbsternannten Hexe. Bedauerlicherweise war nicht nur in der zwergischen Sprache "genießbar" nicht gleichbedeutend mit "lecker".
[17] Und dann war da noch diese kleine, unbedeutende Sache, mit dem Berg-Troll, der sich im Schlaf umdrehte und so mühevolle Arrangements zerbröselte...
[18] Woanders aber liegt u.a. im Achatenen Reich und auf dem 5. Kontinent und irgendwie führten die Wege dorthin durch Ankh-Morpork, das seine sprichwörtliche Anziehungskraft wieder einmal unter Beweis stellte
[19] Auch wenn das nicht die Orte waren, die für einen Wächter von Bedeutung waren, es sei denn, man wollte in den zwergischen Untergrund hinabsteigen.
[20] Was sicher nur zu dessen bestem war, den Tauben waren alles andere als eine geeignete Mahlzeit für einen angehenden Wächter. Leider verschmähte er immer noch gutes, hartes Zwergenbrot, aber Mohrtischa gab nicht auf, Ihm guten geschmack beizubringen.
[21] Aber das ist eine andere Geschichte...
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