Morgen kommt der Weihnachtsras

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vollendet am 04.01.2014
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 05.12.2011 datiert

Es nähert sich wieder diese eine Woche im Jahr, die bei vielen Wächtern, besonders bei den Altgedienten, für Unruhe sorgt. Diese Woche, wo jedes Jahr eine rot-weiß gekleidete Gestalt durch die Straßen und vor allem über die Dächer hüpft, Wächtern Streiche spielt, und überall Rote-Bete-Knollen verteilt. Die Woche des Weihnachtsras. Mittlerweile ist es allerdings schon beinahe ein halbes Jahr her, dass irgendein Wächter Rascaal Ohnedurst irgendwo gesehen hätte. Viele haben bereits die begründete Hoffnung, dass es in diesem Dezember keine Weihnachtsras-Woche geben wird. Doch da geschieht ein Mord. Und eine Rote Bete wird daneben gefunden. Und kurz darauf der nächste, ebenfalls mit einer Knolle am Tatort. Ist der Weihnachtsras nun endgültig durchgedreht? Oder möchte da nur ein Serienmörder von sich ablenken? Eine Truppe altgedienter Wächter macht sich daran, diesen Fall zu lösen.

Romulus von Grauhaar

Der Winter hatte Einzug gehalten in Ankh-Morpork. Draußen vermischte sich grauer Schneematsch mit dem üblichen Straßenschlamm und aufgrund der eisigen Temperaturen gefror das Ganze binnen kürzester Zeit zu einer eisigen, grau-braun-ekligen, aber harten und rutschigen Konsistenz. Das Tagesgeschäft der Stadtwache musste trotz allem vorwärts gehen. Schließlich ruhte das Verbrechen nicht. Araghast Breguyar, seines Zeichens Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork warf bereits zum wiederholten Male einen Blick auf den Kalender. Es war wieder einmal diese Woche im Dezember. Doch sein Vorgänger im Amt, Rascaal Ohnedurst, war vor Monaten mir nichts, dir nichts aus der Stadtwache verschwunden, ohne dass irgendjemand ein Zeichen von ihm oder auch nur irgendeinen Hinweis auf das Wieso oder Wohin gefunden hätte. War die Sorge des Kommandeurs also vollkommen grundlos? Könnte es sein, dass sich diese Woche im Jahr des komplizierten Affen als ganz normale Dezemberwoche herausstellen würde? Er warf einen Blick auf die dicke Akte, die er sich bereits am Vorabend auf den Schreibtisch gelegt hatte – natürlich nur für den Fall des Falles. In dicken Lettern stand darauf der Name "Ohnedurst" geschrieben.

***

Tick... tick... sieben Uhr, vier Minuten und dreißig Sekunden.
Auch wenn er noch nicht lange bei der Wache und auch nicht gerade der intelligenteste Rekrut der letzten Zeit war, wusste der Troll Opal doch sehr genau, was es mit dieser Uhrzeit, die in wenigen Sekunden auf der Uhr am Wachetresen angezeigt werden würde, auf sich hatte. Und dieser Gedanke ließ ihn, den fast zweieinhalb Meter großen und anderthalb Tonnen schweren ehemaligen Rausschmeißer und Banden-Troll, vor Angst erzittern. Eine Tatsache, die im halben Wachhaus am Pseudopolisplatz für leichte Erschütterungen sorgte.

Tick... tick... sieben Uhr, vier Minuten und zweifünfzig Sekunden.
Die Erschütterungen im Wachhaus nahmen zu, während stapfende Schritte aus dem Schneematsch vor dem Eingangstor zu hören waren. Mit einem unheilschwangeren Knarren öffnete sich langsam die Pforte.

Tick...tick... sieben Uhr und fünf Minuten.
Eine schrille Stimme, die beinahe die Gläser von Opals Sonnebrille zum Platzen brachten, ertönte: "Ich möchte mich beschweeeeeeren!"

***

Oberfeldwebel von Grauhaar gähnte. Die Nacht war wieder einmal ziemlich schlaflos gewesen. Musste sein Nachbar, der scheibenbekannte Musik-mit-Steinen-Star F.E.S., doch ausgerechnet die Nacht nach diesem ohnehin schon anstrengenden gestrigen Arbeitstag dazu nutzen, für seine anstehende Schneevaterfest-Tournee die gefühlt fünfhundert grausamsten Schneevaterfest-Lieder der Scheibe in eine Stein-Version zu pressen, und somit dem RUM-Abteilungsleiter den Schlaf zu rauben. Gegen drei Uhr war dieser dann zu den Klängen von "Letztes Schweihnachten gab ich dir ein Herz, und du gabst mir Nieren zurück" in einen unruhigen Schlaf gefallen, welcher nicht allzu lange gedauert hatte.
Während er sich von seinem Kaffeedämonen Mälitta-Tschiehbo einen großen klatschianischen Kaffee zubereiten ließ, öffnete er mit einem Zischen eine Dose Superbulle und ließ sich gerade den süßlich-klebrigen Inhalt in die Kehle rinnen, als plötzlich mit einem Ruck die Tür seines Abteilungsleiterbüros aufgerissen wurde, und der Kommandeur persönlich mit eilenden Schritten und wehendem Haar hineingestürmt kam. Vor dem unaufgeräumten Schreibtisch, der gerade den Füßen des Werwolfs als Ruheplatz diente blieb Araghast stehen, blickte Romulus ernst mit seinem einzigen Auge an und knallte eine dicke Akte auf die Tischplatte, die Füße des RUM-Chefs nur um wenige Millimeter verfehlend. Das erschrockene Füße-Wegziehen seines Gegenübers schien der Halbvampir überhaupt nicht zu bemerken. Mit eiskaltem Tonfall konstatierte der Kommandeur:
"Er ist wieder da!"


01.12.2011 13: 43

Araghast Breguyar

Romulus, dessen Gehirn gerade mit Gewalt aus seinem Dunst aus Müdigkeit und dem Beginn der Wirkung der Superbulledosis gerissen worden war, starrte erst seinen Freund und Vorgesetzten, und dann die Akte an.
"Nicht wirklich, oder?" war alles, was er herausbrachte.
"Doch." auf Araghasts Miene zeigte sich nicht die geringste Spur, dass es sich um einen Schneevaterfestscherz handelte.
Wortlos begann Romulus in den Tiefen seines Schreibtischs zu wühlen und stellte schließlich eine Flasche zwergischen Whisky und zwei Gläser auf den Tisch, in welche er jeweils einen kräftigen Schluck einschenkte.
"Wie?" erkundigte er sich und reichte dem Kommandeur eines der Gläser.
Dieser nahm auf einer freien Kante des Schreibtischs Platz.
"Frau Willichnicht kam heute Morgen vorbei, um ihre übliche Beschwerde loszuwerden. Der Rekrut Opal ist zwar nicht gerade der tiefgekühlteste Troll auf der Scheibe, aber er hat es geschafft, zu begreifen, dass sich die heutige Beschwerde um ihren Gemüsehändler drehte, der ihr kein Gemüse verkaufen wollte. Als der Rekrut dann mal daran dachte, nachzufragen, warum es denn kein Gemüse gab, erklärte Frau Willichnicht, dass er tot in seinem Laden lag."
"Und warum soll ausgerechnet er es gewesen sein?"
Die Lippen des Kommandeurs verzogen sich zu einem schmalen Strich.
"Im Mund der Leiche steckte eine Rote Bete-Knolle und sämtliche anderen Knollen sind gestohlen worden. Zumindest war der entsprechende Korb in der Auslage laut Frau Willichnicht als einziger leer."
Romulus nahm einen Schluck von seinem Whisky und versuchte, das dumpfe Gefühl in seiner Magengrube zu ignorieren.
"Das hört sich gar nicht gut an. Ich weiß nicht, wie viele Jahre wir schon nichts mehr vom Weihnachtsras gehört haben. Und jetzt schlägt er anscheinend wieder zu."
Araghasts dünner Zeigefinger bohrte sich in den Deckel der Akte.
"Was auch immer passiert ist, wir sollten die Ermittlungen nicht einfach irgendwem überlassen. Die Sache ist zu heikel, um irgendwelche neuen Gefreiten damit zu betrauen, die den Weihnachtsras noch nie erlebt haben."
Der Abteilungsleiter von RUM nickte.
"Was wir brauchen, sind vertrauenswürdige und vor allem erfahrene Leute. Dumm, dass aus der alten Zeit kaum noch jemand da ist. Ich würde außerdem aus meiner Abteilung Ophelia gerne dabei haben. Sie ist gründlich, zuverlässig und vor allem diskret."
Nachdenklich betrachtete Araghast die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas, deren Pegel bereits beträchtlich gesunken war.
"Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob es der richtige Fall für sie ist. Immerhin haben wir es streng genommen wieder mit einem vampirischen Wesen zu tun. Aber andererseits - Vielleicht ist Konfrontation mit dem Problem ja die richtige Lösung für sie. Und dieses Mal ist sie nicht allein."
"Harry und Hatscha waren von DOG damals dabei." sinnierte Romulus. "Ansonsten sämtliche heutigen Abteilungsleiter bis auf Breda, dazu noch Rogi, Sillybos, Magane und Fred."
Araghast leerte seinen Whisky in einem Zug.
"Die sollten reichen."
Der Werwolf warf ihm ein schwaches Lächeln zu.
"Die geballte Kompetenz der Wache."
Mit einem Schulterzucken nahm Araghast die Akte wieder an sich.
"Wie man es nimmt. Zusammen haben wir wohl mehr Dienstjahre auf dem Buckel als der ganze Rest der Wache. Wir treffen uns in zehn Minuten in meinem Büro. Es könnte der püschischen Verfassung der Teilnehmenden übrigens förderlich sein, wenn du die Flasche mitbringst. Zum Pandämonium mit den Außenagentengerüchten. Das hier ist ein akuter Notfall!"

01.12.2011 15: 15

Pismire

Mit einem unguten Gefühl starrte der alte Mann fast eine geschlagenen Viertelstunde lang auf das Memo in seiner Hand. Die Worte Diskretion und Ohnedurst fast direkt nebeneinander und das zu dieser Zeit im Jahr konnten nichts Gutes zu verheißen. Er zog die Füße aus der Schublade, in der sie es sich gerade gemütlich gemacht hatten, schwang sich aus seinem Stuhl hoch, griff zu Umhang und Tasche und öffnete die Tür.
Im Stockwerk drunter lümmelten haltungslos einige Rekruten auf dem Gang vor Braggaschs Büro herum - offensichtlich stand irgendeine weitere Lektion auf der Agenda seines Stellvertreters. Ohne lange Umschweife machte der Hauptmann die Tür auf und betrat dessen Büro.
"Ich muss rüber zum Pseudopolisplatz, Korporal Goldwart."
"Äh... Sör ..."
"Nein, nein, nichts wichtiges. Irgendeine Besprechung - wird schon nichts dramatisches sein. Kann aber ein wenig länger dauern, ich schau hinterher noch in der Pathologie vorbei. Mal wieder nach Saugi und den Kollegen schauen."
"Äh ..."
"Ja, genau. Halte einfach die Stellung."
"Äh ..."
"Ja klar - ich grüße alle von dir."
Klapp - die Tür fiel ins Schloss.

Auf dem Weg durch die Kälte und den Eismatsch grub der Schamane weiter in seinem Gedächtnis nach. Er hatte wenig - eigentlich nur einmal - mit dem Weihnachtsras zu tun gehabt. Und ihm gegenüber war der alte Bursche auch nicht bedrohlich gewesen - im Gegenteil. Ein launiger alter schräger Geselle, der mit etwas zuviel Promille im Blut durch die Gegend rauschte und seltsame Dinge austeilte: meist sentimentalen Plunder oder obskure Weisheiten. Aber natürlich gab es da noch die andere Seite - das vollständige Verschwinden eines ehemaligen Kollegen. Auch wusste er von anderen Wächtern, die weniger angenehme Erinnerungen hatten.
Nun, zum jetzigen Zeitpunkt brachte blankes Spekulieren wenig. Er würde abwarten, was der eigentlich Anlass für die Besprechung war. Dann war immer noch Zeit für weitere Überlegungen.

Als er im zweiten Stock vor dem Büro des Kommandeurs zum Klopfen die Hand erhoben hatte, stellte er fest, dass der Raum offen war. Eine Dutzend Stühle, aus irgendwelchen Ecken das Wachhauses herbeigeschleppt, stand unordentlich verteilt im Raum. Die Anzahl der Wächter im Verteilerkopf des Memos rekapitulierend stellte erleichtert fest, dass er sich keine Sitzgelegenheit organisieren musste und dass er weder der erste noch der letzte war. Laiza und Magane saßen bereits in einer Reihe vor dem Kommandeursschreibtisch, und er grüßte freundlich zu den beiden Frauen hinüber. Neben ihnen sah er Sillybos breite Gestalt, dem der Gruß ebenso galt. Da neben diesem noch ein freier Platz war, setzte er sich dazu. Auch die Mitarbeiter von RUM saßen nah beieinander. FROG war vertreten, auch die Leiterin von SEALS. Aus der DOG konnte er noch niemanden sehen, dennoch war zu einem kurzen Wortwechsel unter Kollegen keine Zeit, weil just in diesem Augenblick die noch fehlenden in Gestalt von Chief-Korporal al Nasa und Oberstabsspieß Harry den Raum betraten und die Tür schlossen. Die Besprechung konnte beginnen.

02.12.2011 20: 14

Harry

Harry beachte Kollegen um sich herum mit einer Gestenkombination, die, wie er hoffte, soviel sagte wie "Entschuldigung, dass ich zu spät gekommen bin (entschuldigendes Achselzucken), aber in diesem Matsch ist das nicht einfach für einen Gnom (kurzer Blick auf die schlammverschmierten Stiefel), und außerdem musste ich noch auf Hatscha warten, ihr wisst ja, wie Frauen sind (leicht augenrollender Seitenblick hin zu seiner Kollegin)". Dann betrachtete er die Stühle, stellte fest, dass ihm wieder einmal keiner hingestellt worden war (nicht, dass er einen gebraucht hätte, aber zumindest die Geste hätte er zu schätzen gewusst), und machte es sich dann auf dem Kommandeursschreibtisch gemütlich, wobei er den Schneematsch von seiner Kleidung ziemlich gleichmäßig auf diversen herumliegenden Zetteln verteilte.
Araghast sah stirnrunzelnd auf den Gnom herunter und brachte schnell eine dicke Akte vor dem näherkommenden Rinnsal in Sicherheit. Dann räusperte er sich und das allgemeine Stimmengemurmel erstarb.
"Schön, dass ihr alle hier seid", begann der Kommandeur. "Zunächst möchte ich euch bitten, dass das, was wir hier bereden, fürs erste unter uns bleibt. Solange wir keine handfesten Beweise haben, sollten wir dafür sorgen, dass keine unnötigen Gerüchte verbreitet werden. Sind wir uns da einig?"
Die versammelten Mitwächter nickten. Die Spannung im Raum ließ sich geradezu fühlen.
"Gut." Araghast holte tief Luft. "Es sieht so aus, als ob..." - der Kommandeur machte eine dramatische Pause - "der Weihnachtsras zurückgekehrt ist."
Ein erschrockener Aufschrei aus etwa einem Dutzend Wächtermünder war als Reaktion darauf zu hören. Der Kommandeur blickte ernst in die Runde und nickte. Alle Wächter wussten nur zu gut, was für Folgen das haben konnte, wenn diese Kreatur-"
"Äh... Entschuldigung?"
Araghast sah nach unten. Harry saß auf dem Schreibtisch in einer Lache aus geschmolzenem Schneematsch und hatte zaghaft seine Hand gehoben.
"Ja, Harry? Was ist denn?"
"Der was, bitte?"

04.12.2011 22: 16

Araghast Breguyar

"Der Weihnachtsras." erklärte Araghast. "Ex-Kommandeur Ohnedursts zweite Persönlichkeit, die nur im Laufe einer Woche kurz vor dem Silvesterfest auftritt."
Auch Ophelia Ziegenberger blickte ihn erwartungsvoll an und mit einem innerlichen Seufzen erkannte der Kommandeur, dass er sich auf einen längeren Vortrag gefasst machen musste.
Währenddessen ließ Romulus die Whiskyflasche unter den Anwesenden herumgehen. Nachdem Araghast sich selbst einen Schluck eingeschenkt und ihn getrunken hatte, räusperte er sich und griff in die Weihnachtsras-Akte, wo er ein zuoberst liegendes Van-Thom-Bild hervorholte und es für alle Wächter sichtbar in die Höhe hielt.
Die Gestalt im rot-weißen Kostüm, deren schmieriges graues Haar wirr unter der ebenfalls rot-weißen Bommelmütze hervorquoll, starrte die Ermittlungsgruppe aus blutunterlaufenen Augen, in denen die reine Bosheit glomm, an. Lange, messerscharfe Fingernägel zierten die Hände des Geschöpfes.
"Und das soll.. Rascaal sein?" erkundigte sich Harry skeptisch von seinem Platz auf dem Schreibtisch aus.
Araghast schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass Rascaal Ohnedurst noch etwas zu sagen hat, wenn der Weihnachtsras übernimmt." Er legte das Van-Thom-Bild beiseite. "Die ganze Geschichte fing vor einigen Jahren an, als diverse Wächter in der Zeit, die später als die Weihnachtsras-Woche bekannt werden sollte, schlechte Streiche in Form von Rote-Bete-Knollen gespielt bekamen. Dabei wurde eine rot-weiß gekleidete Gestalt gesichtet, die nur in Reimen sprach, über die Dächer sprang und den Namen Weihnachtsras benutzte. Anschließend konnte sich Ohnedurst nicht erinnern, wo er in der vergangenen Woche gewesen war. Im folgenden Jahr ging der Spaß weiter und auch einige Zivilisten bekamen die geschmacklosen und teilweise ziemlich hinterhältigen Scherze zu spüren. Diverse Berichte darüber befinden sich hier in der Akte. Langsam machte sich eine gewisse Knollen-Paranoia in der Wache breit. Dann kam das dritte Jahr. Und damit die Mordserie."
Pismire, Rogi, Kanndra und Sillybos nickten wissend.
"Es gab mehrere Tote, unter anderem Haufen-Hubert, der beste Leichensammler der Stadt." fuhr Araghast fort. "Die Taten trugen eindeutig die Handschrift des Weihnachtsras. Aber letztendlich wurden die Morde von einem gewissen Johann Zupfgut verübt, der sich an Ohnedurst für seinen Rausschmiss aus der Wache rächen wollte." Bei dem Gedanken an Johann Zupfgut lief dem Kommandeur unwillkürlich ein Schauer über den Rücken. In einer anderen Wirklichkeit war er beinahe selbst zum Opfer des verrückten Ex-Wächters geworden.
"Zupfgut wurde in einem FROG-Kommandoeinsatz geschnappt und erhängte sich schließlich in seiner Zelle. Seitdem wurde der Weihnachtsras nicht mehr gesehen."
Araghast gönnte sich einen weiteren Schluck Whisky.
"Die nächste Spur des Weihnachtsras tauchte auf, als Robin Picardo ermordet wurde." Der Kommandeur zog eine weitere Ikonographie aus der Akte. Sie zeigte eine eindeutig knollenförmige Narbe auf der Brust einer beleibten Leiche, in deren Kehle ein Armbrustbolzen steckte.
"Als SuSi ihn obduzierte, wurde das hier gefunden. Wie es dahin gekommen ist, wissen wir bis heute nicht, denn Ohnedurst konnte sich, wie schon gesagt, an nichts erinnern, was während dieser Woche passiert. Dann fing Ohnedurst an, sich immer seltsamer zu verhalten. Erst sein geradezu dramatischer Rücktritt als Kommandeur und schließlich vor einem halben Jahr sein komplettes Verschwinden."
Araghast blickte in die Runde.
"Und nun ist, wie es aussieht, der Weihnachtsras mit einem Knall zurück gekehrt."

06.12.2011 22: 24

Rea Dubiata

Ein Raunen ging durch die Runde.
Araghast nippte am Whisky und einige andere der Anwesenden taten es ihm gleich. "Der Gemüsehändler, der unserer gute Freundin Frau Willichnicht sein Gemüse verkauft, wurde vor wenigen Stunden tot aufgefunden. Mit einer Rote-Bete-Knolle im Mund. Gleichzeitig wurden auch der gesamte Rote-Bete-Bestand entwendet. Keine Spuren, soweit die beiden Rekruten die den undankbaren Job bekamen da mal nachzuhaken das beurteilen konnten."
Rea starrte bereits in ein leeres Glas. Sie kannte die Geschichten über den Weihnachtsras bereits und sie wusste, das mit ihm nicht immer nur gut Rote Bete essen war. Doch ein Mord?
"Haben wir außer der Roten Bete im Mund des Opfers irgendwelche Anhaltspunkte?", fragte Hatscha. "Vielleicht lebt der Mörder einfach nur gesund?"
"Wieso sollte Ras überhaupt zurückkommen, er ist doch so mir nichts dir nichts verschwunden. Ohne sich zu verabschieden." Pismire verschränkte ein wenig beleidigt die Arme vor der Brust.
"Nun, in den letzten Wochen sind gleich zwei Wächter wieder plötzlich zurückgekehrt. Wieso nicht auch Ras?", fragte Rea. "Aber das heißt nicht dass er hinter dem Mord stecken muss", fügte sie schnell hinzu.
"Und wieso bei Om bringt er einen Gemüsehändler um? Wegen Roter Bete?" Magane sah zweifelnd zu Laiza die zustimmend nickte.
"Die Zusammenhänge sind mir auch nicht so ganz klar." Die Abteilungsleiterin von SuSi zuckte mit den Schultern. "Das ist doch alles sehr an den Haaren herbeigezogen."
Sillybos kratzte sich am Bart. "Nun, vielleicht sollten wir uns das mal genauer anschauen."
Araghast nickte. "Ja, natürlich, Spekulationen bringen überhaupt nichts. Um eine Untersuchung des Tatorts kommen wir nicht herum." Er blickte in die Runde. "Die SuSis und Rea sollten zum Tatort gehen. Rea, ich möchte dass du Pismire und Magane bei der Obduktion der Leiche assisstierst. Und zwar in der Gerichtsmedizin, nicht in deinem Büro, verstanden? RUM hat das zweifelhafte Vergnügen, Frau Willichnicht sowie Nachbarn des Gemüsehändlers zu befragen. Der Rest macht sich nützlich. Wir treffen uns heute Abend wieder hier."

Der Gemüseladen Konstantin Rumgurkes war gepflegt, aber düster. Dies lag nicht nur an den zu kleinen Fenstern, die kaum Licht hineinließen, vor allem an diesen trüben Tagen, sondern auch an dem Mann der auf dem Rücken vor seinem Verkaufstisch stand. Rea und Pismire betrachteten die Leiche fachmmännisch. Auch Magane betrachtete den Toten interessiert.
"Nun, gesundes Essen verlängert das Leben eben noch nur bedingt", unterbrach Rea die Stille.
"Ich würde eher sagen, ein zerfetzter Brustkorb verkürzt es einfach nur ungemein, Fähnrich." Pismire schaute grimmig auf den Mann, dessen Augen immer noch vor Schreck starr aufgerissen waren. Er war etwa 50 Jahre alt geworden, hatte leicht dünner werdendes, graumeliertes Haar und einen vollen Rauschebart der schön gestutzt war. Die grüne Schürze war blutdurchtränkt und zerfetzt, schlimme Kratzwunden waren darunter zu erkennen.
Maggie hatte bereits damit begonnen, den Toten zu Ikonographieren, während Sillybos im Hintergrund fluchte. "Wer schickt eigentlich Rekruten zu einem Tatort! An dem Korb hier hängt ein Fetzen Grund-Uniform!"
Rea verdrehte die Augen. "Frau Willichnicht hatte nur angegeben er sei tot, ich hatte gedacht es handle sich um etwas Einfaches... "
Sie öffnete den Koffer, den sie mitgebrachte hatte und zückte das Thermometer, notierte die Temperatur des Raumes und steckte es dann gezielt in die Leber des Toten. Wieder notierte sie den Wert und rechnete dann im Kopf. "Er ist seit mindestens 12 Stunden tot, eher mehr."
Pismire nickte. "Es ist jetzt neun Uhr dreißig, er wurde wohl am späten Abend ermordet."
Rea betrachtete die Finger. "Keine Gegenwehr, zumindest nicht soweit die Fingernägel uns dies verraten würden."
"Entweder er wurde überrascht", sinnierte Magane," ... oder er kannte seinen Mörder."


06.12.2011 23: 19

Ophelia Ziegenberger

"Sör?"
Der Abteilungsleiter ließ seinen Blick bereits suchend über die Gebäudefront und durch den davor befindlichen Matsch wandern, als sie sich dem Tatort näherten. Die Gespräche mit seiner Stellvertreterin stellten sich, selbst in einer so ungewohnten Situation, wie dem gemeinsamen Außeneinsatz, als angenehm heraus. Wobei sie vielleicht doch thematisch etwas festgefahren wirkte - mit ihr zu reden war ungemein praktisch, um schnell auf dem Laufenden zu sein. Sie hatte ihm bereits die aktuellen Fälle und Ereignisse der letzten drei Wochen zusammengefasst, die Gelegenheit genutzt, um die Urlaubsplanung der Abteilung mit ihm durchzusprechen und seine Meinung zu den vielen Bewerbern der letzten Wochen abzufragen. Wenn alles so von Statten gehen würde, wie sie es planten, dann wäre der schlimmste Personalengpass bei R.U.M. in Kürze behoben. Dass sie dabei wahren, zu diesem Zwecke der D.O.G. die Ressourcen zu entziehen, würde er zwar nicht an die große Glocke hängen aber irgendwie musste eben jeder sehen, wo er blieb. Und Rabbe war gar nicht so ungestüm, wie ihr Ruf, sowie obendrein ein hervorragendes Püscho-Projekt; neben Bregs' und seinem Langzeit-Studien-Objekt in Form von Ophelia!
Er widmete ihr wieder seine Aufmerksamkeit und wandte dazu auch den Blick zu ihr um.
"Ja?"
Sie wirkte so ernst, wie es in letzter Zeit häufiger der Fall war.
"Ich bin nicht sicher, ob es wirklich unbemerkt bleiben kann, wenn wir beide zugleich nicht mehr im Wachhaus anzutreffen sein werden. Gerade in den letzten Wochen war es ja so selbstverständlich, dass zumindest ich... dort anzutreffen war. Ich sage das nur in Bezug auf den Wunsch des Kommandeurs, die Ermittlungen möglichst geheim zu halten."
Sie stapften die letzten Meter zu der grauen Hausfront mit dem großen Ladenfenster und der kleinen Tür durch ungewöhnlich hoch getürmte Schneehügel und -Furchen. Er war gleichzeitig darum bemüht, nicht zu registrieren, was für unansehnliche Hinterlassenschaften in dem Matsch verborgen lagen und doch hinzusehen, um nicht versehentlich hinein zu treten. Die Gerüche kündeten von den üblichen Erkrankungswellen um diese Jahreszeit.
"Es wird schon gehen. So!" Er trat näher an die Scheibe und schirrmte die reflektierende Fläche etwas mit der Hand. "Da wären wir! Hm... Amalie Willichnicht hat verdammt gute Augen, wenn es heute früh sogar noch dunkel war, im Laden. Die Kollegen waren doch schneller. Gut." Er drehte sich zu ihr um. "Ich fange mal dort drinnen an und frage, ob sie schon was gefunden haben, ansonsten arbeite ich mich von dort aus nach draußen und zum Umfeld des Gemüsehändlers vor. Familie und der übliche Krempel. Vielleicht hatte er ein Adressbuch hinter dem Tresen parat. Du fängst schon mal mit den Befragungen in der Nachbarschaft an. Wir treffen uns am Besten wieder im Wachhaus, so gegen frühen Nachmittag? Fred ist ja ohnehin erst mal mit der Suche nach Hinweisen zu Ras' Verbleib beschäftigt. Da werden wir dort noch am ehesten auf ihn treffen und können uns dann noch austauschen, vor der abendlichen Besprechung in Bregs' Büro."
Sie nickte.
"In Ordnung, Sör."
Er blickte ihr kurz nach, wie sie vorsichtig zum nahen Hauseingang hinüber schlidderte, immer darauf bedacht, nicht auszurutschen. Erst als sie hinter der baufälligen Tür verschwunden war, entspannte er sich wieder etwas. Ihre Behinderung machte ihn etwas nervös. Ebenso wie die Tatsache, dass sie darauf zu bestehen schien, diese fast schon zu leugnen. Sie kam besser zurecht, als irgendwer es von ihr erwartet hatte. Die vielen kleinen Modifikationen in ihrem Büro, wie beispielsweise die an der Tischkante angebrachte Reibfläche für Zündhölzer, vermittelten sogar den Eindruck, als wenn es nie anders gewesen wäre. Gleichzeitig aber war sie seit dem Ascher-Fall nicht mehr in ihrer eigentlichen Spezialisierung tätig gewesen. Bregs meinte, in einem ihrer letzten Gespräche zum Zwecke der Püscho-Ausbildung...
Er riss sich zusammen.
Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür! Sie kommt klar und hier geht es um den Weihnachts-Ras... konzentrier Dich gefälligst!
Romulus öffnete die Ladentür, die daraufhin mit einem lauten Scheppern der Türglocke reagierte.
Die Kollegen, die auf dem Boden hockten oder sonstwie mit der Spurensicherung beschäftigt waren, blickten auf und begrüßten ihn mit einem kurzen Nicken.
"Na? Schon was gefunden?"

08.12.2011 11: 38

Araghast Breguyar

Mit Schwung beförderten Magane und Pismire die Leiche Konstantin Rumgurkes auf den wartenden Karren. Während der Schamane die Bahre auf der Ladefläche festzurrte, zog die frischeste Gerichtsmedizinerin des Trupps das Tuch, welches den Toten bedeckte, zurecht. Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, vom Kommandeur persönlich zu einem Fall hinzugezogen zu werden. So lange sie sich erinnern konnte, hatte Breguyar sie nicht leiden können. Doch neulich erst hatte Laiza angedeutet, dass sie darüber nachdachte, die Abteilungsleitung abzugeben und sich Magane als ihre Nachfolgerin vorstellen könnte.
Der Chief-Korporal seufzte. Ihre letzte Beförderung lag anderthalb Jahre zurück. Und wenn ihre Teilnahme an dieser Sonderermittlungstruppe einer von Breguyars berüchtigten Tests war, der darüber entschied, ob sie bald einen Webel ihr eigen nennen konnte? Magane straffte ihre Schultern. Wenn dies ein Test für sie war, wollte sie sich nicht von der übrigen Versammlung erfahrenerer Gerichtsmediziner in die Ecke drängen lassen.

"Ich bezweifle, dass du mit deiner Nase hier Erfolg haben wirst." erläuterte Sillybos derweil im Geschäft Romulus von Grauhaar. "Ob Weihnachtsras oder nicht, der Täter wusste, was er tat."
Der Abteilungsleiter von RUM nickte nur. Gleich beim Betreten des Ladens hatte sein empfindlicher Riecher den penetranten Geruch von Lebkuchengewürz und Roter Bete wahrgenommen.
"Sonst irgendwelche Spuren?" erkundigte er sich.
Der Spurensicherer schüttelte so vehement den Kopf, dass sein langer Bart hin- und herschwang. "Der Mörder ist äußerst gründlich vorgegangen. Was mir allerdings aufgefallen ist, als ich den Tresen abpuderte, war das Fehlen eines Kassenbuchs. Dort, wo es normalerweise liegen sollte, wenn ich mit den Gepflogenheiten von kleinen Geschäften vertraut bin, ist ein staubfreier Fleck in Buchgröße zu sehen. Das Geld in der Kasse gleich daneben wurde allerdings nicht angerührt. Es sind fast zwanzig Ankh-Morpork-Dollar."
Romulus strich sich nachdenklich über den Bart. Kaum ein gewöhnlicher Verbrecher ließ sich einen knappen Monatssold der Stadtwache einfach entgehen.
"Gute Arbeit, Hauptfeldwebel." brummte er und trat wieder auf die Straße, wo er erst einmal tief durchatmete um den hartnäckigen Geruch der Gewürzbombe aus seiner Nase zu vertreiben.

Währenddessen saß Araghast Breguyar mit dem letzten Rest Whisky auf dem Balken in seinem Büro. Warum er auf Rascaals alten Lieblingsplatz, auf dem er normalerweise unliebsame Akten bunkerte, geklettert war, konnte er nicht genau sagen. Vermutlich erhoffte er sich bei der Betrachtung der zahlreichen eingetrockneten Rote Bete-Flecke eine Inspiration. Unter ihm auf dem ansonsten leer geräumten Schreibtisch lag der Inhalt der Weihnachtsras-Akte ausgebreitet, ganz zuoberst die Ikonographie der verdächtigen Narbe auf Robin Picardos Brust. Bei allen dem Weihnachtsras zugeschriebenen Mordfällen war am Ende ein anderer der Täter gewesen, doch einem Wesen, das zum Vergnügen andere Leute verstümmelte, traute der Püschologe alles zu. Eigentlich kannte niemand in der heutigen Wache Rascaal Ohnedurst wirklich, ging ihm durch den Kopf. Humph MeckDwarf, Venezia Knurblich, Lewton, Irina Lanfear, Atera - Sie alle waren mehr oder weniger fort.
Während er im Kopf die Namen ehemaliger Kollegen durchging und dabei den letzten Schluck Whisky trank, blieb Araghasts Verstand plötzlich an einem ganz bestimmten Namen hängen. Der Mann, der Rascaals komplette Laufbahn miterlebt und ihn schließlich zum Kommandeur gemacht hatte.
Er musste mit Rince sprechen.

10.12.2011 0: 58

Kanndra

Sich nützlich machen... Kanndra sah im Moment keinen anderen Nutzen, als ihre tägliche Arbeit fortzuführen. Noch gab es nichts auszuspähen, noch keinen Einsatz für ihre FROGs. Dennoch beschäftigte sie der Fall natürlich. Diese Woche im Jahr, diese ganz spezielle, die sie gelernt hatten zu fürchten – seit ein paar Jahren war sie normal verlaufen. Der Weihnachtsras war verschwunden, genau wie der ehemalige Kommandeur. Viele der heutigen Kollegen hatten ihn nicht erlebt und eigentlich waren es ja auch nur harmlose, wenn auch in manchen Fällen zu Magenkrämpfen führende, Streiche gewesen. Als das Morden begann, war Kanndra in dem FROG-Team gewesen, dass erst Jagd auf den Weihnachtsras und dann auf Zupfgut gemacht hatte. Nie würde sie vergessen, wie Irina Lanfear im Kostüm des knollenverschenkenden Vampirs durch die dunkle Gasse an der Universität gehüpft war... Der Gedanke ließ sie innehalten, als sie gerade ihre Hand nach dem kochenden Wasser auf ihrem Ofen ausstrecken wollte, um sich einen Tee aufzugießen. Bestimmt war diese Gasse längst nichts anderes mehr als eine stinknormale [1] Gasse in Ankh-Morpork, die Knollenfallen entfernt oder gestohlen. Nun, ein kleiner Spaziergang konnte nicht schaden, oder? Frische Luft half ja bekanntlich beim Denken.

"Hinten", wie die fragliche Gasse genannt wurde, war tatsächlich eng, dunkel und von zweifelhaften Gerüchen und fantasielosen Graffiti geschmückt. Sie war eine Sackgasse, die auf die Unsichtbare Universität zuführte. Die thaumaturgische Strahlung sorgte für die Intelligente Rote Beete, die die bevorzugte Nahrung von Ras gewesen war, weshalb er hier einige Fallen zum Fangen der Knollen aufgestellt hatte. Die Späherin brauchte nicht lange suchen, ehe sie sie fand. Wie zu erwarten, waren sie angerostet und auch sonst nicht im besten Zustand. Was sie nicht erwartet hatte, war, dass sie überhaupt noch hier waren – und dass sie leer waren. Nicht einmal eine vertrocknete Beete, die schon lange in der Falle gelegen hatte, konnte sie sehen. Doch so verrottet, dass die Knollen sich von selbst wieder befreien konnten, waren die Fallen nicht. Das ließ nur die ziemlich unwahrscheinlichen Schlüsse zu, dass es keine Intelligente Rote Beete mehr zu fangen gab oder dass diese gelernt hatte, die Fallen zu umgehen. Oder aber Ras kam immer noch regelmäßg vorbei, was wiederum hieß, dass auch der Weihnachtsras nicht weit war.
"Der Mistkerl ist wirklich zurück", murmelte Kanndra.

10.12.2011 15: 38

Laiza Harmonie

Es war erst vier Monate her, als Laiza die Bitte geäußert hatte, von Spezialeinsätzen verschont zu bleiben. Und nun hatte der Kommandeur sie wieder in einen Spezialeinsatz hineingezogen. Diesmal sogar so speziell, dass um Verschwiegenheit gebeten wurde.
Es war auch erst vier Monate her, dass Rascaal spurloses Verschwinden entdeckt wurde. Obwohl die Vorschweinachtszeit in den letzten Jahren ruhig verlaufen war, hatten alle Wächter dieses Jahr noch viel mehr mit Ruhe und Knollenfreiheit gerechnet.
Aber wieso hatte Breguyar ausgerechnet sie mit ins Team geholt? Weil sie Abteilungsleiterin war? Weil sie die Untersuchungen bezüglich Rascaals Verschwinden überwacht hat? Zwar war sie zur aktiven Zeit des Weihnachtsras schon in der Wache gewesen, aber hatte die Geschehnisse nur am Rande miterlebt.
Wie sollte sie sich also in diesem Fall nützlich machen?
Sie entschloss sich, die Akte des Falles „Die Letzte Knolle“ aus dem Archiv herauszusuchen. Vielleicht waren ihnen doch noch wichtige Spuren entgangen? Es würde sicherlich nicht schaden, die Ikonographien des Privatzimmers noch einmal gründlich zu studieren.
Ansonsten konnte sie vorerst nur abwarten und dafür sorgen, dass die Laboranten nicht zu viele Fragen stellen würden, wenn die Spuren vom Tatort eintrafen und es sich vermehrt um Rote Bete Spuren handelte. Sie hoffte, dass der Verlauf der Untersuchungen ihr eine Aufgabe zu spielte.

10.12.2011 21: 53

Romulus von Grauhaar

Korporal Inspäctor Kolumbini war ein wenig missmutig gestimmt. Nein, das ist eigentlich eine Untertreibung. Korporal Inspäctor Kolumbini war ehrlich gesagt beinahe sauer. Und wenn die entscheidungstragenden Vorgesetzten nicht ausgerechnet seine besten Freunde Araghast und Romulus gewesen wären, er hätte seiner schlechten Laune sicher Luft gemacht. Das Problem war nicht, dass er die Aufgabe bekommen hatte, nach dem Verbleib des ehemaligen Kommandeurs und zuletzt Leutnants Rascaal Ohnedurst zu ermitteln. Das Problem war auch nicht, dass er dazu als erstes zu Rascaals guter Freundin Amalie Willichnicht geschickt wurde, mit den Worten "dann kannst du sie bei der Gelegenheit auch gleich nach näheren Informationen zum Tod des Gemüsehändlers befragen". Nein, auch damit wäre er als der Profi der er war, problemlos klargekommen. Das Problem war vielmehr, dass er nicht alleine dorthin geschickt wurde, sondern man ihm Chief-Korporal Hatscha als Nasa mitgeschickt hatte, die gerade ihren Dienst in der Abteilung RUM angetreten, und dabei eigentlich eine Ausbildung zur Kontakterin begonnen hatte. Persönlich hatte er eigentlich gar kein Problem mit Hatscha, aber dass irgendeine fachfremde Kollegin ihn in seinen Ermittlungen behindern würde – und daran bestand im Empfinden des erfahrendsten Ermittlers der Wache kein Zweifel – anstatt dass sich ihre Ausbilderin, Chief-Korporal Ziegenberger um sie kümmert, wie es eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre, wurmte ihn ungemein.
"Passen sie auf, Fräulein Nasa. Das Gespräch mit Frau Willichnicht werde ich führen, verstanden? Und sie schauen zu und merken sich, wie man Informationen aus einer Zeugin herausholt."

***

Rince, Rince ... wo war der langjährige Kommandeur der Wache eigentlich abgeblieben, nachdem er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war?
Araghast suchte in den Akten nach dem zuletzt bekannten Wohnort des Ex-Offiziers. Wenn ihn sein Gedächtnis nicht vollständig trügte, musste sich Rince irgendwo am Rande der Stadt zusammen mit seiner Frau in einem kleinen, hübschen Häuschen zurückgezogen haben, wo er seinen Ruhestand bei Zigarren, dem ein oder anderen leckeren Gläschen und natürlich einer Menge seiner heißgeliebten Butterbrote genießen konnte.
Die Gedanken des Halbvampirs wurden jäh von einer zeternden, hohen Stimme unterbrochen:
"Hey, Möchtegern-Kommandör! Schieb mal deine Saufnase hier rüber, ich hab eine Rohrpost für dich!"
Bevor Bregs die wütende Bemerkung erwidern konnte, die ihm auf der Zunge lag, hatte Rohrpostdämon Reggie, von dem dieser Satz ausgegangen war ihm eine Kapsel zugeworfen und war blitzschnell mit einem hämischen Kichern wieder in der Poströhre verschwunden. Breguyar konnte gerade noch so die Hand hochreißen, um die Kapsel zu fangen, bevor sie ihn an einer emfpindlichen Stelle treffen konnte. Mit einem missmutigen Brummen schraubte er sie auf und förderte einen Zettel zutage. Er öffnete die Nachricht und begann zu lesen:


Hallo Kommandeur!

Uns ist zu Ohren gekommen, dass das Subjekt mit dem Namen "Weihnachtsras" sich wieder in der Stadt befinden soll, und bereits ein Opfer auf seine Kappe gegangen ist. Ich möchte dich nur darauf hinweisen, dass ich deinem Sauhaufen genau drei Tage Zeit gebe, diesen Verbrecher entgültig Dingfest zu machen, ansonsten übernehmen wir diesen Fall und dir und deiner erbärmlichen Truppe werden sämtliche Kompetenzen im Fall "Weihnachtsras" entzogen.

Hochachtungsvoll
Picardo,
Hauptmann und Agent innere Sicherheit
Büro für innere Sicherheit, Patrizierpalast


"Picardo!"
Wut machte sich in Araghasts Gesichtsausdruck breit. Aber eigentlich war es kaum verwunderlich dass Dorian le Fetsch Picardo, der ehemalige Dobermann und mutmaßliche Doppelgänger von Robin Picardo, an dem Weihnachtsras-Fall interessiert war. Das Büro für innere Sicherheit hatte erstaunlich lange keine Scherereien mehr bereitet, und ausgerechnet bei diesem prekären Fall wusste Picardo offenbar genau Bescheid. Aber so sprang man nicht mit ihm um! Die Wache würde den Weihnachtsras vor dem mysteriösen Sicherheits-Büro in die Finger bekommen, koste es was es wolle! Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck machte sich der Kommandeur wieder an die Arbeit, den derzeitigen Aufenthaltsort von Rince ausfindig zu machen.

12.12.2011 11: 14

Hatscha al Nasa

Hatscha rollte mit den Augen. Sie hatte über viele Jahre Erfahrungen im verdeckten Ermitteln gesammelt. Außerdem hatte sie einige Zeit als Gildenexpertin gearbeitet, wo ermitteln ebenfalls auf der Tagesordnung stand. Aber für ihr eigenes Seelenwohl schwieg sie einfach und begleitete Kolumbini zu Frau Willichnicht.
"Ah, da sind ja endlich die richtigen Wächter! Hat ja lange genug gedauert", begrüßte Amalie Willichnicht die beiden RUM-Mitglieder.
"Ja, man sollte Rekruten keine Zeugenbefragung durchführen lassen, das, hm, sehe ich auch so", erwiderte der Inspäctor und zog seinen Notizblock hervor. "Die können das ja nur falsch machen."
Frau Willichnicht nickte energisch und bat die Wächter in ihre Wohnung, wo sie auch sofort anfing zu reden. "Ich konnte kein Gemüse kaufen. Natürlich hätte ich mich einfach an der Auslage bedienen können, als ich bemerkte, dass der Händler tot ist, aber das wäre ja immer noch Diebstahl!"
"Sie haben also nichts verändert, als Sie den Tatort betreten haben? Nichts weggenommen?", hakte Fred nach.
"Nun, nein! Ich war so erschrocken, als ich den guten Konstantin da liegen sah. Und seltsam gerochen hatte es auch, nach Lebkuchen und interessanter Weise auch nach Roter Bete, obwohl davon ja gar keine mehr da war."
"Vermutlich eine Geruchsbombe." Der Ermittler notierte etwas und tippte mit seinem Stift gedankenverloren an sein Glasauge. "Haben Sie noch andere Personen gesehen, die den Tod des Herrn Rumgurke bemerkt haben könnten?"
Irritiert blickte sie ihn an. Schließlich fand sie wieder Worte, um sich zu echauffieren: "Nein, gesehen habe ich niemanden. Das hätte ich Ihnen natürlich auch sofort gesagt! Aber ich war auch immer die erste im Laden, damit ich das frischeste und beste Gemüse bekomme. Ha! All die faulen Leute, die gutes Gemüse nicht zu schätzen wissen und mit zweitklassiger Ware, die es später nur noch gibt, Vorlieb nehmen müssen, nur, damit sie ausschlafen können! Da sollte die Stadtwache mal eingreifen! So geht die ganze Stadt vor die Hunde!"
"Natürlich, Frau Willichnicht, aber erstmal sind die richtigen Verbrechen wichtiger", mischte Hatscha sich ein, was ihr einen bösen Blick von Kolumbini und ein gezischtes "Überlassen Sie mir gefälligst das Reden" einbrachte.
"Was meine 'Kollegin' damit sagen möchte", begann der Inspäctor, wobei er eine abwertende Betonung auf das Wort "Kollegin" legte, "ist, dass es kein Verbrechen ist, auszuschlafen. Wichtiger jedoch..."
"Das sollte es aber sein!", unterbrach ihn Amalie.
"Ja, wie Sie meinen. Wichtiger jedoch ist, ob sie noch irgendwelche sachdienlichen Hinweise zum Fall Rumgurke haben. Da Sie immer so früh bei Ihrem Händler waren, haben Sie vermutlich auch keine weiteren Kunden angetroffen?"

12.12.2011 13: 24

Rogi Feinstich

Die Igorina stellte Hebel und Schalter wieder in die Leerlauf-Position zurück. Sicherheitshalber sah sich noch mal durch die Luke nach draußen, doch die Klacker in der Umgebung waren ruhig. Sie nickte zufrieden. Es war gut gewesen hier Stellung zu beziehen. Eine Nachricht aus dem Büro für innere Sicherheit hätte unter den Rekruten nur für unnötige Unruhe und vor allem Gerüchte geführt. Und anders nützlich machen konnte sie sich ohnehin nicht. Sie mochte die moderne Technik zwar nicht sonderlich, aber sie wurden leider immer wichtiger und öfter benutzt. Vor ein, zwei Jahren hätte man sich beim Klackerdienst noch gelangweilt, doch schon lange mussten die Schichtpläne für 24 Stunden erstellt werden. Sie schaute auf ihre Taschenuhr. Der Rekrut sollte sie zur Mittagsschicht wieder ablösen, damit sie noch im Taubenschlag nach dem rechten sehen konnte bevor es eine weitere Besprechung im Kommandeursbüro gab. Sie richtete ihre Uniform und auch damals als der Weihnachtsras verdächtigt wurde trug sie die Kleidung der FROG. Um eine Verletzte musste sie sich damals kümmern, doch die Sumpfdrachenattacke auf Irina Lanfaer kam vom ehemaligen Wächter Johann Zupfgut. Als sie zur Wache kam war er einer der Ausbilder gewesen und sein damaliger Selbstmord in seiner Zelle beschäftigte sie noch eine lange Zeit. Vielleicht sollte sie im Lazarett eine Bestandsaufnahme machen und sich auf alles gefasst machen, wer weiß was bei diesem Sondereinsatz noch alles passieren konnte.
"Mä'äm! Wächter Fernel meldet sich zur ablöse!"
Rogi betrachtete den jungen Mann in voller Rüstung, der plötzlich im Türrahmen stand.
Sie nickte ihm zu. "Gerade rechtfeitig, Rekrut"
Mit einem Salut verabschiedete sie sich und ging schnellen Schrittes zum Taubenschlag, wenn sie noch ins Lazarett wollte musste sie sich langsam beeilen.

13.12.2011 11: 20

Kolumbini

Kolumbini wusste, dass der Tag von hier an nur noch schlimmer werden konnte. An dem Funkeln in Frau Willichnichts Augen konnte er nur zu gut erahnen, dass Hatschaus Zwischenfrage sie verwirrt und damit erbost gemacht hatte.
"Wie sollte ich denn jemanden sehen? Ich stand unter Schock!" blaffte die Alte die beiden Wächter an.
"Ja, das wissen wir, das ist ja auch verständlich, wenn man eine Leiche entdeckt", versuchte Inspäctor sie zu beschwichtigen.
"Ach, Humbug, junger Mann! Nicht die Leiche schockte mich, sondern, dass ich heute nicht die frischesten Rote-Beete-Knollen für meinen Salat bekommen konnte! Man sollte es Händlern verbieten sich einfach so umbringen zu lassen, wenn man noch ihrer Dienste bedarf!" echauffierte sich die Geißel des Wachetresens.
"Das verstehen wir sehr gut, Frau Willichnicht", mischte sich Hatscha nochmals ein. "Aber wir wollen doch nur wissen, wer Sie daran gehindert hat, Ihre rote Beete zu kaufen! Haben Sie da vielleicht noch jemanden bemerkt?"
Kolumbini wollte schon einen Ellenbogen in die Seite seiner Kollegin rammen, als Frau Willichnicht kurz zögerte.
"Ach so ist das! Warum sagen Sie das nicht gleich. Naja wenn ich mich so zurückerinnere, meine ich schon, da noch jemanden gesehen zu haben! Aber er trug einen Kapuzenmantel, da konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Er ist in eine der Gassen verschwunden. So finstere Gestalten sieht man ja heutzutage immer öfter, deshalb habe ich das nicht für wichtig gehalten. Das war bestimmt einer von diesen Jugendbanden, die die ganze Stadt mit Graffiti verschmutzen und heimlich rauchen! Die sollten Sie mal Dingfest machen, sage ich Ihnen!"
Kolumbini sah Hatscha baff an, beinahe so als hätte er gerade einen Pudel gesehen, der eine komplizierte Differentialgleichung löst. Anscheinend hatte die ehemalige DOG-Mitarbeiterin - eine Abteilung die Fred allein deshalb suspekt war, weil sie in diesem zweifelhaften Etablissement untergebracht war - tatsächlich etwas auf dem Kasten.

13.12.2011 12: 19

Romulus von Grauhaar

"Hmmm, viel gebracht hat die Befragung der Nachbarschaft leider nicht."
Romulus' Stimme klang ein wenig entmutigt.
"Nur der vage Hinweis des alten Herrn Schleich von gegenüber," ergänzte Ophelia, "dass heute morgen, als er wie üblich ans Fenster ging, um die Tauben zu füttern, eine Gestalt in schwarzem Mantel zum Geschäft gekommen, aber nach kurzem Verweilen an der Tür ohne es zu betreten wieder umgedreht und die Straße wieder in die Richtung zurückgelaufen war, aus der er kam. Kurz darauf sei eine dicke Frau mit Regenschirm aufgetaucht, die er schon oft morgens um diese Zeit dort gesehen hatte."
"Das war offensichtlich Frau Willichnicht," schlussfolgerte der Kommandeur. Er hatte am Ende des Arbeitstages die gesamte Weihnachtsras-Geheimermittlunstruppe zur Besprechung in sein Büro gebeten. Die obligatorische Whiskyflasche war ebenfalls wieder mit von der Partie. Gerade hatten die Beteiligten begonnen, die bisherigen Ergebnisse zusammenzutragen.
"Den Kerl mit dem Kaputzenmantel hat Frau Willichnicht auch bemerkt," ergänzte Inspäctor. "Aber wenn er den Laden nicht betreten hat, wird es sich wohl kaum um den Täter handeln, es sei denn, er ist nochmal zum Tatort zurückgekehrt."
"... was es umso wahrscheinlicher macht, dass es sich beim Täter tatsächlich um den rotgekleideten Reimfetischisten handelt!"
triumphierte Araghast, der seine Annahmen bestätigt sah.
"Aber warum sollte ein Vampir wie Ras sein Opfer durch Kratzwunden töten?" gab Harry zu bedenken.
"Du vergisst, dass es sich hier nicht direkt um Rascaal handelt. Der Weihnachtsras ist ein durch und durch sadistischer Charakter."
Wie, um seine Worte zu beweisen, hielt er der versammelten Truppe die Ikonographie von Robin Picardos vernarbter Brust hin.

14.12.2011 13: 47

Kanndra

Zur gleichen Zeit, Nähe Henne-und-Küken-Feld

"Hey, du! Ich kenne dich doch..." Er fühlte sich nicht angesprochen. Ein schwatzhafter Bürger, der ihm völlig egal war. Mangelnde Reaktion auf seine Worte ließen ihn hoffentlich bald verschwinden.
"Ich habe dich gestern gesehen. Bei Rumgurke." Der Name ließ ihn abrupt stehen bleiben. Ein Fehler, verdammt. Langsam drehte er sich zu dem Mann um, der die Worte an ihn gerichtet hatte. Er sah in ein teigig aufgeschwemmtes Gesicht über einem schwarzen Mantel mit Kapuze. Dem breiten Grinsen, dass das Mondgesicht in zwei Hälften schnitt, hing etwas Spöttisches an. Und eine gewisse Nervosität. Die erkannte er gleich, denn er hatte schon viele nervöse Menschen gesehen.
"Du bist in seinen Laden gegangen, etwa um diese Zeit. Danach hat ihn niemand mehr betreten. Weißt du, ich habe ein Fenster gegenüber und viel freie Zeit", schob der Mann als Erklärung hinterher. "Und heute morgen habe ich ihn da liegen sehen. Und dann kam die Wache und hat Fragen gestellt. Keine Angst, ich habe ihnen nichts gesagt", die Worte sprudelten jetzt nur so raus aus ihm, als wollte er die Sache schnell hinter sich bringen. "Jedenfalls noch nicht", schloss Mondgesicht und grinste wieder. "Das wird auch so bleiben, wenn die Voraussetzungen stimmen, wenn du verstehst."
Er nickte, sah sich auf der belebten Straße um und winkte dem Mann, ihm in eine weit weniger frequentierte Gasse zu folgen. Der zögerte zunächst, doch die Gier gewann die Oberhand und er trat, sich ebenfalls umblickend, hinter ihm in den Schatten. Nur einem mit sehr sensiblem Gehör ausgestatteten Ohrenzeugen wäre das metallische Schleifen, das Klingeln wie von einem Glöckchen und das leise Röcheln über dem Straßenlärm nicht entgangen.

25.12.2011 14: 29

Pismire

Diesmal waren keine Rekruten die Ersten am Fundort der Leiche, sondern die Besetzung der Seals-Route 5, die in den frühen Stunden des Tages am Henne-und-Küken-Feld patroullierten, als sie die Füße eines Menschen, der offensichtlich auf dem Rücken in einer kleinen Gasse lag, bemerkten. Auch wenn natürlich keinerlei Hintergründe des Mordes an Herrn Rumgurke in der Wache bekannt geworden waren, so war doch die Tatsache eines unliziensierten Mordes registriert und besprochen worden.

Chief-Korporal Bürstenkinn und der ihm zur Ausbildung zugeteilte Boris Machtnichts näherten sich vorsichtig dem nichts Gutes verheißenden paar Füße. Beide registrierten nicht nur einen deutlichen Geruch nach billigem Fusel und Erbrochenem, nein, darüber lag noch ein Hauch dumpfer, muffiger Gemüsigkeit, wie sie später zu Protokoll geben sollten: "Kaum wahrnehmbar, aber dennoch - über all dem unverkennbaren Geruch des übermäßigen Genusses - wenn man das so nennen soll - von Alkohol und seinen Folgen, konnte man etwas wahrnehmen, was an einen dunklen, feuchten und unheilvollen Gemüsekeller erinnerte."
Gefreiter Machtnichts nickte bekräftigend. Dann habe der Chief-Korporal sich hinunter gebeugt und zu ihrer allgemeinen Erleichterung nicht nur einen Puls fühlen können, sondern mit der Berührung durch eine fremde Hand seien gleichermaßen Leben und Bewegung in den Volltrunkenen gekommen, der grunzend und röchelnd angefangen habe mit Schnarchen und sich dann in die Seitenlage bettete. Doch bevor man sich noch überlegt habe, ob - und vor allem - wie der Mann in die Ausnüchterungszelle zu bringen sei, habe er, Gefreiter Machtnichts weiter hinten in der Gasse ein weiteres Paar Füße im Dunkeln liegen sehen. Und während er sich mit dem Scherz auf den Lippen, dass man wahrscheinlich am Ende der Gasse das ganze Saufkumpanendutzend zusammen haben werde, ihm genähert habe, sei der Gemüsegeruch stärker und eindeutiger geworden - Rote Beete! - hab er noch gerufen, als der Chief-Korporal ihn mit "Sofort stehen bleiben, Gefreiter!" am Weitergehen gehindert habe. Und tatsächlich sei es dann eine Leiche gewesen, neben der man diese seltsame rote Knolle gefunden habe. So der Bericht von Seals.

Der Kommandeur hatte eine geeignete Zusammenfassung der Erzählung mit grimmigem Ton in der morgendlichen Besprechung vorgetragen, während den Anwesenden der Sondereinsatzgruppe dämmerte, dass dieses Fall kein leichter werden würde.
"Wir haben des Fundort, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch der Tatort war, gesichert und untersucht", ergänzte Laiza. "Anschließend haben wir die Leiche in den Keller gebracht, und die Gerichtsmedizin kann uns erste Ergebnisse geben. Hauptmann?"
"Ja, danke, Fähnrich." Der selbsternannte Leiter des gerichtsmedizinischen Teams schaute noch einmal auf sein Klemmbrett und begann: "Der Tote ist menschlich, männlich, ungefähr 45 bis 50 Jahre alt und starb vor ungefähr - wenn es jetzt acht Uhr morgens ist - um 22 Uhr gestern Abend, also vor zehn Stunden. Sein Herz wurde mit einem einzigen Stich einer schmalen, gekrümmtem Klingen - das verrät uns der Stichkanal - durchbohrt." Bei einer Reihe von Zuhörern erschien ein langer, gekrümmter Dolch vor ihrem geistigen Augen. Ein Offiziersdolch. Ein ganz bestimmter Offiziersdolch.
"Der Täter war ausgesprochen kräftig - bei einer Rippe wurde die Oberseite in einer Tiefe von 3 Millimetern durchkerbt, ohne dass der Stichverlauf durch den Auftritt auf den Knochen abgelenkt wurde. Die Sicherheit, mit der der Täter - oder die Täterin, wobei diese Option in meinen Augen unwahrscheinlich ist aber", ein giftiger Blick streifte Magane und Rea, die ungerührt zurück starrten, "erwähnt werden sollte - nur ein einziges Mal zustach, spricht für gründliche anatomische Kenntnisse und eine immense Entschlossenheit. Das Fehlen von Abwehrverletzungen zeugt davon, dass das Opfer ahnungslos war und dass ihm keine Zeit blieb. Dafür spricht wiederum der Stichverlauf durch die Kleidung: Die beiden standen sich gegenüber, und das Opfer hat keinerlei Anstalten gemacht, sich abzuwenden, weil es damit überhaupt nicht gerechnet hat - die Schichten seine Kleidung wurden so durchstochen, wie sie an einem stehenden Mann hängen." Er schaute kurz in die Runde, dann fuhr er beiläufig fort: "Wissen wir eigentlich schon, wer es ist und aus welchem Grund er einem in Reimen sprechende Mann mit einem irren Grinsen und dem ganzen und bekanntlich seltsamen und verstörenden Habitus des Weihnachtsras am Abend in eine dunkle Gasse gefolgt sein könnte?", schloss Pismire und klappte seine Notizen zu. "Für weitere Ergebnisse brauchen wir allerdings noch ein wenig Zeit."
"Und die haben wir nicht." Der Kommandeur hielt mit einer schwer zu deutenden Geste die Rohrpostnachricht hoch. "Das Büro für Innere Sicherheit im Palast wartet nur darauf, dass sie uns wegen Unfähigkeit bei der Recherche ablösen können."
"Na und? Besser als dieser Wichtigtuer von Picardo vom Büro für innere Sicherheit sind wir allemal, Sir!" Dem Schamanen war deutlich bewusst, dass der Kommandeur der Wache unter mehr als nur dem üblichen Stress stand.

26.12.2011 18: 53

Ophelia Ziegenberger

Ophelia saß leicht versetzt hinter Romulus in der Ecke des Kommandeursbüros. Sie hatte das Klemmbrett so auf den überschlagenen Beinen aufliegen, dass sie das Gehörte möglichst ordentlich notieren konnte, ohne es allzu sehr zu verwackeln. Ihr AL hatte ihr gleich zu Beginn zu verstehen gegeben, dass er wie üblich in ihren Fällen darauf zählte, dass sie sich um eine lückenlose Chronologie der Ereignisse und "den ganzen Schnickschnack" kümmern würde. Es half ihm eben, wenn sie den Überblick über die tausenden kleinen Details bewahrte und ihm ab und an einen Hinweis zukommen ließ, welche auf jeden Fall außen vor gelassen werden konnten - oder bei welchen sich wohmöglich noch Fragen auftaten.
Sie blickte von ihren Stichpunkten auf und verfolgte konzentriert das Gespräch der Kollegen aus den unterschiedlichen Abteilungen.
Gerade erahnte sie aufkommende Spanunngen zwischen dem Gerichtsmediziner und Breguyar. Konnte es sein, dass Letzterer sich in die Idee des Weihnachtsras verrannt hatte? Noch gab es keinen unanfechtbaren Beweis für den verrückten Vampir als Täter.
Sie hielt inne und die Finger um den Stift verkrampften sich unmerklich. Ihr Blick richtete sich auf den Boden zu ihren Füßen und ihre Gedanken drifteten von den Gesprächen im Raum fort.
Rascaal Ohnedurst war ihr noch gut in Erinnerung. Seiner zweiten Persönlichkeit hingegen war sie glücklicherweise nie begegnet. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen, war sie vor seinen Streichen verschont geblieben. Sie hatte Respekt vor ihm gehabt. Er hatte stets Autorität und Wissen ausgestrahlt. Seine Manieren hatten hie und da zu wünschen übrig gelassen aber immer gerade so im Rahmen dessen, was innerhalb der gehobenen Gesellschaft wiederum sehr wohl als amüsant gegolten hätte. Hätte sie ihn wirklich als verrückt eingestuft?
Alle Vampire waren auf irgendeine Art gefährlich, was machte es da noch für einen Unterschied, ob sie einen geistigen Schaden nachweisen konnten? Selbst die gesunden Exemplare konnten einen aus heiterem Himmel angreifen, wenn die Umstände unglücklich lagen!
Die Spitze des Bleistiftes brach und sie pochte unabsichtlich mit dem Stift auf das Papier.
Schnell sah sie sich um aber von den Kollegen schien niemand etwas bemerkt zu haben.
Sie nahm die Diskussion wieder wahr. Und dies gerade rechtzeitig, da die neueste Kladde mit dem Berichten rund um die zweite Leiche zwischenzeitlich weiter herumgereicht worden waren und soeben bei ihr anlangten.
Sie nahm die Akte dankend an und blätterte routiniert durch die Standardeinträge. Bis sie zu den Ikonographien gelangte!
Leichen hatten selten viel Ähnlichkeit mit den vormals Lebenden. Man gewöhnte sich daran, den Ausdruck der Augen und die Bewegungsfalten wegzudenken, beziehungsweise den Toten die gesündere Gesichtsfarbe aus der Erinnerung anzudichten, wenn man sie vor ihrer Ermordung getroffen hatte. Wie dies ab und an bei Befragungen unter Zeugen geschah.
Ophelia strich mit der bewegungsfähigen Hand vorsichtig am Rand der Ikonographie hinab und stellte mit leiser Stimme fest, mitten in Breguyars flammendes Plädoyer gegen den wahnsinnigen Ex-Wächter hinein:
"Das ist Herr Schleich. Beziehungsweise er war es."

26.12.2011 23: 47

Laiza Harmonie

"Dann können wir ja davon ausgehen", brach Laiza das Schweigen der Runde, "dass er Informationen zurück gehalten hat, als du ihn als Zeuge verhört hast."
"Diese Schlussfolgerung liegt nahe", bestätigte Ophelia und klappte die Kladde mit dem Untersuchungsbericht und den Ikonographien zu. "Es stellt sich nun allerdings die Frage, was er wirklich gesehen hatte. Die Aussage, dass der Unbekannte einige Zeit vor der Tür gewartet hatte und ohne den Laden zu betreten wieder verschwunden war, können wir als Falsch aus den Aufzeichnungen streichen."
"Vielleicht hat er sich Profit erhofft", warf Rea in den Raum, "Schweigen kann manchmal teuer bezahlt werden."
"Ja, mit dem Leben ..." entgegnete Laiza mehr zu sich selbst, als zu den übrigen Versammelten.
"Aber wenn er dem Täter am Henne-und-Küken-Feld aufgelauert hat, um ihn zu erpressen, dann muss dieser Schleich genau gewusst haben WER es war", meinte Magane, "Es reicht in einer Stadt wie Ankh-Morpork nicht aus, wenn man nur das Gesicht gesehen hat."
"Dass wiederum würde bedeuten, dass der Täter regelmäßig beim Gemüsehändler Rumgurke eingekauft hat," schlussfolgerte Kolumbini und fügte an: "Wenn wir uns nun vermehrt auf die Kunden des Gemüsehändlers konzentrieren, könnten wir eine heiße Spur finden."

27.12.2011 13: 24

Sillybos

Diskussionen mit hochrangingen Wächtern haben die Eigenschaft, sich gerne in die Länge zu ziehen. Harry wusste das, darum hielt er sich in solchen Besprechungen gerne zurück (ein anderer Grund war, dass zurückhaltende Leute üblicherweise mit bedeutend weniger Arbeit aus solchen Besprechungen gingen).
Er ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Alle diskutierten aufgeregt, und insbesondere wenn der Kommandeur - wieder und wieder - mahnend darauf hinwies, das es hier um den Weihnachtsras gehe, während andere betonen, das könne man noch gar nicht genau wissen, da müsse man erst weiter ermitteln; man unterbrach sich, der Ton wurde bisweilen lauter, wie so oft, wenn unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen. Der Whisky tat dazu sein Übriges.
Harrys Sitznachbar hingegen hatte sich tief in seinen Stuhl zurückgelehnt und lauschte dem Ganzen mit verschränkten Armen und einer kritischen Denkfalte in der Stirn. Als Harry ihn musterte, erwiderte Sillybos seinen Blick.
"Warst du beim Tatort?" fragte Harry leise, um die Diskussion nicht zu stören.
"Zum Glück blieb mir das erspart", antwortete der Tatortwächter ebenso im Flüsterton und rümpfte die Nase. "Diese Gassen sind meistens nicht sehr appetitlich. Aber viel hab ich wohl nicht verpasst."
Harry nickte. "Und was hältst du von dem Fall?"
Sillybos zuckte mit den Schultern. "Ach, es ist noch viel zu früh für Mutmaßungen. Diese übereifrigen Jungspunde hier, alle kaum älter als dreißig" – der alte Mann deutete in die Runde – "machen ja gerne mal aus einer Mücke einen Elefanten."
"Ist das wirklich so?" fragte Harry. "Immerhin gilt der Weihnachtsras als gemeingefährlich."
Mit wissendem Lächeln lehnte sich Sillybos noch weiter zurück. "Weißt du, ich habe den Weihnachtsras erlebt…"
Harrys Augen weiteten sich. "Und, wie ist er so?"
"Verrückt. Schlichtweg verrückt", sagte Sillybos trocken.
"Und glaubst du, er war’s? Hat er diese Morde begangen?"
"Nun, durch die spezielle Zeit und die rote Bete besteht natürlich ein Verdacht, aber …"
"Ja?"
Der Philosoph wirkte trotzig. "Nun, das muss man sich mal vorstellen: Zwölf der hochkarätigsten Wächter untersuchen zwei mehr oder weniger herkömmliche Morde, und dadurch ist fast die gesamte Wache stillgelegt. Wenn du mich fragst, ist das ein ziemlich übertriebener Egotrip des Kommandeurs. In seinem Wahn gegen den Weihnachtsras merkt er gar nicht, wie er die Abteilungen lähmt, indem er einfach ihre Leitung – inklusive Stellvertreter – abkommandiert. Wenn Verbrecher davon wüssten, wäre das für die quasi ein Freibrief."
Harry dachte kurz darüber nach. "Das mag stimmen, tut aber nichts zur Sache. Glaubst du, dass der Weihnachtsras es war?"
"Nun, ich sage mal so, wenn er es nicht war, dann müsste es schon jemand sein, der ihn gut kannte, denn dann wusste er sehr genau, welche Spuren er legen musste, um den Verdacht auf den Weihnachtsras zu lenken."
"Hm, das ist ein guter Hinweis", meinte Harry. "Vielleicht sollten wir den in der Runde mal zur Diskussion stellen…?"
Der Philosoph dachte kurz nach. "Nein, lass mal. Das bedeutet doch nur Arbeit."
Als er sich gerade wieder zurücklehnen wollte, wurden die beiden jäh vom Kommandeur unterbrochen. "Harry, Silly, nicht rumdösen. Ihr macht das. Brecht am besten gleich auf."
"Machen was?" fragten beide.


01.01.2012 22: 47

Rea Dubiata

Rea trug eine Kopie der Akten in ihr Büro, setzte einen Kessel Wasser auf Nepomucks heißen Bauch und begann sich einen Tee zuzubereiten. Sie seufzte. Was hatte sie eigentlich in diesem Fall verloren. Wächter die andere umbrachten waren ja eigentlich Sache von IA, auch wenn es für Sebulon natürlich schwierig sein sollte, gegen seinen ehemaligen Mentor zu ermitteln. Aber SEALS? Gut, der alte Knollenbeißer hatte eine Vorliebe für Katzen gehabt, dachte sie schmunzelnd. Noch immer hielt sich das Vorurteil, SEALS würde nur verirrte Stubentiger retten, doch man musste sie nur die Fälle der letzten drei Tage anschauen und fand diverses anderes Getier (u.a. einen Kanarienvogel) sowie mehr oder weniger schwere Delikte von humanoiden Lebensformen.
Sie betrachtete noch einmal das Bild von Schleich, den sie gemeinsam mit Pismire und Magane untersucht hatte. Der Täter arbeitete gründlich. Sie zweifelte immer noch an der Rückkehr des Weihnachtsras, auch wenn Kanndra von den leeren Fallen berichtet hatte. Es gab weder einen unwiderlegbaren Beweis für seine Rückkehr noch einen Gegenbeweis. Daher wollte sie offene Haltung bewahren.
Abwesend nahm sie den Kessel vom Bauch des kleinen Sumpfdrachen und goss den Tee auf. Sie kraulte noch einmal die Ohren des Wasserkochers, welcher plötzlich und unerwartet zusammenzuckte, aussprang und sich hinter ihrem Stuhl versteckte. Einen Moment später wusste sie auch, warum. Nepomuck hatte sich in den letzten Jahren als Warnsystem für eine häufige Besucherin des Wachhauses entpuppt. Schon erschallte die aufgefahrene Stimme Frau Willichnichts aus Richtung Tresen.
Rea verließ ihr Büro, nicht ohne ein ungutes Ziehen in der Magengegend. Schließlich war es bereits Mittagszeit und Frau Willichnicht eine ihrer Hauptzeugen bislang.

"Ich will sofort mit dem Beauftragten für den Fall Rumgurke sprechen! Aber soooooforrrrrt!", schrie der Schrecken der Rekruten und hieb mit dem Regenschirm auf den armen Tresendienstler eub, der schützend eine Akte hob um die Schläge abzufangen.
"Frau Willichnicht, so beruhigen Sie sich doch", rief Rea aus sicherer Entfernung.
"Ich mich beruhigen? Der Nachbar meines Gemüsehändlers wurde ermordet und ich soll mich beruhigen?" Frau Willichnicht brachte ihre gut 130kg in Bewegung um sich der AL SEALS entgegenzustellen. Drohend den Regenschirm gehoben lief sie auf die Hexe los.
"Mein Leben ist in Gefahr und ich soll mich beruhigen??", rief sie erneut und setzte wieder ihren Regenschirm als Betonung ein.
Rea wich geschickt aus und schüttelte den Kopf. "Bitte kommen Sie mit in mein Büro, dort bekommen Sie eine schöne Tasse Tee und wir sprechen darüber", versuchte sie zu beschwichtigen, bevor die Damen noch mehr Details des Falls von sich gab. Im Augenwinkel sah Rea dass eine weitere Person im Foyer stand. Hilfesuchend sah Rea in das eine Auge was die Szene beobachtet hatte. Der Mann nickte ihr zu. "Sehen Sie, sogar der Herr Kommandeur möchte sich Ihrer annehmen. Kommen Sie, der Tee steht schon bereit."

"Sie fordern also den Zeugenschutz, Frau Willichnicht? Woher wissen sie eigentlich dass ein Nachbar umgebracht wurde?" Breguyar saß etwas unbequem auf Reas Bahre und schlürfte an dem Tee, dem es an Untervektorrum mangelte.
Aus der Ecke des Büros ertönte ein leises Winseln des Sumpfdrachen, der hier hauste. Er hatte sich als unförmiges Objekt getarnt zwischen zwei Akten versteckt die langsam begannen zu rauchen.
"Na, das weiß doch längst die ganze Stadt! Die Times kam heute nochmal bei mir vorbei. Ich hatte ihr ja bereits gestern in äkskulsief Interfiu gegeben. Heute fragten sie mich ob ich auch denn Herrn Schleich kennen würde. Naja, ich hab den ab und an gesehen, aber wirklich gekannt.. Nun, egal, auf jeden Fall räumt da jemand seine Spuren auf, das sieht ja wohl ein Blinder!" Sie schlürfte geräuschvoll an ihrer Tasse Tee, gegen die sie ihren Regenschirm vorerst eingetauscht hatte.
Breguyar warf Rea einen kurzen Blick zu. Diese nickte. "Nun, unter diesen Umständen wäre es vielleicht wirklich besser wenn ihr Ihnen Schutz zukommen ließen. Ich denke, wir können einige Rekruten..."
"Keine Rekruten! Und auch keine Trolle! Oder Zwerge! Nicht dass ich was gegen die hätte, aber ich habe den Boden frisch polieren lassen und diese Eisenschuhe machen nur wieder Kratzer rein."
Bregs seufzte. Es war natürlich auch keine Idee, den Kreis der eingeweihten zu erweitern. Außerdem neigten gerade Rekruten zum Tratsch - und wenn bereits die Times Wind von der Sache bekommen hatte - missmutig dachte er an die Nachricht von Picardo - und überhaupt… "Rea, kannst du die erste Schicht übernehmen? Und nach dir Kanndra?"
Um Reas Mund zuckte es kaum merklich. Sie sah Frau Willichnicht an und dann wieder zu Bregs auf. "Nun, Sör, es missfällt mir gleich die Führung zweier Abteilungen auf den Schutz einer einzelnen Zivilperson..."
Bregs sah sie scharf an und auch Frau Willichnicht ließ ihren Blick zum an der Wand lehnenden Regenschirm gleiten. Bregs nutzte die Gelegenheit um der Hexe die Geheimhaltung der Sache mit einer Geste nocheinmal vor Augen zu führen.
"Gut, verzeihen Sie, Frau Willichnicht, aber ich habe ja jetzt in der Vorweihnachtszeit recht viel zu tun. Aber es wird ja wohl nicht anders gehen. Ich machte mich kurz bereit und begleite Sie nach Hause." Sie warf Bregs erneut einen Blick zu, diesmal grün vor Gift. Er zuckte die Schultern und stand auf.
"Dann wäre das ja geklärt, meine Damen. Und keine weiteren Gespräche mit der Times, Frau Willichnicht. Ich muss doch sehr bitten. Auf Wiedersehen."

04.01.2012 14: 01

Harry

"Kunden ausfindig machen? Wir?" Harry trommelte wütend mit seinen Füßchen gegen Sillybos' Brustbein (oder besser, gegen die Stelle, wo der Bart des Philosophen das Brustbein verdeckte). "Das ist doch keine Aufgabe für uns! Wozu gibt es denn bitte Rekruten?"
"Der Kommandeur hat doch gesagt, er will, dass so wenige Leute wie möglich über den Fall Bescheid wissen", entgegnete der Philosoph und ignorierte die klopfenden Stiefelchen. "Lass es uns einfach hinter uns bringen, ja?"
"Aber wie? Das Geschäft haben die Tatortleute doch schon durchsucht. Außerdem glaube ich nicht, dass man als Gemüsehändler eine Liste mit den Namen all seiner Kunden führt."
Darauf wusste Sillybos keine Antwort. "Gehen wir erst mal zum Geschäft", meinte er schließlich. "Vielleicht fällt uns ja etwas ein."
Ankh-Morpork war warm und verregnet - viel zu warm für diese Jahreszeit, und auf jeden Fall zu warm, um Schweinachtsgefühle zu erzeugen. An einer Ecke stand eine Gruppe von Bettlern und sang festliche Lieder, in der Hoffnung, dass ihnen jemand Geld gab, damit sie weiterzogen, und auf einigen Plätzen waren Buden aufgestellt, aus denen Schmalzkuchen, gebrannte Mandeln und frittierte Schweineinnereien verkauft wurden, aber aber alles wirkte halbherzig, als wären sich die Leute noch nicht sicher, ob es auch dieses Jahr eine Sonnenwende geben würde.
Das Geschäft des verstorbenen Gemüsehändlers war eindeutig im zerbrochenen Wachesiegel vorne an der Tür zu erkennen [2]
"Gut", meinte Harry. "Hier also hat Rumgurke gewohnt und gearbeitet. Und gegenüber Herr Schleich, das Opfer von heute morgen. Und was machen wir jetzt hier?"
"Na was wohl?", erwiderte Sillybos. "Wir warten auf Kundschaft!"

Als Guido Nordfront eine knappe Stunde später das Geschäft für seinen wöchentlichen Großeinkauf betrat, wunderte er sich nicht schlecht, als ihm ein alter, bärtiger Wächter von hinter dem Verkaufstresen freundlich zulächelte.
"Habe ich es nicht gesagt?", sagte der Alte dann, anscheinend zu der leeren Luft. "Wenn der Wächter nicht die Leute suchen will, müssen die Leute eben zum Wächter kommen."
"Ist... ist alles in Ordnung?", fragte Guido. "Wo ist denn Herr Rumgurke?"
"Oh, der ist tot. Gestern gestorben. Wir hätten ein paar Fragen an Sie."
"Tot? An mich? Wir?" Die Fragen folgten so schnell aufeinander in Guidos Kopf, dass er sie so schnell gar nicht aussprechen konnte.
"Ja, tot. Ja, an Sie. Wir, das bin ich - Hauptfeldwebel Sillybos - und mein Kollege, Oberstabsspieß Harry." Der Wächter deutete auf seinen Bart.
"Ober... stabsspieß?" Guido betrachtete seinen Gegenüber verwirrt. Wenn er keine Wächteruniform getragen hätte, wäre er sicher gewesen, es mit einem Verrückten zu tun zu haben.
"Oberstabsspieß", bestätigte der Bart.
Während Guido noch um Fassung rang, schälte sich aus dem Bart ein Gnom heraus, der es sich darin offensichtlich bequem gemacht hatte. "Ist alles in Ordnung? Sie sehen etwas blass aus."
"Nun, immerhin habe ich gerade... erfahren, dass mein Gemüsehändler tot ist", stammelte Guido. "Und Sie haben Fragen an mich? Ich war gestern gar nicht hier!"
"Das versteht sich von selbst, sonst wären Sie kaum heute gekommen", erwiderte Harry. "Aber wir wüssten ganz allgemein gerne, ob Sie uns etwas über Herrn Rumgurkes Kunden erzählen könnten."
"Nun... viele von ihnen kennen Sie wahrscheinlich besser als ich, nehme ich an. Ich bin-"
"Einen Moment. Wieso sollen wir sie besser kennen?"
"Na, wegen dem Exwächter-Rabatt. Ich treffe doch fast immer, wenn ich hier bin, auf den einen oder anderen ehemaligen Wächter."
"Exwächter-Rabatt?", fragten beide Wächter gleichzeitig.
"Na sicher. Ehemalige Wächter und Wächterwitwen und -waisen bekommen hier alles zum halben Preis, wusstet ihr das nicht? Der alte Rumgurke hat immer gesagt, er wollte was zurückgeben an die 'fleißigen Männer in Uniform', wie er sich ausdrückte. Ich glaube, so ziemlich jeder, der mal in der Wache war, kauft hier ein."
Harry und Sillybos warfen sich gegenseitig einen Blick zu. "Danke, das hilft uns schon mal sehr weiter."
"Es freut mich, wenn ich Ihnen helfen konnte." Guido warf einen zaghaften Seitenblick in Richtung der Regale. "Äh... wäre es möglich..."

Kurz darauf verließen die beiden Wächter, um acht Ankh-Morpork-Dollar reicher, das Geschäft.
"Glaubst du, wir müssen das Geld abgeben?", fragte Harry.
"Ach was. Das Zeug verdirbt da doch sowieso nur, oder wird geklaut. Da schadet es doch nichts, wenn wir vorher noch ein bisschen was davon verkaufen."
"Wenn du das so siehst..."
"Na klar. Philosophisch betrachtet, macht das überhaupt keinen Unterschied. Und jetzt gehen wir zum Kommandeur zurück und berichten ihm von unserem Ergebnis."
"Wenn alle ehemaligen Wächter dort einkaufen, dann ist das noch ein Indiz gegen Rascaal, oder nicht?"
"Vielleicht. Auf jeden Fall sollte uns das helfen, wenn wir weitere Kunden ausfindig machen müssen."

04.01.2012 22: 08

Romulus von Grauhaar

Romulus und Ophelia waren derweil erneut auf dem Weg, Ermittlungen in der Nachbarschaft des Gemüseladens anzustellen, diesmal mit dem Ziel, nähere Informationen über den frisch ermordeten Herrn Fritz Schleich herauszubekommen.
"Ich weiß ja nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll", meinte der Werwolf auf dem Weg.
"Ich glaube, ich weiß was du meinst, Sör", antwortete seine Stellvertreterin. "Auch wenn ich nie direkt mit dem Weihnachtsras zu tun hatte, so hatte ich sehr wohl mit Rascaal Ohnedurst zu tun, und ich kann mir nicht vorstellen, wie er einen einfachen Gemüsehändler so brutal tötet, und anschließend noch einen offensichtlichen Zeugen."
"Das meine ich eigentlich gar nicht. Wenn Rascaal einen triftigen Grund gehabt hätte, würde ich ihm das schon zutrauen. Aber die Art und Weise... wenn uns da nicht eine Menge Hintergrundinformationen zu den beiden Opfern und der Art des Todes fehlen, dann wäre das überhaupt nicht seine Art gewesen. Aus der Sicht des Püschologen würde ich sagen, dass Ohnedurst – und gerade auch der Weihnachtsras, nach allem, was wir über ihn wissen – eine viel subtilere Art und Weise gewählt hätte. Er hätte sie sicher nicht einfach so getötet, sondern auf eine sadistische Art und Weise zu Tode gequält."
"Vielleicht gab es tatsächlich einen Grund, warum er es eilig hatte, die beiden loszuwerden? Gerade bei Schleich scheint der Grund dafür auf der Hand zu liegen."
"Ja, ich weiß auch nicht... Der Ermittler in mir sagt, dass der Weihnachtsras ganz klar der Hauptverdächtige ist. Lange Fingernägel, die Rumgurkes Körper aufgerissen haben können, der krumme Offiziersdolch, auf den die von SUSI ermittelte Tatwaffe beim Mord an Schleich absolut zutrifft, die Rote-Bete-Knollen, die gefunden wurden, die Woche im Jahr... Alles spricht für Ras als Täter. Jedoch sagt der Püschologe in mir, dass die Vorgehensweise überhaupt nicht zum püschologischen Profil des Weihnachtsras passt."
"Aber der Kommandeur ist doch auch Püschologe, und zudem noch dein Ausbilder, Sör. Und er scheint fest davon überzeugt zu sein, dass die Morde auf die Kappe von Ohnedurst gehen."
"Ja, das macht es mir ja noch schwerer, meine Gedankengänge zu ordnen. Und Fred ist offenbar auch Araghasts Meinung."
Die verdeckte Ermittlerin war sich bewusst, dass die beiden genannten die engsten Freunde von Grauhaars in der Wache, und wahrscheinlich auch darüber hinaus waren, und was diese Meinungsverschiedenheit für ihren direkten Vorgesetzten bedeuten dürfte.
"Vielleicht finden wir ja hier etwas neues heraus," sagte sie und deutete auf das Haus gegenüber, in dem Fritz Schleich bis gestern noch gelebt hatte.
Der RUM-Abteilungsleiter nickte und wollte die Tür öffnen, doch offenbar war das Gebäude abgeschlossen.
"Zugesperrt. Aber halb so schlimm, das ist nicht die erste Tür, die aufgrund wichtiger Ermittlungen geöffnet werden müsste."
Die beiden wären nicht die Abteilungsleitung von RUM, wenn sich nicht mit solchen Problemen gerechnet und daher für diese Fälle vorgesorgt hätten. Chief-Korporal Ziegenberger zog das aus dem Wachhaus mitgebrachte Set an Dietrichen aus ihrer Tasche. Doch noch bevor sie sich am Schloss der Haustür zu schaffen machen konnte, öffnete diese sich nach einem lauten Klicken auf der Innenseite. Ein Troll in pechschwarzer, unheilvoll wirkender Uniform stand vor den beiden Wächtern.
"Wer ihr sein und was ihr wollen?"
"Oberfeldwebel von Grauhaar und Chief-Korporal Ziegenberger von der Stadtwache, wir arbeiten an in einem Fall, der mit dem Tod des Bewohners dieses Hauses zu tun hat und du behinderst gerade unsere Ermittlungen", versuchte es Romulus mit der uralten Schüchtere-dein-Gegenüber-mit-unterstellten-Straftaten-ein-Taktik.
"Ihr sein Stadtwache? Ihr sollt suchen nach mordendem Ex-Kommandeur und nicht Zeit verschwenden mit sinnlosen Ermittlungen. Hier ihr sein nicht zuständig, sondern wir."
"Soso", schaltete sich Ophelia ein, "und wer ist in diesem Fall 'Wir'?"
Der Troll hielt den beiden einen Zettel vor die Nasen.
"Wir sein Abteilung für innere Sicherheit und hier sein Vollmacht von Hauptmann Picardo."

***

In einer ganz anderen Ecke der Stadt war der Kommandeur höchstpersönlich kurz davor, den Mann zu treffen, der wahrscheinlich am meisten von allen, die Araghast bekannt waren, über Rascaal Ohnedurst wusste. Zu diesem Zweck hatte er auch Inspäctor Kolumbini gebeten, mitzukommen, denn er wusste um die Qualitäten des kleinen Ermittlers, wenn es darum ging, im richtigen Moment genau die richtige Frage zu stellen. Die Recherche der letzten Tage hatte ergeben, dass Rince seinen Ruhestand zusammen mit seiner Frau in einem hübschen Häuschen in der Hochkantstraße im Bezirk Lange Mauer verlebte, unweit des Randwärtigen Tors. Die genaue Hausnummer hatte der Halbvampir nicht herausbekommen, und so waren die beiden nun auf Suchen angewiesen, denn die Hochkantstraße war nicht gerade kurz.
Das regnerische Wetter setzte den beiden zu, und Breguyar verfluchte sich, seinen obligatorischen Flachmann mit Untervektor-Rum nicht mitgenommen zu haben.
"Fred, du hast nicht zufällig eine Flasche Rum in deinem MANTEL?"
Kolumbini nahm die Pfeife [3] aus dem Mund.
"Tut mir leid, ich kann dir höchstens eine Tasse Tee anbieten."
Um seinen Worten Taten folgen zu lassen, griff er in eine der großen Innentaschen seines in Wachekreisen berühmt-berüchtigten Kleidungsstücks und förderte eine dampfende Kanne Tee und zwei hübsche Porzellantassen zutage.
"Danke schön, aber ein Schuss Rum würde die Wirkung natürlich noch verbessern."
"Hmmm, gar kein Problem. Igor!"
"Ja Meifter?"
Bregs zuckte zusammen. Auch nach vielen Jahren in der Wache und ungefähr ebensolanger Freundschaft mit dem Halb-Brindisianer hatte er sich noch nicht ganz an das Plötzliche Auftauchen eines Igors hinter dem Rücken des Rufenden gewöhnt.
"Igor, hol doch bitte schnell von zuhause eine Flasche Untervektorrum für den Herrn Kommandeur!"
"Wie du wünft Meifter."
Und schon war der bucklige Diener wieder verschwunden, so schnell er aufgetaucht war. Tee trinkend wandten sich die beiden Wächter wieder ihrer Häusersuche zu.
"Hmmm, Bregs, eine Frage hätte ich da noch an dich."
"Und die wäre?"
"Wenn wir Rince' derzeitigen Wohnsitz finden möchten, müssen wir an den Türschildern suchen, richtig?"
Der Kommandeur nickte.
"Das bringt mich zu der Überlegung: Wie heißt Rince eigentlich mit Nachnamen?"

***

Mit besorgtem Blick warf Georg Seneken einen Blick auf die Kassenbücher seiner kleinen Pfandleihe in der Paradiesstraße. In den letzten Monaten hatten sich die Zahlen leider sehr stark in den roten Bereich verändert. Es war wohl an der Zeit, ein paar der Dinge zu versteigern, die säumige Schuldner als Pfand bei ihm gelassen hatten. Mit hängenden Schultern begab er sich in den Lagerraum, in welchem sich auf einigen Regalen diverse verstaubte Gegenstände sammelten, welche als Gegenwert für einen mehr oder weniger großzügigen Kredit hinterlassen worden waren. Eigentlich war er mittlerweile viel zu alt für sowas, befand Seneken. Er packte einige Dinge, die schon besonders lange in seiner Obhut waren, in eine Holzkiste, um sie zum Auktionshaus zu bringen, als er einen Schatten hinter sich gewahrte und erschrak. Er hatte gar nicht gemerkt, dass jemand die Pfandleihe betreten hatte. Das letzte, was Seneken in seinem Leben roch, war der unverkennbare, erdige Geruch von Roter Bete, das letzte, was er hörte, war der folgende Vers:

Gibst nur kleines Geld fürs Pfand
Das nagelt dich nun an die Wand
Du hast da was, was mir gehört
Dein Leben, das ist schnell zerstört!

09.01.2012 12: 54

Araghast Breguyar

Kolumbini zuckte mit den Schultern.
"Woher soll ich das wissen? Er war einfach immer nur Kommandeur Rince, für jeden vom Rekruten bis zum Hauptmann. Du hast doch irgendwo in deinem Büro seine Personalakte. Stand da kein voller Name drin?"
Resigniert schüttelte Araghast den Kopf, während ihm Regen über das Gesicht rann.
"Ein Haufen Wächter wird nur unter einem einzigen Namen vereidigt. Manche haben einfach keinen Nachnamen, manche waren zu arm, um sich einen zu leisten, und wieder andere haben ihren abgelegt, weil sie in der Wache ein neues Leben beginnen wollen."
Kolumbini schnaubte verächtlich. "Ein komplett neues Leben beginnen - wir sind doch nicht die klatschianische Fremdenlegion."
"Weißt du, eigentlich klingt die klatschianische Fremdenlegion zur Zeit sogar ziemlich verlockend." stellte Araghast fest. "Dorian Picardo macht Druck. Das bedeutet mit anderen Worten, dass Vetinari den Fall für wichtig genug erachtet, um sich einzumischen. Picardo ist sein neuestes Spielzeug, um uns auf Trab zu halten, indem er durch Konkurrenz das Geschäft belebt. Und uns bleibt nichts anderes übrig, als den Tanz mitzutanzen, wenn wir nicht in seine patrizierliche Ungnade fallen wollen. Wenn der Weihnachtsras auch nur einen Funken echten Humor hat, sollte er sich Picardo holen. Ich würde ihm dafür entgegen all meiner Prinzipien sogar einen Orden verleihen."
Schweigend standen die beiden Wächter auf dem nur schwach belebten Bürgersteig. Schließlich räusperte sich der Kommandeur.
"Aber zurück zum dringendsten Problem. Wir müssen Rince finden."
"Wenn er all die Jahre nur einen Namen hatte, dann wird er sich nach seiner Pensionierung nicht plötzlich einen zweiten zugelegt haben." versuchte Kolumbini, seinem Freund Mut zu machen. "Wenn wir ihn jetzt nicht finden, können wir uns später immer noch Gedanken machen."

09.01.2012 15: 30

Kolumbini

Schweigend gingen die beiden Einäugigen die Straße herunter, blickten auf Tür und Briefkastenschilder und hingen ihren eigenen Gedanken nach, während sie die unbekannten Namen lasen. Elmosh, Wolmar, Rampel, Encir, Bolumco, Knom...hier mussten wirklich merkwürdige Leute wohnen, dachte Inspäctor.
Insgeheim freute er sich, den alten Kommandeur wiederzusehen, immerhin war er sein Ausbilder gewesen und hatte ihn sehr gefördert. Ob der Kommandeur auf seinen einstigen Zögling stolz sein würde? Klar hatte er einige sehr knifflige Fälle gelöst und war inzwischen der dienstälteste Ermittler bei RUM, aber seine eigenwillige Art hatte seine Karriere innerhalb der Wache nicht gerade beschleunigt. Fred beschloss, diesen Gedankengang zu einer Sackgasse zu erklären und blickte zu Araghast hinüber. Zu gerne hätte er gewusst, was gerade im Kopf des Kommandeurs vor sich ging.
"Meinst du, Rince wird uns wirklich weiterhelfen können?" wandte sich Kolumbini and Araghast.
"Wer sonst könnte etwas über Ras derzeitigen Aufenthaltsort wissen, als der alte Butterstullenfanatiker."
"Hehe. Hätten wir am Tatort Butterbrote gefunden, würden wir jetzt wahrscheinlich Rince verdächtigen", scherzte der Ermittler.
"Was soll das heißen?" fuhr Bregs ihn an. "Glaubst du etwa auch, dass ich mich verrannt habe? Dass ich den erstbesten Indizien hinterherhetze?"
"Was? Nein!" versuchte Fred seinen Freund zu beschwichtigen. "Ich wollte dich nur ein wenig aufheitern."
"Das einzige, was mich jetzt aufheitern könnte, wäre etwas stärkeres als dein verdammter Tee!"
"Fon tfur Ftelle!" rief Igor in diesem Augenblick hinter Bregs, der vor Schreck die Teetasse fallen ließ, die wiederum ohne einen Tropfen zu verschütten, von dem buckligen Diener aufgefangen wurde.
"Wie gewünft, etwaf Untervektor-Rum für den Kommandeur", gab der Diener bekannt und hielt mit einem schiefen, aber triumphierenden Lächeln eine volle Flasche der bernsteinfarbenen Flüssigkeit hoch - sein Herr selber rührte das Zeug nie an, hatte aber stets eine Flasche für seinen trinkfreudigen Freund daheim.
"Danke, Igor", sagte Inspäctor und nahm ihm die Flasche ab.
Araghast nahm die Teetasse zurück, leerte sie in einem Zug und hielt sie Fred hin, damit er sie mit etwas "richtigem" zu Trinken befüllen konnte.
"Tut mir leid, Fred", gab er kleinlaut zu, woraufhin der Ermittler schweigend nickte. Er kannte die Launen seines halbvampirischen Freundes nur zu gut und wusste, dass in den meisten Fällen keine böse Absicht, sondern eine - allermeist berechtigte - Paranoia dahintersteckte.
Sie hatten das Ende der Straße erreicht und keinerlei Anhaltspunkt zu Rince Aufenthaltsort gefunden. Ratlos standen die beiden Wächter und der bucklige Diener im Nieselregen dieses nassen Winters.
"Was nun?" fragte Kolumbini.
"Lass uns die Straße nochmal zurückgehen. Wenn wir dann immer noch nichts gefunden haben, gehen wir zurück ins Wachhaus."
"Gute Idee", log Fred, der sich lieber in seine Bibliothek mit einem guten zwergischen Whisky und einem Buch über überwaldianische Folklore gewünscht hätte. "Du kannst erst einmal heimgehen Igor, aber lass den Rum lieber hier."
"Wie du wünft", sagte der Bucklige, bevor er wieder entschwand.
Mit missmutigen Mienen marschierten die beiden Wächter die Straße zurück, vorbei an den seltsamen Namensschildern. Dann blieb er plötzlich stehen und schlug mit der Hand an seine Stirn.
"Ich weiß, wo er wohnt", rief er aus.
"Was? Wo? Und Woher?"
"Er hat natürlich nicht seinen richtigen Namen an seine Haustür geschrieben, sonst könnte ja jeder ehemalige Gefängnisinsasse ihm das Pandämonium heiß machen."
"Klingt vernünftig. Aber wie heißt er denn nun?"
"Hier! Bolumco ist das Wort für Wächter in einem alten brindisianischen Dialekt. Eigentlich gar nicht so schwer. Ich beweise es dir."
Mit zuversichtlichem Lächeln klopfte der kleine Ermittler an die Tür.
"Rince! Hallo, Rince! Besuch für dich von zwei alten Freunden!" rief er.
Die Tür öffnete sich und ein...Zwerg mit gestriegelten, grüngefärbten Haaren in rosafarbener Lederkluft und hochhackigen roten Lackstiefeln öffnete ihnen die Tür.
"Ja, bitte, meine Süßen?" fragte der...Zwerg.
Bregs und Kolumbini blickten den...Zwerg gebannt und etwas angewiedert an.
"Nichts, äh, falsche Tür", gab Bregs mühsam von sich. Gnädigerweise schloss der rosa Zwerg mit einem abfälligen Grunzen die Tür und ließ die Wächter weiter im Regen stehen.
"Wollt ihr vielleicht zu mir?" rief eine Stimme aus dem Hauseingang von nebenan. Araghast und Inspäctor dreht den Kopf und sahen einen...vulominösen Mann in einem viel zu kleinen Morgenmantel auf der Türschwelle des nächsten Hauses stehen. In der rechten Hand hielt er ein angebissenes Butterbrot.
"Ach, das ist ja eine Überraschung. Breguyar und Kolumbini. Na kommt mal rein", rief der ehemalige Kommandeur ihnen zu.
Bregs warf Fred einen finsteren Blick zu, als sie durch die Tür, dessen Türklopfer die Aufschrift Encir trug schritten.

Im Inneren des Hauses erwartete sie eine wohlige Wärme. Rince entschuldigte sich kurz, um sich etwas der Situation angemessenes anzuziehen. Die Einrichtung schwankte zwischen bieder und kitschig, welches überwiegte konnte keiner der beiden Besucher sagen. Inspäctor fiel auf, dass nirgends Ikonographien zu sehen waren, was gut zu der mysthischen Aura passte, die um die Frau des ehemaligen Kommandeurs herrschte. Niemand kannte ihren Namen, oder konnte sich an sie erinnern, wenn er sie doch einmal getroffen haben sollte. Wo sie jetzt war konnte weder Inspäctor noch Araghast erahnen. Mit einem lauten Knarzen der Bodendiehlen kündigte Rince seine Rückkehr an.
Er setzte sich in seinen Schaukelstuhl, neben dem ein Teller mit einem Dutzend Butterbroten stand und nahm erst sich eines und bot dann seinen Gästen welche an.
"Was kann ich für euch tun? Mensch, ist eine Ewigkeit her, was?" fing Rince an mit vollem Mund zu plaudern.
Gerne hätte Fred etwas Zeit hier verbracht, um mit seinem alten Ausbilder zu quatschen, aber Bregs hatte offenkundig keine Zeit, sich mit Floskeln aufzuhalten.
"Wir brauchen deine Hilfe. Wir müssen unbedingt Ras finden."

10.01.2012 11: 28

Magane

Wenn der Morgen damit begann, dass man etwas versetzen muss um genug Geld für den Wocheneinkauf zu haben, dann konnte es kein guter Morgen sein. Dementsprechend knapp fiel der Gruß aus mit dem er die Pfandleihe betrat. Als die erwartete Antwort ausblieb warf er einen Blick hinter den Tresen. Es war wirklich kein guter Morgen. Ihm wurde übel, was sollte er jetzt tun? Einen Bestatter rufen? Nein, das kam nicht in Frage, so wie der Pfandleiher aussah würde die Wache das untersuchen müssen. Die Wache, genau, er musste zur Wache.

Dieses Mal waren keine außenstehenden Wächter beteiligt. Hauptmann Pismire hatte sich grade am Tresen befunden und Rekruten beaufsichtigt, damit konnte er den Fall sofort an sich ziehen als er von der roten Bete hörte. Er hatte Magane zum Tatort mitgenommen und während sie sich fragte wie man mit einer Pfandleihe - in der das Chaos regierte - als Tatort umgehen sollte, kümmerte er sich um den dahingegangenen Herrn Seneken.
Magane ikonographierte alles, dabei musste sie zwar das Meckern des Dämons ignorieren , aber es konnte alles wichtig sein. Auf der Theke lagen die Geschäftsbücher und einige Notizen, anscheinend hatte sich das Opfer vor seinem Ableben mit seinen Büchern beschäftigt. Die Kasse war nicht zu finden. Wäre die rote Bete im Mund des Opfers nicht gewesen hätte sie gewettet, dass es nur ein Raubüberfall war. Aber sie wusste es besser. Jemand hatte den Pfandleiher erschossen - an die Wand genagelt - ihm eine Rote Bete in den Mund gestopft und dann die Kasse mitgenommen. Eine Armbrust passte irgendwie nicht zu Rascaal, sicherlich konnte er damit umgehen, schließlich war er ein FROG gewesen, aber wenn überhaupt war er doch ehr ein Nahkämpfer, zumindest sagte das Maganes Gefühl, obwohl sie dem Knollensauer alles zutraute. Sie sah sich die Regale noch einmal genauer an. Abdrücke im Staub, Abdrücke, die seltsam vertraut waren. Sie schloss die Augen und dachte nach.
Pismire hatte die erste Augenscheinnahme des Opfers abgeschlossen und blätterte in den Büchern. Sie waren ausgesprochen ordentlich geführt, Name des Kunden - Beschreibung des Pfands - Preis. Ausgelöste Gegenstände waren sauber ausgestrichen worden. Und dann fehlte eine Seite.
Abdrücke im Sägemehl, in der Werkstadt ihres Großvaters, Armbrüste hinterließen solche Abdrücke. Hier hatten Armbrüste gelegen und waren zugestaubt.

11.01.2012 0: 18

Ophelia Ziegenberger

Glücklicherweise hatte sie im Anschluss an die letzten ausstehenden Befragungen in Sachen Gemüsehändler und ermordeter Zeuge darauf bestanden, wirklich wieder ins Wachhaus zurückkehren zu müssen. Die Untersuchungen der angeblichen Ohnedurst-Morde hatten Priorität, gewiss, aber die übrige Abteilungsarbeit durfte deswegen noch lange nicht vernachlässigt werden. So hatte sie zumindest von Grauhaar gegenüber argumentiert. Die Realität, kaum dass sie das Foyer betrat, sah anders aus. Die S.U.S.I.-Kollegin mit dem tiefschwarzen Haar war beinahe zeitgleich mit ihr von einem Tatort eingetroffen und hatte sie mit bedeutungsvollem Blick in das kleine Gesprächszimmer neben dem Wachetresen gewunken. Der neue Mord fiel in den Zuständigkeitsbereich ihrer aller Sondertruppe, so eindeutig, wie dies mit einer Knolle im Mundraum einer Leiche eben der Fall sein konnte! Magane war so freundlich gewesen, die Gelegenheit zu nutzen und sie schnell über die wichtigsten Auffälligkeiten ins Bild zu setzen. Die nächste Besprechung stand immerhin erst in einigen Stunden an und wer wusste schon, was bei diesem vorgelegten Tempo des Täters bis dahin noch geschehen mochte. Es war besser, wenn sie sich gegenseitig so gut wie möglich auf dem Laufenden hielten, auch wenn die meisten von ihnen derzeit außer Haus unterwegs waren.

Ophelia war in ihr Büro hinaufgegangen und hatte sich dort seufzend damit abgefunden, dass sie doch erst ihre Befragungsnotizen ins Reine schreiben, die Ermittlungsakten zu den bekannten Fällen für ihren Abteilungsleiter aktualisieren und ihre Gedanken für die anstehende Besprechung strukturieren musste, ehe sie sich um ihre eigentliche Arbeit würde kümmern können - welche bereits über die Hälfte ihres sehr großen Schreibtisches gewuchert war.

Sie lehnte sich an das dunkle Samtpolster ihres eigens bezogenen Bürostuhls zurück und blickte auf das bisherige Ergebnis ihrer Bemühungen. Dort, fein säuberlich in ihrer gestochen scharfen geschwungenen Handschrift untereinander gelistet, stand Folgendes:

"1. Mord
Herr Rumgurke - Gemüsehändler - verstorben an: tiefe Wunden im Oberkörper, die an Schnitt- oder Reißwunden erinnern - zus. Hinweise: Rote Bete-Knolle im Mund des Opfers, übriger Knollenbestand der Ware verschwunden, vermutlich geführtes Kassenbuch entwendet

2. Mord
Herr Schleich - Nachbar des Gemüsehändlers/Zeuge von Gegenüber - verstorben an: gezieltem Stich ins Herz mithilfe einer langen, gebogenen Klinge - zus. Hinweise: Rote Bete-Knolle am Fundort (Seitengasse) neben der Leiche

3. Mord
Herr Seneken - Pfandleiher - verstorben an: Bolzentreffer aus einer Armbrust, der ihn zudem an eine Wand pflockte - zus. Hinweise: Rote Bete-Knolle im Mund des Opfers, fehlende Seite im Bestandsbuch der Pfandleihe, fehlende Kasse

Bisherige Schlussfolgerungen

A) Alle drei Morde stehen in eindeutiger Verbindung zueinander. Das deutlichste Indiz dafür ist die Nutzung der Knollen durch den Täter (Kenntlichmachung seiner Taten). Außerdem sprechen die räumliche Nähe und der eng beieinanderliegende Zeitablauf dafür.
Der Täter ist mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit Kunde von Herr Rumgurke gewesen, da ihn Herr Schleicher ansonsten nicht ohne Weiteres wiederfinden und zur Rede hätte stellen können.

B) Die Verbindung der Morde mit dem derzeit bevorzugten Verdächtigen ('Weihnachtsras') wird in der Verwendung der Knollen (dessen früheres Markenzeichen) gesehen.

C) Die bisher zu deduzierenden Motive für die drei vorgefallenen Morde sind in ihrer chronologischen Abfolge Habgier (Diebstahl der Ware), Sicherheitsbedürfnis (Zeugenermordung zur Wahrung von Informationen) und wiederum Habgier und Sicherheitsbedürfnis (Diebstahl sowohl von materiellem Wert, als auch von niedergeschriebenen Informationen). Da im letzten Fall, laut Vermutung Maganes, eventuell zusätzlich auch hinterlegte Pfandwaren abhanden gekommen sein könnten, wäre zudem das Motiv der Rache möglich.

D) Der sogenannte 'Weihnachtsras' gilt als püschisch labil bzw. in einem Maße als wahnsinnig, dass es mehr als zweifelhaft scheint, ihm berechtigterweise dermaßen leicht nachvollziehbare/logische Motive wie unter Punkt C vermutet, zu unterstellen.

E) Die Verwendung der bisher genutzten Mordwaffen stellt eine gewisse Entwicklung dar. Während sich die Kollegen bei der ersten Mordwaffe (Krallen/Klingen) noch einig waren, dass diese der Persönlichkeit des Verdächtigen entsprechen würde, teilen sich die Meinungen spätestens bei der Nutzung einer Armbrust.

F) Es tauchen also gewisse Widersprüche in der Theorie zum möglichen Verdächtigen auf (Vergleich der Punkte C bis E), während gleichzeitig bisher kein eindeutiger Beweis für diese Theorie vorliegt. Daraus folgert logisch, dass wir es ebenso gut mit einem bisher nicht verdächtigten Täter zu tun haben können.

G) Die an den Tatorten gefundenen Indizien, die unausweichlich auf den bisherigen Verdächtigen hinweisen (Knollen), sind dermaßen ungewöhnlich, dass sie im Falle eines abweichenden Täters (siehe Punkt F) zu dem Schluss führen müssen, dass dieser überaus vertraut mit den Wache-Interna sein müsste (Gepflogenheiten des 'Weihnachtsras', frühere Vorkommnisse um diese Gestalt etc.)"

An dieser Stelle fröstelte es sie leicht im Nacken...

28.01.2012 19: 47

Araghast Breguyar

"Ras?" für einen Augenblick legte der ehemalige Kommandeur Rince seine Stirn in Falten. "Ach ja, richtig, Rascaal Ohnedurst! Wie geht es dem alten Knaben? Ist er immer noch Stammagent?"
"Rascaal ist vor etwa einem halben Jahr spurlos verschwunden." klärte Araghast ihn auf. "Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Und wir dachten, du bis derjenige, der den alten Knollensauger von allen am Besten kennt."
Rince lachte schallend.
"Oh ja, ich erinnere mich noch wie gestern an den Tag, an dem ich einem Rekruten namens Rascaal Ohnedurst den Wächtereid abgenommen habe. Aber gekannt..." Ein weiteres Stück Butterbrot verschwand im Mund des ehemaligen Kommandeurs. "Ich kannte den Wächter Rascaal Ohnedurst ziemlich gut. Aber die Person Rascaal Ohnedurst ist eine ganz andere Geschichte. Da müsstet ihr Venezia Knurblich fragen, sie hat ja sogar mit Ras in einem Zimmer gewohnt."
"Nun, das ist leider nicht möglich." warf Kolumbini ein. "Wo Venezia geblieben ist, weiß ebenfalls niemand. Sie ist schon weitaus länger außer Dienst als Ras."
Rince schluckte den Rest seines Brotes herunter und griff nach dem nächsten.
"Ist überhaupt noch jemand im Dienst, der nicht mehr grün hinter den Ohren ist?" brummte er und hob die obere Hälfte an, um einen Blick auf den Belag zu werfen.
"Daemon ist noch da." berichtete Araghast und versuchte erst gar nicht, die Menge von Kalorien, die der Brotteller enthielt, zu schätzen. "Und Harry, Pismire und Sillybos. Die meisten von ihnen arbeiten gerade an dem Fall, wegen dem wir hier sind, und bei dem der dringende Verdacht besteht, dass er etwas mit Rascaal, beziehungsweise dem Weihnachtsras zu tun hat." Aus dem Augenwinkel beobachtete der Kommandeur, wie Kolumbini todesmutig nach einer Stulle griff und hineinbiss.
"Stimmt, es ist wieder diese Zeit im Jahr." stellte Rince fest. "Erstaunlich, was man alles vergisst, wenn man außer Dienst ist."
"Und all die Jahre hat dir niemand einen Knollenstreich gespielt?" erkundigte sich Kolumbini zwischen zwei Bissen.
Rince schüttelte den Kopf. "Ich habe es auch ganz bestimmt nicht vermisst. Aber was hat der Weihnachtsras dieses Mal wieder ausgefressen."
Araghast räusperte sich. "Es sieht so aus, als hätte der Weihnachtsras in den letzten Tagen mehrere Morde begangen.
"Hm." war alles, was der ehemalige Kommandeur darauf antwortete.
"Deshalb müssen wir dringend herausfinden, wo sich Herr Ohnedurst derzeit aufhält." fügte Kolumbini hinzu.
"Es tut mir außerordentlich Leid, aber da kann ich euch leider nicht weiterhelfen." erklärte Rince. "Aber seid ihr euch wirklich sicher, dass es der Weihnachtsras war? Ihr erinnert euch doch vermutlich noch daran, dass es schon einmal einen ähnlichen Fall gab, in dem sich ein rachsüchtiger Exwächter namens Johann Zupfgut als der Täter herausstellte."
"Aber wer sollte das dieses Mal sein?" fragte Araghast ein wenig schärfer als er beabsichtigt hatte. "Niemand hätte einen Grund, sich derart an Ohnedurst zu rächen. Die meisten kennen ihn kaum noch. Und ich bezweifle, dass Leute wie Rina Lanfear ein solches Spiel zum Spaß durchziehen würden."
"Ganz ruhig, mein junger Freund." brummte Rince. "Der Fall wird sich schon lösen. Wie gesagt, ich kann euch nicht helfen, aber ich habe von jemandem gehört, der es vielleicht kann. Die fragliche Dame heißt Frau Puss und soll sich mit dem Weihnachtsras ziemlich gut verstanden haben."

"Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Weihnachtsras ist." knurrte Araghast, als sie wieder auf der Straße standen. "Denn die einzige andere Person, der ich ein solches Spiel zutrauen würde und die sich mit der Wache genug auskennt, wäre Dorian Picardo. Und ich glaube nicht, dass Vetinari ihm so etwas durchgehen ließe."
"Noch mehr Verschwörungstheorien, Bregs?" bemerkte Kolumbini und massierte sich den Magen. "Eine Frage hätte ich da noch - Können wir auf dem Rückweg irgendwo einen Whisky trinken? Dieses Butterbrot liegt mir schwerer im Magen als eine zwergische Belagerungssemmel."


06.02.2012 21: 48

Rea Dubiata

Rea begleitete Frau Willichnicht zu ihrem Haus in der Teekuchenstraße 17. Das kleine Haus im Siebenschläferviertel mutete unscheinbar an, bei genauerem Hinsehen erkannte Rea jedoch die Anzeichen für das Haus einer schrulligen älteren Dame. In den Fenstern hingen Spitzengardinen, in dem winzigen Vorgarten, der durch einen simplen Holzzaun von der Straße abgrenzte standen einige Gartenzwerge mit Werkzeugen oder Laternen in den Händen und grinsten dämlich. Die Blumenkästen und Beete waren zu dieser Jahreszeit leer, nur etwas zurückgeschnittenes Gehölz zeugte von Rosen die hier im Frühjahr wohl blühten.
Die Nachbarschaft war für Ankh-Morporkianische Verhältnisse ruhig. Auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses saß ein Schornsteinfeger und packte eine Butterbrot aus - anscheinend machte er gerade Pause. Eine ältere, leichte bärtige Frau tratschte mit einer Nachbarin ein paar Häuser weiter. Ein paar Kinder spielten Fußball mit einer Dose und ein alter Mann mit Pfeife im Mund sah ihnen vergnügt dabei zu.
Frau Willichnicht schickte sich an die Tür aufzuschließen, als Rea sie fast barsch mit einem Arm zurückhielt. "Das mache ich, ich möchte schauen ob die Luft rein ist."
Rea steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn, zog dann das silberne Athame aus der Scheide, die sie in ihrem Rock verborgen trug und betrat das Haus.
Es war mucksmäuschenstill. Sie bedeutete Frau Willichnicht einzutreten und die Tür zu schließen. Dann ging sie mit großen Schritten durch den Windfang und trat in eine blitzblanke Küche. Diese war leer. Auch die Stube, das Schlafzimmer, die Abstellkammer, der Keller und der Dachboden zeugten von gähnender Leere, akribischer Sauberkeit und Ordnung sowie einem Hang zur alphabetischen Sortierung. Rea ging zurück zu Frau Willichnicht, die ein wenig nervös im Eingang stand.
"Die Luft ist rein, hier ist rein gar niemand."
"Aber Ihre Stiefel hätten Sie ja mal ausziehen können!", beschwerte sich Frau Willichnicht.
Rea sah den Fußstapfen nach, die sie hinterlassen hatte. Draußen nieselte es ein wenig und der Matsch klebte wie Honig an den billigen Sohlen der Wächterstiefel. Sie zuckte die Schultern. "Ich bin hier um Sie zu beschützen."
Frau Willichnicht stemmte die Arme in die Hüften. "Trotzdem machen Sie hier jetzt erstmal sauber, junges Fräulein, oder ich werde mich persönlich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren!"


Dorian Picardo wischte sich den Ruß aus dem Gesicht. Von hier oben hatte er den perfekten Blick ins Haus von Amalie Willichnicht, die den ersten Toten entdeckt hatte. Er hatte gehofft sie befragen zu können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, doch jetzt kam sie mit dieser Wächterin an. Egal, ihm reichte auch zu sehen was vor sich ging - vorerst. Die Wächterin ging anscheinend von einer Gefahr aus - oder sie nahm ihren Job sehr ernst - denn sie hatte das Haus sofort durchsucht. Die Armbrust auf dem Rücken war nicht zu übersehen gewesen, das Messer dass in den Rockfalten verborgen gewesen war, hatte ihn etwas überrascht. Diese Art von Mensch trug noch ein drittes Messer, als Frau trug sie es wahrscheinlich im Strumpfband. Alles nur für den Fall, dass er eingreifen musste. Momentan sah es nicht so aus, doch sollte sich der Mörder entschließen, tatsächlich die ältere Dame zu beseitigen, so musste er eventuell auch die Wächterin ausschalten, damit sie ihm nicht in Quere kam.
Die Wache vermutete eine Involvierung ihres ehemaligen Kommandeurs, Rascaal Ohnedursts beziehungsweise seinem Alter Ego. Sein Erzfeind - wenn man von dem Halbvampir mal absah. Sollte Ohnedurst wirklich hierher kommen, sollte er der Mörder sein, so könnte er ihn endlich beseitigen. Und er hatte ja nur die beiden Damen beschützen wollen.
Sinnierend und vor Kälte fröstelnd zündete er eine Zigarette an und sah zurück ins Haus. Was tat die Wächterin da? Putzte sie etwa? Er kicherte. So schlimm stand es also mit der Stadtwache.

Rea schütte das Schmutzwasser in den Rinnstein. Es hatte begonnen zu schneien und die Kinder hatten daher ihr Fußballspiel beendet. Die bärtige Dame war von ihrer Nachbarin in die Küche gebeten worden, nun standen sie - jede eine Tasse Tee in der Hand - am Fenster und sahen den Schneeflocken zu während sie sich eifrig unterhielten. Ansonsten waren alle von der Straße verschwunden. Nur der Schornsteinfeger saß, schon wieder rauchend, auf dem Dach.
Rea trat wieder in die Wohnung, zog die Schuhe auf der Fußmatte aus und stellte sie auf bereitgelegte Todesanzeigen der Times. Dann schlüpfte sie in die plüschigen, rosa Pantoffeln, brachte den Eimer und den Mopp zurück in den Keller und betrat wieder die Stube.
Amalie hatte bereits Tee gekocht und Gebäck bereitgestellt. "Ich muss mich entschuldigen, ich habe gar nichts im Haus, was man anbieten könnte. Kein Kuchen, keine Torte..."
"Aber Amalie", überraschenderweise war ich das Du angeboten worden nachdem sie das Regal mit den Kochbüchern bewundert hatte, "das macht doch nichts. Und Kekse sind ja da, die sehen doch köstlich aus. Und so kunstvoll ausgestochen."
"Ach die? Sind ganz einfach. Setz dich, Rea." Sie bot der Jüngeren einen Keks in Form eines Schweins an.
Die Wächterin nahm ihn dankend an und biss hinein. Ihr Blick glitt vom Fenster auf die Fensterbank, auf der einige Bilder standen. Es handelte sich um eine Hochzeitsikonographie, mit einer jüngeren, schlankeren und hübscheren Version von Amalie und einem hochgewachsenen, schlacksigen jungen Mann in voller Wächteruniform.
"Ist das ihr verstorbener Mann?", fragte Rea.
"Alfons, ja." Amalie nippte am Tee. "Mein Alfons. Fast 13 Jahre ist er nun schon tot."
"Er war Wächter, das wusste ich gar nicht."
Amalie nickte bedächtig. Sie stand auf und bedeutete Rea ihr zu folgen. In der Ecke der Stube war eine kleine Vitrine, mit Bildern und Medaillen. Ein paar Medaillen waren für Verletzungen im Dienst - eine Regelung die schon lange abgeschafft war, da einige Wächter sich selbst verletzt hatten um sie zu bekommen und dann zu verkaufen. Ribbons in Bronze, Silber und Gold, eine silberne Drei-Sterne Ermittlunsgruppenmedallie... und in ihrer Mitte eine rote Morpork. Rea hatte versucht, diese Medaille wieder einzuführen, ohne großen Erfolg. Sie war lange Zeit nur an Wächter vergeben worden, die im Dienst ums Leben kamen. Mit dem Eintritt Tods hatte sich das aus unerfindlichen Gründen geändert. Rea fand ein weiteres Bild von Alfons, zusammen mit einem schmächtigen Mann mit Butterbrot bei einer Ordensverleihung, sowie einige Gruppenfotos.
Rea presste die Lippen aufeinander. Das Leben eines Wächters war gefährlich und erforderte Opfer. Doch den härtesten Preis zahlten die Opfer.
"Weißt du Rea, er war so ein guter Mann und ich vermisse ihn sehr. Aber was ich am meisten vermisse, auch heute noch, ist seine Vergesslichkeit."
"Wie das?", fragte Rea neugierig.
"Er hat immer das Mittagessen dass ich ihm bereitet habe vergessen. Jeden Morgen musste ich es ihm nachtragen und habe es ihm vorbeigebracht."
Rea musste schmunzeln.

Hatscha al Nasa stapfte genervt durch die Kälte. Als ob sie nichts besseres zu tun hätte, als auf eine alte Frau aufzupassen. Doch man hatte ihr Nahe gelegt, die Kollegin zu unterstützen. Unwirsch klopfte sie an die Tür der Teekuchenstraße.
"Passwort", erschallte die Stimme von Fähnrich Rea Dubiata von innen.
"Wie Passwort?" rief al Nasa durch die Tür zurück.
"Na Passwort!" rief Rea zurück.
"Verdammt, Rea, es ist kalt!"
"Falsch!"
"Schwertfisch?"
Die Tür ging auf und Rea sah sie grinsend an. "Komm rein und-"
"Schuhe aus", rief Frau Willichnicht aus der Stube.
"-wärm dich auf!", beendete Rea den Satz. Sie schloss die Tür und raunte ihrer Kollegin zu: "Wir werden beobachtet..."


13.02.2012 23: 00

Kanndra

"Der Schornsteinfeger?", flüsterte die Kontakterin zurück. Sonst war ihr niemand auf der nachmittäglich ruhigen Straße aufgefallen.
Rea nickte.
"Meinst du, es ist der Mörder? Wie der Weihnachtsras sieht er ja nicht aus."
"Auf jeden Fall wäre es interessant, sich mal mit ihm zu unterhalten, findest du nicht?"
Die beiden blickten sich nachdenklich an und verliehen dann beinahe gleichzeitig ihrem Gedanken Ausdruck. "FROG!"
"Was tuscheln Sie denn da?" Eine missbilligende Frau Willichnicht war in der Tür zum Flur aufgetaucht. "Kommen Sie gefälligst her, der Tee wird kalt!"
"Ich muss jetzt leider zurück ins Wachhaus, Amalie." Die SEALS-Abteilungsleiterin streifte ihre Stiefel über und raunte Hatscha dabei zu: "Ich benachrichtige Bregs und Kanndra. Lass ihn nicht aus den Augen!"
"Nun gut." Die Augen der Wächterwitwe streiften den Chief-Korporal. "Kennen wir uns? Im Wachhaus sind Sie ja selten anzutreffen."

Die Sonne begann langsam ihren Abstieg hinter den Horizont und Dorian hatte darüber hinaus das Gefühl, dass er entdeckt worden war. Seit diese putzende Wächterin von der anderen abgelöst worden war - Hatscha al Nasa, wenn ihn nicht alles täuschte - bewegte sich immer mal wieder die Gardine leicht. Dorian grinste. Sie unterschätzten ihn, eindeutig. Es war Zeit, sich anderen Aufgaben zu widmen. Für Amalie Willichnicht war gesorgt und sollte der durchgeknallte Ex-Kommandeur tatsächlich hier auftauchen, würde er es rechtzeitig erfahren.

Es hatte keine Diskussion darüber gegeben, einen Einsatz der FROGs zu veranlassen, um den Schornsteinfeger in Gewahrsam zu nehmen, auch wenn Rea erwähnte, dass er nicht wie der Weihnachtsras wirkte. Was allerdings umstritten war und schließlich durch den Kommandeur rigoros entschieden wurde, waren die teilnehmenden Wächter an diesem Einsatz. So kam es, dass Kanndra sich allein auf das Dach schleichen musste, während Araghast die eine Seite des Hauses unter Beobachtung hielt und Rogi die andere. Sie hätte sich allerdings keine Sorgen machen müssen: das Dach war leer. Nur an dem Schornstein hing ein Zettel, auf dem in gestochener Handschrift Noch 24 Stunden stand.



20.02.2012 11: 32

Hatscha al Nasa

Hatscha ärgerte sich. Jetzt musste sie sich alleine mit Frau Willichnicht rumschlagen und Rea hatte die erstbeste Gelegenheit genutzt, sich aus dem Staub zu machen. War ja klar. Dabei war sie gekommen, um die Kollegin zu unterstützen, nicht, um sie abzulösen. Sie seufzte. Vielleicht konnte sie ja wenigstens etwas Erfahrung im Kontakter-Dasein sammeln. Rea hatte sie darüber informiert, dass sie auf eine Wächterwitwe aufpassten. Vielleicht gab es da noch mehr Informationen von Interesse. Aber erst einmal hatte die Person auf dem Dach gegenüber Priorität.
"Was gibt es denn da draußen zu sehen?", fragte Amalie, als Hatscha mal wieder am Fenster stand und die Gardine leicht zur Seite schob.
"Ich muss die Umgebung sichern, damit sich keine Armbrustschützen oder ähnliches anschleichen können." Sie runzelte die Stirn. Die Person, die eben noch auf dem Dach gegenüber war, war nun verschwunden.
Frau Willichnicht seufzte und griff nach einem Korb, der neben ihrem Sessel stand. Sie holte zwei Nadeln sowie Wolle heraus und begann zu stricken.
"Was wird denn das?"
"Ein Pullover. Sehen Sie das denn nicht?"
"Verzeihung, in die Kunst des Strickens wurde ich leider nie eingeweiht. Spitze Gegenstände verbunden mit Fäden waren in meiner Heimat verpöhnt."
Der Schrecken aller Tresenwächter schnaufte abfällig. Dann widmete sie sich wieder ihrer Strickarbeit und ignorierte die Wächterin, die sich wieder dem Fenster zuwandte und dabei Kanndra erblickte, wie sie auf das leere Dach kletterte. Unten auf der Straße stand der Kommandeur und bewachte das Haus. Als sein Blick das Fenster von Frau Willichnicht streifte, bildete Hatscha sich ein, ein Blitzen aus seinem Auge erkannt zu haben. Er hatte sie also gesehen. Sie schüttelte leicht den Kopf und wandte sich ab. Ihre Kollegen waren zu spät gekommen.
Sie nieste, was ihr einen bösen Blick von ihrem Schützling einbrachte.
"Sie sind doch wohl nicht etwa erkältet?"
"Ich habe chronischen Schnupfen", erklärte die Wächterin, während sie ihre Taschen abtastete. Sie hatte doch wohl nicht etwa ihre Taschentücher vergessen? Sie schniefte.
"Dass sie mich ja nicht anstecken! Sie sind hier, um mich zu beschützen, nicht, um mich mit den Bazillen der gesamten Scheibenwelt zu belagern!" Frau Willichnicht kramte in der Schublade eines Schränkchens und holte ein frisches gebügeltes Stofftaschentuch hervor. "Hier! Und dann können Sie es behalten."
Grummelnd nahm sie das Tuch an.
"Das stell ich der Wache natürlich in Rechnung."
"Natürlich", erwiderte Hatscha ergeben. Hoffentlich wurde sie bald abgelöst.

03.03.2012 2: 41

Pismire

In der Tat ließ die Ablösung für Chief-Korporal al Nasa nicht lange auf sich warten, verließ aber andererseits auch keine wirkliche Erleichterung.
"... und wo ich ja auch von meinem Alfons so das eine oder andere ..."
Zäh und träge floss die Rede der Geißel des Wachetresen und Hatscha wünschte sich nichts sehnlicher, als statt einer verstopften Nase verstopfte Ohren zu haben - oder haha laufen zu können wie ihre Nase. Wie hatte die Hexe von den Seals das nur ausgehalten? Und wie lange musste sie das noch aushalten?
In diesem Augenblick geschah zweierlei: es klopfte an der Tür und es pickte an der Fensterscheibe.
Als Frau Willichnicht sich ächzend erhob, deutete Hatscha ihr mit einer dramatischen Geste an, zu Schweigen und am Platz zu bleiben. "Was, wenn das der Mörder ist?", zischelte sie leise. Und prompt ließ die Alte sich wieder auf den vier Buchstaben nieder.
"Wenn, dann ist er verdammt gut getarnt", dachte Hatscha sich, als sie eine in einen dicken Umhang gehüllte Person, die knapp bis zur Türklinke reichte, vor der Tür stehen sah.
Hinter ihr war Frau Willichnicht im Anmarsch, die mit den Sätzen: "Was erlauben Sie sich eigentlich, junge Dame, meine älteste Freundin derartig lange auf der Türschwelle in dieser Kälte stehen zu lassen. Und sorgen Sie schleunigst dafür, dass dieses verdammte Taubenvieh von meiner Fensterbank verschwindet - oder sie können das Desaster eigenhändig mit ihren Taschentüchern - nein, mit meinem besten Taschentuch - in Ordnung bringen. Und dieses verlauste Stück Dreck wird mein Haus nicht betreten, junge Dame. Das schreiben Sie sich hinter die Ohren! Ach Carla, entschuldige das unmögliche Benehmen dieser Person, aber du ahnst ja nicht, was hier seid heute los ist. Nun komm doch rein ins Warme!", die Tür aufriss und eine winzige Greisin ins Haus zerrte.
Derweil befreite Hatscha eine Wachetaube von ihrer Nachricht, rollte das Papier auseinander und las:

"Besprechung wie angesetzt um 17 Uhr 30 im Wachhaus. Ablösung nicht möglich. Frau Willichnicht mitbringen."




Das Projekt erwies sich letztendlich als einfacher, als Hatscha befürchtet hatte. Nur die vollkommen bescheuerte Idee, Frau Greisig als Lockvogel im Haus zu lassen, auf die die beiden Damen nach dem zweiten Sherry ("Wenn sie Wasser wollen, dann holen Sie sich doch etwas Schnee von draußen - früher haben wir das immer so gemacht - tststs, Carla, die Jugend von heute!") gekommen waren, musste sie ihnen vor dem Abgang energisch ausreden.

"Den Rest erzähle ich die dann später - äh, morgen, Carla", verabschiedete sich Frau Willichnicht von der Alten mit einem langen Händedruck. "Ich hoffe nur, dass es im Wachhaus was anständiges zu Essen gibt."
"Ich *hatschi* dacht, Sie wären mit Mamsell Piepenstengel befreundet!?", entgegnete Chief-Korporal al Nasa mit einem ungeduldigen Schulterzucken - wenn das in dem Tempo hier weiterging, dann würde sie es kaum rechtzeitig zur Wache schaffen.
"Ha, aber das heißt nicht, dass ich auch esse, was Erna kocht", entgegnete Frau Willichnicht. "Und du pass gut auf den Weg auf, Carla. Natürlich hat diese faule Bande von Nachbarn besseres zu tun, als die Bürgersteige ordentlich vom Schnee zu befreien, wie sich das gehört. Da sollten sich die Wache aber dringend drum kümmern, Fräuleinchen!"
Und in der Tat - mit fortschreitender Zeit hatte sich der Schneefall verdichtet. Einerseits schlecht, weil man kaum was sehen konnte, andererseits verhalf ihnen das vielleicht zu einem unauffälligen Abgang.

"... habe ich sie einstweilen in Raum 201 untergebracht. In der Tür steckt - äh, steht - Rekrut Opal. Sie redet nicht mit ihm - Trolle und so - und er hat Angst vor ihr - Tresendiensterfahrung - und noch mehr, dass sie rauskommt," fasste Der Kommandeur diesen Teil der Lage zusammen. "Hier ist sie vermutlich sicherer, als in ihrem Haus. Und dass sie eine mögliche Zeugin im Fall Rumgurke ist, hat sich ebenfalls herumgesprochen - immerhin gibt es nicht viele Tage, an denen die alte Schabracke mal ein echtes Verbrechen zu melden hatte."
Nein, kein Griff zur Flasche, noch nicht ...
"Aber nun zum Eigentlichen. Für alle die es noch nicht wissen: wir haben einen weiteren Mord, der allem Anschein nach Teil dieser Serie ist. Diesmal handelt es sich um Georg Seneken, Pfandleiher Nilpferd 9, Er wurde mit einem Bolzenschuss durchs Herz an die Wand genagelt, eine Rote-Bete-Knolle steckte im Mund. Aus seinem Pfandbuch wurde eine Seite gerissen, außerdem fehlen zwei Armbrüste. Die Kasse fehlt ebenfalls."
"Der Weihnachtsras ein billiger Räuber, der mit der Ladenkasse türmt?" Skeptisch unterbrach Sillybos den Kommandeur und verwünschte sich gleich im Stillen ob seines Vorlauts.
"Mögliche Tarnung - eben weil es unglaublich ist, könnte es ein Ablenkungsmanöver sein", erwiderte Inspäktor Kolumbini. "Seien wir ehrlich - was wissen wir schon über den Weihnachtsras oder auch nur über Rascaal Ohnedurst!?"
"Ja aber ein Ablenkungsmanöver, dass wie ein Ablenkungsmanöver aussieht ist ...?"
"... ein raffiniertes Ablenkungsmanöver!?"
"Selten sowas blödes gehört!"
Bevor das Ganze ausarten konnte, ging Romulus dazwischen. "Das sind vorläufig eher Spekulationen", meinte er laut. "Wir sollten uns zur Zeit eher auf Fakten beschränken."
"Fakt ist: wir haben drei Morde. Fakt ist auch, dass wir nur noch 24 Stunden Zeit, dafür aber das Büro für Innere Sicherheit aus dem Palast auf dem Hals haben und ebenfalls Fakt ist, dass wir deutliche Hinweise auf den Weihnachtsras haben", fauchte der Halbvampir nervös und zog energisch eine Flasche aus einem Aktenordner. Als er die Blicke einiger seiner Untergebene sah, stellte er sie neben seine Stuhl auf den Boden.
"Wir wissen allerdings, dass der Gemüseladen von Herrn Rumgurke einen Anlaufpunkt für ehemalige Wächter und die Witwen und Waisen von Wächter geboten hat - ihr Inhaber gewährte einen großzügigen Rabatt für diesen Personenkreis. Er stand darüber hinaus im Ruf, hin und wieder - allerdings nur bei Leuten, denen er vertraute - anschreiben zu lassen. Und zwar in einem Buch, dass immer neben der Kasse lag und das nun verschwinden ist", ließ Harry sich leicht gereizt vernehmen; seinen morgendlichen Ausflug in die Welt des Handels hätte in seinen Augen selbst der dümmste Rekrut nicht vermasseln können.
"Nun, das heift doch aber auch, daff - follte sich die Hypothefe Weihnachtfraf als falf heraufftellen - wir ef hier mit einem Kreif potentieller Täter fu tun haben, der mit den Interna der Wache - und dafu fähle ich das Doppelleben von Rafcaal Ohnedurft einfach mal - beftenf vertraut ist", warf die Igorina, die selten in einer solchen Runde so einen langen Satz gesagt hatte, in die Runde.
"Und wenn er es ist, dann haben wir keinerlei Ahnung, wo er sich aufhält", meinte Laiza mit einem Schaudern. "Wusste denn der Kommandeur - pardon, ich meine der alte Kommandeur, also Rince - konnte der denn weiterhelfen?"
Kolumbini schüttelte den Kopf. "Nein, konnte er nicht. Wie er es ausdrückte, so kannte er zwar den Wächter nicht aber die Person. Und von der Ex-Wächterin, die ihn vermutlich am besten kannte - die Gnomin Knurblich - weiß leider auch niemand, wo sie sich aufhält. Weiterhelfen könnte uns vielleicht eine Frau Puss, die er erwähnte."
"Oh nein", entfuhr es Sillybos. "Wilma Puss, Baumblütenweg 13, und ihr Sohn Ödemius, genannt Ödi - ich erinnere mich ..."
"Jepp, genau um die handelt es sich. Wir sollten ihr morgen einen Besuch abstatten."
"Wir brauchen außerdem noch mehr Informationen über die Opfer", warf an dieser Stelle Rea ein.
"Das wäre dann mal eine wirkliche Aufgabe für *hatschi* DOG", meinte Hatscha säuerlich. "Die verschiedenen Händlergilden und -vereinigungen wissen vielleicht etwas über Rumgurke und Seneken. Was ist mit Herrn Schleich? Was hat er früher gemacht?"
"Momentan bedauerlicheweise noch nichts - zu dem Zeitpunkt, als wir mit ihm sprachen, war er ein potentieller Zeuge", meinte Ophelia ruhig. "Es gab keine Veranlassung, sich en détail für sein Vorlegen zu interessieren."
"Dann ist dafür jetzt der Zeitpunkt gekommen", meinte Romulus. "Wir fühlen morgen mal den Nachbarn gründlicher auf die Zähne."
"Ich frage mich", kam es in diesem Fall aus der Ecke in der Pismire saß, der sich gerade im Besitz der Wanderakte - also des Aktenbündels, dass hin und wieder im Raum die Runde machte und in dem sich ein grober Überblick über den Fall befand, "ob wir bei Rumgurke nicht doch was übersehen haben. "
"Wie meinst du das?", fragte der Kommandeur scharf.
"Nun, Rumgurkes Brustkorb war zerfetzt - also nicht in einem Stück aufgerissen. Und er hatte dennoch keine Abwehrmale auf den Händen. Das heißt doch: der Schlag kam überraschend. Und von jemandem, den er nah genug an sich heran gelassen hat. Jemand, den er kannte."
"Ja und - er kannte den Mann, weil es ein Kunde war. Und er zählte jede Menge Ex-Wächter zu seinen Kunden! Und Ohnedurst war Wächter. Worauf willst du also hinaus?" Ungeduldig setzte der Kommandeur den Fusel an und trank endlich.
"Ja, aber war er auch Stammkunde in einem Gemüseladen?", kam die nachdenklichen Stimme von Kanndra.
Angespannt blickte Magane zu dem Schamanen. "Vielleicht verdeckt der zerfetzte Brustkorb eine andere Verletzung!?"
"Ja, auch das wäre möglich, Kollegin", nickte Pismire.

18.04.2012 20: 25

Kanndra

Da sie früher am Tag verhindert gewesen war und statt ihrer Hatscha Rea bei Frau Willichnicht abgelöst hatte, hatte Kanndra nun die erste Nachtschicht übernommen. Gemeinsam waren sie - beide nicht in der Laune zu plaudern - schweigend in die Teekuchenstraße zurückgekehrt. Nach einem Haufen Ermahnungen, ja nichts kaputt oder schmutzig zu machen und überhaupt die Finger gefälligst bei sich zu behalten, hatte die alte Dame sich schließlich zurück gezogen.
Als FROG und vor allem als Späherin war Kanndra so eine Situation vertraut. Dennoch war die Wächterin schon den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und hoffte, dass sie pünktlich abgelöst werden würde. Sie zog einen der Stühle ans Fenster und starrte zu dem Dach, auf das sie erst vor ein paar Stunden geklettert war und das sich in dämmrigen weiß gegen den sternlosen Himmel abhob.

Währenddessen legten auch Pismire und Magane eine zusätzliche Schicht in der Gerichtsmedizin ein, um ihren Verdacht sofort zu überprüfen. Wie immer, wenn er die Schublade eines Kühlfaches hörte, hoffte Saugi auf eine Zwischenmahlzeit und blubberte erwartungsfroh vor sich hin. Die beiden Wächter jedoch beachteten ihn gar nicht, sondern machten sich konzentriert an die Arbeit.
Wenn man die Wunden des Verstorbenen durch das Okular betrachtete, so wie er das jetzt tat, wurde aus einem scheußlichen ein faszinierender Anblick, fand Pismire. Vorsichtig schob und drückte er hier und da und nickte seiner Kollegin schließlich zu.
"Anders als die übrigen Wundränder, sind diese hier auffällig glatt, was meinst du?"
Magane stimmte ihm zu. "Stichwaffe, würde ich sagen. Wir könnten einen Vergleich anstellen mit der Verletzung des zweiten Opfers." Als sie den Kopf drehte, lenkte etwas ihre Aufmerksamkeit ab. Neben dem zweiten Obduktionstisch lagen in einer Schale die Armbrustbolzen, die sie aus der Leiche des Pfandleihers gezogen hatten. Sie hatte sie sich noch nicht genau angesehen, doch jetzt fiel ihr etwas daran ins Auge. Mit einem Taschentuch nahm sie einen von ihnen hoch und sah genauer hin. "Da ist etwas eingraviert. Ist das ein Frosch?"

23.05.2012 12: 31

Romulus von Grauhaar

Der nächste Morgen dämmerte, und damit auch der Morgen des Tages, an dem die Frist, die durch die der Stadtwache durch die Abteilung für innere Sicherheit gesetzt worden war, ablaufen sollte. Und trotzdem blieben die Stellen, an denen die Ermittlungen aufgegriffen werden konnten, verhältnismäßig rar gesät. Die beteiligten RUM-Wächter übernahmen sämtliche Routine-Ermittlungen zum Mord an Herrn Seneken - das Ausfindigmachen und Befragen der letzten Kunden und eventuell vorhandener Familienangehörigen und Erben. Von letzteren existierte offenbar außer einer als Haushälterin arbeitenden Halbschwester, welche seit Jahren in Borograwien lebte, niemand mehr. Auch das Erbe fiel sehr gering aus, so dass man einen Mord aus diesem Grund eigentlich ausschließen konnte. Die Befragung der Kunden, welche laut Pfandbuch zuletzt Wertsachen verpfänden gelassen hatten oder ihre verpfändeten Wertsachen wieder ausgelöst hatten, brachte auch keine aufschlussreichen Ergebnisse.

Diese Tatsache war Bregs‘ ohnehin schon gereiztem Gemütszustand wenig zuträglich, zumal diese Ermittlungen wie bereits erwähnt sämtliche RUM-Wächter der geheimen Ermittlungsgruppe anderwärtig banden, und sie sich nicht mit der Suche und Befragung von Frau Wilma Puss beschäftigen konnten. Also hatte er diese Aufgabe Sillybos und Harry übertragen, welche einerseits ja bereits erfolgreiche Ermittlungsarbeit in Sachen Gemüseladen Rumgurke geleistet hatten, und andererseits zumindest im Fall des Philosophen die betreffende Zielperson auch bereits kannten. Die frühmorgendliche Nachricht aus der Gerichtsmedizin, dass die zum Mord an Herrn Seneken verwendeten Armbrustbolzen offenbar aus dem Wache-, genauer gesagt dem FROG-internen Arsenal stammten, bestärkte den Kommandeur in seinem Verdacht, welcher sich mittlerweile beinahe zur Gewissheit entwickelt hatte, dass Rascaal Ohnedurst hinter den Morden steckte. Auch wenn Romulus ihm bereits mehrfach seine Zweifel an dieser These angedeutet hatte, da er das Vorgehen des Mörders nicht mit der Püsche des Weihnachtsras vereinbaren konnte. Dies hatte Araghast damit abgetan dass erstens Romulus in Bezug auf püschologische Arbeit noch recht grün hinter den Ohren war, und zweitens man sich bei der Püsche des Weihnachtsras nur auf eines verlassen konnte, nämlich, dass man sich nicht darauf verlassen konnte.
Und als wäre das noch nicht genug, saß mittlerweile eine noch schlechter als üblich gelaunte Amalie Willichnicht im Wachhaus, welche trotz aller Versuche der zu diesem Zeitpunkt schichthabenden Aufpasserin Rogi Feinstich, sie daran zu hindern, pünktlich um 7:05 Uhr wieder im Wachhaus aufgeschlagen war, um sich zu beschweren, dass sie sich nicht mit ihrer Freundin Carla treffen konnte, mit welcher sie zum Tee vereinbart war.

Andernorts in Ankh-Morpork. Genauer gesagt in einer kleinen Seitengasse der Artorollo-Allee im Bezirk Schlummerhügel. Nach einem erfolgreich abgeschlossenen Geschäft befand sich der erfolgreiche Berufs-Informant und ehemalige Schneiderlehrling Severin Siebenstreich mit einem Beutel voll klingender Münze auf dem Weg zum nächsten... wo auch immer er seine stets korrekten Informationen herbekam, und stutzte: Hinter einem Haufen von Haushaltsabfällen lugten ein paar Füße hervor, deren Schuhwerk ganz eindeutig auf eine ältere Dame als Besitzer derselben hinwies. Severin machte einen Schlenker, um sich das ganze näher anzuschauen. Schließlich versprachen solche Funde immer einen angenehmen Nebenverdienst, wenn er die Entdeckung für einen Sonderpreis an die Wache verkaufte. Beispielsweise Hauptmann MeckDwarf oder Oberfeldwebel von Grauhaar waren in der Vergangenheit immer sehr gute Kunden gewesen. Als er einen umfassenden Blick auf die Besitzerin der Füße werfen konnte, bot sich ihm folgendes Bild: Eine ältere Dame, wie er bereits erkannt hatte, welche offensichtlich tot an diese Stelle geschleift worden war. Letzteres war deutlich an gut im Straßendreck erkennbaren Schleifspur zu sehen, und ersteres konnte auch der ungeschulte Beobachter schnell an einem unschönen Einschussloch auf der Stirn und einer nicht geringen Menge Blut neben ihrem zur Seite geneigten Schädel erkennen. Zudem war der Absatz des ihres linken Schuhs abgebrochen. Und zwei weitere Dinge waren erstaunlich: Einerseits die erdig vor sich hin riechende Rote-Bete-Knolle, welche die Dahingeschiedene in ihrem Mund stecken hatte, und andererseits ein Fetzen hellroten Stoffes mit weißem Plüschrand, welcher sich in der verkrampften rechten Hand der Leiche befand.


23.05.2013 13: 49

Ophelia Ziegenberger

"Und du kannst dich wirklich nicht an etwas Besonderes erinnern, bei diesem letzten Kontakt mit Herrn Seneken, Frau Kalligulla?"
"Ne, wirklich nicht. Hab ich doch schon gesagt! Red ich vielleicht Latatianisch, oder was?"
Ophelia verbot es sich, der deutlichen Ungeduld mit ebensolcher zu begegnen. Sie nickte lediglich freundlich und bedankte sich für die Zeit, die ihr die Dame des Hauses entgegengebracht hatte. Abschließend reichte sie ihr einen der kleinen Papierzettel, die sie sich in letzter Zeit für solche Gelegenheiten vorbereitet hatte.
Die schlicht gestrickte Frau sah sie mit unübersehbarem Misstrauen und einem halb offen stehendem Mund an.
"Was is'n das? Was soll ich damit?"
"Falls dir doch noch etwas einfällt, was von Bedeutung sein könnte, dann kannst du mit diesem Zettel zum Wachhaus am Pseudopolisplatz gehen und ihn am Tresen zeigen. Dann sagen die Kollegen dort sofort jemandem Bescheid, der sich mit dem Fall auskennt, so dass du nicht lange warten musst, bis jemand mit dir spricht. Hier steht mein Name, siehst du? Falls ich also zu dem Zeitpunkt im Wachhaus anwesend wäre, würden wir uns direkt wieder sehen und du müsstest nicht einmal mit jemand Anderem sprechen."
Die Frau nickte widerwillig und stopfte den Zettel kurz entschlossen in ihren Ausschnitt.
"Ich glaub zwar nicht aber falls mir was einfall'n sollte, meld ich mir. Und nu hab ich es eilig. Der Einkauf erledicht sich nicht von alleine."
"Auf Wiedersehen, Frau Kalligulla!"
Die Tür schloss sich und Ophelia atmete leise aus.
Das war die Letzte auf meiner Liste. Man sollte meinen, dass die Menschen neugieriger sind. Aber entweder, sie haben sich alle nur um das Schicksal ihrer eigenen Pfandleihgaben gesorgt und die anderen Eintragungen auf der Vorseite daher ignoriert. Oder sie waren zu vergesslich, um sich jetzt noch daran zu erinnern, was dort gestanden haben mag. So oder so…das bringt uns nicht weiter.
Zwar hatten sie diese Befragungen an Herrn Senekens Kundschaft bereits zuvor einmal durchgeführt gehabt aber das Gefühl, eventuell etwas zu übersehen, war ihr verblieben. Ophelia war der Gedanke, eine Aufgabe unzureichend zu erledigen, zuwider. Gleichgültig wie viel Mehraufwand das für sie persönlich bedeuten mochte. Zu arbeiten, auch viel zu arbeiten und das zu den unterschiedlichsten Zeiten, war sie hingegen nach all der langen Wachezugehörigkeit gewohnt. Schon unter normalen Umständen lohnte sich Fleiß, für dieses wohlige Gefühl, am Ende zumindest irgendein Resultat vorweisen oder zu Recht zu einem Schluss zu kommen. Diesmal ging es aber, im Gegensatz zu sonst, um einen Serienmörder. Sie hatten die Chance, ihm zuvorzukommen und das allein rechtfertigte mehr als durchschnittliche Aufmerksamkeit. Und so hatte sie eine zweite Befragungsrunde begonnen. Sie hatte dabei zwar tatsächlich noch einige von Senekens Kunden erreichen können, die ihnen zuvor durch die Lappen gegangen waren, weil sie zu der entsprechenden Zeit einfach nicht erreichbar gewesen waren. Neue Informationen hatte sie dadurch aber trotzdem keine erhalten.
Es war einen Versuch wert.
Kurze Zeit später betrat sie das Wachhaus und stieg die ungleichmäßigen Treppenstufen in die zweite Etage hinauf. Gerade als sie Romulus' Büro passieren wollte, öffnete dieser die Tür.
"Ophelia! Gut, dass du endlich wieder da bist. Ich hatte schon überlegt eine Suchmeldung nach dir rauszugeben."
Für eine Sekunde war sie versucht, ihm erschrocken zu antworten, ehe sie den Scherz aus seinen Worten heraushörte.
"Ich habe die Kundenliste des Pfandleihers noch einmal abgearbeitet, Sör, die fehlenden Aussagen eingeholt und die übrigen gegengeprüft."
Er hielt überrascht inne, dann fragte er ohne wirkliche Hoffnung in der Stimme nach.
"Irgendwas Neues?"
"Nein, Sör, leider nicht."
Er brummte unzufrieden, zuckte dann aber mit der Schulter, gedanklich schon wieder bei seinem ursprünglichen Anliegen.
"Du kannst gleich wieder losgehen. Wir haben ein neues Opfer."
Sie atmete erschrocken ein.
"Noch ein Mord? Das wäre dann der vierte!"
"Ja, ich habe die Information gerade ganz frisch rein bekommen. Schnapp dir am besten Magane, falls sie noch im Haus ist, und macht euch schnellstens auf den Weg zu der Leiche. Angeblich hat mein Informant die Tote notdürftig abgedeckt und jemand halbwegs Vertrauenswürdigen Schmiere stehen lassen, um Neugierige abzulenken. Aber wer weiß, wie lange die Münzen vorhalten, ehe diese ach so vertrauenswürdige Person sich eines Besseren besinnt. Hier, die Adresse! Ich komme schnellstmöglich nach, muss vorher noch Bregs finden und ihn informieren."
Ophelia warf einen Blick auf die kurze Notiz und registrierte wertneutral den Umstand, dass der Feierabend heute sehr weit in die Ferne rücken würde. Das Untersuchen eines frischen Tatortes und das Sichern eventueller Spuren dauerte eben seine Zeit, wenn man es gründlich machte.
"Jawohl, Sör!"
Sie machte auf dem Absatz kehrt.
Eine gute Gelegenheit, die Kollegin bei der Arbeit zu beobachten. Ich hatte noch nicht das Vergnügen, sie näher kennenzulernen. Lange genug dabei ist sie ja. Sicherlich kann ich Etwas von ihr lernen…


23.05.2013 18: 52

Magane

Ophelia fand Magane im Gerichtsmedizinerbüro im Keller, wo diese über den FROG-Bolzen grübelte und sich fragte ob sie von ihnen noch irgendwelche näheren Informationen zum Schützen bekommen konnte. Sie bedauerte Ras nicht in seiner Zeit bei FROG kennen gelernt zu haben sondern erst als IA-Stammagent, sonst hätte sie vielleicht einschätzen können ob die Armbrust je eine seiner bevorzugten Waffen gewesen war. Sie hegte gewisse Zweifel, Schusswaffen schienen nicht zu ihm zu passen. Die Zeit bei den Freiwilligen Rettern lag einfach zu lange zurück – zwar erinnerte sie sich an verschiedene Schützen die in den Jahren den Dienst quittiert hatten, aber es wollte sich kein klares Bild manifestieren. Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch als Ophelia an den Türrahmen klopfte.
"Es gibt ein viertes Opfer, wir beide sollen schon einmal zum Tatort vorgehen."
"Schon Nummer 4, da legt aber jemand ein ziemliches Tempo vor, sollen wir den Tatort sichern?"
"Ja, die Leiche ist wohl notdürftig bedeckt..."
"Dann wirst du mir tragen helfen müssen", fiel ihr Magane ins Wort und drückte der Kollegin die kleine Tasche mit dem Einsatzbesteck der Pathologen in die Hand, während sie selber den deutlich schwereren STAuB nahm.
"Egal wo es ist, wir nehmen den Wagen, bei dem Sauwetter geh ich nicht zu Fuß."
"Der Tatort ist in einer Seitengasse der Artorollo-Allee im Bezirk Schlummerhügel, der Wagen ist durchaus ratsam"

Der Weg zum Stadtrand auf den vereisten Straßen und im dichten Schneetreiben war den beiden grundverschiedenen Chief-Korporals endlos erschienen, aber dafür hatte das Wetter auch die Schaulustigen fern gehalten. Magane parkte den Karren so, dass er den Zugang zur Gasse blockierte, sie ließ nur einen schmalen Durchgang, den sie zusätzlich mit Absperrband schloss. Von dem angeblich vertrauenswürdigen Wachposten war nichts zu sehen.
"Also, was haben wir denn hier..." Magane holte den Ikonografen aus dem STAuB und begann Bilder aufzunehmen, "ich hoffe derjenige der die Leiche gefunden hat ist ein hilfreicher Zeuge, bei der Schneedecke ist von den eventuellen Spuren nicht mehr viel übrig." Während die SuSi-Wächterin Bilder von dem Müllhafen (mit Schneehaube) und der mit zwei alten Pappkartons bedeckten Leiche (mit Schneehaube) machte, schaute sich Ophelia in der Gasse um. Unvermittelt trat sie auf etwas hartes, vielleicht einen Stein, der im Neuschnee verborgen gewesen war und wäre beinahe umgeknickt, konnte sich aber mit Mühe abfangen. Sie bückte sich um nachzusehen was genau sie da beinahe zu Fall gebracht hätte.
"Fehlt dem Opfer ein Absatz?"
"Ja, einer ist abgebrochen", die Pathologin hielt inzwischen die Pappkartons zur Seite um Bilder von der Leiche selber zu machen.
"Dann habe ich ihn wohl gefunden."
"Schön, ich kann unter den Bedingungen hier nicht viel machen, das Opfer scheint eine alte Dame zu sein, für todesursächlich halte ich das mutmaßliche Bolzeneinschussloch in ihrer Stirn. Fundort ist nicht gleich Tatort. Sollten wir hier auf jemanden warten?"
"Romulus wollte nachkommen."
"Dann hilf mir bitte eben sie in eine Plane zu wickeln, danach stellen wir uns unter und warten."

27.05.2013 22: 29

Ophelia Ziegenberger

Romulus schlug sich mit der Faust in die geöffnete Rechte und grollte unwillig in tiefem Ton.
"Wenn ich nur wüsste, woher sie mir bekannt vorkam!"
Es war nicht das erste Mal innerhalb der letzten halben Stunde, dass er die versammelten Thiemmitglieder dieserart aufschreckte. Dass sie weder in dem neuen Mordfall, noch in den vorangegangenen nennenswerte Fortschritte erzielt hatten, war der Stimmung in dem Besprechungsraum ebenfalls nicht sonderlich zuträglich.
Araghast Breguyar blitzte seinen Freund und Kollegen an.
"Rom, es wird dir ganz sicher wieder einfallen. Spätestens, wenn wir die Besprechung beenden wollen."
Die Tür sprang auf und Rogi eilte durch die Reihen der Anwesenden nach vorne, um dem Kommandeur eine Klackernachricht vorzulegen. Sie hatten sich geeinigt gehabt, dass sie noch einmal nachfragen gehen sollte, ob irgendwelche neuen Informationen eingetroffen waren, die ihnen weiterhelfen könnten und tatsächlich schien ihr energischer Gang davon zu künden, dass sie Glück haben könnten.
Ophelia richtete sich wieder auf und beobachtete die Igorina.
"För, daf kam gerade frif herein, alf ich am Trefen vorbeikam. Von der Befreibung her könnte ef paffen."
Bregs überflog den Inhalt und warf Romulus dann einen triumphierenden Blick zu.
"Sagt dir der Name Greisig etwas? Carla Greisig? Die Vereinigung der 'Strickenden Nachbarinnen' hat eine ältere Dame dieses Namens als vermisst gemeldet, als diese nicht zum wöchentlichen Lästerklatschabend erschien."
Ophelia bemerkte, wie Rogi sich unauffällig die Hand in die Seite stemmte, als die anderen Anwesenden laut durcheinander zu debattieren begannen.
Sie ist außer Atem? War sie noch woanders, als nur beim Taubenschlag und dem Tresen? Normalerweise...
Die Igorina schien ihre Aufmerksamkeit zu bemerken, denn ihre Blicke trafen sich für eine Sekunde. Ophelia wandte den ihren schnell ab und tat so, als wenn sie sich auf das Gespräch der Kollegen konzentrieren würde.
Soeben sprang ihr Abteilungsleiter mit einem fast erleichterten Ausruf von seinem Stuhl auf.
"Natürlich! Die Willichnicht, die wird uns das sagen können. Jetzt erinnere ich mich wieder. Das war die Frau gewesen, die vor Längerem bei IA vorstellig geworden war, um als Zeugin gegen einen Wächter auszusagen."
Die plötzliche Stille im Raum ließ sie reglos verharren.
Breguyar warf die Klackernachricht achtlos auf den Schreibtisch vor sich und lehnte sich mit demonstrativ verschränkten Armen zurück. Seine Stimme troff regelrecht vor bitterer Genugtuung.
"Offensichtlicher kann der Zusammenhang nicht mehr werden, oder?"

31.05.2013 7: 54

Romulus von Grauhaar

In einer staubigen Gruft am Friedhof der Geringen Götter regte sich etwas. Ein eventuell vorhandener unbeteiligter Beobachter hätte sehen können, wie sich das schwere Gitter, welches als Tür der Gruft diente, öffnete, und eine ausgesprochen heruntergekommene Gestalt, augenscheinlich weiblich, mit einem vielleicht einmal weiß gewesenen Fetzen bekleidet, welcher nur noch mit ausgesprochen reger Fantasie als Kleid bezeichnet werden konnte, heraus trat. Die Frau hatte ein bleiches Gesicht, lange, verfilzte, blonde Haare und einen blutverschmierten Mund. Die Federreste, welche am Blut klebten, zeugten davon, dass sie nach einem kräftigen Biss in eine lebendige Taube versucht hatte, das Blut des bemitleidenswerten Tieres zu trinken. In der Hand hielt die Gestalt eine aktuelle Ausgabe der Ankh-Morpork Times, aufgeschlagen auf einer Seite mit einer großen Anzeige der Stadtwache, welche auf das aktuelle Wiederaufnahmeprogramm für ehemalige Wächter hinwies. Und auch wenn man es kaum erwartet hätte - die Frau war eine ehemalige Wächterin. Allerdings lag das weit in der Vergangenheit. Nachdem sie ihren Dienst durch Fernbleiben quittiert hatte, weil er in ihren Augen unter ihrer Würde als Vampirin war, war es mit ihrem Leben immer weiter bergab gegangen: Sie hatte sich diese wunderschöne Gruft zum (un)leben gesucht, hatte gedacht, jetzt würde alles besser werden. Das Problem dabei war allerdings ein für alle anderen als sie selbst ganz offensichtliches: Sie war gar keine Vampirin, sondern ein ganz gewöhnlicher Mensch. Doch Alessia hatte dieses Wissen lange verdrängt.
Allerdings hatte sich beim Lesen dieser bereits erwähnten Anzeige in der Zeitung in ihrem Unterbewusstsein etwas geregt: Geld verdienen war ja eigentlich doch ganz nützlich. Vor allem, wenn man das glamouröse Leben einer Vampirin leben möchte. Also hatte sie sich und ihre vampirische Würde, welche sich in ihrem Kopf neben einigen anderen Hirngespinsten bis zum heutigen Tage gehalten hatte, überwunden, und machte sich nun auf dem Weg zum Pseudopolisplatz, um um ihre Wiedereinstellung zu bitten.

Der Bericht von Harry und Sillybos über ihre Ergebnisse der Befragung von Wilma Puss war ernüchternd, befand Araghast. Zwar konnte die alte Freundin seines Vorgängers etwas vermelden, was sonst niemand konnte, nämlich, dass sie Rascaal auch nach dem Verlassen der Stadtwache noch ab und an gesehen hatte, jedoch war ihr weder etwas über seinen derzeitigen Aufenthaltsort, noch über die aktuellen Tätigkeitsfelder des Ex-Kommandeurs bekannt. Zuletzt hatte sie ihn vor gut drei Wochen gesehen, als er wieder einmal einer ihrer Einladungen zu Rote-Bete-Kaffee und -Kuchen nachgekommen war.
Zum Glück kamen die Ermittlungen im Fall der neuesten Leiche besser weiter. Frau Willichnicht hatte unter Tränen und wüsten Beschimpfungen der versammelten Ermittlungsgruppe die Identität der Toten als ihre gute Freundin Carla Greisig bestätigt. Die Tatsache, dass diese zu Ras' Zeiten als IA-Agent als Zeugin dort ausgesagt hatte, sowie das Beweisstück des roten Stoffetzens, welcher eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Stoff der Kleidung des Weihnachtsras' aufwies, hatten seine sämtlichen Theorieren bestätigt. Sämtliche Indizien sprachen für Rascaal Ohnedurst, beziehungsweise seiner zweiten Persönlichkeit, als Täter der Mordserie. Doch die Zeit wurde langsam knapp. Nur noch wenige Stunden blieben der Stadtwache, um Picardo und seinem Büro für innere Sicherheit zuvorzukommen.
Der Kommandeur war sich sicher, dass mit dem Auffinden von Rascaal auch die Mordserie ganz schnell enden würde. Er hatte sich eine Liste der Punkte gemacht, die für die Schuld des Vampirs spachen:

- Rote Bete an allen Tatorten
- Es wurde eine größere Menge Rote Bete gestohlen
- Zerkratzte Brust der ersten Leiche
- Weihnachts-Rote-Bete-Gewürzbombe
- Mordwaffe der ersten beiden Leichen war eine gebogene Klinge
- Erstes Opfer hatte zahlreiche Ex-Wächter als Kunden
- Spätere Opfer wurden durch Armbrustschüsse mit FROG-Bolzen getötet
- Hellroter Stoffetzen mit weißem Plüschrand in der Hand des letzten Opfers
- Letztes Opfer war Zeuge in einem IA-Fall
- Picardo interessiert sich für den Fall (Verbindung Picardo – Weihnachtsras?)

Picardo, dachte sich Breguyar. Ihm würde ich es mehr als nur gönnen, das nächste Opfer des Weihnachtsras zu sein. In diesem Moment öffnete sich ohne vorheriges Klopfen die Bürotür und Romulus stürmte herein, dicht gefolgt von Kolumbini und Pismire.
"Wir haben einen weiteren Mord, und diesmal gibt es einen Zeugen!"

01.07.2013 10: 34

Rogi Feinstich

"Was hast du gesehen Braggasch?", fragte Romulus aufgeregt und zog mehrfach an seiner Pfeife.
"Ich also äh...", begann er wie so oft stockend. "Also..."
Braggasch verstummte als sich die Blicke der anwesenden Wächter regelrecht in ihn bohrten. Romulus, Kolumbini und der Kommandeur selbst war zugegen und der Zwerg konnte sich die ganze Aufregung kaum erklären. Natürlich er hatte einen Mord beobachtet, aber die Aufmerksamkeit die ihm dadurch zu Teil wurde verunsicherte den Zwerg etwas. Das Ermittlungen so schnell und vehement vorangetrieben wurden hatte er bisher noch nicht erlebt.
"Noch mal von vorne und konzentriere dich", sagte Breguyar schließlich. "Also was hast du beobachtet?"
"Ich habe den Täter...äh..leider nur von hinten gesehen, Sir", antwortete er und Romulus nickte kurz und forderte ihn mit einer Handbewegung auf weiter zu reden.
"Naja der Täter hatte Rote Kleidung an, mit weißem Pelz und naja er hätte der Schneevater sein können", sagte er und der Kommandeur brummte etwas das der Zwerg nicht verstand.
"Nur zu...äh...dünn", fügte er schnell hinzu und der Kommandeur knallte seine Flache Hand auf den Tisch.
"Ich wusste es!", brummte der Kommandeur beinahe Zufrieden, während Romulus und Kolumbini sich einen Blick zuwarfen.
"Was hast du noch gesehen?", fragte der Abteilungseiter von Rum.
"Nicht viel, aber ich habe... äh.. gehört was er gesagt hat."
"Na los sag schon, Mann!", forderte der Kommandeur, während der Späher versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren.
"Du willst zurück zur Wache? /Ich will nur eines Rache / Ich erlöse dich von den Gedanken / Du brauchst dich nicht dafür Bedanken"
"Ein wahrlich grausiger Reim", sagte Inspäctor Kolumbini und alle Anwesenden pflichteten ihm bei.

Wenig später wurde die nächste Besprechung im Büro des Kommandeurs abgehalten und der zwergische Whisky machte wieder die Runde.
"Wie wir wissen handelt es sich bei dem letzten Opfer um die ehemalige Wächterin Alessia.", sagte der Dienstälteste Gerichtsmediziner, "Sowohl Rogi als auch Magane konnten sie identifizieren. Bei ihr fanden wir auch die aktuelle Ausgabe der Times und die Anzeige zur Reaktivierung ehemaliger Wächter war markiert..."
"Jetzt mal ernsthaft, war das wirklich so schlau?", sagte Kolumbini zu Breguyar, doch er überging den Kommentar ohne Worte und forderte Pismire zum weiter reden auf.
"Sie wurde aus einer Distanz von etwa drei Metern erschossen. Ein präziser Schuss mitten ins Herz."
"Was ergab die Befragung von Braggasch?", fragte nun Rea neugierig und trank gerade den letzten Schluck aus ihrem Glas.
"Die Beschreibung von ihm passt wie die Faust auf's Auge!", sagte der Kommandeur, doch Romulus hatte seine Zweifel vor allem nach Pismires Bericht.
"Bregs ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber eine Armbrust passt einfach nicht in das Profil des Weihnachtsras."
Araghast fixierte ihn regelrecht mit einem Auge und der Werwolf hatte ein leichtes Déjà-vu, doch bevor er weiter darüber Nachdenken konnte, klopfte es an der Tür. Der Kommandeur kam gar nicht erst zu einer Reaktion, als Rogi schon das Büro betrat und ihm wurde erst dadurch bewusst, dass die Sanitäterin schon die ganze Zeit nicht anwesend war.
"Ich habe flechte Nachrichten", sagte die Igorina und trat an den Schreibtisch um Breguyar eine Klackernachricht zu überreichen.
Der Püschologe überflog die Zeilen nur zähneknirschend und zerknüllte den Zettel in seiner Hand.
"Daf Büro für innere Ficherheit hat unf foeben den Fall entzogen."
Die Stimmung hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht und der Werwolf war sich sicher, dass jeder im Raum Picardo verfluchte.
"Und jetzt, Sir?", fragte zu seiner Verwunderung Ophelia Ziegenberger, die wie immer fleißig Protokoll führte.
Araghast schnaufte kurz, doch seine nächsten Worte waren so voller Entschlossenheit, dass Romulus unwillkürlich grinsen musste.
"Wir ermitteln weiter!"

05.07.2013 15: 23

Romulus von Grauhaar

War die Motivation der Ermittlungsgruppe zuvor noch weit im Keller gewesen, hatte es die Kampfansage gegen Picardo und sein Sicherheitsbüro durch den Kommandeur persönlich geschafft, alle wieder in emsiges Ermitteln und Suchen von Verbindungen der Ermordeten verfallen zu lassen. Hauptfeldwebel Sillybos und Oberstabsspieß Harry machten sich als mittlerweile bewährtes Duo innerhalb der Gruppe auf den Weg, um weiteres über die Verbindung Carla Greisigs zum Weihnachtsras und der Wache im Allgemeinen herauszufinden. Korporal Kolumbini leitete die Ermittlungen am Mordfall Alessia und hatte zu diesem Zwecke Chief-Korporal al Nasa und Feldwebel Magane, welche für die SUSI-Seite der Ermittlungen zuständig war, von Araghast zur Seite gestellt bekommen. Dieser kümmerte sich gerade darum, dem Sekretär des Büros für innere Sicherheit, einem gewissen Korinth N. Kack, welcher überprüfen sollte, dass die Stadtwache auch tatsächlich nicht mehr am Fall Weihnachtsras weiterermittelte, klar zu machen, dass die Ermittlungen im Alessia-Fall noch nicht zweifelsfrei dem Weihnachtsras-Fall zugeschrieben werden könnten, und damit die Stadtwache weiterhin zuständig sei.

Die verbleibenden Mitglieder der Ermittlungsgruppe saßen nun aus Sicherheitsgründen im Büro der Korrekturschreibkraft Aglaranna [4] zusammen, und versuchten, nochmal einen klaren Überblick über die neusten Entwicklungen zu bekommen.
"Bregs scheint ja tatsächlich keinen Zweifel an der Schuld von Ras zu haben," grübelte Leutnant Mambosamba.
"Du musst zugeben, die Beweislast scheint erdrückend zu sein," unterstützte Fähnrich Harmonie die Gedanken des Kommandeurs.
"Dann lasst uns doch einfach mal die Punkte auf Bregs' Liste durchgehen," schlug Oberfeldwebel von Grauhaar vor, "unter der Annahme, dass nicht der Weihnachtsras der Täter ist, sondern jemand anderes."
Feldwebel Ziegenberger legte ihre Mitschrift des letzten Treffens auf den Tisch, welcher durch die beiden zusätzlich im Büro befindlichen, überzähligen Schreibtische zu einem großen Besprechungstisch erweitert worden war.
"Erster Punkt - Rote Bete an allen Tatorten," las sie vor.
Der Einwand dazu von Romulus ließ nicht lange auf sich warten: "Wenn wir davon ausgehen, dass der Täter die Morde dem Weihnachtsras in die Schuhe schieben möchte, dann ist es ein Leichtes, die gestohlenen Rote Bete aus dem Laden Rumgurkes zu verwenden, um sie anschließend zu hinterlassen."
"Dann haben wir auch Punkt zwei abgehakt, eben dass eine größere Menge Rote Bete gestohlen wurden. Gut - dritter Punkt: Die Brust der ersten Leiche wurde zerkratzt."
Hier ließ sich Hauptmann Pismire hören: "Die Befunde deuten nicht zwangsläufig auf lange Fingernägel hin, wie sie der Weihnachtsras nunmal hat. Es könnten genauso gut mit anderen Dingen geschehen sein, wie beispielsweise mit einem Gegenstand, der so sauber war, dass er keine Spuren hinterlassen hatte. Zumal das Zerkratzen ja nur eine Stichwunde verbergen sollte. Wobei ich sagen muss, dass die Form der Wunden schon sehr deutlich Fingernägel oder ähnlichem ähnelt. Da muss jemand schon sehr genau gewusst haben, wie derartige Wunden aussehen, wenn er das mit etwas anderem durchgeführt hat."
"Also hier eher pro Weihnachtsras," konstatierte der RUM-Abteilungsleiter. "Weiter im Text. Ophelia?"
"Vierter Punkt - Es wurde eine Weihnachts-Rote-Bete-Gewürzbombe zum verwischen von Geruchsspuren verwendet."
"Auch die konnte von jedem eingefetft worden fein, der dadurch den Weihnachtfraf alf Fuldigen daftehen laffen wollte," lispelte Rogi.
"Punkt Fünf - Die Mordwaffe der ersten beiden Leichen hatte eine gebogene Klinge."
"Das hört sich natürlich in der Tat sehr nach dem Offiziersdolch von Rascaal an," gab Fähnrich Dubiata zu bedenken, "jedoch gibt es natürlich auch andere Leute, die Waffen mit gebogenen Klingen besitzen. Zum Beispiel Krummsäbel."
"Meinst du, ein Klatschianer war's?" fragte Laiza.
"War doch nur ein Beispiel. Hätte ja auch ein ... Offiziersdolch sein können."
"Oder eine Machete."
"Oder irgendsoein achatenes Schwert."
"Nächster Punkt," unterbrach Ophelia die müßige Diskussion. "Das erste Opfer hatte zahlreiche Ex-Wächter als Kunden."
"... was den Verdächtigenkreis schon ein wenig einschränkt, aber Ex-Wächter gibt es ziemlich viele," gab Kanndra zu bedenken.
"Alessia war's wohl eher nicht," witzelte Romulus, was ihm einige strenge Blicke der Kolleginnen und des Kollegen einbrachte.
"Siebter Punkt - Die späteren Opfer wuden durch Armbrustschüsse mit FROG-Bolzen getötet."
"Heißt im Klartext, am wahrscheinlichsten ist ein Ex-FROG als Täter, aber immer noch nicht zwangsläufig Rascaal," fasste Pismire zusammen.
"Punkt Sieben-plus-eins - Ein hellroter Stoffetzen mit weißem Plüschrand wurde in der Hand von Carla Greisig gefunden."
"Das beweist lediglich das gleiche, was auch Braggasch ausgesagt hat," überlegte Rea, "genau wie die Tatsache, dass er in Reimform gesprochen hat. Nämlich dass eine Gestalt in Weihnachtsras-Kleidung, die in Reimform spricht, der Täter war. Also entweder der Weihnachtsras, oder jemand, der ihn imitiert."
"Den Punkt, dass sich Picardo für den Fall interessiert, können wir wohl von der Indizienliste streichen," meinte Ophelia. "Das sagt nur aus, dass das Büro für innere Sicherheit genau wie Kommandeur Breguyar der Meinung ist, Rascaal Ohnedurst sei der Täter. Aber beweisen tut es nichts. Bleibt noch der Punkt, dass Carla Greisig in einem IA-Fall Zeugin war."
"Das ist in der Tat eine starke Verbindung zu Rascaal," gab Romulus zu.
"Aber nicht aufflieflich!" ließ sich Rogi plötzlich hören. Sämtliche Blicke richteten sich auf die Igorina.
"Wenn ef um IA geht find doch meiftenf mehr alf nur ein Wächter beteiligt. Wir follten herauffinden, wer von der Wache alf Feuge dabei war, und noch wichtiger, wer damalf der Befuldigte war."

29.08.2013 10: 38

Ophelia Ziegenberger

Ophelia ging nun schon seit Stunden die Akten durch. Ausnahmsweise saß sie dabei nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, im Archiv im Keller oder in ihrem Büro. Nein, in diesem Fall saß sie wirklich und wahrhaftig an einem extra bereit gestellten kleinen Tisch in Breguyars Büro. Er ließ es sich zwar nicht nehmen, sie dabei gewissermaßen zu überwachen, indem er seinen eigenen Schreibtisch seit Beginn der Recherche nicht mehr verlassen hatte und ab und an konnte sie seinen scharf taxierenden Blick auf sich spüren. Aber so war er nun einmal.
Sie blätterte die nächste Seite um, notierte sich auf dem bereit liegenden Schreibblock einen weiteren Namen und nahm dann, während sie weiter las, tief in Gedanken einen Schluck Tee.
Vermutlich hätte der Kommandeur das Prozedere deutlich beschleunigen können, wenn er selber die Verhörprotokolle der letzten Jahre durchgesehen und diese Arbeit nicht trotzig von sich gewiesen hätte. Sie war sich sicher, dass er die meisten Informationen in sich trug, die sie sich jetzt mühsam erarbeiten musste. Nur dass er eben felsenfest von der Schuld des Weihnachtsras überzeugt war und sich um keinen Preis davon abbringen lassen wollte. Allein der Gedanke, eine bisher unbekannte Person als möglichen Täter in den ‚Kreis’ der Verdächtigen zu lassen, hatte ihn dermaßen wütend reagieren lassen, dass die anderen Ermittler seiner Sondereinsatztruppe ihn überstimmt und verlangt hatten, jemand ‚Unvoreingenommenes’ müsse sich mit der neuen Theorie auseinandersetzen und dafür Zugang zu den höchst vertraulichen Unterlagen der Internen Ermittlung bekommen. Und da sie ohnehin bereits den Großteil der Recherche und der Papierarbeit zugewiesen bekommen hatte...
Sie seufzte leise.
Das darin mitschwingende Vertrauen der Kollegen in sie ehrte natürlich sehr. Aber die Aufgabe war ihr mehr als nur unangenehm. Nicht, dass sie jemals in die Versuchung geraten würde, solcherlei Informationen an Unbefugte weiterzugeben! Aber es fühlte sich nicht richtig an, von Verdächtigungen und Anklagen unter Kollegen zu lesen, von kompromittierenden Beobachtungen und Denunziationen. Wie sollte sie jemals wieder unvoreingenommen mit den Anderen reden können, wenn ihr bestimmte Formulierungen in den Aussagen fortan vor Augen stehen würden? Dinge, die im Eifer des Gefechts gesagt worden waren und die mehr von hoch kochenden Emotionen unter Menschen sprachen die einander lange kannten, jede Schwäche des Anderen benennen konnten und sich selber aus der Schusslinie halten wollten, als von echten Indizien?
Sie schloss die letzte der Akten und legte sie auf den Stapel zu ihrer Rechten. Sie schloss einen Moment die Augen und atmete tief durch, während sie die Schultern streckte. Die missbilligende Aufmerksamkeit des Kommandeurs auf ihr war spürbar wie ein loderndes Feuer und so lächelte sie ihm kurz zu.
Er tat so, als wenn er sich auf die Akten auf seinem eigenen Tisch konzentrieren würde und ignorierte sie demonstrativ.
Ophelia beugte sich wieder vor und ließ ihren Blick über diverse Akten schweifen.
Rabbe hat wesentlich häufiger bei IA vorsprechen müssen, als es mir vom Gefühl her vorkam. Tricia, in der ich immer ein Vorbild gesehen habe, Magane, Frän, Rib, Lilli, Arwan, Kathiopeja, Mina, Glum, Ruppert... Ich hatte ja keine Ahnung, dass Rogi schon mehrmals wegen Körperverletzung oder tätlicher Angriffe auf Vorgesetzte geladen gewesen war, so kenne ich sie gar nicht! Von Ettarks Fallakte wusste ich schon zuvor, natürlich... Aber... selbst Valdimier war mehrmals bei IA...
Sie betrachtete nachdenklich die vielen Namen, die sie auf dem Zettel neben ihrer Hand notiert hatte. Dann begann sie, einige davon rigoros durchzustreichen, während sie bei anderen noch zögerte.
Sollte ich vielleicht lieber zwei Gruppen einteilen? Eine mit noch aktiven Kollegen, die nach diesen Kriterien in Frage kämen?
Der Stift wippte unsicher zwischen den Fingern ihrer gesunden Hand auf und ab.
Meine Güte! Ich kann nachvollziehen, wie Sebulon sich bei solchen Überlegungen fühlen muss. Einen Ehemaligen zu verdächtigen ist schon schlimm genug, selbst wenn man ihn nicht persönlich kannte. Immerhin stehen wir alle für die gleichen Ideale ein. Aber einen Kollegen auf der Liste zu belassen, der noch Seite an Seite mit einem gemeinsam gegen das Unrecht vorgeht, nur weil er oder sie zufällig gewisse Rahmenbedingungen erfüllt und dadurch im Suchraster hängen bleibt! Schrecklich!
Sie betrachtete die beiden Namen, die bei einer aktuellen Liste ganz zu vorderst stehen würden und traute sich dabei nicht, zum Kommandeur aufzusehen: Araghast Breguyar und Valdimier van Varwald!
Ihre Vorgeschichten stimmen bei beiden, sie wären zu den infrage kommenden Zeiträumen bereits Wächter gewesen, sie waren beide bereits in IA-Verfahren verwickelt und sei es nur als Zeugen und sie haben bei den Freiwilligen Rettern gedient.
Ophelia traf eine schwerwiegende Entscheidung – und grenzte die Verdächtigen bewusst auf ehemalige Kollegen ein.
Wir sollten uns auf eine Sache konzentrieren, anstatt unsere Kräfte zu sehr aufzusplitten. Falls die gekürzte Ehemaligenliste nicht zum Erfolg führt, kann ich die weiterführenden Verdachtsmomente immer noch nennen. In der Zwischenzeit halte ich einfach die Augen offen und versuche herauszufinden, wie es mit ihren Alibi zu den verschiedenen Morden aussah. Dann müssten sie sich ja schnell ausschließen lassen, bei so vielen Gelegenheiten braucht ja nur eine davon nicht mehr in Frage zu kommen. Mit verschiedenen Tätern werden wir es in so einer speziellen Sache gewiss nicht zu tun haben!
Sie hatte kein gutes Bauchgefühl dabei aber es würde ihnen auch nicht weiterhelfen, wenn die Ermittlungstruppe sich zusätzlich zerstreiten sollte; so argumentierte sie zumindest sich selbst gegenüber – und konzentrierte sich mit einem Ruck wieder auf die vor ihr liegenden Papiere. Die verbleibenden Namen ließen sich noch weiter eingrenzen, insofern sie das Kriterium der Abteilungszugehörigkeit bei den FROG berücksichtigen würde.
Der Stift kratzte leise über das Papier.
Bleiben, wenn man Rascaal Ohnedurst außen vor lässt und zumindest erst einmal nur von Ehemaligen ausgeht, noch sieben Namen.
Sie atmete tief durch und sah auf. Direkt in Araghasts lauernden Blick.
„Lass mich an deinen Gedanken teilhaben!“
Sein Name tauchte zu vorderster Stelle der verdrängten Liste vor ihrem Inneren auf und sie musste sich bei dem Gedanken, er könne durchaus etwas sehr Grausames getan haben, sehr zusammenreißen, um nicht zu frösteln.
Zu viel Fantasie! Reiß dich zusammen!
„Es, Sör... es sind nach reiflicher Überlegung sieben Namen übrig geblieben, die ich mit deiner Erlaubnis gerne der Ermittlungstruppe zur gemeinsamen Beratung benennen würde.“
„Die da wären?“
„Carisa von Schloss Escrow, Schlumpi Wurzelbach, Ledamahn, Robin Picardo, Ecatherina Erschreckja, Sidney und Rince.“
Er lehnte sich mit einem spöttischen Gesichtsausdruck zurück.
„Da würden mich ja nun doch die Gründe interessieren, wie es ausgerechnet diese Kollegen auf deine Abschussliste geschafft haben.“
Sie brauchte nicht auf ihre Notizen zu blicken.
„Sie alle erfüllen die grundsätzlichen Kriterien was Zeitrahmen und Abteilungszugehörigkeit anbetrifft. Sie waren entweder als Zeugen oder als Beschuldigte in IA-Untersuchungen verwickelt, teilweise sogar mehrm...“
„Das warst du selber auch, wenn ich dich daran erinnern darf.“
Sie nickte möglichst gelassen auf seinen Einwand hin. Es musste für ihn als Vorgesetzten, der diesen Namen ausnahmslos Gesichter zuordnen konnte, noch schwerer sein, als für sie.
„Das ist richtig, Sör. Aber ich war niemals bei den FROG.“
Er verzog missbilligend den Mundwinkel, ließ sie aber weiter reden.
„Die Wasserspeierin und die Kollegin Erschreckja nannte ich der Vollständigkeit, ich würde sie aber nicht als dringend tatverdächtig einstufen, dagegen sprechen einerseits Carisas Natur – der Mörder wurde inzwischen mehrmals gesichtet und allein ihre Proportionen widersprechen den Beschreibungen. Insofern wir also von einem Einzeltäter ausgehen, fallen sowohl sie, als auch Ecatherina als Frauen durchs Raster. Letztere hat obendrein eine deutliche Vorliebe für das Blasrohr als Waffe. Rince scheint mir aufgrund seiner eher lethargischen Wesensart, wie er in seiner Personalakte und von den Kollegen beschrieben wurde, nicht in das fast hektische und aggressive Verhaltensmuster des Täters zu passen. Für Robin Picardo sprechen zwar seine erschreckenden Erfahrungen, die er mit dem Weihnachtsras gemacht haben soll, so man den Gerüchten Glauben schenken darf. Allerdings ist er nach unserem Stand der Dinge tot, auch wenn das natürlich nicht zwangsläufig ein Hindernis sein muss.
Ich weiß, Sör, das ist wenig. Ich sage es nur der Vollständigkeit halber, weil wir ja hier von der Prämisse ausgehen wollten, dass jemand Grund genug dazu hat, dem Weihnachtsras brutale Morde zu unterstellen. Nun ja… es bleiben Schlumpi Wurzelbach und Sidney. Ich kann bei beiden nur vom Hörensagen und den Einträgen in ihren Akten urteilen aber tatsächlich stellt sich bei beiden eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit dar, dass sie zu den Taten fähig und motiviert gewesen sein könnten.“
Araghast wirkte plötzlich sehr viel aufmerksamer als zuvor, beinahe wie unter Hochspannung. Es war nicht so, dass sie ihm etwas Neues erzählen würde, das erkannte sie bereits, ehe sie ihre Überlegungen in Worte fasste. Aber er hatte eine Möglichkeit bisher nicht bedacht gehabt, wie es schien.
„Beide Männer hatten die körperlichen Voraussetzungen, waren unter anderem talentierte Armbrustschützen bei den FROG und in IA-Verfahren verwickelt. Es scheint, dass sie beide ein hohes Aggressionspotential mit sich herumtrugen und tendentiell dazu neigten, ihre Selbstbeherrschung auch im Dienst durchaus mal zu verlieren. Beide trugen häufig Waffen bei sich, unter denen sich auch mindestens ein Messer befand, sei es der Offiziersdolch oder im Falle von Wurzelbach einen Wurfdolch.“

23.09.2013 9: 12

Romulus von Grauhaar

"Soso," erwiderte der Kommandeur. "Und wer ist deiner Meinung nach der wahrscheinlichere Täter?"
"Nun, wenn ich es genau betrachte liegt es eigentlich auf der Hand - Schlumpi war nur einmal als Zeuge geladen. Sidney hingegen wurde in zwei Verfahren mit Schuldstufe zwei für schuldig befunden, und beide Anklagen hatten sein aggresives Verhalten und das irrationale Verwenden seiner Armbrust zum Inhalt. Zudem war Carla Greisig Zeugin in einem der beiden Verfahren."
"Also worauf warten wir dann noch?" Araghast erhob sich so abrupt, dass der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, nach hinten umfiel. "Finden wir Sidney!"
In diesem Moment klopfte es an der Tür, die daraufhin von einem kleinen Mann mit schütterem Haar und grauem Anzug geöffnet wurde, und zwar ohne, dass dieser auf eine Antwort gewartet hätte.
"Guten Morgen Herr Kommandeur. Darf ich sie darum bitten, mir zu folgen? Hauptmann Picardo hat ein paar dringliche Fragen in Bezug auf die bereits vom Büro für innere Sicherheit untersagten Untersuchungen an dem Fall Ohnedurst."
Das Gesicht des Angesprochenen verfinsterte sich und er spannte seine Muskeln an. Für einen Moment schien es so, als ob sich Breguyar im nächsten Moment auf den Eindringling stürzen würde. Dann entspannte er resignierend und antwortete:
"Wenn es denn sein muss, Herr Kack, auch wenn ich sicher bin, dass Ihnen bereits alles mitgeteilt habe, was wir zu diesem Fall wissen. Ich werde nur noch schnell meine..."
Weiter kam er nicht, denn der Sekretär unterbrach ihn:
"Es geht nicht einmal nur um den nötigen Wissenstransfer - wir haben die begründete Annahme, dass Sie trotz unseres ausdrücklichen Verbotes weiter an diesem Fall ermittelt haben. Deshalb muss ich sie bitten, mir sofort und unmittelbar zu folgen."
Innerlich kochend und sich ausmalend, welche höllischen Qualen er bei Gelegenheit dem Sekretär und vor allem Picardo zuteil werden lassen würde, äußerlich die Ruhe selbst, erwiderte der Kommandör.
"Natürlich. Feldwebel Ziegenberger war ohnehin gerade zu einem Abschluss ihres Berichtes in einem Fall über den spurlos verschwundenen Senflieferanten von Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper gekommen, zu welchem sie die abschließenden Maßnahmen sicher auch ohne meine Hilfe einleiten können dürfte. Nicht war, Feldwebel?"
Ophelia nickte. Sie wusste was zu tun war.
"Jawohl, Sör."

Eine knappe halbe Stunde später war beinahe die gesamte Abteilung FROG unter Kanndras Kommando auf den Beinen, um den ehemaligen Kollegen und mutmaßlichen Serienkiller Sidney ausfindig zu machen, und seiner gerechten Strafe zuzuführen.

14.10.2013 13: 46

Kanndra

Sie würden es an der letzten, aus den Akten bekannten Adresse des Werwolfes versuchen, in der Hoffnung ihn dort anzutreffen. Oder zumindest jemanden, der ihn kannte und wusste, wo er nun zu finden war. Etwas anderes hatten sie nicht. Und da die Zeit drängte und sie ihn nicht warnen wollten, mussten sie die Samthandschuhe zuhause lassen.

Gunda Gutmut war eine geduldige und vernünftige Frau, die ihren Mieter auf eine mütterliche Art und Weise mochte. Jahrelang hatte sie es ertragen, seine schweren Stiefel zu jeder Tages- und Nachtzeit durch das Treppenhaus poltern zu hören – ohne jegliche Rücksicht auf ihr Ruhebedürfnis. Auch den vermehrten Haarausfall und die gelegentlichen Hundehaufen hatte sie ertragen und sie hatte nichts gesagt, als die Mietzahlungen nach seinem Weggang aus der Wache unregelmäßiger wurden. Aber in den letzten Wochen war er ihr zunehmend unheimlicher geworden. Er war zwar noch nie ein Ausbund an Höflichkeit gewesen, doch in letzter Zeit schien er besonders nervös zu sein, wenn sie ihn überhaupt zu Gesicht bekam. Ab und zu fand sie Rote-Bete-Knollen in ihrem Briefkasten. Und gestern hatte er auf ihren Morgengruß mit einem seltsamen Gedicht geantwortet, begleitet von einem Kichern. Doch das hier, das setzte dem Fass die Krone auf.
Sie hatte gerade ihr Frühstück beendet, als ein lautes Krachen sie zusammenzucken ließ. Als sie daraufhin nach dem Rechten schauen wollte, sah sie ihre Haustür in den Angeln schaukeln, während grüngekleidete Wächter die Treppe hinauf stürzten und sich oben an der Tür ihres Mieters zu schaffen machten.
"Jetzt reicht es wirklich", dachte sich Frau Gutmut, "morgen werde ich ihm kündigen."
Es knallte erneut und alle Wächter verschwanden durch die aufgebrochene Tür in der Wohnung.

Sieh mal an, was seh' ich da?
Eine kleine Wächterschar!
Ist gekommen, mich zu holen,
mir den Hintern zu versohlen.
Wahrscheinlich glaubt sie fromm,
dass ich einfach mit ihr komm.


Unbeeindruckt von den verschiedenen Waffen, die sich auf ihn richteten, starrte Sidney seine ehemaligen Kollegen an. Er bot einen so bizarren Anblick, dass sich die FROGs erstmal von ihrer Verblüffung erholen mussten, vor allem diejenigen, die den Werwolf noch als Wächter erlebt hatten. Halb von Fell bedeckt, als hätte er die Verwandlung nicht vollendet war er gerade im Begriff gewesen, ein Schneevater-Kostüm anzulegen. Kanndra war insgeheim froh, dass er die Hose wenigstens schon trug. Doch das Seltsamste waren sein merkwürdig starrer Blick und die Reime, die er ihnen entgegenschleuderte.

Soll ich wirklich mit euch gehen?
Na, das werden wir noch sehen!
Muss mich nur ein wenig strecken,
dann werden wir hier all' verrecken.


Sofort flogen die Blicke der FROGs nach oben.


20.10.2013 12: 38

Rogi Feinstich

Eine Falle und was für eine. Valdimier brauchte nur einen Sekundenbruchteil um die Lage zu begreifen. An der Decke waren mehrere Spiegel aller Art befestigt. Von Wandspiegeln, Handspiegel oder auch nur polierten Töpfen war alles dabei was reflektierte und in der Mitte hing ein flacher, abgedeckter Käfig – Sumpfdrachen – der Gestank verriet die Tiere sofort. Im selben Moment tat der Werwolf was sein grässlicher Reim schon angedeutet hatte. Sidney streckte sich nach einem Seilzug und Bragasch neben ihm quiekte aufgeregt. Der Zwerg hatte den Mechanismus wahrscheinlich schon durchschaut, doch für den Vampir war auch so klar, dass die Falle besser nicht ausgelöst wurde. Valdimier reagierte so schnell es ihm möglich war und sprang wortwörtlich an die Decke und lieferte sich mit dem Werwolf ein Tauziehen. Sein Umhang glitt ihm dabei von den Schultern und landeten zu den Füßen des ehemaligen FROG. Sidney knurrte und holte mit seiner nun zu einer Pranke gewordenen Hand aus, als ihn ein Armbrustbolzen in die Schulter traf. Das verschaffte dem leichten Armbrustschützen die nötige Schonfrist, doch Sidney war davon nicht beeindruckt und legte sein ganzes Gewicht in das Seil und in dem Fall war die Schwerkraft gegen den Vampir. Langsam knackte das Holz der abgehängten Decke und konnte jeden Moment nachgeben, viel mehr konnte er dem Werwolf nicht entgegensetzen.
"Leute, beeilt euch!", rief er seinen Kollegen unter ihm zu und Sidney kicherte irre.
Valdimiers Muskeln begannen zu zittern, während seine Kollegen den Werwolf umkreisen und versuchten aus der Reserve zu locken. Mit Erfolg. Kanndra und Tyros spielten mit dem Werwolf Katz und Maus bis dieser aufheulte und nach der Igorina schlug, die ihm eine Spritze in den Oberschenkel gerammt hatte, doch diese hatte sich schon längst wieder hinter dessen Rücken abgerollt. Der ehemalige Wächter zog die leere Spritze aus seinem Bein und seine Bewegungen wurden schon langsamer bis sein Körper letztlich erschlaffte. Das Seil hielt er allerdings weiterhin fest, bis Kanndra den Vampir schließlich erlöste und es zwischen ihm und Sidneys Hand mit ihrem Dolch durchtrennte. Der Werwolf viel benommen zu Boden und Nyvania legte ihm augenblicklich Handschellen an, während Valdimier sich wieder zu Boden gleiten lies.
"Ich glaube seine... äh Rechte brauchen wir ihm nicht vorlesen, oder?"

02.01.2014 23: 07

Romulus von Grauhaar

Kaum waren die FROG mit der Festnahme ihres ehemaligen Abteilungskollegen fertig, und hatten ihn auf dem Einsatzwagen in Richtung Wachhaus abtransportiert, als bereits der Großteil der verbleibenden Ermittlungsgruppe, welcher vor dem Gebäude gewartet hatte, die Wohnung betrat, um zu ermitteln, Spuren zu sichern, und vor allem behutsam den Käfig mit den Sumpfdrachen außer Gefahr zu bringen. Um Letzteres schlug sich natürlich keiner, und so wurde ausgeknobelt, wer den abgedeckten Käfig zum Sonnenscheinheim bringen musste - das Los traf Oberfeldwebel von Grauhaar, welcher sich unverzüglich auf den Weg machte. In der Zwischenzeit stellten die SUSIs allerhand Beweisstücke sicher, mit welchen sich die Täterschaft Sidneys eindeutig belegen ließ: Einen halbleeren Sack Rote-Bete-Knollen, Sidneys Armbrüste und Katanas, welche den gleichen rundlichen Klingenschwung aufwiesen, wie der Offiziersdolch Rascaal Ohnedursts. Außerdem die fehlende Seite aus dem Pfandbuch der Pfandleihe Seneken, auf welcher zwei verpfändete Armbrüste zusammen mit Sidneys Namen aufgeführt waren – warum auch immer der Werwolf diese aufbewahrt hatte. Feldwebel Ziegenberger und Korporal Kolumbini übernahmen derweil die routinemäßige Befragung der Nachbarschaft.

"Ah, Kommandeur Breguyar. Ich habe dich erwartet."
Dorian Picardo saß auf einem Sessel hinter seinem Schreibtisch, hatte ein Bein über das andere gelegt und die Fingerspitzen aneinandergelegt, wie Araghast es vor allem von Lord Vetinari höchstselbst bekannt vorkam.
"Kein Wunder, du hast es ja offensichtlich sehr eilig gehabt, mich herbeizuzitieren."
Der Hauptmann des Büros für innere Sicherheit nickte und gab seinem Sekretär einen Wink, die beiden alleine zu lassen. Araghast überlegte einen Moment, ob nun ein geeigneter Zeitpunkt wäre, nach vorne zu schnellen, und sein verhasstes Gegenüber mit einem gezielten Manöver außer Gefecht oder noch besser aus dem Leben zu befördern - er war ihm ohne Zweifel körperlich haushoch überlegen. Jedoch riss er sich zusammen, da er vermutete, dass Picardo für einen solchen Fall sicher vorgesorgt haben würde.
"Es scheint mir auch allen Grund dafür zu geben. Habe ich dir und deiner Wache nicht ausdrücklich das weitere Vorgehen im Fall Ohnedurst untersagt?"
Der herablassende Tonfall, mit welchem der Hauptmann das Wort "Wache" aussprach, versetzte Breguyar innerlich einen Stich in der Magengegend, und er begann, seinen vorhin vertriebenen Gedanken eventuell doch in Erwägung zu ziehen. Erneut musste er sich zusammenreißen.
"Mal ohne den tieferen Sinn zu hinterfragen, aus welchem Grund hier von deiner Behörde die Gefangennahme eines gefährlicher Serienmörders unterbunden wird, haben wir nichts dergleichen getan. Wir haben einzig und alleine den Tod einer ehemaligen Wächterin untersucht, bei welchem keine Verbindung zu Rascaal Ohnedurst oder seinem Alter Ego, bekannt unter dem Namen 'Weihnachtsras' zu erkennen war."
"Soso. Und warum wurde dann versucht, den Fund einer Rote Bete am Tatort vor meinem Sekretär zu verheimlichen?"
"Davon ist mir nichts bekannt. Sicher, dass euer Sekretär sich das nicht ausgedacht hat?"
"Von der Zuverlässigkeit Korinth N. Kacks bin ich vollständig überzeugt, nicht aber von der Zuverlässigkeit der Stadtwache, sich an klare Anweisungen zu halten. Darüber hinaus wurde mir wenige Minuten vor diesem unserem Gespräch hier berichtet, dass eine große Abordnung der FROG vor der Wohnung eines ehemaligen Wächters gesehen wurde."
Araghast fiel innerlich ein Stein vom Herzen. Offensichtlich hatten Ophelia und Kanndra so gehandelt, wie er es erhofft hatte.
"Dieser Wächter ist dringend tatverdächtig, mindestens einen schweren Mord begangen zu haben."
"Dieser Wächter ist vor allem dringend und sofort wieder auf freien Fuß zu setzen. Er mag ein geistig ein wenig verwirrt sein, aber wir beide sind uns doch sicher, dass der Täter niemand anderes als Rascaal Ohnedurst gewesen sein kann? Meine Männer sind ihm bereits dicht auf den Fersen und werden nicht eher ruhen, bis dieser gefährliche Schwerverbrecher seiner gerechten Strafe zugeführt wurde. Ich warne dich noch einmal ganz direkt - lass Sidney frei, oder bring ihn meinetwegen in ein Sanatorium - aber denk daran: Der Mörder ist der Weihnachtsras. Alle anderen Ergebnisse von Seiten der Wache werden nachhaltige Konsequenzen für dich haben!"
Mühsam unterdrückte der Kommandeur den Drang, seinem Gegenüber gewaltsam die Kleider vom Leib zu reißen, um die Existenz einer gewissen knollenförmigen Narbe auch auf der Brust von Robin Picardos Doppelgänger wiederzufinden.
"Ich habe dazu nichts mehr zu sagen. Darf ich nun gehen?"
"Ja, aber erinnere dich an meine Worte, bevor es zu spät ist."

Romulus von Grauhaar hatte sich gerade auf dem Weg zurück zum Pseudopolisplatz gemacht, und das deutlich später, als er es ursprünglich erwartete. Es hatte doch erheblich mehr Zeit gekostet, den Käfig ohne größere Erschütterungen oder andere Dinge, welche die enthaltenen drei Sumpfdrachen in Aufregung hätte versetzen können, zum Sonnenscheinheim zu bringen. Einem der drei Tiere, einem dunkelroten, etwas kränklich wirkenden mit schwarzen Flügeln, war das Heim offensichtlich sehr suspekt gewesen, weshalb es den beiden anwesenden Pflegerinnen sehr schwer gefallen war, diesen in einem Einzelkäfig unterzubringen.
Der Werwolf hing in Gedanken an der Lösung des Falles. Sollte man Sidney in ein Sanatorium bringen? Er war zuletzt offensichtlich bessessen davon gewesen, der Weihnachtsras zu sein. Ob dies zum Anfang seiner Mordserie schon der Fall gewesen ist, oder ihn das ständige Morden und dabei Vortäuschen, der Weihnachtsras zu sein, erst dazu geführt hatte, das konnte wohl nur eine tiefergehende püschische Analühse der einzelnen Taten ermitteln. Die Alternative wäre, den ehemaligen Kollegen der Gerichtsbarkeit des Patriziers zu überlassen. Ganz klar eine drastische Entscheidung, aber wahrscheinlich die einzig wahre, um weitere Probleme zu vermeiden. Plötzlich nahm seine empfindliche Nase den eindeutigen Geruch brennenden Holzes, gepaart mit schmelzendem Metall wahr. Er schnupperte, um nähere Witterung aufzunehmen und folgte eilig der Spur, welche ihn schon nach kurzer Zeit zum Ausgangspunkt seines Weges zurück brachte. Im Außenstall für die Einzelunterbringung schwieriger Exemplare klaffte eine große, rauchende Lücke und die beiden Pflegerinnen waren hektisch damit beschäftigt, die restlichen Flammen zu löschen [5]. Als der RUM-Abteilungsleiter das Gelände betrat, wuselte ihm etwas dunkelrotes entgegen, stellte sich auf seine Hinterläufe, wedelte mit dem Sumpfdrachenschwanz und schaute Romulus mit Hundeblick [6] an.

Sidney war bis zur Klärung, was mit ihm geschehen sollte, in eine der Zellen des Wachhauses am Pseudopolisplatz gesperrt worden. Zur Bewachung hatte man ihm den Rekruten Opal dagelassen, an welchem so schnell kein Vorbeikommen war. Araghast machte sich mit den Ereignissen während seiner Abwesenheit vertraut. Alleine die Tatsache, dass Picardo so vehement auf die Täterschaft Rascaals pochte, hatte die letzten Zweifel des Kommandeurs an dessen Unschuld ausgeräumt. Spätestens jetzt war die Sache auch etwas Persönliches. Und schon deshalb tendierte er eher dazu, den übergeschnappten Sidney vor die Gerichtsbarkeit von Lord Vetinari zu bringen, anstatt ihn in ein Sanatorium sperren zu lassen. Nachdem er sich von der korrekten Inhaftierung des Täters und dessen füsischen und püschischen Zustands überzeugt hatte, stieg er die Treppe zum Erdgeschoss empor, gerade Rechtzeitig, um die Ankunft Romulus' zu erleben, welcher gerade durch die Wachetresen-Tür in Richtung Treppenhaus getreten war. Auf der Schulter des Werwolfs saß ein kränklich wirkender, dunkelroter Sumpfdrache mit schwarzen Flügeln, welcher vom Gesicht her eher Ähnlichkeiten mit einem Hund als mit einem Reptil hatte. Der Oberfeldwebel machte einen abgespannten Eindruck.
"Hallo Bregs. Der hier wollte nicht im Sonnenscheinheim bleiben. Er hat dort solange für Trubel gesorgt, bis ich mich bereit erklärt habe, ihn im Namen der Wache zu adoptieren."
"Im Namen der Wache?"
Araghast runzelte die Stirn.
"Nunja, in meine Wohnung kann ich den Kleinen schlecht mitnehmen, ich bin ja kaum da. Und da dachte ich mir, wenn andere Abteilungen ein Maskottchen haben, dann würde sich doch auch für RUM eines ganz gut eignen. Immerhin haben wir einen Drachen als Wappentier. Und dieser hier", er wandte den Blick zu dem bedauerlich aussehenden Wesen auf seiner Schulter, "hat sogar unsere Abteilungsfarben."
Der Kommandeur seufzte. Der herzzerreißende Hundeblick des kleinen Reptils hatte sogar den sonst so hart wirkenden Halbvampir problemlos um den nicht vorhandenen Finger wickeln können.
"Nun gut, aber ich mache dich gleich darauf aufmerksam, dass ich dich persönlich für die sichere Unterbringung verantwortlich mache. Jeglicher Schaden wird sofort dem Budget von RUM abgezogen. Und außerdem brauchen wir einen passenden Raum für unseren kleinen... wie soll er eigentlich heißen?"
"Als Hommage an unseren Abteilungsgründer dachte ich, wir könnten ihn Lewie nennen."

Neben dem Abschluss des Weihnachtsras-Falls war das neue Maskottchen von RUM Gesprächsthema Nummer eins im Wachhaus. Der kleine Sumpfdrache hatte bereits eine große Fangemeinde, besonders unter den weiblichen Wächtern. Ophelia Ziegenberger und Mina von Nachtschatten hatten es direkt zu ihrer höchstpersönlichen Aufgabe erklärt, Lewie eine passende Unterkunft innerhalb der Abteilungsräumlichkeiten zu verschaffen, und es ihm mit allem möglichen Schnickschnack, welcher sich so auftreiben ließ, möglichst bequem zu machen. Tags darauf hatte man bereits das Gefühl, Lewie gehöre schon seit Ewigkeiten zur Abteilung. Über diesen ganzen Trubel schraken Romulus und Kolumbini bei einer ihrer regelmäßigen Gespräche über einem gutem Pfeifchen zusammen, als Araghast ohne zu Klopfen die Tür aufriss.
"Er ist weg!"
"Wer ist weg?"
"Sidney ist weg!"
Schnell war gefühlt die halbe Wache auf den Beinen. Offenbar hatte jemand Opal, welcher ja zur Bewachung des Gefangenen abgestellt worden war, mit Hilfe einer nicht gerade kleinen Dosis Platte außer Gefecht gesetzt und Sidney zur Flucht verholfen. Der große, starke Troll saß zusammengekauert über einem Bildnis von Anoia und stammelte zusammenhangslose, religiös klingende Dinge, während sich sein Ausbilder Braggasch Goldwart zusammen mit Hauptmann Pismire um den Rekruten kümmerten.
"Ganz klar", verkündete der Kommandeur, "hier wusste jemand genau, was zu tun war. Jemand, der zum einen Opals Vorgeschichte kannte, und zum anderen die Gegebenheiten des Wachhauses. Nur schade, dass es wahrscheinlich unmöglich sein wird, Picardo zu überführen."
"Ähm, eine Frage hätte ich da", ertönte der bekannte Satz von Inspäctor Kolumbini. "Warum denkst du, dass es ausgerechnet Picardo gewesen sein soll?"
"Ich bin mir sicher, dass er es war. Oder einer seiner Leute. Er ist ehemaliger Wächter, kennt sich also gut aus. Er hat seine Augen und Ohren überall, das zeigt, was er alles über unsere Ermittlungsarbeit wusste. Und außerdem hat er mir offen gedroht, ich würde es bereuen, wenn ich Sidney nicht auf freien Fuß setzen würde."
"Alfo waf follen wir tun?" fragte Rogi.
"Sofort alle verfügbaren Wächter ausschwärmen lassen. FROG, SEALS und wer von den anderen Abteilungen gerade nichts absolut wichtiges zu tun hat. Wir müssen Sidney finden, bevor das Morden wieder los geht."

Zwei Tage später, am letzten Tag der Weihnachtsras-Woche, war der flüchtige Täter immer noch nicht gefunden. Araghast schmiedete bereits Pläne, das Büro für innere Sicherheit von Spähern und Terriern beobachten zu lassen, als eine Beschwerde von Mamsell Piepenstengel per Rohrpost bei ihm einging. Sie könne so nicht arbeiten, da die Küche voller Qualm wäre, dass einem die Luft wegbleibt. Hastig wollte er die Beschwerde beiseite legen, als Rogi in der Tür stand.
"Herr Kommandeur, ich habe eine Meldung fu machen!"
"Was gibt es denn, Rogi?"
"Beim Infpifieren der Tauben-Kommunikafionfanlage und füttern der dort anfäffigen Tauben habe ich auf dem Dach im Fornftein etwaf rot-weifef ftecken fehen."
"Rot-weiß? Sofort hin!"
"Ich habe unterwegf Kanndra gefehen und fie hingefi... hingefendet, um daf fu unterfuchen. Immerhin kennt fie fich mit Dächern auf."

Das rot-weiße im Schornstein entpuppte sich rasch als zwei Beine. Und an diesen Beinen hing der leblose Körper eines in rot und weiß gekleideten Werwolfs, welcher die halbe Wache in den letzten Tagen in Aufruhr versetzt hatte. Als man ihm den Weihnachtsmantel auszog, nickte Araghast Breguyar wissend, als er auf dessen entblößter Brust eine frisch eingekratzte Wunde in Form einer Rote-Bete-Knolle erblickte.
"Mir scheint, wir können diesen Fall als erledigt zu den Akten legen."

Auf einem Dach nicht allzu weit vom Pseudopolisplatz entfern stand eine Gestalt, welche in roten Kleider mit weißem Saum gekleidet war. Die wirr ins Gesicht der Gestalt hängenden grauen Haare lugten unter einer roten Zipfelmütze mit goldenem Glöckchen hervor.
"Hast gedacht du kommst davon
Dies sei dein gerechter Lohn
Denn wer böse Dinge macht
Über den der Weihnachtsras lacht"
Mit diesen Worten biss die Gestalt herzhaft in eine intelligente Rote-Bete-Knolle und ein saugendes Geräusch ertönte, wärend sie ihren Blick über die Dächer Ankh-Morporks schweifen ließ. Der rote Mantel wehte im eisigen Dezemberwind. Dann sprang die Gestalt vom Dach, wurde zu einer rotbemützten Fledermaus, und war alsbald in den Weiten der Scheibenwelt-Metropole verschwunden.

ENDE

03.01.2014 14: 26

[1] im wahrsten Sinne des Wortes

[2] da intakte Siegel stets eine Einladung für jeden gebürtigen Morporkianer darstellten, sich im jeweiligen Gebäude umzuschauen, war die Wache schon lange dazu übergegangen, nur zerbrochene Siegel an Tatorten zu befestigen. Erstaunlicherweise schreckten diese die meisten Leute besser ab als die intakten, da sie davon ausgingen, dass ihnen jemand zuvor gekommen war und es hier nichts mehr zu holen gab

[3] er hatte seit einiger Zeit ein neues Exemplar mit Deckel, welches den brennenden Tabak vor Regenwasser und damit vor dem Erlöschen schützte

[4] von welchem sich der Sekretär des Sicherheitsbüros seltsamerweise fernzuhalten versuchte, und welches zu dieser späten Tageszeit normalerweise ohnehin nicht genutzt wurde

[5] Glücklicherweise ist das Sonnescheinheim aus verständlichen Gründen gut auf derartige Vorfälle vorbereitet.

[6] Ja, eigentlich müsste es ein "Sumpfdrachenblick" sein, aber mit Hundeblicken kannte sich der Werwolf naturgemäß besser aus


Wörter:

Laiza Harmonie   431
Sillybos   541
Hatscha al Nasa   872
Magane   916
Harry   1200
Kolumbini   1310
Rogi Feinstich   1316
Kanndra   1865
Araghast Breguyar   2627
Rea Dubiata   2848
Pismire   2867
Ophelia Ziegenberger   4884
Romulus von Grauhaar   7775



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