FROG-Abteilungscoop

Bisher hat keiner bewertet.

von Lance-Korporal Kanndra (FROG), Korporal Araghast Breguyar (FROG), Obergefreiter Rib (FROG), Gefreite Rogi Feinstich (FROG), Oberleutnant Venezia Knurblich (FROG), Lance-Korporal Valdimier van Varwald (GRUND), Chief-Korporal Sidney (FROG), CK Charlotta (GRUND)
Online seit 24. 12. 2003
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Die Abteilung FROG wird kurz vor Feierabend in einen Fall verwickelt. Die Grünen berichten...

Für diese Mission wurde keine Note vergeben.

Ein kleines Vorwort über Sinn und Unsinn der Abteilungscoop


Ich glaube, die Idee zu diesem Experiment entstand auf dem Wachetreffen 2003, wir waren mit den FROGs zahlreich vertreten und führten viele Gespräche über die Abteilungsarbeit. Dabei kam die Idee zustande, einmal einen Fall zu haben, in dem alle FROGs, die Zeit und Lust hatten, mitwirkten, ein Fall, der dem Leser im ersten Kapitel durch die Fallakte so, wie er wirklich war, dargelegt wird und für den in den nächsten Kapiteln jeder mitwirkende Wächter überlegt, wie er die Geschichte wem erzählt. Spannend soll dabei eigentlich gar nicht so sehr der Fall sein, sondern die unterschiedlichen Stile, etwas zu erzählen, was hoffentlich dadurch deutlich wird, dass ja eigentlich alle das Gleiche erzählen.
Ihr werdet also immer wieder die gleiche Geschichte lesen, jedoch immer aus der Sicht eines bestimmten Charakters und natürlich auch mit Schwerpunkt auf diesem Charakter.
Ich hoffe mal, das Experiment ist gelungen und es macht dem Leser Vergnügen, ich kann nur sagen, daß ich als Schreiber sehr viel Spaß daran hatte und ich hoffe, es geht den anderen auch so.

Veni





Kapitel 1: Die Fallakte


Akte 233–578-23

FROG-Einsatz im Geiselfall Glänzgern am 5. Sektober im Jahr des neurotischen Geziefers

Vier Uhr nachmittags:
Der fünfjährige Kai Glänzgern betritt die Wache. Er berichtet, dass Männer ins Haus seiner Eltern eingedrungen sind (die genaue Anzahl kann er nicht benennen, er hält eine Hand hoch und gibt an, es seien mehr als so viele). Sie halten seine Schwestern und die Mutter im Haus fest, während einige von ihnen "den Papa mitnehmen wollen damit er ihnen im Geschäft die Klunkersteine gibt". Der Junge konnte unentdeckt entkommen und nach einigen schwierigen Gesprächen kann man aufgrund seiner Aussage sowohl den Standort des Anwesens als auch den des Juweliergeschäfts Glänzgern ausmachen.

Vier Uhr dreißig:
Zwei Thiems werden eingeteilt. Eins, dass das Anwesen aufsucht, bestehend aus Oberleutnant Venezia Knurblich, Lance-Korporal Araghast Breguyar, Hauptgefreite Kanndra, Hauptgefreiter Valdimier van Varvald, Obergefreite Rogi Feinstich und Gefreiter Rib, in der folgenden Fallakte Thiem Villa genannt, und eins, was das Geschäft in Augenschein nimmt, bestehend aus Chief-Korporal Sidney und Korporal Charlotta (freundlicherweise von GRUND in Ermangelung eines erfahrenen Knallpulverexperten zur Verfügung gestellt), folgend als Thiem Laden benannt.
Es findet eine kurze Einsatzbesprechung statt bevor die Gruppen sich auf den Weg machen.[1]

Fünf Uhr:
Die Thiems treffen an den Einsatzorten ein, der Einsatz beginnt in der Dämmerung.
Kanndra verschafft Thiem Villa einen Überblick über die räumlichen Gegebenheiten, die Eingänge sind bewacht, die Fenster unten vergittert. Über ein Baumhaus des Jungen Kai kann man allerdings in den ersten Stock eindringen. Der Späher schätzt die Schurken auf sechs bis acht Mann.
Rib kann sich durch seine Fähigkeiten als GiGa Zugang zu einem Fenster im Erdgeschoss verschaffen. Er schläfert durch vergiftete Nahrung zwei der Schurken ein.
Araghast klingelt an der Haustür um die unteren Schurken abzulenken, damit der eigentliche Einsatz starten kann.
Valdimier dringt über das Baumhaus in den ersten Stock ein und überwältigt die beiden unten verbleibenden Schurken. Leider erleidet Frau Gisela Glänzgern dabei eine mittelschwere Verletzung, die vierjährigen Zwillinge Charlie und Hanne bleiben unbeschadet.
Die beiden Schurken unten treten die Flucht nach vorne an, einen kann Araghast überwältigen, der andere schafft es aus dem Haus, wird aber glücklicherweise von Venezia Knurblich beim Verlassen des Grundstücks abgefangen.
Rogi schickt eine Nachricht an Thiem Laden um es zu aktivieren, bevor sie sich in einem separaten Raum um Gisela Glänzgern kümmert.

Fünf Uhr fünfzehn:
Thiem Laden wird durch die Nachricht von Rogi aktiviert, Charlotta ist bereits in das Geschäft eingedrungen, um eine Falle zur Ablenkung der Schurken vorzubereiten.
Sie versteckt sich in den hinteren Geschäftsräumen, um deren Eintreffen abzuwarten. Dann löst sie ihre Sprengfalle aus, der Rauch überrascht die Schurken und nimmt ihnen die Sicht.
Sidney verfolgt die Schurken die letzten Meter zum Geschäft hin, er wartet, bis Charlotta zugeschlagen hat, folgt den Zielen in das Gebäude und überwältigt sie. Die Geisel kann unbeschadet befreit werden.

Sechs Uhr:
Nach Aufnahme der Aussagen treffen die Thiems im FROG-Besprechungsraum wieder aufeinander, die überwältigten Schurken werden festgesetzt und der Fall wird offiziell als beendet erklärt.
Die Verhöre der Täter werden die nächsten Tage über aufgenommen und dann als Anlagen der Fallakte zugefügt.

Oberleutnant Venezia Knurblich,
Abteilungsleiterin der Abteilung FROG,
Einsatzleiterin des Falls Akte 233–578-23




Kapitel 2: Araghast


Die 48-Stunden-Geschichte (Araghast Breguyar)


Der Alte Tom hat soeben nicht drei Uhr Nachts geschlagen und ich sitze hier immer noch an meinem Schreibtisch, knabbere das Ende meines Bleistiftes ab, habe mir einen Rum eingeschenkt und weiß immer noch nicht, wie ich anfangen soll. Eigentlich schreibe ich außer den unvermeidlichen Fallberichten eher selten etwas. Ich bin nun mal kein besonders guter schriftlicher Erzähler. Zumindest glaube ich das. Julius hat gut Reden mit seiner Behauptung, jeder könne schreiben. Nun, in gewissem Sinne stimmt es, laut einer Statistik der Times ist die Analphabetenrate in Ankh-Morpork während der letzten zehn Jahre rapide gesunken. Aber ich weiche schon wieder vom eigentlichen Thema ab. Gemeint hat mein Freund natürlich das Niederschreiben von Geschichten, sprich das Erzähltalent. Manchmal glaube ich, die in der Schriftstellergilde haben nichts Besseres zu tun, als sich solche Sachen auszudenken. Fakt ist jedenfalls, Julius hat mich gestern Abend aufgefordert, ihm innerhalb von 48 Stunden eine mindestens 1000 Wörter lange Erzählung zukommen zu lassen.
Also stellt sich die Frage, worüber schreibt ein Wächter? Ich könnte ihm natürlich ein Püschogramm unterschieben. Aber das würde er bestimmt nicht gelten lassen. Also heißt es weiter überlegen. Ich kenne einen ganzen Haufen von Geschichten. Aber das wäre auch wieder abgeschrieben.
Und warum habe ich mich eigentlich überhaupt dazu bereit erklärt, bei diesem Schreibversuch mitzumachen? Lag es an der Flasche Rotwein die wir beide bereits intus hatten? Oder an der püschischen Komponente des Versuches? Nun ja, für die Aufzeichnungen klingt letzteres jedenfalls eindeutig besser.
So, nachdem ich mir noch einen Rum eingeschenkt habe, ist mir auch etwas eingefallen, worüber ich schreiben könnte. Irgend etwas, was hier in letzter Zeit in der Wache passiert ist. Und ein Einsatz, von dem ich Julius noch nicht erzählt habe, muß es sein. Da kommt eigentlich nur einer in Frage: Die Geiselnahme bei den Glänzgerns, weswegen wir heute -beziehungsweise ja mittlerweile gestern- Nachmittag ausrücken mußten.

-Fakt: Um ungefähr vier Uhr kam der junge Kai Glänzgern ins Wachhaus gestürmt und wir kitzelten schließlich aus ihm heraus, was los war.
-Fakt: Nach einer eiligen Einsatzbesprechung standen wir schließlich vor dem Anwesen der Glänzgerns: Rogi, Rib, Val, Kanndra, die Schäffin und ich.
-Fakt: Es regnete. Genau das typische Mistwetter, bei dem man aus seinem gemütlichen Büro auf die Straße gescheucht wird.
-Fakt: Ich stand kurz davor, mich einmal wieder so richtig lächerlich zu machen...

Hmmm... Ich glaube, so kann man keine Geschichte erzählen. Das Problem ist, wie fängt man eine Geschichte an? Mit Eddie Wollas' dunkler stürmischer Nacht ist es hier nicht getan, denn es war zwar ekelhaftes Wetter, aber noch lange nicht Nacht.
Also kurz gesagt, meine Aufgabe bei dem ganzen Einsatz war es, die Entführer, oder zumindest einige davon, vom hinteren Bereich des Hauses der Glänzgerns abzulenken, damit Val sich unbemerkt ins Haus schleichen konnte. Was soviel hieß wie: Ich durfte an der Haustür klingeln und möglichst viele der Verbrecher in ein Gespräch verwickeln. Doch worüber redet man mit einem Ganoven? Und vor allem, wie improvisiert man am Einsatzort plötzlich einen Auftritt als sonstein unliebsamer Kerl, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, ahnungslosen Hausfrauen irgendwelche irrsinnig nützlichen Gegenstände anzudrehen? Ich konnte froh sein, daß ich einen langen schwarzen Mantel über meiner Uniform trug und somit nicht gleich meine ganze Erscheinung das Wort 'Wächter' schrie. An potentiellen Waren hatte ich nur noch mein Schwert (Das gerade wieder mal zum Steinerweichen vor sich hinschnarcht, doch das nur am Rande bemerkt), etwas Papageienfutter, ein Wurfmesser, das unvermeidliche Koboldophon und 'Der Hexer von Ankh Band 17' bei mir. Also nichts, wonach sich irgendwelche Hausfrauen vor Sehnsucht verzehren würden. Also mußte ich...
Nun, manchmal kommen einem die dümmsten Ideen gerade zur rechten Zeit. Ich befreite das Eddie Wollas-Heft aus der Brusttasche meines Hemdes, versuchte, möglichst wichtig dreinzuschauen. Dann begab ich mich in die Höhle des Puzumas.
An dieser Stelle muß ich allerdings noch mal bemerken, daß gewisse Ganoven sich einfach zu dumm anstellen, um echt zu sein. Der Mann, der mir schließlich nach fast zweiminütigem Sturm klingeln öffnete, war vermutlich selbst nach den Standards der Diebesgilde zu übertrieben zurechtgemacht. Hätte er sich ein Schild mit der Aufschrift 'Vorsicht, Gauner' um den Hals gehängt, wäre er vermutlich sogar noch unauffälliger gewesen. Es gibt nun mal nur eine Sorte Personen, die freiwillig diese gewissen schwarzen Strickmützen tragen, die selbst Vico van Vermeer wie den allerletzten Troll aussehen lassen würden. Das Individuum vor mir schien sich allerdings nicht im geringsten bewußt zu sein, daß seine Erscheinung hinter der Tür des Hauses einer wohlhabenden Familie selbst einen Maulwurf stutzig machen würde.
"Was wollnse denn?" raunzte er mich an.
Ich hielt ihm meinen Eddie Wollas unter die Nase.
"Verein zur Förderung der Literatur." erklärte ich und stellte gleichzeitig meinen Fuß in den Türrahmen, so daß mein Gegenüber mir nicht einfach die Tür vor der Nase zuschlagen konnte. "Wir machen uns große Sorgen darüber, daß das geschriebene Wort langsam aber sicher in Vergessenheit gerät. Lesen Sie viel?"
Wollmützchen, wie ich ihn insgeheim getauft habe, brummte etwas Unverständliches in seinen Vollbart.
"Sagen Sie nicht, daß Sie den Hexer von Ankh nicht kennen?" fuhr ich fort, wedelte ihm mit meinem Romanheft unter der Nase herum und hoffte insgeheim, daß Valdimier sich dort drinnen beeilte. Jemand wie Wollmützchen war vermutlich nicht lange bei der Stange zu halten. "Da stecken eine ganze Menge Gewalt und unglaubliche Monster in den Geschichten drin!"
"Verschwinde." zischte mein Gegenüber.
"Aber mein Herr, wo bleibt Ihre Höflichkeit?" Ich bemühte mich, empört dreinzuschauen. Allmählich wurde mir kalt und der Regen lief mir in den Mantelkragen.
"Hau einfach ab und kümmer dich um deinen eigenen Dreck!" bekam ich als Antwort zu hören und beobachtete, wie Wollmützchen mißmutig auf meinen Fuß starrte, der ihn daran hinderte, die Tür zu schließen.
"Ich glaube, Sie sollten wirklich mehr lesen." gab ich zurück. "Es ist püschologisch erwiesen, daß Bücher beruhigen. Auch wenn böse Zungen immer wieder behaupten, daß Horror-Romane den Verstand durcheinander bringen. Aber das ist alles Unsinn. Glauben Sie mir, es gibt nichts Schöneres als eine angenehme Gänsehaut vor dem Einschlafen."
Wollmützchens Gesicht verfärbte sich unter dem Vollbart langsam rot.
"Ich verpaß dir gleich ne Gänsehaut wenn du nicht bald Leine ziehst, du Wicht." knurrte er mich an. "Ich schieb dir deine verdammte Schwarte dorthin..."
"...wo die Sonne nicht scheint?" fragte ich zuckersüß. "Nun, bis Lancre ist es ein weiter Weg. Aber vermutlich sind die Blüten der Literatur an Sie eh verschwendet. Wie schade."
Aus dem Inneren des Hauses hatte ich leise Geräusche wahrgenommen, die verdächtig nach einem Kampf klangen. Wollmützchen runzelte die Stirn. Man konnte förmlich sehen, wie seine Gehirnwindungen verschiedene Informationen miteinander verknüpften. Schließlich kam er zu einem Entschluß. Er riß die Haustür weit auf, stürmte hinaus und stolperte direkt über mein vorsorglich ausgestrecktes Bein. Verdammt. Warum tragen solche Leute bloß Stiefel mit Metallverstärkungen? Morgen ist bestimmt mein halbes Schienbein blau meliert...
Nun was solls. Immerhin hatte ich einen von ihnen zumindest für wenige Sekunden aufgehalten. Doch dann nahte auch schon der zweite von hinten. Er stieß mich beiseite und rannte davon, ohne sich um seinen sich gerade fluchend wieder aufrichtenden Kollegen zu kümmern. Ich wußte allerdings, daß in der Richtung die er einschlug die Schäffin auf ihn wartete...
Darum ließ ich ihn laufen und stürzte mich auf Wollmützchen und brachte ihn abermals zu Fall. Er knurrte irgend etwas Unverständliches und seine Hand tastete nach meiner Kehle. Oh je, was werde ich wieder dramatisch. Aber ich hoffe, die Uhrzeit und der Rumkonsum mögen es entschuldigen. Nun, um es kurz zu machen: Ich schlug meine Faust gegen Wollmützchens Kinn und es herrschte Ruhe. Natürlich könnte ich an dieser Stelle einen dramatischen Kampf zusammenerfinden, der von Beinahe-Erwürgungen, Messern die sich nur noch Millimeter von der Kehle entfernt befinden und spektakulären achatenen Kampfkünsten nur so strotzt. Aber warum sollte ich es? Letztendlich war die ganze Verhaftung regelrecht unspektakulär.
Nun, ich hoffe, ich habe Julius mit dieser Schilderung zumindest ein wenig Diskussionsstoff gegeben. Ich bin nun mal Wächter, und kein Schriftsteller wie er. Das Erfinden dramatischer Situationen können andere übernehmen. Letztendlich war es nur ein Tag in der Wache, wie so viele andere auch.
Die geforderten 1000 Wörter habe ich mehr als erfüllt und der Rest dieses Schreibversuches liegt nicht mehr in meiner Hand. Aber um wem auch immer, der dies später in der Schriftstellergilde lesen wird, einen Stein vom Herzen zu nehmen: Der Einsatz wurde erfolgreich beendet.




Kapitel 3: Charlie


Eine Frau schlenderte beschwingt durch die Regennassen Straßen Ankh-Morporks. Ihre roten Haare hingen in einem zerzausten Zopf auf ihrem Rücken, ihr Gesicht war rußverschmiert, ihre Kleidung hatte den ein oder anderen Riss und auch dort war Ruß zu sehen.
In Anbetracht ihres Zustandes, überraschte es wohl jeden zufällig Vorbeigehenden [2], dass sie strahlend lächelte und mittlerweile auch angefangen hatte ein Lied zu summen.
Sie ging vorsichtig eine vom Regen glitschige Kellertreppe hinunter und streifte dabei mehr als nur einmal die Wand, aber auf ihrer Kleidung fiel der eine oder andere Fleck nun wirklich nicht mehr auf.
Als sie schließlich unten angekommen war, begann sie in ihrer Tasche zu kramen, vermutlich auf der Suche nach ihrem Schlüssel:"Wo ist das Ding denn? Ich hätte schwören können, dass ich es heute Morgen in die Innentasche gepackt habe." Nach weiterem ungeduldigem Suchen und einigen gemurmelten Flüchen, zog sie ihn schließlich hervor und schloss die Tür auf: "Hey, ich bin wieder dahaaa!"
Ein undeutliches Stöhnen war die einzige Antwort auf ihre Begrüßung.
"Sag blos du hast schon geschlafen! Es ist doch erst", sie sah auf die dämonenbetriebene Uhr an der Wand, "zwei Uhr morgens." Sie warf ihrer Schwester einen vollkommen unschuldigen Blick zu, der nur durch ihr breites Grinsen etwas getrübt wurde. Und wenige Augenblicke später durch das Kissen, das sie ins Gesicht traf.
"Natürlich hab ich geschlafen! Ich muss in 3 Stunden zur Arbeit, Kindchen!" Wütende braune Augen funkelten sie unter einem noch vom Schlaf zerzausten Haarschopf an.
"Och komm schon! Jetzt sei nicht so nachtragend. Du wirst schon nicht sterben, wenn du mal ein bisschen müde zur Arbeit kommst." Das Kissen wurde zu seiner Besitzerin zurückgeschleudert: "Und nenn mich nicht "Kindchen"! Du bist nur drei Jahre älter als ich!"
Ecatherina fing das Kissen gelassen auf und lehnte es gegen die Wand: "Da du mich wahrscheinlich ohnehin nicht schlafen lässt, fang schon an zu erzählen! Wo warst du denn? Und sag mir jetzt nicht, dass du mich nur geweckt hast um mir zu sagen, dass du den ganzen Abend in irgendeiner Bar warst!" Sie griff drohend nach dem Kissen.
"Naja also wir waren tatsächlich eine ganze Weile im "Eimer",", sie unterbrach das genervte Stöhnen, indem sie einfach weiterredete, "aber was ich eigentlich erzählen wollte: Wir hatten einen richtigen FROG-Einsatz!! Es war fast die Hälfte von uns da und sie haben sogar mich aus GRUND holen lassen! Stell dir das vor: Ich steh da nichtsahnend und erklär grade den Rekruten, wie sie ihr Schwert richtig halten sollen und auf einmal taucht Sidney in voller Ausrüstung auf und holt mich zu 'ner Geiselnahme! Mein erster wirklicher Einsatz und dann gleich so was, echt irre."
"Worum ging es denn eigentlich? "Geiselnahme" ist nicht besonders aussagekräftig, das sind der Großteil alles FROG-Einsätze."
"Na dann lass mich doch einfach in Ruhe erzählen und mecker hier nicht rum, dann erfährst du auch worum es ging." Charlie streckte ihrer Schwester die Zunge raus und machte es sich dann am Küchentisch bequem: "Also..."

*Wachhaus Kröselstrasse, am frühen Nachmittag*


"Nein, Magane! Nicht auf dein Kopf einschlagen! Wir wollen die Leute noch befragen können, ohne gleich einen Hellseher holen zu müssen!" Sie drehte sich um und ging weiter zum nächsten Rekruten: "Leg sofort deine Axt wieder weg, Grimlin! Ich weiß, dass du damit umgehen kannst, aber wir üben hier Schwert- und nicht Axtkampf verdammt no..."
Ein Mann der plötzlich von hinten an sie herantrat unterbrach sie: "Charlie! Wir haben eine Geiselnahme und die Chefin meinte, ich sollte dich holen !"
"Hallo, Sidney! Ich dachte Gina sei eure neue Knallpulver-Expertin?!"
"Ist sie ja auch, aber sie hat momentan noch weniger Ausbildung als du. Daher meinte Venezia ich sollte dich holen. Und jetzt diskutier nicht rum, wir haben auch nicht ewig Zeit!"
"Aber die Rekruten...", wieder wurde sie unterbrochen.
"Werden sich schon selber beschäftigen können. Wo sind deine Sachen? Hoffentlich nicht am Pseudopolisplatz, es wird langsam echt knapp."
"Hier in meinem Spind, aber..." Doch ehe sie noch weiter reden konnte, zerrte Sidney sie schon ins Wachhaus.

*10 Minuten später in einem stachligen Gebüsch*

"Oh verdammt!" Charlie zerrte an ihrem Rock der sich schon wieder an einem Dornenzweig verfangen hatte und mit einem deutlich vernehmbaren "Ratsch" einriss, als sie daran ruckte: "Welcher normale Mensch pflanzt Dornenbüsche vor seiner Hintertür? Das ist ja furchtbar. Mein schöner Rock!" Sie schob den letzten dornengespickten Zweig zur Seite und stand nun endlich vor der Hintertür.
Sidney hatte ihr auf dem Weg zum Juwelierladen endlich erklärt was eigentlich los war: Diebe hatten das Haus eines Juweliers überfallen und hielten seine Frau dort fest, damit der Juwelier ihnen seinen Safe im Laden öffnen würde. Allerdings war ihnen der Sohn des Mannes entkommen und hatte die Wache alarmiert. Darauf hatte Venezia zwei Thiems zusammengestellt, das eine sollte die Räuber im Haus überwältigen und die Frau befreien und Sidney und sie sollten die Diebe im Laden ausschalten und den Juwelier, Herrn Glänzgern befreien.
Charlie rüttelte kurz an der Tür, aber diese war fest verschlossen: "Mist! Wo ist der GiGa wenn man ihn mal braucht?" Seufzend öffnete sie ihre Tasche und zog einen kleinen Beutel daraus hervor. Sie löste seine Verschnürung und schüttete den Inhalt auf ihre Ausgestreckte Hand: Es waren winzige Wachs-Kapseln, die mit Pulver Nummer Eins gefüllt waren. Eine davon legte sie zur Seite und schüttete den Rest zurück in den Beutel, den sie anschließend wieder in ihrer Tasche verstaute. Bevor sie ihre Tasche allerdings wieder zumachte holte sie noch eine Schachtel Streichhölzer hervor. Dann erst legte sie die Kapsel in das Schlüsselloch, zündete eins der Hölzer an und atmete tief durch, um schließlich da brennende Streichholz ins Schlüsselloch zu halten.
Es knallte und eine kleinere Rauchwolke stieg auf. Genervt fächelte Charlie den Qualm beiseite und besah sich ihr Werk: Wo einst das Schlüsselloch gewesen war befanden sich nur noch ein faustgroßes Loch und geschwärzte Türränder.
"Hm ich glaub das mit der richtigen Dosierungen werd ich nie lernen. Eigentlich wollte ich doch nur einen kleinen Teil sprengen und nicht gleich das ganze Schloss." Sie zuckte mit den Schultern und öffnete die Tür: "Der Besitzer dürfte momentan ohnehin andere Sorgen haben."
Vor ihr befand sich der hintere Teil des Ladens, in dem nun einige geschwärzte Überreste des Schlosses lagen: "Ja ich glaube, das Zeug war wirklich etwas überdosiert." Kichernd sah sie sich im Raum an und stellte ihre Tasche dann auf einem Schreibtisch, auf dem sich wahre Papierberge türmten: "Tzt tzt tzt. Glänzgern scheint ja nicht gerade ein Freund von Papierkram zu sein. Naja ich kann's ihm nicht verdenken." Sie räumte einen der Stapel beiseite und entnahm ihrer Tasche zwei verschlossene Reagenzgläser, Schnur, einen Beutel mit Pulver Nummer eins, ein leeres Reagenzglas und einen kleinen Zünder: "Jetzt wollen wir doch mal schauen, ob ich für unsere Möchtegern-Entführern nicht eine kleine Überraschung basteln kann." Grimmig lächelnd schüttete sie die Hälfte der beiden Reagenzgläser in die leere Phiole und gab noch eine Prise Pulver Nummer eins hinzu. Sie verschloss das Glas mit einem Wachspfropfen durch den sie die Drähte des Zünders stach. Anschließend verstaute sie die übriggebliebenen Materialien in ihrer Tasche und stellte sich hinter dem Türrahmen auf, der in den Vorderraum führte.
Jetzt konnte sie nur noch abwarten, bis die Entführer hier auftauchten. Sie hoffte, dass Sidney lang genug warten würde, bevor er den Typen folgte, sonst hätten sie am Ende eine Geisel, zwei Diebe und einen Wächter, die allesamt durch einen rauchgefüllten Raum torkelten.

Gedämpfte Stimmen von der Vordertür rissen sie aus ihren Gedanken. Hastig kramte sie nach ihren Streichhölzern. Sie hörte das Quietschen einer Tür und die Stimmen wurden lauter.
Mit nur leicht zitternden Fingern riss sie das Streichholz an und hielt es an den Zünder der sofort Feuer fing.
Rasch warf sie die Phiole in den Raum, sorgsam darauf bedacht, nur flach über dem Boden zu werfen, damit das Glas nicht vorzeitig zerbrach. Sofort zog sie sich wieder in den Raum und fing in Gedanken an zu zählen: "Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf... Verdammt was ist das? Der Zünder müsste doch.. "
Der Knall aus dem Vorderraum ließ sie erleichtert aufatmen und kurz danach in gedämpftes Husten ausbrechen, als sie den schwarzen Qualm einatmete, der sich im Laden verteilte : "Hm Sidney müsste hier jede Minute auftauchen."
"Ahhh! Chef da schießt wer!!" Der Schurke schrie schmerzerfüllt auf und verstummte dann.
"Und da ist er auch schon."

"Tja und danach brauchte ich nur noch zu warten, bis Sidney die beiden "ruhiggestellt" hatte. Und sie danach zum Wachhaus zurückzubringen, war wirklich ein Kinderspiel. Glänzgern war zwar etwas mit den Nerven am Ende, aber das ist ja Offler sei Dank nicht unser Problem.
Und selbst Schurken sind erstaunlich kooperativ, wenn sie von einem Werwolf mit einer Armbrust bedroht werden." Beim Gedanken an die panischen Entführer musste sie lachen.
"Also ich find das war mal wirklich eine nette Abwechslung zur ewigen GRUND-Routine, oder?" Sie zu ihrer Schwester: "Tzzz so was, einfach eingeschlafen. Einfach kein Durchhaltevermögen."
Sie kicherte vor sich hin und begann dann auch sich zum Schlafen fertig zu machen.




Kapitel 4: Kanndra


Der Regen prasselte gegen die Fenster und die Kerzen in Jovannis Pizzeria kämpften einen vergeblichen Kampf gegen die Dunkelheit. Die letzten Gäste waren bereits gegangen, doch der Wirt saß noch mit seiner blonden Mieterin bei einem Glas Wein zusammen, als sich die Tür öffnete und Blätter, ein paar Regentropfen und eine junge, dunkelhäutige Frau hereinließ.
"Uff, bin ich geschafft. Und einen Bärenhunger habe ich auch." Mit diesen Worten ließ sich Kanndra Mambosamba auf den freien Stuhl am Tisch fallen.
"Isch abe noch eine Tezuma speziale, un momento", eilte der Zwerg in die Küche davon.
"Wie siehst du denn überhaupt aus, sag mal?" Tania beugte sich vor und zupfte der Wächterin ein paar Blätter aus der Frisur. "Bist du durch den Hide Park gekrochen?"
Kanndra lachte auf. "Nein, aber so ähnlich. Ein Berufsrisiko bei Spähern", blinzelte sie ihrer Freundin zu.
"Soo, extra für disch noche einmal aufgewärmte."
"Jovanni, du bist ein Engel." Seufzend machte die Hauptgefreite sich über die Pizza her.
Tania stieß sie ungeduldig an. "Nun erzähl schon. Wieder ein paar Schurken gefangen?"
Die Späherin schluckte den Bissen hinunter und nickte. "Wir hatten heute Abend einen Einsatz..."
Flink verschwand der Zwerg noch einmal und kehrte mit einem dritten Glas und einer frischen Flasche zurück.
"Um Kehle zu ölen", grinste er schelmisch.
"Also alles begann damit, dass plötzlich ein kleiner Junge bei uns in der Wache auftauchte." Die Späherin nickte Jovanni dankend zu, als er ihr das volle Glas zuschob. "Er heulte wie ein Schlosshund und sagte, 'böse Männer' hätten sie in ihrem Haus überfallen... Diese Pizza ist wirklich gut."
"Danke. Iste neue Kreation mit Paprika, Banane und tezumanische Ringelsardine und..."
"Und der Junge? Warum haben ihn die 'bösen Männer' laufen lassen?"
"Das hat Venezia Knurblich auch gefragt. Er ist einfach in sein Baumhaus geklettert und dann weggelaufen."
"Und hat die Wache alarmiert? Ganz schön clever, der Kleine", nickte Tania anerkennend.
"Wasse passierte dann? Habte ihr gestürmt Haus von tapfere Junge?", fragte der Wirt.
Kanndra grinste. "Nicht so schnell. Erst mal dauerte es etwas, bis wir aus ihm herausbekommen konnten, wie er heißt und wo er wohnt. Außerdem hat er wohl mitbekommen, wie einige der Männer mit seinem Vater in dessen Juweliergeschäft gegangen sind. Und wo das liegt war noch schwieriger rauszufinden."
Genüsslich biss die Wächterin noch einmal von ihrer Pizza ab und kaute bedächtig.
"Du warst da sicher eine große Hilfe mit deinem Einfühlungsvermögen für Kinder", neckte die blonde Schriftstellerin sie.
"Nein, das habe ich lieber den beiden Püschologen überlassen. Die sind ja schließlich dafür ausgebildet", verteidigte Kanndra sich verlegen. "Naja, jedenfalls hat der Oberleutnant uns in zwei Thiems aufgeteilt. Charlotta und Sidney sind zum Laden und ich bin mit Rib, Bregs, Val, Rogi und Venezia zu dem Anwesen der Familie. Es regnete bereits und hatte angefangen zu dämmern."
Gespannt lehnten sich die beiden Zuhörer weiter vor. Jetzt kam der gute Teil der Geschichte, das wussten sie.
"Das Haus liegt auf einem großen Grundstück mit vereinzelten Bäumen, hinter denen wir Schutz suchten, um uns näher anzuschleichen. Und dann hatte ich meinen Einsatz. Ohne einen guten Späher ist man in solch einer Situation ganz schön aufgeschmissen, wisst ihr. Einfach drauf loszustürmen, ohne zu wissen, was einen erwartet, kann tödlich sein."
Der Dramatik wegen, nahm Kanndra einen Schluck Wein und kostete ihn voll aus. "Ein guter Jahrgang" , dachte sie, "wahrscheinlich Ephebianisch..."
"Als erstes habe ich natürlich die Eingänge und Fenster im Erdgeschoss überprüft. Peinlich, wenn man sich umständlich irgendwo durchzwängt und dabei die ganze Zeit die Eingangstür offen stand", grinste die Hauptgefreite. "Nun in diesem Fall waren die Eingänge bewacht."
"Wer ist denn auch so blöd und lässt die Tür aufstehen, wenn er so etwas vorhat", warf Tania skeptisch ein.
"Oh, du würdest dich wundern, was wir alles so erleben." Bekräftigend nickte die Wächterin mit dem Kopf. "Auf jeden Fall habe ich den am Vordereingang sofort gesehen. So ein kleiner, dicker mit Vollbart und einer Strickmütze. Stand voll im Licht und grinste breit. Wahrscheinlich hat er sich schon ausgerechnet, was er mit seinem Anteil anfängt."
Kanndra nahm noch einen Schluck und spülte ein Stück Pizza herunter.
"Deshalb habe ich erst mal etwas Abstand zum Haus gehalten. Einen Vorteil hatte der Regen ja. Das Laub war dadurch nass und so war es leichter, keine Geräusche beim Gehen zu verursachen. Ich musste nur aufpassen, das ich nicht ausrutschte. An der Hausseite habe ich mich dann wieder an die Villa herangeschlichen und die Fenster überprüft. Leider waren alle vergittert. Durch das erste konnte ich gar nichts sehen, aber das zweite war ein Volltreffer. Die Küche! Und zwar beleuchtet, aber leer, wie ich erkennen konnte. Das habe ich mir gleich für Rib gemerkt."
"Wasse atte denn der damitte zu tun? Das isch nischt verstehe."
"Nun ja, er ist unser Gift- und Gasexperte. Er konnte vielleicht was drehen, du weißt schon." Kanndra deutete auf Wein und Pizza. "Was er dann ja auch getan hat. Er hat das Essen der Mistkerle vergiftet und zwei von ihnen eingeschläfert."
Jovanni schaute geschockt. "Er atte Essen vergiftet?"
"Man muss eben manchmal zu... drastischen Maßnahmen greifen.", die Späherin zuckte verlegen mit den Schultern. "Und außerdem war das Essen bestimmt nicht so gut wie von dir", tröstete sie den Zwerg.
Langsam machte sich ein Wachstropfen auf den Weg zur Tischplatte, während ein Schweigen eintrat, dass entsteht, wenn die Gesprächspartner in Gedanken und Getränke versunken sind.
"Der hinter der Gartentür war vorsichtiger. Er hatte sich in den Schatten zurückgezogen und ich hätte ihn beinahe nicht gesehen", setzte Kanndra ihre Erzählung schleißlich fort. "Ich hatte mir schon die Türangeln angesehen und die Hand auf der Klinke, als ich durch das Fenster eine Bewegung wahrgenommen habe." Kanndra hielt kurz inne um sich von Jovanni nachschenken zu lassen und nahm noch einen Schluck von dem roten Wein.
"Was passierte dann?", fragte Tania atemlos.
"Ich drückte mich sofort an die Hauswand. Meine Gedanken rasten. Hatte er mich gesehen? Wenn ja, was würde er tun? Und wie konnte ich ihn am Besten überwältigen, sollte er nach draußen kommen? Als nichts passierte, riskierte ich noch einen Blick ins Innere und sah ihn ruhig auf einem Stuhl sitzen. Er hatte mich wohl nicht gesehen. Als ich mich um die nächste Ecke kam, fiel mir gleich der einzelne Baum auf, der recht nah am Haus stand. Und langsam wurde es Zeit, sich mal im Haus umzusehen. Als Späher muss man seine Aufgabe nämlich nicht nur diskret und gründlich erledigen, sondern auch schnell. Jede Minute, die man länger braucht gefährdet in so einer Situation das Leben der Geiseln. Jedenfalls hat Gold Moon mir das so erklärt", schwächte Kanndra die Aussage etwas ab, als sie die Blicke sah, die ihre Freunde sich zuwarfen.
"Anscheinend hatten die Geiselnehmer weder das offene Fenster noch das Baumhaus entdeckt", fuhr sie dann fort, "so konnte ich ohne Probleme in das Zimmer des Jungen einsteigen."
"Du bist echt da rein? Das hätte ich mich ja nicht getraut."
"Isse das nichte su gefährlisch?"
"Ich musste meinen Kollegen schließlich genaue Auskünfte geben. Wie viele Täter gibt es? Wie viele Geiseln? Wie geht es denen? Wo halten sie sich auf? Und so weiter."
Der Pizzabäcker nickte beeindruckt. "Und du konntest alles erfahre?"
"Natürlich. Ich konnte sie schon hören, als ich in dem Jungenzimmer war. Ein Mädchen weinte, dann war da noch ein Murmeln und eine Männerstimme, die rief: 'Ruhe, oder ich knall dich ab!' "
"Nisch möglisch! Kannse doch nicht sage su Bambina!"
Tania schlug, ebenfalls wütend, mit der Hand auf den Tisch, dass die Kerze in eine bedrohliche Schieflage geriet und rief: "Manche Leute schrecken vor gar nichts zurück! Diese Mistkerle!"
Kanndra grinste. "Hat auch nicht geklappt. Die Drohung hat dem Mädchen noch mehr Angst eingejagt, so dass sie, statt aufzuhören, noch lauter gebrüllt hat. Für mich war das natürlich die Gelegenheit, um die Zimmertür vorsichtig zu öffnen, damit ich in den Raum hineinsehen konnte."
"Und was hast du gesehen?"
"Ich konnte nur einen Teil des Raumes überblicken. Eins der Mädchen saß auf einem Sofa und hielt einen Ellbogen umklammert, der wahrscheinlich ihrer Mutter gehörte. Es sah erstaunlich gefasst aus, fast schon wütend, fand ich. Zwei der Männer standen mit dem Rücken zu mir. Einer hatte ein Kreuz wie ein Kleiderschrank und einen kahlen Schädel. Der andere war ziemlich dürr und hatte auch nicht mehr alle Haare. Einen dritten konnte ich reden hören. Er sagte gerade etwas wie: 'Langsam kriege ich Hunger', als das Mädchen auf dem Sofa mich plötzlich direkt ansah."
Die restliche Pizza war längst vergessen und die Kerze strebte ihrem letzten Aufflackern entgegen. Die Hauptgefreite holte Luft und sah in die gespannten Gesichter vor ihr. "Mir blieb fast das Herz stehen, das sage ich euch. Schnell hielt ich mir den Finger vor den Mund und bedeutete ihr, still zu sein. Aber anscheinend war sie aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihr Bruder. Sie verstand sofort und schaute nur fragend ihre Mutter an."
"Bravo, sinte nette Kinder."
"Als ich mich dann ganz an den Türrahmen gedrückt habe, konnte ich einen vierten Mann ausmachen. Er stand hinter dem Sofa, auf dem ich jetzt auch die Frau sah und säuberte sich mit einem Messer die Fingernägel. Die Schwester der Kleinen hatte schließlich aufgehört zu weinen und schniefte nur noch vor sich hin. Ich konnte aber erkennen, dass die Geiselnehmer trotzdem ziemlich nervös wirkten. Höchste Zeit, um etwas zu unternehmen. Naja, ich hatte erst mal genug gesehen und habe die Tür wieder an den Rahmen herangezogen, aber nur angelehnt. Dann bin ich so schnell es ging zurück zu meinen Kollegen, um Bericht zu erstatten."
"Und was habt ihr dann getan?"
"Nach einer kurzen Lagebesprechung ist Rib in die Küche und als er zurück kam, haben wir uns auf unsere Positionen verteilt. Ich bin mit Valdimier ins Baumhaus geklettert und habe es abgesichert, während er durch das Fenster ins Haus rein ist. Dann ist alles ziemlich schnell gegangen. Leider habe ich nicht allzu viel von dem Einsatz mehr mitbekommen. Ich habe die ganze Zeit in einer dunklen Ecke gehockt und das Fenster anvisiert. Aber alle Geiselnehmer konnten von uns überwältigt und festgenommen werden. Rogi hat dann Charlotta und Sidney per Taube alarmiert. Die haben im Laden zugeschlagen und den Rest der Bande dingfest gemacht. Als alles vorbei war haben wir uns im Haus zu einer Einsatzbesprechung getroffen und Rogi hat Frau Glänzgern versorgt, die leider verletzt wurde."
"Die arme Frau! Aber den Kindern geht es gut?"
"Ja, sie haben nichts abbekommen. Natürlich müssen sie das erst mal verarbeiten, aber das werden sie schon schaffen."
"Gut, dass wir euch haben", Tania klopfte Kanndra anerkennend auf die Schulter. "Da kann man gleich beruhigter schlafen."
Die Späherin winkte verlegen ab. "Man tut halt was man kann. Und wie war euer Abend so?"




Kapitel 5: Rib


Diktator Anfang: Akte 233-578-23 Bericht Gefreiter Rib, GiGa
Ok, bist du soweit, Diktator? Gut, fangen wir an. Oh, du schreibst schon.
Also, was ist heute passiert?
Begonnen hat alles während der Freiwache, als ich in meinem Spind vor mich hindöste. Unten und oben bekamen eine völlig neue Bedeutung, als Veni den Schrank umkippte. So gegen vier Uhr.
Ich wünschte sie würde das lassen. Letztes Mal bin ich auf meine gefüllte Mauspfeife gefallen und plötzlich befand sich die halbe Abteilung im Tiefschlaf. Das ist doch Scheiße, sowas.
Manchmal bin ich so sauer, da denke ich, die kann mich mal kreuzweise.
Benimmt sich wie ein bissiger Terrier.
Upps, I hoff', det hasse nich mitjeschriebe. Lösch det mal oder fang nen neue Zettel an.
Begonnen hat alles mit meiner Freiwache. Die Abteilungsteilungsleiterin FROG rief mich in den aktiven Dienst. Ein Notfall. Möchste nen Kaffee?
Im Besprechungsraum anwesend war abgesehen von den FROGs noch so eine kleine Göre, männlich und unbestimmtes Alter. Mensch, glaube ich, bezweifle, das Untote so viele Pickel haben. Das Ding, ein Zeuge wie sich herausstellte, hatte ein Loch im Socken. Spielende Zwerge waren auf den Hemd eingestickt.
Während es schniefend auf Veni herabsah, heulte etwas darüber, das irgendwelche Kerle Zuhause eingedrungen waren und seine Mutter und seine Schwester gefangen hielt. Menschen sind komisch. Anstatt sich zu freuen, das größere Gegner einem die Last abnehmen, sie zu suchen, schien das Weichei rumzumemmen.
Heulte was über seinen Vadder, der wohl gezwungen war, Klunker aus seinem Laden zu hohlen, um seinen Anhang freizukaufen. (Warum er die Notwendigkeit dazu sah, konnte Bregs mir im Nachhinein nur ungefähr erklären.)
Bregs, Kanndra, Vald, Rogi und ich wurden dem Thiem Villa eingeteilt, Charlotta und der Rest sollte sich um die Leute bei dem Geschäft kümmern.
Veni begleitete uns, wahrscheinlich, nur um mich zu kontrollieren. Schreib det letzte Satz nicht hinne.
Charlotta bekam von mir eine Rauchbombe ausgehändigt, damit sie Sidney im Laden unterstützen konnte.
Als wir bei der Villa ankamen, verglichen wir die Sonnenuhren: Bald Dunkelheit.
Warum zum Henker noch mal durfte ich keinen Betäubungsnebel einsetzen? Nur weil die große Frau vielleicht Atembeschwerden hatte? Sie wurde doch eh' verletzt! Aber ich greife vor.
Veni bestand darauf, das ich mich vorsichtig, ohne Aufsehen zu erregen statt dessen im Haus umsehe und nur jene aus dem Spiel nehme, die den anderen nicht auffallen. Manchmal denke ich, ich hätte Knallpulverexperte werden sollen. Da hätte wenigstens Wumms dahinter gesessen. Aba I krich Ginas
Rezept noch rus, verlaß di druf, Dicki.
Ich klettere also durch ein Fenster in die Küche. Die Gitter daran hielten nicht wirklich einer Säure stand und der Vorhang bot eine gute Deckung. Der Raum war leer, allerdings stand auf dem Tisch eine Tasse, deren Inhalt
dampfte. Entgegen der Rede Venis hab ich anstelle etwas in den Kaffee zu tun, zwei Messer genommen, bin am Tischbein herauf geklettert und sie unterhalb der Tischplatte ins Holz versenkt, als ich jemanden kommen hörte.
Wer weiß, für wen der Kaffee war - keine Lust, das Zeug an Hilflose zu verschwenden.
Ich nutzte die Wurmesser, um mich unter die Tischplatte zu hängen und wurde damit belohnt, das die Beine des Trinkers sich direkt unter mir befanden.
Die billige Waffe im Stiefel überzeugte mich, ein Opfer vor mir zu haben.
Tascalgift sorgte dafür, das er die kleine Klinge nicht einmal mitbekam.
Neugier überkam mich, ich begab mich also auf den Tisch um die Augenlider des Trinkers zu heben. Man lernt halt nie aus. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, das mir GRUND einfach nicht genügend Rekruten für Tests
abstellt. SO häufig kommt es auch nicht zu unerwünschten Nebeneffekten.
Tascal ist faszinierend. Das Opfer ist wach und völlig handlungsfähig, allerdings mit einer Intelligenz, die unter dem eines zwei Wochen alten Brotes liegt, Zwergenbrot ausgenommen. Man kann also jemanden ausschalten, ohne, das er rumsend zu Boden fällt.
Bo, so hieß, wie ich nachher erfahren hatte, mein Testobjekt, paffte also weiter an seiner Pfeife und wirkte ausgeglichen, fast heiter. Ein paar Kräuter in der Pfeife sorgten dafür, das dies so bleiben würde. Weitere
Schritte kündigten die Möglichkeit zu weiteren Versuchen an.
Objekt zwei, Ben, kam also fröhlich in den Raum und stellt sich vor seinen Bruder. Er schnüffelt in der Luft, dann beginnt das Geschimpfe. An den Schultern gepackt, wird Bo hin und her geschüttelt, während im Vorhaltungen über seinen Drogenkonsum gemacht wird. In Bos Brusttasche bin ich
hockenderweise ganz glücklich, das ich von Natur aus blau tätowiert bin.
Meine Gedanken kreisten dabei um fiesere Gifte, welche mit Durchfall oder so.
Ben hielt plötzlich inne. Anscheinend war mir ein Knurren entfahren.
'PIEP!' ruf ich. 'Hier ist dein Orgineiser! Wichtiger Termin!!!' Dann flüsterte ich im selben Ton Unverständliches.
Wie erwartet rückte Bens Kopf näher an die Tasche. Gerade als ich aus der Tasche auftauchen wollte, hör ich Bregs Stimme und Lärm jenseits der Küchentür. Bißchen mehr Zeit hätte sie mir schon lassen können!
Bens Kopf ruckte zur Seite, während die Klinge traf. Danach wurde es dunkel, weil der Junge zu dumm war, um sein Gleichgewicht zu halten. Tja, viel gibt's nicht mehr zu berichten. Bis ich unter dieser übergroßen Küchenschabe
hervorgekrochen war, lag schon Stille über dem Haus. Mal abgesehen von der blutenden Person, die lauthals lamentierte, während Rogi sie zusammenflickte...
So, dat wars. Haste de Stelln rausjelassen? Wie Kopfgeschüttle? Eh, hör uf zu schreibe! ... Schluz! ... Uffhöre! NA WART!

--- HIERMIT BESCHWERE ICH MICH AUSDRÜCKLICH ÜBER ---
--- DEN UMGANG DES GEFREITEN RIB MIT DÄMONISCHER AUSRÜSTUNG !!!! ---
--- MISTKERL!!!!---
--- DER DIKTATOR ---
Diktator Ende




Kapitel 6: Rogi


"He ischt das nisch einer dieser äh äh...na die im Grünen da.."
"FROG.. von der Stadtwache ja und? Die sind doch immer hier, Ulf"
"Ja aber die hatten nen Einsatz nich lange her...soll heftig zugegangen sein"
"Und woher weißt du das?"
"Weil..die Leut, die von denen gerettet wurden bekannte von mir sind"
"Was du nicht sagst...Jungs habt ihr das gehört"
"Was isn, John?"
"Heut kriegen wir vielleicht mal was interessantes zu hören"
"Von wem denn?"
"NA siehst du die Wächterin da drüben, Gregor?"
"Hier sind viele Wächter..."
"Die in Grün, Alex.."
"AH die ja und?"
"Hey du von der Schtadtwache..du in der Grünen Uniform..."
"Auffälliger geht’s auch nicht mehr, Ulf..."
"Du ..wie heißen die noch mal?"
"FROG.."
"Ah ja! Hey du von FROG..."
"Meinen fie mich?"
"Ja disch komm mal her..."
"Nun bin ich gespannt"
"Warts ab"
"Ja, Herr?"
"Alscho erzähl mal wie war dasch bei den Glänzgerns?"
"Woher wiffen fie davon?"
"Dasch ischt Ank-Morpork hier..."
"Äh Alfo ich weiff nicht..."
"Wasch isch denn dabei...Jungs schagt doch auch was"
"Ja erzähl einfach dann gibt er Ruhe"
"Alfo nun daf war fo der Junge kam in daf Wachhauf und erfählte Aufgeregt..."
"Dasch interessiert doch niemanden...wasch habt ihr gemacht alsch ihr bescheid wusstet"
"Lass sie doch Erzählen..."
"Äh nun der Junge fagte aufjedenfall daf feine Mutter und feine Feftern im Hauf gefangen gehalten wurden und einige feinen Vater mit in daf Gefäft nehmen um dort die Juwelen zu ftehlen. Nun und bei der Einfatzbefprechung..."
"Nein mach beim Einschatz weiter..."
"Äh ja, Herr. Kanndra ging vor und fah nach wie viele fich im Gebäude aufhielten, ef waren fechs bif acht meinte fie und dann ging ef lof. Araghaft ging an die Tür und gab fich alf Vertreter auf, Rib flüpfte durch ein Fenfter im Erdgefoff und Valdimir kletterte über daf Baumhauf inf Gebäude..."
"Äh das waren alles Kollegen die du grade erwähnt hast?"
"Ja, Herr"
"Und was hast du gemacht?"
"Ich habe gewartet..."
"Wie bitte?"
"Nun ich habe darauf gewartet daf ich die Nachricht an Team Laden fenden kann"
"Mehr nicht?"
"Fürf erfte nicht"
"Also geht’s doch weiter"
"Nun ef ging auch recht fnell und ich fah auch nicht viel bei dem Regen. Auf jedenfall wurde ich gerufen und fendete die Nachricht an daf fweite Team"
"Und das war es für dich?"
"Noch nicht ganf. Frau Glänfgern wurde verletzt..."
"Ui nun wirds doch noch spannend"
"Ist viel Blut geflossen?"
"Ach sei still, Gregor"
"Nein das will ich wissen?"
"Nein eigentlich nicht fie hat Glück gehabt ef ift ihr nichtf ernftef paffiert"
"GLÜCK gehabt? Was soll der Mist. Ich dachte ich krieg hier ne spannende Geschichte zu hören und dann so was..."
"Nun ich verband die Kopfwunde und daf war ef"
"Mehr war nicht?"
"Nein, mehr habe ich nicht gemacht"
"ich glaube dir kein Wort"
"Ef war aber fo"
"Pah das hast du doch eben erfunden"
"Beruhige disch doch mal"
"Nein nein ich wette es war so..."
"Oh man jetzt geht’s los..."
"Lass ihn doch Alex wenn er meint er weiß es besser"
"Also du hast dich sicher in das Haus geschlichen und...nein du hattest eine Armbrust und hast erst mal alle die so dämlich waren sich am Fenster zu postieren erschossen..ja so würde
ich das machen"
"Ich glaube ich verftehe nicht..."
"Ach du Schande ich glaub das war ein Bier zu viel, John"
"Ne jetzt hab ich’s... du bist über das Baumhaus hineingeklettert und da waren fünf von den Schurken und du hast zwei..mit deinen Pistolen Armbrüsten erledigt..."
"Meinen fie nun Valdimier?"
"Nein nein dich..."
"Auferdem waren ef nicht fo viele"
"Ha das sagst du...Also wo war ich ach ja du rollst dich inter das Bett und erschießt noch zwei..."
"Äh und wo kommen die Armbruftbolfen her?"
"Wie Bitte?"
"Nun ich habe doch fon fweimal gefoffen und..."
"Ha ich wusste es sie gibt es zu! Jungs habt ihr das gehört?"
"Jetzt schnappt er völlig über"
"Wie wo kommen die Armbrustbolzen her? Die hast du von den erlegten Ganoven natürlich"
"Aha verftehe..."
"Nun den fünften erledigst du mit deinen blossen Händen und nimmst seine Waffe..klar?"
"Denke fon"
"Nur damit hier nicht wieder Missverständnisse aufkommen..."
"Nein, Herr"
"Gut. Also danach schleichst du dich vorsichtig in den Raum wo die Mutter und so weiter..."
"Fie meinen die Töchter"
"Ja die Mutter und die Töchter...Aber in dem Raum angekommen sind wieder zwei..."
"Nur fwei?"
"Ja zwei! Aber beide bedrohen die Geiseln der eine hat die Mutter und der andere die Töchter
und zwar so das beide auf dich zielen und hinter ihren Geiseln stehen versteht sich..."
"Sag mal John...wann denkt Gregor sich so was aus?"
"Woher soll ich das wissen..frag Ulf..."
"Äh und waf mach ich?"
"Ja was wohl... dir bleibt nix anderes übrig als mit der einen Waffe den zu erledigen der die Schwestern bedroht und gleichzeitig dein Messer zu ziehen und in Deckung zu springen und dabei den anderen mit dem Messer abzuwerfen..."
"Hätte ich mich bei fo einer Fituation nicht ergeben follen?"
"Hä woher kommst du denn?"
"Auf Überwald, Herr"
"Hier ist aber Ankh-Morpork und da macht man das so!"
"Seit wann denn das?"
"Du willst mir doch nicht widersprechen?"
"Nein nein ist ja gut, Gregor"
"Ich verschwinde lieber..."
"Warte John. Ich komm lieber mit..Ulf komm mach dich auf"
"Wo wollt ihr denn hin? Hey! Hallo? Ich bin noch nicht fertig"
"Wir aber"
"Hm was ist mit dir"
"Tut mir leid, Herr. Ich muff wieder zur Wache"
"Na super...Hey wie ist dein Name?"
"Sam...was willst du?"
"Hier weißt du was ich eben gehört habe? Also das war so..."



Kapitel 7: Sidney


"Und?"
"Und er hat sich natürlich nicht an den Plan gehalten." Charlie warf dem leichten Armbrustschützen, der eben ins Zimmer gekommen war, spaßeshalber einene bösen Blick zu.
"Wieso auch? War doch perfekt so." Er kam zu der kleinen Gruppe und fing an zu erzählen:
"Nachdem wir die Nachricht von Rogi bekommen ham, hat sie sich aufgemacht, ihr Feuerwerk vorzubereiten. Und ich sollte ja den Typen folgen, also bin ich dorthin gegangen, wo sie vorbei sollten. Dort hab ich dann gewartet, bis sie vorbeikamen."

Der Regen durchweichte seine Kleidung. Der Werwolf stand, nur mit einem Hemd bekleidet, an einer Hausecke und wartete. Es kamen nur wenige Leute vorbei, schließlich war es genau zwischen Tag und Nacht, und dazu kam der Regen. Er zog sein Messer aus der Gürtelscheide und wog es nachdenklich in der Hand. Noch immer waren keine Schritte zu hören. Die Sonne war längst weg und der Mond noch nicht da. Nur die Regenweolken hingen über der Stadt und durchweichten ihn. Je schneller das Ganze vorbei war, desto besser. Da hörte er endlich Schritte. Mindestens zwei Leute mussten das sein. Er steckte das Messer wieder weg und griff an den Armbrustgriff.

"Der Juwelier war in der Mitte, und die beiden Entführer neben ihm. Die ham auf überhaupt nix geachtet, solche Anfänger. Denen hätte sogar die Palastwache nachlaufen können, und die hätten nix bemerkt. Naja, sie sin' dann an mir vorbei, keiner schaut auch nur, und direkt zu dem Laden, der nur nen Block weiter liegt. Ich hab dann kurz gewartet, und bin ihnen dann nach. Die hatten ja Glück, dass sie überhaupt soweit gekommen war'n, so unvorsichtig, wie die waren.
Einer war so'n dünner, junger Idiot, von nix ne Ahnung, des hat man ihm schon angesehen. Der andere hat sich wahrscheinlich gedacht, er hätte ne Ahnung, so'n Tut-Als-Ob. Eigentlich hätt ich sie schon so fertig machen können, aber wir hatten ja nen Plan."

Die grün-schwarze Gestalt stieß sich von der Mauer ab und ging den Männern nach. Er gab sich keine Mühe, sich zu verstcken, sondern ging aufrecht und irgendiwe provozierend. Noch im Gehen zog er eine Armbrust hervor und spannte sie, ohne hinzusehen. Seine Augen war fast ständig auf seine Opfer gerichtet, aber scheinbar achtete er auf die gesamte Umgebung. Man wurde nicht alt in den Schatten, wenn man nicht aufpasste.
Die drei Mänenr kamen gerade an der Tür des Ladens an. Der nervöse, kleine wurde nach vorne geschubst und machte sich mit zittrigen Fingern an dem Türschloss zuschaffen.

"Schließlich hat's der Typ dann geschafft, aufzuschließen. Der Boss hat ihn zurückgezogen, damit er selbst durchkonnte, und dann...der Jungspund war schnell weg vom Fenster. Ein Schuss nur."

Die Tür war nach innen aufgeschwungen, und der große bullige Mann machte sich daran, hereinzutreten, als das leise, typische Zischen einer Armbrustsehne ertönte. Seknundenbruchteile darauf fiel sein junger Kollege einfach um, ohne große Umwege aus der Senkrechten in die Horizontale.

"Dann is Charlies Feuerwerk losgegangen. Genau im richtigen Moment. Der Typ wusste nich weiter, sein Kollege kippt einfach so um, und dann der Lärm und Rauch von der anderen Seite, er greift nach seiner Geisel – und kippt ohnmächtig um. War 'ne schöne rechte Gerade."

Noch bevor er sich entscheiden konnte, ob er fliehen sollte, war der Werwolf drohend vor ihm und landete einen mächtigen Faustschlag auf die linke Backe. Auch er fiel sofort um.

"Auftrag ausgeführt, zwei Entführer verhaftet, eine Geisel befreit. Keine Fünf Minuten Arbeit."




Kapitel 8: Valdimier


"Wenn ich’s euch doch sage. Es ist alles die Wahrheit!" Valdimier stellte sein leeres Bierglas ab. "Glaubt ihr etwa, dass ein Wächter lügen würde?"
Seine Zuhörer verzichteten auf eine Antwort und stumme Blicke wurden untereinander gewechselt. Doch Valdimier bekam davon schon gar nichts mehr mit. Das eine Bier hatte ihn schon so beflügelt, dass er die Feinheiten seiner Umgebung nicht wahrnahm.
"Nun ja, es klingt alles etwas unrealistisch."
"Was heißt denn hier unrealistisch?" Empört stützte der Vampir seine Hände in die Hüften. "Genau so und nicht anders ist es vorgefallen."
Er versuchte einen Schluck aus seinem leeren Glas nehmen, stellte es aber enttäuscht wieder zurück.
"Herr Wirt? Noch so eins bitte!!"
Es dauerte nur einen kurzen Blick, bis er ein neues Bier vorgesetzt bekam. Der Wirt blieb vor ihm stehen und fing an, das leere Bierglas mit einem dreckigen Handtuch zu putzen.
"Worum geht’s denn hier?", fragte er in die Menge. "Gibt es hier was Umsonst"
Einer der Menschen, die um den Vampir herumstanden, deutete auf ihn.
"Also Horst, dass musst du dir mal anhören. Der Wächter hier hat eine ziemlich lebhafte Phantasie."
Die anderen Zuhörer verfielen in ein lautes Gelächter.
"Was bitteschön gibt es denn da zu lachen?? War einer von euch da und hat uns beobachtet? Ich glaube es nämlich nicht", antwortete Valdimier trotzig. "Also seid mal alle schön still."
Der Wirt versuchte ihn zu beschwichtigen.
"Immer ruhig bleiben mein Freund. Hier lacht niemand über dich. Erzähl mal, was hast du denn zu erzählen. Hinter der Theke bekomm ich ja nicht alles mit."
Der leichte Armbrustschütze überlegte kurz.
"Na gut, weil Sie es sind."
Mit einem genervten Stöhnen entfernten sich einige Gäste aus der Gruppe und nahmen am anderen Ecke das Raumes Platz.
"Also, es begann heute Nachmittag", begann der Vampir. "Ich glaube es war gerade vier Uhr, als der Junge in die Wache lief. Hab mich schon gleich gefragt, was der bei uns wollte. Hieß jedenfalls Kai Glänzgern."
"Glänzgern? Der Juwelier?", fragte der Wirt.
"Genau der. Sie kennen ihn?"
"Nur von ihm gehört."
"Na ja, jedenfalls hat der Kleine uns erzählt, dass seine Eltern und Schwestern von irgendwelchen Männern gefangen gehalten werden."
"Männer?"
"Exakt, Männer. Es dauerte zwar eine Weile, bis meine Kollegen und ich den Jungen richtig verstanden hatten, doch dann machte alles irgendwie Sinn. Wie Sie schon sagten, sein Vater ist der Juwelier und man hatte ihn und seine Familie gefangen genommen und wollte von ihm ein paar Steinchen erpressen. Nachdem wir jedenfalls wussten, was los war, sind wir gleich los."
"Mit wir meinst du sicher dich und deine Kollegen, oder?"
"Natürlich, wen auch sonst?", Valdimier deutete auf seine Uniform. "Siehst du das hier?"
"Das isn Frosch oder?", fragte der Wirt.
"Richtig. Und das sind wir, die FROGS. Wir sind die schnelle Eingreiftruppe, wenn’s brenzlig wird."
In der hinteren Reihe kicherte jemand, doch Valdimier ignorierte es. Oder besser gesagt: Er bekam es nicht mit.
"Da wir von dem Jungen wussten, dass zwei von den Gangstern mit dem Vater auf dem Weg zu dem Juweliergeschäft waren, um dort die Steine zu bekommen, teilten wir uns auf. Ich war mit zu dem Haus der Glänzgerns gefahren, wo Frau Glänzgern und ihre jungen Töchtern gefangen gehalten wurden. Eine andere Gruppe war zu dem Juwelierladen unterwegs, um den Mann zu retten."
"Und was war dann?"
Der Wirt hatte gegenüber von dem Vampir Platz genommen und beobachtete, wie er sich mit dem Hemdärmel ein Paar Biertropfen vom Kinn wischte.
"Also, wir merkten gleich, dass der Einsatz nicht einfach werden würde. Nachdem sich unsere Späherin mal etwas umgeschaut hatte, vermutete sie, dass sich zirka sechs bis acht Mann in dem Haus befanden. Der Haupt- und Hintereingang wurden von jemandem bewacht. Dazu kam noch, dass die Fenster in der unteren Etage alle vergittert waren und es kein Kellerfenster gab. Ein direktes Eindringen war also nicht möglich."
"Und was habt ihr dann gemacht?"
Der Wirt bemerkte, dass sein Gegenüber immer mehr dazu überging, mit den Händen in der Luft zu gestikulieren.
"Immer mit der Ruhe, dazu komme ich gleich. Zu unserm Glück hatte der kleine Kai ein Baumhaus in der Nähe seines Schlafzimmerfensters gebaut. Das war unsere Möglichkeit, in das Haus zu gelangen. Ich kletterte dann also in das Baumhaus und wartete auf das Ablenkungsmanöver."
"Pass auf Horst", rief einer der anderen Gäste. "Jetzt wird's gleich interessant."
Der Wirt schaute erst auf den rufenden Gast und dann wieder auf Valdimier.
"Soso, was denn für ein Ablenkungsmanöver?"
"Naja, als erstes schlich sich unser Gift- und Gasexperte durch eins der Fenster in das Haus und vergiftete von denen das Essen."
"Durch das Fenster? Ich dachte, die wären vergittert?"
"Waren sie ja auch. Aber unser Gift- und Gasexperte ist ein Gnom. Der passte perfekt zwischen den Stäben durch." Der Vampir räusperte sich. "Jedenfalls konnte er zwei von den Typen das Essen vergiften. Natürlich nur mit Schlafgift. Wir sind ja keine grausamen Mörder."
Ein leises: "Wer's glaubt" war zu hören.
"Ruhe da hinten", rief der Vampir, fing aber sofort wieder an weiterzuerzählen. "Dann klopfte einer von uns an die Vordertür, um die restlichen abzulenken. Die Blödmänner sind natürlich voll drauf reingefallen. Das war dann mein Zeichen."
Er griff nach seinem Bierglas und nahm einen tiefen Schluck.
"Pass auf, jetzt wird’s spannend. Ich bin jedenfalls über das Baumhaus in das Zimmer das Jungen rein, meine Waffen natürlich im Anschlag."
"Was für Waffen?"
Valdimier griff nach einer seiner Pistolenarmbrust und hielt sie dem Wirt vors Gesicht.
"Hiermit."
Beeindruckt und auch gleichzeitig etwas verängstigt betrachtet der Wirt die Waffe. Die Tatsache, dass Valdimier mit der Armbrust auf sein Gesicht zielte, freute ihn nicht sehr.
"OKOK, sehr schön. Steck das Ding wieder weg."
Nachdem Valdimier der Aufforderung nachgekommen war, fuhr er mit seiner Erzählung fort.
"Also ich war da nun in dem Zimmer. Vorsichtig schlich ich mich in das anliegende Wohnzimmer und wollte dann die Treppe runter. DOCH PLÖTZLICH!!" Mit der flachen Hand schlug er auf den Tisch. Ein paar Gäste, der Wirt eingeschlossen, zuckten vor Schreck zusammen.
"Was?? Was??"
"Stand da unten plötzlich einer!! Mir blieb nicht viel Zeit, denn er hatte mich bemerkt. War wohl nicht leise genug. Aber er hatte keine Chance. Noch bevor der überhaupt richtig kapierte, hatte er schon einen Bolzen abbekommen. Gleichzeitig warf ich mich auf das Treppengeländer und rutschte den Rest nach unten."
"Siehst du Horst, genau das meinen wir", erklärte jemand dem Wirt.
"Ich sag's noch mal. Das entspricht alles der Wahrheit. Soll ich's euch etwa beweisen? Das könnt ihr gerne haben. Seht ihr die kleine Flasche da hinten im Regal?"
Als die anderen ihre Köpfe drehten, zog Valdimier seine Waffe, legte an und schoss. Mit einem lauten Klirren ging die große Schnapsflasche, die neben dem Zielobjekt stand, zu Bruch.
"Ups, muss wohl daran liegen, dass ich schon ein paar Bier getrunken habe. Keine Sorge, ich komme natürlich für den Schaden auf."
Der Wirt schaute ihn finster an und ging dann zu der zerschossenen Flasche, um die Schweinerei aufzuwischen.
"Das war eine Flasche von meinem besten Schnaps."
"Kann ja mal passieren", verteidigte sich der Vampir. "Wie schon gesagt, ich bin nicht mehr ganz nüchtern. Na ja, wo war ich stehen geblieben? Ja genau. Als ich unten angekommen war, sah ich einen weiteren Geiselnehmer. Bei ihm befanden sich Frau Glänzgern und die Zwillingsschwestern. Er hatte die Schreie seinen Kollegen gehört und wollte gerade nachschauen, was passiert war. Deswegen war wohl schon seine Waffe geladen. Ich konnte gerade noch hinter einen Sessel hechten, als dort auch schon der Bolzen einschlug. Wir lieferten uns noch ein kurzes Feuergefecht, das von den Angstschreien von Frau Glänzgern untermalt wurde. Aber dann konnte ich ihn mit einem gezielten Schuss unschädlich machen. War gar nicht mal so schwer. Einfach gut gezielt und er lag am Boden."
"Gut gezielt wie?", erklang hinter dem Tresen die Stimme des Wirtes, doch Valdimier ignorierte ihn.
"Doch nicht alles lief so glimpflich ab. Frau Glänzgern hatte einen Bolzen in die Schulter bekommen und lag verletzt am Boden. Ein Querschläger hatte sie wohl getroffen. Aber die Zwillinge waren zum Glück unverletzt."
"Ich frag mich nur, von wem der Querschläger stammte?"
Es war wieder die Stimme des Wirtes, die diese Frage stellte.
"Es tut mir leid wegen der Flasche. War nicht meine Absicht."
"Jaja.", der Kopf des Wirtes kam zum Vorschein. " Aber was passierte dann?"
"Zwei von den Typen wollten abhauen. Doch meine Kollegen hatten leichtes Spiel mit ihnen. Um die verletzte Frau und die Geiselnehmer kümmerten sich unsere Sanitäter. Blieben also nur noch die zwei Gangster, die mit dem Vater im Juweliergeschäft waren."
"Was habter mit denen gemacht?"
"Ach, war alles ganz einfach. Einfach mit einer Rauchbombe etwas abgelenkt und dann kampfunfähig gemacht. Kein Problem."
"Soso... Und was war dann?"
"Was soll dann gewesen sein? Familie Glänzgern ist wieder in Sicherheit und die Geiselnehmer sitzen schon im Knast." Der Vampir fing an zu lachen. "So etwas machen die sicher nie wieder. Mit uns ist eben nicht zu spaßen."
Die Leute um ihn herum betrachteten ihn argwöhnisch. Doch bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, stand der Vampir auf.
"Nun ja, ich würde ja gerne noch etwas plaudern, aber ich muss wieder los. Was schulde ich ihnen?"
"Zwei Dollar für die Biere und fünfzehn für die Schnapsflasche."
"WWAAASS??"




Kapitel 9: Veni


Ankh-Morpork, der Fuchsbau in den Schatten, 6. Sektober im Jahr des neurotischen Geziefers, gegen Abend


Das Kreischen von vier kleinen Gnomenkindern hallte durch das Untergeschoß des Gebäudes, in dem sich der Fuchsbau, eine Kneipe für Gnome, befand; seltener Besuch war eingetroffen, und dieser seltene Besuch, Oberleutnant Venezia Knurblich von der Stadtwache Ankh-Morpork – und nebenbei noch Nichte des Anführers des Gnomenkartells der Stadt, Don Krimpik Knurblich – war zu Gast, und diese Person hatte bei ihren seltenen Besuchen immer spannende Geschichten über die schillernde Welt von Recht und Gesetz zu erzählen, was besagte Kinder, die dort praktisch lebten, weil ihre Eltern in die dunkelgrauen Geschäfte des Dons verwickelt waren, erheblich begeisterte.
"Tante Veni, Tante Veni, erzähl uns eine Geschichte!"
Der Oberleutnant hatte sich gerade das regennasse Cape abgeworfen und gesetzt, da war sie schon von leuchtenden Kinderaugen umringt. Sie war nicht einmal dazu gekommen, sich etwas zu trinken zu bestellen!
"Also gut", seufzte sie. "Es war einmal vor langer, langer Zeit..."
"Nein, nicht so eine Geschichte, eine echte Geschichte!"
"Athima, laß das Fräulein Knurblich doch erst einmal etwas zu trinken bestellen", schalt Lima, die Bedienung ihre kleine Tochter, schenkte Venezia ein Lächeln und füllte zuerst einmal einen Krug Bier.
"Laß sie doch, Lima. Ich weiß noch, wie ich, als ich noch sehr klein war, immer auf Krim... ich meine Don Knurblichs Schoß gesessen habe, wenn er uns einmal besuchte und mit leuchtenden Augen seinen Geschichten von der großen Stadt gelauscht habe." Venezia lächelte verträumt, das waren noch Zeiten!
"Trotzdem, ein Schluck zu Trinken muß drin sein, sonst wird deine Kehle noch ganz trocken und die Geschichte bleibt dir im Halse stecken und das wollen wir doch alle nicht."
Lachend manövrierte Lima den frisch gefüllten Krug um den Tresen herum und stellte ihn vor Venezia hin.
"...außerdem hab ich so, wo ich erst mal nichts mehr zu tun habe, weil du dein Getränk schon hast, auch die Möglichkeit, zuzuhören", fuhr sie fort und ließ sich auf einen freien Stuhl fallen.
"Jetzt aber los!" maulte Grimin, Schwippneffe dritten Grades der Gnomin.
"Jaja, ist ja gut. Alle bereit? Wunderbar."
Venezia lehnte sich zurück, nahm einen großen Schluck ihres Bieres und fing an zu erzählen:
"Also, es ist noch gar nicht so lange her gewesen, es war gestern um genau zu sein. Gestern Abend. Ihr erinnert euch bestimmt, es war furchtbares Wetter, bei dem man nicht einmal seine Ratte vor die Tür jagt. Und es war schon relativ später Nachmittag, die Zeit, die so langsam auf den Feierabend zuschleicht und sich dabei immer mehr streckt, als wäre sie zehnmal so lang..."
Lima nickte zustimmend, diese Zeit kannte sie nur allzu genau!
".Wir waren zu acht, meine Leute waren fast vollständig vertreten. Eigentlich hatten wir nicht damit gerechnet, daß es noch etwas zu tun gab, doch wir hatten und geirrt. Gewaltig geirrt!"
Venezia machte eine Kunstpause, belustigt schaute sie in die spannungsgeladenen Gesichter der Kinder.
"Es muß etwa vier Uhr gewesen sein, als der Junge kam und unseren Abend gewaltig durcheinanderwirbelte. Er mag so alt gewesen sein wie du!" Der Finger der Gnomin zuckte nach vorne und drückte sich Porion, dem Sohn eines Einbrechers des Kartells auf die Nase.
"54?!?" raunte dieser verzückt.
"Nein, nicht 54", lächelte Venezia. "Ihr müßt wissen, es handelte sich um einen Menschen, also müssen wir sein Alter auch in menschliche Maßstäbe umrechnen. Dein Alter entspricht ungefähr fünf menschlichen Jahren. Ein fünfjähriger Junge. Also, dieser Junge stellte sich als Kai vor. Kai Glänzgern. Er war pitschnaß, vollkommen außer Atem und fror erbärmlich. Wir haben ihm erst mal einen Kaffee gegeben, damit er sich aufwärmen..."
"Menno, ich darf nie Kaffee trinken!" unterbrach Athima mit einem vorwurfsvollen Blick auf ihre Mutter.
"... das war auch ein Scherz, natürlich hat er keinen Kaffee bekommen. Den hätte er auch gar nicht trinken können, dazu war er viel zu aufgeregt. Unter Tränen berichtete er uns, daß Männer in das Haus seiner Eltern eingedrungen sind. Ein paar von ihnen hielten seine Mutter und seine Schwestern in dem Haus fest, während andere mit dem Vater zu einem Juweliergeschäft im Besitz der Familie gehen wollten, um die Steine zu stehlen, ihr müßt wissen, Herr Glänzgern war ein begnadeter und nicht ganz armer Juwelier."
Venezia sah die Furchen auf den Stirnen der Kindergesichter und hielt den Zeitpunkt für ein lehrreiches Element in ihrer Geschichte für gekommen.
"Das war natürlich vollkommen falsch von den Männern", sagte sie streng und blickte den Kindern einen nach dem anderen fest in die Augen.
Vierfaches Nicken war die Antwort.
"Wer von euch kann mir denn sagen, was richtig gewesen wäre?"
"Ich weiß es, ich weiß es!" jauchzte Grimin auf und sprang von seinem Stuhl auf.
"Na dann mal los, Kleiner." Venezia fixierte den jungen Gnom.
"Es wäre viel richtiger und einfacher gewesen, das Ju... Juwl... den Laden mit den Glitzersteinen ausgiebig zu beobachten, sich ein Rattenloch zu suchen, zu warten, bis der Mann Feierabend gemacht hat, da reinzugehen, ie Glitzersteine einfach wegzutragen und Don Knurblich zehn Prozent der Beute zu zahlen."
Befriedigt nickte Venezia. "Sehr gut, Grimin, genau so macht man das. Aber was, wenn die Steine in einem Tresor sind?"
"Ha, das weiß ich!" meldete sich Elina zu Wort, die Tochter der rechten Hand von Krimpik.
"Ja?" Venezia schaute Elina fragend an.
"Dann sagt man dem Don Bescheid und der besorgt einen guten Tresoröffner. Dafür bekommt der Don zwanzig Prozent und der Tresorspezialist zehn Prozent der Beute."
Der Oberleutnant tätschelte der Kleinen den Kopf. "Ganz genau, sehr richtig. So wird das gemacht. Aber kommen wir zurück zu unserer Geschichte, denn diese Männer hatten es ja nicht so gemacht, wie man es machen sollte, sie sind eben nur Menschen. Und weil das so ist, geht unsere Geschichte noch weiter. Also, dieser Kai sagte uns was passiert war, außerdem gab er uns nach einigem hin und her die Adresse des Hauses der Eltern und auch die des Geschäftes."
"Warum erst nach einigem Hin und Her?" Unterbrach dieses Mal Porion.
"Weil Menschenkinder nicht so pfiffig sind wie kleine Gnome und er erst mal überlegen mußte, wie diese beiden Adressen denn lauteten."
Porion nickte befriedigt.
"Außerdem sagte er uns, daß sie ihn nicht geschnappt haben, weil er direkt vor seinem Zimmer ein Baumhaus hatte, über das er fliehen konnte. Also machten wir uns auf den Weg. Ich habe meine Leute natürlich aufgeteilt, den Hauptteil zum Haus, weil da wohl die größte Gefahr zu erwarten war, aber zwei meiner Leute auch zu dem Juweliergeschäft, immerhin mußte der Vater auch befreit und die Schurken gestellt werden."
"Oh, da habt ihr bestimmt eine ganz tolle neu entwickelte Kommudingensmöglichkeit ausprobiert, um miteinander sprechen zu können, so mit kleinen fliegenden Dämonen, die sich ganz schnell durch andere Welten bewegen können und so!" Ereiferte sich Elina.
"Naja fast... wir haben eine Taube genommen."
Angeekelt verzogen die Kinder das Gesicht. Tauben und Gnome vertrugen sich meistens nicht besonders, zwischen ihnen bestand eine unerklärbare Intimfeindschaft.
"Also, wir sind zu dem Haus", beeilte Venezia sich weiterzusprechen, um diese Peinlichkeit mit dem Federvieh schnell zu übergehen. "Ich habe dann erst mal Kanndra losgeschickt, meinen besten Späher. Sie ist schwarz wie die Nacht, leise wie ein Gnom und schnell wie der Wind. Es dämmerte inzwischen und wir waren schon naß bis auf die Knochen, aber die Grünen schreckt so schnell nichts!"
"Ha, jetzt wird es bestimmt spannend!" Versuchte Lima die Kinder anzuheizen. Tiraden über "die Grünen" hatte sie schon zu Genüge gehört, das mußte jetzt nicht schon wieder sein.
"Jaja, es geht ja schon weiter", seufzte Venezia. Sie redete doch so gerne über ihre FROGs!
"Kanndra kommt also zu uns zurück und – wie ich nicht anders erwartet habe – legt Ergebnisse auf den Tisch: Es sind sechs Leute, die beiden Türen sind bewacht, die anderen vier sind oben bei der Familie, die Fenster unten vergittert. Kein Reinkommen, ohne die Frau und die Kinder zu gefährden... aber es gibt ja noch das Baumhaus, und es gibt Rib, einen verdammt guten Giftgasexperten und noch dazu einen Gnom! Die Gitter an den Fenstern halten ihn nicht auf und so kann er problemlos in die Küche eindringen um den Kaffee mit einem starken Gift zu versetzen. Zwei der Schurken konnte er so ausschalten, wie wir im Nachhinein feststellten."
"Hat er sie umgebracht?" raunte Grimin.
"Nein, natürlich nicht. Die Stadtwache tötet niemanden, wenn es nicht unbedingt sein muß."
"Nein, ihr sperrt die Schurken für den Rest ihres Lebens hinter Gitter bei Wasser und Brot!", fiel Elina ein.
"Ganz genau, so machen wir das. Also weiter: Der gute Rib konnte also zwei der Schurken schon einmal ausschalten, so daß nur noch zwei weitere oben bei der Frau und den Kindern waren, immer noch schwer genug. Außerdem konnten die, wenn wir nicht aufpaßten, die beiden unten an den Türen alarmieren, und dann wäre die günstige Gelegenheit vertan, den Fall schnell und sauber über die Bühne zu bringen."
Venezia wartete erst mal einen kleinen Moment ab, damit die vier Kinder das Gehörte verdauen und sich bildlich vorstellen konnten. Außerdem mußte so eine Erzählerkehle gut geölt sein, also genehmigte sie sich erst mal einen tiefen Schluck Bier.
"Aber wie geht es denn nun weiter?" quengelte Athima.
"Ja, ist ja schon gut. Es geht ja schon weiter." Venezia beeilte sich, den Krug abzustellen. "Wo waren wir stehengeblieben?"
"Der Rib hat welche von denen vergiftet und du überlegtest dir gerade, wie es nun weitergehen sollte, weil wegen die Wachen an den Türen und die Frau und die Kinder und so", half Elina schnell aus.
"Ach ja, genau. Mein Plan. Es mußte in dieser Situation etwas her, womit die Schurken in keiner Weise rechnen konnten, etwas, das narrensicher war... die Macht der Püschologie!"
Acht aufgerissene Augen in vier Gesichtern mit offenen Mündern starrten die Gnomin an. Die Macht der Püschologie, die Kopfmagie, wie Krimpik sie nannte, war Stoff dutzender Geschichten und auf die Gnomenkinder so anziehend wie echte Magie.
"Ja Kinder, die Macht der Püschologie, eine unschätzbare Waffe gegen derartiges Gesindel, das war mein Plan. Mein Püschologe würde losziehen und die Männer unten in seinen Bann schlagen, so daß sie gar nicht auf die Idee kommen würden, oben einzugreifen."

"Du hast jemanden geschickt? Warum bist du nicht selber gegangen?" unterbrach Porion.
"Weißt du, das ist das Los des Abteilungsleiters. Er muß immer den Überblick über die Situation wahren, es kann immer was schief gehen. Er muß zurückbleiben und die Fäden in der Hand halten, damit er auf unplanmäßige Dinge blitzschnell reagieren kann."
"Don Knurblich schickt doch auch nur seine Leute und geht nicht selber einbrechen, du Dummi", fügte Athima noch hinzu.
"Also, ich schickte meinen Püschologen, und gleichzeitig schickte dich meinen Armbrustschützen nach oben in das Baumhaus, damit er, wenn er von meiner Späherin Zeichen bekam, daß der Püschologe erfolgreich war, gleich oben eingreifen konnte. Meine Sanitäterin, die Igordame Rogi, gab ich ihm gleich mit, ich wußte jetzt schon, daß die Männer dort oben ärztliche Hilfe brauchen würden"
"Welcher war es denn, der Vampir oder der Werwolf?" wollte Elina wissen.
"Der Vampir, den Werwolf hab ich zusammen mit der Werwölfin Charlie zum Juweliergeschäft geschickt."
"Oh, den Vampir find ich besonders gruselig", fügte Elina mit einem schauerwohligen Grinsen hinzu.
"Ich denke, das ging den beiden Schurken auch so, als er, schwarz wie die Nacht aus den Schatten trat und die Beiden schneller ausschaltete, als sie überhaupt reagieren konnten. Fast, als wären sie gleichzeitig gefeuert worden, bohrten sich die dunkelhölzernen Bolzen von Valdimier in die Schultern der beiden Männer, noch ehe sie wirklich begriffen hatten, daß ein Teil der Nacht Gestalt angenommen hatte", raunte Venezia.
"Leider löste sich doch ein Schuß aus der Armbrust und traf die arme Frau Glänzgern." Die Gnomin schaute betrübt drein.
"Nein, das geht aber nicht!" schrien die Kinder empört auf.
"Oh doch, solche Unfälle passieren, aber laßt euch gesagt sein, es war kein schwerer Treffer und Rogi war gleich vor Ort, damit sie sich um die Verwundeten kümmern konnte. Natürlich schickte sie vorher noch eine Nachricht an das andere Thiem, damit auch die losschlagen konnten."
"Aber Tante Veni, du hast ja immer noch nix gemacht", fiel Elina ein.
"Keine Sorge, ich bin ja auch noch nicht fertig. Wißt ihr, Araghast ist zwar ein fähiger Püschologe, aber er ist noch relativ neu und grün hinter den Ohren. Er hat die wirkliche Macht der Püschologie noch nicht so ganz raus, und dementsprechend schlug der Plan fehl. Die Männer kamen zwar ihren Kollegen oben nicht zu Hilfe, doch versuchten sie, zu fliehen. Araghast gab sich alle Mühe, sie aufzuhalten, aber er ist ein schmächtiges Kerlchen, und so hatte er wenig Chancen. Einen packte er, so daß er strauchelte und fiel, womit er ihn, mehr aus Glück denn aus Können, ausschaltete, der Schurke krachte mit dem Kopf genau auf eine Treppenstufe. Der zweite allerdings, ein echter Bär, wischte Araghast zur Seite, als sei er nur ein lästiges Blättchen von einem Baum, und lief in die Dunkelheit davon und wäre auch entkommen, wenn nicht..."
Lächelnd lehnte Venezia sich zurück und griff nach ihrem Krug.
"Tante Veni, das geht jetzt aber wirklich nicht!" keifte Porion. "Du kannst doch nicht gerade jetzt aufhören zu erzählen!"
"Junge, laß das Fräulein Knurblich doch erst einmal was trinken", wies Lima den Jungen zurecht, doch auch ihr war anzusehen, daß sie nur zu gerne hören wollte, wie es weiterging.
"Na gut, ich will euch ja nicht zu lange auf die Folter spannen." Setzte Venezia wieder an. "Also, dieser Bär von einem Mann lief davon, doch er machte einen kleinen aber entscheidenden Fehler." Ein Lächeln, bei dem viel Zähne zu sehen waren blitzte auf dem Gesicht der Gnomin auf und spiegelte sich kurz darauf auf den Gesichtern ihrer kleinen Zuhörer wieder.
"Er lief in die falsche Richtung; genau dorthin wo ich stand und auf meine Leute wartete."
Jauchzend klatschten die Gnomenkinder in die Hände. Jetzt würde es so richtig losgehen!
"Ich sah ihn kommen, und eins könnt ihr mir glauben, er war wirklich verdammt groß und breit! Aber ihr wißt ja, Größe ist nicht alles, es kommt auf Kraft und vor Allem auf Verstand an, und zumindest von Letzterem schien der gute nicht viel zu haben. Er rannte also den Weg herunter genau auf mich zu... ich glaube, er weiß bis heute noch nicht einmal, was genau ihn eigentlich getroffen hat, als ich mich mit vollem Schwung gegen sein Schienbein warf."
Venezia lachte auf. Genau diese Momente waren es, für die es sich lohnte ein Wächter zu sein.
"Wir fielen beide, mein Kopf schwirrte, der Aufprall war nicht gerade sanft gewesen. Doch ich hatte die Zähigkeit meines Gegners unterschätzt, er war nicht etwa ausgeschaltet; als ich wieder klar sehen konnte, war er gerade dabei, sich wieder aufzurappeln, der Sturz schien ihm nicht wirklich geschadet zu haben. Blitzschnell rollte ich mich zu ihm herum und klammerte mich an sein Bein. Er hat das Gewicht an seinem Stiefel wohl nicht bemerkt, denn er sprang auf und rannte los. Das war eine Schaukelei! Unsanft prallte ich immer wieder gegen sein Bein, wenn sein Fuß aufsetzte, bald schon waren meine Finger so kalt und klamm, daß ich sie nicht mehr spürte und trotzdem klammerte ich mich fest und vor Allem konnte ich kaum noch etwas sehen, Schlamm und Straßenwasser klebte in meinem Gesicht und am ganzen Körper. Als ich schon dachte, ich könne mich nicht mehr halten, kam der entscheidende Moment; der Mann blieb kurz an einer Kreuzung unterhalb der Villa stehen um sich zu orientieren. Das war meine Gelegenheit, so schnell wie ich nur konnte, zog ich mich an ihm hoch, so daß ich auf seiner Schulter zum Sitzen kam. Donner und Doria, ihr hättet sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm ins Ohr flüsterte, er sei verhaftet, er wußte ja gar nicht, daß ich da war!" Wieder mußte Venezia lachen; Menschen konnten so dämliche Gesichter machen. Ihr Versuch, diesen dummen, schwammigen Gesichtsausdruck nachzuahmen, scheiterte kläglich, reichte jedoch aus, um die Kinder lauthals zum Lachen zu bringen.
"Er fing an sich im Kreis zu drehen wie ein Hund, dem man seinen Schwanz zeigt, er dachte wohl, irgendwer mußte hinter ihm sein, aber er fand niemanden. Ich redete die ganze Zeit über auf ihn ein, wie falsch sein Vorgehen doch war, und daß ich sein Gewissen war und so weiter..."
"Kopfmagie", raunte Elina leise und die Kinder staunten.
"...dann hatte ich genug von dem kleinen Spielchen. Ich lehnte mich nah an sein Ohr und flüsterte die magischen und furchtbar geheimen Worte... doch nichts passierte! Dieser Mensch war so dumm, daß sie an seinem Geist einfach abprallten. Also..." lächelnd trank Venezia ihr Bier aus.
"...also holte ich einfach aus und schmetterte meine Stirn gegen seine Schläfe! Ich war noch nie so froh, einen Helm aufzuhaben, es gibt wenige solche Dickschädel unter den Menschen! Endlich hatte auch der genug, langsam, als wolle er nicht so ganz, glitt sein Körper auf den Boden, als sein Geist ins Reich der Träume glitt. Jetzt konnte ich mich für den Schlamm rächen; ich hab ihn den ganzen Weg bis zum Anwesen zurückgeschleift, dorthin, wo meine Leute schon mit den anderen Gefangenen warteten. Rogi überbrachte mir sofort die Nachricht, daß das andere Thiem auch erfolgreich war, es gab bei meinen Leuten keine Verletzten, auf Frau Glänzgern ging es gut, sie hatte nur eine zwar stark blutende aber ungefährliche Wunde am Oberarm. Wir warteten noch auf die anderen, die Herrn Glänzgern zurückgeleiteten und selber noch einmal zwei Schurken im Schlepptau hatten, dann machten wir uns zurück zur Wache, die Familie würden wir aufgrund von Aussagen noch einmal besuchen müssen, aber jetzt wollten wir sie in ihrer Wiedersehensfreude sich selber überlassen. Sie Schurken steckten wir ins Gefängnis und jetzt hatten wir endlich Feierabend."
Die Kinder klatschten; sie liebten diese Art von Geschichten!
"Und jetzt muß ich los, ich hab in ein Paar Minuten Dienst. Und wenn ihr Glück habt, habe ich schon bald wieder eine Geschichte zu erzählen." Venezia erhob sich und deutete eine Verbeugung unter dem Applaus und dem Jubel der Kinder an.
Lächelnd machte sie sich auf den Weg zur Wache, wissend, daß sie einige Kinder sehr glücklich gemacht hatte, und dabei war es fast die Wahrheit gewesen...


[1]  Eine Gnomenhandschriftrandnotiz besagt: Elendes Verbrecherpack, draussen regnet es in Strömen, ein Grund, beim Verhör keine Gnade walten zu lassen!

[2]  In Anbetracht der Uhrzeit waren nicht all zu viele Leute unterwegs und die, die unterwegs waren, waren alles andere als nüchtern, aber trotzdem

Trotzdem es eine Ausser-Konkurrenz-Mission ist, ist Kritik im Forum durchaus erwünscht, wenn das mac



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